97.419 Parlamentarische Initiative Bildungsrahmenartikel in der Bundesverfassung Bericht der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats vom 23. Juni 2005

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf über die Neuordnung der Verfassung im Bildungsbereich (Bildungsverfassung). Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden Vorstösse abzuschreiben: 02.302

Kt. Iv. BL. Koordination der kantonalen Bildungssysteme

03.302

Kt. Iv. SO. Koordination der kantonalen Bildungssysteme

04.304

Kt. Iv. BE. Koordination der kantonalen Bildungssysteme

04.428

Pa. Iv. Gutzwiller. Schuleintritt im sechsten Altersjahr

Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.

23. Juni 2005

Im Namen der Kommission Der Präsident: Theophil Pfister

2005-1728

5479

Übersicht Mit dem vorliegenden Bericht legt die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats den Entwurf zu einer neuen Bildungsverfassung zuhanden der eidgenössischen Räte vor. Die Vorlage geht auf eine parlamentarische Initiative von Nationalrat Hans Zbinden aus dem Jahr 1997 zurück und wurde zusammen mit der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren erarbeitet.

Die Vorlage fasst die unmittelbar bildungsbezogenen Artikel der Bundesverfassung, Artikel 62 bis 67 BV, neu. Sie setzt Ziele für das gesamte schweizerische Bildungswesen, legt die öffentlichen Aufgaben im Schul- und Bildungswesen fest und weist diese den Kantonen und dem Bund zu. Die Kommission beantragt die Ersetzung der geltenden Artikel 62 bis 67 in der Bundesverfassung durch die revidierten Artikel 61a bis 67.

Ziel der parlamentarischen Initiative ist ein Bildungsrahmenartikel als Basis für die Schaffung eines kohärenten, flächendeckenden und qualitativ hoch stehenden Bildungsraums Schweiz. Mit dem vorgeschlagenen Entwurf stellt die Kommission eine völlig erneuerte Bildungsverfassung vor, welche über die ursprüngliche Zielsetzung der parlamentarischen Initiative hinausgeht. Sie soll die internationale Wettbewerbsfähigkeit des schweizerischen Bildungswesens erhöhen, die interkantonale und internationale Mobilität erleichtern und die kantonalen Bildungssysteme in einzelnen Punkten gesamtschweizerisch harmonisieren.

Die wichtigsten Neuerungen sind: ­

die Verankerung von Qualität und Durchlässigkeit als wegleitende Ziele für das schweizerische Bildungswesen,

­

die ausdrückliche Pflicht zur Koordination und Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen im gesamten Bildungsbereich,

­

die gesamtschweizerisch einheitliche Regelung von Eckwerten im Bereiche des Schuleintrittalters und der Schulpflicht, der Dauer und Ziele der Bildungsstufen und deren Übergänge sowie der Anerkennung von Abschlüssen,

­

die gemeinsame Verantwortung von Bund und Kantonen für die Koordination und für die Gewährleistung der Qualitätssicherung im Hochschulwesen,

­

einheitliche Regelung über die Studienstufen und deren Übergänge, über die akademische Weiterbildung, über die Anerkennung von Institutionen sowie der Finanzierungsgrundsätze für die Hochschulen,

­

eine Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes für allgemeine Weiterbildung

5480

Kommt die angestrebte einheitliche Regelung der Eckwerte im Schulwesen oder die Erreichung der Ziele auf der Hochschulstufe nicht auf dem Koordinationswege zustande, erlässt der Bund die notwendigen Vorschriften. Im Bereiche der Hochschulen kann der Bund in diesem Fall zudem die Unterstützung der Hochschulen an einheitliche Finanzierungsgrundsätze binden und von der Aufgabenteilung zwischen den Hochschulen in besonders kostenintensiven Bereichen abhängig machen (subsidiäre Kompetenzen des Bundes).

5481

Inhaltsverzeichnis Übersicht

5480

1 Die Vorlage

5484

2 Stationen der eidgenössischen Bildungspolitik 5485 2.1 Der Schulartikel von 1874 5486 2.2 Ein 1882 gescheitertes eidgenössisches Schulgesetz 5487 2.3 Der 1973 abgelehnte Bildungsartikel 5487 2.4 Ein koordinierter Schuljahresbeginn seit 1985 5488 2.5 Die 1992 gescheiterte parlamentarische Initiative «Bildungsrahmenartikel in der Bundesverfassung» 5488 2.6 Die Motion «Hochschulartikel» von 1999 5489 2.7 Parlamentarische Initiative «Hochschulreform» 5490 2.8 Parlamentarische Initiative «Schuleintritt im sechsten Altersjahr» 5490 2.9 Vorstösse zur Weiterbildung 5491 2.10 Standesinitiativen «Koordination der kantonalen Bildungssysteme» 5491 2.11 Projektgruppe Bund-Kantone Hochschullandschaft 2008 5492 2.11.1 Steuerung 5492 2.11.2 Finanzierung 5493 2.11.3 Portfoliobereinigung 5493 2.11.4 Projekt Hochschulrahmengesetz 5493 3 Die interkantonale Zusammenarbeit und Harmonisierung im Bildungsbereich 3.1 Gründung der Erziehungsdirektorenkonferenz 1897 3.2 Das Schulkonkordat von 1970: «Charta» der interkantonalen Bildungskooperation 3.3 Die ergänzenden Vereinbarungen der 90er Jahre: Diplomanerkennung, Finanzierung und Freizügigkeit 3.4 Aktuelle Herausforderungen: Harmonisierung der Bildungsziele und Schulstrukturen 4 Das schweizerische Schul- und Bildungswesen im internationalen Wettbewerb 5 Die Vorlage im Detail 5.1 Entstehung 5.1.1 Ergebnis der Vernehmlassung 5.1.1.1 Notwendigkeit einer Verfassungsänderung 5.1.1.2 Kompetenzausscheidung Bund-Kanton 5.1.1.3 Stellungnahme zu Varianten in Artikel 62a Absatz 4 5.1.1.4 Zusätzliche Sachbereiche in Bundeskompetenz und weitere Bemerkungen 5.1.2 Überarbeitung der Vernehmlassungsvorlage 5.1.3 Integration des Hochschulartikels in die Gesamtvorlage

5482

5494 5494 5494 5496 5497 5497 5499 5499 5501 5501 5501 5501 5502 5503 5503

5.2

5.3 5.4 5.5

5.1.3.1 Federführung der WBK des Ständerates für den Hochschulartikel Grundzüge der Vorlage 5.2.1 Ziel 5.2.2 Grundkonzept 5.2.3 Pflicht zur Zusammenarbeit von Bund und Kantonen 5.2.4 Schaffung einer subsidiären und beschränkten Bundeskompetenz 5.2.5 Berufsbildung 5.2.6 Führung und Förderung der Hochschulen: das Konzept des neuen Hochschulartikels 5.2.7 Forschung und Innovation 5.2.8 Weiterbildung 5.2.9 Ausbildungsbeiträge Würdigung der Vorlage Stellungnahme des Bundesrates vom 25. Februar 2004 Stellungnahme der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) vom 16. Juni 2005

5503 5504 5504 5504 5505 5505 5507 5507 5512 5513 5514 5514 5515 5515

6 Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen 6.1 Vorbemerkungen 6.2 Kommentar zu den einzelnen Artikeln 6.2.1 Bildungsraum Schweiz (Art. 61a) 6.2.2 Schulwesen (Art. 62) 6.2.3 Berufsbildung (Art. 63) 6.2.4 Hochschulen (Art. 63a) 6.2.5 Forschung (Art. 64) 6.2.6 Weiterbildung (Art. 64a) 6.2.7 Statistik (Art. 65) 6.2.8 Ausbildungsbeiträge (Art. 66) 6.2.9 Förderung von Kindern und Jugendlichen (Art. 67) 6.2.10 Allgemeinverbindlicherklärung und Beteiligungspflicht (NFAVorlage) (Art. 48a)

5516 5516 5518 5518 5520 5524 5524 5532 5532 5533 5533 5534

7 Finanzielle und personelle Auswirkungen

5535

8 Verhältnis zum europäischen Recht

5535

Bundesbeschluss über die Neuordnung im Bildungsbereich (Entwurf)

5543

5534

5483

Bericht 1

Die Vorlage

Ziel der neuen Bildungsverfassung ist die Sicherstellung eines kohärenten, flächendeckenden und qualitativ hoch stehenden Bildungsraums Schweiz durch Bund und Kantone.

Der hier vorgestellte Verfassungstext geht auf die am 30. April 1997 von Nationalrat Hans Zbinden (SP, Aargau) eingereichte parlamentarische Initiative «Bildungsrahmenartikel in der Bundesverfassung» (Geschäftsnummer 97.419) zurück, der am 24. Juni 1998 vom Nationalrat Folge gegeben wurde. Dieser Verfassungstext wurde von der nationalrätlichen Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur mit Unterstützung eines Staatsrechtsexperten erarbeitet. ­ Zuvor war ein früherer Entwurf zu einem erneuerten Artikel 62 in der Bundesverfassung (BV), welcher eine umfassende Rahmengesetzgebungskompetenz für den Bund vorsah, auf den Widerstand der Kantone und der ständerätlichen Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur gestossen. Die nationalrätliche Kommission erarbeitete deshalb zusammen mit der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) einen zweiten Entwurf, welcher jetzt vorliegt. Bestandteil der Vorlage ist auch ein neuer Hochschulartikel.

Die Vorlage besteht nicht mehr nur aus einem neuen Artikel 62 BV, sondern aus einer Neufassung aller Schule und Bildung direkt und ausschliesslich betreffenden Verfassungsartikel, Artikel 61a bis 67 BV. Artikel 61a im Vorentwurf (VE) formuliert einen neuen Bildungsrahmenartikel; er verankert neu die Pflicht des Bundes und der Kantone, gemeinsam für eine hohe Qualität und für die Durchlässigkeit des schweizerischen Schul- und Bildungssystems zu sorgen und verpflichtet sie zur gegenseitigen Koordination ihrer bildungspolitischen Anstrengungen und zur Zusammenarbeit im Rahmen gemeinsamer Organe und anderer geeigneter Vorkehrungen. Artikel 62 VE übernimmt aus der geltenden Verfassung die Schulhoheit der Kantone, verankert den obligatorischen und unentgeltlichen Schulunterricht und regelt den Schuljahresbeginn; neu ermöglicht er eine gesamtschweizerische einheitliche Regelung des Schuleintrittsalters und der Schulpflicht, der Dauer und Ziele der Bildungsstufen und deren Übergänge sowie der Anerkennung von Abschlüssen. In Artikel 63 VE wird die bisherige Bundeskompetenz für die Berufsbildung verankert und neu erweitert durch die Pflicht des Bundes für ein breites und durchlässiges
Angebot im Bereich der Berufsbildung zu sorgen. Der neue Hochschulartikel, Artikel 63a VE, garantiert den Betrieb der Eidgenössischen Technischen Hochschulen und die Unterstützung der kantonalen Hochschulen durch den Bund; er legt die gemeinsame Verantwortung von Bund und Kantonen für die Koordination und für die Gewährleistung der Qualitätssicherung im schweizerischen Hochschulwesen fest und ermöglicht einheitliche Regelungen über die Studienstufen und deren Übergänge, über die akademische Weiterbildung, über die Anerkennung von Institutionen sowie der Finanzierungsgrundsätze für Hochschulen. Der bisherige Artikel 64 zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung durch den Bund wird neu durch die Kompetenz, die Innovation zu fördern, und das Erfordernis der Qualitätssicherung ergänzt. Artikel 64a VE gibt dem Bund neu eine Rahmengesetzgebungskompetenz für die Weiterbildung und gestattet ihm, diese finanziell zu fördern. In Artikel 65 VE «Statistik» wird die Bildung neu in die Aufzählung der Gebiete aufgenommen, zu 5484

denen statistische Daten erhoben werden sollen. Artikel 66 VE, übernommen aus der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen, erteilt eine Kompetenz zur Harmonisierungsförderung und Rahmengesetzgebung für die Ausbildungsbeiträge. Artikel 67 VE verankert, wie bisher, den besonderen Schutz und die besondere Förderung von und die Unterstützung der ausserschulischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen; die Erwachsenenbildung wird jedoch neu durch Artikel 64a VE abgedeckt.

Bezüglich der Mechanismen zur Verwirklichung eines harmonisierten Bildungsraums Schweiz sieht die Vorlage vor, dass sich zunächst alle Beteiligten um die Realisierung der gemeinsamen Ziele auf dem Koordinationsweg bemühen müssen.

Sie koordinieren ihre Zusammenarbeit durch gemeinsame Organe und andere geeignete Vorkehren. Als zusätzliches Koordinationsinstrument steht dabei auch Artikel 48a VE zur Verfügung der neu vorsieht, dass der Bund interkantonale Verträge im Bereiche des gesamten Schulwesens auf Antrag interessierter Kantone allgemein verbindlich erklären kann.

Kommt die angestrebte einheitliche Regelung der Eckwerte im Schulwesen und die Erreichung der Ziele im Hochschulbereich nicht auf dem Koordinationswege zustande, erlässt der Bund die entsprechenden Bestimmungen. Im Bereiche der Hochschulen kann der Bund in diesem Fall zudem die Unterstützung der Hochschulen an einheitliche Finanzierungsgrundsätze binden und von einer Aufgabenteilung zwischen den Hochschulen in besonders kostenintensiven Bereichen abhängig machen (subsidiäre Kompetenzen des Bundes in abschliessend aufgezählten Bereichen gemäss Art. 62 Abs. 4 und Art. 63a Abs. 5).

Ähnliche Anliegen wie die parlamentarische Initiative vertreten die drei Standesinitiativen «Koordination der kantonalen Bildungssysteme» des Kantons BaselLandschaft (02.302), des Kantons Solothurn (03.302) sowie des Kantons Bern (04.302).

2

Stationen der eidgenössischen Bildungspolitik

Die Einführung neuer öffentlicher Aufgaben im schweizerischen Bildungswesen und ihre Aufteilung zwischen Bund und Kantonen war seit Gründung des Bundesstaates 1848 wiederholt Gegenstand von politischen Auseinandersetzungen. Wichtige Etappen in der Entwicklung des schweizerischen Bildungswesens waren:1 die Einführung eines so genannten Schulartikels in die Bundesverfassung 1874 (Art. 27 der Bundesverfassung von 1874, aBV) sowie die Verankerung der Bundesunterstützung des Primarschulwesens 1902 (Art. 27bis aBV), die Ablehnung eines eidgenössischen Schulgesetzes durch Volk und Stände 1882, die Schaffung einer Verfassungsgrundlage für Ausbildungsbeiträge durch den Bund 1963 (Art. 27quater aBV), die Ablösung des militärischen Vorunterrichts durch die Förderung von Turnen und Sport durch den Bund 1972 (Art. 27quinquies aBV), die Ablehnung eines Bildungsartikels und die Annahme eines Forschungsartikels in der Bundesverfassung in der Volksabstimmung 1973, sowie die Verankerung eines koordinierten Schuljahresbeginns in der Bundesverfassung 1985. Die verfassungsmässige Kompetenz, auf dem Gebiet des Gewerbewesens einheitliche Bestimmungen aufzustellen, wurde 1908 1

Die Aufzählung folgt Hans Hürlimann (1973), «Föderative Bildungspolitik», in: Festschrift Bundesrat H.P. Tschudi, Bern: Bubenberg-Verlag, 153­170.

5485

geschaffen und führte 1930 zum ersten Berufsbildungsgesetz. Eine umfassende Regelung der Berufsbildung, die über den gewerblich-industriellen und kaufmännischen Bereich hinaus alle Gebiete der Berufsbildung umfasste, brachten erst die neue Bundesverfassung von 1999 und das neue Berufsbildungsgesetz von 2002. (Für die Entwicklung der kantonalen Koordination siehe Ziff. 3)

2.1

Der Schulartikel von 1874

Die Bundesverfassung von 1848 enthielt zum Thema Bildung nur gerade einen ­ kurzen ­ Artikel 22, welcher lautete: «Der Bund ist befugt, eine Universität und eine polytechnische Schule zu errichten.» Der Primarschulunterricht lag ganz in der Hand der Gemeinden und Kantone bzw. privater Trägerschaften.

Am 12. Mai 1872 scheiterte eine Totalrevision der Bundesverfassung, welche u.a.

die Kantone zu einem obligatorischen und unentgeltlichen Primarunterricht verpflichtet und dem Bund die Kompetenz zur Garantie minimaler Anforderungen an den Primarschulunterricht gegeben hätte, knapp in der Volksabstimmung. Der Misserfolg jener Verfassungsreform, welche vom Eidgenössischen Parlament gutgeheissen, jedoch vom Bundesrat abgelehnt worden war, schürte eine weit verbreitete Unzufriedenheit. Eine Folge war, dass Bundesrat Challet-Venel am 7. Dezember 1872 vom Parlament nicht wieder gewählt wurde. Wenige Tage nach der Bundesratswahl, am 20. Dezember 1872, nahmen die Eidgenössischen Räte eine Motion an, welche erneut eine Verfassungsreform verlangte.

Der neue dem Volk vorgelegte Revisionsentwurf enthielt zum Thema Bildung einen Artikel 27 (den so genannten Schulartikel), welcher lautete: Der Bund ist befugt, ausser der bestehenden polytechnischen Schule, eine Universität und andere höhere Unterrichtsanstalten zu errichten oder solche Anstalten zu unterstützen.

1

Die Kantone sorgen für genügenden Primarschulunterricht, welcher ausschliesslich unter staatlicher Leitung stehen soll. Derselbe ist obligatorisch und in den öffentlichen Schulen unentgeltlich.

2

Die öffentlichen Schulen sollen von den Angehörigen aller Bekenntnisse ohne Beeinträchtigung ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit besucht werden können.

3

Gegen Kantone, welche diesen Verpflichtungen nicht nachkommen, wird der Bund die nötigen Verfügungen treffen.

4

Die Ausführlichkeit des Artikels und die Umständlichkeit einzelner Formulierungen zeugen von der heiklen Kompetenzausscheidung zwischen Bund und Kantonen auf diesem Gebiet. Die revidierte Bundesverfassung wurde am 19. April 1874 von Volk und Ständen deutlich gutgeheissen2; der Schulartikel blieb, bei einigen späteren Erweiterungen, bis zur Totalrevision der Bundesverfassung von 1999 in Kraft.

2

Gegen die Verfassungsrevision stimmten die Kantone AI, FR, LU, NW, OW, SZ, UR, VS und ZG.

5486

2.2

Ein 1882 gescheitertes eidgenössisches Schulgesetz

Nach Annahme der Bundesverfassung von 1874 war umstritten, ob aus dem Schulartikel (insbesondere aus Absatz 2) dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz für den Primarunterricht erwachse. Ein schweizerisches Schulgesetz, welches u.a. die Einsetzung eines eidgenössischen Schulsekretärs vorsah (der noch lange nach der Vorlage als «Schulvogt» vielen ein Schreckensbild war), wurde in der Volksabstimmung vom 26. November 1882 abgelehnt.

2.3

Der 1973 abgelehnte Bildungsartikel

Anfang der 70er Jahre erarbeitete der Bundesrat den Entwurf eines Bildungs- sowie eines Forschungsartikels. Anstoss zur Vorlage gaben eine von der Jugendfraktion der Bauern-, Gewerbe und Bürgerpartei (heute Junge SVP) eingereichte Volksinitiative, «Schulkoordination", vom 1. Oktober 1969 und zwei Motionen (Motion Müller-Marzohl betreffend Revision von Artikel 27 der Bundesverfassung; Motion Wenk betreffend Verfassungsgrundlage für das Bildungswesen) aus demselben Jahr sowie vier Postulate der Eidgenössischen Räte. Hintergrund war der starke Ausbau des schweizerischen Bildungswesens seit dem Zweiten Weltkrieg und, damit verbunden, der Wunsch nach einem gesellschaftspolitisch, staatspolitisch und finanziell verstärkten Bundesengagement. Reformbedarf wurde vor allem bei den Sonderschulen, der Erwachsenen- und der Weiterbildung sowie der Finanzierung der kantonalen Bildungssysteme (insbesondere der Universitäten) festgestellt. Zudem sollte für die existierende Forschungsförderung des Bundes endlich eine Verfassungsgrundlage geschaffen werden.

Die wesentlichen Neuerungen des bundesrätlichen Entwurfs vom 19. Januar 1972 waren ein Grundrecht auf eine der persönlichen Eignung entsprechenden Ausbildung, die Definition des Bildungswesens als eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Kantonen, eine Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes bei der Gestaltung und beim Ausbau des Mittelschulwesens, des höheren Bildungswesens, der Erwachsenenbildung und der Ausbildungsbeiträge. Weiter wurden eine allgemeine Förderungskompetenz des Bundes im gesamten schweizerischen Bildungssystem sowie eine Bundeskompetenz zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung vorgesehen. Der bundesrätliche Entwurf wurde von den Eidgenössischen Räten in einigen Punkten abgeändert; so wurde das Recht auf eine eignungsgemässe Ausbildung auf ein allgemeines Recht auf Bildung3 erweitert, und dem Bund wurden zusätzlich Kompetenzen zur Koordination der kantonalen Bildungssysteme (Vorschule, obligatorische Schule und Hochschulen) gegeben. Da die Forderungen der Schulkoordinationsinitiative der Jugendfraktion der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei in der Vorlage berücksichtigt waren, wurde diese mit der Zustimmung der Initianten abgeschrieben.

In der Volksabstimmung vom 4. März 1973 wurde der Bildungsartikel vom Volk mit 507 414 gegen 454 428 Stimmen angenommen, jedoch von 10 ganzen und 3 3

Die Aufnahme eines Rechts auf Bildung hätte die Verankerung eines ersten Sozialrechts in der schweizerischen Bundesverfassung bedeutet (die Forderung war erstmals im Juni 1961 an einem Parteitag der SP erhoben worden). Das Ziel einer den persönlichen Fähigkeiten gemässen Bildung fand in der neuen Bundesverfassung (1999) in Artikel 41 (Sozialziele) Absatz 1 Buchstabe f Eingang.

5487

halben Ständen gegen 9 ganze und 3 halbe Stände abgelehnt.4 Der Forschungsartikel (27sexies aBV) wurde von Volk und Ständen deutlich (617 628 gegen 339 857 Stimmen und 174/2 gegen 22/2 Kantone) angenommen.

2.4

Ein koordinierter Schuljahresbeginn seit 1985

Trotz Bemühungen im Schulkonkordat von 1970 scheiterte der Versuch der Kantone, den Beginn des Schuljahres für die ganze Schweiz zu vereinheitlichen. Die Nachteile eines unterschiedlichen Schuljahresbeginns waren offensichtlich und konnten bei einem interkantonalen Wohnortwechsel oder beim Übertritt in eine weiterführende Schule zu unnötigen Schwierigkeiten für die betroffenen Kinder und deren Familien führen.

Als Folge des im Schulkonkordat vorgesehenen einheitlichen Schuljahresbeginns «zwischen Mitte August und Mitte Oktober» (Art. 2 Bst. d im Konkordat) hatten einige Kantone (NE, VD, ZG) zum Herbstschulbeginn gewechselt; andere (AR, AI, BL, GL, SG, SO) hatten mit dem Beitritt zum Konkordat diesen Schritt zwar ebenfalls formell beschlossen, entschieden sich aber nach einer Volksabstimmung im Kanton Zürich 1972, in welcher der Schuljahresbeginn im Frühjahr bestätigt worden war, mindestens vorläufig beim Frühjahresbeginn zu bleiben. Am selben Abstimmungswochenende lehnte auch der Kanton Bern den Wechsel zum Schuljahresbeginn im Spätsommer ab. Damit hatten die zwei bevölkerungsreichsten Kantone ein zentrales Koordinationsanliegen verworfen, und die Anstrengungen um einen schweizerisch einheitlichen Schuljahresbeginn waren blockiert. 1982 fielen zwei weitere Volksabstimmungen in den Kantonen Bern und Zürich erneut negativ aus.

Nun wurde von verschiedenen Seiten eine Bundeslösung gefordert. Die Kantone Zug (1978), Schwyz (1979) und Luzern (1981) reichten Standesinitiativen, Nationalrat Christian Merz eine parlamentarische Initiative (1979) und elf Kantonalsektionen der Freisinnig-demokratischen Partei eine Volksinitiative «für die Koordination des Schuljahresbeginns in allen Kantonen» (1981) ein.

Der Bundesrat schlug nun mit Botschaft vom 17. August 1983 einen neuen Absatz 3bis zu Artikel 27 aBV vor, in welchem der Beginn des obligatorischen Schulunterrichts auf den Zeitraum zwischen Mitte August und Mitte September festgesetzt wurde. Der Vorschlag wurde in der Abstimmung vom 22. September 1985 von Volk und Ständen gutgeheissen.

2.5

Die 1992 gescheiterte parlamentarische Initiative «Bildungsrahmenartikel in der Bundesverfassung»

Eine am 23. Juni 1989 von Nationalrat Hans Zbinden eingereichte parlamentarische Initiative, «Bildungsrahmenartikel in der Bundesverfassung» (89.237), verlangte die Ausarbeitung eines neuen Rahmenwerks für den Bildungsbereich in der Bundesverfassung. Der Initiant stellte fest, dass der geltende Verfassungsrahmen den gegenwärtigen und anstehenden Herausforderungen an das schweizerische Bildungssys4

Gegen die Vorlage stimmten die Kantone AG, AI, AR, GL, NE, OW, SG, SH, SZ, TG, UR, VD und VS.

