03.454 Parlamentarische Initiative Bürgerrechtsgesetz. Änderung Bericht der Staatspolitischen Kommission des Ständerates vom 27. Oktober 2005

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf zu einer Änderung des Bundesgesetzes vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts. Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

27. Oktober 2005

Im Namen der Kommission Der Präsident: Jean Studer

2005-2876

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Übersicht Zwei Urteile des Bundesgerichts vom 9. Juli 2003 im Bereich des Bürgerrechts haben in der eidgenössischen und kantonalen Politik zahlreiche Vorstösse provoziert und in der schweizerischen Rechtswissenschaft heftige Diskussionen ausgelöst.

Mit dem ersten Urteil kassierte das Bundesgericht erstmals einen als diskriminierend eingestuften Einbürgerungsentscheid einer Gemeinde; mit dem zweiten Urteil qualifizierte es Urnenabstimmungen bei Einbürgerungsentscheiden als verfassungswidrig.

Politisch umstrittene Rechtsfragen sollten nicht allein durch eine Verfassungsauslegung des Bundesgerichts, sondern durch den Gesetzgeber geklärt werden. Der vorliegende Gesetzesentwurf der Staatspolitischen Kommission (SPK) will das zu Tage getretene Spannungsfeld zwischen der in einigen Kantonen verankerten Einbürgerungsdemokratie einerseits und den Anforderungen des Rechtsstaates andererseits überbrücken. Mit Blick auf die vielerorts üblichen Gemeindeabstimmungen über Einbürgerungen unterbreitet die Kommission eine Lösung, welche die Hoheit über die Einbürgerungsverfahren im Kanton und in der Gemeinde explizit den Kantonen zuweist, die Begründungspflicht für ablehnende Einbürgerungsentscheide festschreibt und gleichzeitig ein Beschwerderecht gegen ablehnende Entscheide auf kantonaler Ebene verankert.

Welches Entscheidorgan eine Einbürgerung vornimmt und durch welches Verfahren eine Begründung beizubringen ist, lässt der Gesetzesentwurf bewusst offen. Der Entwurf sieht einzig vor, dass ein Einbürgerungsgesuch den Stimmberechtigten dann zur Abstimmung unterbreitet werden darf, wenn seine Ablehnung vorgängig beantragt und begründet wird. Schliesslich werden die Kantone verpflichtet, die Privatsphäre der Einbürgerungswilligen so zu schützen, dass nur die für die Beurteilung der Einbürgerungsvoraussetzungen notwendigen Daten bekannt gegeben werden dürfen und bei deren Auswahl der Adressatenkreis zu berücksichtigen ist.

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Bericht 1

Entstehungsgeschichte

1.1

Die parlamentarische Initiative Pfisterer vor dem Hintergrund der Urteile des Bundesgerichtes vom 9. Juli 2003 und Revision des Bürgerrechtsgesetzes

1.1.1

Die parlamentarische Initiative

Am 3. Oktober 2003 reichte Ständerat Thomas Pfisterer eine parlamentarische Initiative zum Bürgerrechtsgesetz (03.454s Bürgerrechtsgesetz. Änderung) in Form einer allgemeinen Anregung ein. Die Initiative fordert, das Bürgerrechtsgesetz1 für die ordentliche Einbürgerung in dem Sinne zu ändern, dass erstens die Kantone selbständig entscheiden können, ob Einbürgerungen dem Volk im Rahmen von Gemeindeversammlungen oder Urnenabstimmungen oder der Volksvertretung (Parlament) unterbreitet werden. Zweitens soll die Gesetzgebung so angepasst werden, dass das Bundesgericht keinen Entscheid auf eine ordentliche Einbürgerung fällen, sondern lediglich Rügen auf Verletzung verfassungsmässiger Verfahrensgarantien prüfen kann. Die parlamentarische Initiative wurde von 31 Ständerätinnen und Ständeräten mitunterzeichnet.

1.1.2

Die Urteile des Bundesgerichtes vom 9. Juli 2003

Die parlamentarische Initiative wurde vor dem Hintergrund von zwei Urteilen des Bundesgerichtes vom 9. Juli 2003 lanciert (BGE 129 I 217 und BGE 129 I 232). Im ersten Entscheid wurde durch das Gericht ein als diskriminierend eingestufter Einbürgerungsentscheid der Gemeinde Emmen auf eine Beschwerde hin kassiert. Im zweiten Entscheid wurden in einem die Stadt Zürich betreffenden Fall durch Urnenabstimmungen gefällte Einbürgerungsentscheide als rechtswidrig qualifiziert, weil solche nicht begründbar seien. Mit seinen Urteilen engte das Bundesgericht den verfahrensmässigen Spielraum bei Einbürgerungen grundsätzlich ein. Die Urteile fielen in die Revision des Bürgerrechtsgesetzes, in deren Verlauf in den eidgenössischen Räten die Frage des Beschwerderechtes kontrovers diskutiert wurde.

1.1.3

Parlamentarisches Seilziehen um das Beschwerderecht

Der Entwurf des Bundesrates und die Fassung des Nationalrates für eine Revision des Bürgerrechtsgesetzes2 enthielten ursprünglich eine Regelung des Beschwerderechtes gegen Einbürgerungsentscheide (Art. 51 Abs. 3, 51a, 58d sowie Ziff. II). Der Nationalrat hatte zudem schon im Vorfeld der bundesrätlichen Botschaft eine parlamentarische Initiative für ein Beschwerderecht (01.455 SPK-NR. Beschwerderecht 1 2

SR 141.0.

