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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Aushebung und Instruktion der Rekruten.

(Vom 11. Dezember 1874.)

Tit.!

Wenn die Militärorganisation vom 13. November d. J. in Kraft tritt, so hat nach Art. l die im Jahr 1855 geborene Altersklasse im nächsten Jahre den Rekrutenkurs zu bestehen, wo s gleichmäßig für alle Kantone gilt, da bisanhin keiner derselben einen frühem Beginn der Wehrpflicht festsezte. Auf die Zahl der Rekruten dieser Altersklasse ist der Voranschlag für 1875 berechnet.

Nun hat aber eine Anzahl von Kantonen die Rekruten erst mit dem 21. Altersjahre zum Dienst einberufen, so daß also in diesen Kantonen der Unterricht der Altersklasse des Jahres 1854 noch aussteht.

Es entsteht nun die Frage, ob und in welcher Weise das neue Gesez auf diese Altersklasse angewendet werden soll und wer die Kosten des Unterrichtes und der Ausrüstung derselben zu tragen habe.

Der Art. 2 der bisherigen Militärorganisation vom 8. Mai 1850 schreibt vor: ,,Die Wehrpflicht beginnt mit dem angetretenen 20. Jahr und endet mit dem vollendeten 44. Altersjahr. "

920 Abweichend von dem Art. 16 der neuen Militärorganisation,, welcher verfügt, daß die Rekruten im ersten Jahr ihrer Dienstpflicht in das Bundesheer eingethcilt werden, lautet Art. 8, Lemma 2 und 3 des bisherigen Gesezes: ,,Der Eintritt in den Bundesauszug soll nicht f r ü h e r stattfinden als in dem Jahrgange, in welchem der Eintretende das zwanzigste Altersjahr vollendet hat.

,.|Der Austritt aus dem Bundesauszug erfolgt s p ä t e s t e n s in dem Jahrgange, in welchem der Austretende sein vierunddreißigstes Altersjahr zurükgelegt hat."

Da somit für den ältesten Jahrgang des Bundesauszuges nur eine Maximal- und für den jüngsten bloß eine Minimal-Altersgrenze festgesezt war, so wurde in einzelnen kantonalen Militärgesezen die Rekruteneinthcilung erst auf das 21. Altersjahr verlegt und diese Anordnung der kantonalen Militärgcseze seit dem Jahre 1850 unbeanstandet von der Eidgenossenschaft genehmigt.

Der leitende Gedanke war dabei der, daß das Bundesheer (nach Art. 19 der bisherigen Verfassung) aus den in festen Proccnten der schweizerischen Bevölkerung (3°/o) bestimmten Kontingenten der Kantone bestehe und daß es dem Gutdünken der Kantone anheimgestellt werden müsse, ihre Kontingente innert den bewegliehen Altersgrenzen des, Gesezes f Art. 8) aus einer beliebigen Anzahl von Jahrgängen zu bilden.

Von derselben Anschauung ausgehend, verlangte die Eidgenossenschaft auch in Bezug auf die Bundesreserve nur soviel, daß dieselbe in der Stärke von l1/2°/o der schweizerischen Bevölkerung vorhanden sei, ohne daß die Altersklassen bestimmt würden, aus denen sie zusammengesezt werden müsse. (Art. 9 des bisherigen Gesezes.)

Welche Bedeutung kommt nun aber gegenüber dieser Freiheit in Bezug auf die Zahl der Altersklassen des Bundcsauszuges der Bestimmung von Ari;. 2 (des bisherigen Gesezes) zu, wonach die Wehrpflicht mit dem 20. Altersjahr beginnt und mit dem 44.

endigt?

Was die altern Jahrgänge betrifft, die aus der Bundesreserve treten, so bestimmt Art. 10 des Gesezes, daß dieselben die Landwehr büden und daß die Wehrpflichtigen bis zum vollendeten vierundvierzigsten Jahre in der Landwehr zu dienen haben.

Nach Art. 19 der bisherigen Bundesverfassung kann der Bund in Zeiten der Gefahr über die Landwehr eines jeden Kantons verfugen.

