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Bundesblatt 108. Jahrgang

Bern, den 8. März 1956

Band I

Erscheint wöchentlich. Preis 30 Franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 60 Kappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli & Cie. in Bern

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Frage der Schiffbarmachung des Hochrheins (Vom 2. März 1956) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

An der Frühjahrssession 1960 der Bundesversammlung haben wir folgende zwei Postulate entgegengenommen: Im S t ä n d e r a t am 1 7 . M ä r z 1950: «Der Bundesrat wird eingeladen, Bericht zu erstatten über seine Ansichten zu den Plänen für die Schiffbarmachung des Rheins von Basel bis zum Bodensee und über die gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen dieses Projektes.» Im N a t i o n a l r a t am 29. M ä r z 1950: «Gemäss den Erklärungen des Bundesrates zum Beschlussentwurf über die Zusicherung eines Bundesbeitrages an den Kanton Baselland für die Schiffahrtsanlagen beim Kraftwerk Birsfelden bildet der Kostenbeitrag des Bundes kein Präjudiz für die Verwirklichung der Plane zur Weiterführung der Rheinschiffahrt bis zum Bodensee.

Zur Abklärung der schweizerischen Haltung in dieser Frage wird der Bundesrat eingeladen, den eidgenössischen Räten sobald als möglich einen Bericht über die wirtschaftliche und verkehrspolitische Tragweite der Schiffbarmachung des Hochrheins zu erstatten. » Wir beehren uns, Ihnen heute den gewünschten Bericht zu erstatten.

A. Geschichtliches und Allgemeines I. Geschichtliches Bis gegen Ende des letzten Jahrhunderts wurde der Rhein zwischen Basel und dem Bodensee hauptsächlich als Schiffahrtsstrasse benützt. Die Schifffahrt auf dem Bhein wurde durch internationale Verträge geregelt, die zum Bundesblatt. 108. Jahrg. Bd. I.

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526 Teil heute noch gültig sind. Infolge natürlicher Hindernisse nahm die Bedeutung der Schiffahrt auf dem Hochrhein mit der Verbesserung der Verkehrswege auf dem Land allmählich ab. Für den Gütertransport per Schiff wird heute nur noch die Strecke Basel-Eheinfelden benützt.

Die Fortschritte der Technik, welche es ermöglichen, die Energie des Rheins durch den Bau grosser Elektrizitätswerke auszunützen, eröffneten am Ende des letzten Jahrhunderts die Aussicht auf die Verwirklichung einer Großschifffahrtsstrasse von Basel bis zum Bodensee; denn die Wehre, die im Rhein zur Gewinnung von Wasserkraft errichtet werden, stauen den Rhein auf grosse Strecken ein und schaffen dadurch in ihrer Stauhaltung die für die Schiffahrt erforderlichen Voraussetzungen.

Die Anstrengungen, den Rhein von Basel bis zum Bodensee zu einer Grossschiff ahrtsstrasse auszubauen, sind seither parallel zur Entwicklung der Nutzbarmachung der Wasserkräfte am Rhein gegangen.

Die Entwicklung, welche die Schiffahrt bis Basel in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg genommen hatte, sowie die neuen Pläne, die sich abzeichneten, veranlassten den Bundesrat, in seiner Botschaft vom 20. Oktober 1917 zu beantragen, durch einen neuen Verfassungsartikel (Art. 24ter) dem Bunde das Recht der Gesetzgebung über die Schiffahrt zuzusprechen. Die Botschaft berichtet über den damaligen Stand der Schiffahrtsfragen und befasst sich besonders ausführlich mit der Schiffahrt bis Basel sowie der Schiffbarmachung des Hochrheins, da diese Pläne am weitesten abgeklärt erschienen. Es wurde ausgeführt, dass die Schweiz ein bedeutendes Interesse an der Verbesserung der Fahrrinne des Rheines bis Basel habe sowie an der Verlängerung der Schiffahrt von Basel stromaufwärts bis Konstanz. Sie werde daher auch der Ausführung dieses internationalen Werkes ihre Mitwirkung nicht versagen, vorausgesetzt, dass ihre Beteiligung an den Kosten in billigem Verhältnis zu ihrem Interesse bleibe. Es wurde auch gesagt, dass der Bund sich noch nicht verpflichten konnte, für bestimmte Schiffahrtspläne einzustehen, weil die Vorstudien dafür noch nicht weit genug gediehen seien. Der neue Verfassungsartikel werde aber beantragt, «um gerüstet zu sein, wenn die Frage vom Stadium der Untersuchung in das der Ausführung übertreten wird». Der Bundesrat wünschte ferner mit seiner damaligen
Vorlage, «Volk und Ständen Gelegenheit zu geben, sich darüber auszusprechen, ob der Bund eine so weittragende Aufgabe übernehmen soll, wie es die Anlage eines schweizerischen Wasserstrassennetzes ist». Es war ihm von Wert, schon zu Beginn zu wissen, dass Bundesversammlung und Schweizervolk seine Bestrebungen für die Förderung der Schiffahrt unterstützen werden.

Nationalrat und Ständerat hiessen einstimmig die Vorlage gut, und das Volk nahm sie im Jahr 1919 mit rund 400 000 Ja und allen Standesstimmen gegenüber rund 78 000 Nein an.

Seither sind mit einem schweizerischen Beitrag von 60 Prozent die Regulierungsarbeiten im Rhein zwischen Strassburg und Basel in Angriff genommen und mit einer Bundeshilfe von rund 11 Millionen Franken die Basler Häfen weiter ausgebaut worden, ferner ist die seit November 1954 im Betrieb befind-

527 liehe Schiffsschleuse Birsfelden ebenfalls vom Bund mitfinanziert worden. Es betrifft dies alles Arbeiten an der bereits bis Rheinfelden schiffbaren Strecke.

Im weitern wachten aber die Behörden beider Uferstaaten in gegenseitigem Einvernehmen auf Grund der bestehenden Verträge und Gesetze darüber, dass nichts unternommen wurde, das der Fortführung der Schiffahrt über Rheinfelden hinaus bis zum Bodensee hinderlich sein könnte.

Auf Vorschlag des Landes Baden wurde im Jahre 1919 eine ständige Kommission der beiden Uferstaaten bestellt, welche auch heute noch alle Fragen der Errichtung von Kraftwerken und der diesbezüglichen Schiffahrtsprobleme behandelt. Auf Grund der Vorarbeiten dieser Kommission verleihen die Schweiz und das Land Baden-Württemberg, im gemeinsamen Einvernehmen, die Konzessionen für die Wasserkraftanlagen. Die Uferstaaten beflissen sich ferner, einen Plan für den Ausbau des Hochrheins auszuarbeiten, der sowohl der günstigsten Ausnutzung der Wasserkräfte als auch der Erstellung einer Grossschiffahrtsstrasse Rechnung trägt. Die ständige schweizerisch-badische Kommission brachte einen generellen Gesamtplan bis zum Jahre 1926 zum Abschluss.

Über den Verlauf dieser Studien wurde die Öffentlichkeit laufend unterrichtet, und auch die Berichte des Bundesrates haben stets darüber Aufschluss gegeben.

Wenn auch verschiedene Staustufen des Planes vom Jahre 1926 im Laufe der Zeit Änderungen und Verbesserungen erfahren haben; so blieb doch der Gesamtausbauplan von 1926 in seinen Grundzügen seither immer massgebend.

Im Jahre 1927, anlässlich der Verhandlungen zwischen der Schweiz und Deutschland über die Rheinregulierung zwischen Basel und Strassburg, traten die deutschen Delegierten nachdrücklich dafür ein, dass zugleich mit dem Staatsvertrag über die Rheinregulierung auch ein solcher über die Schiffbarrnachung des Rheins zwischen Basel und dem Bodensee abgeschlossen werde.

Dabei hätte u. a. festgelegt werden sollen, dass bis zur Vollendung der Rheinregulierung auch die Schiffahrtsstrasse Basel-Bodensee wenigstens im Vorausbau fertig erstellt sein müsse und die Schweiz einen wesentlichen Teil der Kosten übernehmen werde (vgl. Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 6. August 1929). Dem Bundesrat erschien die vorgeschlagene Verbindung des Regulierungsprojektes mit der
Kanalisierung des Rheins oberhalb Basel unannehmbar. Nach erneuter Fühlungnahme erklärten sich die deutschen Vertreter bereit, auf die Forderung des gleichzeitigen Ausbaues der beiden Abschnitte des Rheins ober- und unterhalb Basel zu verzichten, unter der Bedingung indessen, dass die Schweiz die Zusicherungen mache, die dann im Artikel 6 des Staatsvertrages über die Rheinregulierung festgelegt worden sind. Dadurch, dass Deutschland anerkannte, dass die Schiffbarmachung des Hochrheins erst dann erfolgen sollte, wenn sie wirtschaftlich als gerechtfertigt erscheine, waren die schweizerischen Bedenken, die wirtschaftlicher Natur waren, gegenstandslos geworden. So wurde denn der Vertrag über die Rheinregulierung zwischen Strassburg/Kehl und Istein am 28.März 1929 abgeschlossen. Wir werden auf die Bestimmungen des Artikels 6 zurückkommen.

528 Im Oktober 1938 beantragte Deutschland, unter Hinweis auf den Staatsvertrag von 1929, in einer Note die Aufnahme von Verhandlungen zwecks Vereinbarung des Bau- und Finanzierungsprogrammes, um die Arbeiten an der Schiffahrtsstrasse Basel-Bodensee baldmöglichst in Angriff nehmen und zu Ende führen zu können. Der Bundesrat schlug in seiner Antwort vor, es sollen Vertreter der beiden Eegierungen zusammenkommen, um in erster Linie gewisse technische Fragen abzuklären. Die deutsche Eegierung nahm diesen Vorschlag an, und in der Folge begannen die Verhandlungen über technische Fragen im April 1939 in Heidelberg. Sie wurden durch den Krieg unterbrochen und nicht wieder aufgenommen (vgl. Beilagen 1-3).

Schon bevor Deutschland seine Initiative vom Jahre 1938 ergriff, erachtete man es schweizerischerseits, wie im Geschäftsbericht des Bundesrates vom Jahre 1937 erwähnt wurde, als zweckmässig, die Projekte für die ganze Hochrheinwasserstrasse erneut zusammenzustellen, unter Berücksichtigung der seit 1926 vorgenommenen Verbesserungen. Es sollte insbesondere auch die Frage der Ausbaugrösse geprüft werden, d. h. die Frage, ob nicht noch eine billigere Lösung gefunden werden könnte, indem die Abmessungen der Schiffahrtsanlagen kleiner gehalten werden als im generellen Gesamtplan des Jahres 1926.

Das Ergebnis der Arbeiten ist im Herbst 1941 Deutschland zugestellt und im Jahre 1942 als Mitteilung Nr. 35 des Eidgenössischen Amtes für Wasserwirtschaft unter dem Titel «Entwurf für den Ausbau der Eheinschiffahrtsstrasse Basel-Bodensee» veröffentlicht worden. Seither wurde als Ergänzung die die Staustufe Eheinfelden allein behandelnde Mitteilung Nr. 39 herausgegeben.

In einer Note vom September 1950 ihrer Gesandtschaft in Bern bringt die österreichische Eegierung ihr lebhaftes Interesse an der Schiffbarmachung des Hochrheins und ihren Willen zum Ausdruck, alle Anstrengungen, die im Interesse der Verwirklichung dieses Werkes gemacht werden, unterstützen zu wollen.

II. Überblick über die schweizerischen

Schiffahrtsprojekte

a. Die Schweiz, als ausgesprochenes Binnenland, hat ein grosses Interesse an freien Verbindungen mit dem Meer. Neben der bereits bestehenden Wasserstrasse, dem Ehein bis Basel, kommen als neue Verbindungen mit dem Meer noch die Ehone, die Verbindung des Adriatischen Meeres mit dem Langensee und die Verbindung des Bodensees mit der Donau durch einen Kanal in Frage (vgl. Abb. 1).

Der Ehein, der den Schiffsverkehr unseres Landes mit den grossen Seehäfen von Eotterdam, Antwerpen, Amsterdam und zugleich mit den an seinem Lauf gelegenen bedeutenden Industrie- sowie Kohlen- und Erzgebieten ermöglicht, nimmt heute von Natur aus eine Vorzugsstellung ein. Die Ehóne - bereits schiffbar vom Meer bis Lyon - würde hauptsächlich zu einem neuen Tor für unsere Beziehungen zu Überseegebieten werden. Dasselbe ist zu sagen von einer Verbindung Adria-Langensee, die überdies noch die Stellung unserer Eisenbahnen im Transitverkehr Süd-Nord-Süd festigen dürfte. Diese beiden Wasser-

529

Abb.1 : Übersichtskarte wichtiger Schiffahrtswege 1 : 8000000

530 .

strassen sind gegenwärtig Gegenstand technischer und wirtschaftlicher Studien.

Es wäre jedoch verfrüht, jetzt schon ähnliche Studien über eine Verbindung mit der Donau durchführen zu wollen.

Bei der Schiffbarmachung des Eheins zwischen Basel und dem Bodensee würde es sich zur Hauptsache darum handeln, die Verbindung mit den Nordseehäfen sowie den rheinischen Kohlen- und Erzgebieten nach Süddeutschland sowie der Nordostschweiz weiterzuführen und Österreich an diese Verbindung anzuschliessen.

b. Ein Ausbau der rein inländischen Wasserstrassen könnte nur in Frage kommen, wenn ihr Anschluss an das Meer gesichert wäre.

In das Verzeichnis, welches in dem weiter unten noch näher erläuterten Bundesratsbeschluss vom 4. April 1923 betreffend die schiffbaren oder noch schiffbar zu machenden Gewässerstrecken enthalten ist, wurden auf Vorschlag und im Einvernehmen mit den Kantonen eine ganze Reihe von Gewässern aufgenommen, die ganz im Inland liegen. Es muss aber vermieden werden, dass durch die in diesem Bundesratsbeschluss vorsorglicherweise vorgesehene Offenhaltung der schiffbaren oder noch schiffbar zu machenden Gewässerstrecken unsere Wirtschaft mit Massnahmen belastet wird zugunsten von Großschiffahrtsprojekten, von denen man jetzt schon sagen könnte, dass sie doch nie kommen werden.

Aus diesen Erwägungen heraus hat der Bundesrat im Jahre 1950 nach eingehenden Studien die Limmat, die Linth und die Glatt aus dem Verzeichnis des Bundesratsbeschlusses vom 4. April 1923 gestrichen. Die im Zuge des Transhelvetischen Kanals gelegenen Gewässerstrecken wurden einer eingehenden Prüfung unterzogen im Eahmen der Studien, die gemäss Bundesbeschluss vom 16.Dezember 1947, «betreffend die Beteiligung des Bundes an der Aufstellung eines Ausbauplanes für die Gewässer zwischen dem Genfersee und der Aaremündung in den Bhein» durchgeführt und veröffentlicht worden sind. Die Frage einer Großschiffahrt auf den übrigen, im oben erwähnten Verzeichnis enthaltenen Gewässerstrecken soll nach und nach ebenfalls erneut überprüft werden.

III. Grundsätze der schweizerischen

Schiffahrtspolitik

Die Freiheit der Schiffahrt und die Freiheit von Abgaben, die sich lediglich auf die Tatsache der Beschiffung gründen, sind die wesentlichen Grundsätze, welche für die Schweiz in allen Fragen der bestehenden Eheinschiffahrt massgebend sind und es beim Ausbau weiterer, auch inländischer Wasserstrassen sein müssten. Nur die Garantie der Freiheit der Schiffahrt kann eben eine vom Meere zur Schweiz führende Wasserstrasse zu einer wirklichen freien Verbindung machen, und für unser Land ist die Abgabenfreiheit von entscheidender Wichtigkeit. Die oberliegenden Staaten würden bei einer nicht abgabefreien Wasserstrasse benachteiligt sein, insbesondere, da die Erhebung von Abgaben weite Möglichkeiten einer faktisch ungleichen Behandlung der Schiffe der verschiedenen Nationen bringen würde. Die Grundsätze der Freiheit der Schiffahrt und

531 der Abgabenfreiheit haben sich auf dem Ehein seit langer Zeit in jeder Beziehung, sei sie technischer, wirtschaftlicher oder politischer Art, bewährt. Ihnen ist die Entwicklung der Eheinschiffahrt zu einem sehr wichtigen Glied der europäischen Verkehrswirtschaft weitgehend zu verdanken.

Betreffend die Abgabefreiheit sei darauf hingewiesen, dass sie sich nicht auf Gebühren, die für die Benützung von Häfen und ihrer Einrichtungen erhoben werden, bezieht.

Der Grundsatz der Freiheit der Schiffahrt ist für den Ehein, von Basel bis zum Meer, in der Mannheimer Eheinschiffahrtsakte von 1868 (ergänzt und abgeändert durch den Versailler Friedensvertrag von 1919 und weitere Vereinbarungen) bestätigt worden, in welcher die für diesen Strom geltende Ordnung, insbesondere auch die Abgabefreiheit, festgesetzt worden ist. Die Zentralkommission für die Bheinschiffahrt in Strassburg ist das internationale Organ, zu dessen hauptsächlichsten Aufgaben es gehört, die Einhaltung der grossen Grundsätze der Eheinschiffahrt zu überwachen. Die schweizerische Delegation hat die Kommission in dieser Aufgabe immer ganz besonders unterstützt.

Für den Abschm'tt Basel-Bodensee und den Bodensee haben die Uferstaaten, wie wir später noch näher ausführen werden, bereits die Freiheit der Schiffahrt für ihre Schiffahrtstreibenden vertraglich festgesetzt.

B. Beschreibung des Projektes I. Allgemeines Wie schon erwähnt, bedarf es für eine moderne Großschiffahrt von Bheinfelden bis zum Bodensee einer Kanalisierung des Bheins. Dieser Ausdruck gibt etwa Anlass zu der irrigen Meinung, das natürliche Flussbett werde in einen Kanal umgewandelt oder der Fluss werde in einen Kanal abgeleitet. Unter Kanalisierung versteht man jedoch den Einbau von Wehren zum Aufstau des Wassers in seinem natürlichen Bett, wodurch für die Kraftnutzung das nötige Gefalle und für die Schiffahrt die erforderliche Wassertiefe unter gleichzeitiger Milderung der starken Strömung geschaffen werden. An Stelle von Kanalisierung wird daher in der deutschen technischen Literatur auch der Ausdruck Stauregelung verwendet; durch die Schaffung einer Eeihe von Staustufen wird der JFluss für die Zwecke der Kraftnutzung und Schiffahrt geregelt (vgl. Abb. 2).

Die durch die Wehre gebildeten Staustufen müssen dann von der Schiffahrt mit Hilfe von Schleusen überwunden werden.
Die günstigen Wassermengen und Gefällsverhältnisse des Hochrheins bringen es, im Gegensatz zu andern schiffbar zu machenden Gewässerstrecken, wie z.B. Neckar und Main, mit sich, dass der Bau der Stauwehre schon für die Kraftnutzung allein rentabel ist. Der Ausbau der Kraftwerke ist somit am Hochrhein eine wesentliche Voraussetzung für die Schiffbarmachung. Nach dem Ausbau der Kraftwerke würde es, um den Anschluss des Bodensees an die bestehende Großschiffahrtsstrasse bei Eheinfelden zu verwirklichen, im grossen

532

Abb.2:Ausbau der Rheinschi ffahrhstrasse Basel -Bodensee

533 und ganzen genügen, die einzelnen Kraftwerksstufen sowie die Bheinfallstufe durch Schiffsschleusen zu überwinden und Arbeiten für die Bodenseeregulierung durchzuführen, die' auch für die Schiffahrt erforderlich sind".

Für den Hochrhein kommt wohl höchstens ein Ausbau in Frage, der beim Schleppverkehr einen einzigen Kahn von 1200-1400 t Tragfähigkeit im Anhang des Schleppers erlauben würde («Grosser Ausbau»), denn bei den vorhandenen topographischen Verhältnissen müssten zu umfangreiche und teure bauliche Massnahmen, z. B.'zur Streckung von Flusskrümmungen, durchgeführt werden, um mehr als einen Anhang zu ermöglichen. Ausser den Schleppzügen könnten natürlich auch die selbstfahrenden Motorgüterboote, selbst die grossen von rund 1200-1400 t, verkehren. Die Motorgüterboote würden voraussichtlich sogar dominierend sein, wie wir noch darlegen werden, so dass durch zwischenstaatliche Verhandlungen die Frage abzuklären wäre, ob nicht ein Ausbau für Motorgüterboote allein («Kleiner Ausbau») genügen könnte. Für den «Grossen Ausbau» ist eine Lösung mit Schleusen von 180 m Länge und 12 m Breite und für den «Kleinen Ausbau» eine solche mit Schleusen von mindestens 90 m Länge vorgesehen1).

Es wäre vorgesehen, zuerst nur eine Schleuse für jede Staustufe zu erstellen, den Platz für die zweite aber zu reservieren.

Die erwähnte Mitteilung Nr. 35 des Amtes für Wasserwirtschaft enthält das Projekt nur in zusammenfassender Weise. Über die einzelnen Stufen besteht je ein umfangreiches Plan- und Berichtsdossier. Es handelt sich um ein allgemeines Bauprojekt mit Kostenvoranschlag, natürlich ohne die eigentlichen Detailpläne für die Ausführung der einzelnen Bauobjekte. Massgebend dafür, wie weit die Projektierung zu treiben sei, war dabei unter anderem die Forderung, · eine zuverlässige Kostenberechnung zu erhalten. In den Bichtlinien für die Projektierungsarbeiten war vorgeschrieben, dass jeder unnötige und vermeidbare Eingriff in Naturschönheiten zu vermeiden sei, und zwar nicht nur bei den Bauobjekten selbst, sondern ganz besonders auch bei allen Materialdeponien.

Den Heimatschutzorganisationen wurde eine weitgehende Einsichtnahme in die Projekte ermöglicht, und es fanden wiederholt lokale Besichtigungen im Gelände zur Überprüfung der neuen Vorschläge für die Stufen Bheinau, Bheinfall und Stadt Schaffhausen statt.
Ein auf einen bestimmten Zeitpunkt zum Abschluss gebrachtes Projekt wird später bei einer weitern, noch eingehenderen Bearbeitung, z.B. zwecks Aufstellung der eigentlichen Baupläne, weitere Verbesserungen und Änderungen erfahren. Auch die Ergebnisse zwischenstaatlicher Verhandlungen können zu Änderungen führen. Aber auch wenn es noch zu solchen Verbesserungen und Änderungen kommen .wird, so ist doch die technische Seite des Ausbaues der *) In der vorerwähnten Mitteilung Nr. 33 wurde für den «Kleinen Ausbau» eine Lösung mit Schleusen von 75 m Länge und 9 m Breite als unteres Extrem überprüft.

Inzwischen haben eingehende Studien gezeigt, dass ein so kleiner Ausbau, der nur für Motorgüterboote von 900 t genügen würde, im Hinblick auf einen wirtschaftlichen Betrieb der Wasserstrasse nicht in Präge kommen könnte.

534 Hochrhein-Wasserstrasse, mit Ausnahme der Ausbaugrösse, im wesentlichen als abgeklärt zu betrachten. Nicht den gleichen Grad der technischen Eeife weist die Frage der Hafenanlagen auf. Wir werden auf diesen Punkt im Abschnitt C/III zurückkommen.

II. Situation und Längenprofil Wie aus Abbildung 2 hervorgeht, umfasst der Ausbauplan 14 Staustufen.

Heute sind 9 Kraftwerke gebaut, und die Stufe Eheinau ist im Bau. Dagegen sind die Stufen von Säckingen und Koblenz-Kadelburg wohl Gegenstand von Verhandlungen, jedoch noch nicht verliehen. Ferner müssten die bestehenden Werke Eheinfelden und Schaffhausen ganz erneuert werden, bevor der Ausbau der betreffenden Stufen für die Schiffahrt in Frage kommen könnte. Für den Neubau von Eheinfelden ist das Konzessionsgesuch eingereicht worden. Die sich aus den dortigen Salzvorkommen ergebenden Schwierigkeiten sind überwunden, und die Konzessionsverhandlungen laufen. Es muss also noch der Neuoder Umbau von 4 Kraftwerken in Angriff genommen werden, bis gegebenenfalls an den durchgehenden Bau der Schiffahrtsanlagen geschritten werden könnte.

In bezug auf einzelne Stufen sei hier nur folgendes gesagt : Bei Birsfelden war der Ehein bereits, vor Inbetriebnahme der Schiffahrtsanlagen für die Großschiffahrt benutzbar. Das Kraftwerksunternehmen hat daher den grössern Teil der Kosten für Bau, Betrieb, Unterhalt und Erneuerung dieser Schiffahrtsanlagen mit l Schleuse von 180 x 12 m zu tragen. In der Botschaft des Bundesrates vom 17. Februar 1950 wurde begründet, warum die öffentliche Hand den restlichen Teil der Kosten übernommen hat. Die Schiff· fahrtsanlagen beim Kraftwerk Augst-Wyhlen wurden 1912 gleichzeitig mit dessen Bau erstellt. Die bestehende Schleuse von 90 m Länge könnte nach einigen Ergänzungsarbeiten auch nach einer Weiterführung der Schiffahrt bis zum Bodensee vorläufig für den Verkehr mit Selbstfahrern genügen. Es erschien aber doch vorsichtig, die Kosten einer neuen Schleuse in die Gesamtkosten aufzunehmen, auch für den Fall, dass nur ein Ausbau für Selbstfahrer vorgesehen würde. Albbruck-Dogern ist, wenn man vom Kraftwerk Eheinau absieht, wo die Eheinschleife abgeschnitten wird, das einzige Kanalkraftwerk am Hochrhein, d. h. ein Werk, bei dem die Nutzwassermenge aus dem natürlichen Flussbett abgeleitet wird und zwar in einen Seitenkanal. Diese Anordnung
bewirkt eine erhebliche Verteuerung der Schiffahrtsanlagen.

Sehr eingehend wurde die Frage der Umgehung des Eheinfalles geprüft.

Für den Besucher des Eheinfalles kaum sichtbar, würde flussaufwärts vom Eheinfall, rund 200 m oberhalb der bestehenden massiven Eisenbahnbrücke, ein Dachwehr erstellt, das nur der Schiffahrt zu dienen hätte. Der Wasserentzug für den Schleusenbetrieb aus der durch dieses Wehr geschaffenen Stauhaltung wäre am Eheinfall unmerkbar. Der Eheinfall wird also ungeschmälert erhalten, indem er von der Schiffahrtsstrasse umgangen wird. Die kantonal-zürcherische und die eidgenössische Heimatschutzkommission haben dem von ihnen eingehend untersuchten Projekt für diese Stufe in ihrem Gutachten vom Jahre

535 1942 an die Direktion der öffentlichen Bauten des Kantons Zürich bzw. vom 30. Mai 1943 an das Eidgenössische Departement des Innern grundsätzlich und in vollem Umfange zugestimmt, wie wir in den Erwägungen zu unserem Entscheid vom 24. Juni 1952 über die Aufrechterhaltung der Konzession für das Kraftwerk Eheinau eingehend dargelegt haben. Im Gegensatz dazu wurde die sogenannte «Kohlfirst»-Variante durch die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission und auch durch die Kantone Zürich und Thurgau abgelehnt.

Diese interessante, von privater Seite aufgestellte Variante sah vor, durch einen rund 5 km langen Schiffahrtskanal und anschliessend einen rund 3,5 km langen einschiffigen Tunnel den Eheinfall und die Stadt Schaffhausen zu um- ' fahren. Der «Kohlfirst»-Variante, welche gründlich geprüft wurde, konnte auch noch aus andern Gründen, z.B. im Hinblick auf die Kosten, nicht der Vorzug gegeben werden.

Oberhalb der Strassenbrücke Schaffhausen-Feuerthalen ist der Ehein bis zum Bodensee schiffbar, dient heute allerdings nur noch der Personenschiffahrt, wurde früher jedoch auch von der Güterschiffahrt benützt. Die Strecke bedürfte aber für eine wirtschaftliche Benützung als moderne Wasserstrasse der Flussbettkorrektionen, die auf der Strecke von Schupfen bis zum Untersee sowie zwischen dem Untersee und Bodensee für die Bodenseeregulierung durchzuführen wären. Es handelt sich um Baggerungen unter dem Wasserspiegel, also um Massnahmen, die für den Beschauer unsichtbar bleiben würden. Durch diese Baggerungen würde das Abflussvermögen aus dem Untersee erhöht, und es müsste bei Hemishof en ein Wehr eingebaut werden, wodurch die im Interesse der Seeanwohner, namentlich zur Hochwasserabsenkung sehr erwünschte Regulierung des Bodensees ermöglicht würde. Die Veränderungen der Landschaft zwischen Schaffhausen und Bodensee wären minim.

Im Rahmen des Projektes für die Bodenseeregulierung ist schon vor mehreren Jahren durch das Amt für Wasserwirtschaft die Abklärung hydrobiologischer Fragen durch einen bekannten Fachmann in Auftrag gegeben worden. Es galt unter anderem den Einfluss der Seeregulierung auf die Wasservegetation und auf die Wasserverschmutzung in den seichten Seebuchten und beim geplanten Wehr in Hemishofen zu prüfen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen liegen zur Zeit noch nicht vollsändig vor.
Auf der Eheinstrecke durch Schaffhausen selbst bedarf der Landschaftsschutz bei dem erwähnten Umbau der dortigen Kraftwerksanlagen und gegebenenfalls bei einer spätem Schiffbarmachung einer ganz besondern Aufmerksamkeit, die unsererseits in vollem Masse vorhanden ist.

Vor relativ kurzer Zeit ist auch die Frage der Verunreinigung des Bodensees als Folge einer allfälligen Hochrheinschiffahrt aufgeworfen worden; es sind Befürchtungen laut geworden, durch die Einführung der Hochrheinschifffahrt könnte die Trinkwasserversorgung aus dem See verunmöglicht werden.

Wenn über diese Frage in den Projekten und früheren Berichten über die Hochrheinschiffahrt nichts enthalten ist, so ist dies darauf zurückzuführen, dass es auf Grund kurzer und einfacher Überlegungen schon klar wird, dass die Trink-

536 Wasserversorgung aus dem See nicht verunmöglicht würde. Schon heute besteht auf dem Bodensee eine sehr starke Schiffahrt, die nur graduell vergrössert ·würde. Aber auch heute schon wird viel Trinkwasser aus dem Bodensee entnommen, z.B. für die Stadt St. Gallen, ohne dass es durch die Schiffahrt beeinträchtigt wird. Die Baudirektionen der beiden interessierten Kantone St. Gallen und Thurgau, deren Stellungnahme vom Eidgenössischen Amt für Wasserwirtschaft noch eingeholt worden ist, sind zur Überzeugung gekommen, dass keine ernstliche Gefahr für das Trinkwasser, dessen Entnahme in 80-40 m Tiefe erfolgt, bestehe und dass durch verschärfte Vorschriften auch einer Verschmut' zung der Seeoberfläche entgegengetreten werden könnte. In erster Linie gilt es, die heute schon stets zunehmende Verschmutzung des Bodensees durch die von Land aus eingeleiteten Abwässer zu bekämpfen.

Wir glauben auch mit diesen Ausführungen gezeigt zu haben, dass die Probleme der Hochrheinschiffahrt und der Bodenseeregulierung auf einer umfassenden, den verschiedensten Interessen Eechnung tragenden Grundlage geprüft worden sind.

III. Die Kosten Die gesamten Baukosten wurden in der Mitteilung Nr. 85 auf Grund der Preise von 1939 für den «Grossen Ausbau» mit rund 146 Millionen Franken und für den «Kleinen Ausbau» mit rund 114 Millionen Franken angegeben, wobei die Kosten für Eheinfelden noch geschätzt werden mussten.

Da es sich in der Folge gezeigt hat, dass der «Kleine Ausbau», wie er als unteres Extrem den Projektstudien zugrunde gelegt worden ist, im Hinblick auf einen wirtschaftlichen Betrieb nicht in Frage kommen könnte, so geben wir im folgenden nur noch die Kosten für einen «Grossen Ausbau» an. Diese Kosten würden allfällig etwas unterschritten, wenn an Stelle der Schleppschiffahrtsschleuse eine kleinere, jedoch den grossen modernen Selbstfahrern noch genügende Schleuse vorgesehen' würde; sie würden allfällig etwas überschritten, wenn die Schleppschiffahrtsschleuse zur Ausführung käme. Diese Differenzen sind aber nicht so gross, dass sie beim heutigen Stand der Angelegenheit berücksichtigt werden mussten.

Seit Herausgabe der Mitteilung Nr. 85 sind die Kosten für Eheinfelden genau ermittelt worden. Ferner enthalten die heute bereits erforderlichen und finanzierten Schiffahrtsanlagen für Birsfelden notwendigerweise
Elemente, die auch der Schiffahrt zum Bodensee dienen würden, so dass bei einer Fortführung der Schiffahrt zum Bodensee im wesentlichen nur noch eine weitere Schleuse zu erstellen wäre ; damit ergibt sich eine Einsparung im Vergleich zum Kostenvoranschlag der Mitteilung Nr. 35. Wie schon erwähnt, haben wir vorsichtigerweise angenommen, dass auch bei einem Betrieb mit Selbstfahrern bei AugstWyhlen sofort eine zweite Schleuse erstellt würde. Unter Berücksichtigung dieser Faktoren ergibt sich, bezogen auf das Preisniveau 1950, ein Baukostenbetrag von rund 220 Millionen Franken für einen «Grossen Ausbau» mit je einer Schleuse pro Staustufe. Auf lange Sicht müsste man wohl mit der Er-

537 richtung je einer zweiten Schleuse von Äugst bis in die Gegend von Eglisau und nötigenfalls mit einer dritten Schleuse bei Birsfelden rechnen, wodurch sich die Baukosten auf rund 265 Millionen Franken steigern würden. In diesen Summen sind inbegriffen: Landerwerb, Flusskorrektionen, notwendige Anpassung einzelner Brücken, Bauleitung, Bauzinsen zu 3,5 Prozent und Kosten für Verschiedenes, wie Signaleinrichtungen, Telephonanlage, Kilometrierung usw. Nicht inbegriffen sind die Kosten für das Wehr Hemishofen mit einer Schleuse für die bestehende Schiffahrt sowie für Korrektionen im Flussbett zwischen Schaffhausen und dem Bodensee, welche zu Lasten der Bodenseeregulierung gehen würden. Wie in der Mitteilung Nr. 35 angegeben ist, wurde vorausgesetzt, dass die Bodenseeregulierung und die damit zusammenhängenden Flusskorrektionen schon vor dem Ausbau der Wasserstrasse zur Durchführung kämen ; die für die heutige Schiffahrt erforderliche Schleuse in Hemishofen wäre dann für die Hochrheinschiffahrt zu verlängern.