Vgl. 01.076 Botschaft zum Bürgerrecht für junge Ausländerinnen und Ausländer und zur Revision des Bürgerrechtsgesetzes, BBl 2002 1911.

6943

gegen diskriminierende Einbürgerungsentscheide) mit identischem Wortlaut zur Vorlage des Bundesrates vorbereitet und in der Frühjahrssession 2002 gutgeheissen.

In der Sommersession 2003 klammerte jedoch der Ständerat das Beschwerderecht explizit aus der Gesetzesrevision aus. Während sich ein Teil der Mehrheit grundsätzlich gegen ein Beschwerderecht aussprach, wollte ein anderer Teil mit dem Verzicht die von der Bundesversammlung mehrheitlich begrüssten Reformen im Bürgerrecht mit dieser kontroversen Frage nicht belasten.

In der Folge der Bundesgerichtsurteile schloss sich der Nationalrat in der Herbstsession 2003 dem Streichungsbeschluss des Ständerates an. Indem er das Beschwerderecht ebenfalls aus der Vorlage strich und dadurch die zum Ständerat entstandene Differenz ausräumte, fasste er jedoch lediglich einen formal identischen Beschluss.

Während sich ein Teil der Ratsmehrheit grundsätzlich gegen die Verankerung eines Beschwerderechtes aussprach, begrüsste ein anderer Teil explizit die vom Bundesgericht neu angewandte Praxis und verzichtete aus diesem Grund auf eine Verankerung des Beschwerderechtes im Bürgerrechtsgesetz.

Vor der Schlussabstimmung vom 3. Oktober 2003 zur Revision der Bürgerrechtsregelung wurde im Ständerat von verschiedener Seite auf die Problematik der divergierenden Motive und Begründungen beider Räte und den dringenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf hingewiesen. Im Rahmen der Absichtserklärungen, als Gesetzgeber die Rechtslage klären zu wollen, wurde die parlamentarische Initiative Pfisterer angekündigt und die Revision des Bürgerrechtsgesetzes mit 22 zu 16 Stimmen angenommen.

1.1.4

Zwei parlamentarische Initiativen im Nationalrat

Die beiden Urteile des Bundesgerichtes führten auch im Nationalrat zur Einreichung von zwei parlamentarischen Initiativen (03.455n Pa.Iv. Joder. Einbürgerung. Mehr Freiheit für Gemeinden und Kantone; 04.471n Pa.Iv. Markwalder Bär. Bürgerrechtsgesetz. Teilrevision).

Die am 8. Oktober 2004 eingereiche Initiative Markwalder Bär will den Kantonen bei der Ausgestaltung des Einbürgerungsverfahrens freie Hand gewähren. Der Handlungsspielraum soll jedoch eingeschränkt werden, indem Einbürgerungen mittels Volksabstimmungen grundsätzlich nicht zulässig sein sollen und entsprechende Entscheide im Rahmen von Gemeindeversammlungen nur gefällt werden dürfen, wenn im Falle einer Ablehnung eine Begründung sichergestellt ist. Schliesslich sieht die parlamentarische Initiative ein Beschwerderecht beim Bundesgericht wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte vor. In Erwartung des vorliegenden Gesetzesentwurfes hat die zuständige Nationalratskommission die Vorprüfung dieser Initiative vorläufig ausgesetzt.

Bereits entschieden hat der Nationalrat hingegen über die parlamentarische Initiative Joder, welcher er am 3. Oktober 2005 entgegen dem zustimmenden Antrag seiner Staatspolitischen Kommission mit 104 zu 73 Stimmen keine Folge gab. Die am 3. Oktober 2003 eingereichte Initiative verlangte, dass die Gemeinden und Kantone ihr eigenes Bürgerrecht autonom zusichern und sowohl das zuständige Einbürgerungsorgan als auch das entsprechende Verfahren selbst festlegen können sollten. Im Gegensatz zur parlamentarischen Initiative Pfisterer sollte eine inhaltliche Überprüfung durch gerichtliche Instanzen jedoch ganz ausgeschlossen werden. In der 6944

Debatte des Nationalrates wurde von verschiedenen Gegnern der Initiative denn auch auf den vorliegenden Erlassentwurf verweisen, der im Gegensatz zur Stossrichtung der Initiative Joder den rechtsstaatlichen Anforderungen gerecht werde und die verfassungsmässigen Verfahrensgarantien respektiere.

1.1.5

Drei Standesinitiativen zur Thematik

Die Bundesgerichtsurteile fanden in denjenigen Kantonen grosse Beachtung, in welchen die Einbürgerungsentscheide traditionsgemäss als politische Akte im Rahmen von Gemeindeversammlungen gefällt werden oder vor den betreffenden Urteilen des Bundesgerichtes an der Urne vorgenommen worden waren. So wurden der Bundesversammlung vom November 2003 bis November 2004 drei Standesinitiativen unterbreitet, welche die Verfahrenshoheit neu definieren oder die gesetzlichen bzw. verfassungsmässigen Grundlagen so ändern wollen, dass die kantonalen und kommunalen Verfahren wieder möglich werden, wie sie vor den Bundesgerichtsurteilen angewandt wurden.

Der Kanton Schwyz reichte am 10. November 2003 eine Standesinitiative (03.317s Einbürgerungsverfahren) ein, die verlangt, dass die Erteilung des Bürgerrechtes ein politischer Akt bleibt und nicht gerichtlich erzwungen werden kann. Die kantonale Verfahrenshoheit soll gewährleistet bleiben. Das Verfahren soll fair ausgestaltet werden und die Würde und Persönlichkeitsrechte der einbürgerungswilligen Personen gewährleisten. Da sich die Anliegen der Standesinitative über weite Strecken mit der Stossrichtung der parlamentarischen Initiative Pfisterer decken, gab der Ständerat als Erstrat der Initiative am 13. Dezember 2004 Folge.