5488

tem nicht mehr genüge. Er forderte ein «integral koordiniertes schweizerisches Bildungswesen», in welchem «Gemeinden, Kantone, Bund und Wirtschaft als vernetzte Trägerschaften ihre Bildungsbemühungen wechselseitig aufeinander abstimmten». Als Gründe nannte der Initiant die wachsende Mobilität, die zunehmende Verstädterung und die Gewichtsverschiebung in der Volkswirtschaft in Richtung Dienstleistungen. Ausserdem stellte er Lücken im schweizerischen Bildungswesen (bei den Sonderschulen, der ausserberuflichen Erwachsenenbildung und der beruflichen Weiterbildung) sowie ein Bildungsgefälle zwischen den Kantonen (insbesondere zwischen Hochschul- und Nichthochschulkantonen) fest. Deshalb brauche das schweizerische Bildungswesen «einen groben Rahmen, der durch den Bund gegeben wird» (aus der Begründung der Initiative).

Die nationalrätliche Kommission empfahl mit 12 gegen 5 Stimmen, der Initiative keine Folge zu geben; am 2. März 1992 folgte ihr darin der Nationalrat mit 103 gegen 54 Stimmen. Die Kommission begründete ihre Entscheidung damit, wichtige Probleme im Bildungsbereich liessen sich auch ohne eine neue Verfassungsgrundlage lösen und warnte, eine ausführliche Diskussion über einen neuen Bildungsrahmenartikel verbrauche nutzlos politische Energien und blockiere konkrete Fortschritte in Einzelfragen; die primäre Zuständigkeit im Bildungsbereich liege bei den Kantonen, sie sei das Herzstück des schweizerischen Föderalismus.

Am 30. April 1997 reichte Nationalrat Hans Zbinden (SP, Aargau) seine zweite parlamentarische Initiative «Bildungsrahmenartikel in der Bundesverfassung» (97.419) ein, die in Ziff. 5.1 im Einzelnen vorgestellt wird.

2.6

Die Motion «Hochschulartikel» von 1999

Die Forderung einer neuen Verfassungsgrundlage für den Betrieb und die Unterstützung der schweizerischen Hochschulen durch den Bund geht bis vor die Revisionsarbeiten an der neuen Bundesverfassung von 1999 zurück und führte zu verschiedenen parlamentarischen Vorstössen. Die Motion der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerates vom 23. März 1999, «Hochschulartikel» (99.3153), beauftragte den Bundesrat, einen Verfassungsartikel zu erarbeiten, der es dem Bund erlaube, zusammen mit den Kantonen eine «umfassende [und für alle Hochschulen verbindliche] schweizerische Hochschulpolitik zu führen», weiterhin eigene Hochschulen zu betreiben und die übrigen ­ überwiegend kantonal getragenen ­ Hochschulen in der Schweiz nach einheitlichen Grundsätzen zu unterstützen.

Ständerat und Nationalrat nahmen die Motion einstimmig an. Der Bundesrat begrüsste die Motion, verstand sie aber ausdrücklich nicht als Auftrag, eine generelle Regelungskompetenz des Bundes gegenüber den kantonalen Hochschulen einzuführen. Das Eidgenössische Departement des Innern und das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement setzten gemeinsam eine Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung eines Entwurfs ein und gaben diesen am 28. September 2001 in die Vernehmlassung. Der Textentwurf sieht eine verstärkte Mitsprache des Bundes bei der Festlegung von Grundsätzen für den gesamten Hochschulbereich und eine Autonomie des Bundes für die von ihm betriebenen Hochschulen im Fall einer ausbleibenden Einigung mit den Kantonen vor und erlaubt Bund und Kantonen die Bildung gemeinsamer Organe.

5489

Die im Februar 2002 veröffentlichten Vernehmlassungsergebnisse zeigten, dass eine Überholung der verfassungsrechtlichen Grundlage der Hochschulen (Art. 63 Abs. 2 BV) grundsätzlich begrüsst wird. Widersprüchlich beurteilt wurde jedoch der vorgelegte Textentwurf: In den Bereichen Kompetenzzuweisung und Umsetzung des Partnerschaftsprinzips zwischen Bund und Kantonen gingen die Meinungen stark auseinander. Die Kantone stimmten dem Entwurf überwiegend zu. Die Nichthochschulkantone forderten für sich mehr Mitsprache. Nach Meinung vieler Kantone müsste die vorgeschlagene Ausdehnung der Bundeskompetenzen mit einem stärkeren finanziellen Engagement des Bundes einhergehen. Die politischen Parteien standen dem Gesetzesentwurf mit unterschiedlichen Argumenten eher ablehnend gegenüber. Die Wirtschaft und die wissenschaftlichen Akademien forderten die Bildung eines zentralen Steuerorgans. Viele Vernehmlassungsteilnehmer vertraten die Ansicht, der Entwurf gehe nicht weit genug, und zweifelten, ob er den Herausforderungen der Zukunft gerecht würde.

Mit Blick auf die Arbeiten der nationalrätlichen Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur an einer neuen Bildungsverfassung mit integriertem Hochschulartikel setzte das Eidgenössische Departement des Innern seine Arbeiten am Hochschulartikel aus.

2.7

Parlamentarische Initiative «Hochschulreform»

Eine am 2. Oktober 2003 von Ständerat Gian-Reto Plattner eingereichte parlamentarische Initiative «Hochschulreform» (03.452) fordert eine Neuregelung der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen im Hochschulbereich in einem neuen Hochschulartikel. Die Initiative sieht in Form der allgemeinen Anregung eine gemeinsame Rechts- und Finanzierungsgrundlage für die Hochschulen und die vollständige Deckung der Kosten für Forschung und Entwicklung durch den Bund vor.

Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerates (WBK-S) hat diese Initiative an ihrer Sitzung vom 10. September 2004 vorgeprüft, der Ständerat hat ihr am 7. Oktober 2004 Folge gegeben und anschliessend die WBK-S beauftragt, eine entsprechende Vorlage zu erarbeiten. (Siehe auch Ziff. 5.1.3)

2.8

Parlamentarische Initiative «Schuleintritt im sechsten Altersjahr»

Am 19. März 2004 hat Nationalrat Felix Gutzwiller die parlamentarische Initiative «Schuleintritt im sechsten Altersjahr» (04.428) mit folgendem Wortlaut eingereicht: «In Absprache mit den Kantonen (Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren, EDK) ist Artikel 62 der Bundesverfassung in dem Sinne zu ergänzen, dass der Schuleintritt für alle Kinder spätestens im sechsten Altersjahr erfolgt.» Die WBK des Nationalrates hat diese Initiative vorgeprüft und ihr Folge gegeben.

5490

Die WBK-S hat ihr ebenfalls zugestimmt. Das Anliegen wird mit der vorliegenden Verfassungsrevision berücksichtigt.5

2.9

Vorstösse zur Weiterbildung

Die Weiterbildung war im Lauf der Jahre Gegenstand verschiedenster parlamentarischer Vorstösse und führte auch zu einer Standesinitiative des Kantons Solothurn (99.304). Wenn die Vorstösse verpflichtenden Charakter hatten oder den Bereich der allgemeinen Weiterbildung betrafen, wurden sie durchwegs höchstens in der abgeschwächten Form eines Postulates angenommen. Der Bundesrat hat zwar immer wieder die Bedeutung der Weiterbildung anerkannt. Wie er aber namentlich in seiner Antwort auf die Motion der WBK-N für ein Weiterbildungsgesetz (01.3425) festhielt, fehlt eine umfassende, über die berufsorientierte Weiterbildung hinausgehende Regelungskompetenz des Bundes. Er bekannte sich aber zu subsidiären Unterstützungsmassnahmen und insbesondere zu seiner Bereitschaft zu prüfen, inwieweit sich der Bund in der Weiterbildung stärker als bisher engagieren könnte und welche gesetzliche Form dafür geeignet wäre.

2.10

Standesinitiativen «Koordination der kantonalen Bildungssysteme»

Im Laufe ihrer Arbeiten zu einer neuen «Bildungsverfassung» erhielt die Kommission wichtige Impulse durch drei Standesinitiativen aus dem Kanton BaselLandschaft (02.302 vom 6.März 2002), dem Kanton Solothurn (03.302 vom 18. Februar 2003) und dem Kanton Bern (04.304 vom 17. Juni 2004), die alle unter dem Titel «Koordination der kantonalen Bildungssysteme» standen. Mit diesen Standesinitiativen wurde u.a. gefordert, dass der Bund das Einschulungsalter, die Bildungsstufen und deren Dauer sowie die Qualifikationsziele und die Abschlüsse der Sekundarstufen I und II einheitlich für die Schweiz regle und die Qualität der kantonalen Bildungssysteme sicherstelle. Solothurn forderte zusätzlich, dass die sprach- und kulturregionalen Besonderheiten jedoch nach wie vor zu respektieren seien. Die Vorstösse wurden u.a. damit begründet, die berufliche Mobilität werde durch kantonale Unterschiede zwischen den Schulsystemen erschwert. Zudem drohten sich die Schulsysteme unter den laufenden Reformaktivitäten der Kantone auseinander zu bewegen. Weiter werde befürchtet, einzelne bevölkerungsreiche Kantone könnten allein kraft ihres Gewichts und ohne Absprache mit den übrigen Kantonen bildungspolitische Weichen für die ganze Schweiz stellen. Angesichts dieser Lage lohne und rechtfertige sich ein teilweiser Autonomieverlust der Kantone.

Delegationen dieser drei Kantone haben ihre Anliegen in den Kommissionen vertreten. Den drei Standesinitiativen wurde anschliessend Folge gegeben. Viele ihrer Anliegen werden mit der vorgeschlagenen Revisionsvorlage erfüllt.

5

Die parlamentarische Initiative Plattner «Hochschulreform» (03.452) wird nach altem Parlamentsrecht behandelt (Artikel 21bis-sexies GVG), während die parlamentarische Inititive Gutzwiller «Schuleintritt im sechsten Altersjahr» (04.428) nach dem neuen Parlamentsgesetz behandelt wird (Artikel 107 bis 114 ParlG).

5491

Dass der Grosse Rat des Kantons Graubünden im März 2002 seine Regierung ebenfalls mit der Vorbereitung einer Standesinitiative beauftragt hat für den Fall, dass sich die Bestrebungen zu einer Verfassungsrevision allzu sehr verzögern sollten, zeigt, wie stark das Bedürfnis nach Koordination geworden ist.

2.11

Projektgruppe Bund-Kantone Hochschullandschaft 2008

Da die Gültigkeit des Universitätsförderungsgesetzes vom 8. Oktober 1999 auf 8 Jahre begrenzt ist, wurde am 8. April 2003 von den Vorstehern des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) und des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (EVD) sowie einer Vorstandsdelegation der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) eine Projektgruppe mit dem Auftrag eingesetzt, Grundlagen für die Neuordnung der schweizerischen Hochschullandschaft ab dem Jahre 2008 zu erarbeiten. Sie hat das Ergebnis ihrer Beratungen in einem Bericht vorgelegt, der vom Bundesrat am 17. November 2004 in zustimmendem Sinne zur Kenntnis genommen und zur Leitlinie für die Reform der schweizerischen Hochschullandschaft erklärt wurde.6 Die Reformvorschläge zielen darauf ab, die schweizerischen Hochschulen weiterhin in die Lage zu versetzen, einer wachsenden Zahl von jungen Menschen eine gute und hoch stehende Bildung zu ermöglichen und gleichzeitig ihre Lernfähigkeit im Rahmen eines Systems des Life-long-learnings während ihres ganzen Berufslebens zu erhalten. Mit einer gezielten Förderung der Forschung wird zudem bezweckt, die Qualität von Bildung und Wissenschaft zu erhöhen und so der Schweiz einen Spitzenrang unter den führenden Wissenschaftsnationen der Welt zu sichern. Die unzureichende gesamtschweizerische Steuerung des Hochschulsystems, die mangelhafte Transparenz und Effizienz bei der Mittelzuteilung sowie die schwache bzw. unzureichende Aufgabenteilung unter den Hochschulen sind deshalb durch nachhaltig wirksame Massnahmen zu beheben. Bezüglich der zentralen Elemente der Hochschulpolitik (Steuerung, Finanzierung, Portfoliobereinigung) werden dabei konkrete Vorschläge gemacht.

2.11.1

Steuerung

Der Bericht schlägt die Schaffung von drei Organen7 vor: ­

Konferenz der Hochschulträger : Ihr obliegt die partnerschaftlich von Bund und Kantonen vorzunehmende Steuerung des Gesamtsystems. Zu diesem Zweck legt sie die für das Funktionieren des gesamten Hochschulsystems erforderlichen Rahmenbedingungen (Studienstrukturen, Qualitätssicherung, Grundsätze der Finanzierung und der Aufgabenteilung) fest. Neu ist insbesondere auch, dass die Konferenz ebenfalls den Bereich der Fachhochschulen einschliesst. Das Gremium

6 7

Projektgruppe Bund-Kantone Hochschullandschaft 2008 «Bericht über die Neuordnung der schweizerischen Hochschullandschaft», 20. September 2004.

Die Bezeichnungen der Organe werden entsprechend den definitiv festgelegten Kompetenzen der Organe noch zu überprüfen sein.

5492

soll nicht mehr als 15 Personen umfassen und wird von einem Mitglied des Bundesrates präsidiert.

­

Konferenz der Rektoren/Präsidenten der Hochschulen: Ihre Aufgabe besteht primär in der Koordination auf der Ebene der Institutionen. Dazu zählen unter anderem die strategische Planung gemäss den von der Konferenz der Hochschulträger vorgegebenen Eckwerten, die Koordination der Studiengänge und die Förderung der Mobilität sowie die Durchführung von Zusammenarbeitsprojekten.

­

Hochschulrat: Seine Rolle ist es, hochschulpolitische Entwicklungen aus gesamtgesellschaftlicher Sicht kritisch zu begleiten.

2.11.2

Finanzierung

Grundlage der Finanzierung der Ausbildungsausgaben der Hochschulen sollen Standardkosten pro Studierenden bzw. Diplomierten bilden, abgestuft entsprechend den verschiedenen Fachrichtungen. Die Festlegung der Standardkosten wird Sache des gemeinsamen Organs von Bund und Kantonen sein. Sie werden ermittelt aufgrund der Ergebnisse der analytischen Kostenrechnung der Hochschulen; in einem weiteren Schritt gehen sie von idealtypischen Studiengängen mit angemessenen Betreuungsverhältnissen aus. Die vorgeschlagene generelle Einführung von Standardkosten pro Studierenden wird zu einer grösseren Transparenz der Finanzflüsse beitragen und eine Effizienzsteigerung bei der Mittelzuteilung ermöglichen. Die Träger der Hochschulen können für ihre eigenen Hochschulen einen ergänzenden Globalbeitrag hinzusteuern ­ entsprechend ihren Möglichkeiten und spezifischen Bedürfnissen bzw. Zielen.

2.11.3

Portfoliobereinigung

Für die Bereinigung der Studienangebote unter den schweizerischen Hochschulen, der angesichts der Knappheit der öffentlichen Mittel eine hohe Dringlichkeit zukommt, bedarf es klarer Kriterien und Mechanismen. Neben der selbständigen Wahrnehmung von Kooperations- und Koordinationsmöglichkeiten durch die autonomen Hochschulen gehört hiezu auch die Definition von klaren Rahmenbedingungen durch die Hochschulträger. Zu den wichtigsten Aufgaben der neu zu schaffenden Konferenz der Hochschulträger gehört deshalb insbesondere eine politische Verständigung unter den Hochschulträgern über eine nachhaltige Aufgabenteilung in besonders kostenintensiven Bereichen.

2.11.4

Projekt Hochschulrahmengesetz

Gestützt auf dieses Modell wird zurzeit ein Gesetzesentwurf erarbeitet, zu dem noch in diesem Jahr ein breit angelegtes Vernehmlassungsverfahren durchgeführt werden soll. Es ist festzuhalten, dass die Projektgruppe ebenfalls zwei andere Steuerungsund Finanzierungsmodelle für die schweizerische Hochschulpolitik geprüft hat: Das 5493

eine sah eine weitgehende Zentralisierung der Steuerungs- und Finanzierungsbefugnisse beim Bund vor, das andere eine radikale Entflechtung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen. Die Projektgruppe kam zum Schluss, dass sich beide unter den gegebenen politischen, kulturellen und finanziellen Rahmenbedingungen nicht realisieren lassen.

3

Die interkantonale Zusammenarbeit und Harmonisierung im Bildungsbereich

Bildung und Kultur gehören zum Kernbereich der kantonalen Autonomie. Bereits im 19. Jahrhundert haben die Kantone im Bildungsbereich zusammengearbeitet; in den Anfängen waren dies eher lose, wenig verbindliche Zusammenarbeitsformen. In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich die Zusammenarbeit zwischen den Kantonen verstärkt und verstetigt: 1970 wurde mit dem Schulkonkordat eine staatsvertragliche Grundlage geschaffen und in den 90er Jahren wurden ergänzend dazu interkantonale Vereinbarungen zur Freizügigkeit zwischen den Bildungseinrichtungen und zur gesamtschweizerischen Anerkennung von Diplomen geschaffen. Mit der geplanten Harmonisierung der obligatorischen Schule steht die Behörde des Schulkonkordats, die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), vor neuen Herausforderungen.

3.1

Gründung der Erziehungsdirektorenkonferenz 1897

Zu vertraglichen Absicherungen der Bildungskoordination kam es bereits im 19. Jahrhundert. So regelten einzelne Konkordate einheitliche Prüfungsanforderungen für wissenschaftliche Berufe. 1882 scheiterte der Entwurf eines «Konkordats betreffend gemeinsame Prüfung und Freizügigkeit der Primarlehrer und -lehrerinnen». Im Jahre 1897 verfestigten sich die bislang losen Zusammenkünfte der kantonalen Erziehungsdirektoren zu einer permanenten und strukturierten Konferenz: die EDK wurde zur bildungspolitischen Plattform des Meinungs- und Erfahrungsaustausches, des Dialogs mit dem Bund sowie gemeinsamer Entscheide und Unternehmungen. Die Zusammenarbeit im Rahmen der EDK genügte für die relativ stabile Bildungsentwicklung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.8

3.2

Das Schulkonkordat von 1970: «Charta» der interkantonalen Bildungskooperation

Gegen Ende der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts stiegen Bedarf und Nachfrage nach Bildung stark an. Die Kantone, Hauptträger der Schulen von der Vorschule bis zur Universität, waren gefordert, das Angebot auf allen Stufen auszubauen, ihre bislang geschlossenen Schulsysteme zu modernisieren und für die Zusammenarbeit über die Kantonsgrenzen hinaus zu öffnen. Sie reagierten durch Aktivierung der schweizerischen EDK und die Schaffung ­ teilweise zusammen mit dem Bund ­ von schweizerischen Informations- und Dienstleistungszentren. Die Öffentlichkeit drängte dar8

Vgl. hierzu sowie zu Geschichte und rechtlicher Bedeutung des Schulkonkordats: Moritz Arnet (2000), Das Schulkonkordat vom 29. Oktober 1970, Bern: EDK.

5494

über hinaus auf eine Angleichung der Schulstrukturen. Die unterschiedlichen Lösungen des Schuljahresbeginns und des Schuleintrittsalters erschwerten die interkantonale Mobilität. Anfang 1969 lancierte die Jugendfraktion der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei eine eidgenössische Volksinitiative, die vom Bund die Angleichung der Schulsysteme sowie Massnahmen zur Bildungsförderung verlangte (siehe Ziff. 2.3). Ähnliche Begehren wurden in den eidgenössischen Räten in Motionsform eingereicht. Die Idee, die interkantonale Zusammenarbeit und die Bildungskoordination vertraglich abzusichern, fand unter diesen Umständen offene Türen.

Der damalige Präsident der EDK und spätere Bundesrat Hans Hürlimann beantragte im März 1969, es sei ein Konkordat zu schaffen, um der Koordinationsarbeit eine Rechtsgrundlage zu geben. Die Erarbeitung des Konkordats kam zügig voran, und am 29. Oktober 1970 wurde es durch die EDK zwecks Ratifikation in den Kantonen einstimmig verabschiedet. Ende 1972 waren bereits 20 Kantone dem Konkordat beigetreten; seit Ende der 80er Jahre sind es alle mit Ausnahme des Tessins9.

Der Zweckartikel des Schulkonkordats von 1970 lautet: Die Konkordatskantone bilden eine interkantonale öffentlich-rechtliche Einrichtung zur Förderung des Schulwesens und zur Harmonisierung des entsprechenden kantonalen Rechts.

Das Schulkonkordat ist eine mittelbar rechtsetzende sowie eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung. Es unterscheidet drei Formen der Koordination bzw. Harmonisierung: Konkret und verpflichtend geregelt sind das Schuleintrittsalter, die Dauer der Schulpflicht, die Zahl der jährlichen Schulwochen, die Dauer der Ausbildung bis zur gymnasialen Maturität und der Beginn des Schuljahres10. Sodann ist das Konkordat ermächtigt, zuhanden aller Kantone Empfehlungen zur Durchsetzung der Ziele der Bildungsförderung und Bildungskoordination zu erlassen; dies ist seither in Form von Rahmenlehrplänen und themenzentrierten Empfehlungen zahlreich geschehen, und obwohl es sich dabei um nicht-bindende Beschlüsse handelt, kann in verschiedenen Bereichen ein hoher Harmonisierungseffekt nachgewiesen werden. Schliesslich sind die Konkordatskantone ganz generell zur Zusammenarbeit im Bereich der Bildungsplanung verpflichtet, und zwar «unter sich und mit dem Bund»; zu diesem Zweck werden u.a. die für diese Zusammenarbeit
notwendigen Institutionen geschaffen bzw. unterstützt11.

Das Schulkonkordat ist somit der einzige Staatsvertrag, der die Kantone generell zur Zusammenarbeit in einem ganzen Politikbereich verpflichtet; und die als Konkordatsbehörde eingesetzte EDK ist die einzige interkantonale Fachdirektorenkonferenz, die auf staatsvertraglicher Grundlage beruht.

9

10 11

Der Kanton Tessin konnte bislang formell nicht beitreten, weil Art. 2 des Konkordats ihn zu mehr Unterrichtswochen pro Jahr und zu einem etwas späteren Schuleintritt verpflichtet hätte; er macht aber ­ im Rahmen der EDK, deren Mitglied er ist ­ bei allen Konkordatsarbeiten mit und bezahlt den Kostenanteil wie ein Konkordatskanton.

Letzterer musste freilich ­ nach einer gegenläufigen Volksabstimmung im Kanton Zürich ­ 1985 auf dem Weg einer Ergänzung der Bundesverfassung vereinheitlicht werden.

Heute sind dies namentlich das Informations- und Dokumentationszentrum (IDES), die Zentralstelle für die Weiterbildung der Mittelschullehrpersonen (WBZ), die Schweizerische Zentralstelle für Heilpädagogik (SZH), die Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung (SKBF), die Schweizerische Fachstelle für Informations- und Kommunikationstechnologien im Bildungswesen (SFIB) sowie die Schweizerische Koordinationskonferenz Weiterbildung (SKW).

5495

3.3

Die ergänzenden Vereinbarungen der 90er Jahre: Diplomanerkennung, Finanzierung und Freizügigkeit

Während der ersten 15 Jahre seines Bestehens konnte das Schulkonkordat seine konkreten Verpflichtungsgegenstände nur teilweise realisieren; insbesondere der einheitliche Schuljahresbeginn bedurfte, wie gezeigt, einer Lösung durch Bundesrecht. Umso mehr bewährte es sich in jener Phase als Plattform inhaltsbezogener Reformdebatten, indem es sich auf die pädagogische Zusammenarbeit konzentrierte.

Nach 1985 wurden das Konkordat und seine Behörde, die EDK, vermehrt auch zur rechtlichen Trägerschaft verbindlicher Instrumente für die gesamtschweizerische Steuerung des Bildungssystems. In den 90er Jahren entstanden interkantonale Finanzierungs- und Freizügigkeitsvereinbarungen und eine interkantonale Diplomvereinbarung. Die Konkordate zwecks Regelung von interkantonaler Finanzierung und Freizügigkeit vorab im Tertiärbereich, namentlich die Universitätsvereinbarung und die Fachhochschulvereinbarung, stellen eine nicht mehr wegzudenkende Voraussetzung dar für Mobilität und Chancengerechtigkeit bei den Absolvierenden, für qualitätsfördernden Wettbewerb unter den Anbietern, für den Lastenausgleich zwischen den Kantonen und für die Finanzierung des schweizerischen Hochschulsystems insgesamt. Gegenwärtig ist die Schaffung neuer gesamtschweizerischer Finanzierungsvereinbarungen für den Bereich der Berufsbildung (Sekundarstufe II und Tertiärstufe) im Gang. Die Interkantonale Vereinbarung über die Anerkennung von Ausbildungsabschlüssen im Zuständigkeitsbereich der EDK (namentlich für die Lehrdiplome aller Stufen) bildet ihrerseits eine wirksame Voraussetzung für die Gewährleistung gesamtschweizerischer Anforderungen, entsprechender Qualitätsentwicklung und internationaler Wettbewerbsfähigkeit.

Die Bilanz von Schulkonkordat und EDK aus dieser zweiten Phase seit den 90er Jahren ist entsprechend vielfältig: gymnasiale Rahmenlehrpläne und Neuregelung der Maturitätsanerkennungen mit Reform der gymnasialen Maturitäten; koordinierte Schaffung von Fachhochschulen mit Studiengängen im Rechtskreis sowohl des Bundes als auch der Kantone; Regelung der gesamtschweizerischen Anerkennung der verschiedenen Lehrerinnen- und Lehrerbildungsabschlüsse; damit verbunden die Tertiarisierung der Lehrerinnen- und Lehrerbildung auch für die Vorschule und Primarstufe sowie die Schaffung Pädagogischer Hochschulen; Neuregelung der bisherigen
Diplommittelschule als Fachmittelschule u.a.m.

