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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung-, betreffend die Garantie von drei Verfassungsgesezen des Kantons Genf.

(Vom 13. Mai 1874.)

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Der Staatsrath des Kantons Genf hat uns mit Schreiben vom 6. und 29, April a. c. drei Geseze, welche eine theilweise Abänderung der bestehenden Verfassung dieses Kantons enthalten, mit dem Gesuche eingeschikt, dieselben- Ihnen zur Ertheilung der Gewährleistung vorzulegen.

Es sind dies folgende drei Geseze : A. Das Verfassungsgesez zur Abänderung von Art. 109 der Verfassung des Kantons Genf betreffend die Organisation und Wahl des Verwaltungsrathes der Stadt Genf, vom Großen Rathe angenommen unterm 18. März ,,., Dasselbe lautet wie folgt : ,,Abänderung zu Art. 109 der Verfassung : ,,Art. 109, § 1. In der Stadt Genf ist die Gemeindeverwaltung einem Verwaltungsrathe übertragen. Derselbe besteht aus fünf Mitgliedern, welche von den gesammten Stimmberechtigten der Gemeinde gewählt werden. Wenn die Zahl der Votanten nicht

914 auf 1500 Stimmberechtigte ansteigt, so vollzieht der Gemeinderath die Wahl aus der doppelten Zahl von Kandidaten, welche die meisten Stimmen auf sich vereinigt hatten.

,,§ 2. Der Gemeinderath von Genf kann den Mitgliedern des Verwaltungsrathes einen Gehalt bestimmen.

· ,,§ 3. Jeder der beiden Räthe wählt aus seiner Mitte den Präsidenten, Vize-Präsidenten und Sekretär. Kein Mitglied des Verwaltungsrathes kann im Bureau des Gemeinderathes eine Stelle einnehmen.

,,§ 4. Die Geseze über die Wahl, die Wahlfähigkeit, den Eid und über die Abberufung der Maires und Adjunkten in andern Gemeinden, finden ebenfalls auf den Verwaltungsrath Anwendung.

,,§ 5. Im Falle eines oder mehrere Mitglieder des Verwaltungsrathes die Entlassung nehmen oder sterben, so hat innerhalb sechs Wochen die Ersazwahl stattzufinden.

,,Wenn aber erst innert den lezteu drei Monaten vor der Gcsammterneuerung des Verwaltuagsrathes eine Stelle frei wird, so findet die Ergänzungswahl nicht mehr statt.

,,§ 6. Diejenigen Mitglieder des Verwaltungsrathes, welche nicht auch als Mitglieder des Gemeinderathes gewählt worden sind./ O O haben in diesem leztern berathende Stimme.

,,§ 7. Um als Mitglied des Verwaltungsrathes gewählt werden zu können, muß man in der Gemeinde stimmberechtigt sein.

,,§ 8. In den übrigen Gemeinden ist die Verwaltung einem Maire und Adjunkten desselben übertragen, welche durch die Gesammtheit der Stimmberechtigten der Gemeinde gewählt werden.

,,§ 9. Die Munizipalräthe dieser Gemeinden können den Maires und den Adjunkten für die Verrichtung ihrer Obliegenheiten eine Entschädigung bestimmen.

,,§ 10. Alle mit dem gegenwärtigen Verfassungsgeseze im Widerspruche stehenden Bestimmungen sind aufgehoben.a B. Das Verfassungsgesez behufs Abänderung von Art. 21 der Verfassung des Kantons Genf, vom Großen Rathe dekretirt ara 21. März a. c. und lautend wie folgt : ,,Art. 21. Die Bürger, welche das zwanzigste Altcrsjahr erfüllt haben, können die politischen Rechte ausüben, vorausgesezt, daß sie nicht durch einen der in den folgenden drei Artikeln vorgesehenen Gründe davon ausgeschlossen sind.11' C. Das Verfassungsgesez zur Abänderung von Kapitel I, Titel X der Verfassung betreffend den protestantischen Kultus. Der

915 rroße Rath von Genf hat am 25. März a. c. diese Modifikationen nit folgendem Wortlaute angenommen: ,,Kapitel I von Titel X der Verfassung wird abgeändert wiebigt : ,,Art. 114. Die protestantische Nationalkirche besteht aus den )rotestantischen Schweizerbürgern, welche die organischen Formen lieser Kirche, wie sie hier unten festgestellt sind, annehmen.