Ausser diesem einmaligen Aufwand für den Bau würde die Schiffahrtsstrasse noch jährliche Kosten für Betrieb, Unterhalt und Erneuerung von rund 3% Millionen Franken bei einschleusigem Ausbau und rund 4 Millionen Franken bei zweischleusigem Ausbau erfordern.

Zum Vergleich sei erwähnt, dass die auf rund l Million Franken pro Kilometer zu beziffernden Kosten für den einschleusigen Ausbau der Wasserstrasse Basel-Bregenz von der gleichen Grössenordnung sind wie die Baukosten pro Kilometer einer modernen Bergstrasse (Susten) oder des Umbaues einer Einspurstrecke der SBB auf Doppelspur.

Aus Tabelle l ist ersichtlich, wie sich die Kosten auf die einzelnen Stufen verteilen.

Kosten bei einschleusigem Ausbau. Freisbasis 1950 Tabelle l Stufe

Baukosten Fr.

4 500 000

Birsfelden Äugst--Wyhlen Rheinfelden Ryburg-- Schwörstadt Säckingen. .

Laufenburg Albbruck-- Dogern . .

Koblenz--Kadelburg Rekingen Eglisau Rheinau . .

Rheinfall Schaffhausen . . . .

Hemishofen Diverses

·

Total

6 400 000 12 400 000 10 600 000 8 200 000 13 300 000 24 500 000 11 600 000 11 400 000 14 400 000 32 300 000 37 500 000 18 600 000 8 900 000 1 900 000 216 500 000

Kosten für Betrieb, Unterhalt und Erneuerung pro Jahr Fr.

70000 95 000 185 000

160 000 125 000 200 000 365 000 175 000 170 000 215 000 485 000 560 000 280 000 135 000

30000

3 250 000

538 Es sei hier schon betont, dass von dem erwähnten Aufwand für die Wasserstrasse die Schweiz nur einen Teil zu tragen hätte.

Der genannte Aufwand für die Wasserstrasse würde, abgesehen von einem relativ kleinen Beitrag der Kraftwerke, die öffentliche Hand belasten, da ja, wie erwähnt, Schiffahrtsabgaben grundsätzlich nicht in Frage kommen könnten.

In den oben.zusammengestellten Summen ist der Aufwand für die Erstellung der Hafenanlagen nicht Inbegriffen. Für die schweizerischen Hochrheinhäfen, welche durch die öffentliche Hand zu erstellen wären, also ohne allfällige Werkhäfen, müsste man für den ersten Ausbau mit einem Aufwand in der Grössenordnung von 20 Millionen Franken rechnen. Es wäre dies der Betrag für die tiefbaulichen Anlagen, die Geleiseanlagen, Zufahrtswege, welche in den meisten Fällen durch die Kantone oder Gemeinden erstellt würden, während die Umschlagseinrichtungen durch Privatunternehmen zu erstellen und gegen Entgelt zu betreiben wären.

IV. Vergleich mit andern Wasserlassen Im Zusammenhang mit der Frage der Schiffbarmachung des Hochrheins wird öfters auch von der Verbindung des Eheins mit der Donau, sei es über den Main, den Neckar oder den Bodensee, gesprochen (vgl. Abb. 1).

a. Bhein-Main-Donau. Seit 1942 ist der Main für die Großschiffahrt bis Würzburg offen, und heute wird am Ausbau der Strecke Würzburg-Bamberg, die 14 Stufen mit je l Schleuse von 300x12 m umfassen wird, gearbeitet und soll bis etwa 1962 abgeschlossen werden. Zwischen Bamberg und Beilngries an der Altmühl ist ein Kanal projektiert, der pro Stufe je eine Schleuse von 225x12 m auf weisen würde. Die Altmühl selbst bis zu ihrer Mündung in die Donau oberhalb Begensburg wäre zu kanalisieren. Die vollständige Wasserstrasse von Mainz nach Eegensburg, dem oberen Ende der Großschiffahrt auf der Donau, hätte eine Länge von 588 km und würde 53 Stufen umfassen. Um von Basel per Schiff über den Main nach Eegensburg zu gelangen, wären 918 km zurückzulegen und 55 Schleusen zu benützen. Die totalen Baukosten der ausgeführten und noch auszuführenden Schiffahrtsanlagen (ohne Elektrizitätswerke) auf der 303 km langen Strecke Würzburg-Kelheim werden auf der deutschen Preisbasis 1950 auf ca. 1,2 Milliarden DM veranschlagt.

b. Ehein-Neckar-Donau. Der Neckar ist seit 1935 von Mannheim bis Heilbronn schiffbar. An dem 89 km
langen Teilstück zwischen Heilbronn und Plochingen wird weitergearbeitet. Der schiffbare Neckar zwischen Mannheim und Plochingen (202 km) wird 26 Haltungen mit Schleusen von 110x12 m umfassen. Gegenwärtig sind auf der Strecke Mannheim bis Heilbronn, mit vier Ausnahmen, die Stufen mit nur je l Schleuse versehen. Wegen des sehr rasch eingetretenen grossen Verkehrs und der Weiterführung bis Stuttgart ist die Erstellung je einer zweiten Schleuse bei den Stufen zwischen Mannheim und Heilbronn bereits in Angriff genommen worden.

539 Einer Verbindung des Neckars mit der Donau, zwischen Plochingen und Ulm, stellen sich beträchtliche technische Schwierigkeiten entgegen. Die Baukosten dieser 60 km langen Verbindung würden deshalb wohl etwa das Dreifache der Neckarstrecke Heilbronn-Plochingen betragen.

Von Ulm bis Eegensburg musate die Donau noch kanalisiert werden, wobei grosse Elektrizitätsmengen erzeugt werden könnten. Die Länge des Wasserweges zwischen Mainz und Eegensburg über Mannheim würde 531 km betragen, und es wären 55 Schleusen zu durchfahren; die entsprechenden Zahlen für die Strecke Basel-Mannheim-Eegensburg wären 723 km und 57 Schleusen.

c. V e r b i n d u n g Bodensee-Donau. Zur Verbindung des Bodensees mit der Donau ist von deutscher Seite ein Kanal zwischen Friedrichshafen und Ulm projektiert worden. Auch bei diesem Kanal stellen die grossen Höhenunterschiede und die Speisung der Schleusen schwierige technische Probleme, deren Lösung kostspielige Massnahmen erfordern. Die Baukosten für diesen 106 km langen Kanal sind auf etwa das Doppelte derjenigen des Hochrheins (mit l Schleuse pro Stufe) geschätzt worden; sie dürften aber noch höher sein. Auch dieses Projekt setzt einen Ausbau der Donau zwischen Ulm und Eegensburg voraus. Die Länge des Wasserweges zwischen Mainz und Eegensburg über Basel-Bodensee würde 821 km betragen, und es wären 47 Schleusen zu durchfahren. Um von Basel über den Bodensee nach Eegensburg zu gelangen, wären 491 km zurückzulegen und 45 Schleusen zu überwinden.

d. Vergleich mit dem Hochrhein. Obige Zahlen für andere Wasserstrassen geben interessante Hinweise, sie können aber nur mit Vorbehalt zu einem Vergleich verwendet werden, da die Verhältnisse zum Teil recht verschieden sind, z. B. hinsichtlich der Abmessungen der Schiffahrtsanlagen sowie der deutschen und schweizerischen Preisbasis für die Baukosten. Man darf jedoch sagen, dass der Aufwand für die Schiffbarmachung der Strecke BaselBregenz, auf den Kilometer bezogen, bedeutend niedriger ist als jener der Schiffbarmachung des Mains und des Neckars, und zwar vor allem aus dem Grunde, dass längere Strecken natürlich schiffbar sind und dass die Kosten der Stauwehre am Hochrhein, mit Ausnahme von Hemishofen und Eheinfall, ohnehin von den Kraftwerksunternehmungen getragen werden. Die besondere Bedeutung der Wasserkraftnutzung am Hochrhein
gegenüber jener am Neckar und am Main ergibt sich daraus, dass in 12 Werken zwischen Basel und Schaffhausen nach dem Vollausbau jährlich rund 4% Milliarden kWh erzeugt werden können, gegenüber etwas mehr als l Milliarde kWh in 60 Werken am Neckar und am Main zusammen.

In bezug auf die Schiffahrtsanlagen ist der Neckar am besten mit dem Hochrhein vergleichbar, und die Einzugsgebiete der beiden Wasserstrassen grenzen aneinander oder dürften sich sogar überschneiden; wir werden darauf im Kapitel über die Gütermengen noch zurückkommen. Der Ausbau des Mains und des Neckars wird durch die Länder und die Bundesrepublik finanziert.

Deutscherseits wird damit gerechnet, dass bis 1958 Stuttgart an die Neckar-

540 Schiffahrt angeschlossen sein wird. Der deutsche Bundesverkehrsminister führte an der ordentlichen Mitgliederversammlung des Eheinschiffahrtsverbandes Konstanz am G.September 1952 in Badisch-Eheinfelden folgendes aus: «Wenn in den einzelnen Ländern des Deutschen Bundesstaates nunmehr eine Reihe von Projekten durchgeführt werden, wie z. B. die Verbesserung des DortmundEms-Kanals, die Kanalisierung der Mittelweser, der weitere Ausbau des Mains und des Neckars, so ist es selbstverständlich, dass bei Absohluss einer dieser Arbeiten in diesem Bereich dann die Mittel frei werden für neue Arbeiten, die in erster Linie wiederum diesem Bereich dienen sollen. Es ist also wichtig und notwendig, dass sich das Land Baden-Württemberg nach Abschluss der Neckar-Kanalisierung, d.h. nach Erreichung von Stuttgart, mit dem Bundesminister für Verkehr darüber ins Einvernehmen setzt, wo die bisher hier von Land und Bund eingesetzten Mittel weiter zur Förderung der Wasserstrassen dieses Landes eingesetzt werden können. Ich glaube, ich brauche Ihnen nicht zu sagen, welches Objekt dafür dann wohl in erster Linie in"Frage kommt.»

Im Frühjahr 1955 hat nun der Landtag von Baden-Württemberg die Staatsregierung dieses Landes u. a. ersucht - soweit erforderlich im Benehmen mit dem Bund - «die im deutsch-schweizerischen Vertrag von 1929 über den Ausbau des Hochrheins Basel-Konstanz geforderten besonderen Abmachungen zwischen der Schweiz und dem Land Baden bzw. dessen Nachfolgeland BadenWürttemberg zu einem baldigen Abschluss zu bringen»; «die schwebenden Konzessionsverhandlungen wegen des Neubaus des Kraftwerks und der Schifffahrtsanlagen von Eheinfelden nachhaltig zu fördern und baldigst abzuschliesseh», ferner «vor der Klärung der Frage des Ausbaues des Hochrheins zum Bodensee zur Schiffahrtsstrasse für den Weiterausbau des Neckars oberhalb Stuttgart bis Plochingen im Staatshaushaltsplan keine Mittel bereitzustellen».

Der Ministerpräsident erklärte in der Debatte u. a.: Die Landesregierung sei der Auffassung und habe dies in einem Beschluss bereits eindeutig festgelegt, «dass nach Fertigstellung der Kanalstrecke bis Stuttgart .und des Stuttgarter Hafens der Ausbau des Hochrheins in Angriff zu nehmen ist, sofern bis dahin der erforderliche Staatsvertrag mit der Schweiz perfekt ist und über eine angemessene Beteiligung des Bundes an den Kosten des Ausbaues des Hochrheins zur Schiffahrtsstrasse eine Vereinbarung erzielt ist». Die notwendigen Verhandlungen mit der Bundesregierung würden von der Landesregierung umgehend und mit möglichster Beschleunigung durchgeführt.

C. Betrieb der Wasserstrasse, der Schiffahrt und der Hafenanlagen

Über die in diesem Kapitel behandelten Fragen, deren Abklärung zwecks Schaffung der Unterlagen für die wirtschaftlichen Untersuchungen erforderlich ist, kann man sich auf Grund der Erfahrungen auf dem Ehein unterhalb Basel und auf dem kanalisierten Neckar ein gutes Bild machen.

I. Die Leistungsfähigkeit Die theoretische Leistungsfähigkeit im Bergverkehr der Schiffahrtsstrasse mit einer Schleuse pro Staustufe wurde in der Mitteilung Nr. 35 des Eidgenössi-

541 sehen Amtes für Wasserwirtschaft für den «Grossen Ausbau» zu 4,2 Millionen Tonnen pro Jahr und für den «Kleinen Ausbau» zu 3,4 Millionen Tonnen pro Jahr errechnet. Berücksichtigt man jedoch die beträchtlichen Schwankungen des "Verkehrs, des Beladungsgrades der Schiffe sowie den Umstand, dass der Schiffspark nicht aus normalisierten Schiffen, sondern aus den verschiedensten heute nach Basel fahrenden Schiffen zusammengesetzt ist, so erhält man praktisch eine kleinere Leistungsfähigkeit. Die praktische Leistungsfähigkeit hängt u. a. davon ab, welche Wartezeiten man beim Stossverkehr den Schiffen zumutet. Bei den hier den wirtschaftlichen Berechnungen zugrunde gelegten durchschnittlichen Fahrzeiten darf man für den Bergverkehr kaum mit einer Leistungsfähigkeit von über 2,5 Millionen Tonnen pro Jahr rechnen, die jedoch etwa verdoppelt werden könnten durch Erstellung einer zweiten Schleuse bei jeder Stauhaltung.

II. Dio Fahrzeiten Es ist zu unterscheiden zwischen der Fahrzeit, die ein einzelnes Schiff bei freier Fahrt, d. h. ohne Beeinflussung durch die andern Schiffe, erzielen könnte, und der Fahrzeit, die es, beeinflusst durch den Betrieb der andern Schiffe, benötigt und welche in betriebswirtschaftlicher Beziehung allein interessiert. Es wurde deshalb nur mit diesen im Betrieb durchschnittlich benötigten Zeiten gerechnet. Interessant ist z. B. folgende Zusammenstellung: Fahrzeiten Bis tanz km

Strecke

Basel-Schaft'hausen (13 Schleusen) .

Strassburg--Basel (2 Schleusen). . .

Basel--Bregenz Mannheim-Basel (2 Schleusen). . .

Mannheim-Heilbronn (11 Schleusen) Mainz- Aschaffenburg (10 Schleusen)

.

.

.

.

.

121 123 213 258 113 88

Tabelle 2 Fahrzeit für ein Güterboot in Tagen Bergfahrt

Talfahrt

2 2-3 2i/2 4

1% % 2 1

Berg- u. Talfahrt

ay2 21/2-31/2 4% 5 3 23/4

In bezug auf die Reisegeschwindigkeit, die sich aus der Zeit für die Hinund die Bückfahrt ergibt, wären, wie aus Tabelle 2 hervorgeht, die Verhältnisse auf der Strecke Basel-Bregenz ähnlich denjenigen auf dem Oberrhein zwischen Mannheim und Basel. In andern Beziehungen, vor allem hinsichtlich des Treibstoffbedarfes und der Fahrwassertiefe, wären jedoch die Verhältnisse auf dem Hochrhein günstiger als auf dem Oberrhein. In den rasch arbeitenden Schleusen wird ein grosser Höhenunterschied überwunden und durch das Wasser eine erhebliche Arbeit geleistet, was für die Schiffe eine entsprechende Einsparung an Treibstoffen und Zeit auf den Flußstrecken bedeutet, die zwischen den Schleusen gelegen sind. Das durchschnittliche Gefalle des Wasserspiegels zwischen den Staustufen würde nur 0,07 Promille bei Niederwasser und rund Bundesblatt. 108. Jahrg. Bd. I.

38

542

0,8 Promille bei Hochwasser betragen, das sind Werte, wie sie am Ehein erst unterhalb Karlsruhe vorgefunden werden. Da« durchschnittliche Gefalle des Eheins zwischen Strassburg und der untersten I3tufe des Grand Canal d'Alsace (Fessenheim) beträgt 0,8 Promille und zwischen Mannheim und Strassburg 0,85 Promille.

Die minimale, durchschnittlich pro Jahr nur an 40 Tagen unterschrittene Wassertiefe würde 2,8 m betragen gegenüber gegenwärtig 1,9 m zwischen Strassburg und Basel.

III. Die Hajenanlogen a. Wenn wir im weitern von off entlich en Häfen sprechen, so verstehen wir darunter diejenigen Häfen, die von der öffentlichen Hand zu erstellen wären, auch wenn der Umschlag in denselben durch private Firmen übernommen würde. Für solche Anlagen liessen verschiedene Gemeinwesen schon generelle Projekte aufstellen, und es würde eine Einigung darüber zu erzielen sein, was und in welcher Form überhaupt gebaut werden könnte. Diese Abklärung ist teilweise bereits im Gange; Ohne damit der weitern Abklärung vorgreifen zu wollen, sind für die durchgeführten Untersuchungen Häfen in Koblenz, Eglisau, Eomanshorn und Eorschach sowie kleinere Umsichlagsstellen, der Einfachheit halber auch Häfen genannt, in Schaffhausen und Kreuzungen angenommen worden.

Der Umschlag der Massengüter Getreide sowie flüssige und feste Brennstoffe ist nur wirtschaftlich, wenn grosse Mengen in Betracht kommen. Aus dieser Überlegung heraus wurde vorausgesetzt, dass diese Massengüter nur in Koblenz, Eglisau und in einem Hafen am Bodensee umgeschlagen würden, wobei wir für letzteren einmal Eomanshorn angenommen haben.

Ein Hafen bei Koblenz käme neben einem Hafen bei Brugg nicht in Frage.

Ein Anschluss bis Brugg würde den schweizerischen Anteil der Kosten des Wasserweges erheblich steigern, anderseits könnten sich aber Vorteile ergeben, worüber noch nähere Untersuchungen durchgeführt werden. Zunächst waren hier nur die Auswirkungen einer Schiffbarmachung des Hochrheins zu überprüfen.

b. Aus schiffahrtstreibenden Kreisen wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, dass Güter, deren Ein- und Auslad wenig kostet, wie z. B. bei flüssigen Brennstoffen und Getreide, auch nach Eröffnung einer Hochrheinschiffahrt in Basel auf Zwischenlager gehen. Von dort aus würden diese Güter nach und nach in die Hochrheinhäfen geführt werden; die dafür verwendeten
Schiffe könnten wegen der günstigen Fahrwasserverhältnisse des Hochrheins besser ausgelastet werden als Schiffe, die diese Güter direkt von unten her nach den Hochrheinhäfen bringen würden. Der Ertrag einer solchen besseren Auslastung würde den durch die Zwischenlagerung entstehenden Mehraufwand ausgleichen. Von gleicher Seite ist auch darauf hingewiesen worden, dass der Umschlag am Hochrhein sich nicht im wesentlichen auf wenige grosse Hafenanlagen konzentrieren, sondern in zahlreichen kleinen Anlagen erfolgen werde, soweit sich die Güter

543 dazu eignen. Aus solchen Überlegungen heraus ist auch schon zum Ausdruck gebracht worden, dass Basel das hafenwirtschaftliche Zentrum bleiben würde und der Hochrhein sozusagen als eine Verlängerung des Basler Hafengebietes betrachtet werden könnte.

Flussabwärts des Untersees, besonders unterhalb Schaffhausen, sprechen die geographischen und topographischen Verhältnisse längs des Bheins allerdings nicht für das Entstehen von mehreren «öffentlichen», sondern für das Entstehen von nur zwei grösseren Häfen, in welchen der grössere Teil der schweizerischen Gütermengen umgeschlagen würde, und für einen Hafen in Schaffhausen. Längs des Bodensees und Untersees werden schon die erforderlichen Vorschriften hinsichtlich Schutzmassnahmen gegen Seestürme sowie der Landschaftsschutz auch nur die Anlage von wenigen Häfen erlauben.

c. Neben den «öffentlichen» Häfen werden noch Werkhäfen entstehen.

Die Untersuchungen wurden jedoch nicht auf diese ausgedehnt, da hierüber noch zu wenig Klarheit besteht. Unter Umständen könnte sich durch den Einbezug von Werkhäfen eine noch etwas grössere Gütermenge für den Hochrhein ergeben, als sie in diesem Berichte angegeben wird.

d. In den meisten Fällen dürften die Gemeinden, Kantone oder Zweckverbände, welche Häfen begründen, das dazu erforderliche Gelände erwerben und die tiefbaulichen Anlagen, wie Hafenbecken und Quais, erstellen. Der Umschlag würde im wesentlichen durch Privatfirmen besorgt, welche die dazu erforderlichen Einrichtungen selbst erstellen lassen. Die Begründer der Häfen erheben von den im Hafengebiet niedergelassenen Umschlagsfirmen Pacht- und Baurechtzinse und auf den umgeschlagenen Gütern Hafenabgaben, um die Kapital Verzinsung und Amortisation sicherzustellen. Die privaten Unternehmungen decken ihre Kosten durch die Erhebung der Umschlagsgebühren. Zur Deckung der Kosten der Hafenbahnen wird im weitern eine Hafenfracht erhoben.

Diese Hafen- und Umschlagsgebühren werden bei unseren Untersuchungen zu berücksichtigen sein. Der für die Wasserstrasse hochzuhaltende Grundsatz der Abgabefreiheit gilt also, wie schon erwähnt, nicht für die Häfen; doch soll die Erhebung der Hafenabgaben durch die öffentliche Hand keine Gewinnquelle bilden. Es wurde bei den durchgeführten volkswirtschaftlichen Untersuchungen in den Hochrheinhäfen mit den gleichen Gebühren wie
in Basel gerechnet.

e. Infolge einer noch ungenügenden Abklärung der Hafenfragen mussten also verschiedene Annahmen über die Lage der Häfen gemacht werden. Die Variationen, die in bezug auf diese Annahmen denkbar sind, vermöchten aber das Ergebnis der volkswirtschaftlichen Untersuchungen nicht wesentlich zu ändern.

D. Rechtliche und vertragliche Grundlagen

Wir haben uns über diese Fragen in den Erwägungen zu unserem Entscheid vom 24. Juni 1952 betreffend das. Kraftwerk Bheinau und bei der Beantwortung der Interpellation Scherrer am 11. Dezember 1952 geäussert. Zur Abrundung

544 unseres vorliegenden Berichtes möchten wir hier - das früher Gesagte zusammenfassend und in einigen Punkten ergänzend - folgendes ausführen: I. Eidgenössisches Wasserrecht 1. Berücksichtigung und W a h r u n g der B i n n e n s c h i f f a h r t Der 1919 in die Bundesverfassung aufgenommene Artikel 24ter bestimmt, dass die Gesetzgebung über die Schiffahrt Bundessache sei. Aber schon der Artikel 24Ws, Absatz 2, der Bundesverfassung bestimmte, dass die Bundesgesetzgebung über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte «auch die Binnenschiffahrt nach Möglichkeit zu berücksichtigen» habe. In diesem Sinne sind in das Bundesgesetz über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte vom 22. Dezember 1916 (EWEG) in den Artikeln 24 bis 27 einige Bestimmungen zur Berücksichtigung und Wahrung der Binnenschiffahrt aufgenommen worden. Insbesondere sind nach Artikel 24 die Kraftwerke so anzulegen, dass die Schiffbarkeifc, in dem Masse wie sie besteht, nicht beeinträchtigt ur.d dass auch auf die zukünftige Entwicklung der Schiffahrt Bücksicht genommen wird. Ferner beauftragt Artikel 24 den Bundesrat, nach Anhörung der Kantone, die Gewässerstrecken zu bezeichnen, die als schiffbar zu betrachten sind, sowie diejenigen, deren Schiffbarmachung in Aussicht genommen ist, und ermächtigt ihn, die erforderlichen Vorschriften zu erlassen. Dies ist in dem «Bundesratsbeschluss betreffend die schiffbaren oder noch schiffbar zu machenden Gewässerstrecken» vom 4. April 1923 erfolgt. Nach diesem Beschluss gehört «der Ehein von Basel bis zum Bodensee» in die erste Klasse der schiffbaren oder noch schiffbar zu machenden Gewässerstrecken; es sind dies die Wasserwege, für die der 1000-1200-TonnenKahn in Betracht kommt. Nach Artikel 27 EWBG darf die Schiffbarkeit der im Bundesratsbeschluss vom 4. April 1923 bezeichneten Gewässerstrecken nicht durch Bauten oder künstliche Veränderung der Wasserrinne beeinträchtigt werden; der Bundesratsbeschluss enthält dementsprechende Vorschriften.

Durch die erwähnten · gesetzlichen Bestimmungen ist somit die Wahrung der Hochrheinschiffahrt als eine im öffentlichen Interesse liegende Bundesaufgabe grundsätzlich anerkannt worden. Die Bestimmungen präjudizieren indessen die Verwirklichung der Hochrheinschiffahrt nicht; es liegt ihnen aber der landesplanerische Gedanke zugrunde, dass Kraftwerke, wenn richtig angelegt,
die Benutzung des Gewässers für die Schiffahrt nicht nur nicht beeinträchtigen, sondern im Sinne einer bestmöglichen Ausnützung unseres Grund und Bodens sogar die Schiffbarmachung zu fördsrn in der Lage sind.

2. Verhältnis zu den K r a f t w e r k e n Wir wiederholen, dass die Stauwehre der Kraftwerke schon für die Kraftnutzung allein, auch wenn die Schiffahrt nicht kommen würde, notwendig sind; der Aufwand für die Erstellung dieser Wehre geht daher zu Lasten der Kraftwerke. Dagegen würde der Aufwand für die Erstsllung der eigentlichen Schiff-

545 fahrtsanlagen (Schleusen, Vorhäfen usw.), also derjenigen Anlagen, die erst bei der Schiffbarmachung nötig werden, sowie für den Betrieb, den Unterhalt und die Erneuerung der Schiffahrtsanlagen zur Hauptsache von der öffentlichen Hand zu tragen sein. Von den Kraftwerken wäre nur ein Teil der Kosten der Wasserstrasse als Konzessionsauflage zu tragen, entweder als Beitrag an Betrieb, Unterhalt und Erneuerung der Schiffahrtsanlagen oder als Beitrag an die Baukosten der Wasserstrasse. Den Kraftwerken werden auch noch andere Auflagen zur Wahrung und Förderung der Schiffahrt gemacht, wie z. B. kostenlose Lieferung des für den Betrieb der Schiffahrtsanlagen benötigten elektrischen Stromes. Die Belastung der Kraftwerke durch alle diese Auflagen entspricht der in Artikel 24 und 25 E WEG getroffenen Eegelung. Sie macht in Wirklichkeit gemäss der heutigen Praxis, kapitalisiert, nur ca. l Prozent des auf die heutige Preisbasis bezogenen, für die Erstellung aller Kraftwerke erforderlichen Aufwandes aus. Die Energieerzeugung würde somit durch die Schiffbarmachung des Hochrheins nur unwesentlich belastet. Dass der Gesetzgeber der Wasserkraftnutzung immerhin einen, wenn, auch bescheidenen Beitrag zumutet, beruht auf dem Gedanken, dass die Schiffahrt die allgemeine Nutzung einer im Gemeingebrauch stehenden Sache ist; der Aufwand für die Ermöglichung dieses Gebrauches ist von der Gemeinschaft zu tragen. Derjenige aber, dem eine direkt rentable Sonderbenützung der gemeinsamen Sache bewilligt wird, wie eben einem Kraftwerksunternehmen, soll auch beitragen, die Bedingungen für den öffentlichen Gebrauch zu verbessern, ohne dass er aber dadurch unbillig belastet wird.

Die öffentliche Hand könnte ihren Beitrag an den Aufwand für Betrieb, Unterhalt und Erneuerung entweder durch jährliche Zahlungen oder auch durch Zahlung eines einmaligen Betrages bei Aufnahme des Schiffahrtsbetriebes leisten. Es scheint, dass Deutschland und die Kantone eher die erste Zahlungsart bevorzugen, während für die Eidgenossenschaft aus grundsätzlichen Erwägungen nur die Bezahlung einer Pauschalsumme bei Inbetriebsetzung der neuen Schiff fahrtsstrasse in Frage käme.

Abgesehen von der Kostentragung stellt sich die Frage, wem der Betrieb, der Unterhalt und die Erneuerung der Schiffahrtsanlagen anvertraut werden sollen. Darüber musste bei der
Erteilung von Konzessionen für Wasserkraftanlagen bereits verhandelt werden. Nach Auffassung des Bundesrates (Beschlüsse vom 6. Juli 1937 und 18. Juni 1943) sollen diese Aufgaben bei den primär für die Wasserkraftnutzung errichteten Stufen den Konzessionsinhabern anvertraut werden. Es dürfte dies das zweckmässigste und wirtschaftlichste Vorgehen sein, wobei die Bildung einer speziellen Organisation und Differenzen zwischen letzterer und dem Konzessionär vermieden würden. Auf diese Weise wurde im Einvernehmen mit Baden bei der Verleihung der Konzession für das Kraftwerk Birsfelden im Jahre 1950 vorgegangen. Bei anderen, früher verliehenen Konzessionen liess man, da Deutschland einen andern Standpunkt als die Schweiz einnahm, folgende zwei Möglichkeiten offen: Entweder wird dem Kraftwerksunternehmen Betrieb, Unterhalt und Erneuerung der Schiffahrts-

546 anlagen anvertraut und ein kleiner Teil der ihm dadurch entstehenden Kosten auferlegt, oder das Kraftwerksunternehmen hat einen einmaligen Beitrag an die Baukosten der Wasserstrasse zu bezahlen, wobei Betrieb, Unterhalt und Erneuerung durch eine besondere Organisation zu besorgen wären.

Bei den Stufen Kheinfall und Hemishofen, wo keine Kraftwerksunter-, nehmen vorhanden sind, hätten die Kantone, auf deren Territorium die Schifffahrtsanlagen liegen, für den Betrieb, den Unterhalt und die Erneuerung der Anlagen direkt besorgt zu sein. Die Eegelung der ihnen daraus erwachsenden Kosten hätte im Eahmen der Kostenteilung zwischen den Kantonen und dem Bund zu erfolgen.

II. Internationale Verträge 1. Ältere Verträge Im letzten ^Jahrhundert sind folgende drei Staatsverträge abgeschlossen worden : a. Vertrag zwischen den Bodenseeuferstaaten betreffend eine internationale Schiffahrts- und Hafenordnung für den Bodensee, abgeschlossen am 22.September 1867 (später teilweise revidiert).

b. Vertrag zwischen der Schweiz und dem Grossherzogtum Baden betreffend die Schiffahrts- und Hafenordnung für den Untersee und den Bhein zwischen Konstanz und Schaff hausen, abgeschlossen am 28. September 1867 (später teilweise revidiert).

c. Übereinkunft zwischen der Schweiz und dem Grossherzogtum Baden betreffend den Wasserverkehr auf dem Bhein von Neuhausen bis unterhalb Basel, abgeschlossen am 10.Mai 1879.

Je für die Strecke zwischen Basel und Neuhausen sowie zwischen Schaffhausen und Konstanz, ferner für den Bodensee, haben die Uferstaaten durch diese Verträge im wesentlichen folgendes festgelegt: a. Die Freiheit der Schiffahrt für ihre Schiffahrtstreibenden, wobei Baden und die Schweiz zugesagt haben, die Schiffe sämtlicher Bodensee-Uferstaaten und deren Ladungen auf der Strecke Schaffhausen-Koristanz ebenso zu behandeln wie die eigenen zur Bodensee-Schiffahrt gehörigen Schiffe und deren Ladungen.

fc. Die Verpflichtung zur Erhaltung der Schiffbarkeit, indem die Schifffahrtsrinne zu unterhalten ist, die Schiffahrt durch Bauten und Veränderungen des Plussbettes nicht behindert werden darf und die Pläne für solche Massnahmen vor deren Inangriffnahme einander vorzulegen sind.

2. Der Friedensvertrag von Versailles In Artikel 362 hat sich Deutschland verpflichtet, keinen Widerspruch gegen irgendwelche Vorschläge der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt zu erheben, die die Ausdehnung ihrer Zuständigkeit auf den Bhein oberhalb

547 Basel bis zum Bodensee bezwecken, vorbehaltlich der Zustimmung der Schweiz.

Ferner enthält Artikel 358 die Bestimmung, dass auf Antrag der Schweiz ihr, wenn die Zentralkommission ihre Genehmigung gibt, für den erwähnten Bheinabschnitt dieselben Anlege- und Wegrechte eingeräumt werden, welche Frankreich für die Vorarbeiten, die Einrichtung und den Betrieb der Wehre unterhalb Basel gegenüber Deutschland zustehen. Aus wohlüberlegten Gründen hat die Schweiz davon keinen Gebrauch gemacht.

Wir wollten hier nur darauf hinweisen, ,dass einzelne Bestimmungen des Versailler Vertrages den Hochrhein betreffen, da auch daraus deutlich hervorgeht, dass der Ausbau des Hochrheins nicht schlechthin ein nationales Problem ist, sondern in hohem Masse in die auswärtigen Beziehungen der Schweiz eingreift.