Intensiv hat sich die EDK auch mit dem Bereich der Weiterbildung befasst, sie hat dazu 2003 Empfehlungen verabschiedet. Kantone und Bund haben, um ihre Anstrengungen in diesem Bereich zu koordinieren, die Schweizerische Koordinationskonferenz Weiterbildung (SKW) gegründet.

Wie in Ziff. 5.2.8 ausgeführt wird, besteht aber bezüglich der Rolle von Bund und Kantonen im Weiterbildungsbereich ein Klärungsbedarf. Nach Auffassung der EDK ist es Sache des Bundes, hier die notwendigen übergeordneten Grundsätze zu erlassen

5496

3.4

Aktuelle Herausforderungen: Harmonisierung der Bildungsziele und Schulstrukturen

Mittlerweile stehen Schulkonkordat und EDK am Beginn einer dritten Phase und vor neuen Herausforderungen, denn immer mehr Aufgaben verlangen nach gesamtschweizerischen Lösungen, und die erhöhte Mobilität der Bevölkerung verlangt generell nach einer Harmonisierung des Systems. Angesichts dieser Herausforderungen hat sich die EDK im Jahre 2001 Leitlinien gegeben, welche die neuen Ziele der Bildungskooperation Schweiz und die Art der Zusammenarbeit untereinander sowie mit den Partnern, namentlich den Organen des Bundes, umschreiben. Seither arbeitet die EDK nach einem Tätigkeitsprogramm, welches in Schwerpunkte gegliedert ist und im Zuge der jährlichen Berichterstattung über den Stand der Arbeiten laufend aktualisiert wird.12 Im Rahmen ihrer Strategie hat die EDK vier Schwerpunkte ihres Tätigkeitsprogramms mit höchster Priorität ausgestattet: ­

die Harmonisierung der obligatorischen Schule durch die verbindliche (staatsvertragliche) Festlegung und regelmässige Überprüfung landesweit einheitlicher Kompetenzniveaus («Standards») für die Kernfächer per Ende des 2., 6. und 9. Schuljahres (Projekt HarmoS);

­

die koordinierte Weiterentwicklung des Sprachenunterrichts in der mehrsprachigen Schweiz (lokale Erstsprache, Landessprachen und Englisch) durch Verbesserung des Sprachenunterrichts insgesamt, eine früher einsetzende Sprachförderung und Evaluation des Unterrichts;

­

die Stärkung der Professionalität der Lehrerinnen und Lehrer durch optimale Gewinnung und Ausbildung von Lehrpersonen und über die Erweiterung der Entwicklungsperspektiven im Lehrberuf;

­

die verbesserte Steuerung des schweizerischen Bildungssystems als Ganzem durch den Aufbau eines kontinuierlichen, wissenschaftlich gestützten Bildungsmonitorings zusammen mit dem Bund.

Am Beispiel des Projektes HarmoS wird deutlich, dass es in Zukunft darum gehen wird, inhaltliche Arbeiten (Festlegung der von den Schülerinnen und Schülern zu erreichenden Kompetenzniveaus) stärker mit rechtsetzenden Vorkehren (Festlegung dieser Kompetenzniveaus in einer Interkantonalen Vereinbarung und damit Verbindlichkeit für die Standards) zu verbinden. Das in diesem Zusammenhang entstehende neue Konkordat wird auch Bestimmungen zum früheren Schuleintritt und zur Flexibilisierung der Einschulung (Basis-/Grundstufe) enthalten. In weiteren wichtigen Bereichen (namentlich: Lehrpläne und Lehrmittel) sind Koordination und Harmonisierung auf sprachregionaler Ebene im Gang.

4

Das schweizerische Schul- und Bildungswesen im internationalen Wettbewerb

Der wachsende internationale Bildungswettbewerb ist eine der Triebkräfte hinter den laufenden Reformbestrebungen im schweizerischen Bildungssystem, insbesondere bei der tertiären Bildung. Der Bildungswettbewerb steht in direktem Zusam12

Leitlinien und Tätigkeitsprogramm sowie zahlreiche weitere Informationen zur Bildungskooperation Schweiz finden sich im Internet unter www.edk.ch oder www.ides.ch.

5497

menhang mit dem wirtschaftlichen Wettbewerb zwischen den Ländern, der sich erstens als Standortwettbewerb und zweitens als Wettbewerb um talentierte Arbeitskräfte zeigt.

Um im Standortwettbewerb bestehen zu können, ist das Vorhandensein einer qualifizierten Erwerbsbevölkerung einer der wichtigsten Vorteile, die ein Land potentiellen Investoren bieten kann. Ein an internationalen Kriterien gemessenes, qualitativ hochstehendes Bildungswesen ist deshalb eine wichtige Voraussetzung, um im Standortwettbewerb bestehen zu können. Im Wettbewerb der Schweiz um die besten ausländischen Spezialisten ist der Ausbildungsstand der eigenen Bevölkerung, wie auch die Qualität des schulischen Angebotes für deren Kinder mitentscheidend, um sich von anderen Mitbewerbern abzuheben. Die Qualität des Bildungssystems eines Landes ist sowohl für die Attraktivität des Standortes im Wettbewerb um Investitionen und Arbeitskräfte als auch für die internationalen Erwerbschancen und -möglichkeiten der eigenen Bevölkerung mitentscheidend.

Diese Herausforderungen setzen das eigene System sowohl einem direkten wie indirekten Wettbewerb mit den Bildungssystemen und -institutionen anderer Länder aus. Im Bereich der obligatorischen Schule und der Sekundarstufe II ist die Wahlfreiheit der eigentlichen Bildungsnachfrager eingeschränkt, was dazu führt, dass sich der Wettbewerb für die einzelnen Bildungsinstitutionen hauptsächlich indirekt über den Systemwettbewerb zeigt. Dort, wo die Mobilität des Bildungsnachfragers hingegen hoch ist, kommt es zu einem direkten Wettbewerb zwischen den Anbietern von Bildung, weil die Nachfragenden eine teilweise oder vollständige Wahlfreiheit zwischen den Anbietern haben. Dies trifft insbesondere auf das tertiäre Bildungswesen, wie auch auf fast alle Formen der Fort- und Weiterbildung Um im Bildungswettbewerb bestehen zu können, sind sowohl die Bildungssysteme als auch die einzelnen Bildungsinstitutionen darauf angewiesen, dass ihre Leistungen transparent und objektiv gemessen und verglichen werden können. Der regelmässige Vergleich der Leistungsfähigkeit von Bildungssystemen (wie beispielsweise die internationalen Vergleichsstudien PISA, Programme for International Student Assessement; ALL, Adult Literacy and Life Skills; Internationale Berufsweltmeisterschaften) ist entscheidend für den Reputationsaufbau
und -erhalt und somit für die Valorisierung nationaler Bildungssysteme. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass die Messung der Leistungen eines Systems nicht nur einen Einfluss auf die zu erreichenden Ziele hat, sondern gleichzeitig die Entscheidungen beeinflusst, welche Lerninhalte ermittelt werden sollen. Die Folge davon ist eine gewisse Vereinheitlichung sowohl der Lernziele als auch der Lerninhalte über die Länder hinweg. Als Konsequenz des stärkeren internationalen Bildungswettbewerbs wird sich deshalb tendenziell eine Verringerung der nationalen Freiheitsgrade bei der Bestimmung von Lernzielen und -inhalten ergeben, auch dort, wo das System als solches primär aus Institutionen besteht, die selbst nicht direkt im Wettbewerb zueinander stehen, wie insbesondere der obligatorische Schulbereich. Dieser internationale Einfluss auf die Kernentscheidungen in einem Bildungswesen stellt gerade föderal aufgebaute Systeme vor zusätzliche Herausforderungen.

Die beobachtbare internationale Harmonisierung ist die Voraussetzung dafür, dass ein Wettbewerb spielen kann. Gleichzeitig reduziert sie die Möglichkeiten von Bildungssystemen und -institutionen, sich dem weltweiten Wettbewerb durch «Andersartigkeit» entziehen zu wollen. Die schweizerischen Harmonisierungsanstrengungen auf der Ebene der strukturellen Eckwerte, aber auch auf der Ebene der Bildungsinhalte entsprechen diesen Angleichungsprozessen an internationale Wett5498

bewerbsbedingungen. Die eigenständige und produktive Nutzung des internationalen Bildungswettbewerbs leistet einen Beitrag zur qualitativen Weiterentwicklung des schweizerischen Bildungssystems.

5

Die Vorlage im Detail

5.1

Entstehung

Am 30. April 1997 reichte Nationalrat Hans Zbinden (SP, Aargau) seine zweite parlamentarische Initiative «Bildungsrahmenartikel in der Bundesverfassung» (97.419) ein. Sie verlangte die Erarbeitung eines Entwurfs zu einem neuen Bildungsrahmenartikel gemeinsam mit der EDK. Ziel des Artikels sei die Schaffung eines «kohärenten, flächendeckenden und qualitativ hoch stehenden Bildungsraums Schweiz», der den Auszubildenden «eine hohe Mobilität und variable, nahtlos zusammenfügbare Bildungsgänge» ermögliche sowie «europakompatibel» und «entwicklungsoffen» sei. Erreicht werden solle dies durch Vorgaben in Form von Standards, strukturellen Eckdaten, Leistungsaufträgen, Übertrittsregelungen und inhaltlichen Treffpunkten. Der Bund solle eine «führende und tragende Rolle» in den Bereichen Berufsbildung, tertiäre Bildung und Weiterbildung einnehmen; die interne Ausgestaltung der Bildungsbereiche solle den jeweiligen Trägerschaften überlassen bleiben. Die Volksschule (die Vorschule und die obligatorische Schule) sollte in der Regelungskompetenz der Kantone bleiben. Als Hauptargumente für den Bildungsrahmenartikel nannte der Initiant den Mobilitätsdruck durch die Arbeitsmärkte und noch bestehende Unterschiede zwischen den kantonalen Bildungssystemen.

Die nationalrätliche Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur beantragte mit 16 gegen 0 Stimmen bei drei Enthaltungen, der parlamentarischen Initiative Folge zu geben; am 24. Juni 1998 stimmte der Nationalrat diesem Antrag mit 91 gegen 39 Stimmen bei einer Enthaltung zu. Das Geschäft wurde anschliessend der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) des Nationalrats mit dem Auftrag zugewiesen, einen Entwurf zu erarbeiten. Die WBK-N setzte eine Subkommission unter dem Vorsitz von Nationalrat Johannes Randegger ein, welche ihre Arbeiten am 19. April 2000 aufnahm.13 Am 17. August 2001 stimmte die Kommission mit grossem Mehr einem ersten Entwurf zu einem «Bildungsrahmenartikel», einem erneuerten Artikel 61a BV zu, mit welchem sie dem Bund eine umfassende Rahmengesetzgebungskompetenz im gesamten Bildungswesen erteilen wollte: Bund und Kantone sorgen gemeinsam für einen vielfältigen und entwicklungsfähigen Bildungsraum Schweiz. Sie stellen ihre Zusammenarbeit durch gemeinsame Institutionen und andere geeignete Vorkehrungen sicher.

1

Der Bund legt Grundsätze der Bildung von gesamtschweizerischer Bedeutung fest.

Er koordiniert, fördert und ergänzt die Bestrebungen der Kantone.

2

13

Die Frist zur Ausarbeitung einer Vorlage wurde dreimal verlängert, zuletzt am 20. Juni 2003, auf Ende 2005.

5499

Die Kantone sorgen für einen ausreichenden Grundschulunterricht, der allen Kindern offen steht. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch und untersteht staatlicher Leitung oder Aufsicht. An öffentlichen Schulen ist er unentgeltlich. Das Schuljahr beginnt zwischen Mitte August und Mitte September.

3

Diese Version stiess aber auf den Widerstand vor allem der Kantone (EDK) und der ständerätlichen Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur. Den Stein des Anstosses bildete Absatz 2: Obschon die Kommission den Akzent auf den Begriff «gesamtschweizerisch» setzte um zu unterstreichen, dass diese Kompetenz des Bundes sich auf Grundsätze von schweizerischer Bedeutung beziehen und den Regionen und Kantonen nach wie vor die Hoheit in ihren Bereichen überlassen bleiben sollte, zeigte sich die EDK nicht bereit, dem Bund eine solche Kompetenz zuzugestehen: Sie befürchtete eine völlige Umkehrung der Kompetenzordnung im schweizerischen Bildungswesen, sah die Möglichkeit «notwendiger Unterschiede» zwischen den einzelnen Kantonen (wie zum Beispiel das Modell der scuola dell'infanzia im Kanton Tessin oder des cycle d'orientation in der Westschweiz) gefährdet und warnte vor den finanziellen Folgen, die sich für den Bund daraus ergeben würden.

In einer Aussprache zwischen der nationalrätlichen Subkommission und einer Delegation des EDK-Vorstandes hielten die Vertreter der Kantone fest, dass die EDK nach wie vor bereit sei, zusammen mit der nationalrätlichen Kommission an einer Revision der Bildungsverfassung mitzuwirken und nach Möglichkeit einen gemeinsamen Vorschlag auszuarbeiten. Der EDK wurde die Wahl eines Staatsrechtsexperten überlassen; gewählt wurde Prof. Bernhard Ehrenzeller von der Universität St. Gallen. In Anlehnung an die Standesinitiative des Kantons Basel-Landschaft «Koordination der kantonalen Bildungssysteme» (02.302) einigte man sich insbesondere auf die folgenden Harmonisierungspunkte oder Eckwerte: Bildungsstufen (Dauer und Übergänge), Abschlüsse der Sekundarstufen I und II.

Der vom Experten erarbeitete neue Entwurf fasste sämtliche besonderen bildungsbezogenen Artikel in der Bundesverfassung (Art. 62­67 BV) neu; der Entwurf wurde an mehreren Sitzungen der nationalrätlichen Subkommission diskutiert und im Wesentlichen übernommen. Für die Verwirklichung der Eckwerte sah der Entwurf eine subsidiäre Bundeskompetenz vor für den Fall, dass geeignete Regelungen nicht durch Koordination zustande kämen; zusätzlich fügte die Kommission die alternative Variante einer voraussetzungslosen Bundeskompetenz hinzu, damit diese ebenfalls in die Vernehmlassung gehe (darin weicht der Entwurf von den mit
der EDK gemeinsam entwickelten Vorstellungen ab). Der Entwurf mit den zwei Varianten wurde am 13. November 2003 von der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats einstimmig bei einer Enthaltung verabschiedet.

Mit ihrem Schreiben vom 26. April 2004 hat die Kommission des Nationalrates den Bundesrat aufgefordert, gestützt auf Artikel 112 Absatz 2 des Parlamentsgesetzes ein Vernehmlassungsverfahren durchzuführen. In der Folge hat das Bundesamt für Bildung und Wissenschaft eine breite Konsultation durchgeführt, die Mitte Dezember 2004 abgeschlossen wurde.

5500

5.1.1

Ergebnis der Vernehmlassung

Der Entwurf der Bildungsrahmenartikel stiess auf ein breites Interesse und löste grossmehrheitlich ein positives Echo aus. Insgesamt gingen 320 Stellungnahmen ein. An dieser Stelle können nur die wichtigsten Tendenzen wiedergegeben werden.14

5.1.1.1

Notwendigkeit einer Verfassungsänderung

Fast die Gesamtheit der Antwortenden hält eine Verfassungsänderung für begrüssenswert, notwendig oder sogar dringlich. Ausdrücklich dagegen ausgesprochen haben sich 7 Vernehmlasser nämlich die Kantone Appenzell Innerrhoden (im Grundtenor), Nidwalden und Zug; bei den Parteien die Schweizerische Volkspartei sowie drei aus dem Kreise der nicht direkt eingeladenen Institutionen. Für sie sind die angestrebten Ziele auch mit den heutigen Zuständigkeiten und Organen erreichbar.

Einige Vernehmlasser verknüpfen ihre Zustimmung zu einer Verfassungsrevision mit Vorbehalten im Einzelnen, ausdrücklichen Bedingungen oder speziellen Forderungen von ihrer Seite.

5.1.1.2

Kompetenzausscheidung Bund-Kanton

Die vorgeschlagene Kompetenzausscheidung findet im Grundsatz meist Zustimmung. Dabei werden auch hier oft im Einzelnen Vorbehalte angebracht. Für verschiedene Vernehmlasser bestand Unklarheit, wieweit die Bestimmungen von Artikel 62 und 62a (jetzt Artikel 61a und 62) auch für die nachfolgenden Bildungsartikel übergeordnete Geltung haben sollten.

Deutlich ablehnend haben zur Frage der vorgeschlagenen Kompetenzausscheidung nur wenige Vernehmlasser geantwortet.

5.1.1.3

Stellungnahme zu Varianten in Artikel 62a Absatz 4

Die begrüssten Stellen wurden aufgefordert zu zwei Varianten Stellung zu nehmen.

Variante 1 sieht eine rein subsidiäre Bundeskompetenz vor, die erst zum Tragen kommt, wenn die Koordinationsbemühungen der Kantone und des Bundes fruchtlos bleiben. Mit Variante 2 dagegen könnte der Bund von sich aus schon aktiv werden und Rahmenbedingungen erlassen.

Die Kantone gaben mit sehr deutlicher Mehrheit Variante 1 (subsidiäre Bundeskompetenz) den Vorzug (im Verhältnis 17:5), nur AI und NW lehnen beide Varianten entschieden ab. Bei den Parteien wird mehrheitlich für Variante 2 optiert, bei den Wirtschaftverbänden ergab sich ein zahlenmässiges Patt, bei den eingeladenen 14

Eine detaillierte Zusammenfassung ist einzusehen auf http://www.sbf.admin.ch: «Bildungsrahmenartikel in der Bundesverfassung- Vernehmlassung zu den Vorschlägen der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates (WBK-NR), Auswertung der Vernehmlassung 2004)».

5501

Bildungs- und wissenschaftspolitischen Organen war das Bild zwischen den beiden Varianten fast ausgeglichen. Während für eine Partei und ein Kanton beide Varianten schon zu weit gehen und deshalb als «unbefriedigend und unnötig» abzulehnen sind, betrachtet eine andere Partei die Bundskompetenzen in Variante 2 immer noch nicht als ausreichend. ­ Die häufigsten Modifizierungsvorschläge für die beiden Varianten betreffen einerseits verpflichtende Formulierungen statt der KannBestimmungen, die als zu unverbindlich angesehen wurden, und zwar sowohl von Befürwortern der einen wie der andern Variante. Gewünscht wurde auch eine Präzisierung der Kriterien und Mechanismen der Koordination (d.h. wann, wie und von wem das Scheitern der Koordination festgestellt wird).

5.1.1.4

Zusätzliche Sachbereiche in Bundeskompetenz und weitere Bemerkungen

Auf die entsprechende Frage gingen zahlreiche zum Teil sehr unterschiedliche Vorschläge ein. In der Reihenfolge der Häufigkeit werden folgende Bereiche genannt, in denen der Bund nach Meinung der Vernehmlasser zusätzliche Kompetenzen erhalten sollte: bei den Ausbildungsbeiträgen, bei den Bildungszielen und Bildungsinhalten, bei der Qualitätssicherung (Qualitätsstandards, einheitliches Beurteilungsmodell u.a.), bei der Ausbildung der Lehrpersonen, für das Schuleintrittsalter, Regelung des Privatschulbereichs, Begabtenförderung, Fremdsprachenregelung, Anerkennung von Abschlüssen als alleinige Bundessache (AI).

Was den Artikel zur Berufsbildung (Art. 63 VE) betrifft, so ist die häufigste und gewichtigste Forderung die explizite Gleichstellung der beruflichen Bildung mit den allgemeinen (besonders akademischen) Bildungswegen. Anvisiert wird hier die finanzielle Gleichbehandlung, dabei wird meist auf die extremen Unterschiede zwischen den Bildungswegen hingewiesen, besonders bezüglich Umfang und Dauer der Ausbildungsbeiträge (Universitätsstudien werden z.B. bis zum Doktorat mit öffentlichen Mitteln gefördert, während nach der Berufslehre bereits die privat zu finanzierende berufliche Weiterbildung beginnt) Bezüglich des Hochschulartikels wurde eine Koordination der verschiedenen laufenden Projekte (Hochschullandschaft 2008, Motion WBK des Ständerates von 1999, parlamentarische Initiative Plattner) gefordert. Bezüglich des Vorgehens im Einzelnen wurden unterschiedliche Vorstellungen geäussert. Inhaltliche Forderungen betreffen u. a. eine genauere Klärung und Regelung der gemeinsamen Steuerung, zusätzliche Bundeskompetenzen für die Definition von speziellen Eckwerten im Hochschulbereich, eine genauere Fassung der Qualitätssicherung.

Auch beim Weiterbildungsartikel sind gegensätzliche Grundpositionen feststellbar: Auf der einen Seite lehnen 6 Vernehmlasser den ganzen Weiterbildungsartikel entschieden ab oder fordern dessen ersatzlose Streichung. Andere fordern eine Neuformulierung mit nur einer eingeschränkten Bundeskompetenz. Auf der andern Seite gibt es mehr als doppelt so viele Vernehmlasser, die den vorliegenden Artikel ausdrücklich begrüssen oder sogar noch weitergehen wollen.

5502

5.1.2

Überarbeitung der Vernehmlassungsvorlage

Die Kommission hat sich im Rahmen einer erweiterten Tagung an der Universität St. Gallen, an der auch eine Delegation der ständerätlichen WBK sowie Vertretungen bildungspolitischer Institutionen teilnahmen, eingehend mit dem Ergebnis der Vernehmlassung befasst. Darauf wurden einzelne Punkte der Vorlage, namentlich Artikel 62 Absatz 4 (subsidiäre Kompetenzen des Bundes), Artikel 63 (Berufsbildung), Artikel 63a (Hochschulen), Artikel 64a (Weiterbildung) überarbeitet. Ein entsprechender Entwurf wurde am 12. Mai 2005 von der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates einstimmig verabschiedet.

5.1.3

Integration des Hochschulartikels in die Gesamtvorlage

Wie soeben dargestellt, wurde in der Vernehmlassung zum Bildungsrahmenartikel mehrfach gefordert, dass die zurzeit laufenden verschiedenen verfassungsrelevanten Reformprojekte zur Hochschulpolitik (Motion WBK-S vom 23. März 1999 (99.3153), parlamentarische Initiative Plattner «Hochschulreform» (03.452), Arbeit der Projektgruppe zur Hochschullandschaft 2008) mit den Arbeiten zur «Bildungsverfassung» zu koordinieren seien. Bezüglich des konkreten Vorgehens blieben die Meinungen zunächst aber eher kontrovers. Während die einen dafür plädierten, dass die Hochschulfrage innerhalb des vorliegenden Verfassungsentwurfes zu regeln sei, vertraten andere die Auffassung, das Thema sei ganz auszuklammern und im Rahmen eines andern Projektes zu diskutieren oder wesentlich anzureichern.

5.1.3.1

Federführung der WBK des Ständerates für den Hochschulartikel

Inzwischen hatte der Ständerat der parlamentarischen Initiative Plattner «Hochschulreform» (03.452) Folge gegeben und seine Kommission beauftragt, einen Entwurf zu erarbeiten (siehe Ziff. 2.7). Die WBK der beiden Räte haben sich daraufhin gemeinsam mit der in der Vernehmlassung vorgebrachten Kritik am Hochschulartikel und dem weiteren Vorgehen befasst und eine enge Zusammenarbeit beschlossen.

Sie verständigten sich angesichts der laufenden Arbeiten zur Bildungsverfassung darauf, dass die WBK des Ständerates federführend einen Entwurf für den Hochschulbereich erarbeitet und entschieden sich für eine Integration des Hochschulartikels in eine Gesamtrevision bei einer gleichzeitig vorzunehmenden Erweiterung der hochschulrelevanten Bestimmungen. Mit den entsprechenden Arbeiten wurde eine Subkommission unter dem Präsidium von Ständerat Peter Bieri beauftragt. Grundlegend für ihre Arbeit waren die oben erwähnten Reformprojekte zur Hochschulpolitik, zu denen die gleichlautenden Motionen Bürgi und Randegger «Hochschulfinanzierung. Portfoliobereinigung unter teuren Fächern» (04.3506 und 04.3484) hinzu kamen. Für die Erarbeitung des Grundkonzepts wurden die Ergebnisse der «Projektgruppe Bund-Kantone Hochschullandschaft 2008» herangezogen (siehe Ziff. 2.11).

Um die Kohärenz der Gesamtvorlage sicherzustellen, zog die Subkommission des Ständerates für ihre Arbeiten ebenfalls den Experten der nationalrätlichen Kommission, Prof. Bernhard Ehrenzeller, bei und konsultierte zusätzlich alt Ständerat Prof.

Ulrich Zimmerli. Das Ergebnis dieser Subkommission wurde den WBK der beiden 5503

Räte unterbreitet. Für die nationalrätliche Kommission bildete es die Grundlage ihrer Entscheide. Sie hat die Vorschläge der WBK-S weitestgehend übernommen.15 Der Hochschulartikel wurde als ein kohärentes, in sich geschlossenes Regelwerk konzipiert, das sich organisch als Bestandteil in die Bildungsverfassung einfügen soll. Massgebend für die Integration in die Gesamtvorlage war letztlich die Überlegung, dass der Bildungsbereich ganzheitlich zu betrachten ist. Zudem soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die einzelnen Bildungsstufen immer enger ineinander greifen (vgl. 5.2.1). Auch zeitliche Erwägungen sprechen für dieses Vorgehen. Eine separate Vorlage würde sicher grössere Verzögerungen mit sich bringen.