,,Art. 115. Die Verwaltung der protestantischen Nationalkirche st ausschließlich einem Konsistorium übertragen.

,,Art. 116. Dieses Konsistorium besteht aus 25 weltlichen und ms 6 geistlichen Mitgliedern, die sämmtlich aus den Stimmberechtigten gewählt werden müssen.

,,Art. 117. Dasselbe wird gewählt von allen in einem einzigen Wahlkolleg versammelten protestantischen Schweizerbürgern, die im Kanton Genf im Genüsse der politischen Rechte stehen.

,,Die Einberufung und die Bezeichnung des Ortes dieser Wahlversammlung, sowie die Wahl ihres Präsidenten gehen von dem Staatsrathe aus.

,,Das Gesez wird die übrigen Formen der Wahl regeln, auf welche der Art. 37 der Verfassung Anwendung findet.

,,Niemand kann in die Wähler-Listen von zwei verschiedenen Konfessionen eingetragen werden.

,,Kein Stimmberechtigter darf gegen seinen Willen auf der Wähler-Liste eines Kultus eingetragen bleiben.

,,Diejenigen Personen, welche auf der Wähler-Liste des einen Kultus aufgetragen sind, können in diejenige eines andern Kultus erst dann sich einschreiben lassen, wenn seit ihrer Ausstreichung aus der erstem Liste zwei Jahre verflossen sind.

,,Art. 118. Die Mitglieder des Konsistoriums werden auf 4 Jahre gewählt und sind sofort wieder wählbar.

,,Art. 119. Wenn z\yisohen zwei Neuwahlen die Mitgliederzahl des Konsistoriums in Folge von Todesfällen oder Demissionen auf zwanzig sieh vermindern sollte, so sind die Wähler behufs der Krgänzuugswahlen einzuberufen.

,,Art. 120. Das Konsistorium ernennt aus seiner Mitte eine Vollziehungs-Kommission, bestehend aus einem Präsidenten, der weltlichen Standes sein muß, und aus vier andern Mitgliedern.

,,Diese Kommission hat die Vollziehung der Beschlüsse des Konsistoriums anzuordnen.

,,Art. 121. Das Konsistorium wacht im Allgemeinen über die Interessen der Kirche.

916 ,,Es regelt alles dasjenige, was auf den Kultus, die Organisation des religiösen Unterrichtes und auf die Verwaltung der Kirche Bezug hat.

, ,,Es bezeichnet die Anzahl und die Umschreibung der Pfarreien, jedoch unter Vorbehalt der Genehmigung durch den Staatsrath. ,,Es kann vorübergehend pastorale Verrichtungen an Gradirte in der Theologie übertragen» .

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,,Es kann auch Verwarnungen.(avertissements) an die Pastoren richten!

, ; ,,Art. 122. Die Mitglieder des Konsistoriums beziehen für ihre Verrichtungen keine Entschädigung.

,,Art. 123. Der Kanton ist in Kirchgemeinden abgetheilt.

' ,,Die Stadt Genf bildet nur eine Pfarrei.

,,Die Pastoren werden von den protestantischen Bürgern derjenigen Pfarrei gewählt, in welcher die Stelle zu besezen ist.

,,In Angelegenheiten der Kirchgemeinde sind stimmberechtigt alle diejenigen, welche stimmfähige Mitglieder dei Kirche und seit wenigstens drei Monaten iü der Pfarrei domizilirt sind. Niemand darf in mehr als einer Pfarrei .sein Stimmrecht ausüben.

,,Um als Geistlicher wählbar zu sein, ist erforderlich : ,,1. Das Alter-'von · .wenigstens 25 Jahren, und ,,2. der Ausweis von der Fakultät der protestantischen Theologie an der Universität von Genf über das bestandene Examen, oder ein von dieser Universität als gleichbedeutend anerkannter akademischer Titel.