Die am 28. Juni 2004 eingereichte Standesinitiative des Kantons Luzern (04.306s Anpassung der gesetzlichen Grundlagen betreffend Einbürgerung) verlangt sodann, dass die Kantone einheitliche, faire und transparente Verfahren garantieren, Einbürgerungsentscheide durch Gemeindeversammlungen und Gemeindeparlamente weiterhin möglich bleiben und das Schweizer Bürgerrecht nicht gerichtlich erzwungen werden kann.

Schliesslich reichte auch der Kanton Aargau am 10. November 2004 eine Standesinitiative (04.309 Einbürgerungen) ein, die nicht eine Gesetzes-, sondern eine Verfassungsänderung anstrebt. Artikel 38 BV soll mit einem Absatz 4 ergänzt werden, wonach die Stimmberechtigten jeder Gemeinde in ihrer Gemeindeordnung festlegen, welches Organ das Gemeindebürgerrecht erteilt. Der Entscheid dieses Organs über die Erteilung des Gemeindebürgerrechtes soll endgültig sein, d.h. dieser soll weder auf kantonaler noch auf eidgenössischer Ebene mit einer Beschwerde angefochten werden können.

Mit Blick auf die Behandlung des vorliegenden Gesetzesentwurfes durch die Bundesversammlung hat die SPK die Vorprüfung dieser beiden Standesinitiativen vorläufig ausgesetzt.

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1.1.6

Die Volksinitiative der Schweizerischen Volkspartei (SVP)

Die am 6. April 2004 lancierte Volksinitiative «Für demokratische Einbürgerungen» der Schweizerischen Volkspartei (SVP) ist in ihrem Wortlaut identisch mit der oben erwähnten Standesinitiative Aargau. Die Sammelfrist für die nötige Anzahl Unterschriften dauert bis zum 18. November 2005.

Mit Blick auf diese Initiative kam die Kommission zum Schluss, das Resultat einer allfälligen Volksabstimmung nicht abzuwarten, sondern möglichst rasch einen konkreten Vorschlag auszuarbeiten, welcher im Sinne eines indirekten Gegenentwurfes der Volksinitiative gegenübergestellt werden kann, sofern letztere zustande kommen sollte.

1.2

Zur Rechtswirkung der Urteile des Bundesgerichtes vom 9. Juli 2003 und vom 12. Mai 2004

1.2.1

Die Urteile vom 9. Juli 2003

Gemäss den beiden Urteilen vom 9. Juli 2003 qualifiziert das Bundesgericht das Einbürgerungsverfahren materiell als einen Verwaltungsakt. Dies hat zur Folge, dass gemäss Artikel 29 BV den Parteien alle Verfahrensgarantien eines Verwaltungsoder Gerichtsverfahrens auch im Einbürgerungsverfahren zustehen. Konkret hat eine Einbürgerungsbewerberin oder ein Einbürgerungsbewerber nach dem Bundesgericht Anspruch auf rechtliches Gehör, woraus eine Begründungspflicht abgeleitet wird.

Diese Verfahrensgarantien stehen überdies den Parteien unabhängig davon zu, ob sie einen Rechtsanspruch in der Sache haben oder nicht. In den besagten Entscheiden wird ebenfalls festgehalten, dass über Einbürgerungsgesuche entscheidende Stimmbürger als Organ der Gemeinde handeln und somit staatliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Sie sind deshalb gemäss Artikel 35 Absatz 2 BV an die Grundrechte gebunden und müssen den Grundsatz des Diskriminierungsverbots beachten.

Ungleiche Behandlungen unterstehen insofern einer besonders qualifizierten Begründungspflicht. Die Beschaffenheit der geheimen Urnenabstimmung verunmöglicht eine Begründung, weshalb das Bundesgericht die Urnenabstimmung für rechtswidrig erklärt hat.

1.2.2

Das Urteil vom 12. Mai 2004

In weiteren Urteilen vom 12. Mai 2004 wies das Bundesgericht alsdann zwei Stimmrechtsbeschwerden gegen eine in der Folge seiner Urteile vom Juni 2003 erlassene Verordnung des Regierungsrats des Kantons Schwyz ab (1P.523/2003; 1P.572/2003). Die Verordnung sieht vor, dass die Gemeindeversammlung in offener Abstimmung über die Erteilung des Gemeindebürgerrechts entscheiden muss. Der Antrag des Gemeinderates zu einem Einbürgerungsgesuch gilt sodann als angenommen, wenn aus der Versammlungsmitte nicht ein begründeter Gegenantrag gestellt wird. Die Beschwerdeführer machten in diesem Fall geltend, die angefochtene vorläufige Verordnung hätte nicht in dieser Form erlassen werden dürfen und hätte das ordentliche Gesetzgebungsverfahren durchlaufen müssen. Das Bundesgericht war der Auffassung, dass der Regierungsrat keine Kompetenzüberschreitung 6946

begangen habe. Die angefochtene Verordnung beschränke sich darauf, das geltende Schwyzer Recht in verfassungsrechtlich haltbarer Weise umzusetzen. Zudem handle es sich um eine vorläufige Regelung bis zum Erlass von definitiven Bestimmungen auf dem ordentlichen Gesetzgebungsweg durch den Kantonsrat.

