04.082 Botschaft zum Bundesbeschluss über die Schweizer Beteiligung an der multinationalen Kosovo Force (KFOR) vom 3. Dezember 2004

Sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen die Botschaft zu einem einfachen Bundesbeschluss über die Schweizer Beteiligung an der multinationalen Kosovo Force (KFOR) mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Herren Präsidenten, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

3. Dezember 2004

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Joseph Deiss Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

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Übersicht Mit dem vorliegenden einfachen Bundesbeschluss soll die Fortführung des Einsatzes der «Swiss Company» (SWISSCOY) in der multinationalen Kosovo Force (KFOR) im bisherigen Rahmen und Umfang bis zum 31. Dezember 2008 verlängert werden, wobei die Schweiz jederzeit die Möglichkeit hat, den Einsatz zu beenden.

Der von der Bundesversammlung am 22. September 2003 bis zum 31. Dezember 2005 befristete Einsatz der SWISSCOY ist seit 1999 erfolgreich verlaufen. Die seit Dezember 2001 verbesserten Rahmenbedingungen (Bewaffnung zum Selbstschutz, Infanteriezug, Lufttransportdetachement) haben sich im wesentlichen bewährt.

Im Nachgang zu den gewalttätigen Auseinandersetzungen im vergangenen März wurden Auftrag und Verhalten der SWISSCOY, insbesondere der Infanterie, überprüft. Fazit: Die Infanterie hat ihren Auftrag auch in einer schwierigen Lage erfüllt.

Die Analyse hat jedoch gezeigt, dass die Ausrüstung und die Einsatzverfahren der Infanterie den Einsatzbedürfnissen ungenügend entsprechen, wenn die Infanterie einer aufgebrachten und gewaltbereiten Menschenmenge gegenüber steht.

Eine Anpassung an die veränderte Lage im Rahmen der geltenden gesetzlichen Vorgaben drängte sich daher auf. Deshalb wurde der Infanteriezug ab dem elften SWISSCOY-Kontingent (Einsatz ab Oktober 2004) wie die entsprechenden Einheiten der Partnernationen Deutschland und Österreich, so ausgebildet und ausgerüstet, dass er der Gegenseite standzuhalten vermag, welche die bestehenden Einsatzregeln zu unterlaufen sucht. Der eigentliche Ordnungsdienst wird aber weiterhin den Spezialeinheiten der UNMIK und der KFOR überlassen.

Der Infanteriezug der SWISSCOY erfüllt seine Aufträge (Patrouillen und Sicherungsaufgaben) wie bisher im Rahmen der geltenden gesetzlichen Vorgaben und Einsatzregeln, welche den Schusswaffengebrauch ausschliesslich zur Notwehr und Notwehrhilfe vorsehen. Mit der entsprechenden Ausbildung und Ausrüstung (Schutzhelm, Schutzschild, Schutzpolsterungen, Mehrzweckstock, Tränengas) ist die Infanterie der SWISSCOY nun aber auch in der Lage, defensiv und angemessen auf Demonstrationen zu reagieren, mit denen sie im Rahmen ihrer normalen Auftragserfüllung konfrontiert werden könnte.

Die Schweiz gehört zu den europäischen Staaten, deren innere Sicherheit direkt mit der Stabilität auf dem Balkan, vor allem in Kosovo
verbunden ist. Rund zehn Prozent der kosovarischen Albaner (d.h. ca. 200 000 Personen) sind in der Schweiz wohnhaft. Daher wirkt sich jede Verschlechterung der Sicherheitslage in ihrer Heimatregion auch auf die Schweiz aus.

Steigt in Kosovo die Spannung, so sind die Auswirkungen auf unser Land unmittelbar. Einerseits ist im Zusammenhang mit einer Radikalisierung der albanischen Diaspora mit möglichen Konflikten mit anderen ex-jugoslawischen Kolonien zu rechnen, andererseits sind neue Flüchtlingsströme nicht auszuschliessen. Nachdem am 17. März 2004, gegen Abend, in Kosovo teils bürgerkriegsähnliche Unruhen ausgebrochen waren, verfügte beispielsweise am Vormittag des 18. März 2004 das

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Bundesamt für Flüchtlinge, dass Kosovaren, deren Asylgesuch in der Schweiz abgelehnt worden war, nicht mehr nach Kosovo ausgeschafft werden dürften.

Die Schweiz hat mehr als die meisten europäischen Staaten ein unmittelbares nationales Interesse an einem gewaltfreien, sichereren und mit Zukunftsperspektiven versehenen Kosovo. Im Rahmen des gesamten schweizerischen Kosovo-Engagements ist die SWISSCOY ein Element mit hoher nationaler Wahrnehmung.

Eine Weiterführung des SWISSCOY-Einsatzes ist aber auch sinnvoll, weil nach wie vor ­ auch wenn Verhandlungen über die Statusfrage im Jahr 2005 aufgenommen werden ­ ein Ende der internationalen Militärpräsenz nicht abzusehen ist. Weiterhin gewinnt unsere Armee dank dem friedensfördernden Einsatz in Kosovo eine Reihe von Erfahrungen, welche unserer Armee bei möglichen Raumsicherungsoperationen zugute kommen. Dies ist zudem auch im Sinne des Bundesratsbeschlusses vom 8. September 2004, der den im Armeeleitbild vorgesehenen Ausbau der militärischen Friedensförderung bekräftigt hat.

Jeweils per 31. Dezember legt das VBS zuhanden der Aussenpolitischen und Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte einen Zwischenbericht über den SWISSCOY-Einsatz vor.

Alle in der vorliegenden Botschaft gemachten Angaben beziehen sich auf den Stand von Ende Oktober 2004.

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Botschaft 1

Allgemeiner Teil

1.1

Ausgangslage

Die völkerrechtliche Grundlage für das internationale Engagement in Kosovo ist die Resolution 1244 des UNO-Sicherheitsrates vom 10. Juni 1999, welcher die Bundesrepublik Jugoslawien zugestimmt hat. Aufgrund dieser Zustimmung sind alle in der Resolution 1244 getroffenen Massnahmen als friedenserhaltende Massnahmen zu betrachten, auch diejenigen, die unter Kapitel VII der UNO-Charta (Massnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffhandlungen) erfolgen.