5.2

Grundzüge der Vorlage

5.2.1

Ziel

Das Ziel der neuen Bildungsverfassung ist die Sicherstellung eines kohärenten, flächendeckenden und qualitativ hoch stehenden Bildungsraums Schweiz durch Bund und Kantone. Dieses Ziel lässt sich nicht durch einen isolierten Bildungsartikel, sondern nur durch eine gesamthafte Betrachtung aller einschlägigen Artikel in der Bundesverfassung und durch eine kohärente Neuordnung der Bildungsverfassung erreichen. Aus diesem Grund enthält der vorgelegte Entwurf sowohl eine Revision der Artikel 62­67 BV wie drei neue Artikel: Artikel 61a, 63a und 64a.

5.2.2

Grundkonzept

Die Revision geht von folgendem Grundkonzept aus: Im Sinne eines übergreifenden Zieles wird zunächst festgehalten, dass Bund und Kantone gemeinsam im Rahmen ihrer Zuständigkeit für eine hohe Qualität und Durchlässigkeit des Bildungsraumes Schweiz sorgen. Damit ist eine Ziel- und Programmnorm formuliert, die den Bund und die Kantone im Sinne einer gemeinsamen Zielvorstellung bindet und verpflichtet.

Wie bisher soll in der Bundesverfassung zudem festgehalten werden, dass für das gesamte Schulwesen ­ sofern die Bundesverfassung nicht etwas anderes bestimmt ­ grundsätzlich die Kantone zuständig bleiben. Das Schulwesen wird dabei breit verstanden und umfasst alle Schulstufen, von der Vorschule bis zur Quartärstufe.

15

Zum neuen Artikel 63a, der in Kenntnis der Vernehmlassungsergebnisse von der WBK-S erarbeitet wurde, hat die WBK-N bei der EDK um die Stellungnahme der Kantone gebeten. An ihrer Plenarversammlung vom 16. Juni 2005 hat die EDK zur überarbeiteten Version der Bildungsverfassung Stellung genommen, nachdem die Konferenzmitglieder zuvor gebeten worden waren, die Meinung der Kantonsregierungen hierzu einzuholen.

Die EDK teilt mit, dass die Plenarversammlung der EDK und mithin die von den Konferenzmitgliedern konsultierten Kantonsregierungen grossmehrheitlich der vorliegenden Fassung zustimmen (mit Vorbehalten zu Artikel 48a). Siehe dazu Ziff. 5.5.

5504

5.2.3

Pflicht zur Zusammenarbeit von Bund und Kantonen

Gerade weil Bund und Kantone je eigene Kompetenzen im Bildungsbereich behalten, ist es wichtig, dass sie eng zusammenarbeiten. Im Textentwurf wird deshalb neu die Pflicht zur Zusammenarbeit zwischen den Kantonen und dem Bund stipuliert.

Diese Zusammenarbeit wird sich in der Praxis entsprechend den verschiedenen Schul- bzw. Bildungsstufen unterschiedlich auswirken. Da Bund und Kantone auf dem Gebiete des Hochschulwesens je eigene Kompetenzen besitzen und auch je eigene Hochschulen führen, wird gerade die Zusammenarbeit in diesem Bereich besonders eng sein müssen.

Zur effizienten Gestaltung der Zusammenarbeit können auch gemeinsame Institutionen von Bund und Kantonen eingerichtet werden. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang an Institutionen, welche Bund und Kantone schon seit langem gemeinsam führen (etwa die Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung, SKBF, in Aarau) bzw. gemeinsam beauftragen (etwa die Weiterbildungszentrale für Mittelschullehrpersonen, WBZ, in Luzern, die Schweizerische Fachstelle für Informationsund Kommunikationstechnologien, SFIB, in Bern, die Schweizerische Koordinationskonferenz Weiterbildung, SKW, in Bern oder die Schweizerische Zentralstelle für Heilpädagogik, SZH, in Luzern). Weitere gemeinsame Institutionen sind denkbar, z.B. auf dem Gebiet des Bildungsmonitorings. Die gleiche Verfassungsbestimmung ermöglicht aber auch die Einrichtung von gemeinsamen Steuerungsorganen mit Entscheidkompetenzen.

5.2.4

Schaffung einer subsidiären und beschränkten Bundeskompetenz

Die vorgeschlagene verfassungsmässige Neuordnung des Bildungsbereichs geht davon aus, dass es zunächst Aufgabe der Kantone ist, ihre Bildungssysteme im Sinne eines gemeinsamen Bildungsraumes Schweiz miteinander zu koordinieren.

Wichtig in Hinblick auf eine gegenseitige Durchlässigkeit ist dabei eine einheitliche Regelung des Schuljahresbeginns, der Dauer der Bildungsstufen, deren Zugänge sowie die gesamtschweizerische Anerkennung aller Abschlüsse.

Die EDK hat sich schon in der Vergangenheit regelmässig zu diesen Zielen bekannt und durch ein System von Konkordaten auf deren Realisierung hingewirkt. Mit der Verankerung der Koordinationspflicht in der Bundesverfassung sollen zunächst die Kantone in diesen Bemühungen gestärkt werden.

Für den Fall, dass es auf dem Koordinationsweg nicht gelingen sollte, in den für die Schaffung eines kohärenten Bildungsraumes Schweiz wichtigen Eckwerten geeignete Regelungen zu erlassen, konnte mit den Vertretern der EDK Einverständnis hergestellt werden, dass der Bund Vorschriften betreffend Schuljahresbeginn, Dauer der verschiedenen Schulstufen, Zugangsregelungen zu den einzelnen Bildungsstufen (Übergänge) und Anerkennung von Abschlüssen erlässt.

Es handelt sich hier zweifelsohne um eine der Schlüsselbestimmungen innerhalb der vorgeschlagenen neuen Bildungsverfassung. Entsprechend intensiv wurde wiederholt um diese Bestimmung gerungen. Die Kommission beschloss seinerzeit, zu diesem Punkt zwei Varianten in die Vernehmlassung zu geben. Variante 1 sah eine rein subsidiäre Bundeskompetenz vor, die erst zum Tragen kommt, wenn die Koor5505

dinationsbemühungen der Kantone und des Bundes fruchtlos bleiben sollten. Mit Variante 2 dagegen hätte der Bund Bereich von sich aus schon vorher aktiv werden und Rahmenbestimmungen erlassen können.

Um dem Ergebnis der Vernehmlassung (s. Ziff. 5.1.1.3) Rechnung zu tragen, wurde dieser Schlüsselabsatz gegenüber den Vernehmlassungsvarianten verbindlicher und präziser gefasst. Zunächst wird festgehalten, dass die Harmonisierung des Schulwesens den eigentlichen Hauptgegenstand der Koordination bildet. Anschliessend werden die zentralen Bereiche, die von der Harmonisierung erfasst werden sollen, aufgeführt: Schuleintrittsalter, Schulpflicht, Dauer und Ziele der Bildungsstufen und deren Übergänge (inklusive Zugang zu den Hochschulen) sowie Anerkennung von Abschlüssen. Im zweiten Teil der Bestimmung wird festgehalten, dass diese Harmonisierung auf dem Weg der Koordination zwischen den Kantonen erfolgen soll, der Bund aber im Fall eines Scheiterns dieser gemeinsamen Bemühungen die notwendigen Vorschriften selber erlässt. Was die Regelung des Schuljahresbeginns betrifft, so ist diese bereits heute bestehendes Verfassungsrecht. Diese Kompetenz des Bundes soll nicht in Frage gestellt werden.

Zu einer intensiven Diskussion in der nationalrätlichen Kommission führte die Frage, ob bei einem Scheitern der Harmonisierung der Bund die notwendigen Vorschriften erlässt oder erlassen kann. Die Kommission hat sich mehrheitlich für die verbindlichere Form: «er erlässt die notwendigen Vorschriften» entschieden. Sie liess sich dabei vom Gedanken leiten, dass es sich beim Festellen eines Scheiterns der Koordination und der Notwendigkeit, entsprechende Schritte auf Bundesebene einzuleiten, letztlich immer um eine politische Beurteilung handle. Offen ist dabei, ob diese Schritte vom Bundesrat, von der EDK oder von den eidgenössischen Räten in die Wege geleitet werden. Innerhalb des bundesstaatlichen Systems entscheidet aber letztlich der Bund, wann er von seinen Kompetenzen Gebrauch machen will. In jedem Fall kann der Bund nur tätig werden, wenn eine Mehrheit des Parlamentes ­ und bei einem Referendum das Volk ­ ihn dazu ermächtigen. Automatismen gibt es diesbezüglich keine. Wenn eine politische Mehrheit zur Überzeugung kommt, dass die Koordination gescheitert ist und dass Handlungsbedarf besteht, dann würde es ­ nach
Auffassung der Mehrheit der Kommission ­ nicht verstanden, wenn der Bund nicht die entsprechenden Vorschriften erlässt.

Eine Minderheit der Kommission, die im Rat einen entsprechenden Antrag stellen wird, will die Kann-Bestimmung, die in den beiden Varianten des Vernehmlassungsentwurfes enthalten war, beibehalten. Sie machte geltend, dass Kantone und Gemeinden nach wie vor für das Schulwesen zuständig bleiben. Zusammen mit den Gemeinden tragen sie auch die entsprechenden Kosten. Die Bestimmungen von Absatz 4 geben dem Bund weit gehende Eingriffsmöglichkeiten in die Kompetenzen der Kantone. Der Bund darf von diesen nur mit grösster Zurückhaltung Gebrauch machen. Eine indikative Formulierung zwingt ihn zum Handeln. Die KannFormulierung lässt offenere Spielräume zu und bringt zum Ausdruck, dass der Bund die Kantone nicht vor den Kopf stossen will und dass er von diesen Bestimmungen nur im äussersten Notfall Gebrauch machen soll.

Neu in die Vorlage aufgenommen wurde mit Absatz 6 die Bestimmung, dass ­ in Anlehnung zur Mitwirkung der Kantone in der Aussenpolitik ­ bei der Vorbereitung von Erlassen des Bundes, welche die Zuständigkeit der Kantone betreffen, der Mitwirkung der Kantone ein besonderes Gewicht zukommt. Damit wird auch der in der Vernehmlassung von einzelnen Kantonen geäusserten Befürchtung Rechnung getragen, dass der Bund ohne Rücksichtnahme auf die Kantone vorgehen könnte.

5506

Dabei wurde bewusst eine offene Formulierung gewählt und von detaillierten Verfahrensregelungen wie beispielsweise auch der Festlegung von Fristen abgesehen, weil dies im Rahmen der direkten Demokratie schwer praktikabel wäre und als Misstrauen gegenüber den Koordinationsbestrebungen der Kantone ausgelegt werden könnte.

Eine Minderheit der Kommission, die entsprechend Antrag stellen wird, möchte auf diesen Absatz 6 verzichten, weil einerseits ohnehin klar sei, dass der Bund in diesem Bereich immer nach Konsultation der Kantone handeln wird und der Absatz allenfalls zu unerwünschten Verzögerungen von Bundesmassnahmen im Fall eines Scheiterns der Koordination führen könnte.

Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass gemäss dem in der Volksabstimmung über die Neugestaltung des Finanzausgleiches und der Aufgabenteilung (NFA) angenommenen Verfassungsartikel 48a der Bund auf Antrag interessierter Kantone interkantonale Verträge im Hochschulwesen allgemein verbindlich erklären kann.

Die Kommission beantragt, diese Kompetenz des Bundes auf das gesamte Schulwesen auszudehnen. Damit wird ein zusätzliches gesamtschweizerisches Koordinationsinstrument geschaffen, das Sinn und Geist der NFA entspricht.

Unbestritten blieb, dass die Kantone für die inhaltliche Gestaltung der Bildungsstufen, namentlich der Vorschulstufe, der Primar- und Sekundarstufe II allein zuständig bleiben sollen.

5.2.5

Berufsbildung

Bereits aufgrund der heutigen Bundesverfassung besitzt der Bund eine umfassende Zuständigkeit für die Regelung der Berufsbildung. Daran wurde nichts geändert.

Diese Kompetenz wurde aber durch die Pflicht des Bundes ergänzt, ein breites und durchlässiges Angebot im Bereich der Berufsbildung zu fördern.

Es war der Kommission ein grosses Anliegen, die Chancengleichheit zwischen Berufsbildung und akademischer Ausbildung sicherzustellen. Zwei Drittel der Jugendlichen treten über die Berufsbildung ins Erwerbsleben. Für die Zukunft unseres Landes ist es entscheidend, dass ihnen eine solide Grundausbildung und gute Weiterbildungsmöglichkeiten offen stehen. Mit der Bestimmung, dass der Bund ein breites und durchlässiges Angebot im Bereiche der Berufsbildung fördert, wurde wie für die andern Bildungsbereiche eine Zielnorm in die Verfassung aufgenommen.

Der Bund setzt damit ein bedeutsames Zeichen, dass ihm die Berufsbildung ebenso wichtig ist wie andere Ausbildungsgänge.

5.2.6

Führung und Förderung der Hochschulen: das Konzept des neuen Hochschulartikels

Wie bereits weiter oben ausgeführt, entschieden sich die WBK-Kommissionen der beiden Räte, den Hochschulartikel nicht als separates Projekt weiterzuverfolgen, sondern in die Gesamtrevision der Bildungsverfassung einzubeziehen. Damit wird auch die gemeinsame Philosophie der umfassenden partnerschaftlichen Kooperations- und Koordinationspflicht von Bund und Kantonen in allen Bildungsbereichen besser zum Ausdruck gebracht.

5507

Für die konkrete Ausgestaltung von Artikel 63a bildeten neben den in Ziff. 5.1.3 bereits erwähnten parlamentarischen Vorstössen vor allem die Schlussfolgerungen des Berichtes der Projektgruppe Bund-Kantone Hochschullandschaft 2008 eine wesentliche Grundlage. Es war der Subkommission des Ständerates ein besonderes Anliegen, die von Bundesrat und Verwaltung geleisteten Vorarbeiten mitzuberücksichtigen. Die wichtigsten Befunde dieses Berichts lassen sich wie folgt zusammenfassen (vgl. auch oben Ziff. 2.11).

a. Stärken und Schwächen des schweizerischen Hochschulsystems Im internationalen Vergleich sind die Leistungen der schweizerischen Hochschulen nach wie vor gut und kompetitiv. Die schweizerische Hochschullandschaft zeichnet sich unter anderem durch ein breites und differenziertes Ausbildungsangebot, durch international hoch stehende Forschungsleistungen und gute Forschungsinfrastrukturen aus. Zu den Stärken des Hochschulsystems zählen auch die kulturelle und sprachliche Vielfalt des Landes und die zunehmende internationale Vernetzung.

Das insgesamt nach wie vor positive Bild darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das heutige Bildungs- und Forschungssystem der Schweiz Schwachstellen aufweist. Zu nennen sind dabei in erster Linie ­

die ungenügende gesamtschweizerische Steuerung des schweizerischen Hochschulsytems,

­

die nicht zu rechtfertigenden Unterschiede von Kosten von vergleichbaren Studiengängen an verschiedenen Hochschulen und damit die ungenügende Transparenz bei der Mittelzuteilung,

­

die schwache bzw. fehlende Aufgabenteilung zwischen kantonalen Universitäten, Eidg. Technischen Hochschulen, Fachhochschulen, auch innerhalb der verschiedenen Typen und somit die mangelnde Effizienz beim Einsatz der Mittel.

Diese Schwachstellen, die sich in ihren Negativeffekten gegenseitig potenzieren, beeinträchtigen die internationale Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit des schweizerischen Hochschulwesens, zumal andere Staaten erhebliche Anstrengungen unternehmen, das höhere Bildungswesen gezielt qualitativ zu stärken.

b. Das Steuerungskonzept Erforderlich sind neue rechtliche Grundlagen auf Bundesebene, die in ihrem Kern die Voraussetzungen schaffen müssen für ­

eine starke, klar gesamtschweizerisch konzipierte Führung des gesamten Hochschulbereiches,

­

eine transparente Finanzierung, die gleichzeitig stärker leistungs- und resultatorientiert ist,

­

eine klare Aufgabenteilung, eine Entwicklung von Kompetenzzentren auf nationaler und internationaler Ebene und somit einen optimierten Einsatz der Finanzmittel.

Die gesamtschweizerischen Leitungs- und Koordinationsaufgaben sollen im Wesentlichen durch drei neu zu errichtende Organe wahrgenommen werden (siehe dazu Ziff. 2.11) und über folgende vier Steuerungselemente erfolgen

5508

­

Erlass von verbindlichen Rahmenordnungen über Studienrichtzeiten und über die Anerkennung von Studienleistungen und Studienabschlüssen,

­

Vorschriften über die Gewährleistung der Qualitätssicherung,

­

Festlegen von gemeinsamen Finanzierungsgrundsätzen (Standardkosten, Ausbildungsbeiträgen, Studiengebühren),

­

Strategische Planung und Aufgabenteilung unter den Hochschulen in besonders kostenintensiven Bereichen (namentlich Medizin, Hochtechnologie, Spitzenforschung).

Dem Bund soll im gemeinsamen Organ Bund/Kantone eine starke Stellung eingeräumt werden. Es wird von einer Bundesrätin oder einem Bundesrat präsidiert.

Zudem sollen Abstimmungsmodalitäten festgelegt werden, die dem grossen gesamtschweizerischen finanziellen Engagement des Bundes im Hochschulbereich Rechnung tragen. In Diskussion steht ein Vorschlag, der Bundesvertretung einen Drittel plus eine Stimme zu reservieren, d.h. der Bund soll eine Sperrminorität und damit eine starke Führungskompetenz erhalten.

Für die Umsetzung dieses Konzepts, reicht die heutige Verfassungsgrundlage nicht aus. Schon beim heutigen Universitätsförderungsgesetz mit der Delegation der Rechtsetzungskompetenz an die Schweizerische Universitätskonferenz wurden wiederholt Zweifel geäussert, ob diese wirklich in allen Teilen verfassungskonform sei. Ganz sicher gibt es für die Delegation der zusätzlich vorgesehenen Kompetenzen an das neue Organ, das zudem neu auch für die Fachhochschulen zuständig sein wird, keine Abstützung in der heutigen Verfassung. Die neuen Koordinationsmechanismen bedürfen deshalb einer klaren und umfassenden verfassungsrechtlichen Abstützung, die mit dieser Revision geschaffen werden sollen.

Die vorgeschlagene Verfassungsrevision geht davon aus, dass der Bund und die Kantone weiterhin Hochschulen führen und dass der Bund die kantonalen Hochschulen unterstützt (Art. 63a Abs. 1 und 2). Zwischen Bund und Kantonen besteht deshalb ein besonders hoher Koordinationsbedarf. Was in Artikel 61a als Grundprinzip (horizontale und vertikale Koordination) angelegt ist, findet auf der Ebene der Hochschulen (in Art. 63a Abs. 3) seinen Ausdruck in einer gemeinsamen Steuerung dieses Bereiches durch Bund und Kantone.

Zur Erfüllung bestimmter Aufgaben, insbesondere rechtlicher Befugnisse, schliessen Bund und Kantone Verträge ab und übertragen bestimmte Befugnisse an gemeinsame Organe. Wenn alle diese Koordinationsbemühungen scheitern, dann sollen die subsidiären Kompetenzen des Bundes in abschliessend aufgezählten Bereichen greifen (s. Art. 63a Abs. 5). Erreichen Bund und Kantone auf dem Weg der Koordination die gemeinsamen Ziele nicht, so erlässt der Bund Vorschriften über Studienstufen und deren Übergänge, über die Weiterbildung, über die Anerkennung von Institutionen und Abschlüssen. Zudem kann der Bund die Unterstützung
der Hochschulen an einheitliche Finanzierungsgrundsätze binden und von der Aufgabenteilung zwischen den Hochschulen in besonders kostenintensiven Bereichen anhängig machen. Die in Absatz 3 festgehaltene Koordinationspflicht von Bund und Kantonen geht über die Bereiche hinaus, die der Bund notfalls gemäss Absatz 5 regeln kann.

Die Koordinationspflicht von Bund und Kantonen ist umfassend.

Die Subkommission des Ständerates hatte zudem vorgeschlagen, auch die Regelung des Zugangs zu den Hochschulen unter die subsidiären Bundeskompetenzen aufzunehmen. Die nationalrätliche Kommission hat darauf verzichtet, da die Bestimmung 5509

in Artikel 62 Absatz 4 hiezu genüge: Die dort geschaffene subsidiäre Bundeskompetenz, die Übergänge zu den verschiedenen Bildungsstufen zu regeln, gilt auch für den Zugang zu den Hochschulen, so dass auch in dieser Frage bei einem Scheitern der Koordination der Bund selbständig regeln könnte.

c. Koordination, Autonomie, gesamtschweizerische Planung Das angestrebte Koordinationsmodell unterscheidet neu klar zwischen der Steuerung des Gesamtsystems und der Koordination unter den Hochschulen. Angestrebt wird auch eine Trennung zwischen politischer und akademischer Leitung.

­

Jede Hochschule soll grundsätzlich autonom sein. Das Erfordernis der Autonomie gilt grundsätzlich auch für den organisatorischen, personellen und finanziellen Bereich. Jede Hochschule muss in der Lage sein, im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages klare Profile zu entwickeln.

­

Autonome Hochschulen sollen Kooperations- und Koordinationsmöglichkeiten weitgehend selbst wahrnehmen, ihre Bemühungen sollen durch Anreizmechanismen gefördert werden.

­

Autonomie ist nicht mit uneingeschränkter Handlungsfreiheit gleichzusetzen. Ihr Spielraum wird durch das Gesetz, den Leistungsauftrag bzw. durch vergleichbare Instrumente des Trägers sowie durch gesamtschweizerisch ausgerichtete Zielvorgaben begrenzt, die Bund und Kantone in Form von Eckwerten partnerschaftlich definieren. Eine landesweit abgestimmte strategische Planung zum Zweck der Konzentration der Kräfte ist heute in besonders kostenintensiven Gebieten sowie auch in der Hochtechnologie und der Spitzenforschung unerlässlich.

d. Einheit und Differenzierung des Hochschulbereiches Neben dem Schutz und der Förderung der Autonomie haben der Bund und die Kantone bei ihren Massnahmen auch auf die unterschiedlichen Trägerschaften und auf die Gleichbehandlung von Einrichtungen mit gleichen Aufgaben Rücksicht zu nehmen. Die Schweiz verfügt mit den Eidg. Technischen Hochschulen, den kantonalen Universitäten und den Fachhochschulen über ein stark differenziertes Hochschulsystem, dessen Stärken es zu erhalten gilt. Sie haben vielfach komplementäre Aufgaben. Anzustreben ist aber, dass Institutionen, die gleiche Aufgaben erfüllen, von Bund und Kantonen auch nach ähnlichen Massstäben gefördert werden, denn nur so kann ein fairerer Wettbewerb sichergestellt werden. Die rechtliche Regelung muss aber auch Raum lassen für eine Entwicklung hin zu einer stärkeren institutionellen Integration der verschiedenen Hochschultypen.

e. Gewährleistung der Qualitätssicherung Unbestrittenermassen ist die Qualitätssicherung primär eine Aufgabe der Hochschulen selbst. Sie ist ein wichtiges Führungsinstrument der Hochschulen, die autonom entscheiden können müssen, wie und nach welchen Massstäben sie diese Qualitätssicherung im Einzelnen durchführen. Ebenso wichtig ist aber, dass die Hochschulen dabei gewisse Standards beachten, und dass die Kantone und der Bund darüber wachen, dass diese eingehalten werden. Dies kann im Rahmen eines gemeinsamen Organs geschehen. Welche Standards im Einzelnen gelten sollen, ist zurzeit noch nicht abschliessend festgelegt. Sie werden europaweit intensiv diskutiert. Die gegenseitige Anerkennung von Studienabschlüssen und Studienleistungen im Rahmen der Bologna Erklärung geht davon aus, dass in den einzelnen Ländern entsprechende 5510

Qualitätssicherungsmassnahmen bestehen und die zuständigen Behörden darüber wachen.

f. Zur zukünftigen Stellung der Fachhochschulen: Das Projekt Hochschullandschaft 2008 orientiert sich an der Einheit des Hochschulbereiches. Die neu zu schaffenden Steuerungsmechanismen gelten grundsätzlich für alle Hochschulen, das heisst namentlich für die Eidg. Technischen Hochschulen, die kantonalen Universitäten und Fachhochschulen (inkl. Kunsthochschulen und Pädagogische Hochschulen). Im Bereich der Fachhochschulen stützte der Bund bis anhin seine Regelungskompetenz auf die Verfassungsbestimmung über die Berufsbildung (Artikel 63 Absatz 1 BV). Es wurde die Befürchtung geäussert, dass aufgrund dieser neuen Verfassungsbestimmungen, die eine Delegation bestimmter Kompetenzen an ein gemeinsames Organ Bund/Kantone vorsehen, der Bund seine umfassenden Führungs- und Regelungskompetenzen, die er heute aufgrund des Fachhochschulgesetzes besitzt, aus der Hand gibt. Dazu ist festzuhalten, dass das neue gemeinsame Organ, in dem der Bund eine starke Stellung erhalten wird, mit griffigen Steuerungsinstrumenten ausgestattet wird. Welche Kompetenzen im Einzelnen und in welchem Zeitraum vom Bund auf das gemeinsame Organ übertragen werden, wird konkret durch das Parlament im Rahmen des neuen Hochschulrahmengesetzes und in der vom Bund und Kantonen auszuhandelnden Zusammenarbeitsvereinbarung zu entscheiden sein. Bund und Kantone werden sich dabei zu verständigen haben, in welcher Form sie die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Hochschulrahmengesetzes bestehenden Absprachen oder Vereinbarungen (Masterplan, Entwicklungs- und Finanzierungspläne, Vereinbarungen über Grundsätze für das Angebot an Diplomstudiengänge) als Ergebnis der bereits bestehenden gemeinsamen Koordination weiterführen wollen. Im neuen Hochschulrahmengesetz wird auch eine angemessene Übergangsordnung in organisations- und finanzrechtlicher Hinsicht vorzusehen sein, die einen optimalen Systemübergang für die Fachhochschulen ermöglichen wird.