921 Das Gesez selbst enthält daher auch verschiedene Bestimmungen über Ausrüstung, Bekleidung, Bewaffnung und Unterricht der Landwehr (Art. 40, 42 und 66), deren Vollziehung von Seite der Eidgenossenschaft stetsfort überwacht und durch verschiedene Verordnungen regulirt worden ist.

Diese Verfügung und Aufsicht der Eidgenossenschaft über das Bundesheer hinaus ist nun zwar ausdrüklich auf die Landwehr beschränkt (Art. 19 der Bundesverfassung) und erstrekt sich somit nicht auf die außer dem Bundesheer, dagegen in dem wehrpflichtigen Alter stehenden Jüngern Jahrgänge ; aber es kann dieser Ausschluß der eidg. Verfügung die Bedeutung von Art. 2 des bisherigen Gesezes in keiner Weise ändern. Der Sinn dieser Gesezesbestimmung kann aber in Verbindung mit Art 8 offenbar kein anderer sein als der, daß die Kantone unter der bisherigen Gesezgebung wohl die Freiheit hatten, ihre Mannschaft erst später als nach angetretenem 20. Altersjahr in das Bundesheer einzureihen und daß dem Bund über die jüngere Mannschaft keine Verfügung zustand, daß aber anderseits nach Art. 2 der Einreihung der Unterricht und die Erfüllung aller Verpflichtungen vorausgehen mußte, welche aus dem Begriffe der Wehrpflicht folgen.

Völlig mit dieser Auffassung"übei i einstitnmend, sprechen sich die Gesezgebungen folgender Kantone aus : Z ü r i c h : § 2. Die Wehrpflicht beginnt mit dem angetretenen 20. und endet mit dem vollendeten 44. Alters jähre.

§ 34, Lemma 2. Der Eintritt in den Bundesauszug soll nicht früher stattfinden als in dem Jahrgange, in welchem der Eintretende das zwanzigste Altersjahr vollendet hat.

B e r n : § l. Jeder im Staatsgebiete wohnende Schweizer ist vom angetretenen neunzehnten Altersjahre an nach seinen Kräften zum Militärdienste verpflichtet (§ 87 der Staatsverfassung).

Die Wehrpflicht beginnt mit dem angetretenen zwanzigsten Altersjahr und endet mit dem vollendeten vierundvierzigsten. (Art. 2 der Schweiz. Militärorganisalion.)

§ 19. Die Rekruten bestehen aus der Mannschaft vom angetretenen neunzehnten bis zum zurükgelegten einundy,wanzigsten Altersjahr.

§ 21. Der Auszug wird von der wehrpflichtigen Mannschaft zusammengesezt, welche das zweiundzwanzigste Altersjahr angetreten hat, die erforderlichen Eigenschaften zu Erfüllung der Militärpflicht

922 besizt und nach den §§ 8 bis 13 nicht davon aus oder ausgeschlossen ist.

G l a r u s : § 1. Jeder Landmanu und jeder im Kanton Glarus niedergelassene Schweizerbürger, mit Vorbehalt der hienach bestimmten Ausnahmen (§ 2) ist verpflichtet, vom erfüllten 19. Jahre an bis zum zurükgelegten 44. Jahre zum Dienste des Vaterlandes persönlich die Waffen zu tragen. (§§ l, 2, 3, 5 und 144 der eidg.

Militärorganisation.)

§ 8. Die wehrpflichtige Mannschaft zerfällt in folgende vier Dienstklassen : A. Die Klasse der Rekruten. Sie umfaßt die Mannschaft vom erfüllten 19. bis zum erfüllten 21. Jahre etc.

B. Die Klasse des Bundesauszuges. Sie begreift die dienstpflichtige und diensttaugliche Mannschaft vom erfüllten 21. Jahre an aufwärts, bis der durch den § 2 des Bundesgesezes vom 27. August 1851 vorgeschriebene Bestand -- mit Hinzuschlagung von 20 Mann pro °/o über das eidgenössische Erfovderniß -- erreicht sein wird.

