zu 05.411 Parlamentarische Initiative Wechsel der Vorsorgeeinrichtung Bericht vom 26. Mai 2005 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates Stellungnahme des Bundesrates vom 23. September 2005

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, zum Bericht vom 26. Mai 2005 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates betreffend den Wechsel der Vorsorgeeinrichtung nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes (ParlG) nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

23. September 2005

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Samuel Schmid Die Bundeskanzlerin: Annemarie Huber-Hotz

2005-1643

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Stellungnahme 1

Ausgangslage

Im Rahmen der 1. BVG-Revision (SR 831.40; AS 2004 1677) hat das Parlament verschiedene Aspekte der Auflösung von Anschlussverträgen zwischen Arbeitgebern und Vorsorgeeinrichtungen sowie von Versicherungsverträgen zwischen Vorsorgeeinrichtungen und Versicherungseinrichtungen auf Gesetzesstufe geregelt. Es hat zu diesem Zweck Artikel 53e in das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (SR 831.40) eingefügt. Auf den 1. April 2004 hat der Bundesrat diese Bestimmung zusammen mit den entsprechenden Verordnungsbestimmungen in Kraft gesetzt.

Es hat sich jedoch gezeigt, dass die neuen Regelungen in zwei Bereichen noch Lücken aufweisen, die nicht zuletzt aus zeitlichen Gründen in der 1. BVG-Revision nicht geschlossen werden konnten. Einerseits soll bei einer Auflösung des Anschlussvertrages mit Übergang der Rentner an die neue Einrichtung die Leistungspflicht für bereits laufende Renten geklärt werden. Unter der geltenden Regelung kann eine rechtlich unklare Situation entstehen, wenn der neue Anschlussvertrag erst nach Ablauf des bisherigen Vertrages abgeschlossen wird. In diesem Zusammenhang ist auch eine Präzisierung der Aufgaben der Auffangeinrichtung notwendig. Andererseits schuf die jüngste Praxis von Versicherungs- und Vorsorgeeinrichtungen ein Bedürfnis für ein ausdrückliches Kündigungsrecht bei wesentlichen Änderungen der vertraglichen Bedingungen.

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Stellungnahme des Bundesrates

2.1

Beurteilung der Kommissionsvorschläge

Die vorgeschlagenen Gesetzesbestimmungen bringen eine für die Rechtssicherheit aller Beteiligten notwendige Klärung.

Wenn Schwierigkeiten bestehen, eine Einrichtung für die bereits laufenden Renten zu finden, kann das Erfordernis, vor der Auflösung eines Anschlussvertrages eine Lösung für diese Renten zu erarbeiten, die Auflösung des Vertrags erschweren.

Dieses Erfordernis muss jedoch auf jeden Fall erfüllt werden. Es ist daher richtig, mit der neuen Bestimmung sicherzustellen, dass allfällige Probleme im Zusammenhang mit der Übernahme der laufenden Renten durch die neue Vorsorgeeinrichtung vor der Vertragsauflösung gelöst werden.

Der Bundesrat schliesst sich der Argumentation des Berichts an.

Die parlamentarische Initiative bringt ein ausserordentliches Kündigungsrecht bei wesentlichen Änderungen des Anschlussvertrages oder des Versicherungsvertrages.

Der Versicherungsvertrag wird zwischen der Vorsorgeeinrichtung und der Versicherungseinrichtung abgeschlossen. Das ausserordentliche Kündigungsrecht bei wesentlichen Änderungen des Versicherungsvertrages ist daher primär für die Vorsorgeeinrichtung wichtig. Eine Änderung des Versicherungsvertrages, wie zum Beispiel der Wegfall der vollen Rückdeckung, tangiert aber auch die Stellung des einzelnen Arbeitgebers und damit den Anschlussvertrag. Dieser Fall ist in Artikel 53f Absatz 2 5954

des Kommissionsentwurfs nicht ausdrücklich aufgeführt. Die Auswirkungen sind jedoch als wesentliche Änderung des Anschlussvertrages zu betrachten und sollten somit den Arbeitgeber berechtigen, den Anschlussvertrag aufzulösen.

2.2

Änderungsvorschläge

Auch wenn der Bundesrat den Inhalt der vorgeschlagenen Bestimmungen grundsätzlich unterstützt, schlägt er vor allem auch aus gesetzestechnischen Gründen folgende Änderungen vor: In Artikel 53e Absatz 4bis sollte in der Gesetzesbestimmung präzisiert werden, dass die Übernahme der Rentner durch die neue Vorsorgeeinrichtung zu den gleichen Bedingungen erfolgen muss, die diese bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung genossen. Dadurch soll geklärt werden, dass die Renten und ganz allgemein die Ansprüche der Rentner durch den Übergang nicht geschmälert werden dürfen.