Schliesslich wird auch zu klären sein, welche Bestimmungen des Fachhochschulgesetzes allenfalls befristet weiterhin in Kraft bleiben sollen, bis die Aufbauphase der Fachhochschulen vollständig abgeschlossen ist.

Wichtig ist aber, dass im Interesse einer Einheitlichkeit des Hochschulbereiches und der vollwertigen Akzeptanz
der Fachhochschulen auf internationaler Ebene die Fachhochschulen und die universitären Hochschulen längerfristig den gleichen Steuerungsmechanismen unterliegen. Dies heisst, dass auch die Fachhochschulen über denselben Grad an innerer Autonomie verfügen müssen wie die kantonalen Universitäten und die Eidg. Technischen Hochschulen. Dies bedingt eine entsprechende Deregulierung des Fachhochschulbereiches.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Steuerungsmodell auf den Erfahrungen der Schweizerischen Universitätskonferenz aufbaut, wie sie mit der Revision des Universitätsförderungsgesetzes im Jahre 2000 neu konzipiert wurde.

Am Beispiel der erfolgreich durchgeführten Umsetzung des Bologna-Modells hat sich gezeigt, dass mit dieser Führungsstruktur auch äusserst komplexe Reformvorhaben rasch und effizient beschlossen werden können. Mit der Neufassung von Artikel 63a wird eine klare verfassungsrechtliche Grundlage für eine zukunftsgerichtete gesamtschweizerische Hochschulpolitik gelegt. Sie klärt die Rolle von Bund und Kantonen innerhalb eines auf Kooperation ausgerichteten Föderalismus und stärkt nachhaltig die Befugnisse gesamtschweizerischer Organe. Dem Bund eröffnet sie die Möglichkeit, seine Führungsverantwortung ­ die auf Gesetzesstufe noch zu 5511

konkretisieren ist ­ wahrzunehmen. Für den Fall eines Scheiterns dieser gemeinsamen Bemühungen wird der Bund zudem ermächtigt, jene minimalen gemeinsamen Bestimmungen zu erlassen, die für eine Selbstbehauptung des schweizerischen Hochschulsystems gerade auch im internationalen Wettbewerb unerlässlich sind.

Der neue verfassungsrechtliche Rahmen lässt genügend Spielraum, um das schweizerische Hochschulsystem antizipativ auf spätere, zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar abschätzbare Entwicklungen ausrichten zu können. Da er auf den bisherigen Erfahrungen aufbaut, bietet er gute Voraussetzungen für die rasche Lösung jener Steuerungs- und Koordinationsprobleme, die keinen Aufschub mehr erdulden.

5.2.7

Forschung und Innovation

Gegenüber der Vernehmlassungsvorlage wurde der Artikel um den Begriff der Innovation erweitert. Diese Erweiterung zielt nicht auf die in der Forschung genuin angelegte Innovationsleistung («Erkenntnisgewinn»), sondern auf die Nutzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen im Anwendungsbereich, d.h. in der Entwicklung innovativer Produkte und Dienstleistungen für Gesellschaft und Wirtschaft («anwendungs- und marktorientierte Innovation»). Der Bund fördert Forschungsaktivitäten schon heute in ihrer gesamten Spannbreite von der Grundlagenforschung über angewandte Forschung bis hin zur marktorientierten Innovation. In diesem Zusammenhang spielt selbstverständlich die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft eine besondere Rolle. Die entsprechende Förderung erfolgt heute im Rahmen der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) über Beiträge an Projekte, die gemeinsam von Hochschulen und Wirtschaft durchgeführt und finanziert werden, über spezielle Förder- und Aktionsprogrammen, über Unterstützungen im Bereich des Wissenstransfers (Informationsvermittlung, Plattformen, Innovationsmanagement) und über weitere qualifizierte Dienstleistungen z.B. zur Gründung von Spin offs oder hinsichtlich der Beteiligung schweizerischer KMU's an den europäischen Forschungsprogrammen. In der jüngsten Vergangenheit haben verschiedene parlamentarische Vorstösse (03.3186 Po. Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur NR; 04.3688 Motion Noser) für die Förderpraxis der KTI eine neue rechtliche Abstützung verlangt. Entsprechende Abklärungen sind zurzeit im Gange, namentlich im Hinblick auf eine Verankerung der KTI im geltenden Bundesgesetz über die Forschung (SR 420.1). Die beiden wichtigsten Förderagenturen (KTI und Schweizerischer Nationalfonds, SNF), über die der Bund im Bereich der Forschungs- und Innovationsförderung heute tätig ist, könnten so auf derselben Rechtsgrundlage abgestützt werden. Mit der vorgeschlagenen Ergänzung in Absatz 1 erhält darüber hinaus namentlich die Bundesförderung über die KTI zusätzlich eine explizite verfassungsrechtliche Abstützung.

Wie bei den Hochschulen wird überdies die Qualitätssicherung im Bereich der Forschungs- und Innovationsförderung zu einer besonderen Aufgabe des Bundes gemacht (Art. 64 Abs. 2) ­ eine Aufgabe, die in der Förderpraxis von SNF und KTI schon heute über effiziente Verfahren berücksichtigt wird.

5512

5.2.8

Weiterbildung

Der permanenten Weiterbildung kommt in unserer Wissensgesellschaft eine zentrale Bedeutung zu. Auch wenn das Vernehmlassungsverfahren bezüglich der Rolle des Bundes im Weiterbildungsbereich gewisse gegensätzliche Grundpositionen sichtbar machte, so ist es bemerkenswert, dass von den 230 eingegangen Stellungnahmen nur gerade 6 die ersatzlose Streichung des Weiterbildungsartikels fordern. Hervorzuheben ist dabei, dass mehr als doppelt so viele Vernehmlasser den vorgeschlagenen Artikel ausdrücklich begrüssen oder sogar noch weitergehen wollen.

Der überwiegende Teil der Weiterbildung erfolgt heute auf privater Basis. Daran soll auch in Zukunft nichts geändert werden. Die Diskussionen, die in den letzten Jahren ­ namentlich auch im «Forum Weiterbildung Schweiz», in dem alle interessierten Kreise, einschliesslich des Bundes und der EDK, zusammengeschlossen sind ­ geführt wurden, machten aber deutlich, dass bezüglich der Rolle des Staates Klärungsbedarf besteht. Bund und Kantone schoben sich die Verantwortung wiederholt gegenseitig zu. Der von der Mehrheit der Kommission vorgeschlagene Artikel will hier die notwendige Klarheit schaffen. Die Grundsätze für die Weiterbildung, welche etwa die gesamtschweizerische Anerkennung von erworbenen Bildungsleistungen, Zertifizierungsmöglichkeiten, die Definition von Qualitätsstandards und Durchlässigkeiten sowie die Herstellung von Markttransparenz und die Erhebung von statistischen Daten betreffen können, sollen durch den Bund festgelegt werden. Dies wird auch von der EDK ausdrücklich begrüsst. Damit werden dem Bund in einem immer wichtiger werdenden Bereich bedeutende Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet.

Da Weiterbildung im Unterschied zu den andern Bildungsstufen nicht in erster Linie durch den Staat, sondern durch Private angeboten wird, von welchen viele landesweit tätig sind, machen Regelungen auf kantonaler Ebene in der Tat wenig Sinn.

Klar ist ebenfalls, dass der Weiterbildungsbereich weiterhin über grosse Freiräume verfügen soll. Es gibt weite Bereiche, um die sich der Staat nicht zu kümmern braucht. Er muss sich vielmehr auf die Regelung des Unerlässlichen beschränken.

Die Einzelheiten werden im Gesetz zu regeln sein.

Die Kommission hat sich dafür entschieden, dass der Bund auch weiterhin die Weiterbildung finanziell unterstützen kann. Bund und Kantone
geben heute jährlich mehrere hundert Millionen Franken für die berufliche und allgemeine Weiterbildung aus.16 Das Engagement des Bundes erfolgt heute über die berufsorientierte Weiterbildung gemäss Berufsbildungsgesetz, über das Arbeitslosenversicherungsgesetz für Umschulung, Weiterbildung und Eingliederung von Arbeitslosen sowie durch Unterstützung von gesamtschweizerischen Organisationen der Erwachsenbildung.

Diese Förderkompetenz ist damit nicht grundsätzlich neu. Bereits Artikel 67 der heutigen Bundesverfassung sieht zum Beispiel vor, dass der Bund in Ergänzung zu kantonalen Massnahmen die Erwachsenbildung fördern kann. Neu ist, dass mit Artikel 64a ein ganzheitlicher Ansatz der Weiterbildung angestrebt wird, und dass mit Absatz 2 eine einheitlich Förderkompetenz für alle Weiterbildungsbereiche, ausserhalb der Hochschulen, geschaffen wird, was die Verfolgung einer einheitlichen Weiterbildungspolitik erleichtert. Im Unterschied zum Erlass von Grundsätzen wurde für diese Förderkompetenz die Kann- Formulierung gewählt. Auch hier legt das Gesetz die Bereiche und Kriterien fest.

16

R. Schräder-Naef, «Schweiz-Erwachsenenbildung. Länderbericht zuhanden der OECD

5513

Eine Minderheit der Kommission möchte, dass der Bund nicht zwingend Grundsätze für die Weiterbildung erlassen muss. Mit der Kann-Formulierung möchte sie ein Signal geben, dass der Bund sich in diesem Bereich, der weitgehend Sache der Privatinitiative bleiben soll, zurückhalten muss. Verwiesen wird auch auf die finanzielle Situation des Bundes. Es gelte, die Verantwortung des Einzelnen zu stärken.

5.2.9

Ausbildungsbeiträge

Der in der Abstimmung über die Neugestaltung des Finanzausgleiches und der Aufgabenteilung angenommene Artikel wurde dahin gehend präzisiert, dass der Bund Grundsätze für die Ausrichtung von Ausbildungsbeiträgen festlegt. Es handelt sich aber nur um eine redaktionelle Anpassung des deutschen Textes an den französischen Wortlaut.

5.3

Würdigung der Vorlage

Es war ein Anliegen der nationalrätlichen Kommission, zusammen mit der Erziehungsdirektorenkonferenz einen Vorschlag auszuarbeiten, der neue Wege öffnen kann für die Sicherung eines qualitativ hoch stehenden, durchlässigen und koordinierten Bildungsraumes Schweiz durch Bund und Kantone.

Die Vorlage zielt zunächst darauf ab, die Koordinationsbemühungen der Kantone zu stärken und die Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten zu fördern. Ein eigenständiges Handeln des Bundes ist als subsidiäre Möglichkeit vorzusehen, wenn die Koordinationsbemühungen nicht zum Ziele kommen sollten.

Neu ist, dass der Bund ausdrücklich in die Pflicht genommen wird zusammen mit den Kantonen für eine hohe Qualität und Durchlässigkeit des Bildungsraumes Schweiz zu sorgen. Die in den letzten Jahrzehnten auf verschiedenen Gebieten des gesamten Schulbereiches, namentlich auch im Hochschulbereich pragmatisch entwickelte Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen, erhält eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Grundlage, was dieser Kooperation eine starke Legitimation und Verbindlichkeit verleiht. Neu ist ebenfalls ­ in Form einer subsidiären Kompetenz des Bundes ­ die explizite Aufnahme von klaren Harmonisierungs- bzw. Koordinationszielen im Schulbereich und der Hochschulpolitik. Für alle Beteiligte ist damit ein klarer Handlungsauftrag definiert.

Im Vordergrund dieser Verfassungsrevision, steht daher nicht primär die Verschiebung von einzelnen Kompetenzen im Bildungswesen, die wie ein Blick auf die Geschichte zeigt, in unserem mehrsprachigen und von unterschiedlichen Traditionen geprägten Land immer wieder Widerstände hervor rief und zu Blockierungen führte (s. Ziff. 2), sondern die Stärkung der Zusammenarbeit von Bund und Kantonen aufgrund klarer Ziele und neuer Formen der Kooperation. Das ist ein innovativer, viel versprechender und zugleich realistischer Weg: Wenn es gelingt, ihn zu Verfassung und Gesetz zu machen, wird er mit Bestimmtheit erfolgreich beschritten werden können und eine eigene Dynamik entwickeln. Es gilt nun, das konkret Mögliche pragmatisch anzupacken und zu leisten. Es ist zugleich eine grosse Chance, die Bildungsverfassung als Ganzes zu reformieren und neu zu gestalten, denn auch das Bildungssystem muss vermehrt als Einheit in den Blick genommen werden, und zwar von beiden föderalen Ebenen, den Kantonen und dem Bund. Darin liegt denn 5514

auch einer der Vorzüge und konkreten Fortschritte der hier vorgeschlagenen Lösung: Dass der Bund verfassungsrechtlich in die Lage versetzt wird, eine Gesamtsicht des Systems zu entwickeln und sich an dessen Gesamtsteuerung zu beteiligen.

Dass die Kantone diesem Konzept ­ in ihrer föderalistischen Kerndomäne ­ zustimmen, zeugt von einer neuen Qualität im föderalistischen Dialog: dass der Vorschlag nach offener, konstruktiver Zusammenarbeit einvernehmlich vorgelegt wird, belegt die Fähigkeit, gemeinsam zu Lösungen zu kommen und diese im je eigenen Rechtskreis umzusetzen.

5.4

Stellungnahme des Bundesrates vom 25. Februar 2004

Aufgrund des parallel laufenden Prozesses «Hochschulartikel» (vgl. Ziff. 2.6) hat sich die WBK-N zu einem «Zwischenschritt» entschlossen und den Bundesrat zu einer ersten Stellungnahme eingeladen. Sie legte Wert darauf zu wissen, wie der Bundesrat ihren Vorschlag beurteilt und ob die Möglichkeit besteht, zu einer gemeinsamen Lösung zu finden.

In seiner Antwort vom 25. Februar 2004 führt der Bundesrat u.a. aus: «Der Vorschlag der WBK-N ist nach Ansicht des Bundesrates eine gute und realistische Diskussionsgrundlage. Er bezieht alle Bildungsbestimmungen der Verfassung mit ein und besticht damit durch seine Kohärenz und Geschlossenheit. Gleichzeitig legt er sein Hauptgewicht auf das zentrale Anliegen der gesamtschweizerischen Koordination und nennt jene Bereiche, in denen diese auch nach Ansicht des Bundesrates ganz besonders wichtig ist: neben dem bereits verwirklichten einheitlichen Schuljahresbeginn, vor allem die Abstimmung der Dauer der Bildungsstufen (was auch die Definition dieser Stufen einschliesst), deren Übergänge sowie die Anerkennung der Abschlüsse. [...] Was nun die Frage des weiteren Vorgehens im Bereiche des Hochschulartikels betrifft, so wird die vom EDI und vom EVD eingesetzte Projektgruppe für die Ausarbeitung eines Hochschulgesetzes ­ dessen Inkrafttreten für 2008 vorgesehen ist ­ dem Bundesrat nach der Sommerpause des laufenden Jahres Vorschläge unterbreiten. Nach Vorliegen des entsprechenden Berichts wird es dann möglich sein zu entscheiden, ob eine neue Verfassungsgrundlage notwendig ist und ob gegebenenfalls die von der WBK des Nationalrates vorgeschlagene Fassung des Bildungsrahmenartikels bzw. des darin enthaltenen Hochschulartikels eine genügende Basis für das neue Gesetz darstellt, oder ob er allenfalls an einzelnen Punkten zu ergänzen oder zu modifizieren wäre.»

5.5

Stellungnahme der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) vom 16. Juni 2005

Der Entscheid der WBK-N zum revidierten Verfassungstext erfolgte am 12. Mai 2005, und der hier vorliegende Bericht wurde am 23. Juni verabschiedet. In der Zwischenzeit hatte die EDK Gelegenheit, zum revidierten Verfassungstext ­ namentlich auch zum erweiterten Hochschulartikel ­ Stellung zu nehmen.

5515

In ihrer Stellungnahme vom 16. Juni 2005 führt die EDK u.a. aus: «An ihrer Plenarversammlung vom 16. Juni 2005 hat die EDK zur überarbeiteten Version der Bildungsverfassung Stellung genommen, nachdem die Konferenzmitglieder zuvor gebeten worden waren, die Meinung der Kantonsregierungen hierzu einzuholen. Wir können Ihnen mitteilen, dass die Plenarversammlung der EDK und mithin die von den Konferenzmitgliedern konsultierten Kantonsregierungen grossmehrheitlich der vorliegenden Fassung zustimmen, unter Vorbehalt der nachstehenden Bemerkung zu Artikel 48a. Die breite Zustimmung zur Vorlage erfolgte mit folgenden Ausnahmen: Die Erziehungsdirektorin bzw. der Erziehungsdirektor von Nidwalden und Zug hatten mitzuteilen, dass deren Kantonsregierungen die Verfassungsvorlage und insbesondere eine verstärkte Bundeskompetenz im Bildungsbereich ablehnen. Der Erziehungsdirektor des Kantons Appenzell Innerrhoden sprach sich für die Minderheitsanträge aus («Kann»-Formulierungen). Die Erziehungsdirektorinnen der Kantone Zürich und Waadt lehnten die Inanspruchnahme von Artikel 48a (Allgemeinverbindlicherklärung) für den Bereich des Schulwesens ab (wir verweisen auf nachstehende Bemerkung zu Artikel 48a).

Was nun Artikel 48a (aus der NFA-Vorlage) betrifft, so sprach sich die Plenarversammlung nahezu einhellig dafür aus, dass der Bund interkantonale Verträge nur allgemeinverbindlich soll erklären können, sofern und soweit deren Gegenstände die in Artikel 62 Absatz 4 genannten Bereiche subsidiärer Bundesregelung betreffen.

Nach Auffassung der EDK-Plenarversammlung wäre also Artikel 48a Absatz 1 Bst. b wie folgt zu ergänzen: «Schulwesen hinsichtlich der in Artikel 62 Absatz 4 genannten Bereiche». Ohne diese präzisierende Einschränkung würde der vorgeschlagene Artikel 48a aus Sicht der EDK-Plenarversammlung eine zu grosse Ausdehnung der Kompetenzverschiebungen bedeuten.»

6

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

6.1

Vorbemerkungen

Der Abschnitt der Bundesverfassung «Bildung, Forschung und Kultur» (3. Titel, 3. Abschnitt; Art. 62 ff.) kann als Kern der Bildungsverfassung bezeichnet werden.

Nicht alles, was die Verfassung zur Bildung zu sagen hat, steht jedoch in diesem Abschnitt. Zur Bildungsverfassung gehören auch Bestimmungen aus anderen Teilen der Verfassung, insbesondere aus den Allgemeinen Bestimmungen (1. Titel) und aus dem Teil «Grundrechte, Bürgerrechte und Sozialziele» (2. Titel). Diese sind für das schweizerische Bildungswesen gleichfalls relevant. Sie können deshalb als Bildungsverfassung im weiteren Sinne bezeichnet werden. Zudem ist zu beachten, dass die Bildungsverfassung eine Teilordnung des Verhältnisses von Bund und Kantonen (3. Titel, 1. Kapitel) darstellt. Die verfassungsrechtlichen Grundregeln dieses Verhältnisses sind somit auf den Abschnitt über die Bildung anwendbar. Aus diesem Grunde betreffen auch mehrere Bestimmungen der von Volk und Ständen am 28. November 2004 gutgeheissenen Verfassungsänderung zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFAVorlage) direkt oder indirekt den Bildungsbereich.

Aus dem Zweckartikel der Verfassung (Art. 2) ergibt sich die Pflicht von Bund und Kantonen, die gemeinsame Wohlfahrt zu fördern und die kulturelle Vielfalt des Landes zu achten (Absatz 2). Bund und Kantone haben für eine möglichst grosse 5516

Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern zu sorgen (Absatz 3). Diese grundlegenden staatspolitischen Ziele sind auch wegleitend für das Bildungswesen.

Dazu zählen auch einzelne Grundrechte wie die Rechtsgleichheit (Art. 8) mit ihrem Diskriminierungsverbot und dem Auftrag zur Gleichstellung von Mann und Frau, das Recht auf besonderen Schutz von Kindern und Jugendlichen (Art. 11) wie auch für die Glaubens- und Gewissensfreiheit mit dem daraus fliessenden Neutralitätsund Toleranzgebot in der öffentlichen Schule (Art. 15), den Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht (Art. 19) und die Wissenschaftsfreiheit (Art. 20). Insgesamt müssen die Grundrechte auch im Bildungsbereich zur Geltung kommen (Art. 35).

Die in Artikel 41 BV verankerten Sozialziele verpflichten Bund und Kantone ­ im Sinne von Sozialgestaltungsaufträgen ­, sich in Ergänzung zur persönlichen Verantwortung und privaten Initiative für bestimmte Bildungsziele einzusetzen, insbesondere dafür, dass ­

Kinder und Jugendliche sowie Personen im erwerbsfähigen Alter sich nach ihren Fähigkeiten bilden, aus- und weiterbilden können (Bst. f);

­

Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu selbständigen und sozial verantwortlichen Personen gefördert und in ihrer sozialen, kulturellen und politischen Integration unterstützt werden (Bst. g).

Das Ziel, einen kohärenten, flächendeckenden und qualitativ hoch stehenden Bildungsraum Schweiz gemeinsam durch Bund und Kantone zu sichern, wie es die parlamentarische Initiative anstrebt, lässt sich somit nur durch eine gesamthafte Betrachtung und durch eine kohärente Neuordnung der Bildungsverfassung erreichen. Ein isolierter Bildungsrahmenartikel, wie er zuerst in Betracht gezogen worden ist, stösst dagegen unweigerlich auf verfassungsrechtliche Einordnungs- und Auslegungsprobleme und wirft in diesem für die Kantone sensiblen Bereich heikle staatspolitische Fragen auf. Aus diesem Grund wurde der gesamte Abschnitt über die Bildung und Forschung in die Revision einbezogen. Im Ergebnis hat dieses Vorgehen zu einer systematischen und sprachlichen Bereinigung und teilweise zu einer materiellen Neuordnung der schweizerischen Bildungsverfassung geführt.

Die zentralen Neuerungen gegenüber dem geltenden Verfassungsrecht betreffen die Einführung einer Ziel- und Programmbestimmung für einen von Bund und Kantonen koordinierten und gemeinsam verantworteten Bildungsraum Schweiz (Art. 61a), die Schaffung einer verfassungsmässigen Grundlage für rechtsetzende Verträge und gemeinsame Entscheidungsorgane zwischen Bund und Kantonen, die Einführung von subsidiären Bundeskompetenzen im gesamten schweizerischen Bildungswesen (Art. 62 Abs. 4, Art. 63a) und einer Grundsatzgesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich der Weiterbildung (Art. 64a). Schliesslich wird auch die Möglichkeit geschaffen, dass der Bund neu im Bereich des Schulwesens Verträge zwischen den Kantonen allgemeinverbindlich erklären oder einzelne Kantone zu einer Beteiligung an solchen Verträgen verpflichten kann (Art. 48a). Gesamthaft betrachtet bringt diese «neue Bildungsverfassung» eine klare verfassungsmässige Grundlage für die politische Gestaltung des sich in starkem Umbruch befindenden Bildungsraumes Schweiz. Gleichzeitig ist sie genügend offen und tragfähig für künftige Entwicklungen der schweizerischen Bildungslandschaft, die gegebenenfalls zu einer Überprüfung und Neuregelungen auf Gesetzes- und Vertragsebene führen können.

5517

Es handelt sich bei der neuen «Bildungsverfassung» um eine Teilrevisionsvorlage.

Nach Artikel 194 Absatz 2 BV hat eine Teilrevision der Verfassung die Einheit der Materie zu wahren. Sind mehrere Bestimmungen Gegenstand einer Verfassungsänderung, so müssen die einzelnen Sachfragen einen inneren sachlichen Zusammenhang aufweisen. Lehre und Praxis fordern in einem solchen Fall, «dass die einzelnen zu einem bestimmten Zweck aufgestellten Vorschriften zueinander in einer sachlichen Beziehung stehen und das nämliche Ziel verfolgen, das zwischen ihnen eine enge Verbindung schafft, und dass der sachliche Zusammenhang nicht bloss künstlich, subjektiv oder rein politisch bestehe» (BGE 129 I 366, 372, mit vielen Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung). Nach dieser bundesgerichtlichen Rechtsprechung kommt dem Verfassungs- und Gesetzgeber insbesondere dann ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu, wenn die gleichzeitige Änderung mehrerer Bestimmungen in einer Vorlage eine «einheitliche Ausrichtung auf eine gesamtheitliche Neuordnung» eines bestimmten Regelungsbereiches bezweckt (a.a.O., 379 f.).

Dies ist vorliegend der Fall.

6.2

Kommentar zu den einzelnen Artikeln

6.2.1

Bildungsraum Schweiz (Art. 61a)

Die Bestimmung ist neu. Sie stellt auf der einen Seite eine Ziel- und Programmnorm für das schweizerische Bildungswesen dar (Absatz 1) und verankert auf der anderen Seite eine allgemeine Koordinations- und Kooperationspflicht zwischen Bund und Kantonen (Absatz 2). Der Artikel regelt aber die Kompetenzverteilung im Verhältnis von Bund und Kantonen im Bildungsbereich nicht. Diese ergibt sich erst aus den nachfolgenden Bestimmungen (Art. 62 ff.). Wohl müssen nach dieser Bestimmung Bund und Kantone gemeinsam für eine hohe Qualität und Durchlässigkeit des Bildungsraumes Schweiz sorgen, ihre Anstrengungen koordinieren und eng zusammenarbeiten. Dadurch wird aber nicht wie etwa in Artikel 91a des deutschen Grundgesetzes eine «Gemeinschaftsaufgabe» im Sinne gemeinsamer Verantwortung und gemeinsamer Kompetenz geschaffen. Vielmehr wird ausdrücklich klargestellt, dass Bund und Kantone ihre Verantwortung für die Ausgestaltung dieses Bildungsraumes je im Rahmen ihrer Zuständigkeiten wahrzunehmen haben. Es wird damit eine Umschreibung gewählt, wie sie der Verfassungsgeber auch in Artikel 57 oder 89 BV verwendet.