1.3

Die Umsetzung der parlamentarischen Initiative

1.3.1

Ständerat stimmt Kommissionsantrag mit deutlicher Mehrheit zu

Die SPK des Ständerates befasste sich am 18. November 2003 mit der parlamentarischen Initiative Pfisterer. In ihrem Vorprüfungsbericht stellte sie fest, dass bezüglich den kantonalen und kommunalen Einbürgerungsverfahren die Rechtslage durch den Gesetzgeber geklärt werden müsse und dies nicht dem Bundesgericht überlassen werden dürfe. Es gelte, eine gesetzgeberische Lösung zu suchen, die sowohl der traditionellen Einbürgerungsdemokratie einiger Kantone und Landesregionen als auch den Anforderungen des Rechtsstaates gerecht werde. Die SPK beantragte mit 10 zu 1 Stimmen, der parlamentarischen Initiative Folge zu geben.

Am 9. Dezember 2003 wurde das Geschäft im Ständerat beraten, welcher der parlamentarischen Initiative Pfisterer mit 25 gegen 9 Stimmen Folge gab. Der Rat folgte der Argumentation seiner Kommission, dass die Verfahren bei Gemeindeabstimmungen durch flankierende gesetzliche Bestimmungen so auszugestalten seien, dass sie den rechtsstaatlichen Anforderungen genügen. Bei der Umsetzung der parlamentarischen Initiative müsse daher insbesondere auch geprüft werden, ob der Einbürgerungsentscheid auf kantonaler und kommunaler Ebene ein politischer Akt oder ein Verwaltungsakt sei oder ob er als Entscheid sui generis, als neuer, eigenständiger Entscheidtypus konzipiert werden könne.

1.3.2

Erarbeitung durch Kommission und Subkommission

Bereits im Rahmen der Vorprüfung vom 18. November 2003 hatte die Kommission den Grundsatzentscheid gefällt, zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative eine Subkommission3 einzusetzen, in welcher alle im Ständerat vertretenen Fraktionen Einsitz nahmen. Zwischen März 2004 und Juni 2005 trat die Subkommission zu insgesamt sieben Sitzungen zusammen. In Zusammenarbeit mit Vertretern der Sektion Bürgerrecht des Bundesamtes für Migration (BFM) sowie der Abteilung I für Rechtsetzung des Bundesamtes für Justiz (BJ) erarbeitete sie einen ersten Erlassund Berichtsentwurf. An ihrer Sitzung vom 16. August 2004 begann die Kommission im Beisein des Initianten mit der Beratung des Vorentwurfes und verabschiedete diesen am 16. November 2004 zuhanden der Vernehmlassung, deren Ergebnisse sie am 28. April 2005 zur Kenntnis nahm. Am 26. August 2005 gab die SPK die Vorlage für letzte Anpassungen nochmals an die Subkommission zurück, bevor sie den Erlass- und Berichtsentwurf am 27. Oktober 2005 zuhanden des Ständerates definitiv verabschiedete.

3

Mitglieder: Inderkum, Briner, Kuprecht, Studer Jean.

6947

1.3.3

Anhörung von Rechtsexperten

Vor dem Beginn der Umsetzungsarbeiten hörte die Gesamtkommission an ihrer Sitzung vom 9. Februar 2004 die Professoren Andreas Auer (Universität Genf) und Bernhard Ehrenzeller (Universität St. Gallen) sowie Bundesrichter Giusep Nay zur Problemstellung der Initiative und möglichen Lösungen an. Am 16. August 2004 hörte die SPK zusätzlich Professor Rainer J. Schweizer (Universität St. Gallen) an.

In den Anhörungen wurde deutlich, dass durchaus verschiedene Ansichten hinsichtlich der Umsetzung der parlamentarischen Initiative Pfisterer bestehen.

Professor Auer vertrat die Meinung, dass das durch die Initiative angestrebte Ziel nicht durch eine Gesetzesänderung erreicht werden könne, da das Bundesgericht im Falle diskriminierender Einbürgerungsentscheide von einer Grundrechtsverletzung ausgeht. Der Gesetzgeber sei nicht befugt, den Kantonen, die für das ordentliche Einbürgerungsverfahren zuständig sind, eine Grundrechtsverletzung per Bundesgesetz zu erlauben. Dazu sei eine Verfassungsänderung notwendig, wobei die Bürgerinnen und Bürger zusammen mit den Kantonen als allerletzte Entscheidungsinstanz walten.

Professor Ehrenzeller hingegen vertrat die Meinung, dass das Bundesgericht die Rechtsnatur von Einbürgerungen allzu einseitig wertet. Einbürgerungen hätten einen so genannten «Doppelcharakter». Einerseits seien sie ein politischer Akt und andererseits ein individuell-konkreter Rechtsanwendungs- resp. Verwaltungsakt. Diese Ansicht begründete er damit, dass die Anforderungen bei Einbürgerungen in den Kantonen und Gemeinden neben den bundesgesetzlichen Mindestvorschriften nach kantonalem Recht geregelt sind, welches einen weiten Ermessensspielraum einräumt. Trotzdem müssten die entsprechenden Entscheide begründet werden. Da bei Volksabstimmungen eine Begründung unmöglich scheint, schlug Professor Ehrenzeller die Möglichkeit der nachträglichen Begründung vor.

Bundesrichter Nay wies darauf hin, dass ablehnende Urnenentscheide über Einbürgerungen dann verfassungsmässig sind, wenn sie genügend begründet sind. Nach dem Bundesgericht genüge hingegen eine nachträgliche Begründung einer Behörde der verfassungsmässigen Begründungspflicht nicht, da diese nicht von der entscheidenden Instanz stamme. Darüber hinaus bezweifelte Bundesrichter Nay, dass die parlamentarische Initiative das Problem des Ausgleichs
zwischen Demokratie und Rechtsstaat lösen könne. Beschwerden an das Bundesgericht wegen Verletzung von Verfahrensgarantien wären weiterhin zulässig und schlössen Rügen wegen fehlender Begründungen ein.