B a s e l l a n d . §2. Die Dienstpflichtigkeit beginnt in der Regel mit dem angetretenen zwanzigsten und endet mit dem zurükgelegten vierundvierzigsten Altersjahr. Dasselbe tritt mit 1. Januar ein und endigt mit dem 31. Dezember.

Aargau: §2. Die Dienstpflicht beginnt mit dem angetretenen zwanzigsten und endiget in der Regel mit dem vollendeten vierundvierzigsten Altersjahr.

§ 23. Die Mannschaft vom 20. und 21. Altersjahr bildet die Rekrutenklasse. Sie kann uöthigenfalls auch für den Dienst verwendet werden. Die Wehrpflichtigen vom angetretenen 22. bis zum zurükgelegten 31. Altersjahr bilden den Bandesauszug; jene vom angetretenen 32. bis zum zurükgelegten 40. Altersjahr die Bundesreserve, und die übrigen Wehrpflichtigen die Landwehr. Die Mannschaft der Peldmusikea dient bis zum zurükgelegten 36. Altersjahr im Bundesauszuge.

genommen ö

Tessin: Art. 1. Ogni Ticinese o cittadino svizzero domiciliato nel Cantone, compreso nell' età dei 18 ai 44 anni, è obbligato al servizio militare, od alla prestazione di una tassa pecuniaria, conformemente alle prescrizioni

923 della presente legge, qualora ne fosse eseutuato ed escluso par un titolo qualunque.

Art. 8. La classe delle reclute si compone degli uomini che hanno compito il 18° anno e non oltrepassano il 22°. Quella dell' attiva, di coloro che hanno compito il 22° anno e non oltrepassano il 34° etc.

W a l i i s: Art. 22. Tout individu appelé à servir entre, à l'âge de 20 ans, dans la classe des recrues.

L'année suivante il est incorporé dans l'élite, d'où il passe dans la réserve et de celle-ci dans la landwehr; il y reste incorporé jusqu'à l'âge de 44 ans.

Der Bund, welcher in Folge der neuen Militärorganisation an die Stelle der Kantone tritt, kann demnach von diesen, kraft ihrer eigenen auf Art. 2 der bisherigen Militärorganisation gegründeten O O O o O Gesezgebung verlangen, daß die sämmtliche Mannschaft, die im Jahr 1874 das 20. Altersjahr vollendet, ihm instruirt und ausgerüstet zur Verfügung gestellt werde, beziehungsweise daß die Instruktion und Ausrüstung auf Kosten der Kantone stattfinde.

Eine andere Lösung dieser Frage würde sich nicht bloß gegen die eidgenössische und kantonale Gesezgebung verstoßen, sondern auch eine nicht zu rechtfertigende Ungleichheit gegenüber denjenigen Kantonen begründen, welche ihre Mannschaft mit dem angetretenen 20. Altersjahr instruirt und ausgerüstet haben. In wie hohem Maße dieses geschehen würde, ergibt sich aus nachstehender Berechnung.

Der dieser Botschaft beigelegten Tabelle ist die Anzahl der Rekruten zu entnehmen, welche im Jahre 1873 in den betreffenden Jahren ausgehoben worden sind. Wir nehmen dieselbe zur Grundlage unserer Berechnung, weil die genaue Rekrutenzahl des Jahrganges 1854 in den Kantonen noch nicht ermittelt ist, dagegen angenommen werden kann, daß sie derjenigen des Vorjahres annähernd gleichkomme. Unter der Voraussezung, daß ein Theil dieser Mannschaft wegen Abwesenheit nicht einrüke und ein anderer wegen Üntauglichkeit entlassen werde, stellen wir die Ge.sammtzahl auf 6000 Mann.

Die Unterrichtszeit für die Infanterierekruteu betrug nach doni bisherigen Geseze 28 Tage oder mit Einrükungs- und Entlassungsiag 30 Tage. Wird der Mann nach dem Büdgetansaze auf Fr. 2. 20 per Tag berechnet, so ergibt sich für den Unterricht eine Summe von Fr. 2. 20 X 30 X 6000 = Fr. 396,000.