Der Artikel kann als Bildungsrahmenartikel bezeichnet werden, weil er sich auf das gesamte schweizerische Schul- und Bildungswesen bezieht. Dieses Schul- und Bildungswesen der Schweiz ist ausgesprochen stark föderalistisch geprägt und auch Ausdruck der kulturellen Vielfalt des Landes. Diese soll im Grundsatz auch in Zukunft erhalten bleiben und gelebt werden können. Im Sinne des kooperativen Föderalismus arbeiten aber die Kantone untereinander und mit dem Bund im Bildungsbereich bereits heute aus sachlicher Notwendigkeit eng und partnerschaftlich zusammen. Sie unternehmen erhebliche Anstrengungen zur Harmonisierung der unterschiedlichen Systeme. Mit der Reform der Bildungsverfassung wird diese Zusammenarbeit, je nach Bildungsstufe in unterschiedlichem Masse, verstärkt ohne jedoch ein einheitliches, zentralistisch geführtes Bildungssystem Schweiz anzustreben. Mit der verfassungsmässigen Bezeichnung «Bildungsraum Schweiz» soll zum Ausdruck gebracht werden, dass es bei aller Vielfalt des schweizerischen Bildungswesens und dem Nebeneinander von konkurrierenden und parallelen Kompetenzen 5518

von Bund und Kantonen gemeinsame bildungspolitische Vorstellungen, erzieherische Werte und Bildungsziele gibt, die auf allen Bildungsstufen zum Tragen kommen und auch weiterentwickelt werden müssen. Letztlich kommt darin eine gemeinsame «Philosophie» zum Vorschein. Zum Bildungsraum zählt auch der Bereich der Forschung, da Lehre und Forschung eng zusammenhängen und jedenfalls die öffentliche Forschung in den öffentlichen Bildungsinstitutionen integriert ist. Vom Begriff «Bildungsraum Schweiz» wird somit der «Hochschul- und Forschungsraum Schweiz» miterfasst.

Bund und Kantone bilden ­ bereits heute ­ den Bildungsraum Schweiz. Absatz 1 verankert die Pflicht, gemeinsam dafür zu sorgen, dass innerhalb dieses vielfältigen Bildungsraumes eine hohe Qualität und Durchlässigkeit gesichert wird. Mit diesen beiden Begriffen werden zwei wesentliche Elemente dieses gemeinsamen Bildungsraumes zum Ausdruck gebracht. Weitere wichtige Bildungsziele wie die Garantie der Chancengleichheit, die Wahrung der kulturellen Vielfalt oder Sinn und Zweck der Bildung ergeben sich aus der oben erwähnten Bildungsverfassung im weiteren Sinne. Sie müssen hier nicht wiederholt werden.

Die hohe Qualität als Bildungsziel ist umfassend ­ organisatorisch wie inhaltlich ­ zu verstehen. Sie ist für jede Bildungsstufe und für jeden Bildungsgang eigens zu bestimmen. Erreicht werden soll eine hohe Qualität der Aus- und Weiterbildung wie auch der Forschung. Es ist Sache der in Artikel 61a und 63a erwähnten Koordinationsorgane, die Qualitätsstandards zu entwickeln und für die Gewährleistung der Qualitätskontrolle zu sorgen.

Ebenso umfassend zu verstehen ist das Ziel der Durchlässigkeit. Die unterschiedlichen Bildungssysteme der Schweiz sollen möglichst offen ausgestaltet sein. Dieses Ziel gilt innerhalb wie auch zwischen den verschiedenen Bildungsstufen und Bildungsgängen, inner- wie auch interkantonal und umfasst auch die internationale Kompatibilität, wie sie beispielsweise mit der Bologna-Reform angestrebt wird. Mit dem Begriff der «Übergänge» in Artikel 62 Absatz 4 und Artikel 63a Absatz 5 wird die Durchlässigkeit direkt angesprochen. Mit den «Übergängen» werden auch die Zugänge zu den jeweils höheren Bildungsstufen erfasst. Dafür erforderlich sind offene Strukturen und eine flexible Ausgestaltung der Bildungsgänge, um die Mobilität
der Studierenden und Dozierenden wie auch der Forschenden zu ermöglichen und zu fördern.

Absatz 2 verankert eine allgemeine und umfassende Pflicht von Bund und Kantonen zur gegenseitigen Koordination ihrer bildungspolitischen Anstrengungen und zur Zusammenarbeit im Rahmen gemeinsamer Organe und anderer geeigneter Vorkehrungen. Diese Koordinations- und Zusammenarbeitspflicht geht deutlich über die allgemeine Unterstützungspflicht zwischen Bund und Kantonen nach Artikel 44 BV hinaus (vgl. Blaise Knapp, St. Galler Kommentar zu Artikel 44 BV, Rz 7 ff.). Sie besteht unabhängig von der finanziellen Förderung eines bestimmten Bereiches durch den Bund, zieht aber auch keine Unterstützungspflicht des Bundes nach sich.

Sie unterscheidet sich damit von der geltenden Regelung im Hochschulbereich, wo bereits heute eine indirekte Koordinationspflicht vorgesehen ist, indem der Bund seine Unterstützung vom Stand der Koordination abhängig machen kann. Nach dem neuen Artikel 61a Absatz 2 VE hat der Bund demnach keine generelle Möglichkeit, über das Druckmittel der finanziellen Unterstützung die Koordination und Zusammenarbeit faktisch zu erzwingen.

5519

Koordination und Zusammenarbeit sind zeitlich und sachlich zu verstehen und betreffen alle Bildungsstufen. Verpflichtet dazu sind die Kantone unter sich wie mit dem Bund. Der Bund seinerseits ist nicht nur zur Koordination mit den Kantonen verpflichtet, sondern auch gehalten, seine eigenen bildungspolitischen Anstrengungen zwischen den Departementen abzustimmen. Wie intensiv die Koordinationsbemühungen zwischen Bund und Kantonen sein müssen, ist je nach Bildungsstufe und Bildungsbereich unterschiedlich. Es gilt auch hier der Subsidiaritätsgrundsatz (neu nun ausdrücklich in Artikel 5a NFA-Vorlage). So unterscheidet sich offensichtlich der gemeinsame Steuerungsbedarf im Volksschulbereich verglichen mit jenem im Hochschulbereich sowohl in der Dichte wie in der Wahl der Steuerungsinstrumente.

Als Form der Zusammenarbeit sieht die Bestimmung gemeinsame Organe und andere geeignete Vorkehrungen vor. Wie die Zusammenarbeit in den verschiedenen Bildungsbereichen zu geschehen hat und wieweit sie gehen soll, richtet sich nach den unterschiedlichen Bedürfnissen. Es sollen deshalb mit der Formulierung in Absatz 2 bewusst alle möglichen staats- und verwaltungsrechtlichen Zusammenarbeitsformen offen gehalten werden. In diesem Sinne ist auch der Begriff der «Koordination» und der «Kooperation» resp. der «Zusammenarbeit» sehr offen. Sie reichen von relativ losen Formen des Zusammenwirkens bis zur Schaffung gemeinsamer Steuerungsorgane, wie dies heute beispielsweise im Bereich der Qualitätssicherung schon praktiziert wird. Soweit neue Organe mit eigenen Legislativ- und Entscheidungsbefugnissen geschaffen werden, ist der ordentliche Konkordatsweg zu beschreiten (Art. 48 BV), und beim Einbezug des Bundes bedarf es dazu eines Bundesgesetzes wie im Falle der Schweizerischen Universitätskonferenz. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass der im Rahmen der NFA-Vorlage beschlossene Artikel 48 Absatz 4 und 5 die Möglichkeit vorsieht, dass interkantonale Organe auch mit rechtsetzenden Kompetenzen ausgestattet werden können. Diese Möglichkeit ist für die Schulkoordination der Kantone von erheblicher Bedeutung. Sie wird, für den Hochschulbereich, nun ergänzt durch die Möglichkeit gemeinsamer Regelungen von Bund und Kantonen in Artikel 63a Absatz 3 und 4.

6.2.2

Schulwesen (Art. 62)

Absatz 1 hält unverändert fest, dass die Kantone für das gesamte Schulwesen zuständig sind. Diese Grundkompetenz umfasst alle Bildungsstufen, von der Vorschule bis zu den Hochschulen. An sich ergibt sich diese generelle Zuständigkeit bereits aus Artikel 3 BV. Wie in anderen Kernbereichen kantonaler Zuständigkeit ­ beispielsweise bei der Kultur (Art. 69 BV) oder beim Verhältnis von Kirche und Staat (Artikel 72 BV) ­ ist es aber staatspolitisch geboten, die generelle Zuständigkeit verfassungsrechtlich festzuhalten. Dies ist im Bereich des Bildungswesens auch deshalb wichtig, weil in den nachfolgenden Verfassungsbestimmungen ­ wie dies auch heute der Fall ist ­ die generelle kantonale Schulhoheit bei einzelnen Bildungsstufen und Bildungsbereichen differenziert, ergänzt und teilweise auch erheblich abgeändert wird. So ist der Bund gemäss Artikel 63 BV für die Regelung der Berufsbildung umfassend zuständig. Im Bereich der Hochschulen verankert Artikel 63a VE einerseits eine parallele Bundeskompetenz und andererseits weit reichende subsidiäre Bundeskompetenzen. In Artikel 64a VE erhält der Bund ­ in Ergänzung zur bestehenden Förderungskompetenz in Artikel 67 BV ­ eine Rahmengesetzgebungskompetenz, wonach er Grundsätze der Weiterbildung zu erlassen hat.

5520

Eine derartige Rahmengesetzgebungskompetenz ergibt sich auch im Bereich der Ausbildungsbeiträge (Art. 66 NFA-Vorlage).

Der Begriff des Schulwesens ist breit zu verstehen und umfasst alle Teilbereiche und Aspekte des schweizerischen Bildungswesens (vgl. Herbert Plotke, Schweizerisches Schulrecht, Bern 2003, S. 45 ff.). Grundlage dieses Schulwesens ist ein modernes Bildungsverständnis, das stufengerecht Formen des Lernens, innerhalb und ausserhalb der «Schule» wie auch die Zusammenarbeit mit den privaten Institutionen der Bildungsvermittlung erfasst. Kraft dieser Schulhoheit tragen die Kantone die Verantwortung und üben die Steuerungskompetenz in diesen Bereichen aus. Der Begriff des Bildungswesens würde dieses umfassende Kompetenzverständnis an sich zeitgemässer zum Ausdruck bringen. Im Sinne eines Traditionsanschlusses wird jedoch an der herkömmlichen Bezeichnung «Schulwesen» festgehalten. Im Übrigen verwendet die Verfassung auch ausserhalb des Volksschulbereiches den Begriff «Schule», so etwa bei den Hochschulen.

Absatz 2 entspricht dem Wortlaut des heutigen Artikel 62 Absatz 2 BV. Für den Grundschulunterricht ergeben sich somit keine Änderungen. Gestrichen worden ist an dieser Stelle die bisherige zeitliche Festlegung des Schuljahresbeginns («zwischen Mitte August und Mitte September»). Der Herbstschuljahresbeginn hat sich inzwischen, wenn auch in unterschiedlicher kantonaler Ausnutzung des verfassungsmässigen Rahmens, etabliert. Eine detaillierte Bestimmung in dieser Form ist nicht mehr verfassungswürdig. Die Zuständigkeit des Bundes als solche bleibt aber weiterhin in Artikel 62 Absatz 5 festgehalten.

Absatz 3 wurde unverändert aus der NFA-Vorlage übernommen.

Absatz 4 sieht die Schaffung einer auf bestimmte Sachbereiche beschränkten Bundeskompetenz im Bildungswesen vor. Danach erlässt der Bund nicht generell Vorschriften über das Schulwesen, sondern seine Gesetzgebungskompetenz ist auf die Regelung des Schuleintrittsalters und der Schulpflicht, der Dauer und Ziele der Bildungsstufen und deren Übergänge sowie auf die Anerkennung von Abschlüssen beschränkt. Funktional betrachtet wird damit die eigene Handlungskompetenz des Bundes auf die Bestimmung von Eckwerten oder «Treffpunkten» des schweizerischen Bildungswesens, d. h. auf die Steuerung über Bildungsstrukturen und -ziele, Zu- und Übergänge
zu den Bildungsstufen und auf die Anerkennung von Studienabschlüssen konzentriert.

Im Vergleich zur Vernehmlassungsvorlage, bei der zu diesem Absatz zwei Varianten unterbreitet worden sind, liegt nun eine überarbeitete Fassung von Variante 1 vor. Es handelt sich um eine subsidiäre Bundeskompetenz. Danach kann und soll der Bund von seiner Zuständigkeit nur Gebrauch machen, wenn die gemeinsamen Harmonisierungsbemühungen zwischen den Kantonen und mit dem Bund nach Artikel 61a VE die gesteckten Ziele nicht zu erreichen vermögen, d. h. keine zeitund sachgerechten Lösungen zustande bringen. Die primäre Verantwortung für das Zustandekommen der Harmonisierung liegt dabei bei den Kantonen. Der Begriff der «Harmonisierung des Schulwesens» bringt ­ deutlicher als die Vernehmlassungsvorlage ­ die zentrale Leitidee der Koordinationsbemühungen der Kantone und des Bundes zum Ausdruck. Mehrere Standesinitiativen streben ausdrücklich dieses Ziel an (siehe vorne Ziff. 2.10.). Unter «Harmonisierung» können unterschiedliche Grade und Formen der Angleichung der kantonalen Schulsysteme verstanden werden (siehe vorne Ziff. 3.4.). Es ist gerade Sache der Koordinationsorgane, vor allem der EDK, die notwendigen Ziele und Standards festzulegen. Ein harmonisiertes, 5521

durchlässiges schweizerisches Schulsystem hat zweifellos gewisse Minimalanforderungen zu erfüllen. Gefordert ist jedoch nicht ein einheitliches Schulsystem. Den Kantonen soll Gestaltungsraum verbleiben soweit dies mit den gemeinsamen Zielen vereinbar ist; Vorrangig ist demnach das Bemühen, bestimmte Ziele und Leistungen des Schulwesens auf dem Koordinationsweg festzulegen und durch Zusammenarbeit auch zu erreichen. Die ­ in dieser Form in der Bundesverfassung neue ­ Umschreibung der Bundeskompetenz ist somit konkreter Ausdruck des Subsidiaritätsgrundsatzes nach Artikel 5a BV (NFA-Vorlage) und ergibt sich auch aus der gegenseitigen Pflicht zu Rücksichtnahme (Art. 44 Abs. 2 BV). Die Wahrnehmung der Bundeskompetenz setzt daher eine erhöhte Begründungspflicht des Bundes in Bezug auf die Notwendigkeit einer Bundesgesetzgebung voraus. Diese Notwendigkeit und der Anforderungsgehalt gemeinsamer Koordinationslösungen ist zweifellos nach Bildungsstufen und Bildungsbereichen differenziert zu beurteilen. Das Bedürfnis nach einer Bundesregelung kann sich auch auf Teilbereiche der Bundeskompetenz erstrecken. So kann sich der Bund gegebenenfalls auch auf den Erlass von Grundsätzen beschränken. Wie bei anderen konkurrierenden Bundeskompetenzen bleiben die Kantone zuständig, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht Gebrauch gemacht hat.

Die Wahrnehmung der Gesetzgebungskompetenz setzt die Feststellung des Misslingens der Koordinationsbemühungen voraus. Dieser Entscheid ist klarerweise politischer Natur und deshalb in freier Würdigung der Sachlage von Bundesrat und Bundesversammlung zu treffen. Ein Vetorecht der Kantone gegen die Wahrnehmung einer Bundeskompetenz kann es im Bundesstaat nicht geben. Kommen Bundesrat und Parlament demnach ­ mit oder ohne Einvernehmen der Kantone ­ zum Schluss, dass die Koordinationsbemühungen gescheitert oder ungenügend ausgefallen sind, so hat der Bundesgesetzgeber die notwendigen Bestimmungen zu erlassen (Antrag der Kommissionsmehrheit). Eine Minderheit der Kommission möchte es bei der «Kann-Bestimmung» belassen wie sie in der Vernehmlassungsvorlage vorgesehen war.

In Bezug auf den materiellen Gehalt der subsidiären Bundeskompetenz ist Folgendes festzuhalten: ­

Der Bund erhält neu eine Regelungszuständigkeit in Bezug auf das Schuleintrittsalter und die obligatorische Schulzeit. Kommt demnach auf diesem Gebiet die angestrebte Harmonisierung nicht zustande, so kann der Bund auf dem Wege des Bundesgesetzes die notwendigen Vorschriften erlassen. Im Falle der Wahrnehmung dieser Kompetenz besteht jedoch für den Bund keine Pflicht, ein einheitliches Schuleintrittsalter und eine einheitliche Dauer des Schulobligatoriums für die ganze Schweiz festzulegen. Die Bestimmung belässt bewusst einen gewissen Gestaltungsspielraum für unterschiedliche kantonale Regelungen (wobei er den Rahmen festlegen würde) und für die Art der Einschulung wie etwa integrierte Grundstufenmodelle. Mit der Formulierung «im Bereich des Schuleintrittsalters und der Schulfpflicht» hält sich die Verfassung an die Umschreibung im Schulkonkordat.

­

Das Recht, die Ziele und die Dauer der Bildungsstufen und deren Übergänge zu regeln, erfasst gleichzeitig auch das Recht, die Zugänge zu diesen Bildungsstufen und Bildungseinrichtungen und die materiellen Zugangsvoraussetzungen zu normieren. Damit hat der Bund die Möglichkeit, die Bildungs-

5522

ziele der Durchlässigkeit und Qualität des Bildungsraumes Schweiz in den Schlüsselbereichen notfalls selbst zu verwirklichen. Diese Kompetenz erfasst insbesondere auch den Übergang von der Sekundarstufe II in den Tertiärbereich, also die Frage des Zugangs zum Hochschulbereich. Der Grundsatz, dass ein schweizerischer Maturitätsabschluss den Zugang zu den schweizerischen Hochschulen eröffnet, beruht heute in Bezug auf die gymnasiale Maturität als Eingangsbillet für die Universitäten auf einer gemeinsamen Regelung von Bund und Kantonen sowie auf Konkordatsgrundlagen und in Bezug auf die Berufsmaturität als Billet für die Fachhochschulen auf dem Berufsbildungsgesetz. Mit der Zuständigkeit in Absatz 4 erhält der Bund die Kompetenz, notfalls selbständig den Hochschulzugang zu regeln, wenn sich gegenüber der heutigen Lage eine Änderungsbedarf ergeben würde und keine genügend koordinierte Lösung zustande käme; ­

über die gesamtschweizerische Anerkennung von erbrachten Studienleistungen in der Form von Abschlüssen und Diplomen kann der Bund die Qualität der kantonalen Bildungssysteme letztlich sicherstellen. Eine Anerkennung von Studiengängen und Institutionen ist, anders als im Hochschulbereich, dafür nicht zwingend erforderlich. Dagegen könnte der Bund notfalls auch selbst für die Qualitätssicherung im schweizerischen Schulwesen sorgen und die notwendigen Vorschriften erlassen.

Nach Absatz 5 regelt der Bund den Beginn des Schuljahres. Die heutige konkrete Regelung des Schuljahresbeginns in Artikel 62 Absatz 2 BV ist nicht mehr verfassungswürdig. Es reicht die Erwähung der Bundeszuständigkeit auf Verfassungsebene. Sollte sich eine Neuumschreibung des Schuljahresbeginns gegenüber heute aufdrängen, kann und muss sie auf Gesetzesebene erfolgen.

Absatz 6 garantiert den Kantonen ein Recht auf Mitwirkung, wenn der Bund von seinen subsidiären Bundeskompetenzen im Schulwesen Gebrauch macht. Dieser Anspruch geht über das allgemeine Mitwirkungsrecht nach Artikel 45 BV hinaus und orientiert sich insbesondere an der inzwischen gut eingespielten Regelung des Mitwirkungsgesetzes in der Aussenpolitik. Der Grund für diese verstärkte Stellung der Kantone im Verfahren der Bundesgesetzgebung liegt darin, dass das Schulwesen nach Artikel 62 Absatz 1 zur Hauptsache (inkl. Finanzierung) in der Zuständigkeit der Kantone liegt. Die Harmonisierung des Schulwesens ist deshalb auch primär Sache der Koordination unter den Kantonen. Nimmt der Bund seine subsidiäre Bundeskompetenz im Schulwesen wahr, so greift er, wenn auch zulässigerweise, in eine bestehende Kernkompetenz der Kantone ein. Die Frage, ob die Harmonisierung des Schulwesens misslungen ist, wird von den Bundesbehörden, wie dargetan, nach politischen und nicht nach rechtlich bestimmbaren Kriterien beurteilt und entschieden. Die relativ weitgehende Eingriffsmöglichkeit des Bundes in den kantonalen Zuständigkeitsbereich rechtfertigt es deshalb, den Kantonen bereits bei der Vorbereitung der Bundeserlasse verstärkte Informations- und Konsultationsrechte einzuräumen und ihre diesbezüglichen Stellungnahmen soweit möglich zu berücksichtigen. Dies ist letztlich auch im Eigeninteresse des Bundes, denn im Falle einer einheitlichen Bundesregelung wäre der Bund in hohem Masse auf die Sachkompetenz der Kantone im Schulwesen angewiesen, um die Vollzugsfähigkeit der Erlasse zu sichern. Das verstärkte Recht auf Mitwirkung bedeutet jedoch nicht, dass die Kantone ein faktisches Vetorecht erhalten gegenüber einer in die Wege geleiteten Bundesgesetzgebung gemäss Absatz 4. Die Kommissionsminderheit beantragt, auf diesen Absatz zu verzichten.

5523

Artikel 62 enthält im Übrigen keine allgemeine Förderungs- und Unterstützungskompetenz des Bundes im Bildungswesen. Im Sinne des NFA-Grundsatzes stimmen damit Sach- und Finanzierungszuständigkeit im Wesentlichen überein. Tatsächlich tragen die Kantone mit den Gemeinden heute auch die Hauptlast der öffentlichen Bildungsausgaben. Der Bund soll nur dort die kantonale Aufgabenerfüllung finanziell unterstützen, wo er auch zur Regelung ganz oder teilweise zuständig ist. Vorbehalten bleiben Sonderbestimmungen der Verfassung, welche eine Förderung ausdrücklich vorsehen, wie beispielsweise im Hochschulwesen (Art. 63a VE), beim Schulsport (Art. 68 BV), bei der Weiterbildung (Art. 63b VE) oder bei den Ausbildungsbeiträgen (Art. 66 VE). Wo Bund und Kantone im Rahmen von Artikel 61a Absatz 2 VE zusammenarbeiten, beteiligt sich der Bund selbstverständlich auch an den gemeinsamen Kosten. Dies muss in der Verfassung nicht ausdrücklich gesagt werden.

6.2.3

Berufsbildung (Art. 63)

Die Bestimmung entspricht in Satz 1 dem bisherigen Artikel 63 Absatz 1 BV. Neu ist die Ergänzung in Satz 2, wonach der Bund ein breites und durchlässiges Angebot im Bereich der Berufsbildung fördert.

Die Bedeutung der Berufsbildung rechtfertigt einen eigenen Verfassungsartikel mit einer näheren Zielvorgabe für die Förderung durch den Bund (siehe vorne Ziff.

5.2.5.)

Umgekehrt ist es nicht sachgerecht, die Berufsbildung und die Hochschulen in derselben Verfassungsbestimmung zu regeln. Der bisherige Absatz 2 entfällt deshalb; dafür wird neu der Artikel 63a eingeführt.

6.2.4

Hochschulen (Art. 63a)

Die Hochschulen sind neu Gegenstand eines eigenen Verfassungsartikels. Der neue Hochschulartikel bildet mit seinen Zuständigkeits-, Organisations- und Verfahrensbestimmungen den Kern der schweizerischen Hochschulverfassung. Er ist jedoch als Teil zu verstehen und als solcher eingebettet in die gesamte Bildungsverfassung. So ist die allgemeine Ziel- und Programmnorm von Artikel 61a VE oder die Schulhoheit der Kantone (Art. 62 Abs. 1) ebenso Bestandteil der Hochschulverfassung wie die Bestimmung über die Forschung (Art. 64), die Statistik (Art. 65) oder die Ausbildungsbeiträge (Art. 66). Dies gilt auch für die oben angesprochene Bildungsverfassung im weiteren Sinne, insbesondere in Bezug auf die Geltung der Grundrechte (Diskriminierungsverbot, Freiheit von Lehre und Forschung u.a.m.). Es ist gerade Sinn der Schaffung und verfassungsmässigen Umschreibung eines Bildungsraumes Schweiz, das schweizerische Bildungswesen integral in seinen inneren Zusammenhängen, Zuordnungen und Vernetzungen und nicht isoliert nach Teilbereichen zu betrachten.

Gegenüber der heutigen Verfassungsregelung im Hochschulbereich, aber auch im Vergleich zur Vernehmlassungsvorlage enthält Artikel 63a VE wichtige Neuerungen und bringt insgesamt eine Neuordnung des schweizerischen Hochschulwesens.

Die neue Hochschulverfassung beruht wesentlich auf dem Konzept einer koordinierten Gesamtsteuerung des schweizerischen Hochschulwesens. Einleitend soll kurz 5524

Stellung genommen werden, wieweit dafür die Notwendigkeit einer Verfassungsänderung besteht.