,,Die Wahl der Geistlichen findet nach den Formen statt, welche für dieMunizipalwahlenn aufgestelltind../ ,, ., .

,,Das. Gesez bestimmt den .Eid,, welchen die Geistlichen bei ihrem Amtsantritte zu leisten haben,sowie diFälle und das Verfahren ihrer Abberufung. , '" " .

,,Die, Geistlichen sind ,im. Unterrichte und in der Lehre frei, und nur sich selbst verantwortlich; dieseFreiheit kann, weder, durch ein Glaubensbekenntniß,, noch durch liturgische Formeln beschränkt .werden. ,, , ..

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,,Die Artikel 124 und 125. sind aufgehoben. ,,,Art. 126. -Die ,, Compagnie des Pasteurs" wird gebildet aus ; den im Amte stehenden Geistlichen.

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,,Siemacht dem Konsistorium, sei es aus eigener "Initiative, oder auf die Einladung des leztern, Anträge über diejenigen Maßnahmen, welche sie im Interesse der Kirche liegend erachtet.

917 ,,Der Artikel 127 ist aufgehoben.

,,Alle gesezlichen und reglementarischen Vorschriften, welche mit dem gegenwärtigen Geseze im Widerspruche stehen, sind aufgehoben.

,,Uebergangsbestimmungen : ,,Die Entwürfe der in den neuen Verfassungsartikeln 117 und 123 vorgesehenen gesezlichen Bestimmungen sind von Seite des Staatsrathes innert 6 Monaten nach der Annahme des gegenwärtigen Gesezes durch das Volk, dem Großen Rathe vorzulegen.

,,Während der gleichen Frist hat das Konsistorium einen Beschluß, durch welchen nach den im gegenwärtigen Gesezo aufgestellten Prinzipien die Zahl und die Umschreibung der Pfarreien fixirt wird, dem Staatsrathe zur Genehmigung vorzulegen.

,,Die Geistlichen, welche vor Erlaß des gegenwärtigen Gesezes von der ,,Compagnie des Pasteursa konsekrirt wurden, sind wählbar und können vorübergehend zur Verrichtung von pfarramtlichen Obliegenheiten berufen werden."

Diese drei Verfassungsgeseze sind am 26. April 1874 der Annahme oder Verwerfung durch die stimmfähige Bevölkerung des Kantons Genf unterstellt und laut Bericht der Regierung angenommen worden, wie folgt : das erste mit 4152 Stimmen von 8250 Votanten, ,, zweite ,, 6087 , ··,, .

., 8256 ,, ,, dritte ,, 4370 ,, ,, 7923 ' ,,, Ein viertes Verfassungsgesez, wodurch die Abänderung von Art. 80 der Genfer-Verfassung im Sinne einer Erhöhung der Besoldung der Mitglieder des Staatsrathes beabsichtigt war, wurde bei der gleichen Abstimmung von dem Volke verworfen.

Mit Schreiben vom 6, April sah sich der Staatsrath von Genf veranlaßt, unsere Aufmerksamkeit auf den Umstand hinzulenken, daß die vierjährige Erneuerungswahl der Gemeindräthe dieses Jahr auf Sonntag den 3. Mai falle und daß die Wahl der Maires und der Adjunkten, sowie eventuell auch die Wahl der Mitglieder des Verwaltungsrathes spätestens 14 Tage nachher, also Sonntag den 17. Mai, stattfinden müsse. Der Staatsrath verband damit das Gesuch, daß wir sofort die eidgenössische Sanktion der unter A und B erwähnten Verfassungsänderungen, nachdem sie vom Volke angenommen worden, aussprechen möchten, damit sie sogleich bei den erwähnten Abstimmungen vom 3. und 17. Mai in Anwendung gebracht werden können.