Professor Schweizer schliesslich ist ebenfalls der Ansicht, dass ein begründeter Einbürgerungsentscheid bei den verschiedenen direktdemokratischen Abstimmungsformen beim fakultativen Referendum durch einen vorgängigen, begründeten Antrag erfolgen kann. Bei der Gemeindeversammlung müsse dieser Ablehnungsantrag vom Gemeindepräsidenten oder der Gemeindepräsidentin in die Versammlung eingebracht werden, damit die Elemente für die schriftliche Begründung vorgebracht seien. Am schwierigsten sei es bei der Urnenabstimmung, denn bei obligatorischen Abstimmungen gäbe es keinen begründeten Ablehnungsantrag. Die Behörde müsse demnach die Abstimmungsfragen mit Begründungselementen vorformulieren und in der Abstimmung selber einbeziehen.

6948

1.4

Die Vernehmlassung zum Vorentwurf der SPK-S

Mit Schreiben vom 17. November 2004 erteilte die Kommission dem Bundesrat den Auftrag, zu ihrem Gesetzesentwurf eine Vernehmlassung durchzuführen. An dem durch das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) eröffneten Verfahren beteiligten sich insgesamt 49 Adressaten, darunter sämtliche Kantone, sieben Parteien sowie zwölf Verbände und weitere interessierte Organisationen.

1.4.1

Der Vorentwurf in Kürze

Der Vorentwurf der SPK enthielt vier neue Gesetzesbestimmungen, die inhaltlich über weite Strecken dem vorliegenden Erlassentwurf entsprachen. Als Kernelemente sah der Vorentwurf eine Begründungspflicht für ablehnende Einbürgerungsentscheide verbunden mit einem Beschwerderecht auf kantonaler Ebene vor. Abstimmungen über die Erteilung des Bürgerrechtes sollten möglich sein, sofern im Falle eines ablehnenden Entscheides eine Begründung gewährleistet ist. Im Gegensatz zur überarbeiteten Vorlage wollte der Vernehmlassungsentwurf aber auch eine nachträgliche Begründung ermöglichen, was die Möglichkeit geheimer obligatorischer Abstimmungen ohne vorgängig begründeten Antrag auf Ablehnung impliziert hätte.

Schliesslich sah der Vernehmlassungsentwurf auch eine Bestimmung zum Schutz der Privatsphäre vor, der etwas weiter reichte als der vorliegende Entwurf.

1.4.2

Ergebnisse der Vernehmlassung

Die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zur Klärung der offenen Fragen im Bereich der Einbürgerungsverfahren in den Kantonen und Gemeinden wurde von den Vernehmlassungsteilnehmern mehrheitlich begrüsst. Unterschiedliche Auffassungen traten vor allem in der Qualifikation des Einbürgerungsaktes als politischer Entscheid oder als individuell-konkreter Verwaltungsakt zu Tage.

Generell befürwortend äusserten sich die Kantone und mehrheitlich befürwortend auch die Parteien zum Grundsatz der kantonalen Verfahrenszuständigkeit. Allerdings wurde mehrfach bedauert, dass der Vorentwurf keine einheitlichen Regelungen über das Verfahren und die zuständigen Entscheidorgane enthielt.

Mit einer deutlichen Mehrheit stimmten die Kantone, Parteien und interessierte Organisationen auch einer Begründungspflicht bei ablehnenden Entscheiden zu. Ein Teil der negativen Stellungnahmen bezweifelte zwar die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung, bestritt aber nicht die Begründungspflicht an sich.

Die Möglichkeit der nachträglichen Begründung wurde indessen von einer deutlichen Mehrheit der Adressaten abgelehnt. Massgebend waren dabei Bedenken hinsichtlich Einhaltung der rechtstaatlichen Vorgaben und Zweifel an der Durchführbarkeit.

Zur vorgeschlagenen Regelung zum Schutz der Privatsphäre äusserten sich die Kantone mehrheitlich zustimmend, die Regierungsparteien dagegen eher ablehnend.

Bemängelt wurde vorab die Unklarheit der Formulierung, welche die Weitergabe von «generellen Angaben zur Beachtung der Rechtsordnung und der Integration» für zulässig erklären wollte.

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Eine klare Zustimmung ergab sich schliesslich zur Verpflichtung der Kantone, zur Überprüfung der Entscheide letztinstanzliche kantonale Gerichtsbehörden einzusetzen.

1.4.3

Schlüsse der Kommission

Während sich die Kommission in den zentralen Anliegen ihrer Vorlage ­ der Begründungspflicht und dem Beschwerderecht ­ bestärkt sah, nahm sie Abstand von der vorgeschlagenen Möglichkeit der nachträglichen Begründung eines ablehnenden Entscheids. Im Bereich des Persönlichkeitsschutzes nahm sie insofern eine Klärung vor, als der Schutz der Privatsphäre zugunsten der Einbürgerungsdemokratie stärker eingeschränkt wird. Im Gegenzug sollte das Ausmass der zulässigen Veröffentlichung von persönlichen Angaben der Gesuchsteller von der Grösse des jeweiligen Kreises der Entscheidträger abhängig gemacht werden.

2

Grundzüge der Vorlage

2.1

Begründung ablehnender Einbürgerungsentscheide

Die Kommission geht davon aus, dass es dem tief verwurzelten Rechtsempfinden der Schweizerinnen und Schweizer entspricht, dass Entscheide, die eine Person in ihren Interessen unmittelbar betreffen, zu begründen sind.