Gemäss UNO-Resolution 1244 beschliesst der Sicherheitsrat, «unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen in Kosovo internationale zivile und Sicherheitspräsenzen einzusetzen.» (Absatz 5) und ermächtigt in Absatz 10 den UNO-Generalsekretär, «mit Unterstützung der zuständigen internationalen Organisationen eine internationale zivile Präsenz in Kosovo zu errichten, um eine Interimsverwaltung für Kosovo zu schaffen, unter der die Bevölkerung eine wesentliche Autonomie innerhalb der Bundesrepublik Jugoslawien erhält, und die eine Übergangsverwaltung bestimmen wird, während sie die Errichtung von provisorischen demokratischen Institutionen der Selbstverwaltung vorantreibt und überwacht, um die Bedingungen für ein friedliches und normales Leben für alle Bewohner in Kosovo zu sichern.» Auf dieser Grundlage wurde die Mission der Vereinten Nationen zur Übergangsverwaltung in Kosovo (UNMIK/United Nations Interim Administration Mission in Kosovo) zusammen mit dem Personal der internationalen Polizei und den multinationalen Streitkräften KFOR (Kosovo Force) eingesetzt. Als UNO-Sonderbeauftragter für Kosovo ist der Däne Søren Jessen-Petersen seit dem 16. August 2004 im Amt.

1.2

Politische Lage

Die Staatengemeinschaft hält vorläufig an der UNO-Resolution 1244 fest, die Kosovo als integralen Bestandteil der Bundesrepublik Jugoslawien bzw. deren Rechtsnachfolgerin Serbien-Montenegro definiert. Offen gelassen wurde in der Resolution die Frage des endgültigen Status von Kosovo. Als vages Versprechen für die Zukunft galt bisher die Formel «Standards before Status». Um die gespannte Lage zu beruhigen, wurde diese Formel inzwischen von der internationalen Gemeinschaft relativiert. Die Diskussionen über den Status sollen nun 2005 beginnen.

Seit Beendigung der blutigen Zusammenstösse im März 2004 sehen sich die UNMIK und die KFOR einer veränderten Situation gegenüber. Die Krise hat die Fronten zwischen Serben, Albanern und der Staatengemeinschaft verhärtet. Vor allem die zivilen Vertreter der Staatengemeinschaft vor Ort haben durch ihr Verhalten massiv an Respekt bei der Bevölkerung verloren. Radikale und Kriminelle versuchen dieses zu ihren Gunsten veränderte Umfeld für ihre Zwecke zu nutzen.

Ein weiteres Hinauszögern der Statusfrage in Kosovo dürfte deshalb die internationale militärische und zivile Präsenz auf lokaler Ebene ernsthaft herausfordern.

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Die Parlamentswahlen in Kosovo vom 23. Oktober 2004 haben kaum Veränderungen in der Sitzverteilung gebracht. Die drei bisher dominierenden albanischen Parteien teilen sich in annähernd gleich bleibenden Verhältnissen weiterhin 80 % der Stimmen; die übrigen Wähler haben sich für knapp 30 andere Parteien entschieden, von denen 14 den Einzug ins Parlament geschafft haben. Die Stimmbeteiligung lag bei rund 50 %, die serbische Minderheit hat die Wahlen praktisch boykottiert. Die Wahlen verliefen ruhig.

Die albanische Bevölkerung und ihre politischen Vertreter verlangen seit über einem Jahrzehnt geschlossen die Eigenstaatlichkeit eines ungeteilten Kosovos. Sie erwarten eine entscheidende Weichenstellung hinsichtlich einer Lösung der Statusfrage im Verlauf des Jahres 2005. Sollte die Staatengemeinschaft im Jahr 2005 die Statusfrage nicht ernsthaft angehen und eine Lösung innerhalb eines engen und genau definierten Zeithorizontes aufzeigen, die den Vorstellungen der albanischen Bevölkerungsmehrheit entspricht, können sich daraus ernsthafte Konsequenzen für die Sicherheitslage in Kosovo ergeben.

1.3

Sicherheitslage

Die gewaltsamen Unruhen vom März 2004 bilden das zentrale Ereignis in Kosovo seit der letzten Botschaft über den SWISSCOY-Einsatz vom März 2003. Sie bedeuten einen schweren Rückschlag der internationalen Bemühungen zur Stabilisierung und Normalisierung der Lage in dieser Region. Der ungeklärte Todesfall von kosovo-albanischen Jugendlichen in der Nähe Mitrovicas Mitte März wurde von einigen zehntausend Kosovo-Albanern zum Anlass für orchestrierte gewaltsame Übergriffe gegen Minderheiten, primär Kosovo-Serben, genommen. Bei den Vorkommnissen vom 17. bis 19. März 2004 kamen gemäss Angaben der UNMIK 19 Einwohner Kosovos ums Leben, 954 wurden verletzt. Zusätzlich trugen 65 internationale Polizisten, 58 Offiziere des Kosovo Police Service und 61 Angehörige der KFOR Verletzungen davon. Rund 730 Häuser von Angehörigen von Minderheiten, hauptsächlich Kosovo-Serben, und 36 kulturelle und religiöse Stätte der Kosovo-Serben wurden beschädigt oder zerstört sowie rund 4500 Angehörige, vornehmlich der kosovo-serbischen Minderheit, vertrieben.

Während rund zweier Tage hatte die internationale Präsenz die Sicherheitslage in Teilen Kosovos nicht mehr unter Kontrolle. Die UNMIK und die KFOR wurden von diesem Ausbruch der Gewalt überrascht, reagierten meist zu zögerlich und zu spät.