8. Der schweizerisch-deutsche Staatsvertrag vom 28. März 1929 ct. Im Abschnitt A, I, haben wir dargelegt, wie es zum Abschluss des schweizerisch-deutschen Staatsvertrages vom 28. März 1929 gekommen ist, dessen Artikel 6 den Hochrhein betrifft und wie folgt lautet : «Die Schweizerische und die Deutsche Regierung sind darüber einig, dass im Zusammenhang mit der Regulierung des Rheins von Strassburg/Kehl bis Istein die Ausführung des Großschiffahrtsweges von Basel bis zum Bodensee zu erstreben ist.» «Beide Regierungen kommen überein, dass, sobald die wirtschaftlichen Verhältnisse die Ausführung des Unternehmens möglich erscheinen lassen, der Schweizerische Bundesrat mit der Badisohen Regierung einen Vertrag abschliessen wird, durch den insbesondere eine angemessene Kostenbeteiligung der Schweiz, die Fristen der Ausführung des Unternehmens und seine technische und administrative Förderung festgesetzt werden.» <*

« Um die Erstellung eines Großschiffahrtsweges zu fördern, sagt der Schweizerische Bundesrat zu: 1. die Verhandlungen betreffend die Erteilung neuer Konzessionen für Kraftwerke zwischen Basel und dem Bodensee nach den bisherigen Grundsätzen gemeinsam mit der Badischen Regierung zu führen und möglichst zu beschleunigen; 2. die bisher im Interesse der Großschiffahrt üblich gewordenen Auflagen auch bei Erteilung neuer Konzessionen im Einvernehmen mit der Badischen Regierung zu erlassen; 3. die Ausführung der Kraftwerke zu erleichtern, insbesondere auch in der Bewilligung der Ausfuhr für schweizerische Kraftanteile, die ausserhalb der Schweiz eine günstigere Verwendung finden können, Entgegenkommen zu zeigen, soweit die Rücksicht auf die nationalen Interessen der Schweiz ein solches Entgegenkommen erlaubt, und sofern hiervon die Erstellung der Kraftwerke abhängen sollte.»

b. In den Erwägungen zu unserem Entscheid vom 24. Juni 1952 betreffend das Kraftwerk Eheinau haben wir dargelegt, dass der Vertrag vom 28. März 1929 völkerrechtlich verpflichtend sei. Er ist der Bundesversammlung mit einer ausführlichen Botschaft vom 6. August 1929 unterbreitet und von,ihr einstimmig genehmigt worden. Der Genehmigungsbeschluss wurde dem Eeferendum unterstellt, die Eeferendumsfrist ist jedoch unbenutzt abgelaufen.

548 Wie der Bundesrat in der Botschaft vom 6. August 1929 ausführt, sind die Verpflichtungen, welche der Vertrag der Schweiz auferlegt, doppelter Natur: Einmal hat sich die Eidgenossenschaft mit 60 Prozent an den Kosten der Eheinregulierung Strassburg/Kehl-Istein zu beteiligen. Ferner bestehen sie «in dem Versprechen, zu dem allmählichen Ausbau des Eheins zwischen Basel und dem Boderisee Hand zu bieten». Es werde «selbstverständlich auch im Interesse unseres Landes liegen, der Frage der spätem Ausdehnung des Grossschiffahrtsweges von Basel bis zum Bodensee auch fernerhin alle Aufmerksamkeit zu schenken und den Ausbau dieser Strecke nach Möglichkeit zu fördern.

Die im Vertrag erwähnten Bedingungen für die endgültige Erstellung dieser Wasserstrasse dürften anderseits jede Gefahr überstürzter Massnahmen ausschliessen».

c. Der erste Absatz des oben zitierten Artikels 6 begründet - im Zusammenhang mit den andern Absätzen betrachtet und wie durch die Vorarbeiten zum Vertrag von 1929 erhärtet wird - eine allgemeine, gegenseitige Verpflichtung der Schweiz und Deutschlands, gegenüber der Schiffbarmachung des Hochrheins eine wohlwollende, positive Haltung zu bekunden. Es wird zum Ausdruck gebracht, dass diese Schiffbarmachung mit der Eegulierung des Eheins unterhalb Basel in Zusammenhang steht und dass sie das beidseitige zu erstrebende gemeinsame Fernziel der letzteren ist. Wie dieses Ziel erreicht werden soll, wird im zweiten und dritten Absatz des Artikels 6 festgelegt.

Was zunächst den zweiten Absatz betrifft, so ist darin, im Sinne eines Vorvertrages, die Verpflichtung zulasten des Schweizerischen Bundesrates und der Badischen Eegierung enthalten, einen weiteren Vertrag abzuschliessen, der als Hauptvertrag die Ausführung des Großschiffahrtsweges im einzelnen regeln soll. Insbesondere wird «eine angemessene Kostenbeteiligung der Schweiz» festzusetzen sein. Was angemessen ist, darüber werden die den Hauptvertrag schliessenden Parteien verhandeln und eine Einigung suchen müssen. Wesentlich ist, dass die gegenseitige Verpflichtung zum Abschluss des Hauptvertrages keine absolute ist. Sie muss vielmehr nur eingelöst werden, «sobald die wirtschaftlichen Verhältnisse die Ausführung des Unternehmens möglich erscheinen lassen.» Klar ist einzig, dass die Klausel von der Voraussetzung ausgeht, im Zeitpunkt des
Vertragsabschlusses, im Jahre 1929, hätten die wirtschaftlichen Verhältnisse die Ausführung des Unternehmens noch nicht erlaubt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse, welche diese Ausführung möglich erscheinen lassen, müssen daher von jenen verschieden sein, die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestanden. Zu Interpretationsschwierigkeiten gibt dagegen die Frage Anlass, welche Änderungen und neuen wirtschaftlichen Faktoren entscheidend sind, damit die Bedingung als eingetreten betrachtet werden kann. Zunächst werden die Schweiz und Deutschland, jedes für sich, die Frage prüfen und dazu Stellung nehmen können. Gelangen beide Teile zu einem übereinstimmenden Ergebnis, so werden sich keine weiteren Schwierigkeiten ergeben. Gehen dagegen die Meinungen auseinander, so wird man vorerst auf dem Verhandlungswege versuchen müssen, einig zu werden. Jedenfalls werden die zu berück-

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.sichtigenden wirtschaftlichen Faktoren für oder gegen die Durchführung des Unternehmens nicht diejenigen sein, welche von einer der beiden Vertragsparteien allein ins Feld geführt werden. So wird keine Partei einseitig und für die andere verbindlich feststellen können, dass die Bedingung bereits erfüllt oder noch nicht eingetreten ist, d.h. ob der Zeitpunkt gekommen ist, die völkerrechtliche Verpflichtung zur Durchführung des Unternehmens des Großschifffahrtsweges Basel-Bodensee zu vollziehen. Immerhin wird die Schweiz eine 0 restriktive Auslegung der Klausel beanspruchen können, da sie anlässlich des Vertragsabschlusses von 1929 eine weniger weitgehende Bindung als Deutschland eingehen wollte. Aus den Vorarbeiten zum Vertrag geht hervor, dass die Schweiz den Begriff der Wirtschaftlichkeit umfassend auffasste. So wurden schweizerischerseits folgende Gründe gegen eine sofortige Schiffbarmachung des Hochrheins und folgende Befürchtungen geltend gemacht : Die mit einem unverzüglichen Ausbau des Hochrheins - unabhängig von dem mit den wirtschaftlichen Bedürfnissen Schritt haltenden Bau der auf der Strecke projektierten Kraftwerke - verbundenen Anlagekosten stünden in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden Frachtersparnissen. Die Frage der Eückwirkungen der Hochrheinschiffahrt auf die SBB sei noch zu wenig abgeklärt. Die fast gleichzeitige Schiffbarmachung des Hochrheins und Durchführung der Bheinregulierung würde für die Schweiz eine untragbare finanzielle Belastung ergeben.

Der Umstand, dass auch Österreich interessiert sei, dürfe nicht übersehen werden.

Im dritten Absatz haben schliesslich die Vertragsparteien eine Eegelung getroffen für die Zeit zwischen dem Abschlags des Staatsvertrages von 1929 und dem Zeitpunkt, da die Bedingung, sobald die wirtschaftlichen Verhältnisse die Ausführung des Großschiffahrtsweges möglich erscheinen lassen, eintreten wird. Während dieser Zeitspanne besteht die Verpflichtung der Schweiz, «die Erstellung des Großschiffahrtsweges zu fördern», und zwar durch die in diesem dritten Absatz unter Ziffer l bis 8 vorgesehenen Handlungen. In unserem Entscheid vom 24. Juni 1952 betreffend das Kraftwerk Eheinau haben wir uns über die Tragweite dieser Bestimmungen eingehend geäussert. Wir möchten aber hier folgendes betonen: Die Erstellung der Kraftwerke ist wohl eine wesentliche
Voraussetzung für die Schiffbarmachung des Hochrheins, aber selbst, wenn die Kraftwerke erstellt sind, würde die Schiffbarmachung immer noch von der Klausel abhängig sein, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse sie möglich erscheinen lassen.

4. Welche neuen gesetzgeberischen und vertraglichen Massnahmen wären für eine V e r w i r k l i c h u n g der Wasserstrasse e r f o r d e r l i c h ?

Wir haben schon dargelegt, dass die Schiffbarmachung des Hochrheins noch Gegenstand eines besondern Staatsvertrages bilden müsste. Dieser würde neue Verpflichtungen für die Schweiz begründen. Er müsste vom Bundesrat der Bundesversammlung zur Genehmigung unterbreitet werden, und der Genehmi-

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gungsbeschluss wäre - da der Staatsvertrag die Eidgenossenschaft länger als 15 Jahre binden würde - dem Eeferendum unterworfen. Das Schweizervolk würde somit die Möglichkeit haben, seinen Willen zu bekunden.

Parallel zum Staatsvertrag wären wichtige Vereinbarungen über den Betrieb der Wasserstrasse und die Ausübung der Schiffahrt auf internationaler Grundlage zu treffen. So wären einheitliche Fahr- und Sicherheitsvorschriften, ähnlich wie sie auf dem bereits schiffbaren Rhein bestehen, aufzustellen, ferner wären ein Statut und eine Kommission für den Hochrhein zu schaffen. Wir stellen uns vor, dass dieser Kommission die Oberaufsicht über den Unterhalt und den Betrieb der Wasserstrasse sowie über die Ausübung der Schiffahrt (Polizei, Gerichtsbarkeit, Schiffahrtsfreiheit usw.) obliegen würde. Alle Vereinbarungen betreffend den Betrieb der Wasserstrasse und die Ausübung der Schiffahrt müssten getroffen werden, bevor der Ausbau der Wasserstrasse in Angriff genommen würde.

Vorher müssten aber auch alle Einzelheiten der technischen und administrativen Zusammenarbeit der beteiligten Staaten während der Bauzeit geregelt werden.

Über die Schiffbarmachung des Hochrheins wären, voraussichtlich parallel zu den zwischenstaatlichen Verhandlungen, auch Verhandlungen zwischen dem Bund und denjenigen Kantonen zu führen, welche bei der Tragung des schweizerischen Kostenanteils in Betracht fallen. Bei der Rheinregulierung zwischen Strassburg und Istein ist die Frage des Kostenbeitrages des Kantons BaselStadt an diese Regulierung in dem Bundesbeschluss geregelt worden, durch welchen die Bundesversammlung den Staatsvertrag vom 28.März 1929 genehmigte, nachdem bereits der Grosse Rat von Basel-Stadt der Kostenbeteiligung seines Kantons zugestimmt hatte und die kantonale Referendumsfrist abgelaufen war. Auch bei einer Schiffbarmachung des Hochrheins könnte in ähnlicher Weise vorgegangen werden.

K. Allgemeines hinsichtlich der wirtschaftlichen Untersuchungen

a. Der Ausdruck «die wirtschaftlichen Verhältnisse», welcher in der im Artikel 6, Absatz 2, des Staatsvertrages vom 28.März 1929 enthaltenen Klausel verwendet wird, bedeutet, wie in Abschnitt D, II, 3, erwähnt, die volkswirtschaftlichen Verhältnisse.

In diesem Sinne haben wir es als erforderlich erachtet, folgende Gesichtspunkte einer Überprüfung zu unterziehen : - Die einzelwirtschaftliche Beurteilung der Hochrheinschiffahrt, unter Einbeziehung des gesamten Aufwandes für Erstellung, Betrieb, Unterhalt und Erneuerung der Wasserstrasse und für die Ausübung der Schiffahrt.

- Die Wirkungen der Hochrheinschiffahrt auf die bestehenden Verkehrsträger und Verkehrseinrichtungen.

551 - Die Wirkungen der Hochrheinschiffahrt auf die Wirtschaft des Einzugsgebietes und auf den volkswirtschaftlichen Ertrag.

- Die staatspolitischen Ziele und Bedürfnisse.

Die Einbeziehung dieses Gesichtspunktes in eine wirtschaftliche Untersuchung ist gerechtfertigt; denn die Verwirklichung und Berücksichtigung staatspolitischer Ziele und Bedürfnisse wirkt sich, im ganzen betrachtet, auch volkswirtschaftlich aus.

Bei den zwei letzten vorgenannten Gesichtspunkten wird zu prüfen sein, ob in der Nordostschweiz besondere Bedürfnisse vorhegen und wie weit solche Bedürfnisse, auch wenn sie nicht direkt wirtschaftlich begründet werden können, für eine Schiffbarmachung des Hochrheins sprechen.

Es handelt sich also darum, die ganze Frage unter dem Gesichtspunkt der Ausgestaltung der verschiedenen Verkehrsmittel nach ihrer natürlichen Leistungsfähigkeit, eines mindestmöglichen Aufwandes für den Verkehr als Gesamtes, der volkswirtschaftlichen sowie staatspolitischen Bedürfnisse und Auswirkungen zu prüfen.

b. Bei der Wertung und gegenseitigen Abwägung aller dieser Gesichtspunkte konnte für uns nur das gesamtschweizerische Interesse massgebend sein, und in diesem Sinne dürfen die besondern verkehrswirtschaftlichen Belange nur im Eahmen der gesamten volkswirtschaftlichen Auswirkungen gewürdigtwerden.

Sie können, für sich allein betrachtet, nicht ausschlaggebend sein.

c. Wir sind uns bewusst, dass bei einer Überprüfung aller der oben genannten . Gesichtspunkte Ermessensfragen eine recht grosse Eolle spielen. Wenn einzelne dieser Punkte, im Gegensatz zu andern, zum Gegenstand von Berechnungen gemacht werden konnten, so war auch dies nicht ohne Vereinfachungen und Schätzungen möglich. Der absoluten Höhe der ermittelten Zahlen messen wir deshalb keine allzugrosse Bedeutung bei, sie sind nur als Grössenordnungen zu bewerten, welche es ermöglichen sollen, die Zusammenhänge und das Verhältnismässige zu erkennen. Gerade auf letzteres wird es aber ankommen. Das Ergebnis der Überprüfung eines einzelnen Gesichtspunktes darf nur als Glied in der Kette der gesamten Betrachtung bewertet und verwendet werden. Dies ist besonders zu berücksichtigen, wenn man versuchen möchte, einen einzelnen Punkt, ausgehend von veränderten Grundlagen und Annahmen, neu zu überprüfen und wieder im Zusammenhang mit den andern Punkten
zu bewerten.

Wegen der Gemeinsamkeit vieler Grundlagen und Annahmen und wegen der inneren Zusammenhänge zwischen verschiedenen Gesichtspunkten müssten auch die übrigen Punkte anhand der veränderten Grundlage überprüft werden, und eine vergleichende Bewertung und eine Zusammenstellung dürfte erst nachher wieder vorgenommen werden.

d. Die Überprüfung der Wirkungen der Hochrheinschiffahrt ist bewusst auf Grund der heutigen wirtschaftlichen Verhältnisse durchgeführt worden, um eine eindeutig definierte Ausgangslage zu schaffen.

552 Indessen ist es aber doch nötig, die zukünftigen Wirkungen der Hochrheinschiffahrt zu beurteilen. Diese Beurteilung muss so erfolgen, dass zunächst geprüft wird, wie die heutigen wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Hochrheinschiffahrt beeinflusst würden, dann, welche Eeaktionen wahrscheinlich sind und wie die Schiffbarmachung des Hochrheins im Eahmen der durch sie veränderten Verhältnisse zu beurteilen wäre. Dies illustriert nun die Problematik, die solchen Beurteilungen anhaftet. Man sucht festzustellen, welche Veränderungen die heute vorhandenen Verhältnisse durch das Hinzutreten des neuen Verkehrsmittels erfahren würden. Die Veränderungen würden aber nur relativ langsam eintreten, bei den einen Wirtschaftsfaktoren innert mehreren Jahren, bei andern erst innerhalb Jahrzehnten. Inzwischen kann sich aber die wirtschaftliche Konstellation geändert haben, und für das neue Verkehrsmittel kann sich eine andere Beurteilung ergeben. Mit dieser Problematik war und ist natürlich die Einführung eines jeden Verkehrsmittels und jede andere weit in die Zukunft reichende wirtschaftliche Massnahme behaftet.

e. Schon früher, nicht erst als Folge der Postulate der Bundesversammlung vom Frühjahr 1950, sind durch das Post- und Eisenbahndepartement volkswirtschaftliche Untersuchungen auf Grund der Vorkriegsverhältnisse veranlasst worden. Diese Untersuchungen allein konnten für unsere Berichterstattung nicht genügen, da vor allem auch eine Beurteilung auf Grund der heutigen Verhältnisse interessiert.

Neue, in Fühlungnahme mit zahlreichen Fachstellen durchgeführte Untersuchungen des Amtes für Wasserwirtschaft sind, wie wir noch sehen werden, durch Gutachten der schweizerischen Vereinigung für Landesplanung und des Seminars für Verkehrspolitik an der Handelshochschule St. Gallen ergänzt worden. Diese neuen Untersuchungen dienten der Einholung der Vernehmlassungen der Eegierungen der Eheinkantone von Basel bis St. Gallen und einiger angrenzender Kantone, der Schweizerischen Bundesbahnen sowie einer Eeihe interessierter Fach- und Spitzenverbände; sie bildeten die Grundlage für die weitere Vorbereitung des vorliegenden Berichts durch unsere Verwaltungsstellen, wobei auch die Abteilung für Schiffahrt der Eidgenössischen Wasserwirtschaftskommission angehört worden ist.

F. Das Einzugsgebiet der Hochrheinschiöahrt und die auf sie abwandernden Gütermengen

I. Die

Schiffsfrachten

Bei den Schiffsfrachten ab Basel interessieren hier nur die sogenannten Anschlussfrachten, die zu den im Verkehr mit Basel gültigen Schiffsfrachten hinzugeschlagen würden. Die Schiffsfrachten sind nicht in festen Tarifen niedergelegt, sondern sie bilden sich im wesentlichen als Ergebnis des Spieles zwischen Angebot an Schiffsraum und Nachfrage durch das jeweils anfallende Verkehrs-

553 gut; sie sind also im allgemeinen nicht auf lange Sicht festgelegt. Die Untersuchungen konnten aber nur mit Frachtsätzen für die verschiedenen Güterarten durchgeführt werden, wie sie sich im Durchschnitt über einen längeren Zeitabschnitt auf Grund der Preis- und Lohnverhältnisse von 1950 ergeben würden. Die vom Amte für Wasserwirtschaft durchgeführten Frachtsatzberechnungen beruhen für jeden der angenommenen Häfen auf den in der Wirklichkeit zu erwartenden Fahrzeiten sowie auf Unterlagen, die bei in Frage kommenden, zahlreichen Fachstellen sorgfältig erhoben wurden. Sie sind durch Kalkulationen bedeutender Schiffahrtsunternehmungen und durch Vergleiche mit den Anschlussfrachten auf bestehenden Wasserstrassen erhärtet worden.

Von Seiten der Schiffahrt kam zum Ausdruck, dass die berechneten Frachtsätze geeignet sind, den volkswirtschaftlichen Untersuchungen zugrunde gelegt zu werden.

Aus der Entwicklung der letzten Jahre ergibt sich, dass bis Basel sehr grosse Mengen Kohlen mit Motorgüterbooten transportiert werden, nämlich rund 40 Prozent der gesamten Menge. Beim Getreide, den flüssigen Brennstoffen und besonders bei den «übrigen Gütern» sind die mit Motorgüterboot transportierten Mengen sogar grösser als die mit Schleppschiff und Kanalschiff herangeführten.

Das Motorgüterboot ist also zum dominierenden Schiffstyp des Basler Verkehrs geworden. Es dürfte auch zum Hauptverkehrsträger der Hochrheinschiffahrt werden. Die Untersuchungen sind deshalb für den Betrieb mit Motorgüterboot durchgeführt worden. Es wurde aber auch geprüft, wie die Ergebnisse beeinflusst würden, wenn, im gleichen Verhältnis wie bis Basel, ein Teil des Verkehrs durch Schleppzüge übernommen würde, und festgestellt, dass sich keine Änderung in bezug auf die Schlussfolgerungen ergibt.

II. Das Einzugsgebiet a. Das Einzugsgebiet ist nach dem Verfahren von Ing. Sympher wie folgt bestimmt worden: Für verschiedene Güterarten wurden die Frachten, die sich unter Benützung der geplanten Wasserstrasse ergäben, in Vergleich gesetzt mit den Frachten, die auf dem bisherigen Verbindungswege bezahlt werden. Ist die Fracht auf dem neuen Beförderungswege kleiner als die bisherige Fracht und ist der Unterschied derart, dass er einen genügenden «Anreiz» zum Übergang des Transportgutes auf das Schiff bildet, so wird angenommen, dass dieses Gut
ganz oder teilweise auf den Hochrhein abwandere. Die Grenze des Einzugsgebietes wird durch die Orte gebildet, wo dieser «Anreiz» gerade noch als genügend betrachtet wird. Die Frachtersparnis, die genügend Anreiz zur Benutzung der Wasserstrasse bietet, wird von Fall zu Fall, je nach Gut und Menge sowie Konjunktur- und Konkurrenzverhältnissen, verschieden gross sein. Es konnte deshalb nicht ganz schematisch auf Grund eines bestimmten Betrages für den Anreiz vorgegangen werden, anderseits musste aber doch vereinfacht werden.

554 Es ist dies aber in unserem Falle nicht von grosser Bedeutung, da die Kandzonen des Einzugsgebietes, abgesehen vom Kanton Aargau, dünn besiedelt sind und relativ wenig an die Gesamtgütermenge für den Schiffahrtsweg beitragen.

Aus diesem Grunde und weil dazu die Schiffsfrachten an sich so niedrig sind, dass auch relativ grosse Änderungen derselben nicht stark ins Gewicht fallen, ist überhaupt die Berechnung der Gütermengen des schweizerischen Einzugsgebietes der Hochrheinschiffahrt wenig empfindlich hinsichtlich allfälliger Unsicherheiten in den Grundlagen.

Entsprechend der gewählten Ausgangslage stellen diese Berechnungen auf die Verhältnisse des Jahres 1950 ab, wobei konkret feststellbare Entwicklungen, zahlenmässig berücksichtigt worden sind, jedoch nur auf kurze Zeit hinaus.

fe. Es erwies sich als gegeben, die Berechnungen für folgende 6 Gütergruppen durchzuführen: Brotgetreide; Futtergetreide; flüssige weisse Brennstoffe; flüssige schwarze Brennstoffe; feste Brennstoffe und «übrige Güter».

Die «übrigen Güter» umfassen Stückgut (Partien unter 50 t), Zellulose, Baumwolle, Wolle, Kolonialwaren, Koheisen, Buntmetalle, metallurgische Erzeugnisse, Holz, Kork, Kies, Bauxit usw. ; sie machten rund 28 Prozent des gesamten Basler Bheinverkehrs von 1950 aus.

Einen Überblick über den bisherigen Verkehr vermitteln die Abbildungen 3-6.

Für jede Güterart ergibt sich ein bestimmtes Einzugsgebiet, welches in der Begel von den Einzugsgebieten für andere Güterarten abweichen wird. Aus verschiedenen Gründen werden heute schon Transporte ab Schiff von Basel aus über die heutige Frachtparitätsgrenze des Nord-Süd-Verkehrs nach Süden durchgeführt. Solche einzelne Güter könnten nach Schiffbarmachung des Hochrheins auch von Hochrheinhäfen weit nach dem Süden, bis in den Tessin gelangen, was aber nicht von Bedeutung ist. Unter Vernachlässigung dieses Punktes ergibt sich aus der Zusammensetzung der Einzugsgebiete für die verschiedenen Gütergruppen das in Abbildung 7 dargestellte Einzugsgebiet, wobei darauf verzichtet wird, eine Unterteilung nach den verschiedenen Hafenorten anzugeben, die in vorläufiger Weise ja nur angenommen werden mussten, um die Berechnungen genügend genau durchführen zu können.

c. Weil die Berechnungen im Jahre 1950 begonnen wurden und zunächst von den im Jahre 1950 gültigen Bahntarifen
ausgingen, war es gegeben, nachher noch zu prüfen, ob sich wesentliche Änderungen auf Grund der Tarife nach der Gütertarifreform vom Jahre 1952 ergäben, und es zeigte sich, dass dies nicht der Fall ist.

Es sei noch bemerkt, dass vorausgesetzt worden ist, die Bahnen würden für die Transporte ab den Hochrheinhäfen, im Gegensatz zu jenen ab den Basler Häfen, keine Ausnahmetaxen (Ablauftarife) gewähren.

d. Die Schweizerischen Bundesbahnen würden einer Konkurrenzierung durch die Hochrheinschiffahrt voraussichtlich nicht untätig zusehen. Es war deshalb auch notwendig, zu prüfen, wie sich eine Eeduktion der effektiv gel-

555

Warenkategorien:

Abb.3: Jährliche Schweiz.Wareneinfuhr, Ausfuhr und Transit

556

Abb.4: Güterumschlag in den Basler Rheinhäfen

557

Entwicklung der Einfuhr, der Wohnbevölkerung, der Eisenbahnen und des Lastwagenbestandes

Abb. 5: Entwicklungsdiagramme Bundesblatt. 108. Jahrg. Bd. I.

89

558

Abb.6: Anfeile der Kantone am Rheinhafenverkehr beider Basel im Jahre 1950 tenden Bahntarife als allfällige Massnahme der schweizerischen Bahnen gegenüber der Hochrheinschiffahrt auswirken würde. Die Berechnung wurde durchgeführt für eine rein hypothetisch angenommene Eeduktion der Bahntarife um 20 Prozent, und zwar einmal nur für die Bahntarife zwischen den Basler Häfen (Wasserumschlag) und denjenigen Stationen der Nordostschweiz, für die eine Konkurrenzierung der Bahn durch die Hochrheinschiffahrt entstehen würde. Dann wurde auch noch abgeklärt, was sich ergäbe, wenn man den Berechnungen sowohl ab den Basler Häfen wie auch ab den Hochrheinhäfen eine Eeduktion der Bahntarife von 20 Prozent zugrunde legt, d. h. wenn die Bahn nicht nur Tarifmassnahmen im Verkehr mit Basel gegen die Hochrheinschifffahrt, sondern auch solche im Verkehr mit den Hochrheinhäfen gegen den Lastwagen ergreifen würde. Als Folge solcher Eeduktionen der Bahntarife würde das Einzugsgebiet der Hochrheinschiffahrt gegenüber der Berechnung mit den effektiv gültigen Bahntarifen kleiner, und zwar sowohl im Falle einer Tarifreduktion der Bahnen ab den Basler Häfen allein wie auch im Falle ab den Basler und Hochrheinhäfen. Dagegen wird das Einflussgebiet, d. h. das Gebiet, für welches die Hochrheinschiffahrt Frachtersparnisse zur Folge hätte, etwa gleich bleiben ; nur würde ein Teil der Frachtersparnisse auf dem Wege über die Tarifsenkungen der Bahnen erreicht.

559

Abb. 7 ; Schweizerisches Einzugsgebiet der Hochrheinschiffahrt

560 III. Die Gütermengen a. Im wesentlichen wird es sich bei den auf dem Hochrhein zu transportierenden Gütern um solche handeln, die bisher schon per Schiff bis Basel gelangt sind. Es ist nicht damit zu rechnen, dass Güter, die bisher ganz per Bahn in das Einzugsgebiet der Hochrheinschiffahrt geführt wurden, infolge der Weiterführung der Schiffahrt über Basel hinaus in grossen Mengen auf den Ehein übergehen würden.

In welchem Masse eine Weiterführung der Güter ab Basel auf dem Hochrhein erfolgen wird, hängt nicht nur von der Frachtersparnis, sondern auch von andern Umständen, z. B. besonders von der Art und Weise der Güterverteilung ab. Insbesondere ist vom Standpunkt der frachtgebenden Unternehmung aus nicht die reine Prachtdifferenz massgebend, sondern der Vergleich der mit dem Güterbezugs- bzw. -versand verbundenen Gesamtaufwendungen (z. B. Lagerhaltung). Der Einfluss dieser Umstände wurde, nach Konsultierung von Spezialisten auf dem Gebiete der Einfuhr und Verteilung der verschiedenen Güterarten, berücksichtigt. Aus betrieblichen, Verkaufs- oder transporttechnischen Gründen würden auch nach einer Schiffbarmachung des Hochrheins namhafte Mengen an Getreide, an flüssigen Brennstoffen und an «übrigen Gütern», welche für das Einzugsgebiet der Hochrheinschiffahrt bestimmt sind, in Basel gelöscht, allenfalls gelagert und mit Bahn oder Lastwagen abtransportiert werden. Die Grosse dieser Mengen wurde geschätzt und von den Gütermengen der Hochrheinschiffahrt in Abzug gebracht.

b. Für das Getreide, die flüssigen und die festen Brennstoffe wurde nicht einfach schematisch auf die Importmengen des Jahres 1950 abgestellt, sondern auf den durchschnittlichen jährlichen Importbedarf, wie er für die nächsten Jahre von den Fachstellen eingeschätzt worden ist.

Bei den «übrigen Gütern» wurde angenommen, dass ihr Anteil im Verhältnis zum gesamten Verkehr etwa gleich gross sei wie beim heutigen Basler Verkehr. Man muss sich fragen, ob die Fahrt nach den Hochrheinhäfen für den Verkehr mit Stückgütern, welche einen allerdings relativ kleinen Teil der «übrigen Güter-» ausmachen, nicht zu lange, dauern würde. Wir haben aber schon darauf hingewiesen, dass die Fahrt auf dem Hochrhein nicht besonders langsam wäre. Natürlich würden aber die Güter weniger rasch an ihren Bestimmungsort in der Schweiz gelangen, wenn sie
mit dem Schiff weiter über Basel hinaus geführt werden, anstatt in Basel auf die Bahn verladen zu werden.

In Anbetracht der grossen Frachtersparnisse, die sich gerade auf diesen Gütern ergäben, ist es aber nicht wahrscheinlich, dass infolge der in Frage kommenden Verlängerung der Transportzeit der Hochrhein in relativ kleinerem Umfange für Stückgütertransporte benützt würde als der Ehein bis Basel. Für die Art der Stückgüter, welche bisher bis Basel auf dem Wasser transportiert werden, würde in der Eegel die in Frage kommende Verlängerung der Transportzeit keine Eolle spielen, sonst wären sie auch schon bisher nicht dem Wasserverkehr anvertraut worden. Es ist sogar anzunehmen, dass eine relativ kleine Menge an

561 «übrigen Gütern» vom bisher ungebrochenen Schienenverkehr auf das Wasser abwandern würde. Dafür würde eine für.das Einzugsgebiet bestimmte Menge «übriger Güter», von etwa der gleichen Grössenordnung, wie bisher in Basel umgeschlagen.

In bezug auf die «Talgüter», also die Güter, die von den Hochrheinhäfen rheinabwärts transportiert würden, ist überlegt worden, ob in bezug auf die heute im Einzugsgebiet der Hochrheinschiffahrt augebeuteten Eohstoffe eine Intensivierung oder Aufnahme des Exportes als Folge der Schiffbarmachung des Hochrheins wahrscheinlich ist. Untet günstigen Voraussetzungen könnte mit namhaften Exportmengen an Eohstoffen aus dem Einzugsgebiet der Hochrheinschiffahrt gerechnet werden. Die Voraussetzungen sind jedoch zu unsicher, als dass diese Mengen zum Gegenstand zahlenmässiger Bewertung gemacht werden könnten.

c. Je nachdem, ob man von allfälligen tarifarischen Konkurrenzmassnahmen der Bahn gegenüber der Hochrheinschiffahrt ausgeht oder ob man die effektiv geltenden Bahntarife zugrunde legt, ergibt sich für den schweizerischen Hochrheinverkehr eine Gütermenge von 1,1-1,5 Millionen Tonnen im Jahr, wobei der Anteil des Bergverkehrs 1,05-1,4 Millionen Tonnen im Jahr und des Talverkehrs 0,05-0,1 Millionen Tonnen im Jahr betragen würde. Im Hinblick auf deutsche und österreichische inoffizielle Schätzungen würden an den gesamten, auf dem Hochrhein beförderten Gütermengen (in Tonnen) die Schweiz und Deutschland etwa zu gleichen Teilen, Österreich mit einem kleineren Anteil partizipieren; der Anteil der Schweiz an den Verkehrsleistungen (in tkm) wäre gegenüber Deutschland zufolge der kürzeren Transportstrecken etwas kleiner. Vom gesamten schweizerischen Hochrheinverkehr würden auf die Strecke, welche oberhalb eines in Eglisau oder der Nähe sich befindlichen Hafens liegt, also auf die Häfen in Schaffhausen und am Bodensee, ca. 25 Prozent, also ein Viertel, entfallen.

Die Berechnung dieser schweizerischen Güterverkehrsmengen basiert u. a.

auf bestimmten betriebswirtschaftlichen und betriebsorganisatorischen Voraussetzungen. So mussten insbesondere der Belastungsgrad und die Fahrzeiten auf Grund der verkehrstechnisch voraussehbaren Möglichkeiten festgelegt werden. Ob sich jedoch im Hinblick auf die zu erwartenden verkehrswirtschaftlichen Verhältnisse, d. h. auf die weitergehende
Verästelung der Verkehrsbedürfnisse auf der Hochrheinstrecke die angenommenen Betriebsbedingungen bzw. die Frachten tatsächlich auch einstellen werden, kann nicht mit Bestimmtheit vorausgesagt werden.

d. Die berechnete Gütermenge ist auch im Hinblick auf die Entwicklung des gesamten Importbedarfes verschiedentlich angezweifelt worden. Dazu sind einige Bemerkungen angebracht.