Im Sinne der Rechtsstaatlichkeit und einer möglichst weit reichenden Gleichbehandlung von schweizerischen und ausländischen Bürgerinnen und Bürgern vor dem schweizerischen Recht hält die Kommission deshalb eine generelle Begründungspflicht für ablehnende Einbürgerungsentscheide für angezeigt.

Trotzdem will sie auch die Einbürgerungsdemokratie garantieren, die in verschiedenen Kantonen gelebt wird. Die schweizerischen Gemeinden bilden das Fundament eines vielgestaltigen Bundesstaates mit unterschiedlichen Traditionen. Dem Umstand, dass Einbürgerungsentscheide je nach Kanton und Gemeinde durch Exekutiven, Legislativen oder im Rahmen von Gemeindeabstimmungen gefällt werden, soll daher durch eine differenzierte Lösung im Bürgerrechtsgesetz Rechnung getragen werden.

Der Vorschlag der SPK für die beiden neuen Artikel 15a und 15b BüG ermöglicht, dass Einbürgerungsentscheide auch durch Gemeindeversammlungen und im Rahmen von Urnenabstimmungen gefällt werden können. Die Ablehnung eines Einbürgerungsgesuches durch die Stimmberechtigten soll indessen nur dann möglich sein, wenn vorgängig ein entsprechender Antrag gestellt wurde und zum Zeitpunkt der Abstimmung eine beschwerdefähige Begründung vorliegt.

Mit ihrem Vorschlag will die Kommission den Kerngehalt der Urteile des Bundesgerichtes vom 9. Juli 2003 im Bürgerrechtsgesetz kodifizieren und gleichzeitig die Grundlage schaffen, dass die Kantone und Gemeinden im Bereich der Einbürgerungen weiterhin ihre traditionelle Einbürgerungsdemokratie pflegen können. Schliesslich verschafft die explizite Verankerung der Begründungspflicht als neue Gesetzesnorm auch eine erheblich grössere demokratische Legitimität als ein Urteil des Bundesgerichtes (zur konkreten Ausgestaltung siehe Ziff. 3, Art. 15b BüG).

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2.2

Beschwerde vor einem kantonalen Gericht und vor dem Bundesgericht

Der Gesetzesentwurf der SPK geht vom Grundsatz aus, dass gemäss der in der Verfassung verankerten Rechtsweggarantie auch im Bereich der ordentlichen Einbürgerung ein Rechtsschutz garantiert werden muss (Art. 29a erster Satz BV gemäss Justizreform). Da die Kommission der Meinung ist, der Entscheid über ein Einbürgerungsgesuch sei nicht nur ein politischer Akt, sondern gleichzeitig auch ein individueller und konkreter Akt der Rechtsanwendung, ist die Gewährung eines Rechtsschutzes unerlässlich. Der parlamentarischen Initiative Pfisterer entsprechend vertritt die Kommission die Auffassung, es sei in erster Linie Sache der Kantone selbst, einen Rechtsschutz im Bereich der ordentlichen Einbürgerung zu gewährleisten.

Deshalb verpflichtet ihr Entwurf die Kantone, Gerichtsbehörden einzusetzen, die als letzte kantonale Instanzen Beschwerden gegen kommunale oder kantonale Entscheide über die ordentliche Einbürgerung beurteilen (Art. 50a BüG).

Die Initiative verlangt, dass die Beschwerde an das Bundesgericht gegen einen Entscheid über die ordentliche Einbürgerung nur bei Rügen auf Verletzung der verfassungsmässigen Verfahrensgarantien zulässig ist. Die Kommission ist der Meinung, dass die Frage des Zugangs zum Bundesgericht im Rahmen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht4 abschliessend geregelt wurde.

2.3

Schutz der Privatsphäre der Bewerberin oder des Bewerbers

Auch der vorgeschlagene neue Artikel 15c BüG zur Regelung des Schutzes der Privatsphäre stellt den Versuch dar, ein konfliktträchtiges Spannungsfeld zu überbrücken. Auf der einen Seite steht der nach Artikel 13 BV verfassungsmässig garantierte Schutz der Privatsphäre und der Anspruch auf die Achtung des Privat- und Familienlebens sowie der Schutz vor dem Missbrauch persönlicher Daten. Auf der anderen Seite steht das legitime Interesse des Einbürgerungsorgans bzw. der Stimmberechtigten einer Gemeinde, für den Einbürgerungsentscheid ausreichende Informationen über die betreffende einbürgerungswillige Person zu erhalten. Das Interesse an Informationen lässt sich insbesondere auch dadurch rechtfertigen, dass einer Person mit ihrer Einbürgerung automatisch die vollen politischen Rechte auf allen staatlichen Ebenen gewährt werden. Artikel 36 BV sieht vor, dass verfassungsmässige Grundrechte dann eingeschränkt werden können, wenn eine entsprechende gesetzliche Grundlage vorliegt (Abs. 1), die Einschränkungen durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt (Abs. 2) und verhältnismässig sind (Abs. 3). In Ableitung von Artikel 13 und Artikel 36 BV schlägt die Kommission im Bürgerrechtsgesetz eine differenzierte Bestimmung vor, die sowohl dem begründeten öffentlichen Interesse an Informationen Rechnung trägt als auch bei deren Verbreitung die verfassungsmässige Verhältnismässigkeit respektiert (zur konkreten Ausgestaltung siehe Ziff. 3, Art. 15c BüG).

4

BBl 2005 4045.