Viele Ausschreitungen richteten sich auch gegen die Präsenz der UNMIK, welche viele für die schlechte wirtschaftliche und soziale Lage und die mangelnde politische Perspektive verantwortlich machen. In erster Linie hat die UNMIK mit diesen Ereignissen einen grossen Imageschaden in der Bevölkerung Kosovos erlitten, und die Befriedungs- und Wiederaufbauarbeiten sind durch diese Unruhen erheblich zurückgeworfen worden. Die UNMIK und auch die KFOR haben mit verschiedenen Massnahmen Konsequenzen aus den Vorkommnissen gezogen, um in Zukunft besser auf solche Gewaltausbrüche vorbereitet zu sein und rascher reagieren zu können. Die Ereignisse haben vor Augen geführt, dass extremistische Kreise in Kosovo fähig sind, interethnische Spannungen bewusst zu schüren und Minderheiten zu vertreiben, um ihre politischen Ziele zu verfolgen.

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Die Ausschreitungen haben auch gezeigt, dass die Sicherheitslage in Kosovo noch lange nicht stabil ist und nach wie vor eine robuste internationale Sicherheitspräsenz notwendig macht. Sie demonstrierten auch eindrücklich, dass eine ausreichende Stärke von internationalen Friedenstruppen erforderlich ist, um gewaltsame Vorfälle möglichst rasch eindämmen zu können. Insbesondere der Schutz der in viele kleinere Enklaven zerstreuten Minderheiten wird auch in Zukunft eine beträchtliche Truppenpräsenz erfordern. Die Erfahrungen in Bosnien und Herzegowina haben im Übrigen gezeigt, dass eine solche Präsenz einen langen Atem braucht und noch über Jahre hinaus notwendig bleiben wird.

Abgesehen von dem Bedrohungspotential interethnischer Ausschreitungen kämpft die internationale Gemeinschaft in Kosovo noch mit weiteren Sicherheitsrisiken.

Nach wie vor gibt es einen nicht abreissenden Strom grenzüberschreitender krimineller Aktivitäten in Kosovo, vor allem Menschenhandel, Geldwäsche und Schmuggel von Waffen und Zigaretten. Obschon UNMIK und auch KFOR hier in den vergangenen Jahren gewisse Fortschritte erzielt haben, konnte bisher eine effektive Bekämpfung dieses Problems noch nicht erreicht werden. Die kaum vorhandene wirtschaftliche Perspektive bildet einen idealen Nährboden für diese kriminellen Aktivitäten.

1.4

Konsequenzen für die Schweiz

Die Schweiz gehört zu den europäischen Staaten, deren innere Sicherheit am unmittelbarsten mit der Stabilität auf dem Balkan, vor allem in Kosovo verbunden ist.

Rund zehn Prozent der kosovarischen Albaner (d.h. ca. 200 000 Personen) sind in der Schweiz wohnhaft. Daher wirkt sich jede Verschlechterung der Sicherheitslage in ihrer Heimatregion auch auf die Schweiz aus. Falls sich die Überzeugung durchsetzt, dass eine akzeptable Lösung der Statusfrage nicht in Kooperation mit der Staatengemeinschaft erreicht werden kann, würde dies die Gefahr einer politischen Radikalisierung auch der albanischen Diaspora in der Schweiz erhöhen.

Unser Land spielt für Kosovo eine zentrale Rolle: Finanzielle Zuwendungen kosovarischer Gastarbeiter in der Schweiz an ihre zurückgebliebenen Angehörigen gehören zu den wichtigsten Einkünften in Kosovo. Der personelle Austausch zwischen der Schweiz und Kosovo ist äusserst rege. Rund 40 Prozent aller Passagiere, die den internationalen Flughafen Pristina verlassen, fliegen direkt in die Schweiz.

Steigt in Kosovo die Spannung, so hat dies unmittelbar Auswirkungen auf unser Land. Einerseits ist im Zusammenhang mit einer Radikalisierung der albanischen Diaspora mit möglichen Konflikten mit anderen ex-jugoslawischen Kolonien zu rechnen, andererseits sind neue Flüchtlingsströme nicht auszuschliessen. Nachdem am 17. März 2004, gegen Abend, in Kosovo teils bürgerkriegsähnliche Unruhen ausgebrochen waren, verfügte beispielsweise am Vormittag des 18. März 2004 das Bundesamt für Flüchtlinge, dass Kosovaren, deren Asylgesuch in der Schweiz abgelehnt worden war, nicht mehr nach Kosovo ausgeschafft werden dürften.

Die Schweiz hat ein grosses Interesse an einer Stabilisierung und Normalisierung der Lage in Kosovo. So ist unser Land von den Aktivitäten krimineller Gruppen aus Kosovo stark betroffen. Diese umfassen insbesondere den Handel mit Drogen, Menschenhandel und Geldwäscherei-Aktivitäten. Entsprechende Erfolge der inter-

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nationalen Gemeinschaft in Kosovo zur Eindämmung dieser kriminellen Aktivitäten wirken sich auch auf unser Land positiv aus.

Die Schweiz hat mehr als die meisten europäischen Staaten ein unmittelbares nationales Interesse an einem gewaltfreien, sichereren und mit Zukunftsperspektiven versehenen Kosovo. Im Rahmen des gesamten schweizerischen Kosovo-Engagements ist die SWISSCOY ein Element mit hoher nationaler Wahrnehmung.

2

Die Rolle der KFOR

Der Grundauftrag der KFOR ist in der UNO-Resolution 1244 vom 10. Juni 1999 umschrieben und gilt nach wie vor: Die KFOR hat ein sicheres und stabiles Umfeld zu gewährleisten, in welchem der soziale, politische und wirtschaftliche Wiederaufbau des Kosovo erfolgen kann.

2.1

Gewährleistung eines sicheren Umfeldes

Die gewaltsamen Auseinandersetzungen im März 2004 haben klar gemacht, dass Kosovo noch weit von selbsttragender Stabilität entfernt ist. Eine weitere militärische Unterstützung der politischen Bemühungen um Frieden und gesellschaftliche Normalisierung ist unverzichtbar. Die Schweiz hat wie ihre europäischen Nachbarn kein Interesse an einem Zustand des «failed state» in Kosovo, in dem organisierte Kriminalität grassiert und welches Ausgangspunkt regionaler Destabilisierungen ist.