Es zeigte sich bei den Berechnungen, wie wichtig es ist, für die Schaffung einer genügend sichern Ausgangslage von den heute bekannten, statistisch belegbaren Verhältnissen auszugehen -und gegenwärtig sich abspielende Entwicklungen zahlenmässig nur auf eine kurze Zeit hinaus, und nur dann zu be^

562

Abb. 8 ·· Aufteilung der Gütermenge der Hochrheinschiffahrf nach Kantonen rücksichtigen, wenn sie wirklich gut überblickbar sind. Dieses Vorgehen war besonders auch erforderlich für die zahlenmässige Ermittlung der volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Hochrheinschiffahrt auf die bestehenden Verkehrsträger und Verkehrseinrichtungen, deren Ergebnisse im Kapitel H des vorliegenden Berichtes wiedergegeben werden. Diese Auswirkungen können zahlenmässig mit einiger Sicherheit nur für die heute bekannten Wirtschaftsverhältnisse und ohne Berücksichtigung weiterer Eeaktionen der Wirtschaft ermittelt werden. Die Beurteilung der Frage der weiteren, noch mehr in der Zukunft liegenden Auswirkungen auf die Volkswirtschaft ist nur in einer viel unbestimmteren Weise möglich und muss deshalb Gegenstand eines besonderen Kapitels bilden.

Bei der Berechnung der Gütermengen ist es ebenfalls nicht angängig, positive oder negative Entwicklungsmöglichkeiten zu berücksichtigen, die sich heute nur sehr unbestimmt erfassen lassen und im übrigen vielleicht die ganze heutige Wirtschaftslage, vor allem die Verkehrswirtschaft, stark beeinflussen könnten. Denn man müsste dann versuchen, diese Entwicklungsmöglichkeiten nicht nur bei den Gütermengen, sondern bei den anderen wirtschaftlichen Gegebenheiten (z. B. bei den Bahnen) zu berücksichtigen, womit man eine eindeutig definierte Ausgangslage verlieren würde.

563 Aus diesem Grande ist z. B. bei der zahlenmässigen Ermittlung der Gütermengen nicht versucht worden, zu berücksichtigen, was entstehen könnte, wenn die östlichen Wirtschaftsgebiete sich wieder vermehrt einschalten würden.

Man kann sich Wirkungen einer solchen Einschaltung vorstellen, die eine Verminderung der berechneten Gütermengen zur Folge hätten; gleichzeitig erscheinen jedoch Reaktionen und neue Faktoren möglich, die einer Verminderung entgegentreten würden.

Einige Unsicherheit scheint in Fachkreisen des Importes und des Handels bezüglich der Einfuhr von festen Brennstoffen zu bestehen. Es wird u. a. geltend gemacht, dass feste Brennstoffe weiterhin durch flüssige Brennstoffe und elektrische Energie ersetzt würden. In den Berechnungen, die unserem Berichte zugrunde liegen, ist der Eückgang infolge der Zunahme der Einfuhr an flüssigen Brennstoffen so gut wie möglich berücksichtigt worden, wobei die Summe der .Mengen an -flüssigen und festen Brennstoffen genügend gesichert sein dürfte.

Ferner dürften in absehbarer Zeit die schweizerischen Wasserkräfte voll ausgebaut sein, so dass dann die weitere Energienachfrage voraussichtlich durch ausländische feste oder flüssige Brennstoffe gedeckt werden muss, wobei sich auch die Frage der Verwendung von Atomenergie stellt. Es ist dies ebenfalls ein typischer Fall, wo man sich ebensogut Wirkungen vorstellen kann, die zu einer Erhöhung der Gütermenge, wie solche, die zu einer Verminderung führen würden. Auf Grund der heute möglichen Ausblicke ist es nicht gegeben, aus solchen ,,Überlegungen heraus Korrekturen an den Gütermengen anzubringen.

Die unserem Berichte zugrunde liegenden Berechnungen über den zukünftigen Importbedarf an festen und flüssigen Brennstoffen sind durch den Bericht des Komitees für Energiefragen im schweizerischen Nationalkomitee der Weltkraftkonferenz «Übersicht über den gesamten Energieverbrauch der Schweiz im heutigen Zeitpunkt und Schätzung des künftig zu erwartenden gesamten Energiebedarfes» vom Jahre 1953 bestätigt worden.

Die Entwicklung des gesamtschweizerischen ImportVerkehrs wie auch des Verkehrs über die Basler Eheinhäfen seit 1950 zeigt jedenfalls, dass in der Festlegung der Gütermenge des Einzugsgebietes der Hochrheinschiffahrt auf 1,1 bis 1,5 Millionen Tonnen im Jahr ein erheblicher Sicherheitsfaktor enthalten ist.
Es ist auch die Frage geprüft worden, ob es wahrscheinlich sei, dass der Hochrheinschiffahrt für den Transport der flüssigen Brennstoffe eine Konkurrenz durch pipe-lines entstehen könnte, ferner ob die wachsende Bedeutung der italienischen Baffinerien in absehbarer Zeit ein starkes Anwachsen der Südimporte zur Folge haben könnte. Es ergab sich, dass im oben erwähnten Sinne eine Korrektur an den im vorliegenden Bericht genannten Gütermengen wegen der Frage der pipe-lines und der italienischen Baffinerien nicht erforderlich ist.

Ferner wurde geprüft, welchen Einfluss die Neckarschiffahrt haben könnte.

Es treten dabei so viele Unbekannte in Erscheinung, dass eine sichere Voraussage nicht möglich ist. Immerhin darf es als unwahrscheinlich erachtet werden,

564

dass der Hochrheinschiffahrt erhebliche Gütermengen durch die Neckarschiffahrt weggenommen würden.

Endlich sei noch darauf hingewiesen, dass das Zentralbureau der schweizerischen Vereinigung für Landesplanung auf ganz andere und unabhängige Weise eine praktisch gleich grosse Gütermenge wie das Amt für Wasserwirtschaft gefunden bat.

IV. Die Aufteilung des Umschlages in den Hochrheinhäfen auf Bahn und Motorlastwagen a. Die Beteiligung des Lastwagens am Umschlag der Basler Häfen hat in den letzten Jahren zugenommen, besonders wegen des bedeutend höhern Anteiles an der Abfuhr flüssiger Brennstoffe. Der gesamte Anteil ist von 11,7 Prozent im Jahre 1950 auf 19,4 Prozent im Jahre 1954 gestiegen. Es wird nicht für unmöglich gehalten, dass der Anteil des Lastwagens noch etwas weiter ansteigen wird. Die Berechnungen wurden deshalb auf Grund sowohl des prozentualen Anteiles, wie er etwa 1950 bestand, als auch eines ungefähr doppelt so hohen Anteiles durchgeführt.

b. Schwierig ist es, den Anteil des Motorlastwagens am Umschlag in den Hochrheinhäfen zu schätzen. Die Transportdistanzen ab den Hochrheinhäfen werden mit einem Durchschnittswert von rund 40 km bedeutend kleiner sein als jene ab den Basler Häfen mit einem Durchschnittswert von rund 110 km.

Dieser Umstand und die relativ starke Entwicklung des Lastwagenverkehrs mit den Basler Häfen würde dafür sprechen, dass der Anteil des Lastwagens am Umschlag in den Hochrheinhäfen recht hoch sein müsste. Aber die Bewegung in Basel ist doch wieder nicht eine solche, dass aus ihr extrem hohe Anteilzahlen bei den Hochrheinhäfen abgeleitet werden sollten; vor allem, weil bei den «übrigen Gütern», die sich besonders häufig für den Lastwagen eignen, der Anteil im Basler Verkehr mit nur etwa 17 Prozent erstaunlich klein ist. Es sprechen, abgesehen von Erfahrungen in Deutschland, verschiedene Umstände dafür, dass der Anteil des Motorlastwagens am Verkehr der Hochrheinhäfen nicht ins Extreme wachsen dürfte. Wir möchten hier darauf hinweisen, dass bei den schweizerischen Hochrheinhäfen der Talverkehr nur rund 7 Prozent des gesamten Wassertransportes ausmachen würde. Die Möglichkeiten zu Rücktransporten nach den Hochrheinhäfen sind deshalb nicht gut, jedenfalls schlechter als bei einem Zentrum wie die Stadt Basel. Auch besteht zwischen vielen Betrieben und der Bahn ein
besonderes Verhältnis infolge von Tarifabkommen.

Die Bahnfreundlichkeit und Bahntreue spielen ebenfalls eine erhebliche Eolle.

Es ist ferner zu berücksichtigen, dass der grössere Teil der Gütermengen an eine kleine Zahl von Empfängern geht, so dass also der einzelne Empfänger relativ grosse Mengen erhält; es sind dies Grossbezüger, die in der Regel über Bahnanschluss verfügen. So gingen 1950 von der Gesamtmenge beim Brotgetreide 92 Prozent nach 23 Orten, wobei von den darunter sich befindlichen Bezügern 18 über Bahnanschluss' verfügen; bei den festen Brennstoffen 60 Prozent an

565 nur 7 Empfangsorte, wobei die Industrie- und Gaskohle den Hauptanteil des Umschlages an festen Brennstoffen in den Hochrheinhäfen.ausmachen würden.

Die meisten der Grossbezüger haben besonders rationelle Einrichtungen für den Auslad der Güterwagen geschaffen. Bei den flüssigen Brennstoffen sind von Fachkreisen gewichtige Gründe gegen eine extreme Zunahme des Anteils des Lastwagens geltend gemacht worden; zudem verfügen sämtliche Grossabnehmer über Bahnanschluss. Von der gesamten Menge gehen rund 80-90 Prozent an nur ca. 30 Empfangsstationen.

Immerhin besteht eine erhebliche Unsicherheit darüber, wie gross der Anteil des Motorlastwagens am Umschlag der Hochrheinhäfen angenommen werden soll. Um dieser Unsicherheit Eechnung zu tragen, wurden auch hier zwei Varianten geprüft, die eine mit einem, für alle Güter zusammen genommen, im Durchschnitt nur wenig höheren Anteil als in Basel, d.h. unter Berücksichtigung der seit 1950 eingetretenen Entwicklung mit einem solchen von 20% und die andere mit einem ganz erheblich höheren durchschnittlichen Anteil von rund 55 Prozent. Angesichts der sich heute abzeichnenden Entwicklung dürfte die letzte Annahme der Wirklichkeit am nächsten kommen. Im Interesse der Übersichtlichkeit des Berichtes wurde darauf verzichtet, die sich ergebenden Zahlenwerte für beide Varianten durchgehend aufzuführen; es wurden durchgehend nur jene für die Variante mit 55% angegeben. Dies ist zulässig, da durch die Unterschiede in den beiden Varianten die weiteren Untersuchungsergebnisse zahlenmässig nur wenig beeinflusst und ihre Bewertung, wie auch die Schlussfolgerungen nicht geändert werden.

G. Die einzelwirtschaftliche Beurteilung der Wasserstrasse I. Der gesamte Aufwand für Bau, Betrieb, Unterhalt und Erneuerung der Wasserstrasse a. In Kapitel B/HI haben wir bemerkt, dass man auf lange Sicht mit der Erstellung von je zwei Schleusen pro Staustufe bis in die Gegend von Eglisau rechnen müsste. Der deutsche und der schweizerische Verkehr zusammen könnten wohl auch auf die Dauer mit je einer Schleuse pro Stufe bewältigt werden; das Hinzutreten des österreichischen Verkehrs würde aber auf die Dauer die Erstellung je einer zweiten Schleuse bedingen. Für die oberhalb liegende Strecke bis zum Bodensee würde dagegen je eine Schleuse pro Haltung genügen. Es war deshalb gegeben, bei den
volkswirtschaftlichen Untersuchungen, bei welchen Verkehrsmengen ermittelt wurden, die srch auch erst nach längerer Zeit einstellen würden, von dem Kostenaufwand für einen Ausbau mit je zwei Schleusen pro Stufe bis in die Gegend von Eglisau und mit je einer Schleuse pro Stufe für die oberhalb liegende Strecke bis zum Bodensee auszugeher. Nach Kapitel B/III beträgt dieser Aufwand 265 Millionen Franken für die Erstellung und rund 4 Millionen Franken pro Jahr für Betrieb, Unterhaltung und Erneuerung der Wasserstrasse. Dazu kommt noch der Aufwand, welcher den Kraft-

566 werken in den Konzessionen auferlegt wird oder der dadurch entsteht, dass ein Teil der Wassermenge, anstatt zur Erzeugung von elektrischer Energie, zum Betrieb der Schleuse verwendet würde.

6. Ohne zukünftigen internationalen Verhandlungen vorgreifen zu wollen und ohne Präjudiz für die Anwendung von Artikel 6, Absatz 2, des Vertrages von 1929 wurden für die Darstellung der Wirkungen der Hochrheinschiffahrt auf die schweizerische Volkswirtschaft hypothetische Annahmen über den schweizerischen Anteil am Aufwand für die Wasserstrasse von 10, 20, 80, 40 und 50 Prozent gemacht.

c. Dementsprechend würde der jährliche Aufwand für die Erstellung, den Betrieb, den Unterhalt und die Erneuerung der Wasserstrasse für die Schweiz betragen : Schweizerischer jährlicher Aufwand für die Wasserstrasse

Tabelle 3

Jährlicher Aufwand in Mio Pranken bei ein er schweizerischen Kostenbeteiligung von

Betrifft

Verzinsung des Anlagenkapitals zu 3 5 Prozent Betrieb, Unterhalt und Erneuerung. .

Zuschlag für die Belastung der schweizerischen Energieproduktion und schweizerische Minderproduktion an elektrischer Energie .infolge Abgabe von Schleusenwasser 1) Total

10%

20%

30%

40%

50%

0,93 0,40

1,85 0,80

2,78 1,19

3,71 1,59

4,63 1,99

0,30 1,63

0,30 2,95

0,30 4,27

0,30 5,60

0,30 6,92

Ein besonderer Posten für Abschreibungen als Ausgleich der Wertverminderung der Wasserstrasse fällt weg, da die Ansätze für Unterhalt und Erneuerung auf Grund der Erfahrung entsprechend hoch angesetzt sind. Ebenfalls wird kein Betrag für die Tilgung eingesetzt; denn die Tilgung stellt keinen volkswirtschaftlichen Aufwand, sondern eine Kapitalneubildung dar.

II. Die privatwirtscliaftlichen Frachtersparnisse a. Auf Grund der ermittelten Gütermengen und den Feststellungen über ihren Bestimmungs- bzw. Herkunftsort, der Aufteilung der Gütermengen auf Bahn und Motorlastwagen, ferner der Bahntarife, der Frachtsätze für Lastwagen und Schiff, der Gebühren, Abgaben und Taxen, welche in den Häfen beim Umschlag sowie für eine allfällige Lagerung und Behandlung der Güter zu bezahlen sind, konnte je für den Zustand ohne und mit Hochrheinschiffahrt ermittelt l ) Der Gesamtbeitrag der Kraftwerke würde etwas mehr als zur Hälfte (entsprechend den Energieanteilen) durch die schweizerische Energieproduktion getragen.

Das ist berücksichtigt worden.

567 werden, welche Belastung das Einzugsgebiet der Hochrheinschiffahrt durch Frachten der schweizerischen Bahnen, des schweizerischen Motorlastwagenverkehrs sowie der Schiffahrt oberhalb Basel und durch die Kosten in den Häfen erfährt. Daraus ergibt sich auch, welche direkte privatwirtschaftliche Frachterparnis in der Schweiz entstehen würde. .

Zu dieser käme wohl noch eine, wenn auch relativ kleine, Frachtersparnis im Ausland. Eine solche ergibt sich einmal, weil angenommen werden darf, dass eine kleine Menge an Gütern vom bisher ungebrochenen Bahntransport auf den billigeren Wassertransport abwandern würde. Als Folge der Schiffahrt Basel-Bodensee durften aber allfällig auch noch ausländische Bahntarife in Verkehrsbeziehungen, die bei der Berechnung der direkten Frachtersparnisse nicht erfasst worden sind, ermässigt werden; wie weit dies der Fall sein könnte, ist schwer zu sagen. Es schien aber gerechtfertigt, diese direkten und indirekten Frachtersparnisse im Ausland durch einen relativ kleinen Betrag von rund 0,5 Millionen Franken im Jahr zum Ausdruck zu bringen.

b. Die direkten privatwirtschaftlichen Frachtersparnisse in der Schweiz, d. h. zwischen Basel und dem Einzugsgebiet des Hochrheins, würden jährlich rund 9 Millionen Franken ausmachen. Sollte die Gütermenge nicht den Umfang von 1,5 Millionen Tonnen erreichen, und treten insbesondere noch Tarifsenkungen der Bahnen hinzu, so könnten diese unmittelbar aus der Benutzung des Wasserweges entstehenden Ersparnisse reduziert werden. Allerdings käme die Differenz, soweit sie mit Tarifsenkungen der Bahnen zusammenhängt, letztlich doch den Verfrachtern zugute.

Tabelle 4 Zusammensetzung der privatwirtschaftlichen Frachtersparnis in der Variante : Abwandernde Gütermenge =1,5 Millionen Tonnen und durchschnittlicher Anteil der Lastwagenabfuhr ab Hochrheinhäfen = 55 Prozent Betrifft

Bahnfrachten Strassenfrachten . . . .

Hafenumschlag . . . .

Schiffsfrachten Total

Transportaufwand In Mio Fr.

vor dem Ausbau

nach dem Ausbau

20,8 6,2 7,3

5,7.

7,9 7,2 47 25,5

34,3

Privatwirtschaftliche der Schweiz in Mio Fr.

+ 15,1 -- U + 0,1 - - - -17

+ 8,8

Die direkten Frachtersparnisse in der Schweiz würden nach Tabelle 4 rund 26 Prozent dessen ausmachen, was bisher für den Bahn- und Lastwagentransport sowie in den Basler Häfen für die auf den Hochrhein abwandernde Gütermenge bezahlt worden ist. Nur auf die bisherigen Bahn- und Lastwagenfrachten bezogen, würden es rund 32 Prozent sein. Es handelt sich bei diesen Angaben um Durchschnittswerte, die je nach Gut und Wasserstrassenferne im einzelnen Falle über- oder unterschritten werden können. Die Frachtersparnis pro Tonne wäre am grössten bei den «Übrigen Gütern», den weissen flüssigen Brennstoffen

568 und dem Futtergetreide, am kleinsten beim Brotgetreide, den festen Brennstoffen und den schwarzen flüssigen Brennstoffen.

c. Die Höhe der Frachtersparnis wird nur wenig davon beeinflusst, welchen Anteil des Lastwagens am Umschlag in den Hochrheinhäfen man annimmt, und ob man, wie in Kapitel F/II/d ausgeführt wurde, allfällige Konkurrenzmassnahmen der Bahn berücksichtigt oder nicht. Durch solche Konkurrenzmassnahmen der Bahn würde wohl das Einzugsgebiet bzw. die auf die Hochrheinschiffahrt abwandernde Gütermenge kleiner. Die gesamten Frachtersparnisse würden jedoch, wie bereits erwähnt, etwa gleich bleiben. Es erscheint ja auch richtig, dass bei der Beurteilung eines neuen Verkehrsmittels von den bestehenden Tarifen der Bahn ausgegangen wird und nicht von denjenigen, die erst infolge der Konkurrenz durch das neue Verkehrsmittel entstehen. Sollten allerdings die Bahnen ihren Ausfall z. T. durch Tariferhöhungen auch im Bereiche der Hochrheinschiffahrt wettzumachen suchen, dann würden die privatwirtschaftlichen Frachtersparnisse per Saldo auch in der Ostschweiz geringer.

Eine gewisse indirekte Minderung der errechneten Ersparnisse ergäbe sich aber auch, wenn die Bahnen nicht zu Tariferhöhungen schreiten könnten und deshalb der Bahnausfall, sofern er nicht durch eine weitere Entwicklung wettgemacht würde, eine stärkere Belastung der öffentlichen Hand zur Folge hätte.

Es ist übrigens, wie die Erfahrung bei der Eheinregulierung auf der Strecke zwischen Strassburg und Basel gezeigt hat, auch nicht sehr wahrscheinlich, dass wegen Tarifsenkungen der Bahn, als Konkurrenzmassnahme gegen die Schiffahrt, viel weniger Gütermengen auf die Schiffahrt abwandern würden als die Berechnung auf Grund der unveränderten Bahntarife ergibt ; denn auch die Schiffahrt könnte die Frachten reduzieren, und es ist eher wahrscheinlich, dass es zu einer Verständigung über den Konkurrenzbereich käme. Eine solche Verständigung wäre anderseits aber auch nicht solcher Natur, dass sie die Frachtsätze der Schiffahrt weit über die Selbstkosten in die Höhe zu treiben vermöchte und infolgedessen die errechnete Frachtersparnis gar nicht erzielt werden könnte.

III. Vergleich des Aufivandes und der privativirtschaftlichen Frachtersparnisse Wie sich bei schweizerischen Kostenanteilen von 10 bis 50 Prozent die privatwirtschaftlichen
Frachtersparnisse zu dem gesamten jährlichen Aufwand für Bau, Betrieb, Unterhalt und Erneuerung der Wasserstrasse verhalten würde, geht aus Tabelle 5 hervor. Dabei sind die mit rund 0,5 Millionen Franken angenommenen Ersparnisse im Ausland mit eingerechnet.

Es ist schon bei früheren Untersuchungen auf Grund der Vorkriegsverhältnisse festgestellt worden, dass bei einem nicht zu hohen schweizerischen Kostenbeitrag an die Hochrheinschiffahrt die Frachtersparnisse die Wasserwegkosten übersteigen. Diese Art der Gegenüberstellung ist allerdings im streng wissenschaftlichen Sinne nicht einwandfrei, weil privatwirtschaftliche Einsparungen und öffentlicher Aufwand auf verschiedenen Ebenen liegen. Wie früher erwähnt,

569 Tabelle 5 Privatwirtschaftliche Frachtersparnisse und Aufwand in der Variante : Abwandernde Gütermenge = 1,5 Millionen Tonnen und durchschnittlicher Anteil der Lastwagenabfuhr ab Hochrheinhäfen = 55 Prozent Beträge in Mio Fr. bei einem schweizerischen Kostenanteil von

Betrifft

Prachtersparnisse . . .

Jährlicher Aufwand für Bau, Betrieb, Unterhalt und Erneuerung .

Die Prachtersparnisse überwiegen den Aufwand um

10%

20%

30%

40%

50%

9,3

9,3

9,3

9,3

9,3

1,6

3,0

4,3

5,6

6,9

7.7

6.3

5.0

3.7

2.4

könnte aber eine rein privatwirtschaftliche Beurteilung für sich allein ohnehin nicht entscheidend sein. Die hier ermittelten Frachtersparnisse sind aber wichtig für die Beurteilung der Wirkung auf die Wirtschaft des Einzugsgebietes der Hochrheinschiffahrt.

Im Hinblick auf die letztlich entscheidende gesamtwirtschaftliche Bedeutung sind die Frachteinsparungen auch nach ihrer sozialwirtschaftlichen Bedeutung, d. h. nach der verbilligenden Wirkung beim Konsumenten, zu beurteilen. Wo z. B. kartellistische Abmachungen und Preisfestsetzungen oder andere Umstände die Weiterleitung der Frachtersparnis hindern, würde einzelnen Unternehmern ein erhöhter Gewinn verschafft.

H. Die Wirkungen einer Schifîbarmachung des Hochrheins auf die bestehenden Verkehrsträger und Verkehrseinrichtungen I. Die Wirkung auf die schweizerischen Eisenbahnen a. Die Hochrheinschiffahrt wäre ein Verkehrsmittel, welches nicht die gleiche Allgemeineignung wie die Bahn besitzt, und sie wäre in viel stärkerem Masse von naturgegebenen Störungsfaktoren abhängig als die Bisenbahn. Das Bahnsystem des Einzugsgebietes müsste in vollem Umfange intakt gehalten werden.

Die Hochrheinschiffahrt ist auch nicht zur Entlastung der Eisenbahn nötig.

Letztere ist durchaus in der Lage, die nach und aus der Ostschweiz anfallenden Gütermengen zu befördern, und zwar auch noch, wenn sich die Transportnachfrage der Menge nach stark steigern würde. Da die Güterzüge auch nachts rollen, wäre die streckenmässige Belastung bei einer solchen Steigerung des Güterverkehrs tragbar. Die Entlastung der Bahnhöfe Zürich, Oerlikon und Winterthur durch die Hochrheinschiffahrt wäre zwar nennenswert, fällt aber nicht so ins Gewicht; denn die Mehrbelastung dieser Bahnhöfe ist primär durch den stetig wachsenden Personenverkehr bedingt.

570 Dagegen wäre eine Entlastung der Strassenverbindungen mit Basel infolge der Hochrheinschiffahrt als Vorteil zu betrachten.

b. Je nach der Einschätzung des Anteils des Lastwagens am Umschlag in den Basler Häfen sowie in den Hochrheinhäfen und je nach der Beurteilung tarifarischer Kampfmassnahmen der Bahn würde die Transportmenge der Bahn im Verkehr zwischen Basel und dem Einzugsgebiet der Hochrheinschiffahrt um rund 0,9 bis rund 1,4 Millionen Tonnen pro Jahr verkleinert. Ab und nach den Hochrheinhäfen hätte sie rund 0,5 bis 1,8 Millionen Tonnen pro Jahr zu transportieren. Die mittlere Transportdistanz würde von rund 110 km ab den Basler Häfen auf rund 30 bis 40 km ab den Hochrheinhäfen abnehmen. Dadurch würde für die schweizerischen Bahnen ein Frachtausfall von 18-15 Millionen Franken pro Jahr entstehen, das sind rund 4,5 Prozent der Einnahmen der Schweizerischen Bundesbahnen aus dem Güterverkehr, bezogen auf den Durchschnitt der fünf Jahre 1950-1954. Die Schweizerischen Bundesbahnen schätzen den Ausfall noch etwas höher ein, da sie mit einer noch stärkeren Konkurrenz des Lastwagens im Verkehr mit den Hochrheinhäfen rechnen.

In diesem Zusammenhang machen die Schweizerischen Bundesbahnen insbesondere noch folgendes geltend: Nach ihren neuesten Berechnungen verursachte der Personen- und Gepäckverkehr 1952 einen Verlust von rund 40 Millionen Franken. Dieser Fehlbetrag wurde in der Gesamtrechnung dadurch ausgeglichen, dass umgekehrt die Einnahmen des Wagenladungsverkehrs dessen Kosten um rund 40 Millionen Franken überstiegen. Durch die Verwirklichung der Hochrheinschiffahrt würde ausgesprochen der einträgliche Wagenladungsverkehr betroffen. Dessen Einnahmen würden, bezogen auf das Jahr 1952, nach den Schweizerischen Bundesbahnen, um mindestens 15 Millionen Franken zurückgehen, während seine Kosten nur unwesentlich gesenkt werden könnten.

Diese 15 Millionen Franken würden somit zur Deckung des Defizites im Personenverkehr fehlen. Die Schweizerischen Bundesbahnen sind der Ansicht, dass sie zum Ausgleich des Fehlbetrages zu gewissen Tariferhöhungen oder zu einem Abbau von Zugsleistungen schreiten müssten. Die objektive Notwendigkeit dieser Massnahmen müsste gegebenenfalls nachgeprüft werden. In dem Umfange, als sie sich betriebswirtschaftlich aufdrängen, aber im volkswirtschaftlichen Interesse nicht
zur Durchführung kommen könnten, rnüssten die anderweitig nicht kompensierbaren Ausfälle der Schweizerischen Bundesbahnen im Wege der Defizitdeckung, d. h. schliesslich durch den öffentlichen Haushalt, getragen werden.

Es stellte sich die Frage, ob die schweizerischen Bahnen infolge der geringeren Inanspruchnahme nach Gütermenge und Transportdistanz Einsparungen machen könnten. Auf Grund eingehender Berechnungen ergibt sich, dass auf absehbare Zeit der Gesamtaufwand der Bahn nicht gesenkt werden könnte. Dies rührt einmal von den hohen Fixkosten der Bahnen her und von zusätzlichen neuen Kosten für die durch die Hochrheinschiffahrt bedingten Anpassungsarbeiten, ferner für den vermehrten Eangierdienst auf mehreren kleinen Bahn-

571 höfen sowie für den ungünstigen Betrieb auf wenig leistungsfähigen Einspurstrecken usw.

c. Von grossem Interesse ist weiter die Frage, wie sich die Hochrheinschiffahrt auf den Transitverkehr der Bahnen auswirken könnte : Beim Transitverkehr Eichtung Süd-Nord-Süd sind besonders die zentralen und westlichen Gebiete Oberitaliens wichtig. Der Transitverkehr mit diesen Gebieten über den Hochrhein bis Bregenz und von dort über den Arlberg und Brenner hätte, im Vergleich mit dem Weg über den Gotthard oder Lötschb'erg, eine Verlängerung des Eisenbahntransportes bis Mailand um 250 km zur Folge. Dabei ist das Längenprofil über den Arlberg und den Brenner viel ungünstiger als über den Gotthard oder Lötschberg, und der Grad des Ausbaues der durch die Schweiz führenden Linien ist besser als derjenige der Umfahrungs· linie, besonders als derjenige des Arlberges, dessen Zufahrten nur einspurig sind.

Allerdings dürften diese Unterschiede beim modernen elektrischen Bahnbetrieb keine besonders grosse Bolle mehr spielen. Darin zeichnet sich eine Gefahr für den Transitverkehr durch unser Land ab. Die Schweizerischen Bundesbahnen sind der Auffassung, dass sich aus einer Abwanderung von Transitverkehr für sie hohe Frachtverluste ergeben könnten.

Die Gefahr einer Abwanderung von Transitgütern des bisherigen Eisenbahnverkehrs auf den Ehein bzw. Hochrhein darf allerdings nicht. überschätzt werden. Dieser Abwanderung sind von vorneherein Grenzen gesetzt, da es sich beim grössten Teil der in Frage stehenden Transitgüter um solche handelt, die sich für den Wassertransport nicht oder nicht gut eignen. Die Deutsche Bundesbahn würde übrigens einer Abwanderung auf den Ehein der für den gebrochenen Transport sich eignenden Güterarten nicht untätig zusehen, besonders nach der Elektrifikation der Eheinlinie sowie der Linie FrankfurtStuttgart-Ulm-München.

In bezug auf die östlichen Gebiete Oberitaliens würde die Benützung des Hochrheins es dem Auslande erlauben, die Transportweite per Bahn kleiner zu halten als bei einer Benützung der Gotthardverbindung. Hier wäre die Gefahr einer Umfahrung grösser. Damit aber wesentliche Mengen der nach den östlichen Gebieten Oberitaliens bestimmten Güter von Basel nach Bregenz abgezogen würden, müssten diese Güter für den Wasserweg geeignet sein, worauf wir oben schon hingewiesen haben. Zudem
wären seitens der Schweizerischen Bundesbahnen auch auf tarifarischem Gebiet Möglichkeiten vorhanden, der Gefahr einer Abwanderung zu begegnen, was natürlich zu Einnahmeverlusten führen würde. Immerhin dürfte es sich für die in Frage stehenden Mengen um relativ kleine Beträge handeln.

Der Transitverkehr ab den Basler Eheinhäfen nach Italien war in den ·letzten Jahren ziemlich starken Schwankungen unterworfen. Der Anteil am gesamten Umschlag in denBaslerHafenbetrugz.B.ini Jahr 1949 nur 0,7 Prozent, dagegen im Jahr 1951 rund 8 Prozent. Im Durchschnitt dürfte man mit ca. 2 Prozent rechnen.

572

Beim Transitverkehr Bichtung West-Ost-West könnte den Schweizerischen Bundesbahnen Verkehr zwischen Basel und St. Margrethen oder Buchs und umgekehrt verlorengehen, soweit es sich um Güter handelt, die für den Wassertransport überhaupt in Frage kommen. Diese Gütermengen sind auch starken Schwankungen ausgesetzt. Im Jahr 1951 wären etwa 130 000 Tonnen für eine Abwanderung in Frage gekommen, im Jahr 1950 wäre es nur Va dieser Menge gewesen. Es ist somit schwer, für den Ausfall eine Zahl anzugeben.

d. Die Bheinschiffahrt bis Basel hat keine Verlagerung von Importverkehr von den südlichen Zufahrtslinien nach den nördlichen zur Folge gehabt. Der Ausbau des Hochrheins würde voraussichtlich zu einigen kleinen Verschiebungen führen, die vernachlässigt werden dürfen, da sie sich in Gebieten vollziehen könnten, die zur Hauptsache zu den zahlenmässig wenig bedeutenden Randzonen der Einzugsgebiete der Hochrheinschiffahrt gehören.

e. Die Frage, wie der Ausfall, den die Bundesbahnen infolge der Hochrheinschiffahrt unter Umständen erleiden würden, gedeckt werden könnte, erfordert besondere Aufmerksamkeit. Bereits in einer Zeit der Hochkonjunktur ermöglichen es die Geschäftsergebnisse in der Eegel nicht, das Dotationskapital zu verzinsen. Im Hinblick auf den Strassentransport sind Tariferhöhungen im konkurrenzgefährdeten Güterverkehr nicht möglich. Der Ausfall der Schweizerischen Bundesbahnen würde somit ihre Gewinn- und Verlustrechnung belasten.

Dadurch würde, wenn der Ausfall nicht durch eine weitere Entwicklung wettgemacht würde, die Gefahr von Defiziten und einer entsprechenden Belastung der öffentlichen Hand vergrössert.

Der Ausfall könnte gemildert werden, wenn der Bahn neuer Verkehr zufliessen würde. Es wird öfters darauf hingewiesen, dass eine durch die Hochrheinschiffahrt ausgelöste Wirtschaftsbelebung der Nordostschweiz auch mit Neuverkehr für die Bahn verbunden wäre.