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3 Art. 15a

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen Verfahren im Kanton

Absatz 1 beschränkt sich auf die Grundsatzbestimmung, wonach der Kanton das Verfahren bestimmt. Nebst der Regelung des Verfahrens liegt es auch in der Kompetenz der Kantone, die zuständigen Entscheidorgane zu bezeichnen. Die Kantone haben es somit in der Hand, für Einbürgerungen die Legislative oder die Exekutive als zuständig zu erklären.

Absatz 2 verdeutlicht, dass auch Einbürgerungen aufgrund von Abstimmungen denkbar sind, welche an der Urne oder im Rahmen einer Gemeindeversammlung in offener oder geheimer Form durchgeführt werden können. Allerdings haben die Kantone dabei zu beachten, dass das zuständige Entscheidorgan im Falle eines ablehnenden Einbürgerungsentscheids in der Lage sein muss, eine rechtsgenügliche Begründung beizubringen. Die Begründung soll es den Einbürgerungswilligen erlauben, den ablehnenden Entscheid auf dem Rechtsweg auf seinen willkürfreien und fairen Gehalt überprüfen zu lassen (vgl. nachfolgend Art. 15b BüG).

Art. 15b

Begründungspflicht

Absatz 1 enthält den Grundsatz, dass ablehnende Einbürgerungsentscheide zu begründen sind. Unter Berücksichtigung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vom Juli 2003 wird damit eine Begründung verlangt, die inhaltlich sowohl hinreichend als auch rechtskonform ist.

Absatz 2 präzisiert die rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen für Einbürgerungsentscheide durch Gemeindeversammlungen und Urnenabstimmungen. So kann ein Einbürgerungsgesuch von den Stimmberechtigten nur dann abgelehnt werden, wenn vor der Abstimmung ein Antrag auf Ablehnung gestellt und dieser begründet wurde.

Ein anschauliches Beispiel für die Einhaltung rechtsstaatlicher Vorgaben bei Abstimmungen liefert der Kanton Schwyz. Im Nachgang zu den Bundesgerichtsurteilen vom 9. Juli 2003 hat der Regierungsrat des Kantons Schwyz das Verfahren zur Erteilung des Gemeindebürgerrechts neu festgelegt und die Gemeindeversammlung für zuständig erklärt. Diese hat immer dann über ein Einbürgerungsgesuch zu befinden, wenn zum positiven Antrag des Gemeinderates ein begründeter Gegenantrag eingereicht worden ist. Andernfalls gelten die Einbürgerungsgesuche ohne Abstimmung als angenommen.

Mit Blick auf die Sicherstellung der Begründungspflicht hat sich in verschiedenen Kantonen gezeigt, dass bei Abstimmungen ohne vorgängig eingereichte Ablehnungsgründe kein rechtsstaatlich befriedigendes Verfahren gewährleistet werden kann. Die Kantone haben daher sicherzustellen, dass den Stimmberechtigten bereits im Zeitpunkt der Stimmabgabe die Gründe einer allfälligen Ablehnung bekannt sind.

Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, soll über ein fakultatives Referendum auch an der Urne abgestimmt werden können. Zusammen mit der nötigen Anzahl Unterschriften muss eine Begründung eingereicht werden, welche den Stimmberechtigten zusammen mit den Abstimmungsunterlagen zugestellt werden muss. Nicht zulässig ist dagegen ein obligatorisches Referendum, weil dieses zu einem ablehnenden Entscheid führen kann, ohne dass die Ablehnungsgründe explizit artikuliert werden.

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Art. 15c

Schutz der Privatsphäre

Vorangestellt wird in Absatz 1 der Grundsatz des Schutzes der Privatsphäre. Sodann können gemäss Absatz 2 die Kantone vorsehen, dass die für die Einbürgerung benötigten Personendaten bekannt gegeben werden dürfen. Darunter fallen namentlich die Angaben zur Staatsangehörigkeit und zur Wohnsitzdauer. Es sollen aber auch weitere Angaben, soweit sie für die Beurteilung der Einbürgerungsvoraussetzungen erforderlich sind, bekannt gemacht werden können. Dabei sind je nach Situation allfällige Mitgliedschaften in lokalen Vereinen, Sprachkenntnisse oder klar definierte anderweitige Fähigkeiten zu verstehen, welche Auskunft über den Grad der Eingliederung in die schweizerischen Verhältnisse geben. Allerdings darf aus dieser Ermächtigung nicht die Weitergabe sämtlicher Angaben über die Person der Gesuchstellenden legitimiert sein. Speziell sensible Daten, welche nicht im Zusammenhang mit der Prüfung des Einbürgerungsgesuchs stehen, sind zum vornherein von einer zulässigen Weitergabe ausgenommen. Dies betrifft beispielsweise die anerkanntermassen als besonders schützenswert bezeichneten Personendaten wie Daten über Gesundheit, Rassenzugehörigkeit, religiöse, weltanschauliche, politische oder gewerkschaftliche Ansichten, etc. Je grösser der Empfängerkreis der persönlichen Daten ist, desto stärker sind die Schutzinteressen der betroffenen Person zu gewichten. Dementsprechend stellt Absatz 3 klar, dass bei der Auswahl der bekanntzugebenden Daten der Adressatenkreis zu berücksichtigen ist.

Generell abzusehen ist von einer Verbreitung detaillierter Informationen über die Lebensverhältnisse von Einbürgerungsbewerbern, woraus sich ein präzises Persönlichkeitsprofil ableiten liesse.