Zu einer konsequenten Unterstützung Kosovos wie des gesamten Balkanraums mit zivilen wie auch mit militärischen Massnahmen gibt es keine Alternative. Die KFOR-Friedenstruppen sind unverzichtbar zur Gewährleistung eines sicheren Umfelds und zur Unterstützung der in Kosovo tätigen internationalen Organisationen. Sie bilden einen integralen Bestandteil einer langfristig angelegten Konsolidierungspolitik für Kosovo unter Führung der UNO.

Die gewaltsamen Unruhen, welche Kosovo vom 17. bis 19. März 2004 erschütterten, zeigten, dass die sich noch im Aufbau befindlichen kosovarischen Polizeiorgane nach wie vor nicht in der Lage sind, Gewalttätigkeiten mittleren und grösseren Ausmasses Herr zu werden. In einem Konflikt mit starken ethnischen Zügen und einer Gesellschaft, die immer noch stark auf Familien- und Clan-Loyalitäten basiert, ist der Aufbau einer ethnisch gemischten, sich unparteiisch für die Angehörigen aller Ethnien engagierenden Ordnungsmacht besonders zeitraubend. Solange diese Rahmenbedingungen vorherrschen, kann auf die KFOR nicht verzichtet werden.

Die KFOR wird seit dem 1. September 2004 vom französischen Generalleutnant Yves de Kermabon geführt. Er untersteht direkt dem Befehlshaber des Vereinten NATO-Hauptquartiers in Neapel (Joint Force Command Naples). Die Truppenstärke lag Ende Oktober 2004 bei etwa 17 500 Personen. Im Hinblick auf die Parlamentswahlen vom 23. Oktober war der Truppenbestand kurzfristig um 2000 auf 19 500 Personen erhöht worden.

Nach den März-Unruhen wurden die Planungen zur weiteren Truppen-Reduktion bei der KFOR vorerst sistiert. Mittelfristig streben aber die meisten Staaten weitere Reduktionen an, um Mittel für andere Prioritäten freizustellen.

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Vor und auch nach den März-Unruhen ergaben repräsentative und unabhängige Erhebungen, dass die KFOR von allen internationalen Institutionen kosovoweit das Vertrauen einer grossen Mehrheit der kosovarischen Bevölkerung geniesst. Während der Unruhen waren Angehörige oder Einrichtungen der KFOR nie primäres Ziel der Angreifer. KFOR-Personal wurde dann angegriffen, wenn es sich in Ausübung seines Auftrags zu Gunsten bedrohter Personen, Häuser oder Kulturgüter zwischen die Konfliktparteien stellte.

2.2

Verhalten der KFOR während den März-Unruhen

Die März-Unruhen legten verschiedene Schwachstellen im Ansatz aller internationalen Akteure, die in Kosovo engagiert sind, an den Tag. Auf die KFOR bezogen waren dies namentlich: In den vergangenen Jahren entstand eine gewisse Tendenz, positive Entwicklungen erkennen zu wollen, auch wenn diese in der Realität so nicht stattfanden, aus dem Willen heraus, den bereits geplanten Truppenabbau aus der Lage heraus begründen zu können. Dieser Zweckoptimismus führte zum Truppenabbau. Die Warnsignale wurden zwar erkannt, aber nicht ernst genommen. Zudem wurde festgestellt, dass die Integration der verschiedenen Nachrichtenbeschaffungs- und Analyseinstrumente zu wünschen übrig liess.

Nachdem sich die Unruhen über gesamt Kosovo ausdehnten, reagierten verschiedene Kommandostellen anfänglich teilweise wenig koordinert. Es zeigte sich, dass nationale Auflagen die lagegerechte Verwendung von Einsatzelementen behinderten und teilweise verunmöglichten.

Nur rund ein Drittel aller Einsatzelemente der KFOR waren zum lagegerechten Verhalten gegen unfriedliche Menschenmengen befähigt und mit den entsprechenden nicht letalen Waffen und Schutzausrüstungen versehen. Da Schusswaffen bei allen KFOR-Kontingenten gemäss den geltenden Einsatzregeln («Rules of Engagement») nur im Fall von Notwehr oder Notwehrhilfe eingesetzt werden dürfen, konnten gewalttätige Demonstranten diese Einsatzregeln gezielt unterlaufen, sobald sie erkannten, dass ein KFOR-Interventionselement über keine nicht letalen Mittel verfügte.

2.3

Stärken und Erfolge der KFOR

Einzelne Einsatzverbände («Task Forces») reagierten rasch und entschlossen und konnten die Lage in ihrem Verantwortungsbereich beruhigen oder zumindest rasch bereinigen. Gemäss dem Bericht «Collapse in Kosovo» der «International Crisis Group» zu den Märzunruhen hat die von skandinavischen Truppen dominierte Multinationale Brigade Center am besten auf die Vorfälle reagiert.

Der österreichisch-schweizerisch-deutschen TASK FORCE DULJE gelang es, aufgebrachte Manifestanten an der Erstürmung serbischer Quartiere und Enklaven zu hindern, ohne dass Opfer zu beklagen waren. Dieser Erfolg war auch das Resultat des guten Rufes, den die Angehörigen dieses Verbandes bei allen Bevölkerungsteilen geniessen. Zudem hatte die TASK FORCE DULJE in der Vergangenheit stets rasch und entschlossen auf ethnisch motivierte Gewaltakte reagiert.

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Was sich seitens der KFOR unzweifelhaft bewährte, war das rasche Eintreffen von Reserveverbänden, die von ausserhalb Kosovo zugeführt wurden. Die KFOR demonstrierte damit, dass sie entschlossen und fähig war, die Lage mit überlegenen Kräften zu beruhigen. Dieses Signal führte nach zwei Tagen zu einem raschen Abflauen der Gewalttätigkeiten.