Nach Untersuchungen der schweizerischen Vereinigung für Landesplanung wird Neuverkehr, der proportional allen Verkehrsträgern zugute kommt, von Sonderfällen abgesehen, erst dann entstehen, wenn eine breitgelagerte Entwicklung der Wirtschaft einsetzt, aus der heraus vielseitige Verkehrsbedürfnisse entstehen. Eine solche Entwicklung im Einzugsgebiet der Hochrheinschiffahrt erscheint nach Auffassung der Vereinigung für Landesplanung möglich,
sie bedürfe dafür jedoch einer Zeitspanne von 30-50 Jahren, wobei die Entwicklung teilweise auch ohne Hochrheinschiffahrt eintreten könnte. Für die Schweizerischen Bundesbahnen wäre damit ein erheblicher Ausfall und eine entsprechende finanzielle Verschlechterung auf viele Jahre hinaus zu befürchten.

/. Beim heutigen Verkehrsvolumen könnte die Hochrheinschiffahrt die Koordination zwischen Schiene und Strasse erschweren, einmal weil sie der Bahn Güter wegnimmt, bei denen die Bahn allfällige Verluste ausgleichen könnte, die ihr der Lastwagen zufügt, und dann auch, weil sie den Güteranfall zu Ungunsten der Bahn verschieben könnte, je nachdem wie der künftige Anteil des Lastwagens am Umschlag in den Häfen sein würde.

573 Die Hochrheinschiffahrt und der Umschlag in den Hochrheinhäfen würden aber auch Möglichkeiten zur Verkehrsteilung bieten. Es wäre z.B. wohl denkbar, dass zwischen den Bahnen beidseits des Hochrheins und der Schiffahrt eine Vereinbarung über die Verkehrsteilung geschlossen werden könnte. Bei der Schiffahrt nach und von Basel ist eine freiwillige Verständigung mit den Bahnen schon vor dem zweiten Weltkrieg zustande gekommen; es handelt sich um das «Abkommen über eine Verkehrsteilung zwischen der Eisenbahn und der Bheinschiffahrt», abgekürzt als AVEE bezeichnet. Bei den Massengütern haben sich die Bahnen verpflichtet, die Schiffahrt nicht durch Spezialtarife zu konkurrenzieren; dagegen wird der Transport hochwertiger Güter der Beförderung durch die Bahn vorbehalten. Der Transport von Gütern, welche in ihrer Art zwischen den beiden genannten Gruppen liegen, bilden den Gegenstand des Wettbewerbs.

Es erscheint weiter möglich, dass bei den Hochrheinhäfen von Anfang an der Ab- und Zutransport durch Schiene und Motorlastwagen zweckmässig aufgeteilt werden könnte. Voraussetzung dafür wäre, dass sich die Eisenbahnverwaltungen frühzeitig genug in die Fragen der Erstellung und Ausrüstung der Häfen, besonders hinsichtlich des Anschlusses an die Schiene, einschalten würden.

Dazu würden sie gute Gelegenheit haben, da die Haupthäfen doch an die Bahn angeschlossen werden müssten. Es könnte z.B., wie ausländische Beispiele zeigen, auf Industrien, die an der Wasserstrasse liegen, Einfluss genommen werden, dass nicht ein eigener Werkhafen erstellt, sondern ein öffentlicher Hafen mit Geleiseanschluss benützt würde.

II. Die Wirkung auf den Motorlastwagen Je nachdem der Anteil des Lastwagens am Umschlag in den Hochrheinhäfen, die weitere Entwicklung des Lastwagenverkehrs mit den Basler Häfen sowie die Möglichkeiten allfälliger tarifarischer Kampfmassnahmen der Bahn gegen Schiff und Lastwagen beurteilt werden, würde der Anteil des Lastwagens am Güterverkehr mit dem Einzugsgebiet der Hochrheinschiffahrt von rund 200 000 t bis auf rund 800 000 t steigen. Die Transportdistanzen wären jedoch kürzer, so dass sich ein Ausfall an Frachteinnahmen für den Lastwagenverkehr ergeben könnte, wenn die genannte Erhöhung nur zum Teil erreicht wird, dagegen Mehreinnahmen bei einer Transportmenge von 800 000 t. Es würde sich sowohl
bei einem Ausfall wie bei Mehreinnahmen um relativ bescheidene Beträge bis maximal je rund 1,7 Millionen Franken im Jahr'handeln.

III. Der Ausfall in den bestehenden Basler Häfen a. Auch der Ausfall in den bestehenden Basler Häfen hängt davon ab, wie.

man den Anteil des Lastwagens im Verkehr mit den bisherigen Häfen und mit den Hochrheinhäfen sowie den Einfluss tarifarischer Massnahmen der Bahnen einschätzt. Er würde auch davon abhängen, wie weit Basel als hafenwirtschaftliches Zentrum im Schiffsverkehr mit den schweizerischen Hochrheinhäfen Bundesblatt. 108. Jahrg. Bd. I.

40

574

eingeschaltet wäre. Wir haben uns über diese Möglichkeiten im Abschnitt C/II1 über die Häfen geäussert ; dazu käme noch die Möglichkeit für Basel, vom deutschen und österreichischen Hochrheinverkehr durch Dienstleistungen zu profitieren. Es erscheint somit nicht ausgeschlossen, dass die Bedeutung Basels als hafenwirtschaftliches Zentrum sogar eher eine Steigerung erfahren würde und dass die Ausfälle und Verluste durch betriebliche Dienstleistungen mannigfacher Art verkleinert werden könnten.

Trotzdem war es erforderlich, sich ein konkretes Bild über die rechnungsmässige Grössenordnung der Ausfälle in Basel zu machen, um sie im Lichte der erwähnten Möglichkeiten beurteilen zu können.

Die Basler Häfen würden rund 1,1 bis 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr ihres früheren Umschlages verlieren, was einem Einkommensausfall der Volkswirtschaft Basels und Umgebung von 6-8 Millionen Franken pro Jahr entspräche. Dieser Ausfall in Basel würde einer Einkommensvermehrung von ähnlicher Grössenordnung in den Hochrheinkantonen infolge der unmittelbaren Auswirkung der Hochrheinhäfen gegenüberstehen.

Wie bei den SBB, war auch hier zu prüfen, ob der Einnahmenverlust der Basler Häfen, als Verkehrsunternehmen betrachtet, nicht durch Einsparungen teilweise ausgeglichen werden könnte. Wegen den Fixkosten der Häfen wäre nur ein teilweiser Ausgleich durch Anpassungen und daraus sich ergebende Einsparungen möglich.

Die Beantwortung der Frage,'wie weit nun der genannte Verlust für die Volkswirtschaft Basels und Umgebung sowie der Verlust der Basler Häfen als Verkehrsträger gesehen, durch die erwähnte Möglichkeit einer Teilnahme am Hochrheinverkehr, insbesondere durch Dienstleistungen, vermindert würden, ist eine schwierige Ermessensfrage, in welcher die Urteile stark voneinander abweichen.

b. Die Frage, ob die Basler Häfen nach einem Hochrheinausbau selbsttragend bleiben könnten, wird verschieden beurteilt, sie ist aber im Rahmen einer volkswirtschaftlichen Bilanz nicht von entscheidender Bedeutung. Dieser letzteren Erwägung wegen geht der Bericht auch nicht näher auf die Eigenwirtschaftlichkeit der Häfen oberhalb Basel ein.

IV. Änderung des transportunrtschaftlichen Aufwandes infolge Hinzutretens der Hochrheinschiffahrt Ein Teil der Gütermengen, die heute in vollem Umfange von den bisherigen Verkehrsträgern transportiert
werden, würde nachher über die Hochrheinhäfen transportiert. Wenn wir also vorerst einen durch die Hochrheinschiffahrt- ausgelösten Neuverkehr nicht berücksichtigen, so hätten sich die bisherigen Verkehrsträger mit einem neu hinzutretenden Verkehrsträger, nämlich der Hochrheinschiffahrt, in den Transport der schon vorhandenen Gütermengen zu teilen. Die neue Wasserstrasse, die darauf betriebene Schiffahrt sowie die neuen Häfen und die mit letzteren verbundenen Anpassungsarbeiten bei den

575 Bahnen verursachen neue Kosten; anderseits lassen sich bei den bestehenden Verkehrsträgern Kosten einsparen. Die Möglichkeiten dieser Kosteneinsparung sind aber wegen der hohen Fixkosten der bestehenden Verkehrsträger beschränkt; sie würde bei den Bahnen durch die genannten Anpassungskosten praktisch aufgehoben.

Es geht bei diesen Berechnungen also nicht etwa um Verkehrsausfälle oder Verkehrsgewinne oder um die Erfolgsrechnungen der Bahnen, der Lastwagenunternehmungen oder der Eeedereien, sondern es geht hier darum, abzuklären, welche geldmässig unmittelbar erfassbaren Veränderungen sich in unserer schweizerischen Verkehrswirtschaft ergeben, wenn durch die Hochrheinschifffahrt ein neuer Verkehrsträger zu den bestehenden Verkehrsträgern hinzutritt.

Bei dieser Fragestellung sind für den Teil des nationalen Verkehrsapparates, der in den Bahnen verkörpert ist, lediglich zwei Veränderungen zu berücksichtigen: die bei den Bahnen wegfallenden Transporte würden transportwirtschaftliche Einsparungen im Ausmass der mit der Transportausführung direkt zusammenhängenden Kosten ermöglichen; anderseits hätten, wie erwähnt, die neuen Häfen Anpassungsarbeiten der Bahnen und damit einen neuen transportwirtschaftlichen Aufwand zur Folge, z.B. durch die Erweiterung von Geleiseanlagen verschiedener Anschlusstationen.

Setzt man für die vorhandene gesamte Transportmenge von 1,5 Millionen Tonnen den für die einzelnen Verkehrsträger anfallenden Aufwand und die erzielbare Einsparung einander gegenüber, so ergibt sich unter der Annahme eines durchschnittlichen Anteiles der Lastwagenabfuhr ab den Hochrheinhäfen von 55 Prozent folgendes: Bei den Bahnen würden sich der neue Aufwand und die möglichen Einsparungen in der Grössenordnung entsprechen, so dass bei ihnen, von der nationalen Transportwirtschaft aus gesehen, gesamthaft keine Änderung des transportwirtschaftlichen Aufwandes einträte.

Beim Lastwagen ergäbe sich ein Mehraufwand von 1,7 Millionen Franken pro Jahr dadurch, dass die Güterabfuhr auf der Strasse ab Hochrheinhäfen umfangreicher wäre als die überflüssig gewordenen Strassentransporte ab den Basler Häfen; er würde sich aber nur ergeben, wenn der Lastwagen einen grossen Anteil, wie hier angenommen 55 Prozent, der Transporte ab den Hochrheinhäfen übernehmen würde.

Bei der Schiffahrt wären die gesamten Kosten
für die Wasserstrasse zusammen mit den Kosten für den Schiffstransport, den Umschlag, die Behandlung usw. grösser als die in Basel wegen der Abwanderung wegfallenden Aufwendungen. Der Mehraufwand würde dabei von der Höhe der schweizerischen Kostenbeteiligung abhängen und betragen: Bei einer Kostenbeteiligung von 10 Prozent: 9,1 Millionen Franken; bei 20 Prozent: 10,4 Millionen Franken; bei 30 Prozent: 11,7 Millionen Franken; bei 40 Prozent: 18,1 Millionen Franken; bei 50 Prozent : 14,4 Millionen Franken.

Insgesamt würde sich somit ein jährlicher transportwirtschaftlicher Mehraufwand ergeben von 10,8 Millionen Franken bei einer schweizerischen Kosten-

576 beteiligung von 10 Prozent, von 12,1 Millionen Franken bei 20 Prozent, von 13,4 Millionen Franken bei 30 Prozent, von 14,8 Millionen Franken bei 40 Prozent und von 16,1 Millionen Franken bei 50 Prozent schweizerischer Kostenbeteiligung.

Diese Zahlen beziehen sich, wie erwähnt, auf das für das Einzugsgebiet der Hochrheinschiffahrt auf Grund der heutigen Verhältnisse in Kechnung gesetzte Transportvolumen von 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr. Das Ergebnis entspricht somit einer statischen Betrachtungsweise, und es sind Beaktionen der Wirtschaft, die durch die Hochrheinschiffahrt ausgelöst werden könnten, nicht berücksichtigt worden. Diese Zahlen dürfen somit nicht etwa als das Ergebnis einer volkswirtschaftlichen Bilanz schlechthin betrachtet werden, sie bringen nur die unmittelbaren transportwirtschaftlichen Auswirkungen zum Ausdruck.

Sie sind also nicht allein ausschlaggebend, ihre Ermittlung ist aber doch als erster Schritt eines methodisch richtigen Vorgehens für die umfassende Beurteilung der Hochrheinschiffahrt unerlässlich.

Die Untersuchung muss also weiter ausgedehnt werden; denn wie aus dem im Kapitel E dargelegten Leitsatz hervorgeht, ist die Frage des mindestmöglichen Aufwandes für den Verkehr als Gesamtes zusammen mit jener der volkswirtschaftlichen sowie staatspolitischen Bedürfnisse und Auswirkungen zu prüfen.

Es stellt sich auch die Frage, ob das neue Verkehrsmittel den bisherigen Verkehrsträgern, denen es Verkehr weggenommen hat, wiederum Neuverkehr zuführen wird. Die genannten Zahlen dürfen somit nur im Zusammenhang mit den übrigen volkswirtschaftlichen Fragen betrachtet werden; denn ein höherer Aufwand für den Transport der vorhandenen Gütermenge könnte von der Volkswirtschaft in Kauf genommen werden, wenn seinetwegen der Volkswirt-, schaftliche Ertrag mehr als entsprechend ansteigen würde.

Über die in dieser Beziehung bestehenden Möglichkeiten und Aussichten werden wir. in den folgenden Kapiteln über die Wirkung der Hochrheinschiffahrt auf die Wirtschaft des Einzugsgebietes berichten. Bei ihrer Beurteilung ist anderseits im Auge zu behalten, dass allfällige Ausfälle im Transitverkehr der Bahnen sich in einer Verminderung des volkswirtschaftlichen Ertrages auswirken würden.

Die Möglichkeiten und Aussichten der volkswirtschaftlichen Ertragssteigerung können freilich häufig
nicht zahlenmässig bewertet werden; sie lassen sich aber durch eine richtige Fragestellung überschaubar und bis zu einem gewissen Grad abschätzbar gestalten (siehe insbesondere die systematische Gliederung der massgebenden Gesichtspunkte im Kapitel J/IV/1). Einzig beides zusammen: die Kenntnis -der unmittelbaren transportwirtschaftlichen Auswirkungen und die Ergebnisse der Analyse der dynamischen Entwicklungsfaktoren gestatten eine umfassende Beurteilung der volkswirtschaftlichen und verkehrspolitischen Auswirkungen der Hochrheinschiffahrt. Dem zweiten Schritt, der Analyse der dynamischen Entwicklungsfaktoren, wenden wir uns nun zu.

577 J. Die Wirkungen der Hochrheinschiffahrt auf die Wirtschaft des Einzugsgebietes I. Die Fragestellung Die Frage, welche Wirkungen die Hochrheinschiffahrt auf die Wirtschaft des Einzugsgebietes und auf die Volkswirtschaft als Ganzes haben würde, greift weit in die Zukunft hinein. Nordostschweizerische Kreise erhoffen von der Hochrheinschiffahrt eine erhebliche Wirtschaftsbelebung. Lässt sich voraussagen, ob und allenfalls in welchem Umfang diese eintreten würde ? Lässt sich berechnen, die Hochrheinschiffahrt würde die Entstehung von so und so vielen neuen Industrien oder die Schaffung einer bestimmten Zahl von Tonnenkilometern Neuverkehr zur Folge haben? Diese Fragen können quantitativ nicht beantwortet werden. Was aber abgeklärt werden muss, ist die Frage, öl) im Einzugsgebiet der Hochrheinschiffahrt überhaupt die allgemeinen Voraussetzungen für eine Wirtschaftsbelebung vorhanden sind und wie diese Gegebenheiten im Lichte des Schiffahrtsprojektes zu beurteilen wären.

Als Grundlage zur Prüfung dieser Fragen dienten unter anderem die Gutachten der, schweizerischen Vereinigung für Landesplanung (VLP) und des Seminars für Verkehrspolitik an der Handelshochschule St. Gallen (im folgenden wird der Kürze halber nur noch die Bezeichnung «Handelshochschule St. Gallen» gebraucht), wobei letzteres besonders die Bedeutung der Frachten als Standortsfaktor näher untersuchte. In erster Linie war eine sorgfältige Analyse des Vorhandenen durchzuführen, um auf diese Weise die Zustände, die gegebenen und wirkenden Kräfte, die Bedürfnisse, die Entwicklungsrichtungen herauszuschälen und zu prüfen, wie diese Faktoren durch die Hochrheinschiffahrt beeinflusst werden könnten und welche Möglichkeiten bestehen. Es sei hier noch festgehalten, dass keine ausländischen Beispiele in strengem Sinne als Vergleichswerte verwendet werden konnten, da ihnen eine anders geartete Wirtschaftsstruktur zugrunde liegt. Dies gilt auch für die Neckarschiffahrt, welche immerhin für die mögliche Entwicklung einige Schlüsse zuliess.

Die Gutachten haben bestätigt, dass in der Schweiz eine allgemeine Tendenz zur weiteren Industrialisierung besteht. Die industrielle Belegschaft ist heute 50 Prozent grösser als 1938. Es kann auch festgestellt werden, dass derzeit aus verschiedenen Gründen mit einer stetig wachsenden Bevölkerungszahl zu rechnen
ist. Damit wächst ebenfalls die Zahl der Arbeitskräfte. Es ergibt sich somit die Notwendigkeit, für diese Arbeitskräfte Verdienstmöglichkeiten zu schaffen.

Die Lösung dieses Problems bedingt eine weitergehende Industrialisierung, wenn der derzeitige Lebensstandard gehalten werden soll.

Nach Erhebungen der VLP dürfte die grundsätzliche Bereitschaft zu einer solchen langsam fortschreitenden Industrialisierung im Einzugsgebiet der Hochrheinschiffahrt vorhanden sein.

Es darf auch vorausgesetzt werden, dass die internationalen Verhältnisse, von vorübergehenden Störungen abgesehen, einer der Zunahme von Arbeits-

578 kräften unseres Landes angemessenen Industrialisierung nicht entgegenstehen.

Dank der zunehmenden Entwicklung bisher rückständiger Länder ist die Situation sogar günstig.

Es bleibt abzuklären, ob neben der grundsätzlichen Bereitschaft der Bevölkerung in der Ostschweiz auch die entsprechenden sachlichen Voraussetzungen zu einer weitern Industrialisierung vorliegen oder durch die Hochrheinschiffahrt geschaffen werden könnten.

II. Die Wirtschaftsstruktur des Einzugsgebietes der Hochrheinschiffahrt I.Allgemeiner Ü b e r b l i c k Das Einzugsgebiet der Hochrheinschiffahrt bildet keine wirtschaftliche Einheit. Auf der in Abbildung 9 dargestellten Industriekarte der Schweiz lassen sich sowohl in bezug auf den strukturellen Aufbau wie auch auf die Intensität und Konzentration der wirtschaftlichen Tätigkeit zwei unterschiedliche Eegionen erkennen : der westliche Teil mit den industriell hoch entwickelten Kantonen Aargau, Zürich und Schaffhausen sowie der östliche Teil, in dem die durch wirtschaftliche Krisen erschütterten Gebiete der Kantone St. Gallen, Thurgau und Appenzell AE liegen.

Der westliche Teil des Einzugsgebietes weist im allgemeinen einen ausgeglichenen Aufbau seiner Industrie auf. Neben den für die schweizerische Wirtschaft charakteristischen Veredelungsbetrieben haben sich in diesem Teil auch verhältnismässig viele Unternehmungen materialintensiven Charakters angesiedelt, was besonders vom Standpunkt des Arbeitsmarktes im Hinblick auf Krisenzeiten ein wertvolles Gleichgewicht in der Wirtschaftsstruktur gewährleistet.

· Ungünstiger liegen dagegen die Verhältnisse im östlichen Teil. Infolge der in neuerer Zeit allerdings gemilderten - Vorherrschaft einzelner Produktionszweige ist es wiederholt zu schweren Erschütterungen der Wirtschaft, zu grosser Arbeitslosigkeit und zu empfindlichen Verlusten gekommen. Auch heute noch sind in den Kantonen St. Gallen, Thurgau und Appenzell rund 65 Prozent der industriell berufstätigen Arbeitskräfte für die Textilindustrie tätig.

Das Gutachten der Handelshochschule St. Gallen weist dabei noch darauf hin, dass auch in der vorherrschenden Wirtschaftsgesinnung gewisse Gradunterschiede festzustellen seien. Der beinahe ununterbrochene Aufstieg der beiden Kantone Zürich und Aargau habe den Optimismus der Unternehmerschaft erhöht und das auf Expansion
ausgerichtete industrielle Denken gestärkt. In den östlichen Kantonen des Einzugsgebietes seien selbst heute, nach einigen Jahren wirtschaftlicher Prosperität, die Folgen der schweren Textilkrise noch nicht als überwunden zu betrachten. Die von den übrigen schweizerischen Unternehmern teilweise verschiedene Mentalität in der Ostschweiz sei vielleicht eine der tiefgründigsten und nachhaltigsten psychologischen Bückwirkungen dieser schwankenden Verhältnisse der letzten fünfzig Jahre.

579 2. Besondere Hinweise auf den östlichen Teil des Einzugsgebietes a. Die Kantone Appenzell, St. Gallen und Thurgau befinden sich am Ende einer Strukturkrisis, wie sie in der modernen schweizerischen Wirtschaftsgeschichte einzig dasteht.

Schon früh verbreitete sich in diesem Gebiet die Stickereiindustrie, der damaligen Zeit entsprechend als typische Hausindustrie. Das Gebiet entwickelte sich in der Folge immer mehr in der Eichtung eines zahlreichen Kleinunternehmertums. Der Kleinunternehmer hatte Geld in Maschinen investiert, sein Lebensrhythmus war auf die Heimindustrie ausgerichtet, und er fühlte sich in Verbindung mit der dazugehörigen Kleinlandwirtschaft materiell gesichert.

Durch die verheerende Stickereikrise wurden somit nicht einige Grossunternehmer, sondern eine Vielzahl von Kleinunternehmern zugrunde gerichtet. Die Wirkung war um so nachhaltiger, als diese Leute unvorbereitet getroffen wurden.

b. Die Stickerei war lange Zeit die bedeutendste Exportindustrie unseres Landes. Im Jahre 1913 betrug der Ausfuhrwert 210 Millionen Franken, das waren 1/9 des gesamten damaligen schweizerischen Exportes. Die mit dem ersten Weltkrieg einsetzende Marktkrisis weitete sich aber rasch zu einer Strukturkrisis aus. Ein Industriesystem, welches weit intensiver mit der gesamten Struktur der Gegend verflochten war, als dies bei einer Fabrikindustrie der Fall gewesen wäre, brach in einem Ausmasse zusammen, das als wirtschaftliche Katastrophe bezeichnet werden darf. Im Kanton Appenzell AB z.B. sank der Bestand der Handstickmaschinen von rund 2700 Stück am Anfang des Jahrhunderts auf 238 Stück im Jahre 1962.

c. Nach dem Zusammenbruch der Stickereiindustrie musste die Eegion bei ihren Versuchen zu einer wirtschaftlichen Umstellung in Standortskonkurrenz zu Gebieten treten, die sich in der Zwischenzeit zu eindeutigen wirtschaftlichen Schwerpunkten auf einer anderen, vielseitigeren Grundlage entwickelt hatten.

Dazu trat eine weitere Verschärfung der Lage infolge wirtschaftlicher Vorgänge in Europa: der süddeutsche Eaum gehörte bis zum Aufkommen der Schwerindustrie zu den wirtschaftlichen Schwerpunkten Deutschlands. Der benachbarte süddeutsche Markt spielte für die Schweiz bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts die Eolle eines wirtschaftlichen Sammelbeckens für die anfallenden Getreide- und Holzlieferungen
aus Deutschland, Österreich und dem Donauraum. Im Westen vermochte sich Lyon zu einem erstklassigen Textilzentrum zu entfalten. Marseille kam als Umschlagsplatz eine relativ höhere Bedeutung zu als heute. Noch bis in die Eisenbahnzeit hinein war die Hauptverkehrsader eindeutig die Linie Bodensee-Genf, mit der Wirkung, dass das Bodenseegebiet bedeutendes Grenzland war. Allmählich begann sich nun aber die Schwergewichtsverlagerung nach dem Euhrgebiet auszuwirken. Die «Textilwege», ohnehin mengenmässig die schwächeren, verloren ihre tragende Funktion; an ihre Stelle traten die «Kohlen»- und «Erzwege». Der Bau der Gotthardbahn hat bereits der neuen Situation Eechnung getragen. Die Einfuhrorte am Bodensee verloren in gleichem Masse an Bedeutung wie diejenige von Basel wuchs, das

580

nun zusätzlich - über die Verbindung nach dem Arlberg - auch die West-Ostverbindung beherrschte.

d. Die auf die Strukturkrisis folgende wirtschaftliche Stagnationsperiode ist heute überwunden ; an ihrer Stelle zeichnet sich bereits wieder eine Aufwärtsbewegung ab. Bei der gegenwärtig herrschenden Vollbeschäftigung müssen ausländische Arbeitskräfte in grösserer Zahl herangezogen werden. Die Ostschweiz hat aus der Hochkonjunktur nicht weniger Nutzen gezogen als die übrigen Landesteile. Darüber hinaus haben sich insbesondere neu eingeführte, mutmasslich krisenfestere Wirtschaftszweige gut entwickelt und bilden somit einen gewissen strukturellen Eückhalt auch für die Zukunft. Immerhin besteht heute noch, wie dies in anderen Landesteilen ebenfalls der Fall ist, eine einseitig und krisenanfällig orientierte Industrie.

Es besteht, wie schon erwähnt, eine gewisse Industrialisierungsbereitschaft, die an verschiedenen Beispielen nachgewiesen werden kann. Das ist deshalb nicht so selbstverständlich, weil die Textilgebiete andere Industriezweige sonst eher abstossen. Für die Ostschweiz ist, im Vergleich zu anderen Eegionen, der relativ starke Anteil der Frau am industriellen Arbeitsprozess charakteristisch.

Vor allem der Kanton St. Gallen, aber auch die Kantone Thurgau und Appenzell AE und IE bedürften zum Ausgleich vermehrter Arbeitsgelegenheit für Männer. Die vermehrte Männerarbeit würde mithelfen, dass der natürliche Bevölkerungszuwachs diesen Kantonen erhalten und der heutigen Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte Einhalt geboten werden könnte.

8. Besondere Hinweise auf den westlichen Teil des Einzugsgebietes a. Der Kanton Aargau ist ein moderner Industriekanton mit einer wenig entwickelten Eegion gegen den Ehein hin, dem sogenannten aargauischen Eheintal. Dieses verfügt über einen ansehnlichen Arbeitsmarkt, dem weitgehend eine standortnahe Beschäftigungsmöglichkeit fehlt. Das Gebiet war bis 1914 wirtschaftlich eng mit dem südbadischen Nachbargebiet verbunden. Bis 1914 und vorübergehend zwischen 1920 und 1933 pendelten an die 2000 Arbeitskräfte aus dem Aargauer Bheintal nach den südbadischen Industrieorten. Heute richtet sich der Pendlerverkehr vorwiegend teils nach Pratteln, Basel, teils nach Zurzach und in das unterste Aare- und Limmattal. Die Arbeiter nehmen dabei teilweise extrem lange Arbeitswege
in Kauf. Das bäuerliche Gebiet ermangelt der Arbeitsgelegenheiten. Die Pendler sind meist Arbeiterbauern, worauf wir noch im Abschnitt über die Landwirtschaft zu sprechen kommen werden.

6. Kompliziert ist die wirtschaftliche Struktur des Kantons Zürich. Sie wird beherrscht von der für schweizerische Verhältnisse ausgedehnten Grossstadtregion Zürich, die der Wohnbevölkerung nach über 50 Prozent der Gesamtbevölkerung des Kantons beherbergt. Ausserdem sind rund 70 Prozent aller industriellen Betriebe in dieser Eegion niedergelassen, die sich aus 85 Gemeinden mit Vororts- oder halbstädtischem Charakter zusammensetzt. In den übrigen 136 Gemeinden, inbegriffen Winterthur, befinden sich somit nur 80 Pro-

Abb. 9 JNDUSTRIEKARTE DER SCHWEIZ 1953

581 zent aller Betriebe. Ferner bindet die Großstadtregion gegen 65 Prozent aller Berufstätigen und einen ungefähr gleichen Anteil der in der Industrie Beschäftigten. An die 20 000 Tagespendler reisen täglich zur Arbeit in die Stadt, während diese selbst nur rund 4000 extern beschäftigte Arbeitskräfte stellt.

Das Expansionsvermögen der Großstadt Zürich ist gewaltig und noch immer im Zunehmen begriffen. Soweit die Entwicklung Folge von echten großstädtischen Funktionen und Eesultat der wirtschaftlichen Bedeutung ist, liesse sie sich ohne künstlichen Eingriff nicht verhindern und soll auch nicht verhindert werden. Industrien dagegen, die auf die Ansiedlung im Großstadtbereich nicht notwendig angewiesen sind, sollten sich dort nicht niederlassen, denn sie «entleeren» andere Gebiete, die weniger entwickelt sind und vergrössern damit das Gefalle zwischen hoch und weniger entwickelten Eegionen. Einer solchen unerwünschten Aufblähung kann nicht durch gesetzliche Massnahmen, dagegen durch eine Förderung weniger entwickelter Gebiete begegnet werden.

Die lokalen Standortvoraussetzungen in der Zone längs des Eheins sind nicht besonders günstig, im Gegensatz zu jenen im aargauischen Eheintal.

Immerhin ist eine wenig entwickelte Eegion gegen den Ehein hin vorhanden, durch deren Entwicklung sich eine bessere Verteilung der Industrie im Kanton erreichen liesse.

c. Der Kanton Schaffhausen ist schon stark industrialisiert und hat nur noch kleine Eeserven an Arbeitskräften. Eine weitere Industrialisierung dürfte daher nur im Verhältnis der Bevölkerungszunahme wünschbar sein.

4. Die Verkehrsverhältnisse a. Grundlegende Merkmale Die Verkehrsverhältnisse eines Gebietes lassen sich nach den drei Merkmalen: Verkehrslage, Verkehrsgüte und Verkehrsgunst hinreichend beurteilen.

Die Verkehrslage ist durch die allgemeine geographische Lage eines Gebietes gegeben. Ferner wird sie mitgeprägt durch den gegebenen Standort im Eahmen eines Staatsgebietes (Grenzlage oder zentrale Lage). Die Verkehrslage ist zur Hauptsache festgelegt, lässt sich aber durch technische Vorkehren in ihren Nebenwirkungen korrigieren.

Die Verkehrsgüte gibt Auskunft über die tatsächliche Erschliessung einer Eegion, über ihre Eingliederung in das Verkehrssystem. An der Verkehrslage lässt sich die Verkehrsgüte insofern messen, als beurteilt werden kann,
wieviele der geographisch gegebenen Möglichkeiten bereits realisiert sind. Die Verkehrsgüte einer Eegion ist im Gegensatz zur Verkehrslage keineswegs unabänderlich.

Sie wäre es dann, wenn alle Möglichkeiten, welche die Verkehrslage bietet, mit den verfügbaren Mitteln erschöpfend genutzt wären.

Die Verkehrsgunst schliesslich erfasst die Beziehung eines Gebietes zum wirtschaftlich und kulturell bedeutenden Schwerpunkt eines Landes. So wie

582 die Verkehrsgüte auf ein bestimmtes Verkehrssystem bezogen wird, um die verkehrsmässige Erschliessung einer Eegion zu werten, so wird anderseits die Verkehrsgunst mit der Besiedlungs- bzw. Wirtschaftsstruktur eines grösseren Baumes, in unserem Falle des ganzen Landes, in Beziehung gesetzt. Der Verkehr verteilt sich nicht gleichmässig über ein Gebiet, sondern er bevorzugt gewisse Punkte, die sich durch eine besondere wirtschaftliche, kulturelle oder sonstwie gelagerte Attraktion auszeichnen. Die spezifisch wirtschaftliche und die allgemeine Anziehungskraft, die von diesen Zentren ausstrahlt, bewirkt auf jeden Fall auch eine hervorragende Verkehrsgunst, die mit zunehmender Entfernung vom zentralen Gebiet abfällt.

fe. Anwendung auf die Ostschweiz. Werden die Verkehrsverhältnisse der Ostschweiz an den drei dargelegten Merkmalen vergleichsweise zu den andern Landesteilen gemessen, so zeigt sich, dass die Verkehrslage nicht schlecht ist.

Die dem Mittelland zugehörigen Teile bieten ähnliche Erschliessungsmöglichkeiten wie andere Eegionen des Mittellandes auch. Demgegenüber fallen Orte im Voralpengebiet ab. Sie teilen jedoch die weniger gute Verkehrslage mit andern Gegenden im Voralpengebiet. Die ostschweizerischen Voralpenteile sind teilweise sogar besser gelagert als andere Eegionen, in denen sich der Übergang von der Hügel-zur Berglage abrupter vollzieht. Die Grenzlage bietet Vor- und Nachteile.

Zu Zeiten, als die Textilwege aus Süddeutschland ins französische Ehonetal noch zu den wirtschaftlich wichtigen Verbindungen gehörten, hat die Ostschweiz, wie schon erwähnt, daraus Nutzen gezogen. Mit der wachsenden Bedeutung des Nord-Süd-Verkehrs kam sie allerdings mehr und mehr abseits der grossen Verkehrsströme zu liegen. Das kann sich wieder ändern, wenn auch die kontinentalwirtschaftlichen Voraussetzungen anders gelagert sind.