Dies entspricht auch dem Willen der Kommission (vgl. Erläuterungen zu Art. 53e Abs. 4bis). Die Bestimmung sollte daher folgendermassen formuliert werden: «4bis Ist im Anschlussvertrag vorgesehen, dass die Rentner bei der Auflösung des Anschlussvertrages die bisherige Vorsorgeeinrichtung verlassen, so kann der Arbeitgeber diesen Vertrag erst auflösen, wenn eine neue Vorsorgeeinrichtung schriftlich bestätigt hat, dass sie die Rentner zu den gleichen Bedingungen übernimmt.» In Artikel 53f Absatz 1 sollte verlangt werden, dass die Änderung mindestens sechs Monate bevor sie wirksam wird, angekündigt wird. Diese Bestimmung ist gemäss BPV kohärent mit den Regelungen für Versicherungsverträge. Zusätzlich sollte eine Kündigungsfrist von 30 Tagen aufgenommen werden, um auch der Gegenpartei noch eine gewisse Frist zu geben. Damit steht einer Vertragspartei, der eine wesentliche Änderung angekündigt wird, eine Frist von fünf Monaten zur Verfügung, um zu kündigen.

Artikel 53f Absatz 1 sollte wie folgt formuliert werden: «Die Vorsorgeeinrichtung oder die Versicherungseinrichtung muss wesentliche Änderungen eines Anschlussvertrages oder eines Versicherungsvertrages mindestens sechs Monate, bevor die Änderungen wirksam werden sollen, der andern Vertragspartei schriftlich ankündigen. Diese kann den Vertrag unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 30 Tagen auf den Zeitpunkt kündigen, auf welchen die Änderungen wirksam würden».

Mit dieser Formulierung wird klargestellt, welcher Vertragspartei das gesetzliche Kündigungsrecht zukommt, und durch die Einfügung einer Kündigungsfrist wird sichergestellt, dass die Vorsorgeeinrichtung resp. der Arbeitgeber rechtzeitig von einer Kündigung Kenntnis erhält.

Der Vorbehalt von Artikel 53e Absatz 4bis ist nicht nötig
und kann gestrichen werden. Selbstverständlich gilt die Regelung von Artikel 53e Absatz 4bis auch im Fall einer Vertragsauflösung aufgrund von Artikel 53f. Ebenso kann auf den Satzteil «im Bereich der beruflichen Vorsorge» verzichtet werden, da dies bei einem Gesetzesartikel des BVG selbstverständlich ist.

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Die Tatbestände der wesentlichen Gründe für eine Vertragsauflösung sollten für den Anschlussvertrag und den Versicherungsvertrag identisch sein, da andernfalls die Gefahr besteht, dass nicht alle Möglichkeiten für beide Vertragstypen abgedeckt sind. Im Einleitungssatz von Artikel 53f Absatz 2 sollte daher neben dem Anschlussvertrag auch der Versicherungsvertrag aufgeführt werden. Dies würde die Ergänzung von Absatz 2 mit einem neuen Buchstaben d folgenden Wortlauts bedingen: «der Wegfall der vollen Rückdeckung».

Absatz 3 wäre zu streichen.

Im Einleitungssatz von Artikel 53f Absatz 2 sollte zudem der Ausdruck «insbesondere» gestrichen werden. Eine abschliessende Aufzählung der Tatbestände, welche eine wesentliche Vertragsänderung darstellen, drängt sich aus Gründen der Rechtssicherheit auf. Für die Vorsorgeeinrichtung wie auch für die Versicherungseinrichtung muss Klarheit darüber bestehen, in welchen Fällen die gesetzliche Mitteilungspflicht gilt. Aber auch für die andere Vertragspartei (den Arbeitgeber beim Anschlussvertrag, die Vorsorgeeinrichtung beim Versicherungsvertrag) muss klar sein, in welchen Fällen ihr das gesetzliche Kündigungsrecht zusteht. Um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass neben den in den Buchstaben a und b erwähnten Tatbeständen noch weitere denkbar wären, die als wesentliche Änderung gelten könnten, wäre die abschliessende Aufzählung in Absatz 2 mit einem neuen Buchstaben c folgenden Wortlauts zu ergänzen: «andere Massnahmen, deren Wirkungen denjenigen nach den Buchstaben a und b mindestens gleichkommen».

Mit dieser Formulierung sollen als weiterer Tatbestand einer wesentlichen Änderung des Vertrages auch solche Massnahmen erfasst werden, die in ihrer Wirkung einer in Buchstabe a oder b aufgeführten Massnahme entsprechen.

Artikel 53f Absatz 4 sollte gestrichen werden, da mit ihm das im BVG geltende System gebrochen wird, wonach Bestimmungen, welche sowohl für das Obligatorium als auch für das Überobligatorium gelten, in Artikel 49 aufgezählt werden. Zur Bewahrung dieses Systems muss lediglich der Klammerausdruck von Artikel 49 Absatz 2 Ziffer 12 und Artikel 89bis Ziffer 10 ZGB (SR 210) wie folgt geändert werden: «(Art. 53e und 53f)».