918 Die nähere PrüfungO überzeugte uns zwar,/ daß diese Verfasö sungsgeseze nichts enthalten, was mit der alten oder mit der neuen Bundesverfassung im Widerspruch wäre. Allein angesichts von Art. 74, Ziffer 7 der Bundesverfassung von 1848 und Art. 85, Ziff. 7 der neuen Bundesverfassung, wonach die Garantie der Verfassungen der Kantone in die Befugniß der beiden eidg. Räthe gelegt ist, konnten wir dem Gesuche, so wie es gestellt worden war, nicht entsprechen. In Betracht jedoch des Umstandes, daß gegen die erwähnten Verfassungsgesezö keinerlei Reklamationen erhoben worden und daß keine solchen wahrscheinlich waren, sowie in Berüksichtigung der Thatsache, daß in ähnlichen Fällen die Kantone schon oft einzelne Partien neuer Verfassungen in Vollziehung gesezt haben, bevor diese die eidgenössische Gewährleistung erhalten hatten, eröffneten wir dem Staatsrathe des Kantons Genf, daß wir keine Einwendung erheben · gegen die sofortige Anwendung der erwähnten Verfassungsänderungen, nachdem dieselben von dem Volke angenommen sein werden, was dann auch, wie bereits erwähnt, geschehen ist.

Wir glauben, ohne weitere Erörterung des Inhaltes der oben mitgctheilten Verfassungsändei'ungen, den Antrag stellen zu dürfen, es sei denselben mittelst nachfolgender Schlußnahme die bundesgemäße Garantie zu ertheilen.

Genehmigen Sie, Tit,, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 13. Mai 1874.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, .Der Bundespräsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Schiess.

919 ;Entwurf)

Bimdesbeschluss betreffend

iie Garantie von drei Yerfassungsgesezen des Kantons Genf.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, Nach Einsicht eines Berichtes und Antrages des Bundesrathes vom 13. Mai 1874 über drei G-eseze des Kantons Genf behufs theilweiser Abänderung der Verfassung dieses Kantons vom Jahr 1847, nämlich : a. das Verfassuagsgesez vom 18. März 1874 zur Abänderung von Art. 109; b. das Verfassungsgesez vom 21. März 1874 behufs Abänderung von Art. 21, und e. das Verfassungsgesez vom 25. März 1874 zur Abänderung von Kapitel l, Titel X der Genfer-Verfassung, in Berüksichtigung : daß diese drei Verfassungsgeseze in keiner Weise mit der Bundesverfassung im Widerspruche stehen'; daß dieselben von der Mehrheit des Volkes des Kantons Genf am 26. April abhin angenommen wurden, beschließt: 1. Den erwähnten drei Verfassungsgesezen des Kantons Genf wird die bundesgemäße Garantie ertheilt.

2. Der Bundesrath wird mit der weitern Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

Bundesblatt. Jahrg. XXVI. Bd.I.

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Konzession für eine Eisenbahn von Wohlen nach Bremgarten.

(Vom 16. Mai 1874.)

Tit.!

In Ausführung eines bei Uebernahme der aargauischen Südbahn durch die Gesellschaften der. Central- und der Nordostbahn am 25. Februar 1872 zwischen .denselben und dem.Kanton Aargau abgeschlossenen Vertrages , haben, sich die genannten Gesellschaften und die Einwohnergemeinde Bremgarten zur Gründung einer Eisenbahn vereinigt, welche die Stadt Bremgarten mit Wohlen,, bis zu welcher Ortschaft die aargauische Südbahn nächstens dem Betrieb wird übergeben werden, in Verbindung bringen soll. An die vorläufig auf 1,300,000 Franken (per Kilometer 180,555 Franken) veranschlagten Kosten tragen die Central- und die Nordostbahn die durch erwähnten Vertrag stipulirte l Million Franken zu gleichen Theilen bei, und die Gemeinde Bremgarten beschafft das weiter nöthige Anlagekapital. Die Baulänge beträgt 7,2 Kilometer. In mehreren Curven ersteigt die Linie den 456,25 Meter über dem Meere, 33,20 Meter über der Station Wohlen und 54,75 Meter über der projektirten Station Bremgarten liegenden Kulminationspunkt auf der Wasserscheide zwischen dem Reuß- und dem Bünzthale.

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend die Garantie von drei Verfassungsgesezen des Kantons Genf. (Vom 13. Mai 1874.)

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1874

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24

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06.06.1874

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913-920

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10 008 173

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