Das geltende UFG stützt sich auf Artikel 63 Absatz 2 und Artikel 64 BV. Danach betreibt der Bund nicht nur die ETHs, sondern er unterstützt die kantonalen Hochschulen und deren Forschung und kann die Unterstützung davon abhängig machen, dass die Koordination sichergestellt ist. Im Rahmen der parlamentarischen Beratung des Gesetzes blieb allerdings die Frage der Verfassungsmässigkeit nicht unbestritten. Kontrovers beurteilt wurde insbesondere die Delegation von Regelungs- und Entscheidungskompetenzen des Bundes und der Kantone an gemeinsame Organe wie die Schweizerische Universitätskonferenz (SUK). Gestützt auf diese parlamentarische Diskussion wurde im Jahre 1999 nicht nur die Geltung des UFG bis Ende 2007 begrenzt, sondern der Bundesrat auch beauftragt, einen neuen und selbständigen Hochschulartikel in der Verfassung vorzuschlagen. Dieser sollte es dem Bund ermöglichen, zusammen mit den Kantonen eine umfassende Hochschulpolitik zu führen und «Regeln aufzustellen, die für alle Hochschulen verbindlich sind».

Im Auftrag der damaligen Schweizerischen Hochschulkonferenz erstellte auch Prof.

J.-F. Aubert, Neuenburg, ein Rechtsgutachten zu spezifischen Fragen des vorgesehenen Hochschulkonkordates und zur Zusammenarbeitsvereinbarung zwischen der Konkordatsbehörde und dem Bund. Er bejahte darin grundsätzlich die Möglichkeit des Bundes, auf vertraglichem Wege mit den Universitätskantonen ein gemeinsames Koordinationsorgan zu schaffen. Artikel 63 Absatz 2 BV verschaffe dem Bund die Möglichkeit, seine Unterstützung von der Koordination abhängig zu machen. Demzufolge komme ihm auch das Recht zu, Regeln über den erforderlichen Koordinationsstand zu erlassen. Es müsse ihm daher auch offen stehen, diese Regeln in Zusammenarbeit mit den Universitätskantonen festzulegen. Prof. Aubert hebt allerdings deutlich hervor, dass die Koordinationspflicht dem Bund kein Recht verschaffe, die schweizerische Universitätspolitik faktisch zu bestimmen und indirekt zu regeln (im Bewusstsein der faktischen Abhängigkeit der kantonalen Universitäten von der Unterstützung durch den Bund). Wenn auch die Grenze zwischen finanzieller Unterstützung und materieller Bestimmung «flou» sei, kommt er doch zum Schluss, dass der Bund beispielsweise
kein Recht hätte, über die Ausgestaltung der Studiengänge zu befinden. Aus diesem Grund könne dem Bund auf der Grundlage der heutigen Verfassung im Rahmen der SUK auch keine führende Rolle zukommen. Eine Kernaussage des Gutachtens lautet demgemäss: «Il nous paraît évident que la création contractuelle d'un organe commun oû les représentants de la Confédération auraient un pouvoir de décision prépondérant et qui pourrait prendre à l'égard des universités cantonales des mesures qui affectent leur existence même serait contraire à la Constitution.» Diese Rechtsauffassung wird von den schweizerischen Staatsrechtlern weitgehend geteilt. Der Bund kann sich gemäss Artikel 48 Absatz 2 BV nur im Rahmen seiner Zuständigkeiten an den Konkordaten und damit auch an gemeinsamen Organen mit den Kantonen beteiligen. Da ihm Artikel 63 Absatz 2 keine gesamtschweizerische Koordinationskompetenz verschafft, kann er die Koordination des Hochschulwesens auch nicht erzwingen oder regeln. Das Recht, seine Unterstützung von einem zu bestimmenden Koordinationsstand abhängig zu machen, heisst nicht, dass er sich über den Weg der Zusammenarbeitsvereinbarung mit den Kantonen zusätzliche Kompetenzen oder eine führende Rolle in der Gestaltung der Hochschulpolitik verschaffen darf, die ihm die Bundesverfassung nicht ausdrücklich zuweist.

5525

Ob man schliesslich das heutige UFG und die Zusammenarbeitsvereinbarung mit den Universitätskantonen als verfassungsmässig gerade noch haltbar betrachtet oder deren Verfassungsmässigkeit bezweifelt: die «Hochschullandschaft 2008» mit ihren neuen Kompetenzen, Organisationsbestimmungen und Entscheidungsverfahren wie auch mit der führenden Rolle des Bundes bei der gesamtschweizerischen Steuerung des Hochschulwesens findet klarerweise keine genügende Grundlage in der heutigen Verfassung. Die neu vorgesehene Hochschulträgerkonferenz als gemeinsames Entscheidungsorgan von Bund und Kantonen kann nicht einfach als Weiterentwicklung der heutigen SUK betrachtet werden. Diese Aussage gilt bezogen auf alle vier Steuerungskompetenzen wie sie für dieses gemeinsame Organ vorgesehen sind (siehe vorne Ziff. 2.11). Auf der Grundlage der heutigen Verfassung könnte somit die «Hochschullandschaft 2008» in der vorgesehenen Form nicht realisiert werden.

Eine kohärente und umfassende Steuerung der schweizerischen Hochschulpolitik unter leitender Mitwirkung des Bundes lässt sich auf der bestehenden Verfassungsgrundlage nicht schaffen.

Artikel 63a VE steht unter der Marginalie «Hochschulen». Darunter fallen alle Arten von Hochschulen: die ETHs, die universitären Hochschulen, die Fachhochschulen und anderen Institutionen des Hochschulbereichs. Es ist gemäss dem Konzept «Hochschullandschaft 2008» auch vorgesehen, ein gemeinsames Hochschulrahmengesetz für alle Hochschulen zu schaffen. Indem Artikel 63a nun alle Hochschulen erfasst, wird auch klargestellt, dass dieser Hochschulartikel die massgebliche Verfassungsgrundlage für die Fachhochschulen bildet.

Absatz 1 bedeutet eine Nachführung des geltendem Rechts in Artikel 63 Absatz 2 BV. Die ETHs sind universitäre Hochschulen. Dies bedarf keiner verfassungsmässigen Klarstellung. Die heute schon bestehende Kompetenz des Bundes gemäss Satz 2, weitere Hochschulen oder Hochschulinstitutionen zu errichten, zu übernehmen oder selbst zu führen, wird weitergeführt. Wie die ETHs sind solche Institutionen des Bundes Bestandteil des schweizerischen Hochschulwesens und fallen unter die gemeinsame Koordinationspflicht von Bund und Kantonen gemäss Absatz 3 und 4.

In Absatz 2 wird festgehalten, dass der Bund die kantonalen Hochschulen unterstützt, was er heute ja bereits tut. Die Kann-Bestimmung
in Artikel 63 Absatz 2 entfällt. Ebenso entfällt die bestehende Koordinationsklausel, wonach der Bund seine Unterstützung von der Sicherstellung der Koordination abhängig machen kann. Die neue Hochschulverfassung beruht nicht mehr primär auf dem Konzept der Steuerung über die Subventionierung, das in weitgehendem Masse auf dem Prinzip aufbaut, dass die gewünschte Koordination unter den Hochschulen durch Selbsttätigkeit als Ausfluss der Autonomie zustande kommt. Die neue Hochschulverfassung beruht demgegenüber auf dem Prinzip einer durch Bund und Kantone gemeinsam vorzunehmenden materiellen Gesamtsteuerung des schweizerischen Hochschulwesens. Es wäre mit dieser Konzeption nicht vereinbar, wenn der Bund, parallel zur Führung durch die Hochschulträgerkonferenz, eine selbständige Hochschulfinanzierungspolitik betreiben könnte. Misslingt allerdings der Weg über die Koordination, so fallen dem Bund weitgehende materielle Regelungskompetenzen zu, die deutlich über die heutige Rechtslage hinausgehen.

Absatz 3 verpflichtet Bund und Kantone zur Koordination und zur Gewährleistung der Qualitätssicherung im schweizerischen Hochschulwesen. Diese Koordinationspflicht ist eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Kantonen und betrifft das gesamte schweizerische Hochschulwesen. Sie geht über die in Absatz 5 verankerten Bundeskompetenzen hinaus. Gegenstand der Koordination kann somit jede die 5526

Steuerung des schweizerischen Hochschulraumes betreffende Frage sein. Satz 1 ist zunächst eine teilweise Übernahme von Artikel 61a Absatz 2 VE. Die wichtige Konkretisierung liegt in der Zuordnung der Koordination auf das «schweizerische Hochschulwesen». Damit kommt verfassungsrechtlich der Gesamtsteuerungsansatz für den Hochschul- und Forschungsraum Schweiz zum Ausdruck. Dieser bildet denn auch den Rahmen für die Ausgestaltung des Verhältnisses der einzelnen Hochschulträger zu ihren Hochschulen wie auch für die Koordination und Zusammenarbeit unter den einzelnen Hochschulen. Diese ist Ausfluss der von Bund und Kantonen zu respektierenden Autonomie der Hochschulen. Das Ineinandergreifen von Gesamtführung und Autonomie zeigt sich auch deutlich bei der Qualitätssicherung: die Qualitätssicherung als solche ist Sache der einzelnen Hochschulen, wogegen es in der gemeinsamen Verantwortung von Bund und Kantonen liegt dafür zu sorgen, dass die Qualitätssicherung nach zu bestimmenden gemeinsamen Kriterien («fit for purpose») tatsächlich und wirksam stattfindet (siehe Ziff. 5.2.6 Bst. e). Dies gilt auch für die anerkannten privaten Hochschulinstitutionen.

Nach Satz 2 (erster Teil) nehmen Bund und Kantone Rücksicht auf die Autonomie der Hochschulen. Diese Bestimmung schafft keine bundesverfassungsrechtliche Garantie der Autonomie der Hochschulen. Dagegen knüpft sie an die von den einzelnen Hochschulträgern gewährleistete Autonomie an und verankert eine Rücksichtnahmepflicht von Bund und Kantonen im Rahmen der gemeinsamen Koordination. Diese Pflicht würde auch gelten im Falle einer Bundesregelung gemäss Absatz 5. Der Autonomie der Hochschulen kommt im Rahmen der Führung des Hochschulwesens eine zentrale Bedeutung zu. Das Ziel eines leistungs- und wettbewerbsfähigen Hochschul- und Forschungsraumes Schweiz ist nur auf der Grundlage der Autonomie der Hochschulen möglich. Sie kann deshalb nicht zur freien Disposition der Hochschulträger stehen. Diese ­ allerdings von den einzelnen Hochschulträgern näher zu umschreibende und auszugestaltende ­ institutionelle Garantie der Hochschulautonomie ergibt sich im Grundsatz auch aus der Lehr- und Forschungsfreiheit (Art. 20 BV). Die Freiheit von Lehre und Forschung an den Hochschulen setzt wesentlich voraus, dass die Hochschulinstitutionen als solche eine hohe Autonomie
geniessen (dazu Ziff. 5.2.6 Bst. c).

Satz 2 (zweiter Teil) verankert auch eine Pflicht von Bund und Kantonen, auf die unterschiedlichen Trägerschaften der Hochschulen Rücksicht zu nehmen und auf die Gleichbehandlung von Institutionen mit gleichen Aufgaben zu achten. Damit wird die Gleichbehandlungspflicht wie das Differenzierungsgebot zwischen den bestehenden drei Hochschultypen angesprochen. Es handelt sich dabei keineswegs um eine Besitzstandgarantie. Der Satz ist bewusst nicht nur bezogen auf die Unterstützungspflicht des Bundes, sondern ist Teil der Gesamtkoordinationsaufgabe im Hochschulwesen. Gleiches soll gleich, Ungleiches ungleich behandelt werden.

Soweit der Hochschulgesetzgeber nicht selbst die Gleichheit und Unterschiedlichkeit der Hochschulinstitutionen festgelegt hat, ist es gerade Aufgabe der gemeinsamen Koordinationsorgane von Bund und Kantonen, die Rahmenbedingungen für ein wettbewerbsfähiges und leistungsfähiges schweizerisches Hochschulwesen zu bestimmen. Dazu gehören auch nach Leistungskriterien differenzierte Förderungen der einzelnen Hochschulen und Hochschulinstitutionen.

In Absatz 4 wird das «Wie» der gemeinsamen Steuerung des schweizerischen Hochschulwesens geregelt. Zur Erfüllung dieser Aufgaben schliessen Bund und Kantone Verträge ab und übertragen bestimmte Befugnisse an gemeinsame Organe. Mit dieser Bestimmung wird eine klare verfassungsrechtliche Grundlage geschaffen 5527

für die so genannten vertikalen Konkordate. Bund und Kantone können auf dem Wege von Zusammenarbeitsvereinbarungen bestimmte eigene Zuständigkeiten auf gemeinsame Entscheidungsorgane übertragen. Diese übertragenen Zuständigkeiten können rechtsetzender wie exekutiver Natur sein. Aufgrund von Artikel 48 Absatz 4 BV (NFA-Vorlage) haben die Kantone bereits die Möglichkeit von Konkordaten zur Schaffung von gemeinsamen Organen mit eigenen Rechtssetzungskompetenzen. Der vorliegende Absatz 4 ermächtigt nun auch den Bund, sich an solchen Organen zu beteiligen. Die Bestimmung geht davon aus, dass solche Verträge geschlossen werden (keine Kann-Bestimmung). Diese Verträge bedürfen selbstverständlich der Zustimmung der zuständigen Organe von Bund und Kantonen, wobei im Falle mangelnder Zustimmung aller Kantone das Verfahren nach Artikel 48a BV der Allgemeinverbindlichkeit und der Beteiligungspflicht (NFA-Vorlage) zum Tragen kommen könnte.

Satz 2 besagt, dass es Sache des Bundesgesetzgebers ist, die Zuständigkeiten und die Grundsätze von Organisation und Entscheidungsverfahren dieser gemeinsamen Organe festzulegen. Dies regelt, wiewohl verfassungsrechtlich umstritten, der Bund bereits heute im UFG. So werden nach Artikel 6 UFG die möglichen Zuständigkeiten der heutigen SUK aufgezählt. Allerdings müssen sie erst auf dem Wege der Zusammenarbeitsvereinbarung zwischen Bund und Hochschulkantonen auf diese Konferenz übertragen werden. Grundlage dieser Zusammenarbeitsvereinbarung ist seitens der Kantone das Hochschulkonkordat vom 9. Dezember 1999. An diesem Koordinationssystem ­ Bundesgesetz und Konkordat einerseits und Zusammenarbeitsvereinbarung andererseits ­ soll sich grundsätzlich nichts ändern. Allerdings bedürfen diese Rechtgrundlagen der Revision und Anpassung an das Konzept der «Hochschullandschaft 2008».

Die zu übertragenden Zuständigkeiten sind nach dem vorliegenden Konzept einerseits rechtsetzender Natur. Der Bund kann dabei nur jene Rechtssetzungszuständigkeiten übertragen, die ihm im Hochschulbereich verfassungsrechtlich zustehen, also insbesondere jene nach Absatz 5 (und davon miterfasst die Regeln zur Gewährleistung der Qualitätssicherung) oder aus anderen Verfassungsbestimmungen wie Artikel 66 oder Artikel 95 Absatz 2 BV. Andererseits können aber auch nicht rechtsetzende Kompetenzen übertragen werden,
die zur Koordination des Hochschulraumes nötig sind wie etwa die ganze strategische Planung. Es wird darauf verzichtet, diese Zuständigkeiten der gemeinsamen Organe in der Verfassung selbst zu nennen. Dies ist Sache des neuen Hochschulrahmengesetzes und der Zusammenarbeitsvereinbarung, nicht der Verfassung. Die Befugnisse, die übertragen werden, setzen ja auch eine vertragliche Einigung voraus. Es entspricht dem vorliegenden Konzept der «Hochschullandschaft 2008», dass mindestens die Rechtssetzungsbefugnisse von Absatz 5 übertragen werden. Eine namentliche Nennung der Steuerungskompetenzen wäre aber eine zu starke Einengung des Gesetzgebers mit Blick auf die Zukunft.

Die Verfassung soll nicht kurzfristig wieder geändert werden müssen, falls sich mit Blick auf eine künftige Gesetzesrevision Anpassungen und Erweiterungen aufdrängen.

Es wird auch sinnvollerweise darauf verzichtet, die Zahl und Art der gemeinsamen Organe in der Verfassung zu nennen. Nach dem Konzept «Hochschullandschaft 2008» soll eine mit Rechtssetzungskompetenz ausgestattete Hochschulträgerkonferenz geschaffen werden, der eine strategisch-politische Funktion bei der Führung des Hochschulraumes zukommen soll. Ebenso ist auch vorgesehen, der heutigen Rektorenkonferenz (CRUS) eine wichtige vorbereitende und umsetzende, also eine exeku5528

tiv gestaltende Rolle beizumessen. Daneben können weitere spezielle gemeinsame Organe wie etwa im Rahmen der Qualitätssicherung geschaffen werden.

Mit der Übertragung von Zuständigkeiten auf gemeinsame Organe zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben müssen im Rahmen der Zusammenarbeitsvereinbarung auch die gemeinsamen Ziele formuliert werden. An der Erfüllung dieser Ziele wird der Erfolg der Zusammenarbeit gemessen werden. Absatz 5 nimmt darauf ausdrücklich Bezug, wenn es darum geht festzustellen, ob die gemeinsamen Ziele erreicht worden sind.

Auch die Grundsatzgesetzgebungskompetenz des Bundes betr. Organisation und Verfahren der gemeinsamen Organe ist aus der Sicht der Wahrung der Bundesinteressen im Hochschulraum Schweiz sehr wichtig. Der Bund ist insbesondere befugt, auf dem Wege der Bundesgesetzgebung Organisation und Entscheidungsverfahren der künftigen Trägerkonferenz in den wesentlichen Zügen vorzugeben. Er kann damit die Zusammensetzung inklusive des Vorsitzes, die Abstimmungsregeln und die Stimmgewichte festlegen. Immerhin bleibt es bei den «Grundsätzen». Damit ist Spielraum für die nähere Ausgestaltung in der neuen Zusammenarbeitsvereinbarung geschaffen.

Aus dem Ineinandergreifen der verschiedenen Rechtsgrundlagen und dem Zusammenspiel der Handlungsinstrumente ergibt sich eine gesicherte demokratische Legitimation des koordinierten Hochschulraumes Schweiz. Primär ist es die Verfassung selbst, welche die Grundlagen dieses Hochschulraumes klar umschreibt. Gestützt darauf ist es Sache des Bundesgesetzgebers, im Hochschulrahmengesetz die notwendigen Vorschriften zu erlassen und die Grundzüge des Hochschulraumes näher festzulegen oder klar umrissene Ermächtigungen vorzunehmen. Weitere und wichtige Konkretisierungen der Rechtsgrundlagen werden im Rahmen der Zusammenarbeitsvereinbarung zwischen Bund und Kantonen erfolgen. Es steht dem Bundesgesetzgeber frei zu bestimmen, ob diese Vereinbarung aufgrund ihrer rechtsetzenden und politischen Bedeutung der Genehmigung durch die Bundesversammlung bedarf (was auch die Kantone im neuen Hochschulkonkordat für ihre Parlamente vorsehen könnten). Schliesslich könnte im Gesetz auch vorgesehen werden, dass den zuständigen Kommissionen der Bundesversammlung, aufgrund der Bedeutung der delegierten Regelungskompetenzen, verstärkte Informations- und Konsultationsrechte
eingeräumt würden, um eine ständige parlamentarische Begleitung der Arbeit der gemeinsamen Organe, insbesondere der Trägerkonferenz, sicherzustellen.

Festzuhalten ist schliesslich, dass die Delegation von Entscheidbefugnissen an die gemeinsamen Organe die jeweilige Budgethoheit von Bund und Kantonen nicht einschränkt. Die Beschlüsse dieser Gremien stehen unter dem allgemein geltenden Budgetvorbehalt. Es ist eine Frage der Regelung im Bundesgesetz und im Hochschulkonkordat, die Art der Ausgabenbeschlüsse zu bestimmen und festzulegen, ob in bestimmten Sachbereichen die Möglichkeit des Beschlusses gebundener Ausgaben geschaffen werden soll. Die Frage könnte sich beispielsweise beim Erlass der Standardkostenregelung durch die gemeinsamen Organe stellen.

Bei Absatz 5 handelt es sich grundsätzlich um die Übernahme des analogen Systems mit beschränkten subsidiären Bundeskompetenzen von Artikel 62 Absatz 4 VE in den Hochschulbereich. Damit kommt im ganzen Bildungsraum Schweiz die gleiche «Philosophie» und Grundkonstruktion im Zusammenspiel von Bund und Kantonen zum Durchbruch. Die Analogie zu Artikel 62 Absatz 4 VE macht schon deshalb Sinn, weil vermieden werden soll, dass der Bund im Hochschulbereich letztlich 5529

weniger Regelungskompetenzen besitzen würde als im Primär- und Sekundärsektor des Schulwesens. Dieses Regelungssystem mit der primären Koordinationspflicht von Bund und Kantonen und der sekundären Bundeskompetenz ist in der Vernehmlassung auf breite Zustimmung gestossen.

Im Unterschied zur offenen Formulierung in Absatz 3 ist bei der Umschreibung der Bundeskompetenzen eine präzise und abschliessende Kompetenzzuteilung auf Verfassungsebene erforderlich. Die eigene Regelungszuständigkeit des Bundes ist, im Falle eines Misslingens der Koordination, auf die in diesem Absatz erwähnten Sachbereiche beschränkt.

Entscheidend sind die Kriterien des «Misslingens» der gemeinsamen Koordination des Hochschulwesens. Im Hochschulbereich wird ein weitergehender Koordinationsgrad angestrebt als im allgemeinen Schulwesen, weshalb die «Harmonisierung» in Artikel 62 Absatz 4 als Erfolgskriterium der Koordination nicht geeignet ist.

Wohl gelten die Bildungsziele der hohen Qualität und der Durchlässigkeit (Art. 61a VE) auch für die Hochschulen und das ganze Hochschulsystem. Die Umsetzung dieser Oberziele im Hochschulraum Schweiz bedarf aber einer konkreteren Zielumschreibung in den gesetzlichen und vertraglichen Grundlagen. Das Gelingen eines koordinierten Hochschulraumes Schweiz misst sich daher am zeitgerechten Erreichen der «gemeinsamen Ziele». Es wird dabei vorausgesetzt, dass sich Bund und Kantone im Rahmen der Zusammenarbeitsvereinbarung von Absatz 4 auf gemeinsame Ziele geeinigt haben. Würde es nicht gelingen, beidseits befriedigende konkrete Ziele festzulegen, käme die Zusammenarbeitsvereinbarung gar nicht zustande und es würde somit auch keine gemeinsame Hochschulträgerkonferenz geschaffen. In diesem Falle könnte der Bund von seinen subsidiären Kompetenzen direkt Gebrauch machen.

Sind die Ziele des koordinierten Hochschulwesens vereinbart, so ist nach Absatz 5 entscheidend, ob diese ­ ganz oder teilweise ­ erreicht werden. Ist dies nicht der Fall, kommt die subsidiäre Bundeskompetenz dieses Absatzes zum Tragen. Wie oben zu Artikel 62 Absatz 4 VE dargetan, handelt es sich bei der Feststellung des Misslingens um eine im wesentlichen politische Beurteilung und Entscheidung von Bundesrat und Parlament. Die Kantone können den Bund nicht daran hindern, von seinen Kompetenzen Gebrauch zu machen. Aufgrund der
speziellen Subsidiarität dieser Bundeskompetenzen, die über Artikel 5a BV (NFA-Vorlage) hinausgeht, trifft den Bundesgesetzgeber aber eine hohe Begründungspflicht, ob die Voraussetzungen der Wahrnehmung erfüllt sind. Aufgrund des engen Zusammenwirkens von Bund und Kantonen spielt auch das Gebot von Treu und Glauben eine massgebliche Rolle. Wie zu Artikel 62 Absatz 4 VE ebenfalls dargetan, besteht für den Bundesgesetzgeber eine Pflicht (keine Kann-Bestimmung), die notwendigen Vorschriften zu erlassen. Diese Vorschriften sind, soweit sie im Sinne von Artikel 164 BV wichtig sind, in Form des Bundesgesetzes zu beschliessen.

Bei der Umschreibung der subsidiären Bundeskompetenzen wird eine Differenzierung vorgenommen nach ­

allgemeiner (und verpflichtender) Regelungskompetenz (Studienstrukturen und deren Übergänge, Weiterbildung und Vorschriften über die Anerkennung von Institutionen und Abschlüssen), sowie

­

nach spezieller (und fakultativer), nur für den Handlungsbereich des Bundes geltender Regelungs- und Beschlusskompetenz (Finanzierungsgrundsätze und strategische Aufgabenteilung).

5530

Die verpflichtende Regelungskompetenz des Bundes, mit Wirkung für Bund und Kantone, übernimmt ­ mutatis mutandis ­ die Umschreibung der Sachbereiche in Artikel 62 Absatz 4 VE. Die Bestimmung ermächtigt den Bund, gegebenenfalls die notwendigen Vorschriften für die Studienstrukturen und die Durchlässigkeit des schweizerischen Hochschulwesens zu erlassen. Die Regelung des Zuganges zu den Hochschulen ist, wie oben dargetan, Gegenstand von Artikel 62 Absatz 4 VE. Die Vorschriften über die Anerkennung von Institutionen und Abschlüssen sind einerseits ein wichtiges Element der Qualitätssicherung und -entwicklung. Andererseits erlauben sie die Einführung von Akkreditierungsverfahren für die öffentlichen wie für die privaten Hochschulen. In diesem Zusammenhang ist es bedeutungsvoll, dass nicht nur Abschlüsse, sondern auch ganze Hochschulinstitutionen und allenfalls auch Studiengänge akkreditiert werden können. Die Regelungskompetenz des Bundes zum Schutz der akademischen Titel und der Freizügigkeit der Hochschulabschlüsse ergibt sich im übrigen aus Artikel 95 Absatz 2 BV.