Auf die vorgeschlagene Übergangsbestimmung sollte verzichtet werden, da sie den Regeln der Gesetzestechnik widerspricht. Es ist ein
allgemeiner Grundsatz des intertemporalen Rechts, dass bei Inkrafttreten einer Gesetzesänderung das neue Recht auf bestehende Dauersachverhalte zur Anwendung gelangt, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist (vgl. Gesetzestechnische Richtlinien des Bundes [GTR], Aktualisierte Ausgabe 2003, Ziff. 34; Gesetzgebungsleitfaden des Bundesamtes für Justiz, 2. Auflage 2002, Ziff. 643). Bei einem Verzicht auf eine Übergangsbestimmung präsentiert sich die Rechtslage wie folgt: Für bestehende Verträge, die vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung gekündigt werden, gilt weiterhin das bisherige Recht. Für Verträge, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits bestehen und nicht gekündigt sind, gilt demgegenüber das neue Recht.

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2.3

Weiterer Anpassungsbedarf

Im Übrigen möchte der Bundesrat daran erinnern, dass in der Interpellation Bortoluzzi (05.3272) BSV. Widerrechtliche Weisungen ein Problem angesprochen wird, das eine weitere Anpassung der gesetzlichen Bestimmungen notwendig erscheinen lässt. Im Zusammenhang mit der Auflösung von Anschlussverträgen stellt sich die Frage der Kontrolle des Wiederanschlusses des Arbeitgebers an eine neue Vorsorgeeinrichtung. Nach der Auflösung eines Anschlussvertrages muss kontrolliert werden, ob sich ein Arbeitgeber, der weiterhin obligatorisch versicherte Arbeitnehmende beschäftigt, einer neuen Einrichtung angeschlossen hat. Aus diesem Grund verpflichtet der mit der 1. BVG-Revision eingeführte Artikel 11 Absatz 3bis die Vorsorgeeinrichtung, die Auflösung des Anschlussvertrages der zuständigen Ausgleichskasse zu melden. Die praktische Umsetzung hat gezeigt, dass diese Bestimmung schwierig umzusetzen ist, weil der Vorsorgeeinrichtung (in der Regel ist das eine Sammel- oder Gemeinschaftseinrichtung) die zuständige Ausgleichskasse häufig (bei den Sammelstiftungen in der Regel) nicht bekannt ist. Sie muss diese durch eine Anfrage bei einer kantonalen Ausgleichskasse in Erfahrung bringen. Das BSV hat deshalb in einer Wegleitung zur Umsetzung der Anschlusskontrolle die Vorsorgeeinrichtungen angewiesen, die Auflösung des Anschlussvertrages direkt der Auffangeinrichtung zu melden. Dieses Verfahren bringt zwar eine klare Verbesserung der Effizienz und eine Verminderung der Kosten sowohl bei den Vorsorgeeinrichtungen als auch bei den AHV-Ausgleichskassen, ist aber durch den Wortlaut von Artikel 11 Absatz 3bis BVG nicht gedeckt. Dieser Umstand hat die Interpellation Bortoluzzi. BSV. Widerrechtliche Weisungen (05.3272) ausgelöst, bei deren Beantwortung der Bundesrat eine Anpassung der Rechtslage im Zusammenhang mit der vorliegenden parlamentarischen Initiative in Aussicht gestellt hat. Wir schlagen daher für Artikel 11 Absatz 3bis zweiter Satz folgende neue Formulierung vor: «Die Vorsorgeeinrichtung hat die Auflösung des Anschlussvertrages der Auffangeinrichtung (Art. 60) zu melden.» Im Einklang mit dieser Lösung muss auch die Finanzierung durch den Sicherheitsfonds für Kosten der Wiederanschlusskontrolle, die nicht auf den Verursacher überwälzt werden können, an die Auffangeinrichtung erfolgen. Der Bundesrat schlägt daher vor,
dass Artikel 56 Absatz 1 Buchstabe d BVG, der die Fälle aufzählt, in denen der Sicherheitsfonds Entschädigungen an die Auffangeinrichtung ausrichtet, ergänzt wird, so dass er folgendermassen lautet: «d. entschädigt die Auffangeinrichtung für die Kosten, die ihr aufgrund ihrer Tätigkeit nach Artikel 11 Absatz 3bis und Artikel 60 Absatz 2 dieses Gesetzes sowie nach Artikel 4 Absatz 2 des FZG entstehen und die nicht auf den Verursacher überwälzt werden können;»

2.4

Finanzielle Auswirkungen auf den Bund

Auf den Bund hat die neue Regelung nach Artikel 53e keine finanziellen Auswirkungen, da bereits bisher jeweils vor dem Ausscheiden eines Arbeitgebers aus der Pensionskasse des Bundes (Publica) Lösungen für die laufenden Renten gefunden wurden. Auch die Einführung des Kündigungsrechts nach Artikel 53f wirkt sich finanziell nicht auf den Bund aus.

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