Ausdruck der nicht ungünstigen Verkehrslage ist die durchaus annehmbare Verkehrsgüte. Die Ostschweiz ist verkehrsmässig sehr gut erschlossen, teilweise sogar besser als zentraler gelegene Eegionen. Der vorhandene Verkehrsapparat vermag die Transportbedürfnisse leicht zu bewältigen, auch dann noch, wenn mit einer starken wirtschaftlichen Entwicklung zu rechnen wäre. Das regionale Bahn- und Strassennetz ist dicht, und die Verbindungsmöglichkeiten in andere Landesteile sind gut.
Eine gewisse Verschlechterung in Verkehrslage und Verkehrsgüte erleiden die Gebiete um den Bodensee. Dieser wirkt wie ein Eiegel und lässt den Verkehr gewissermassen peripher abgleiten.

Weniger vorteilhaft als Verkehrslage und Verkehrsgüte stellt sich die Verkehrsgunst dar. Die Ostschweiz liegt peripher zum wirtschaftlichen Schwergewicht des Landes. Man kann dieses annähernd durch die Linie SchaffhausenWinterthur-Zürich-Luzern-Bern-Biel-Basel umgrenzen. Innerhalb dieses Gebietes finden sich die stark besiedelten und industriell hoch entwickelten Eegionen unseres Landes, die eigentlichen Zentren, nach denen sich ein grosser Teil des Verkehrs richtet. Diese Zentren sind von der äusseren Ostschweiz her nicht nur zeitlich, sondern auch frachtenmässig weniger günstig zu erreichen als von den zentralen Gebieten aus. Gegenüber der Westschweiz, die grundsätzlich

583 ähnlich gelagert ist, stellt sich die Ostschweiz insofern weniger vorteilhaft, als sie marktmässig viel stärker nach den zentralen Gebieten ausgerichtet ist als jene, die sich wirtschaftlich mehr auf die eigenen Zentren auszurichten vermochte.

Nun ist die Frachtenlage der Ostschweiz nicht etwa ungünstiger als diejenige von zentralschweizerischen Orten, welche in gleicher Distanz von Basel liegen (vgl. Tabelle 7), weil die Ostschweiz von Konkurrenztarifen zu ausländischen Routen ab Basel profitiert. Die Benachteiligung ist eine rein relative, die in dem Ausmass wächst, wie die Bedeutung der zentralen Eegionen zunimmt. Die Verkehrsgunst müsste sich demzufolge verbessern, falls das wirtschaftliche Gewicht ostschweizerischer Eegionen mehr als dasjenige zentraler Orte zunehmen würde.

Im Hinblick auf die Hochrheinschiffahrt und darüber hinaus auf die allgemeinen Standortverhältnisse der Ostschweiz ist die Lage zu Basel als dem bedeutendsten Umschlagsplatz der Schweiz von nicht geringer Bedeutung. Solange die Ostschweiz selber über stark frequentierte Grenzbahnhöfe verfügte (Buchs, St.Margrethen usw.), war in dieser Hinsicht eine entsprechend gute Verkehrsgunst gegeben. Mit der zunehmenden Bedeutung von Basel, dank auch der hier endenden Rheinschiffahrt und dem damit gleichzeitig verbundenen Bedeutungsverlust der eigenen Umschlagsplätze, wurde die Verkehrsgunst zunehmend abgeschwächt. Nicht dass sie heute etwa als schlecht anzusprechen wäre. Sie ist befriedigend, aber keineswegs so gut wie diejenige in den zentralen Gebieten, die nicht nur von der Nähe der wichtigen Zentren, sondern auch von der besseren Erreichbarkeit des Umschlagsplatzes Basel profitieren.

Die^ Ostschweiz betrachtet nun die Hochrheinschiffahrt als ein mögliches Mittel, um besonders die Verkehrsgunst zum Hauptumschlagsplatz Basel aufzuwerten, als Ausgleich zu den eigenen bedeutungsschwächeren Umschlagsstellen.

Über die aufgewertete Verkehrsgunst wird eine entsprechende Verbesserung der industriellen Standortsgunst erwartet. Es sollen daher im folgenden die gegebene und die zu erwartende Prachtenlage noch etwas näher betrachtet und verglichen werden. Damit wird zugleich auch die Bedeutung der bisherigen Überlegungen an konkreten Beispielen illustriert.

c. Die Prachtenlage der Ostschweiz. Die entfernte Lage der Ostschweiz zum
Hauptumschlagsplatz Basel bedingt mit zunehmender Entfernung eine Verschlechterung der Standortslage, wenn diese von der Frachtseite her betrachtet wird. Dadurch werden im allgemeinen auch die Produktionsvoraussetzungen für eine materialintensive Industrie, wie sie für die Ostschweiz vom konjunktur-politischen Standpunkt aus zur Durchmischung ihrer auch heute noch zu einseitig gelagerten Industrie erwünscht wäre, erschwert. In der nachfolgenden Tabelle werden als Beispiele die Frachtsätze ab den Basler Rheinhäfen nach Empfangsstationen des Einzugsgebietes der Hochrheinschiffahrt sowie nach Bern und Luzern aufgeführt.

Die Hochrheinschiffahrt würde nun dem Einzugsgebiet eine Korrektur der Frachtenlage bringen, die sich für die peripher liegenden Regionen bedeutend stärker auswirken würde als für die zentraler gelegenen Gebiete. Dadurch würde .

584 Tabelle 7 Frachtsätze 1950 für Wasserumscblagsgüter ab den Basler Rheinhäfen Empfangsstation und Distanz ab Basel Güterart

Getreide Brotgetreide Futtergetreide

Zürich 89km Fr./t

Frauenfeld St. Gallen Rorschach Bern 121 km 162km 175km 107 km Fr.t/ Fr./t Fr./t Fr./t

Luzern 95 km Fr./t

10.80 2 ) 13.10 2 ) 15 . 20 2 15.80 2) 12.30 2 ) 11.30 2) 3 16.10 2) 19.90 ; 20.80 3 18.90 3) 18.80 2 ) 17.00 2)

Flüssige B r e n n s t o f f e Benzin, Petroleum . . .

Gasöl, Heizöl

21.80 1 )

Feste B r e n n s t o f f e Kohlen, Koks, Briketts .

11.302) 12.00 3 ) 13.703) 13.40 3 ) 12.60 2 ) 11.802)

Übrige Güter Tarif klasse I: Kaffee, Zucker, öle, Fette, Nahrungsmittel U9W

Tarif Masse II: Baumwolle, Metalllegierungen, Rohmetalle usw. . . . .

Tarifklasse III: Zellulose, Bleche und Platten aus Eisen und Stahl, Stab- und Formeisen usw. . .

Tarif klasse IV: Futtermittel, mineralische Rohstoffe, Farben, Lacke usw. .

28.60 1 ) 31.90 3 39.20 1 ) 25.60 1 ) 23.101) 12.50 3) 13.40 3) 12.60 3 14.70 3) 18.801) 17.001)

21.80 1) 28 . 60 x) 36.90 *) 39 . 20 l) 25.60 !) 23.10 *)

1 1 1 20. 00 i) 26 . 10 *) 33. SO 1 ) 33.50 ) 23.40 ) 21.00 )

1 19.00 1 ) 24.80 !) 31.301) 29.60 ) 22.20 !) 20.10 !)

1 1 16.101) 19.701) 23.70 1 ) 21.80 ) 18.80-1) 17.00 )

Bemerkmigen: 1 ) Allgemeiner Tarif für 10-Tonnen-Wagenladungen 2 ) Ausnahmetarife für 10-Tonnen-Ladungen 3 ) Ausnahmetaxen für 10-Tonnen-Ladungen

585

Tabelle 8 Empfangsstation

Vor dem Hochrheinausbau Vi.lt

Nach dem Hochrheinausbau Si.lt

Ersparnis Fr./t

Zürich

20 --

10 90

9 10

S t . Gallen . . . .

33.30

12.90

20.40

13.30

2.--

--

Unterschied

für die erstgenannten Regionen eine dauernde Standortsaufwertung erreicht, d.h. diese Eegionen in frachtlicher Beziehung an die zentraler gelegenen Gebiete angenähert, worin das Ziel der Schiffbarmachung des Hochrheins liegt. Dasnachfolgende Beispiel für den Transport einer Tonne von «Übrigen Gütern» ab Basel nach Zürich oder St. Gallen vor und nach dem Hochrheinausbau zeigt diesen Unterschied in der Standortaufwertung deutlich.

Die Ersparnis für St. Gallen liegt bedeutend höher als für Zürich, und der Frachtunterschied pro Tonne beträgt nur noch 2 Franken statt 18,30 Franken bei der heutigen Frachtenlage. Sinngemäss, wenn auch nicht so ausgeprägt, gilt dieses Beispiel auch für die anderen Güterarten.

Die Hochrheinschiffahrt vermag naturgemäss an der Verkehrsgunst ihres Einzugsgebietes, bezogen auf das im vorstehenden Abschnitt beschriebene zentral gelegene Gebiet, nichts zu ändern, es sei denn, sie trage zur Schaffung eines neuen wirtschaftlichen Kerngebietes in der Ostschweiz bei. Entscheidend ist somit die Frage, ob die durch die Hochrheinschiffahrt bewirkte Standortsaufwertung ausreichen würde, um hier eine nachhaltige Wirtschaftsbelebung und Strukturwandlung auszulösen.

III. Die Frachten als Standortsfaktar 1. Allgemeiner Überblick Im vorangehenden Abschnitt wurden die Verkehrsverhältnisse der Nordostschweiz und deren Verbesserungsmöglichkeiten durch die Hochrheinschiffahrt in grundsätzlicher Hinsicht beleuchtet. Es bleibt zu prüfen, wie sich die Frachten einer Hochrheinschiffahrt auf- die Verhältnisse im Einzugsgebiet auswirken könnten.

Abbildung 10 zeigt, wie sich die auf 9 Millionen Franken pro Jahr veranschlagten direkten pri'vatwirtschaftlichen Frachtersparnisse auf die im Einzugsgebiet gelegenen Kantone als Ganzes verteilen.

Umstehende Darstellung ergänzt Abbildung 8, wo in gleicher Weise die Aufteilung der Gütermengen ersichtlich ist.

586

Abb.10: Auffeilung der direkten prival-wirhchaFHichen Frachhersparnisse durch die HochrheinschiFFahrh nach Kantonen.

In Prozenten ausgedrückt, ergibt die Aufteilung der Frachtersparnisse auf die Kantone folgendes : Zürich 83,1% St. Gallen 24,6% Thurgau 21,2% Aargau .

11,9% Graubünden 1>6% Schaffhausen 1,8% Appenzell 0,9% Übrige 5,4% Total 100,0% Damit entfallen ein Drittel der Frachtersparnisse auf den industriell hoch entwickelten Kanton Zürich. Immerhin bestehen, wie früher erwähnt, auch in diesem Kanton Eegionen, für welche eine Standorts- und Strukturverbesserung erwünscht wäre. Der Kanton Aargau weist, gesamthaft gesehen, wohl eine gesunde Struktur seiner Industrie auf, aber auch hier sind noch Gebiete (Bheintal), für welche sich eine zusätzliche Industralisierung günstig auswirken würde.

Es ist auch zu bemerken, dass etwa die Hälfte der möglichen Frachtersparnisse Eegionen zugute kommen würde, die - immer als Ganzes genommen - ohnehin

587 zu den verkehrsgünstigsten der Schweiz gehören. Sollten dort bestehende Konzentrationstendenzen verstärkt werden, so wäre dies gerade vom Standpunkt derjenigen Gebiete aus wenig erwünscht, die von der Hochrheinschiffahrt die wesentlichste Standortsaufwertung erwarten.

Die zahlenmässige Verteilung der Frachtersparnisse auf die Kantone allein vermittelt jedoch nur ein summarisches Bild. Vor allem ist die Wirkung einer bestimmten Frachtersparnis auf die Wirtschaft einzelner Kantone noch durch andere Gegebenheiten dieser Wirtschaft selbst bestimmt (Bevölkerungszahl, vorhandene industrielle und gewerbliche Struktur usw.).

2. Untersuchung bei den bestehenden Industrien Bei der Untersuchung der Wirkungsmöglichkeiten einer künftigen Hochrbeinschiffahrt sind in erster Linie nur solche in Betracht zu ziehen, die entwicklungsmässig an Gegebenes anknüpfen. Die Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Belebung und strukturelle Verbesserung durch die Hochrheinschiffahrt gegeben seien (siehe nachfolgendes Kapitel IV), setzt daher zunächst auch eine Analyse des Vorhandenen und des Allgemeingültigen voraus.

Die Handelshochschule St. Gallen hat bei einer repräsentativen Auswahl von Unternehmungen untersucht,, welches die Auswirkungen der Frachtersparnisse auf die beute bestehenden Industrien sein würden. Dabei hat sich ergeben, dass eine eindeutige positive Auswirkung der zukünftigen Schiffahrt nur bei einigen vereinzelten Industriezweigen festgestellt werden konnte. Für die gegenwärtige Konkurrenzlage und Produktionsgestalt würden in den meisten Fällen die Frachteinsparungen, selbst wenn sie 50 bis 80 Prozent der heutigen Frachten ausmachen sollten, unerheblich sein. Dass bei den untersuchten Industriezweigen in Zukunft grössere Wirkungen ausgelöst würden, kann allein auf Grund der heute erkennbaren Grössenordnungen nicht gesagt werden. Die Frachtkostenreduktion bewegt sich im allgemeinen zwischen 0 und l Prozent der gesamten betrieblichen Selbstkosten ; in einigen materialintensiven Industrien mag der Satz etwas höher liegen.

Diese Zahlen allein erlauben noch kein abschliessendes Urteil über die möglichen Auswirkungen der Frachtersparnisse. Als konkrete von der Industrie selbst gelieferte Unterlage kommt ihnen jedoch eine Bedeutung zu, die grundsätzlich zu würdigen ist. Wie im Gutachten der
Handelshochschule St. Gallen ausgeführt wird, kann von einer wesentlichen Besserstellung in der Konkurrenzlage dann gesprochen werden, wenn sich die Frachtvergünstigungen soweit auswirken, dass auch die Preisgestaltung der Fertigprodukte beeinflusst wird. Selbstverständlich ist betriebswirtschaftlich jede Einsparungsmöglichkeit erwünscht.

Kostendifferenzen in der Grössenordnung von l Prozent haben auf die Preisstellung einer Unternehmung in der Begel keinen Einfluss. Das gilt erst recht im Hinblick auf die Beeinflussung des volkswirtschaftlichen Preisniveaus.

In einzelnen Fällen dürfte aber mit der Senkung der Preise für einige Nahrungsmittel und Eohstoffe gerechnet werden.

588 Für den östlichen Teil des Einzugsgebietes ergab sich, dass auf Grund der heutigen Wirtschaftsstruktur für die bereits dort ansässige Industrie, von einigen Ausnahmen abgesehen, die durch die Hochrheinschiffahrt möglichen Frachtkostenersparnisse rechnungsmässig nicht allzu schwer ins Gewicht fallen.

Dies ist weiter nicht verwunderlich, handelt es sich hier doch zur Hauptsache um arbeitsintensive Betriebe, für welche Frachtkostensenkungen nicht die Wirkung haben können wie bei materialintensiven Betrieben, die dieser Eegion fehlen.

Von grösserer Bedeutung wäre heute schon die Frachtkostensenkung für den westlichen Teil des Einzugsgebietes, wo die Massengüterverarbeitung bereits eine gewisse Bedeutung erreicht hat. -Aber auch hier ergäbe sich rechnungsmässig für die heutige Industrie kaum ein ausschlaggebender Standortvorteil.

Das Einzugsgebiet der Hochrheinschiffahrt erstreckt sich noch auf die Kantone Schwyz, Luzern, Uri, Ob- und Nidwaiden. Da diese Kantone stark zum Gotthard orientiert sind, kann darauf verzichtet werden, diese Teile des Einzugsgebietes in Betrachtungen über die Standortsverbesserungen durch die Wasserstrasse einzubeziehen.

Aus dieser für die Gegenwart geltenden Beurteilung heraus mag sich erklären, warum nach den durchgeführten Untersuchungen die im Einzugsgebiet der Hochrheinschiffahrt bereits vorhandene Industrie- im allgemeinen die Schiffahrt nicht mit einem derartigen Nachdruck fordert, wie dies gelegentlich bei anderen Wasserstrassen der Fall ist und warum sie ihr, mindestens im westlichen Teil, im allgemeinen eher gleichgültig gegenübersteht.

IV. Die Frage der Belebung und Stnikturverbessenmg der Wirtschaft durch die Hochrheinschiffahrt Einleitung Die Kreise der Ostschweiz, die eine Schiffbarmachung des Hochrheins fordern, sehen diese als ein Mittel zur Belebung und strukturellen Verbesserung der Wirtschaft. Vor allem sollen im östlichen Teil des Einzugsgebietes die Voraussetzungen hiezu verbessert und damit eine bessere Verteilung der Industrie im allgemeinen erzielt werden. Der Hochrheinausbau soll insbesondere in den Teilregionen mit einseitiger Wirtschaf tsstruktur zur Niederlassung von materialintensiveren Industrien führen, für welche die Frachten als Standortsfaktor von entscheidender oder doch grosser Bedeutung sind.

Es stellt sich im wesentlichen die Frage,
welche Wirkungen eine Hochrheinschiffahrt auf die Wirtschaft des Einzugsgebietes haben wird. Bei systematischer Betrachtung kann diese Frage nach folgenden Gesichtspunkten gegliedert werden : 1. Sind die Grundlagen für eine industrielle Entwicklung in der Nordostschweiz vorhanden ?

2. Welches ist der Einfluss der Hochrheinschiffahrt auf die bestehenden Industrien und Betriebe?

589

8. Ist die Möglichkeit der Entstehung neuer Industrien und Betriebe durch die Hochrheinschiffahrt vorhanden ?

4. Werden bestehende Industrien und Betriebe wegen der Hochrheinschiffahrt ihren Standort wechseln ?

5. Wird, wenn a. neue Industrien aus anderen Gründen in der Schweiz entstehen, b. aus andern Gründe Industrien ihren Standort wechseln, die Nordostschweiz beim Vorhandensein dei Hochrheinschiffahrt vermehrt in Betracht gezogen werden ?

6. Welches ist der Einfluss der Hochrheinschiffahrt auf die Landwirtschaft des Einzugsgebietes ?

1. Grundlagen für eine industrielle Entwicklung Die grundlegenden Voraussetzungen des Einzugsgebietes sowie die Auswirkungen auf seine heutige Industrie sind bereits dargelegt worden. Als Ausgangspunkte der Beurteilung sollen sie hier noch einmal kurz zusammengefasst und sodann im Hinblick auf künftige Entwicklungsmöglichkeiten ergänzt werden. Besonders zu berücksichtigen sind abschliessend die Einflüsse auf die Landwirtschaft.

Das Zentralbureau der Vereinigung für Landesplanung sowie die Handelshochschule St. Gallen haben die wichtige Frage nach den vorhandenen Voraussetzungen im Einzugsgebiet der Hochrheinschiffahrt eingehend untersucht. Als Kriterium dienten dabei die .Merkmale, die sich an andern Orten für eine weitergehende Industrialisierung als ausschlaggebend erwiesen haben. Diese Merkmale sind zur Hauptsache aus Untersuchungen über die Wirkungen gewonnen worden, die von Eisenbahnen und Wasserstrassen unter bestimmten Voraussetzungen erzielt werden konnten. Es handelt sich um folgende Merkmale: Industrialisierungsbereitschaft der Bevölkerung; vorhandener oder zu erwartender Überschuss an Arbeitskräften; Vorhandensein qualifizierter Arbeiter und aktiver Unternehmer; freie Disponibilität auf dem Arbeitsmarkt; günstiger Kapitalmarkt; Vorhandensein von Hilfsgewerben und zentralen Diensten; geeignete Industrieareale; günstige Steuerlage: mindestens gleichwertige allgemeine Lage gegenüber Konkurrenzstandorten oder aber besondere Anreize ; Unternehmeranreiz.

Die Untersuchungen haben ergeben, dass die wichtigsten Bereitschaftsmerkmale zur Industrialisierung des Hochrheingebietes mehr oder weniger erfüllt und somit die Voraussetzungen für eine Belebung und Strukturverbesserung der Wirtschaft vorhanden sind. Die Ausgangssituation kann als potentiell günstig
betrachtet werden. Dabei zeigen die verschiedenen Teilregionen ein unterschiedliches Bild und werden sich deshalb auch entsprechend unterschiedlich verhalten. Das ergibt sich auch daraus, dass in erster Linie materialintensive Industrien von der neuen Wasserstrasse Gebrauch machen würden.

Bundesblatt. 108. Jahrg. Bd. I.

41

590

2. A u s w i r k u n g e n auf die bestehenden Industrien und Betriebe In bezug auf die bereits ansässige Industrie würde die Wirkung, wie bereits kurz erwähnt, zunächst auf den westlichen Teil, in welchem die Massengüterverarbeitung bereits eine gewisse Bedeutung erreicht hat, grösser sein als auf den östlichen.

Der westliche Teil umfasst namentlich das aargauische Industriezentrum sowie einige bedeutende rohstofforientierte Betriebe, wie etwa die Zementwerke und die chemischen Fabriken. Es wäre denkbar, dass die in einigen Betrieben eintretende Verbesserung der Konkurrenzlage sich gesamtwirtschaftlich vorteilhaft auswirken würde, vermehrte Arbeitsgelegenheiten schaffen und das Auftragsvolumen vorgelagerter Industrien vergrössern könnte. Es ist aber nicht mit einem raschen, allgemein fühlbaren Aufschwung zu rechnen.

In der engeren Ostschweiz mit ihrer ausgesprochenen Vorherrschaft der arbeitsintensiven Produktion könnte, mit Ausnahme der Kunstfaserindustrie und der holzverarbeitenden Unternehmungen, vorerst kaum mehr als eine innere Stabilisierung des Kostengefüges erwartet werden. Immerhin dürfte das schon zu einer Verbesserung der industriellen Atmosphäre führen.

Es ist nicht ausser acht zu lassen, dass an sich geringe Kosteneinsparungen auch wenn sie zunächst nicht im Endprodukt zum Ausdruck kommen - die Rentabilität und damit die Stabilität eines Unternehmens erhöhen. Sobald sich die Spanne zwischen dem Aufwand und den Marktpreisen vergrössert, wird auch dem Unternehmer in seiner Dispositionsfreiheit mehr Eaum gewährt. Mit der Herabsetzung des Verkaufspreises kann im weiteren - sofern die nötigen Voraussetzungen auf dem Absatzmarkt gegeben sind - der Umsatz erhöht und nach dem Gesetz der Massenproduktion auf diese Weise in einigen Fällen die Bentabilität des Betriebes verbessert werden. In diesem Sinne kann der Gesamterfolg auch etwas grösser werden als die Addition jener primären Frachtersparnisse.

Im Eahmen solcher Erwägungen dürfte auch mit einem gewissen Neuverkehr gerechnet werden.

8. Ansätze und Möglichkeiten für die E n t s t e h u n g neuer Industrien und Betriebe Massgebend ist auch hier vor allem die Frachtempfindlichkeit der materialintensiven Produktion. Dazu stellt sich die Frage, wie sich dieser Vorteil der Frachteinsparung zu den übrigen Voraussetzungen des Einzugsgebietes
verhalten würde, d.h. ob er dort anderen Gebieten gegenüber eine Besserstellung zu verschaffen oder gegebenenfalls doch Nachteile zu kompensieren vermag.

Entscheidend für die Standortwahl ist schliesslich die Gesamtheit der Produktions- und Absatzbedingungen.

Es fragt sich zunächst, welche Industrien für Neugründungen in Betracht fallen würden. Ganz allgemein ist zu sagen, dass die strukturell einseitig entwickelten Begionen durch die standortmässige Annäherung an die bisher von

591 den materialintensiven Industrien bevorzugten Gebiete auch an der Ausweitung und Zunahme dieser Industrien teilhaben könnten. Bei Neugründungen dürfte es sich also um Industrien von der Art handeln, welche bei der weiter zu erwartenden Industrialisierung der Schweiz und ohne die Hochrheinschiffahrt in den bisherigen Standortsgebieten ohnehin ausgeweitet oder neu entstehen würden; dabei könnte man im letzteren Falle nicht genau und konkret sagen, was für Industrien es gerade sein würden. Die Schiffbarmachung des Hochrheins, würde aber Voraussetzungen für eine bessere regionale Verteilung und ganz allgemein für eine Erleichterung solcher Entwicklungen schaffen.

Die Vereinigung für Landesplanung und die Handelshochschule St. Gallen haben ihre Untersuchungen ebenfalls auf diese Frage ausgedehnt. Erstere hat insbesondere die Möglichkeit von Neugründungen näher analysiert. Soweit sich die Entwicklung auf dem Absatzmarkt übersehen lässt, können einige Ansätze für mögliche Neuentwicklungen namhaft gemacht werden.

Kies aus dem St. Galler Eheintal wird schon heute in namhaften Mengen für schweizerische Bedürfnisse gewonnen. Nach dem Ausbau des Hochrheins könnte damit gerechnet werden, dass dieses Gut in vermehrtem Masse in der Schweiz (Schaffhausen, Basel) und auch in Deutschland bis in die Gegend von Essen im Euhrgebiet abgesetzt würde. Im ganzen wäre eine Kiesentnahme von einigen hunderttausend Tonnen pro Jahr möglich.

Der Export von Kunststeinen, die mit Kies aufgearbeitet werden, erscheint - immer auf Grund der gegenwärtigen Marktlage - ebenfalls möglich. Die Konkurrenzierung durch Österreich (Vorarlberg) und Deutschland ist jedoch nicht ausser acht zu lassen, da diese Länder ebenfalls von der Hochrheinschiffahrt profitieren würden. Dasselbe gilt für die Möglichkeit der Ausfuhr von Bauholz (Schalholz) nach Deutschland. Die Ausgangslage erscheint hier jedoch insofern aussichtsreicher, als es sich bei den schweizerischen Hölzern um Sorten handeln würde, die preislich besonders günstig sind und an anderen Orten nicht genutzt werden.

Weitere Möglichkeiten könnten sich unter Umständen für die Kunststoff-, Edelzellulose- und Zementindustrie sowie die Bohchemie ergeben; nähere Unterlagen hierüber waren jedoch nicht erhältlich.

Ebensowenig lassen sich heute Voraussagen über den Umfang eines mit
Neugründungen entstehenden Neu Verkehrs machen. Überhaupt resultieren die genannten Beispiele von möglichen Neugründungen aus der gegenwärtigen Lage. Sie können zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr gelten, anderseits können sich dann auch wieder neue Möglichkeiten ergeben, an die heute niemand denkt.

Wir haben nicht in Rechnung gesetzt, dass die Hochrheinschiffahrt zur Entstehung von Industrien führen könnte, die für die Schweiz ganz neu wären oder bisher unbedeutend waren, weil solche Fälle - auf Grund technischer Neuerungen und unabsehbarer wirtschaftlicher Notwendigkeiten, besonders im Zuge

592 der weiteren Industrialisierung - zwar denkbar sind, aber doch keineswegs mit einiger Sicherheit erwartet werden dürfen.

Bei der Beurteilung all dieser Fragen ist man im wesentlichen auf heute gegebene Tatsachen und Tendenzen sowie auf eine vorsichtige, nicht zu langfristige Projektion in die Zukunft angewiesen. Unter diesen Gesichtspunkten dürfte in bezug auf Neugründungen nicht allzuviel erwartet werden.

4. Standortswechsel wegen der Hochrheinschiffahrt In der Frage der Standortverschiebungen nach dem Einzugsgebiet des Hochrheins würden neben unmittelbar wirtschaftlichen Überlegungen zahlreiche Faktoren zu berücksichtigen sein, die zwar zahlenmässig nicht genau fassbar sind, aber im Ergebnis doch stark hemmend wirken: traditionelle Bindungen; persönlicher vieljähriger Kontakt mit Personal, Kundschaft, Dienstleistungsbetrieben und Behörden usw. In bezug auf die wirtschaftlichen Erwägungen, die dieser Standortsträgheit ebenfalls zugrunde liegen können, sei nur darauf verwiesen, dass jede Standortsveränderung mit einem grossen Wagnis, mit Schwierigkeiten der Überführung von angestammten und angelernten Arbeitskräften und mit substantiellen Verlusten auf den nicht überführbaren Einrichtungen verbunden ist. Der neue Standort muss in der Eegel daher schon sehr viel günstiger sein als der alte, damit ein genügender Anreiz zur Verlagerung geschaffen wird.

Die durch die Hochrheinschiffahrt im Einzugsgebiet entstehende Aufwertung der Standortsgunst würde somit im allgemeinen als Anreiz zur Verlagerung auswärtiger Industrien kaum ausreichen. Am ehesten wäre noch an gewisse industrielle Verlagerungen von Basel rheinaufwärts zu denken, wobei das westliche Einzugsgebiet wiederum bevorzugt würde.

5. Standortswahl Günstiger wären diejenigen Fälle zu beurteilen, wo in der Schweiz nicht wegen der Hochrheinschiffahrt, sondern aus anderen Gründen neue Industrien entstehen oder bestehende Industrien ohnehin ihren Standort wechseln, d.h.

wo die dargelegte Standortsträgheit nicht erst noch zu überwinden wäre. Hier ist anzunehmen, dass die Nordostschweiz nach dem Hochrheinausbau vermehrt berücksichtigt würde. Wie weit und in welchem Masse eine solche Entwicklung eintreten könnte, kann allerdings heute nicht gesagt werden.

6. Auswirkungen auf die L a n d w i r t s c h a f t Erfahrungsgemäss ist die Landwirtschaft
derjenige Arbeitszweig, der bei einer weitergehenden Industrialisierung die ersten Arbeitskräfte liefert. Von der VLP ist deshalb eingehend geprüft worden, ob eine durch die Hochrheinschifffahrt hergerufene vermehrte Industralisierung oder Verlagerung von Industrien nicht eine Schwächung der Landwirtschaft zur Folge haben könnte.

598 Von 1905-1989 ist ein Eückgang der landwirtschaftlichen Bevölkerung um rund 14 Prozent eingetreten. Dabei ist eine Verschiebung von den Kleinbetrieben bis 5 ha zugunsten der mittleren Betriebe von 5-30 ha eingetreten. Der landwirtschaftliche Kleinbetrieb findet sich häufig in Gebieten hoher .Industrialisierung. Er wird in der Eegel vom Arbeiterbauer bewirtschaftet, der je nach der Konjunktur läge seine Hauptbeschäftigung in der Fabrik findet und, in dieser Phase, sein Bauerngütlein eher vernachlässigt, oder aber sich mehr der Landwirtschaft zuwendet, falls nicht ausreichende Arbeit in der Fabrik zu finden ist.

Im Sinne einer Krisensicherung ist der Arbeiterbauer nicht die ideale Lösung, wie dies gelegentlich vertreten wird. Mit der allgemein steigenden Lebenshaltung ist der landwirtschaftliche Kleinbetrieb immer weniger in der Lage, existenztragend zu sein. Die Doppelbeschäftigung bedeutet eine Verminderung der realen Arbeitskraft, und die gelegentlich extrem langen Arbeitswege bedeuten einen volkswirtschaftlichen Verlust, sowohl von der Arbeitskraft wie auch von den Anforderungen her gesehen, die in diesem Zusammenhang an die öffentlichen Verkehrsmittel gestellt werden.

Die Ostschweiz als Ganzes betrachtet, ist in dieser Beziehung als gesund zu bezeichnen. Sie ist ein eigentliches Zentrum der mittleren landwirtschaftlichen Betriebe. Eine Ausnahme bilden allerdings die an Hochrhein und Bodensee direkt anstossenden Gebiete.

Von Bedeutung ist auch die Zahl der in der Landwirtschaft Berufstätigen, welche seit längerer Zeit ständig zurückgeht. Gleichzeitig ging auch die von der Landwirtschaft lebende Wohnbevölkerung zurück, dagegen nahm im gleichen Ausmass die Mechanisierung der Landwirtschaft zu. Zugenommen hat dabei auch die landwirtschaftliche Produktion. Es hat sich hier eine echte Veränderung der Arbeitsstruktur vollzogen, die unter den Kennworten Intensivierung und Rationalisierung zusammengefasst werden kann.

Dies bedeutet aber, dass die Landwirtschaft, von saisonmässigen Spitzen abgesehen, nicht wesentlich mehr Arbeitskräfte, beschäftigen könnte als dies heute der Fall ist. So entsteht zunächst für die Landwirtschaft kein Nachteil, wenn im Falle einer steigenden Bevölkerungszahl die Industrialisierung weiterschreitet. Die Frage ist nur, in welchem Umfang, in welchem Zeitraum und an
welchen Orten dies geschieht.

Eine wahllose Durchsetzung gut erhaltener bäuerlicher Gebiete mit industriellen Betrieben müsste zu einer Zerstückelung der Landwirtschaft, zu Bodenspekulationen und anderen nachteiligen Erscheinungen führen. Konzentriert sich dagegen die Industrie auf bestimmte, in ihrem Charakter eindeutige Industrieorte, so bleibt dieser Nachteil auf ein Minimum beschränkt. Eine überstürzte Entwicklung wäre durch die Hochrheinschiffahrt nicht zu erwarten, und jene Punkte, welche mutmasslich für eine zusätzliche Industrialisierung in Frage kommen könnten, sind einigermassen vorgezeichnet. Weite Gebiete längs des Stromlaufes würden sich aus topographischen Gründen nicht für Ansiedelungen von Industrien eignen. Andere Strecken, besonders am Bodensee, sollten aus

594 Gründen des Naturschutzes der Industrieansiedelung entzogen werden. Die definitive Festlegung der Zonen für Industrie und Landwirtschaft ist eine landesplanerische Aufgabe.

Die Entwicklung würde wahrscheinlich zu einer Verstärkung des reinen Bauerntums auf existenztragenden Höfen führen. Die geschilderten Verhältnisse deuten auch darauf hin, dass der Landwirtschaft weniger guter Boden entzogen würde als wenn sich die Industriebetriebe einzeln über ein grosses Gebiet verteilen würden. Im aargauischen Kheintal, wo sich mehrere Standortmöglichkeiten auch für Einzelbetriebe eignen, gehört der allfällig hiefür abgehende Boden nicht zu den guten Klassen. Am Bodensee, wo teilweise hervorragender Boden in Frage stünde, stehen der vereinzelten Niederlassung von Unternehmungen, falls sie von der Hochrheinschiffahrt direkt profitieren wollten, technische und kostenmässige Schwierigkeiten wegen der Erstellung sturmsicherer Umschlagsanlagen entgegen. Zusammenfassend darf gesagt werden, dass der Landwirtschaft von Seiten der Hochrheinschiffahrt keine Nachteile erwachsen dürften.