2.4

Militärische Konsequenzen der Unruhen vom März 2004

Die erkannten erheblichen Mängel wurden seitens der KFOR sowie der meisten truppenstellenden Staaten entschieden angegangen. Namentlich wurden folgende Massnahmen ergriffen: ­

Der Verbund aller nachrichtendienstlichen Elemente wurde verstärkt mit dem Ziel, sowohl die Nachrichtenbeschaffung effizienter zu gestalten als auch das Lagebild zu vervollständigen.

­

Es wurde ein System vorbereiteter Sperrzonen eingeführt, welches im Spannungsfall das Auseinanderhalten von Manifestanten verschiedener Ethnien erleichtern soll.

­

Bei Anzeichen von Manifestationen wird rasch massive Präsenz markiert, um Gewalttätigkeiten im Keim zu ersticken.

­

Zudem wurden wesentlich mehr Kontingente befähigt, ihren Schutzauftrag mit nicht-letalen Waffen auszuüben (Befähigung zur «crowd and riot control») und damit nicht mehr vor der Alternative des Schusswaffengebrauchs oder des Verharrens in Passivität zu stehen.

­

Lokale kosovarische Verantwortliche werden im Rahmen eines institutionalisierten Sicherheitsdialogs konsequent in die Pflicht genommen.

­

Häufigere Übungen mit lufttransportierten operativen und strategischen Reserven sollen die Bildung rascher Schwergewichte in Spannungsgebieten verbessern.

­

Die lokale kosovarische Polizei erhält verbessertes Material, Führungsmittel und Ausbildungsunterstützung, um bei gewalttätigen Demonstrationen besser bestehen zu können.

­

Verschiedene truppenstellende Staaten haben bestehende nationale Restriktionen, welche die bisherige militärische Handlungsfreiheit ihres Einsatzverbandes einschränkten, aufgehoben.

­

Zusammen mit der UNMIK hat die KFOR Anstrengungen unternommen, um die Zusammenarbeit zwischen den zivil und militärisch Handelnden zu verbessern. Deshalb ist eine «Kosovo Security and Advisory Group» in der die UNMIK, die verschiedenen Gemeinschaften Kosovos und die KFOR Sicherheitsfragen erörtern, errichtet worden.

Diese Massnahmen sind bereits umgesetzt oder in Umsetzung begriffen. Die KFOR ist jetzt wesentlich besser vorbereitet, Gewaltausbrüche rasch einzudämmen und damit einen Flächenbrand, wie er sich zwischen dem 17. und 19. März 2004 zutrug, zu verhindern.

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2.5

Längerfristige Strukturanpassungen der KFOR

Anpassungen der KFOR-Bestände erfolgten, weil vor allem die grossen Truppensteller wie USA, Grossbritannien, Italien, Deutschland und Frankreich Verbände im Balkan freizustellen suchten, um ihre anderen militärischen Engagements, vor allem in Afghanistan oder Irak, alimentieren zu können. Eine Kompensation der grossen Truppensteller für ihre reduzierte Präsenz vor Ort erfolgte teilweise durch die Zurverfügungstellung von Reservebataillonen, die ausserhalb von Kosovo stationiert sind und bei Bedarf rasch lufttransportiert verlegt werden können.

Dieser Umbau wurde aufgrund der März-Unruhen vorerst gestoppt. Erfolgte der graduelle Truppenabbau bis dahin praktisch lageunabhängig nach vorgegebenem Kalender, so hat seither ein Umdenken stattgefunden.

Aktuelle Planungen der NATO gehen in die Richtung, dass eine weitere Reduktion der KFOR erst dann erfolgen wird, wenn die Sicherheitslage dies zulässt. Parallel dazu soll eine Flexibilisierung der Struktur erfolgen. Diese dürfte in Kosovo mittelfristig dazu führen, dass die Gliederung in verschiedene Brigaderäume aufgegeben wird. Damit verbunden ist der Wegfall verschiedener Führungsebenen und die Reduktion von Anzahl und Grösse der Hauptquartiere.

Wann dieser Prozess einsetzt und mit welcher Geschwindigkeit er umgesetzt wird, wird primär von der innerkosovarischen Entwicklung im Jahr 2005 abhängen.

Ergänzende Massnahmen sollen sicherstellen, dass ein stabiles Umfeld auch mit diesen ausgedünnten Kräften gewährleistet ist: ­

Abbau von stationären Bewachungsaufgaben, um Kräfte für flexiblere Einsatzführung freizuspielen;

­

vermehrter Einsatz der Lufttransportmittel für die Verlegung von taktischen Reserven im ganzen Kosovo;

­

stationäre KFOR-Verbindungs- und Überwachungsteams, die engen Kontakt mit der lokalen Bevölkerung halten, auch wenn keine weiteren KFORElemente permanent im Raum sind;

­

Befähigung aller KFOR-Truppenteile zum adäquaten Verhalten gegen unfriedliche Menschenmengen, verbunden mit der Berechtigung, im ganzen Verantwortungsbereich der KFOR eingesetzt zu werden.

2.6

Auswirkungen auf die SWISSCOY

Die Anforderungen, welche im Rahmen dieses angepassten Operationskonzeptes an die KFOR-Einheiten gestellt werden, wurden von der SWISSCOY bereits umgesetzt respektive eingeleitet. Es sind dies namentlich: ­

die Erhöhung des Infanterieanteils des Kontingents auf rund 60 Soldaten, erreicht im wesentlichen durch die Reduktion des Geniezuges sowie Straffung der logistischen Elemente;

­

periodischer Einsatz von Elementen der SWISSCOY als feste Bestandteile der taktischen Reserven der KFOR;

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­

Verbesserung von Ausrüstung und Ausbildung der SWISSCOY-Infanteristen im Verhalten gegen unfriedliche Menschenmengen.