Die Kosten der Ausrüstung belaufen sich für den Mann auf Fr. 131, also im Ganzen auf Fr. 786,000.

Gesammtsumme Fr. 1,182,000.

924 Nach Art. l, Lemma 3 der Uebergangsbestimmungen der jezigen Bundesverfassung haben diejenigen Kantone, welche sich bis zum Zeitpunkte, in welchem der Art. 20 in Kraft tritt, mit den ihnen durch die bisherige Bundesverfassung und die Buudesgeseze obliegenden Leistungen im Rükstande befinden, diese Leistungen auf eigene .Kosten nachzuholen.

Auf den vorliegenden Fall angewendet, wird demnach die Wirkung dieser Verfassungsbestimmung die sein, daß den Kantonen die Kosten der Bekleidung und Ausrüstung derjenigen Rekruten, welche im Laufe dieses Jahres das 20. Altersjahr vollenden, von dem Bunde nicht vergütet wird.

Bezüglich des Unterrichtes kann selbstverständlich von einer Nachholung durch die Kantone nicht die Rede sein, sondern es ist derselbe von der Eidgenossenschaft, aber immerhin nur in dem Umfange zu ertheilen, wie er durch das bisherige Gesez vorgeschrieben war, und die sich ergebenden Kosten sind von den Kantonen im Verh ältniß der Rekrutenzahl zu ersezen.

Insofern die Gesammtzahl der Rekruten im Verhältniß zu den Instruktionskräften und den zu Gebote stehenden Waffenpläzen zu groß wäre, müßte sich der Bundesrath überdies vorbehalten, den Unterricht eines Theiles der Mannschaft auf das Jahr 1876 zu verschieben.

Obschou die oben angerufene Uebei'gangsbestimmung der Bundesverfassung die Berechtigung der von uns in Aussicht genommenen Anordnungen hinlänglich rechtfertigt, so wollten wir bei der Eigenthümlichkeit der Sachlage gleichwohl nicht unterlassen, Ihnen durch diese Botschaft davon Kenntniß zu geben.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 11. Dezember 1874.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

R e k r u t i r u n g i m J a h r 1873.

Genie.

. 86

Artillerie.

336

Kavallerie.

74

Schüzen 152

Infanterie.

2100*

Bern

60

245

64

114

2279

Grlarus

--

6

38

111

Basel-Landschaft

--

30

-- 6

20

266

Aargau

50

102

33

57

778

Tessin

20

70

4

44

598**

Wallis

--

55

32

398

216

844

457

6530

Zürich

-- 181

* Der Kanton Zürich hat die Instruktion der Jahrgänge 1853 und 1854 nachzuholen; es wird daher die pro 1873 rekrutirte Mannschaft hier verdoppelt.

** Bei Tessin ist die Rekrutenzahl von 1872 angenommen, da das Jahr 1873 bezüglich der Rekrntirung nicht als ein normales betrachtet werden kann.

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Fristverlängerung für die Suhrenthalbahn.

(Vom 12. Dezember 1874.)

Tit.!

Unterm 18. Dezember v. J. haben Sie die Frist für Leistung des Finanzausweises und den Beginn der Erdarbeiten zu Gunsten der Eisenbahn von Ober-Entfelden, eventuell Kölliken, durch das Suhrenthal bis an die luzernische Grenze bei Marchstein bis zum 23. Dezember nächsthin erstrekt.

Das betreffende Komite sucht um eine weitere Fristverlängerung von einem Jahre nach, indem es zur Begründung anführt, daß das fragliche Unternehmen wesentlich von der Nationalbahn abhängig und daß bisher eine mehr abwartende Stellung einzunehmen geboten gewesen sei, daß binnen Kurzem jedoch entscheidende Schritte zur Verwirklichung desselben gethan werden können.

Wir beantragen Ihnen, durch Annahme des nachfolgenden Beschlußentwurfs dem Gesuche zu entsprechen, und versichern

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Aushebung und Instruktion der Rekruten. (Vom 11. Dezember 1874.)

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1874

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

26.12.1874

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919-926

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