Gegenstand der Regelungskompetenz des Bundes ist auch der Bereich der akademischen Weiterbildung. Wohl ist die Weiterbildung bisher keine «vierte Stufe» im Bolognasystem. Sie knüpft aber nach heutigem Verständnis des «life long learning» an die akademische Erstausbildung an und führt diese ­ basierend auf einer bestimmten Berufserfahrung ­ weiter. Sie wird somit zunehmend Bestandteil einer kohärenten Gesamtkonzeption der höheren Bildung, für deren Ausgestaltung die Bildungsziele der hohen Qualität und Durchlässigkeit (Art. 61a VE) ebenso massgeblich sind. Es rechtfertigt sich deshalb, die akademische Weiterbildung als Element des Hochschulraumes Schweiz zu verstehen und ­ gegenüber der Grundsatzkompetenz in Artikel 64a VE ­ gesondert zu erfassen.

Wichtiger Bestandteil eines koordinierten schweizerischen Hochschulraumes (gemäss Absatz 3) sind einheitliche Finanzierungsgrundsätze und die strategische Aufgabenteilung. Misslingt die Koordination auf diesen zentralen Gebieten, so kann der Bund einerseits seine Unterstützung der kantonalen Hochschulen an einheitliche Finanzierungsgrundsätze binden. Dies würde bedeuten, dass er beispielsweise Standardkosten festlegen und seine Unterstützung darauf abstellen kann. Ob sich die Kantone im Rahmen
einer neuen IUV oder die Hochschulträger für ihre Hochschulen an diese Standardsätze halten würden, wäre dann nicht mehr entscheidend.

Faktisch wäre aber der Druck sehr hoch, diese Finanzierungsgrundsätze generell anzuwenden. Andererseits könnte der Bund seine Unterstützung von der strategischen Aufgabenteilung abhängig machen. Aus der Sicht der notwendigen Steuerung der kantonalen Aufgabenteilung im Hochschulwesen rechtfertigt sich eine Beschränkung auf die kostenintensiven Bereiche, was auch ein Schutz der Autonomie der Hochschulen bedeutet. Der Bund könnte zwar nach dieser Formulierung die strategische Aufgabenteilung (in besonders kostenintensiven Bereichen) notfalls nicht selbst anordnen, sondern nur die Finanzströme entsprechend lenken. Im Ergebnis wäre die Wirkung auf die Aufgabenteilung unter den Hochschulen dennoch erheblich. Die Kann-Formulierung ist deshalb gerechtfertigt, weil der Bund nicht von verfassungswegen verpflichtet sein soll, seine Unterstützung der kantonalen Hochschulen ­ im Falle des Scheiterns der Koordination ­ von einheitlichen Finanzierungsgrundsätzen, welche vom Bundesgesetzgeber zu erlassen wären, abhängig zu machen. Umgekehrt kann der Bund den Kantonen solche einheitlichen Finanzierungsgrundsätze auch nicht selbständig vorschreiben. Analoges gilt für die strategische Aufgabenteilung in besonders kostenintensiven Bereichen.

5531

Verzichtet worden ist auf die Schaffung einer Bundeskompetenz im Bereich der «Studiengebühren». Eine Bundesregelung der Studiengebühren für kantonale Hochschulen wird als ein zu weitgehender Eingriff in die kantonale Hochschulhoheit empfunden. Indirekt fliessen jedoch die Berechnungsgrundsätze für Studiengebühren über die einheitlichen Finanzierungsgrundsätze in die gemeinsamen Koordinationsbemühungen von Bund und Kantonen ein (Annahme eines bestimmten Selbstfinanzierungsgrades der Hochschulen über Studiengebühren) und sind daher gegebenenfalls auch Gegenstand der subsidiären Bundeskompetenzen. Es besteht auch ein direkter Zusammenhang zwischen der Berechnung der Studiengebühren und der Gewährung von Ausbildungsbeiträgen. Dazu unten bei Artikel 66 VE.

6.2.5

Forschung (Art. 64)

Hochschulbildung und Forschung hängen eng zusammen. Die beiden Artikel bilden deshalb die Grundlage für einen wettbewerbs- und leistungsfähigen Hochschul- und Forschungsraum Schweiz. Die Forschungsförderung als solche fällt jedoch nicht in den Zuständigkeitsbereich der gemeinsamen Organe gemäss Artikel 63a Absatz 4.

Entsprechend stützt sich die Forschungsförderung des Bundes nicht auf das Hochschulrahmengesetz, sondern primär auf das Forschungsgesetz, und wird auch nicht Gegenstand der Zusammenarbeitsvereinbarung mit den Kantonen sein. Da Lehre und Forschung aufeinander bezogen sind und die öffentliche Forschung wesentlich an den staatlichen Hochschulen stattfindet, kann und soll es Aufgabe der gemeinsamen Organe sein, für die notwendige Koordination zwischen der Hochschul- und Forschungsförderung auf nationaler Ebene zu sorgen.

Absatz 1 wird ergänzt durch den Begriff der Innovation und erweitert die Forschungsförderung explizit um die Förderung der Innovation (s. Ziff. 5.2.7).

Absatz 2 bestimmt, dass der Bund die Forschungsförderung insbesondere davon abhängig machen kann, dass Qualitätssicherung und Koordination sichergestellt sind. Die hohe Qualität als Kennzeichen jeder national und international anerkannten Forschungsleistung ergibt sich als Ziel bereits aus Artikel 61a VE. Es ist die jeweils massgebliche Wissenschaftsgemeinschaft selbst, welche die Kriterien guter und exzellenter Forschung und damit auch den Qualitätsanspruch definiert. Sache der Bundesgesetzgebung ist es demgegenüber, die näheren Regeln des Qualitätssicherungsystems in der Forschungs- und Innovationsförderung festzulegen.

Absatz 3 entspricht der geltenden Verfassungsbestimmung.

6.2.6

Weiterbildung (Art. 64a)

Die Weiterbildung ist von der heutigen Verfassung nur bruchstückhaft erfasst. In Artikel 67 Absatz 2 BV ist einzig die Rede von der Erwachsenenbildung. Diese enge Aufgabenbezeichnung wird dem heutigen Verständnis und der immer grösser werdenden individuellen wie gesellschaftlichen Bedeutung des lebenslangen Lernens als Ergänzung zur Grund- und Erstausbildung nicht mehr gerecht. Es rechtfertigt sich eine eigene verfassungsrechtliche Regelung dieses so genannten Quartärbereichs unter der Bezeichnung: Weiterbildung.

5532

Wortlaut und systematische Stellung der Bestimmung machen klar, dass die Weiterbildung breit zu verstehen ist. Sie erfasst sowohl die berufsorientierte wie auch die allgemein bildende Weiterbildung. Die herkömmliche Erwachsenenbildung ist darin eingeschlossen und muss deshalb nicht mehr eigens erwähnt werden. Nicht unter diese Bestimmung fällt die akademische Weiterbildung an den Hochschulen, die von Artikel 63a Absätze 3­5 erfasst wird.

Der Bund erhält neu auf dem vielfältigen Gebiet der Weiterbildung eine Rahmengesetzgebungskompetenz (Absatz 1). Er kann für die öffentlichen wie für die privaten Weiterbildungsinstitutionen Grundsätze erlassen, beispielsweise in Bezug auf die Qualitätssicherung, die Anerkennung von Abschlüssen und Zertifizierungsverfahren (dazu vorne Ziff. 5.2.8). Angesichts der bestehenden Unübersichtlichkeit und eines gewissen Wildwuchses beim ­ zunehmend marktorientierten ­ Angebot an Weiterbildungsmöglichkeiten besteht für interessierte Bürgerinnen und Bürger auch ein erhebliches und berechtigtes Bedürfnis nach Markttransparenz und nach Schutz von Treu und Glauben. Gemäss dieser Bestimmung soll der Bund die einheitlichen Leitplanken der Weiterbildung festlegen (Mehrheitsantrag), wobei es Sache des Bundesgesetzgebers ist festzulegen, welche Fragen im Bereich der Weiterbildung der gesetzlichen Regelung bedürfen. Nach Ansicht der Kommissionsminderheit ist das gesetzgeberische Handeln nur als Möglichkeit vorzusehen (Kann-Bestimmung).

Die Kantone können ihrerseits, soweit ein öffentliches Bedürfnis dafür besteht, ergänzende Bestimmungen erlassen.

In Absatz 2 erhält der Bund die Möglichkeit, die Weiterbildung gesamthaft zu fördern. Dies kann er bereits heute im Bereich der Erwachsenenbildung (Art. 67 Absatz 2 BV). Ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Unterstützung der Weiterbildung besteht nicht.

Nach Absatz 3 ist es Aufgabe des Bundesgesetzgebers, die Bereiche und Kriterien der Förderung der Weiterbildung festzulegen. Der Bund kann dabei die Unterstützung auf gewisse Sektoren der Weiterbildung oder auf bestimmte Personenkategorien beschränken. Wie in Artikel 32 des Berufsbildungsgesetzes kann er unter bestimmten Voraussetzungen auch eine Unterstützungspflicht vorsehen.

6.2.7

Statistik (Art. 65)

Die moderne Bildungspolitik ist nicht möglich ohne eine zuverlässige und gut ausgebaute Statistik. Um die Vergleichbarkeit sicherzustellen, ist die Erhebung statistischer Daten möglichst einheitlich zu regeln. Der Bund wird daher durch eine punktuelle Ergänzung zum bisherigen Wortlaut der Bestimmung ermächtigt, die notwendigen statistischen Daten im Bildungs- und Forschungswesen inklusive im Weiterbildungsbereich zu erheben.

6.2.8

Ausbildungsbeiträge (Art. 66)

Absatz 1 entspricht der Neuregelung der NFA-Vorlage, übernimmt jedoch in Satz 2 die französische Version des Verfassungstextes (siehe vorne Ziff. 5.2.9). Danach kann der Bund nicht nur die interkantonale Harmonisierung der Ausbildungsbeiträge fördern, sondern auch Grundsätze für die Ausrichtung von Ausbildungsbeiträgen festlegen. Eng verstanden, macht die bisherige deutsche NFA-Version 5533

(«...Grundsätze für die Unterstützung festlegen») wenig Sinn, denn selbstverständlich kann der Bund seine Unterstützung der Kantone im Stipendienwesen an gesetzliche Bedingungen knüpfen. Demgegenüber ermächtigt die französische NFAVersion den Bund, Grundsätze für die Ausrichtung von Ausbildungsbeiträgen durch die Kantone festzulegen, wodurch eine gesamtschweizerische Grundsatzregelung für den Bereich der Ausbildungsbeiträge möglich wird. Wohl erlaubt auch die neue Fassung dem Bund nicht, einheitliche Ausbildungsbeiträge festzulegen. Dies bleibt Sache der Kantone. Doch die Bestimmung ermöglicht dem Bund, gesamtschweizerische Kriterien aufzustellen für die Vergabe von Ausbildungsbeiträgen. Damit kann der Bund auch einen direkten und verpflichtenden Zusammenhang herstellen zwischen den Studiengebühren und den Ausbildungsbeiträgen. Gleichzeitig lässt sich mit der so verstandenen Bundeskompetenz die volle Freizügigkeit im Beihilfewesen innerhalb des Bildungsraumes Schweiz verwirklichen.

Diese Rahmengesetzgebung des Bundes im Ausbildungsbeihilfewesen kann im Rahmen des Hochschulrahmengesetzes erfolgen. Aus der Sicht eines koordinierten Hochschulraumes Schweiz würde es auch Sinn machen, wenn der Erlass solcher Grundsätze durch die gemeinsamen Organe erfolgen könnte, zumal in diesen Organen auch die materielle Harmonisierung der Ausbildungsbeiträge vorbereitet werden könnte, die der Bund nach diesem Verfassungsartikel ebenfalls fördern kann. Es bedarf dazu einer Ermächtigung im Hochschulrahmengesetz. Insgesamt könnte auf diesem Wege eine kohärente und gerechte schweizerische Ordnung des Ausbildungsbeihilfewesens erreicht werden. Sollte die Koordination misslingen, kann der Bund, gestützt auf diesen Artikel, jederzeit eine eigene Gesetzgebung erlassen.

6.2.9

Förderung von Kindern und Jugendlichen (Art. 67)

Die Erwachsenenbildung im bisherigen Text wurde gestrichen (siehe oben zu Art. 64a VE). Dies bedingt auch eine Anpassung der Marginalie.

6.2.10

Allgemeinverbindlicherklärung und Beteiligungspflicht (NFA-Vorlage) (Art. 48a)

In der von Volk und Ständen gutgeheissenen NFA-Vorlage von Artikel 48a ist eine Allgemeinverbindlicherklärung und eine Beteiligungspflicht nur im Bereich der kantonalen Universitäten und der Fachhochschulen vorgesehen (Absatz 1 Bst. b und c). Neu soll dies im gesamten Schulwesen der Fall sein (Bst. b).17 Textlich lassen sich im Übrigen die kantonalen Universitäten und die Fachhochschulen als «kantonale Hochschulen» zusammenfassen (Bst. c), da die Fachhochschulen interkantonale Hochschulen darstellen. Von der Bestimmung nicht erfasst werden die privaten Hochschulen.

Die Allgemeinverbindlicherklärung und die Beteiligungspflicht können bei der Realisierung eines koordinierten Bildungsraumes Schweiz eine bedeutende Rolle spielen. Sie garantieren die Handlungsfähigkeit der Koordinationsorgane, falls gemeinsam erarbeitete Lösungen an der fehlenden Zustimmung weniger Kantone scheitern. Auf diesem Wege kann auch verhindert werden, dass der Bund wegen des 17

Siehe hierzu die Stellungnahme der EDK vom 16. Juni 2005 (Ziff. 5.5).

5534

Verhaltens weniger Kantone faktisch gezwungen wird, von den subsidiären Bundeskompetenzen in Artikel 62 und 63a VE Gebrauch zu machen. Es handelt sich somit im Kern um eine föderalismusfreundliche Regelung.

7

Finanzielle und personelle Auswirkungen

Die finanziellen und personellen Auswirkungen der Vorlage lassen sich in diesem Stadium nicht im Einzelnen abschätzen. Finanzielle Belastungen von Bund und Kantonen hängen auch davon ab, welche der vorgeschlagenen Varianten schliesslich zum Zuge kommt. Sie werden sich auf jeden Fall erst bei allfälligen gesetzlichen Folgemassnahmen hinreichend konkretisieren lassen. Dies gilt insbesondere auch für die indirekten Kosten, die sich aus möglicherweise notwendig werdenden gesamtschweizerischen Harmonisierungsmassnahmen auf den verschiedenen Schulstufen ergeben könnten. Die personellen Auswirkungen für den Bund dürften aber in jedem Fall eher gering sein.

8

Verhältnis zum europäischen Recht

Die Vorlage ist mit dem europäischen Recht kompatibel.

5535

Anhang 1

Überblick über die Bildungsverfassung ­ Vorschläge und geltendes Recht18 Art. 2

Zweck

Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.

1

Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes.

2

Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern.

3

Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung.

4

Art. 5a

Subsidiarität (NFA-Vorlage)

Bei der Zuweisung und Erfüllung staatlicher Aufgaben ist der Grundsatz der Subsidiarität zu beachten.

Art. 8 1

Rechtsgleichheit

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Niemand darf diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung.

2

Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.

3

Art. 11 Abs. 1 Schutz der Kinder und Jugendlichen Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förderung ihrer Entwicklung.

1

Art. 19

Anspruch auf Grundschulunterricht

Der Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht ist gewährleistet.

18

Der Überblick enthält auch Bestimmungen, die im Rahmen der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFAVorlage) am 28. November 2004 von Volk und Ständen angenommen wurden (BBl 2003 6591, 2005 951). In kursiver Schrift werden die Änderungsvorschläge der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats wiedergegeben.

5536

Art. 20

Wissenschaftsfreiheit

Die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und Forschung ist gewährleistet.

Art. 41

Sozialziele

Bund und Kantone setzen sich in Ergänzung zu persönlicher Verantwortung und privater Initiative dafür ein, dass:

1

a.

jede Person an der sozialen Sicherheit teilhat;

b.

jede Person die für ihre Gesundheit notwendige Pflege erhält;

c.

Familien als Gemeinschaften von Erwachsenen und Kindern geschützt und gefördert werden;

d.

Erwerbsfähige ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu angemessenen Bedingungen bestreiten können;

e.

Wohnungssuchende für sich und ihre Familie eine angemessene Wohnung zu tragbaren Bedingungen finden können;

f.

Kinder und Jugendliche sowie Personen im erwerbsfähigen Alter sich nach ihren Fähigkeiten bilden, aus- und weiterbilden können;

g.

Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu selbstständigen und sozial verantwortlichen Personen gefördert und in ihrer sozialen, kulturellen und politischen Integration unterstützt werden.

Bund und Kantone setzen sich dafür ein, dass jede Person gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität, Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit, Mutterschaft, Verwaisung und Verwitwung gesichert ist.

2

Sie streben die Sozialziele im Rahmen ihrer verfassungsmässigen Zuständigkeiten und ihrer verfügbaren Mittel an.

3

Aus den Sozialzielen können keine unmittelbaren Ansprüche auf staatliche Leistungen abgeleitet werden.

4

Art. 43a

Grundsätze für die Zuweisung und Erfüllung staatlicher Aufgaben (NFA-Vorlage)

Der Bund übernimmt nur die Aufgaben, welche die Kraft der Kantone übersteigen oder einer einheitlichen Regelung durch den Bund bedürfen.

1

Das Gemeinwesen, in dem der Nutzen einer staatlichen Leistung anfällt, trägt deren Kosten.

2

3 Das Gemeinwesen, das die Kosten einer staatlichen Leistung trägt, kann über diese Leistung bestimmen.

Leistungen der Grundversorgung müssen allen Personen in vergleichbarer Weise offen stehen.

4

5

Staatliche Aufgaben müssen bedarfsgerecht und wirtschaftlich erfüllt werden.

5537

Art. 46 Abs. 2 und 3 (NFA-Vorlage) Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.

2

Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.

3

Art. 48 Abs. 4 und 5 (NFA-Vorlage) Die Kantone können interkantonale Organe durch interkantonalen Vertrag zum Erlass rechtsetzender Bestimmungen ermächtigen, die einen interkantonalen Vertrag umsetzen, sofern der Vertrag:

4

5

a.

nach dem gleichen Verfahren, das für die Gesetzgebung gilt, genehmigt worden ist;

b.

die inhaltlichen Grundzüge der Bestimmungen festlegt.

Die Kantone beachten das interkantonale Recht.

Art. 48a

Allgemeinverbindlicherklärung von Konkordaten und Beteiligungspflicht (NFA-Vorlage)

Auf Antrag interessierter Kantone kann der Bund in folgenden Aufgabenbereichen interkantonale Verträge allgemein verbindlich erklären oder Kantone zur Beteiligung an interkantonalen Verträgen verpflichten:

1

2

a.

Straf- und Massnahmenvollzug;

b.

Schulwesen;

c.

kantonale Hochschulen;

d.

Kultureinrichtungen von überregionaler Bedeutung;

e.

Abfallbewirtschaftung;

f.

Abwasserreinigung;

g.

Agglomerationsverkehr;

h.

Spitzenmedizin und Spezialkliniken

i.

Institutionen zur Eingliederung und Betreuung von Invaliden.

Die Allgemeinverbindlicherklärung erfolgt in der Form eines Bundesbeschlusses.

Das Gesetz legt die Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlicherklärung und für die Beteiligungsverpflichtung fest und regelt das Verfahren.

3

Art. 61a

Bildungsraum Schweiz

Bund und Kantone sorgen gemeinsam im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für eine hohe Qualität und Durchlässigkeit des Bildungsraumes Schweiz.

1

Sie koordinieren ihre Anstrengungen und stellen ihre Zusammenarbeit durch gemeinsame Organe und andere Vorkehren sicher.

2

5538

Art. 62 1

Schulwesen

Für das Schulwesen sind die Kantone zuständig.

Sie sorgen für einen ausreichenden Grundschulunterricht, der allen Kindern offen steht. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch und untersteht staatlicher Leitung oder Aufsicht. An öffentlichen Schulen ist er unentgeltlich. [letzter Satz gestrichen; siehe Abs. 5]

2

Die Kantone sorgen für eine ausreichende Sonderschulung aller behinderten Kinder und Jugendlichen bis längstens zum vollendeten 20. Altersjahr. (NFA Vorlage).

3

Kommt auf dem Koordinationsweg keine Harmonisierung des Schulwesens im Bereich des Schuleintrittsalters und der Schulpflicht, der Dauer und Ziele der Bildungsstufen und deren Übergänge sowie der Anerkennung von Abschlüssen zustande, so erlässt der Bund die notwendigen Vorschriften.

4

5

Der Bund regelt den Beginn des Schuljahres.

Bei der Vorbereitung von Erlassen des Bundes, welche die Zuständigkeit der Kantone betreffen, kommt der Mitwirkung der Kantone besonderes Gewicht zu.

6

Antrag der Minderheit (Rutschmann, Fattebert, Freysinger, Kunz, Pfister Theophil) Kommt auf dem Koordinationsweg keine Harmonisierung des Schulwesens im Bereich des Schuleintrittsalters und der Schulpflicht, der Dauer und Ziele der Bildungsstufen und deren Übergänge sowie der Anerkennung von Abschlüssen zustande, so kann der Bund die notwendigen Vorschriften erlassen.

4

Antrag der Minderheit (Stump, Galladé, Genner, Graf, Müller-Hemmi, Savary, Schenker Silvia, Widmer) 6

Abs. 6 streichen

Art. 63

Berufsbildung

Der Bund erlässt Vorschriften über die Berufsbildung. Er fördert ein breites und durchlässiges Angebot im Bereich der Berufsbildung.

Art. 63a

Hochschulen

Der Bund betreibt die Eidgenössischen Technischen Hochschulen. Er kann weitere Hochschulen und andere Institutionen des Hochschulbereichs errichten, übernehmen oder betreiben.

1

Er unterstützt die kantonalen Hochschulen und kann an weitere von ihm anerkannte Institutionen des Hochschulbereichs Beiträge entrichten.

2

Bund und Kantone sorgen gemeinsam für die Koordination und für die Gewährleistung der Qualitätssicherung im schweizerischen Hochschulwesen. Sie nehmen dabei Rücksicht auf die Autonomie der Hochschulen und ihre unterschiedlichen Trägerschaften und achten auf die Gleichbehandlung von Institutionen mit gleichen Aufgaben.

3

5539

Zur Erfüllung ihrer Aufgaben schliessen Bund und Kantone Verträge ab und übertragen bestimmte Befugnisse an gemeinsame Organe. Das Gesetz regelt die Zuständigkeiten, die diesen übertragen werden können, und legt die Grundsätze von Organisation und Verfahren der Koordination fest.

4

Erreichen Bund und Kantone auf dem Weg der Koordination die gemeinsamen Ziele nicht, so erlässt der Bund Vorschriften über die Studienstufen und deren Übergänge, über die Weiterbildung und über die Anerkennung von Institutionen und Abschlüssen. Zudem kann der Bund die Unterstützung der Hochschulen an einheitliche Finanzierungsgrundsätze binden und von der Aufgabenteilung zwischen den Hochschulen in besonders kostenintensiven Bereichen abhängig machen.

5

Art. 64 1

Forschung

Der Bund fördert die wissenschaftliche Forschung und die Innovation.

Er kann die Förderung insbesondere davon abhängig machen, dass die Qualitätssicherung und die Koordination sichergestellt sind.

2

3

Er kann Forschungsstätten errichten, übernehmen oder betreiben.

Art. 64a

Weiterbildung

1

Der Bund legt Grundsätze über die Weiterbildung fest.

2

Er kann die Weiterbildung fördern.

3

Das Gesetz legt die Bereiche und die Kriterien fest.

Antrag der Minderheit (Rutschmann, Fattebert, Kunz, Pfister Theophil) 1

Der Bund kann Grundsätze über die Weiterbildung festlegen.

Art. 65

Statistik

Der Bund erhebt die notwendigen statistischen Daten über den Zustand und die Entwicklung von Bevölkerung, Wirtschaft, Gesellschaft, Bildung, Raum und Umwelt in der Schweiz.

1

Er kann Vorschriften über die Harmonisierung und Führung amtlicher Register erlassen, um den Erhebungsaufwand möglichst gering zu halten.

2

Art. 66

Ausbildungsbeiträge

Der Bund kann den Kantonen Beiträge an ihre Aufwendungen für Ausbildungsbeiträge an Studierende von Hochschulen und anderen Institutionen des höheren Bildungswesens gewähren. Er kann die interkantonale Harmonisierung der Ausbildungsbeiträge fördern und Grundsätze für die Ausrichtung von Ausbildungsbeiträgen festlegen. (NFA-Vorlage modifiziert) 1

Er kann zudem in Ergänzung zu den kantonalen Massnahmen und unter Wahrung der kantonalen Schulhoheit eigene Massnahmen zur Förderung der Ausbildung ergreifen.

2

5540

Art. 67

Förderung von Kindern und Jugendlichen

Bund und Kantone tragen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben den besonderen Förderungs- und Schutzbedürfnissen von Kindern und Jugendlichen Rechnung.

1

Der Bund kann in Ergänzung zu kantonalen Massnahmen die ausserschulische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen [«sowie die Erwachsenenbildung» wird gestrichen; siehe Art. 64a] unterstützen

2

5541

5542