Entsprechende Informationen an die Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte sowie an die breite schweizerische Öffentlichkeit erfolgten einerseits im «Bericht 2003 über den Einsatz der Schweizer Kompanie (SWISSCOY) in der multinationalen Kosovo Force (KFOR)» sowie im Schreiben des Chefs VBS vom 10. August 2004 an die Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte, in welchem die Notwendigkeit der Befähigung zum Verhalten gegen unfriedliche Menschenmengen erläutert wurde. Der schweizerischen Öffentlichkeit wurde durch die Medien Gelegenheit gegeben, sich über diese Massnahmen vor deren Einführung in Kosovo ein Bild zu machen.

Mit der in Zukunft steigenden Bedeutung der Luftmobilität von KFOR-Reserven wird auch die Bedeutung des schweizerischen Super-Puma-Helikopters noch zunehmen. Seine technische Zuverlässigkeit, die Nachtflug- und Allwettertauglichkeit, seine Transportkapazität und Geschwindigkeit in Verbindung mit dem hohen Können der Besatzungen entsprechen optimal dem Bedürfnis der KFOR, mit weniger präsenten Kräften durch mehr Mobilität gleichviel Sicherheit zu gewährleisten.

Angesichts der anhaltenden Knappheit an Friedenstruppen ist davon auszugehen, dass Anfragen für einen Ausbau des schweizerischen Engagements in der KFOR anhalten werden. Insbesondere der Wunsch nach weiteren schweizerischen Helikoptern und nach Stabsoffizieren ist bereits mehrmals an die Schweiz herangetragen worden.

3

Struktur und Aufgaben der SWISSCOY

3.1

Auftrag der SWISSCOY

Das schweizerische KFOR-Kontingent SWISSCOY umfasst eine personelle Obergrenze von 220 Personen und erbringt Leistungen zu Gunsten der internationalen KFOR-Partner. Das Gros der SWISSCOY operiert vom Standort Suva Reka aus und ist mit österreichischen und deutschen Kräften zusammen Teil der TASK FORCE DULJE. Zu Gunsten dieses mechanisierten Einsatzverbandes erbringt die SWISSCOY folgende logistischen Leistungen: ­

Strassen- und Personentransporte;

­

Trinkwasseraufbereitung und -verteilung;

­

Sanitätsdienstliche Unterstützung und medizinische Versorgung;

­

Mitwirkung bei Betrieb und Unterhalt des gemeinsamen Camps CASABLANCA;

­

Campfeuerwehr.

Die Infanterie der SWISSCOY ist der deutschen mechanisierten Kompanie innerhalb der Task Force zur Zusammenarbeit zugewiesen. Sie nimmt, genau wie die deutschen Kameraden, folgende Aufgaben war: ­

Bewachung des Camps sowie serbischer Enklaven;

­

Konvoischutz;

­

Patrouillentätigkeit zu Fuss und mit Fahrzeugen; 457

­

Verkehrs- und Personenkontrollen;

­

Betrieb von Beobachtungsposten und Kontrollpunkten;

­

Einsätze als Teil der taktischen KFOR-Reserven, mechanisiert oder lufttransportiert.

Das SWISSCOY-Militärpolizeidetachement ist ein Mittel in der Hand des nationalen schweizerischen Kontingentskommandanten und kontrolliert die Einhaltung von Sicherheits- und Verkehrsvorschriften oder untersucht disziplinarische Übertretungen von Kontingentsangehörigen.

Im täglichen Normalbetrieb nehmen die Militärpolizisten als Teil der trinationalen MP-Kompanie die Polizeifunktion innerhalb der gesamten TASK FORCE wahr. Sie unterstützen bei Bedarf die Polizeikräfte der UNMIK bei grösseren Operationen.

Das Lufttransportdetachement operiert ab Standort Toplicane, rund fünf Kilometer von Suva Reka entfernt. Dieses Element, das aus Berufspersonal der Luftwaffe und der Betriebe der Luftwaffe besteht, ist der TASK FORCE MERKUR, einer trinationalen Lufttransportabteilung unter deutschem Kommando zur Zusammenarbeit zugewiesen. Der Super-Puma-Helikopter ist das modernste und leistungsfähigste Element dieser gemischten Lufttransportabteilung. Er transportiert Personal sowie Innen- und Aussenlasten und kann bei jedem Wetter sowie nachts operieren.

3.2

Einsatzerfahrungen der Infanterie

Seit der Verstärkung der SWISSCOY mit einem Infanteriezug im Oktober 2002 stand dieser Zug zweimal in direkter Konfrontation mit gewalttätigen Manifestanten.

Im November 2003 sicherte die TASK FORCE DULJE eine Operation des UNHCR (Office of the United Nations High Commissioner for Refugees/Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge) im Zusammenhang mit möglicher Rücksiedelung vertriebener Serben, der sich ein Teil der lokalen Bevölkerung mit Gewalt zu widersetzen suchte. Den Angehörigen der SWISSCOY gelang es, durch entschlossenes Auftreten und mässigendes Verhalten die Manifestanten zu beruhigen und zum Rückzug zu veranlassen.

Während der Unruhen im März 2004 verhinderte die schweizerische Infanterie, die turnusgemäss in der Ortschaft Orahovac Dienst tat, dass aufgebrachte KosovoAlbaner das dortige Serbenviertel stürmten. Trotz Steinwürfen, die glücklicherweise keine nennenswerten Verletzungen nach sich zogen, liess sich die Lage durch die besonnene Führung beruhigen. Die Serben im Ort blieben dank diesem Einsatz an Leib und Gut verschont.

Die Erfahrung aus diesem Einsatz, verbunden mit den allgemeinen Erkenntnissen der KFOR, bewogen den Chef der Armee mit Gutheissung des Chefs VBS, der Zusatzausstattung mit nicht-letaler Munition, Tränengas und Gummischrot sowie entsprechender persönlicher Schutzausrüstung zuzustimmen. Damit ist die SWISSCOY seit Einsatzbeginn des elften Kontingents im Oktober 2004 in der Lage, den Auftrag auch dann zu erfüllen, wenn Manifestanten Gewalt anwenden und die bestehenden Einsatzregeln unterlaufen. Es geht dabei darum, die Soldaten aus dem Dilemma zu befreien, den Einsatz abzubrechen oder nicht verhältnismässige Gewalt anzuwenden.