Art. 50a

Beschwerde vor einem kantonalen Gericht

Im gegenwärtigen Recht kennen mehrere Kantone kein Rechtsmittel gegen ablehnende kommunale oder kantonale Entscheide über ordentliche Einbürgerungen. Die Kommission beantragt daher in Artikel 50a BüG im Zusammenhang mit ablehnenden Entscheiden über ordentliche Einbürgerungen die Kantone zur Einführung eines Rechtswegs vor ein Gericht zu verpflichten. Die Notwendigkeit eines derartigen kantonalen Rechtsmittels leitet sich insofern aus der Rechtsweggarantie (Art. 29a BV gemäss Justizreform) her, als die Kommission den Entscheid über Gesuche um ordentliche Einbürgerung nicht nur als politischen Akt, sondern auch als individuellkonkreten Rechtsanwendungsakt erachtet. Im Sinne der parlamentarischen Initiative obliegt es grundsätzlich den Kantonen, darüber zu wachen, dass bei Entscheiden der Kantons- und Gemeindebehörden über die ordentliche Einbürgerung die Einhaltung von Bundesrecht und Kantonsrecht gewährleistet ist. Artikel 50a BüG zeigt also deutlich die Interpretation des Gesetzgebers, wonach Streitsachen im Bereich der ordentlichen Einbürgerung keinen vorwiegend politischen Charakter im Sinne von Artikel 86 Absatz 3 des Bundesgerichtsgesetzes haben.

Artikel 50a BüG sieht keinerlei Vorschriften über die Überprüfungs- und Entscheidbefugnis der letztinstanzlichen Gerichtsbehörde und über die Legitimation zur Beschwerde bei diesem Gericht vor. Es obliegt dem kantonalen Recht, diese Fragen in Übereinstimmung mit Artikel 29a BV (gemäss Justizreform) und dem Bundesgerichtsgesetz zu klären. So steht es z.B. den Kantonen auch zukünftig frei, bei der ordentlichen Einbürgerung die Entscheidbefugnis der kantonalen Gerichtsbehörde auf die Aufhebung des angefochtenen Entscheids zu beschränken.

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Art. 51

Marginalie; Beschwerde auf Bundesebene

Das Beschwerdeverfahren vor einem kantonalen Gericht gemäss Artikel 50a ist deutlich von einem Beschwerdeverfahren auf Bundesebene zu unterscheiden. Diesem Umstand trägt die Ergänzung der Marginalie in Artikel 51 Rechnung.

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Die Totalrevision der Bundesrechtspflege

Am 17. Juni 2005 hat das Parlament das Bundesgesetz über das Bundesgericht (BGG) und das Bundesgesetz über das Bundesverwaltungsgericht (VGG)5 verabschiedet, welche die Bundesrechtspflege und die Rechtswege im Bereich der ordentlichen Einbürgerung grundlegend ändern. Die neuen Gesetze, die am 1. Januar 2007 in Kraft treten sollen, sehen Folgendes vor: Verfügungen des Bundesamtes für Migration (BFM), mit denen die Einbürgerungsbewilligung verweigert wird (Art. 12 Abs. 2 BüG), können von der betroffenen Person beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (Art. 31 und 33 Bst. d VGG). Dieses kann frei überprüfen, ob das Bundesrecht eingehalten wird; Gegenstand der Überprüfung können auch die Überschreitung und der Missbrauch des Ermessens, die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes sowie Unangemessenheit sein (Art. 49 VwVG in Verbindung mit Art. 37 VGG). Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts ist endgültig, da weder die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten noch die subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden können (Art. 83 Bst. b und Art. 113 BGG).

Die Ablehnung eines Gesuchs um ordentliche Einbürgerung durch eine kantonale oder kommunale Behörde kann in letzter Instanz mittels subsidiärer Verfassungsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden (Art. 113 BGG). Dabei kann einzig die Verletzung der Verfassungsrechte geltend gemacht werden (Art. 116 und 118 Abs. 2 BGG). Zur Verfassungsbeschwerde ist nur berechtigt, wer ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids hat (Art. 115 BGG).

In Konkretisierung der Rechtsweggarantie (Art. 29a BV gemäss Justizreform) verlangt das Bundesgerichtsgesetz von den Kantonen in erster Linie, dass sie obere Gerichte einsetzen, welche als unmittelbare Vorinstanzen des Bundesgerichts entscheiden, wenn die subsidiäre Verfassungsbeschwerde offen steht (Art. 86 Abs. 2 und 114 BGG). Ist das obere kantonale Gericht (in der Regel das Verwaltungsgericht) die erste gerichtliche Beschwerdeinstanz, muss es den Sachverhalt frei prüfen und das massgebende Recht ­ das kantonale Recht eingeschlossen ­ von Amts wegen anwenden können (Art. 110 und 117 BGG). Ist das obere kantonale Gericht die zweite gerichtliche Beschwerdeinstanz, so muss es zumindest
die gleiche Überprüfungsbefugnis wie das Bundesgericht haben (Art. 111 Abs. 3 und 117 BGG). Das Bundesgerichtsgesetz erlaubt es den Kantonen nur, auf den Rechtsweg vor einer richterlichen Instanz zu verzichten, wenn die Rechtssache «vorwiegend politischen Charakter» hat (Art. 86 Abs. 3 und 114 BGG).

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BBl 2005 4093.

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Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die Gesetzesänderungen haben keine finanziellen und personellen Auswirkungen.

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Verhältnis zum europäischen Recht

Die Vorlage steht in Übereinstimmung mit dem europäischen Recht, insbesondere mit dem Europäischen Übereinkommen vom 6. November 1997 über die Staatsangehörigkeit, dem die Schweiz jedoch bisher nicht beigetreten ist.

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Verfassungsmässigkeit

Die in dieser Vorlage vorgeschlagenen Gesetzesänderungen zum BüG haben ihre verfassungsmässige Grundlage in Artikel 38 Absatz 2 BV.

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