K. Gesamtwirtschaftliche Betrachtungen I. Bewertung der WirkungsmöglicJikeiten Es handelt sich bei der Schiffbarmachung des Hochrheins um ein räumlich und zeitlich ausserordentlich weit ausgreifendes Projekt. Bereits der Versuch, seine wirtschaftlichen Auswirkungen in ihrer vielseitigen Verflechtung für eine nahe Zukunft abzuschätzen und so wenigstens die Tendenzen festzuhalten, stösst auf grosse Schwierigkeiten. Vollends unmöglich ist es, sich heute schon über die fernere Entwicklung mit einiger Sicherheit ein umfassendes Bild zu machen. Diese Entwicklung spielt sich in Zeiträumen ab, die ausserhalb der Reichweite von einigermassen zuverlässigen wirtschaftlichen Prognosen liegen.

Diese Grenzen der wirtschaftlichen Beurteilung verpflichten aber trotzdem zu einem einlässlichen und vorsichtigen Prüfen und Abwägen der Frage im gegenwärtigen Zeitpunkt und zum Versuch eines Ausblickes in die Zukunft.

Das will nun nicht heissen, dass ein Projekt deswegen negativ zu beurteilen wäre, weil seine Zielsetzungen erst in einer weiteren Zukunft realisierbar sind.

Man wird aber in einem solchen Fall die Erfolgsaussichten auf Grund der verfügbaren und konkreten Anhaltspunkte besonders sorgfältig abwägen und den Spielraum des Ermessens nach
Möglichkeit auf ein Mass einzuschränken suchen, das sich im Verhältnis zur Grosse des Einsatzes npch verantworten lässt.

In Kapitel H ist dargestellt worden, mit welchen finanz- und verkehrswirtschaftlichen Rückwirkungen bei einer Schiffbarmachung des Hochrheins etwa gerechnet werden könnte. Es wurde festgestellt, dass der höhere Aufwand für den Transport der vorhandenen Gütermenge von der Volkswirtschaft in Kauf genommen werden könnte, wenn seinetwegen der volkswirtschaftliche Ertrag mehr als entsprechend ansteigen würde.

595 Dem Kapitel J kann entnommen werden, dass die Voraussetzungen für eine Belebung und Strukturverbesserung der Wirtschaft der Nordostschweiz vorhanden sind; dies ist eine allgemeine Feststellung, die unabhängig von der Frage der Hochrheinschiffahrt Gültigkeit hat. Es wurde festgestellt, dass die Hochrheinschiffahrt dem Einzugsgebiet eine Korrektur der Frachtenlage und damit den peripher liegenden Eegionen eine Standortsaufwertung bringen würde.

Was nun das Mass der Belebung und Strukturverbesserung anbetrifft, sind wir uns bewusst, dass man mit teilweise zeitgebundenen Gesichtspunkten allein dem Projekt des Hochrheinausbaues und seiner Auswirkungen nicht gerecht werden kann. Wir hielten es jedoch für richtig, eine sorgfältige Analyse der heute gegebenen und auch für die nächste Zukunft wirksamen Faktoren der Darlegung von Imponderabilien voranzustellen. Damit wird jedenfalls eine massgebende und unentbehrliche, wenn auch nicht die einzige Beurteilungsgrundlage der Hochrheinschiffahrt erfasst.

Die Untersuchungen ergaben bei rein rechnerischer Betrachtung wenig Beispiele für positive Auswirkungen der Hochrheinschiffahrt. Dieses Ergebnis ist auf Grund der heute greifbaren und absehbaren Gegebenheiten zweifellos richtig, aber noch nicht schlüssig. Es wurde insbesondere schon bei der Behandlung der Erweiterungen und Neugründungen von Industrien und Betrieben darauf hingewiesen, dass nicht alle heute schon vorhandenen Möglichkeiten aufgefunden und mit ihren positiven Wirkungen nachgewiesen werden können.

Noch weniger lässt sich das im Hinblick auf eine fernere Zukunft tun.

Die möglichen Auswirkungen der Hochrheinschiffahrt wären nicht hinreichend erfasst, falls nicht auch soziologische und psychologische Einflüsse in Rechnung gestellt würden. Zwar können auch solche Kräfte keine wirtschaftliche Belebung auslösen, die nicht auf einer kalkulatorisch fassbaren Grundlage beruht. Sie vermögen aber unter Urnständen die Unternehmungslust, die Investitionsbereitschaft und persönliche Leistungen zu steigern.

Dass gerade in der Ostschweiz eine solche Wirkung von der Hochrhein·schiffahrt ausgehen könnte, ist nicht von der Hand zu weisen. Nach einer längern Periode der wirtschaftlichen Stagnation hat auch in der Ostschweiz eine Aufwärtsbewegung eingesetzt. Doch lassen sich noch immer starke Nachwirkungen aus
der Zeit des wirtschaftlichen Zusammenbruches feststellen, die vor allem im soziologischen und psychologischen Bereich und damit aber auch im täglichen Wirtschaften ihren Niederschlag finden. Dem steht eine ebenso ausgeprägte Ausrichtung vieler Kreise auf die Hochrheinschiffahrt gegenüber, von der, häufig ohne eine bestimmte wirtschaftliche Vorstellung, eine Änderung dieses Zustandes erwartet wird.

II. Hochrheinschiffahrt

und schweizerische Volkswirtschaft

Volkswirtschaftlich gesehen, erweist sich die Hochrheinschiffahrt dann von Nutzen, wenn sie eine Produktivitätszunahme der Wirtschaft als Folge der Frachteinsparungen zur Folge hat. Die Vorteile einer gesteigerten Produktivität

596 können letzten Endes nur auf dem Absatzmarkt, d.h. in Ausnützung der stärkeren Wettbewerbsstellung realisiert werden. Vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus erweist sich die dazu erforderliche Kosten- und Preissenkung letzten Endes erst dann als interessant, wenn da'durch die Erweiterung oder die Gewinnung neuer in- und ausländischer Märkte und die Festigung der Position im internationalen Handel gewährleistet werden. Würde aber die ostschweizerische Industrie in erster Linie die Deckung eines grösseren Anteils am schweizerischen Bedarf übernehmen und damit die Absatzbedingungen der Industrien in der übrigen Schweiz erschweren, dann wäre zwar damit der Wirtschaft des Einzugsgebietes geholfen, aber die Steigerung des volkswirtschaftlichen Ertrages, gesamtwirtschaftlich betrachtet, gering.

Der Nutzen der Hochrheinschiffahrt für den einzelnen Betrieb wird zwar um so grösser sein, je materialintensiver die Produktion und damit je grösser die Frachtersparnis ist. Nun beruht aber die gute Position schweizerischer Erzeugnisse auf dem internationalen Markt weitgehend auf der Qualitätsleistung unserer Veredelungsindustrie. Diese ist durch den intensiven Einsatz von Arbeit und Kapital gekennzeichnet. Mit andern Worten die Industrien, die sich nach ihrer Kostenstruktur die meisten Vorteile von der Hochrheinschiffahrt versprechen, weisen die am wenigsten günstigen Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb unserer Volkswirtschaft auf.

Wir haben auch schon festgestellt, es sei nicht damit zu rechnen, dass wegen der Hochrheinschiffahrt Eegionen, welche ausserhalb des Einzugsgebietes liegen, in nennenswertem Ausmasse Industrien verlieren würden. Sofern derartige Verlagerungen überhaupt einträten, wären sie natürlich vom Standpunkt des volkswirtschaftlichen Ertrages aus indifferent zu werten.

Im Hinblick auf die Wirkungen in Eichtung einer volkswirtschaftlichen Ertragssteigerung dürften die Möglichkeiten der Erweiterung von bestehenden Industrien und von Neugründungen im Einzugsgebiet selbst noch am günstigsten zu beurteilen sein.

Alles in allem genommen, würde wahrscheinlich eine Belebung und Strukturverbesserung der ostschweizerischen Gebiete nur langsam eintreten. Die Auslösung einer schlagartigen Industrialisierung erscheint ausgeschlossen. Der als Folge der Hochrheinschiffahrt entstehende volkswirtschaftliche
Ertrag würde entsprechend langsam zunehmen.

Es gehört zu den Zielsetzungen einer schweizerischen Landesplanung, gewisse nachteilige Folgen der früheren Industrialisierungsperioden in unserem Lande möglichst abzubauen. Dazu gehören das überproportionale Wachstum von Städten, der ausgedehnte Pendlerverkehr sowie die zu Einseitigkeit neigende Wirtschaftsstruktur ganzer Eegionen und deren damit verbundene Krisenanfälligkeit. Die bisherigen Ausführungen liessen die Hochrheinschiffahrt grundsätzlich als ein mögliches Mittel erscheinen, welches im Sinne dieser Bestrebungen wirken würde.

697 L. Schlussfolgenmgen In seiner Botschaft vom 6. August 1929 an die Bundesversammlung betreffend die Eegulierung des Eheins zwischen Basel (Istein) und Strassburg hat der Bundesrat zum Ausdruck gebracht, dass es selbstverständlich im Interesse unseres Landes liege, der Frage der spätem Ausdehnung des Großschiffahrtsweges von Basel bis zum Bodensee auch fernerhin alle Aufmerksamkeit zu schenken und den Ausbau dieser Strecke nach Möglichkeit zu fördern. Gemäss dem schweizerisch-deutschen Vertrag vom Jahre 1929 werden die beiden Staaten über die Verwirklichung dieser Wasserstrasse einen neuen Vertrag abschliessen, sobald die wirtschaftlichen Verhältnisse die Ausführung des Unternehmens möglich erscheinen lassen. Der Bundesrat wies in der erwähnten Botschaft darauf hin, dass dieser Vorbehalt schweizerischer Interessen wirtschaftlicher Natur jede Gefahr überstürzter Massnahmen ausschliessen dürfte.

Der Vertrag vom Jahre 1929 ist eine Abmachung, die uns kraft internationalen Eechtes verpflichtet, und auch sonst greift der Ausbau des Hochrheins, wie aus unseren Ausführungen über die rechtlichen und vertraglichen Grundlagen hervorgeht, in die auswärtigen Beziehungen unseres Landes hinein.

Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, im Jahre 1929, haben die wirtschaftlichen Verhältnisse die Ausführung des Unternehmens noch nicht erlaubt. Soll die Ausführung als möglich erscheinen, so müssen die wirtschaftlichen Verhältnisse von jenen des Jahres 1929 verschieden sein. Damals stellte man sich schweizerischerseits namentlich auch auf den Standpunkt, einem sofortigen Ausbau der Schiffahrtsstrasse, zeitlich unabhängig von dem nach Massgabe der wirtschaftlichen Bedürfnisse fortschreitenden Bau der Kraftwerke, könne nicht zugestimmt werden ; man fügte bei, dass ein fast gleichzeitiger Ausbau der Strecken Basel-Strassburg und Basel-Bodensee für die Schweiz eine untragbare finanzielle Belastung ergäbe. Auch der Umstand, dass Österreich ebenfalls an der Frage interessiert sei, dürfe nicht übersehen werden. Im weitern erschien auch die Frage der Auswirkungen auf die Schweizerischen Bundesbahnen noch zuwenig abgeklärt.

Wie unser Bericht zeigt, können nun heute, ausgehend von den gegenwärtigen Verhältnissen, die Eückwirkungen auf die Bundesbahnen und auf die übrigen Verkehrsträger überblickt werden. In bezug auf die
übrigen vorstehend erwähnten Gründe, welche die Schweiz im Jahre 1929 gegen einen sofortigen Ausbau des Hochrheins als Schiffahrtsstrasse namhaft gemacht hat, sind zwar Änderungen eingetreten, diese Gründe sind jedoch dadurch nicht hinfällig geworden. Wohl sind seither eine Beihe von Kraftwerken gebaut worden, aber es "wird noch der Neu- bzw. Umbau von vier Kraftwerken in Angriff genommen werden müssen, bevor, technisch gesehen, zum durchgehenden Bau der Schifffahrtsanlagen geschritten werden könnte. Im weitern sind zwar die Bheinregulierungsarbeiten zwischen Strassburg und Basel zur Hauptsache beendet, aber selbst wenn die Eegulierungsbauwerke fertiggestellt sein werden, haben sie noch eine Bewährungsfrist zu durchlaufen, und die Schweiz ist, wie wir Ihnen in

598 unserer Botschaft vom 15.Februar 1955 betreffend die Genehmigung zweier Zusätze zu den Vereinbarungen über die Eheinregulierung bekanntgegeben haben, noch nicht aller Verpflichtungen bezüglich dieser Bauwerke ledig. Im Zusammenhang mit der Änderung der Verhältnisse gegenüber 1929 ist ferner festzuhalten, dass die Schiffahrt bis Basel einen grossen Aufschwung genommen hat, dass aber anderseits sich auch die Konkurrenz zwischen Bahn und Lastwagen stark verschärft hat und zu einem schwerwiegenden Problem geworden ist.

Wenn der Bundesrat in seiner Botschaft vom Jahre 1929 nur die oben erwähnten Gründe gegen den sofortigen Ausbau des Hochrheins als Schiffahrtsstrasse namhaft gemacht hat, so geht jedenfalls aus den Vorarbeiten zum Staatsvertrag hervor, dass schweizerischerseits der Begriff «wirtschaftliche Verhältnisse» in einem ganz allgemeinen und umfassenden Sinne verstanden wurde. Es könnte ein die Ausführung des Grossschiffahitsweges regelnder Vertrag abgeschlossen werden, auch wenn nicht alle jene obenerwähnten Gründe weggefallen sind; der Vertragsabschluss bleibt dagegen an die Voraussetzung geknüpft, dass, in umfassendem Sinn verstanden, die wirtschaftlichen Verhältnisse die Ausführung des Unternehmens möglich erscheinen lassen.

Bei der Prüfung der übrigen, im vorliegenden Berichte dargelegten wirtschaftlichen Auswirkungen haben sich für die nächste Zukunft Möglichkeiten einer gewissen Wirtschaftsbelebung infolge der Hochrheinschiffahrt abgezeichnet, die allerdings nicht überschätzt werden dürfen. Es können zwar kaum alle schon vorhandenen Möglichkeiten aufgefunden und mit ihren positiven Wirkungen nachgewiesen werden, immerhin sind die Untersuchungen auf breiter Basis durchgeführt worden. Im übrigen hält der Bundesrat dafür, dass man ein Werk wie den Ausbau des Hochrheins als Schiffahrtsstrasse heute nicht ein für allemal abschliessend beurteilen kann. Er hat im vorliegenden Bericht, dem Wunsch der Postulate der Bundesversammlung entsprechend, die Verkehrs- und volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer Schiffbarmachung des Hochrheins dargelegt, wobei sich ergab, dass die Verkehrs wirtschaftlichen Auswirkungen leichter zu beurteilen sind als die entscheidenden volkswirtschaftlichen Auswirkungen; denn die letzteren könnten eventuell auch von der psychologischen Seite her beeinflusst werden.
Auf dem technischen Gebiet sind Entwicklungen möglich, welche tiefgreifende Wirkungen auf die gesamte Wirtschaft haben und die Grundlagen für die Beurteilung der Frage der Hochrheinschiffahrt verändern könnten. Wir denken dabei z.B. an die Ausnutzung der Atomenergie zu friedlichen Zwecken.

Offensichtlich lässt sich heute noch nicht sagen, ob eine solche Entwicklung letzten Endes zu einer Verminderung oder einer Vermehrung der für die Schifffahrt in Frage kommenden Transporte führen würde. Nicht zu vergessen ist schliesslich, dass sich der Schweiz in bezug auf die übrigen Verkehrsträger wichtige Aufgaben stellen, deren Lösung dringlich ist und sehr grosse Anstrengungen seitens unseres Landes erfordern wird.

Bei dieser Sachlage wird sich der Bundesrat, getreu den von der Schweiz eingegangenen Verpflichtungen, der Frage der Hochrheinschiffahrt weiterhin

599 mit aller Aufmerksamkeit annehmen. Selbstverständlich ist gemäss den bestehenden vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen der Weg zur Schiffbarmachung des Hochrheins offenzuhalten, indem Massnahmen zu unterbleiben haben, welche die Verwirklichung dieses Werkes erschweren oder gar verunmöglichen könnten.

Wir beantragen Ihnen, von unserem Berichte zustimmend Kenntnis zu nehmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 2. März 1956.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Feldmann Der Bundeskanzler : Ch. Oser

600 Beilage l

Note der Deutschen Gesandtschaft

Deutsche Gesandtschaft B 2073 Die Deutsche Gesandtschaft beehrt sich, dem Eidgenössischen Politischen Departement auftragsgemäss folgendes mitzuteilen.

In dem deutsch-schweizerischen Vertrag über die Eegulierung des Rheins zwischen Strassburg/Kehl und Istein vom 28. März 1929, Artikel 6, haben sich die Deutsche und die Schweizerische Regierung darüber geeinigt, dass im Zusammenhang mit der Regulierung des Rheins von Strassburg/Kehl bis Istein die Ausführung des Großschiffahrtsweges von Basel bis zum Bodensee zu erstreben ist und dass, sobald die wirtschaftlichen Verhältnisse die Ausführung des Unternehmens möglich erscheinen lassen, der Schweizerische Bundesrat mit der Badischen Regierung einen Vertrag abschliessen wird, durch den insbesondere eine angemessene Kostenbeteiligung der Schweiz, die Fristen der Ausführung des Unternehmens und seine technische und administrative Förderung festgesetzt werden.

In letzter Zeit hat nicht nur der Energiebedarf, wie auch die Konzessionsbewerbungen für die Hochrheinwasserkräfte erkennen lassen, erheblich zugenommen, so dass seine Deckung vielfach auf Schwierigkeiten stösst und eine Beschleunigung im Ausbau von Wasserkräften erfordert, sondern auch das Verkehrsbedürfnis in den beiden Ländern lässt es notwendig erscheinen, die Fortsetzung der Rheinschiffahrt über Basel hinaus in die Aare hinein und "bis zum Bodensee durch baldige Kanalisierung des Rheins zu ermöglichen. In jahrelanger gemeinsamer Arbeit der schweizerischen und deutschen zuständigen Stellen sind die technischen Grundlagen für das Unternehmen so weit geklärt, dass nicht nur über die Ausführung von Einzelanlagen, sondern nunmehr auch über die praktische Durchführung des Gesamtplanes Entscheidung getroffen werden könnte. Die Bauwürdigkeit steht ausser Zweifel. Es handelt sich also jetzt darum, das Bau- und Finanzierungsprogramm zu vereinbaren, um die Arbeiten plan- und fristgemäss in Angriff nehmen und zu Ende führen zu können.

Aus diesen Gründen erachtet die Deutsche Regierung die Zeit für gegeben, in Verhandlungen mit der Schweizerischen Regierung einzutreten mit dem Ziel, die Großschiffahrtsstrasse von Basel bis zum Bodensee baldmöglichst zur Ausführung zu bringen. Die Deutsche Regierung ist bereit, bei dieser Gelegenheit auch den Versuch zu machen, über die von der Schweiz gewünschte Bodensee-

601 regulierung zu einer Vereinbarung zu gelangen. Das in technischer Hinsicht äusserst verwickelte Problem - Aufstellung des Wehrreglementes - wird nach den neuesten Untersuchungen der deutschen Dienststellen unüberwindliche Schwierigkeiten nicht mehr bieten.

Sofern die Schweizerische Eegierung diesem Vorgehen grundsätzlich zustimmt, würde die Deutsche Eegierung zu einer ersten Aussprache - etwa in der zweiten Hälfte November - einladen.

Die Deutsche Gesandtschaft benutzt gern auch diesen Anlass zur Versicherung ihrer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern, den 28. Oktober 1938

602 Beilage 2 Note des Politischen Departements

Eidgenössisches Politisches Departement C. 13.230-PA Bern, den 5. Dezember 1988

An die Deutsche Gesandtschaft, Bern Das Eidgenössische Politische Departement beehrt sich, der Deutschen Gesandtschaft den Empfang der Note vom 28.Oktober 1988 betreffend Schiffahrtsstrasse Basel-Bodensee zu bestätigen. Unter Hinweis auf Artikel 6 des deutschschweizerischen Vertrages über die Eegulierung des Eheins zwischen Strassburg/Kehl und Istein vom 28. März 1929 erachtet die Deutsche Eegierung die Zeit für gekommen, um über die Frage der Schiffbarmachung der Wasserstrasse Basel-Bodensee in Verhandlungen mit dem Bundesrat einzutreten. Das Politische Departement beehrt sich, der Deutschen Gesandtschaft folgendes mitzuteilen : Mit der Deutschen Eegierung ist der Bundesrat der Ansicht, dass die Fragen, welche die Eheinschiffahrt zwischen Basel und Bodensee betreffen, abzuklären sind. Schweizerischerseits war man stets bemüht, zur Abklärung des Schiffahrtsproblems Basel-Bodensee in weitgehendem Masse beizutragen. Die schwierige Frage der Überwindung des Eheinfalles ist in einer gründlichen Studie behandelt worden, die der Abteilung für Wasser- und Strassenbau des badischen Finanz- und Wirtschaftsministeriums nächstens zugehen wird. Auch für die Schiffahrtslösung bei der Stufe Albbruck-Dogern sind schweizerischerseits Untersuchungen durchgeführt worden, obwohl diese Stufe nicht der Bheinstrecke angehört, die auf Grund der seinerzeit getroffenen Abmachungen in schiffahrtstechnischer Hinsicht von der Schweiz zu bearbeiten ist. Die schweizerischen zuständigen Stellen haben es weiter übernommen, die Frage des wirtschaftlichen Ausbaues der Schiffahrtsstrasse abzuklären. Diese Studie ist in vollem Gange.

In der badisch-schweizerischen technischen Kommission für den Ausbau des Eheins zwischen Basel und Bodensee, welcher die Behandlung der Projekte obliegt, ist unter der aktiven Mitwirkung der deutschen und schweizerischen zuständigen Stellen eine ausserordentlich wertvolle Arbeit für die Ausnützung der Wasserkräfte, aber auch im Hinblick auf die Durchführung der Schiffahrt geleistet worden. Um die Abklärung der Verhältnisse zu fördern, erklärt sich der

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Schweizerische Bundesrat dazu bereit, dass Vertreter der beiden Regierungen zu einer mündlichen Besprechung zusammentreten. In erster Linie wird es sich darum handeln, zu prüfen, welche Stufen bei der bisherigen Bearbeitung in Eückstand geblieben sind. Der Bundesrat glaubt, dass die erste Besprechung dieser Frage gewidmet werden sollte und dass daher diese Besprechung am besten zwischen den technischen Instanzen beider Staaten stattfindet. Über die zunächst in Angriff zu nehmenden Fragen wird zweckmässig ein Programm aufgestellt werden.

Der Bundesrat erwartet gerne die Einladung der Deutschen Regierung zu einer ersten Aussprache in der Angelegenheit. Die zuständigen Stellen waren aber leider nicht in der Lage, bereits in der zweiten Hälfte November in die Besprechungen mit den deutschen Vertretern einzutreten. Das Politische Departement gestattet sich daher, für die Aufnahme dieser Besprechungen den Monat Februar 1939 in Vorschlag,zu bringen.

Das Departement benützt den Anlass, die Deutsche Gesandtschaft erneut seiner ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

L. S.

604 Beilage 3

Note der Deutschen Gesandtschaft Deutsche Gesandtschaft B 228

An das Eidgenössische Politische Departement, Bern Erhaltenem Auftrag zufolge beehrt sich die Deutsche Gesandtschaft, dem Eidgenössischen Politischen Departement auf die Note vom 5. Dezember 1988 C. 18.280 PA. - betreffend die Schiffahrtsstrasse Basel-Bodensee mitzuteilen, dass die Deutsche Eegierung den in der Note vom 5. Dezember 1938 enthaltenen Vorschlag annimmt und das Badische Finanz- und Wirtschaftsministerium ersucht hat, das Eidgenössische Wasserwirtschaftsamt zu einer Besprechung der noch offenen Fragen, den Ausbau des Hochrheins betreffend, für Mitte März einzuladen. Zwischen den beiden Dienststellen wird vorher ein Verhandlungsprogramm zu vereinbaren sein. Die Verhandlungen werden deutscherseits unter Leitung eines Vertreters des Eeichsverkehrsministeriums stattfinden.

Die Deutsche Gesandtschaft benutzt gern auch diesen Anlass zur Versicherung ihrer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern, den 6. Februar 1989.

605 Beilage 4 Vernehmlassungen der Kantonsregierungen Der Regierungsrat des Kantons Zürich an das Eidgenössische Post- und Eisenbahndepartement, La Bern

Zürich, den 9. Juli 1953 Herr Bundesrat !

Der Eegierungsrat dankt Ihnen für die Zustellung der Untersuchungen über die Rheinschiffahrt Basel-Bodensee, von denen er mit Interesse Kenntnis genommen hat. Die aufgeworfenen Fragen sind derart weitschichtig, dass es ihm nicht möglich war, sie innert Frist zu behandeln. Zu den in Ihrem Schreiben vom 20. Januar 1958 enthaltenen Fragen nimmt der Eegierungsrat wie folgt Stellung: 1. Vor einer Beurteilung der Untersuchungsergebnisse der Vereinigung für Landesplanung vom kantonalen Standpunkt aus drängen sich die folgenden allgemeinen Feststellungen auf.

Die Vereinigung für Landesplanung hatte die Frage abzuklären, ob in der Nordostschweiz diejenigen Voraussetzungen vorhanden seien, welche bei einer Ausdehnung der Rheinschiffahrt bis in den Bodensee für das Entstehen einer wesentlichen Wirtschaftsbelebung und von wesentlichem Neuverkehr erforderlich sind. Sie führt zu Beginn des Gutachtens aus, dass auf Grund dieser Fragestellung offensichtlich nicht eine abschliessende Erklärung erwartet werde, die Hochrheinschiffahrt hätte die Ansiedlung von so und so vielen neuen Industrien zur Folge oder sie schaffe eine bestimmte Menge zusätzlicher Transportleistungen.

Eine solche Antwort liesse sich sachlich nicht ermitteln und könnte lediglich «prognostische Spekulation» sein. Demgegenüber bestehe die Aufgabe darin, Zustände, Kräfte und .Entwicklungserscheinungen aufzudecken, die in der Frage unter dem Sammelbegriff «Voraussetzungen» enthalten seien. Die Beantwortung der Frage erscheine vielleicht insofern als unbefriedigend, als sie eben die wesentliche Schlussfolgerung, auf die es bei der ganzen Diskussion um die Hochrheinschiffahrt entscheidend ankomme, nicht ziehen könne. Wörtlich führt das Gutachten aus: «Was nun allerdings zu einer relativen Sicherheit beiträgt, ist der Tatbestand, dass wenigstens die Grenze nach ,unten' eindeutig festgelegt werden kann. Mit andern Worten; Es lässt sich eindeutig feststellen, wenn keine Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Neubelebung oder für das Entstehen von Neuverkehr gegeben sind. Bis zu einem gewissen Grad lässt sich - unter Vorbehalt völlig anderer Grundfaktoren - auch die ,obere' Grenze einigermassen fixieren.» Bundesblatt. 108. Jahrg. Bd. I.

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Diese Einleitung offenbart in eindeutiger Weise die Problematik der mit der Hochrheinschiffahrt zusammenhängenden Hauptfragen. Positive Beweise für eine künftige wirtschaftliche Neubelebung oder das Entstehen von Neuverkehr sind nur bis zu einem gewissen Grade «unter Vorbehalt völlig anderer Grundfaktoren)? zu erbringen. Das Gutachten muss sich demnach im wesentlichen mit einer negativen Beweisführung begnügen. Es verliert dadurch wesentlich an praktischem Wert. Dessen Schlussfolgerungen sind darum mit aller Vorsicht aufzunehmen.

Eines der wichtigsten geltend gemachten Argumente für eine Hochrheinschiffahrt liegt in der Feststellung, dass der neue Wasserweg grosse Prachteinsparungen bringe. Das Eidgenössische Amt für Wasserwirtschaft rechnet mit rund 10 Millionen Franken pro Jahr. Die Vereinigung für Landesplanung hat in der Folge das Seminar für Verkehrspolitik an der Handelshochschule St. Gallen beauftragt, abzuklären, welche Auswirkungen die durch die neue Wasserstrasse zu erwartenden Frachteinsparungen auf die in ihrem Einzugsgebiet liegenden Industrien haben könnten und welche Möglichkeiten der Ansiedlung neuer Industrien vom Anreiz billiger Frachten zu erwarten wären. Auch dieses Untergutachten äussert sich eingangs sehr vorsichtig hinsichtlich der Aufstellung von Prognosen für eine künftige Wirtschaftsentwicklung. Schon eine Aussage über die mutmassliche Eichtung der wirtschaftlichen Entwicklung scheint ihm gewagt; als noch viel unzuverlässiger erachtet es eine Festlegung auf eine bestimmte zukünftige wirtschaftliche Konstellation. Das Gutachten hält sich deshalb bewusst an die heutigen Verhältnisse. Als Grundlage dienen ihm eingehende Untersuchungen über die Auswirkung von Frachtkostensenkungen in 45 Unternehmungen der Ost- und Nordostschweiz, die sich gleichmässig- auf die verschiedenen Branchen und Eegionen verteilen. Dabei geht das Gutachten von der Voraussetzung aus, dass von einer wesentlichen Besserstellung in der Konkurrenzlage erst dann gesprochen werden könne, wenn sich die Frachtvergünstigungen soweit auswirken, dass auch die Preisgestaltung der Fertigprodukte beeinflusst werde. Das Gutachten kommt auf Seite 64 ff. zum Schluss, «dass für die im gegenwärtigen Zeitpunkt vorherrschende industrielle Tätigkeit innerhalb des Einzugsgebietes der Hochrheinschiffahrt die Erwartungen nicht
allzu hoch geschraubt werden dürfen. . . . Sehen wir von drei bis vier Fabriken der Zellulose- und Holzverarbeitung ab, so kann vorerst kaum mehr als eine innere Stabilisierung des Kostengefüges erhofft werden.» Die Industriegebiete der Kantone Aargau und Zürich werden etwas günstiger beurteilt, weil in ihnen die Massengüterverarbeitung eine gewisse Bedeutung erlangt hat. Es darf aber gemäss Gutachten auch in diesen Regionen nicht mit einem raschen, allgemein fühlbaren Aufschwung gerechnet werden. Allgemein wird die Möglichkeit offen gelassen, dass auch eine kleine Erholung und Erleichterung als Stimulus wirken und die gerade der Ostschweiz mangelnde wirtschaftliche Grundstimmung wandeln könnte. Zusammengefasst erscheint es gemäss Gutachten nicht als unwahrscheinlich, «dass selbst die heute schon im Einzugsgebiet des Hochrheins gelegenen Industrien eine gewisse Expansion erfahren könnten, die sich dann

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allerdings nicht auf Grund von Zahlen rechtfertigen liesse, sondern auf irrationale Momente zurückzuführen wäre». Was die Ansiedlung neuer Industrien anbetrifft, kommt das Gutachten zum Schluss, dass in Zukunft kaum damit zu rechnen sei, dass im Falle von Neugründungen die Ostschweiz in erster Linie Berücksichtigung finden werde. Diese setze zwar hohe Erwartungen in das neue Verkehrsmittel, könne jedoch durch die Hochrheinschiffahrt in ihrer Kosten'Struktur bestenfalls das Niveau der übrigen schweizerischen Eegionen erreichen.

Diese sehr unbestimmt gehaltenen Feststellungen des Seminars für Verkehrspolitik sind nicht besonders ermutigend und wohl kaum geeignet, eine positive Einstellung zur Hochrheinschiffahrt zu erwecken. Daran kann auch die etwas akzentuiertere Befürwortung im Gutachten der Vereinigung für Landesplanung nichts ändern. Auch in diesem Gutachten wird indessen in der Zusammenfassung nur die Möglichkeit offen gelassen, dass die Hochrheinschiffahrt wesentlich zur wirtschaftlichen Belebung einer krisengeschädigten und ausserdem peripheren Gegend beitragen könnte. Beweise dafür, dass diese Möglichkeit zur Wirklichkeit werden könnte, fehlen. Es sind deshalb erhebliche Zweifel gerechtfertigt, ob die hohen Erwartungen, die die Befürworter der Hochrheinschiffahrt hegen, in Erfüllung gehen würden.

Auf den Seiten 166 ff. spricht sich das Gutachten der Vereinigung für Landesplanung über die für den Kanton Zürich möglichen Auswirkungen einer Hochrheinschiffahrt aus. Zutreffend wird bemerkt, dass die Struktur des Kantons beherrscht wird von der Großstadtregion Zürich, in der, die nähere Umgebung miteinbezogen, rund 70 Prozent aller industriellen Betriebe niedergelassen sind. Demgegenüber sind andere Gebiete, vornehmlich das Zürcher Unterland, industriell weit weniger entwickelt. Täglich fahren etwa 20,000 Pendler zur Arbeit in das Stadtgebiet. In politischer Hinsicht erweist sich diese über die Landschaft dominierende Agglomeration als unerwünscht, und es besteht aller Grund, der zunehmenden Verstädterung entgegenzutreten. Das Gutachten der Vereinigung für Landesplanung sieht in der Verwirklichung der Hochrheinschiffahrt ein Mittel, auf zwanglose Weise Industrien aus den hochkonzentrierten Gebieten abzuziehen, indem es annimmt, dass sich diese teilweise aus eigenem Interesse auf die Landschaft,
beispielsweise in die Bezirke Dielsdorf, Bülach und Andelfingen, verlagern würden, um am neuen Standort eher der Vorteile des Eheinschiffahrtsweges teilhaftig zu werden. Der Begierungsrat erachtet.es als besondere Verpflichtung, Entwicklungstendenzen, die zur Dezentralisation führen können, zu unterstützen. Er hat daher Auftrag erteilt, eingehend abzuklären, in welchem Umfange die Hochrheinschiffahrt eine derartige Auswirkung erwarten lässt. Diese Untersuchung, die sich auch auf das Gutachten der Vereinigung für Landesplanung im gesamten erstreckt, ist noch nicht abgeschlossen. Der Regierungsrat behält sich deshalb vor, gegebenenfalls in einem späteren Zeitpunkt auf den gesamten Fragenkomplex nochmals zurückzukommen. Vorläufig teilt er jedenfalls die auf Seite 168 des Gutachtens der Vereinigung für Landesplanung geäusserte Auffassung, dass die Hochrheinschiffahrt

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für den Kanton Zürich kein lebensnotwendiges Element und bei weitem nicht von der Bedeutung sein könnte wie beispielsweise für die Kantone Thurgau und St. Gallen.