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3.3

Unterstellungsverhältnisse und Zusammenarbeit

Alle Teile der SWISSCOY sind einem nationalen schweizerischen Kommando unterstellt. Diejenigen Teile, welche ihre Leistungen im Rahmen multinationaler Verbände erbringen, sind diesen zur Zusammenarbeit zugewiesen.

Die SWISSCOY hat sich bei allen Partnern vor Ort, einschliesslich der schweizerischen diplomatischen Vertretungen in Pristina und Skopje einen ausgezeichneten Ruf für Präzision, Verlässlichkeit und professionelle Leistungserbringung erworben.

Besonders zustatten kommt dem Kontingent im internationalen Umfeld die Fremdsprachengewandtheit vieler SWISSCOY-Angehöriger sowie das hohe Know-how, welche aus den zivilen Tätigkeiten und Erfahrungen unserer Milizangehörigen einfliessen.

Das Ansehen der SWISSCOY in Kosovo ist sehr gross. Die lokale Bevölkerung steht unseren Soldaten äusserst positiv gegenüber, was sich in Gesten, Verhalten und Gesprächen täglich bestätigt.

3.4

Dauer des Einsatzes

Seit 1999 wurde der Einsatz vorerst vom Bundesrat jährlich und ab 2001 von der Bundesversammlung jeweils für zwei Jahre gutgeheissen. In der UNO-Resolution 1244 wurde ­ im Gegensatz zu ähnlichen UNO-Resolutionen über Friedensförderungseinsätze, die auf sechs Monate befristet sind und im Halbjahresrhythmus erneuert werden ­ die internationale Sicherheitspräsenz in Kosovo für einen Zeitraum von zwölf Monaten eingerichtet, «der verlängert wird, sofern der Sicherheitsrat nichts anderes beschliesst».

Die Dauer des SWISSCOY-Einsatzes soll verlängert werden bis zum 31. Dezember 2008. Eine vorherige Beendigung erfolgt auf Beschluss des Bundesrates. Der Bundesrat informiert die Aussenpolitischen und Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte gemäss Art. 150 und 152 ParlG.

Die SWISSCOY ist das seit 1999 mit Abstand grösste Engagement der Schweiz in der militärischen Friedensförderung. Es gibt gute Gründe, die Teilnahme an der KFOR weiterzuführen: ­

Die Unruhen vom März 2004 haben deutlich gezeigt, dass eine robuste Friedenstruppe nach wie vor unverzichtbar ist, um in Kosovo ein sicheres Umfeld zu schaffen und die dort aktiven internationalen Organisationen zu unterstützen.

­

Kosovo liegt in einem Raum, der sowohl aus aussen- wie auch aus sicherheitspolitischen Gründen für die Schweiz hohe Priorität geniesst. Keine Region hat in den letzten Jahren pro Kopf der Bevölkerung so viel schweizerische Hilfe erhalten wie Kosovo. Der Bundesrat ist sich bewusst, dass diese Hilfsmassnahmen ohne die militärische Friedenssicherung der KFOR nicht weitergeführt werden könnten.

­

Die Schweiz hat ein unmittelbares Interesse, sich an den Sicherheitsanstrengungen der internationalen Gemeinschaft in Kosovo zu beteiligen, zieht sie doch einen grossen direkten Nutzen für ihre eigene Sicherheit.

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Die Schweiz hat sich von Beginn weg an der KFOR-Friedenstruppe beteiligt. Ein jetziger Rückzug des schweizerischen Kontingents würde von unseren europäischen Partnern nicht verstanden und könnte angesichts der anhaltend hohen Truppenbedürfnisse als unsolidarischer Akt verstanden werden.

­

Der Bundesrat hat in seinen Beschlüssen zur Umsetzung der Armeereform vom 8. September 2004 seine Absicht bekräftigt, die Kapazitäten für die Friedensunterstützung mittelfristig auszubauen. Eine Verlängerung des SWISSCOY-Einsatzes ist deshalb folgerichtig.

­

Die Entsendung von Schweizer Militärangehörigen ermöglicht einen äusserst wertvollen Wissens- und Erfahrungsgewinn zugunsten unserer militärischen Friedensförderung.

4

Finanzielle und personelle Auswirkungen

4.1

Finanzielle Auswirkungen

Da der SWISSCOY-Einsatz ab 1. Januar 2006 mit gleichbleibendem Auftrag und mit dem bisherigen personellen Maximalbestand von 220 Personen weitergeführt werden soll, bewegt sich der finanzielle Aufwand in der gleichen Grössenordnung wie im Jahre 2004, zuzüglich der Teuerung. Nach einem Einsatz von mehr als fünf Jahren müssen hingegen verschiedene Lagereinrichtungen erneuert werden. Die Gesamtausgaben ab dem Jahre 2006 werden mit rund 37,5 Millionen Franken veranschlagt.

Dieser jährliche Aufwand liegt rund 2 Millionen Franken unter den für die Jahre 2004/2005 ursprünglich budgetierten jährlichen finanziellen Aufwendungen, da durch Effizienzsteigerung vor allem im Bereich der Logistik sowie dank optimiertem Unterhalt Einsparungen möglich waren.

Die Ausgaben für den Einsatz der SWISSCOY unter der Hauptrubrik 525.3170.001 «Friedensförderung» verteilen sich wie folgt: Pro Jahr

525.3179.111 Friedenserhaltende Operationen ­ Basisausgaben, Material, Nach- und Rückschub, Unterhalt

2 100 000

­ Betriebsausgaben, Versicherungen, Verpflegung; Betriebsstoff, Kommunikation, Rekrutierung

5 000 000

­ Einmieten von Flugleistungen

3 900 000

­ Ersatzbeschaffungen

500 000

525.3179.095 Personalbezüge ­ Personalausgaben ­ Projektbezogene Mitarbeiter Zentrale Jährliche Gesamtkosten SWISSCOY ab 2006

460

24 000 000 2 000 000 37 500 000

4.2

Personelle Auswirkungen

Mit der Verlängerung des Einsatzes bleibt der Personalbestand der SWISSCOY unverändert auf maximal 220 Personen. Die seinerzeit mit Einsatzbeginn der SWISSCOY bewilligten projektbezogenen Stellen beim Kompetenzzentrum SWISSINT (früher Abteilung Friedenserhaltende Operationen) werden unverändert beibehalten. Der mit einem Kontingentseinsatz in diesem Umfang verbundene zusätzliche Aufwand bezüglich Rekrutierung, Vertragswesen, Einsatzvorbereitung und Betreuung bleibt im Wesentlichen unverändert bestehen.

4.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und die Kantone

Die Fortführung des SWISSCOY-Einsatzes hat keine Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und die Kantone.

5

Legislaturplanung

Die Botschaft zur Verlängerung des SWISSCOY-Einsatzes ab 2006 wird im Bericht über die Legislaturplanung 2003­2007 vom 25. Februar 2004 in der Beilage 1 (Gesetzgebungsprogramm 2003­2007) unter Punkt 3.2 Sicherheit aufgeführt. Zweifellos entspricht der vorliegende Beschluss dem Ziel 9 der Legislaturplanung «Die Sicherheit gewährleisten», heisst es doch dazu: «Die Sicherheitsinteressen der Schweiz sind auch durch internationale Zusammenarbeit zu wahren. Bei der Armee geht es um die Bereiche militärische Ausbildung, Rüstungsbeschaffung sowie einzelne gezielte Einsätze zur Friedensunterstützung und Krisenbewältigung».

6

Rechtliche Aspekte

6.1

Ausgangslage

Am 23. Juni 1999 fällte der Bundesrat den Grundsatzentscheid, sich militärisch an der Kosovo-Friedenstruppe (KFOR) zu beteiligen. Dies als Teil des ganzen Paketes, das sich des akuten Flüchtlings- und Vertriebenenproblems in der Schweiz annimmt, Soforthilfe in Kosovo vorsieht und einen Beitrag zur Stabilisierung der Region leistet. Der am 23. Juni 1999 beschlossene Einsatz der SWISSCOY war ursprünglich bis Ende 2000 befristet. Am 25. Oktober 2000 beschloss der Bundesrat die Verlängerung des Einsatzes im gleichen Rahmen und Umfang bis Ende 2001 und am 12. September 2001 ein weiteres Mal bis Ende September 2002.

Aufgrund der vom Schweizer Volk am 10. Juni 2001 genehmigten Änderung des Artikels 66 des Militärgesetzes beschloss im Dezember 2001 die nun dafür zuständige Bundesversammlung, den Einsatz der Schweizer Armee zur Unterstützung der multinationalen KFOR bis zum 31. Dezember 2003 zu verlängern. Mit Bundesbeschluss vom 22. September 2003 (BBl 2003 6881) ist der SWISSCOY-Einsatz bis zum 31. Dezember 2005 verlängert worden.

461

6.2

Verfassungsmässigkeit

In Artikel 58 Absatz 2 gibt die Bundesverfassung (BV) der Armee folgenden Auftrag: «Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens; sie verteidigt das Land und seine Bevölkerung. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen. Das Gesetz kann weitere Aufgaben vorsehen». Artikel 1 Absatz 4 des Militärgesetzes führt denn auch aus, dass die Armee im Rahmen ihres Auftrages friedensfördernde Beiträge im internationalen Rahmen zu leisten hat.

Die Verfassungsmässigkeit des Friedensförderungsdienstes wurde bereits mehrfach geprüft und bejaht, soweit die Einsätze auf Freiwilligkeit beruhen (vgl. insbesondere Botschaft betreffend das Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung sowie den Bundesbeschluss über die Organisation der Armee, BBl 1993 IV 1, Ziff. 61; H. Meyer, St. Galler Kommentar zu Art. 58 BV, Rz 12). Keine Rolle spielt dabei, welche Massnahmen zum Schutz von Personen, Truppen und Auftragserfüllung vorgenommen werden, wie insbesondere die Bewaffnung. Der Bundesrat ist jedoch verpflichtet, Einsätze im Einzelfall auf die Vereinbarkeit mit den aussen- und sicherheitspolitischen Maximen, dem Neutralitätsrecht sowie der Neutralitätspolitik unseres Landes hin zu prüfen.

6.3

Zuständigkeiten

Der Bundesrat, der für die Führung der Aussen- und Sicherheitspolitik zuständig ist, kann zeitgerecht Friedensförderungseinsätze anordnen und die notwendige Ausrüstung und Bewaffnung sowie weitere Massnahmen festlegen. Die Befugnisse des Parlaments bleiben jedoch in grundsätzlichen Belangen stets gewahrt. Nach Artikel 66b Absatz 3 des Militärgesetzes muss der Bundesrat bei einem bewaffneten Einsatz vorgängig die Aussenpolitischen und Sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte anhören. Ein bewaffneter Einsatz von mehr als 100 Angehörigen der Armee oder einer Dauer von mehr als drei Wochen bedarf der Zustimmung der Bundesversammlung (Art. 66b Abs. 4 MG). Alle diese Aspekte treffen auf die Weiterführung des SWISSCOY-Einsatzes, wie er in dieser Botschaft vorgeschlagen wird, zu.

6.4

Rechtsform

Der beiliegende Bundesbeschluss stellt einen Einzelakt der Bundesversammlung dar, der in einem Bundesgesetz ausdrücklich vorgesehen ist (Art. 173 Abs. 1 Bst. h BV). Da er weder rechtsetzend ist, noch dem Referendum untersteht, wird er in die Form des einfachen Bundesbeschlusses gekleidet (Art. 163 Abs. 2 BV).

462