2. Zur Frage, ob die durch die Schaffung der Hochrheinschiffahrt dem Kanton voraussichtlich erwachsende finanzielle Belastung als in einem billigen Verhältnis zu den zu erwartenden regionalen Vorteilen stehend erachtet werde und ob sich eine Befürwortung vor dem kantonalen Parlament und vor dem Volk verantworten lasse, nimmt der Eegierungsrat wie folgt Stellung: In Ihrem Schreiben vom 20. Januar 1953 gehen. Sie davon aus, dass die öffentliche Hand bei Annahme eines einschleusigen Ausbaues, einschliesslich Betrieb, Unterhalt und Erneuerung der Wasserstrasse und eines hypothetischen Kostenanteils der Schweiz von 25 Prozent mit rund 75 Millionen Franken belastet werde. Dabei hätten die Kantone der Nordostschweiz die Hauptlast zu tragen, während ein allfälliger Kostenanteil des Bundes relativ klein sein dürfte.

Sie erachten es als möglich, auf Grund dieser Angaben die Kostenanteile der Kantone abzuschätzen.

Vorerst ist festzustellen, dass die Annahme eines einschleusigen Ausbaues mit einem schweizerischen Kostenanteil von 75 Millionen Franken nicht den tatsächlichen Intentionen des Eidgenössischen Amtes für Wasserwirtschaft entspricht. Dieses führt auf Seite 8 seines zusammenfassenden Berichtes selbst aus, dass die Wasserstrasse bis in die Gegend von Eglisau zweischleusig ausgebaut werden müsste, damit der Verkehr auf dem Hochrhein, zusammen mit dem noch grösser einzuschätzenden deutschen und österreichischen Verkehr, praktisch reibungslos bewältigt werden könnte. Ein einschleusiger Ausbau scheint somit von allem Anfang an ausser Frage zu stehen. Es dürfte deshalb müssig sein, sich über die Verteilung der Kosten eines einschleusigen Ausbaues auszusprechen. Gemäss den Ausführungen des Eidgenössischen Amtes für Wasserwirtschaft auf Seite 8 & des zusammenfassenden Berichtes müsste bei zweischleusigem Ausbau bei einer Beteiligung von 25 Prozent an den Baukosten mit einem Kostenanteil der Schweiz von mindestens 92 Millionen Franken gerechnet werden. Dabei steht keinesfalls fest, dass es bei diesen Ausgaben bleiben würde.

So ist beispielsweise nirgends festgelegt, dass die Schweiz nur mit 25 Prozent der Gesamtkosten belastet würde. Schon in
den Verhandlungen der zwanziger Jahre wurde von einer Kostenverteilung von 60 Prozent zu Lasten Deutschlands und von 40 Prozent zu Lasten der Schweiz gesprochen. Auch heute soll sogar bei den Schiffahrtsfreunden mit 40 Prozent Kostenanteil der Schweiz gerechnet werden. Jede prozentuale Erhöhung des schweizerischen Kostenanteils bringt aber gleichzeitig eine Verschlechterung der Rentabilitätsrechnung und damit eine Verschiebung des Verhältnisses zwischen Aufwand und Erfolg mit sich.

Aber auch abgesehen von dieser Feststellung ist es heute gar nicht möglich, den auf jeden Kanton entfallenden Beitrag zu schätzen; denn es fehlen jegliche Hinweise, nach welchen Grundsätzen die Aufteilung zu erfolgen hätte. Es steht noch nicht einmal fest, welche Kantone angegangen werden sollen. Ihrer Zu-

609 schriffc nach könnte man schliessen, dass die nach Abzug eines Bundesbeitrages verbleibenden Kosten unter die Kantone der Nordostschweiz, also wohl unter die Kantone Aargau, Thurgau, Schaffhausen, St. Gallen und Zürich aufzuteilen wären. Demgegenüber stellt das Eidgenössische Amt für Wasserwirtschaft in der Beilage 9 zum zusammenfassenden Bericht fest, dass gesamthaft 15 Kantone von den Frachteinsparungen, allerdings in sehr verschiedenem Ausmass, profitieren würden. Sollte dies zutreffen, so hätten alle diese Kantone ihren abgestuften Beitrag zu leisten. Wie die Abstufung zu erfolgen hätte, ist nirgends dargelegt. Sowohl hinsichtlich des bisherigen Anteils am Eheinverkehr bis Basel und des errechneten künftigen Anteils am Hochrheinverkehr wie auch in bezug auf erhoffte Frachteinsparungen soll der Kanton Zürich nach den Feststellungen des Eidgenössischen Amtes für Wasserwirtschaft mit Anteilen von 550 000 Tonnen oder 39 Prozent und 2,95 Millionen Franken oder 83 Prozent an der Spitze aller Kantone stehen. Der solchen Berechnungen naheliegende Schluss, d'ass der Kanton Zürich dementsprechend auch den Hauptanteil der Aufwendungen zu übernehmen hätte, müsste jedenfalls entschieden abgelehnt werden. Eine solche Aufteilung würde- in krassem Missverhältnis zu den Vorteilen stehen, die der Kanton von der Hochrheinschiffahrt eventuell zu erwarten hat. Der Eegierungsrat erachtet es als unmöglich, auf Grund der vorhandenen Unterlagen eine allfällige Beitragsleistung des Kantons abzuschätzen.

Ebenso schwierig ist die Beantwortung der Frage, ob der Kegierungsrat grundsätzlich bereit sei, seinerzeit Parlament und Volk eine Beitragsleistung überhaupt zu empfehlen. Wie bereits ausgeführt, vermag das Gutachten der Vereinigung für Landesplanung nicht zu überzeugen, dass eine Hochrheinschifffahrt grosse volkswirtschaftliche Vorteile bringen wird. Der Eegierungsrat erachtet diese Frage als noch zu wenig abgeklärt. Abgesehen vom genannten Gutachten sind auch die Untersuchungen des Eidgenössischen Amtes für Wasserwirtschaft von so vielen Annahmen, Schätzungen und Unsicherheitsfaktoren abhängig, dass erhebliche Zweifel an deren Eichtigkeit am Platze sind. Es würde indessen zu weit führen, im Eahmen dieser Vernehmlassung auf Einzelheiten einzutreten. Folgende grundsätzliche Frage möchte der Eegierungsrat jedoch in
diesem Zusammenhang aufgreifen.

Das Eidgenössische Amt für Wasserwirtschaft kommt auf Seite 35 seines zusammenfassenden Berichtes zum Schluss, dass. die totale Frachtersparnis einer Hochrheinschiffahrtfür die Schweiz jährlich lOMillionen Franken betragen werde.

Die Belastung der schweizerischen" Volkswirtschaft wird auf Seite 8 fe mit rund 3,6 Millionen Franken jährlich berechnet. Gemäss Ausführungen auf Seite 36 überwiegen somit die Frachtersparnisse den jährlichen Aufwand um rund 6,5 Millionen Franken. Damit soll die Eigenwirtschaftlichkeit des Unternehmens dargelegt werden. Bei dieser Stellungnahme werden aber die Auswirkungen der Eheinschiffahrt auf die Schweizerischen Bundesbahnen noch nicht berücksichtigt, die einen erheblichen Ausfall an Frachteinnahmen befürchten. Bei einer umfassenden Würdigung aller Interessen dürfen aber die Auswirkungen auf die

610 bestehenden Verkehrsunternehmungen nicht ausser acht gelassen werden. Die vorliegenden Unterlagen ergeben über diese wesentlichen Fragen noch kein klares Bild. Aus allen diesen Gründen ist der Regierungsrat heute auch nicht in der Lage, zur Frage einer Beitragsleistung des Kantons an dieses Werk schon Stellung zu nehmen.

3. Ihrer Auffassung, dass es für die Schweiz nicht tunlich sei, gegenüber Deutschland die Initiative zu Verhandlungen im Sinne des Vertrages vom 28.März 1929 zu ergreifen, pflichtet der Regierungsrat bei. Es ist zu erwarten, dass das Interesse Deutschlands an der Schiffbarmachung des Hochrheins dasjenige der Schweiz wesentlich übersteigt. Es ist daher durchaus richtig, vorerst die weitere Entwicklung abzuwarten. Immerhin dürfte es sich im Hinblick auf die bestehenden internationalen Verpflichtungen empfehlen, inzwischen die technischen Erfordernisse für den Ausbau der Rheinschiffahrt, soweit dies zu verantworten ist, im Auge zu behalten und Massnahmen zu unterlassen, die eine spätere Durchführung erschweren oder gar verunmöglichen könnten ."Insbesondere dürfte es am Platze sein, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, um die für die Schiffahrtsanlagen, wie Schleusen, Kanäle usw. benötigten Gebiete von einer Überbauung freihalten zu können.

Abschliessend macht Sie der Regierungsrat ausdrücklich darauf aufmerksam, dass er verzichtet hat, als Grundlage für die vorliegende Vernehmlassung weitere Kreise, wie beispielsweise solche des Handels und der Industrie, zu begrüssen, da Sie diese Organisationen direkt zur Stellungnahme eingeladen haben.

Der Regierungsrat dankt Ihnen dafür, dass Sie ihm Gelegenheit gegeben haben, Ihnen seine Auffassung zu den aufgeworfenen Fragen bekanntzugeben.

Genehmigen Sie, Herr Bundesrat, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Im Namen des Regierungsrates, Der Präsident: Dr. J. Heusser Der Staatsschreiber i.V.: Dr. 0. Moesch

611 Beilage 5

Der Regierungsrat des Kantons Claras an das

Eidgenössische Wasserwirtschaftsamt, Bern

Betreffend Schiffbarmachung des Hoohrhfiins

Herr Direktor, Unterm 23. Januar 1953 haben Sie uns zum Projekt der Schiffbarmachung des Hochrheins folgende Unterlagen eingereicht : 1. Bericht Amt für Wasserwirtschaft, Zusammenfassende Darstellung Nr. 11; 2. Bericht Vereinigung für Landesplanung, Nr. 100; 3. Stenographisches Bulletin vom 10./1 I.Dezember 1952 betreffend Interpellation Scherrer.

Der Eegierungsrat des Kantons Glarus hat sich in seiner Sitzung vom 16. Juli a. c. mit der Frage der Schiffbarmachung des Hochrheins befasst. Nach Fühlungnahme mit den Kreisen des Handels und der Industrie ist folgendes zu bemerken: Wir haben das Problem der Schiffbarmachung des Hochrheins in erster Linie vom Standpunkt des Kantons Glarus und unter Berücksichtigung der direkten Einwirkungen auf die Volkswirtschaft unseres Kantons beurteilt.

Der Kanton Glarus könnte an der Schiffbarmachung des Hochrheins unmittelbar lediglich unter dem Gesichtspunkt von Frachtermässigungen interessiert sein. Dabei würde unser Kanton für den Transport für einzelne Warenkategorien in die «Anreizzone» und damit in das Einzugsgebiet des Hafens Eglisau fallen. An Frachtersparnissen ergab sich für den Kanton Glarus gemäss Beilage 9 zum Bericht vom 14. Juni 1952 lediglich der Betrag von 140 000 Franken. Diese Frachtersparnis ist an sich nicht beträchtlich, wobei zu berücksichtigen ist, dass es sich dabei weitgehend um eine schätzungsweise Berechnung handelt, wobei eine nur unwesentliche Senkung der Bahntarife der SBB ab Basel den Kanton Glarus wahrscheinlich aus der «Anreizzone» ausschalten würde. Die für den Kanton Glarus zu erwartende Frachtersparnis bewegt sich also in jedem Falle in einer Grössenordnung, die eine finanzielle Beteiligung des Kantons Glarus an den Ausbaukosten der Wasserstrasse nicht rechtfertigen

612

'

würde. Sie steht auch, was unsero Kanton betrifft, in keinem Verhältnis zu dem durch die Hochrheinschiffahrt zu erwartenden jährlichen Einnahmeausfall der SBB von 12-15 Millionen Pranken, der Basler Bheinhäfen von 6-8 Millionen Franken und des Mehraufwandes für den Transport und den Umschlag der auf die Hochrheinschiffahrt übergehenden Gütermengen von 8-11 Millionen Franken.

Die auf Seite 56 des Berichtes vom 14. Juni 1952 gemachten Ausführungen, dass sich als Auswirkung der Frachtersparnis im Einzugsgebiet eine weitere Belebung durch neue Betriebe und eine zusätzliche Industrialisierung und eine vielseitigere Wirtschaftsorientierung geltend machen könnten, dürften für den Kanton Glarus schwerlich zutreffen. Vorab sind einer weitern Industrialisierung unseres Landes durch die Bevölkerungszahl Grenzen gesetzt; unser Kanton darf schon jetzt als überindustrialisiert bezeichnet werden.

Im weitern befürchtet unsere Textilindustrie mit Eecht eine weitere Beeinträchtigung ihrer Konkurrenzfähigkeit durch die Hochrheinschiffahrt, indem von den Frachtermässigungen doch in erster Linie die in Süddeutschland, am Bodensee und im Vorarlberg gelegenen Textilindustrien profitieren, die zufolge ihrer wesentlich tieferen Löhnen schon heute zu den grössten Konkurrenten unserer Textilfabriken zählen.

Gestützt auf diese Erwägungen haben wir in unserer heutigen Sitzung zur Frage der Schiffbarmachung des Hochrheins wie folgt Stellung genommen: 1. Die Schiff barmachung des Hochrheins entspricht keinem direkten Bedürfnis unserer Volkswirtschaft. Die schweizerischen Bahnen, als Basisverkehrsmittel unseres Landes, sind heute durchwegs in der Lage, die Funktionen, welche der Hochrheinschiffahrt zugedacht sind, zu erfüllen.

2. Die schweizerischen Bahnen müssten durch diese Hochrheinschiffahrt unweigerlich einen weitern Leistungsverlust erleiden, der, gesamtschweizerisch gesehen, für die nächsten 50 Jahre untragbar wäre.

3. Die Hochrheinschiffahrt bringt eine weitere Verschärfung des Problems Strasse-Schiene, d. h. eine noch spürbarere Konkurrenzierung der Bahnen durch das Auto.

4. Zweifellos kann eine wirtschaftliche Belebung der Ostschweiz durch die Hochrheinschiffahrt vermutet werden, fraglich ist dabei lediglich, ob dieser Vorteil die unseres Erachtens viel grösseren Nachteile aufwiegen kann. Die gewünschten Erwartungen
dürfen diesbezüglich nicht allzu optimistisch geschraubt werden, da die Erfahrung zeigt, dass heute die Standortfrage nicht in jedem Fall der ausschlaggebendste Faktor für die Ansiedelung neuer Industrien darstellt.

5. Für die bestehenden Industrien der Ostschweiz, die vornehmlich arbeitsintensive Betriebe darstellen, kommt unseres Erachtens der Transportfrage keine ausschlaggebende Bedeutung zu, weshalb die Schiffbarmachung des Hochrheins keinem direkten Bedürfnis entspricht.

618 6. Schliesslich darf bei allen Überlegungen nickt ausser Acht gelassen werden, dass gerade durch die Hochrheinschiffahrt für die einheimische, schweizerische Industrie vermehrte Konkurrenzierung durch das Ausland eintreten kann, sei es durch Halb- oder Fertigprodukte. Dass dabei nicht die schweizerische, sondern eben die ausländische Wirtschaft die grosse Nutzniesserin sein wird, braucht wohl nicht besonders erwähnt zu werden.

Aus all diesen kurz erwähnten Überlegungen sehen wir diesem Projekt im heutigen Zeitpunkt eher skeptisch entgegen.

Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Direktor, die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

Glarus, den 16. Juli 1953.

Im Namen des Begierungsrates, Der Landammann :

Dr. H. Heer Der Eatsschreiber i. V.: M. Jenni

614 Beilage 6

Stellungnahme der Regierungen der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft zur Frage der Weiterführung der Schiffahrt auf dem Hochrhein bis zum Bodensee

I.

Einleitung Vorgängig einer Stellungnahme zu diesem umstrittenen Projekt ist einmal hervorzuheben, dass ganz verschiedene Gesichtspunkte als entscheidend angeführt worden sind. Es lassen sich vornehmlich unterscheiden: 1. V e r k e h r s w i r t s c h a f t l i c h e Überlegungen, welche fragen, inwieweit a. das neue Projekt im Hinblick auf bereits bestehende Verkehrsmittel überhaupt einem Verkehrsbedürfnis entspricht, b. die Eigenwirtschaftlichkeit der Schiffahrt gewährleistet ist (verkehrseinzelwirtschaftliche Betrachtungsweise), c. durch die Hochrheinschiffahrt andere bereits bestehende Verkehrsträger tangiert werden (verkehrs-einzelwirtschaftliche Betrachtungsweise), d. sich durch Beeinflussung anderer bereits bestehender Verkehrsträger durch den Einbezug der Hochrheinschiffahrt das Verhältnis zwischen verkehrswirtschaftlichem Aufwand und Ertrag ändert (verkehrs-gesamtwirtschaftliche Betrachtungsweise).

2. Regionalwirtschaftliche Überlegungen, wobei zu untersuchen ist: a. welche Impulse, z. B. durch Frachtersparnisse, von einem neuen Verkehrsträger in die davon berührten Eegionen ausgestrahlt werden (je nach der Landesgegend werden die Impulse vor allem positiver oder aber negativer Art sein), &. davon abgeleitet müssen die Zielsetzungen der Landesplanung, welche nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch bevölkerungspolitischer und kultureller Natur sind, berücksichtigt werden.

8. Die Auswirkungen der unter 2 o angedeuteten positiven und negativen regionalwirtschaftlich abzuschätzenden Einflüsse zusammen mit den unter l d genannten verkehrswirtschaftlichen Globalberechnungen verdichten sich zum Bild der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, die aber ausserwirtschaftliche Paktoren aus dem Spiele lässt.

615 4. Die letztliche Entscheidung muss auf einem sorgfältigen Abwägen der verschiedenen Gesichtspunkte beruhen, wobei allein der Wille des gesamten Schweizervolkes massgebend sein kann. Gerade beim Zusammenspielen verkehrswirtschaftlicher, regionalwirtschaftlicher, gesamtwirtschaftlicher und ausserwirtschaftlicher Elemente ist das Ergebnis subjektiv bedingt teils weil sich die einzelnen Elemente überhaupt nicht abschätzen lassen, teils weil ihre Abschätzung fragwürdig und umstritten ist. Diese subjektive Abhängigkeit - je nach den Anschauungen der Betrachter - macht die ganze Angelegenheit so kompliziert und ihre Durchführung so zeitraubend.

5. Probleme der Interpretierung rechtsgültiger Abmachungen stellen sich im Zusammenhang mit dem deutsch-schweizerischen Staatsvertrag von 1929.

Es würde naheliegen, dass wir uns als «Partei» auf regionalwirtschaftliche Überlegungen versteifen. Wir tun dies nicht, obwohl im Folgenden durch die Anführung unserer Argumente dieser Eindruck entstehen könnte. Die Regierungen der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft sind sich aber klar darüber, dass - wenigstens vom Wirtschaftlichen her - regionalwirtschaftliche Gesichtspunkte hinter dem Ziel der Wohlstandsförderung des,,ganzen Schweizervolkes zurücktreten müssen. Prosaischer ausgedrückt halten wir dafür, dass letzten Endes eine gesamtwirtschaftliche Eechnung, deren Grössenordnungen in Anbetracht der weit auseinandergehenden Hoffnungen und Befürchtungen nichts anderes als einen Kompromiss auf eine alle Extreme vermeidende Mitte darstellen müssen, entscheidend sein sollte. Genau so, wie man sich in Basel nicht auf einen einseitigen regionalwirtschaftlichen Standpunkt stellt, darf aber erwartet werden, dass auch die allfälligen Nutzniesserkantone der Hochrheinschiffahrt die gesamtwirtschaftlichen Erfordernisse vor ihren eigenen unmittelbaren Interessen gelten lassen.

Jedenfalls kann sich Basel nur dann positiv zu der geplanten Weiterführung der Schiffahrt einstellen, wenn diese Weiterführung - immer nach Berechnungen kompetenter und unabhängiger Bearbeiter - eine Verkehrsbelebung mit sich zu bringen verspricht, welche Einkommensströme auslöst, deren Höhe die Verluste der bisherigen Verkehrsträger und der Basler Volkswirtschaft (als bisherige Nutzniesser des Güterumschlages Ehein/Bahn und Ehein/Auto und Lagerung
der Eheingüter) mindestens kompensiert. Nur dann sind übrigens auch die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Schweiz so weit gediehen, dass die aufschiebende Bedingung im deutsch/schweizerischen Vertrag von 1929 die Verwirklichung des Projektes nicht mehr verhindert.

Wir setzen allgemeines Verständnis voraus, wenn wir im Folgenden auch das bisher nicht gründlich genug behandelte Thema der zu erwartenden Eückwirkungen einer Hochrheinschiffahrt auf die Volkswirtschaft von Basel und Umgebung anschneiden.

616 IL

Aktuelle Gutachten über die Hochrheinschiffahrt und ihre Beurteilungl) 1. Gutachten des Eidgenössischen Wasserwirtschaftsamtes Was die verkehrswirtschaftlichen Auswirkungen der Hochrheinschiffahrt betrifft, so sind vom Eidgenössischen Amt für Wasserwirtschaft (WWA) umfassende Untersuchungen angestellt worden, welche als Grundlage für die weitere Forschung auf diesem Gebiet angesehen werden dürfen 2 ).

a. Die E i g e n w i r t s c h a f t l i c h k e i t der geplanten H o c h r h e i n s c h i f f fahrt.

Die Eigenwirtschaftlichkeit der Hochrheinschiffahrt hängt u. a. von der Höhe des effektiv zu bezahlenden Kostenanteiles der Schweiz an die Bauarbeiten ab. Bekanntlich hat das WWA auf Grund einer ersten Einschätzung des relativen Interesses, welches Deutschland, die Schweiz und Österreich an der Eealisierung des Projektes haben könnten, seine Untersuchungen unter der Annahme einer schweizerischen Beteiligung von 25 Prozent durchgeführt (vgl. zusammenfassende Darstellung Seite 8a WWA). Diese Untersuchungen führten zu einer Bejahung der Eigenwirtschaftlichkeit, da die totalen Frachtersparnisse für das Einflussgebiet der Hochrheinschiffahrt nach Berechnungen des WWA rund zehn Millionen Franken pro Jahr betragen, denen nur ein jährlicher Kostenaufwand von 8,57 Millionen Franken gegenübersteht. Es ist jedoch mit Bestimmtheit anzunehmen, dass sich der entsprechende schweizerische Kostenanteil höher stellen wird. Dadurch müsste natürlich auch die Eigenwirtschaftlichkeit ungünstig beeinflusst werden.

Auch sind für die Eigenwirtschaftlichkeit die Frachtersparnisse von ausserordentlicher Bedeutung. Bei den genannten zehn Millionen muss sich das WWA wiederum auf bestimmte Annahmen stützen. Die tatsächlichen Verhältnisse können jedoch heute in ihren richtigen Proportionen noch nicht gesehen werden.

Es können vor allem die tarifarischen Konkurrenzmassnahmen der Schweizerischen Bundesbahnen sowie diejenigen der ausländischen Bahnverwaltungen nicht abgeschätzt werden.

b. Der Einfluss der H o c h r h e i n s c h i f f a h r t auf den gesamtschweizerischen V e r k e h r s a u f w a n d .

Die vorerwähnten Untersuchungen wurden neuestens komplettiert durch den «Ergänzenden Bericht zu- der zusammenfassenden Darstellung der Unter1

) Parteigutachten werden im Folgenden nicht erwähnt.

) Vergleiche : Volkswirtschaftliche Beurteilung des Projektes für die Schiffbarmachung des Hochrheins, erstattet vom WWA. Dieses Gutachten liegt in fünf -Teilen (Abschnitte A-D und Zusammenfassung) vor. - Wir verweisen besonders auf Abschnitt D «Verkehrs- und wirtschaftspolitische Auswirkungen». 3. Der Ausfall in don bestehenden Basler Häfen, Seite 11 ff. Bericht vom 18. April 1952, und die «Zusammenfassende Darstellung», Seite 41 ff., vom 14. Juni 1952. · 2

617 suchungen des WWA vom 14. Juni 1952», der am 20.Februar 1953 vorgelegt wurde. In diesem Bericht heisst.es auf Seite 18 zu den verkehrsgesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Hochrheinschiffahrt: «Je nachdem, wie man den Anteil des Lastwagens am Umschlag in den Hochrheinhäfen einschätzt, wie man die weitere Entwicklung des Lastwagenverkehrs mit den Basler Häfen und allfällige tarifarische Kampfmassnahmen der Bundesbahnen beurteilt, ergibt sich für den schweizerischen Hochrheinverkehr ein Mehraufwand von 8-11 Millionen Franken pro Jahr für den Transport und den Umschlag der auf die Hochrheinschiffahrt übergehenden Gütermengen, also für die schweizerische Verkehrswirtschaft, wenn man keinen Neuverkehr und keine Wirtschaftsbelebung in Eechnung stellt.» Daraus geht hervor, dass das WWA die Frage nach der Verkehrsgesamtwirtschaftlichkeit negativ beantwortet. Über diese Tatsache könnte auch die Bejahung der Eigenwirtschaftlichkeit der Hochrheinschiffahrt nicht hinwegtäuschen.

In bezug auf die verkehrsgesamtwirtschaftliche Betrachtungsweise führt die Verlagerung der Transporte von der Schiene auf die Strasse, welche sich besonders im Verkehr ab den Hochrheinhäfen bemerkbar machen dürfte, zu erhöhten Investitionen für den Strassenverkehr (Vermehrung des Wagenparkes, erhöhte Strassenkosten etc.), deren jährliche Kosten den Verkehrsaufwand erhöhen. Unseres Erachtens ist dieser Frage ebenfalls Aufmerksamkeit zu schenken.

2. Von kompetenten Importeurkreisen erstellte Gutachten Die Beurteilung der Eigenwirtschaftlichkeit ist auch nicht zuletzt davon abhängig, wie gross die auf den Hochrhein abwandernden Gütermengen sind.

Über diese Frage sind seinerzeit von kompetenten Importeuren Gutachten über die Transporte der drei wichtigsten Gütergruppen: feste Brennstoffe, flüssige Brennstoffe und Getreide- und Futtermittel erstellt worden. Das für den Sektor feste Brennstoffe von der Euhr- und Saarkohle AG. erstellte Gutachten bringt deutlich zum Ausdruck, dass von den festen Brennstoffen nur die typischen Industriesorten für den Wasserweg geeignet sind. Wenn Hausbrandkohle auf dem Wasser transportiert wird, sind nachträglich kostspielige Aufbereitungsarbeiten notwendig, so dass ein erheblicher Frachtvorteil vorliegen muss, damit diese Kosten gedeckt werden können. Das Gutachten vertritt im übrigen die Auffassung,
dass die Basler Häfen gegenüber anderen Plätzen den Vorteil haben, dass von ihnen aus das ganze Absatzgebiet mit frachtgünstigen Tarifen bedient werden kann. Eine Beurteilung der Frachtenrelation in bezug auf die Hochrheinschiffahrt für feste Brennstoffe wird für schwierig gehalten, da die Politik der konkurrenzierenden Bahnen - besonders für feste Brennstoffe aus dem Euhrgebiet und der Saar - nicht vorausgesehen werden kann. Das Gutachten zweifelt auch daran, ob die vom WWA errechneten Hochrheinfrachten im richtigen Verhältnis zur Fahrzeit der Schiffe stehen.

618 Das von der SHELL (Switzerland) S. A. ausgestellte Gutachten betreffend . die flüssigen Brennstoffe gelangt zum Ergebnis, dass die für diese Güterkategorie erwarteten wirtschaftlichen Vorteile nur in beschränktem Ausmasse wirksam werden dürften. Es könnten verschiedene Momente auftreten, welche die Frachtenkonstellation wesentlich ändern, wie beispielsweise das Auftreten neuer Konkurrenzwege (Donauschiffahrt, Brenner-Linie), vermehrte Transporte per Strassenfahrzeug und Konkurrenz-Bahntarife ab dem Süden.

Im Gutachten der Eidgenössischen Getreideverwaltung wird darauf hingewiesen, dass auf lange Sicht beim Brotgetreide, aber auch bei den Futtermitteln, mit einer Verminderung des Transportvolumens und nicht, wie vom WWA angenommen, mit einer Erhöhung zu rechnen ist. Es wird auch betont, dass die besondere Struktur des Müllereigewerbes und der Standort der Mühlen und Lagerhäuser in der Ostschweiz zu einer Stückelung der Transportmengen und zu einer Verzettelung der Umschlagseinrichtungen längs des Hochrheins führen werden, was eine rasche Eotation und gute Auslastung der Schiffe sowie die rentable Ausnützung der Umschlags- und Lageranlagen verunmöglicht.

Die Eidgenössische Getreideverwaltung schliesst aus ihren Untersuchungen, dass die durch die Hochrheinschiffahrt erzielten Frachtersparnisse, besonders für das Brotgetreide, nicht derart sein werden, dass sie für den Konsumenten spürbar sind.

Es zeigt sich somit, dass für die drei bedeutendsten Gütergruppen der Bheinschiffahrt von den zuständigen Fachkreisen keine allzu grossen Erwartungen in die Hochrheinschiffahrt gesetzt werden.

3. Gutachten des Zentralbüros für Landesplanung sowie des Seminars für Verkehrspolitik an der Handelshochschule St.Gallen Vermutlich weil es sich seiner etwas engen Fragestellung (verkehrswirtschaftlich!) bewusst war, hat das WWA das Zentralbüro für Landesplanung mit zwei Ergänzungsgutachten betraut 1 ).

a. Das G u t a c h t e n L a n d e s p l a n u n g kommt zum Schluss, dass die ·Hochrheinschiffahrt echte negative und positive Seiten zeige. Genau so wie das WWA müsse das Amt für Landesplanung aus rein verkehrswirtschaftlichen Gründen zu einer Ablehnung des Projektes kommen. Die Frage müsse aber umfassender gestellt werden. So bemühen sich die Verfasser, auch regionalwirtschaftliche und bevölkerungspolitische
Bestimmungsgründe in die Diskussion zu werfen. Es sei speziell auf Seite 219 hingewiesen: «Die Problematik der Hochrheinschiffahrt konzentriert sich auf die Frage, ob die Schweizerischen Bundesbahnen als Basis-Verkehrsmittel unseres Landes J ) Zentralbureau für Landesplanung: Gutachten über die möglichen volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Hochrheinschiffahrt, .Text- und Kartenband (Gutachten Landesplanung).

Beilage : Frachten als Standortsfaktor, verfaast vom Seminar für Verkehrspolitik an der Handelshochschule St. Gallen (St. Galler Gutachten).

619 in ihrer heutigen Kosten- und Betriebsstruktur vor jedem weiteren Leistungsverlust zu bewahren sind, womit die Hochrheinschiffahrt entfallen müsste;.

oder ob versucht werden soll, mit einem Mittel, das hiezu nicht untauglich wäre, eine an sich erwünschte wirtschaftliche Belebung eines strukturell geschädigten Gebietes zu fördern und eine räumlich bessere Verteilung des Wirtschaftspotentials zu begünstigen, um .gleichzeitig einer möglichen künftigen Überkonzentration der Großstadtregion Zürich auf zwanglose Weise zu begegnen.» Was den Verkehrs- und regionalwirtschaftlichen Teil der Problemstellung angeht, so muss natürlich neben dem Ausfall, der sich für die Schweizerischen Bundesbahnen ergibt, auch der Ausfall für die Basler Verkehrsträger und darüber hinaus für die Basler Volkswirtschaft entscheidend eingestellt werden.

Wie unter ganz bestimmten Voraussetzungen nachzuweisen ist, kann der vom Büro Landesplanung wiederholt geäusserten Meinung, wonach Basel durch die Weiterführung der Hochrheinschiffahrt einen nur geringen volkswirtschaftlichen Schaden erleidet, nicht zugestimmt werden.

In bezug auf die Beurteilung der zu erwartenden wirtschaftlichen Neubelebung der Ostschweiz hält das Gutachten Landesplanung eine fünfzigprozentige Zunahme des Gesamtpotentials der Hochrheinregion durchaus für denkbar, wobei vermutet werden darf, dass die peripheren Gebiete (Thurgau, St. Gallen, Appenzell und auch Graubünden) proportional stärker profitieren würden als die naher zu Basel gelegenen Gebiete (S. 216). In einem solchen Falle dürften die Eegierungen beider Basel gegen die geplante Weiterführung der Hochrheinschiffahrt keine Opposition machen. Leider findet man jedoch im Gutachten Landesplanung keinen Beweis dafür, warum und wie die Hochrheinschiffahrt die Ursache für eine solche Belebung sein könnte. Allgemeine Bemerkungen wie: Herabsetzung der Verkehrsungunst, Schaffung der Voraussetzung einer gleichen oder doch ähnlichen Konkurrenzlage gegenüber bevorzugten Gebieten, Weckung der Unternehmerinitiative genügen nicht zur Stützung einer angenommenen Verkehrsbelebung im genannten Ausmass.

Der Frage der Standortsaufwertung darf unseres Erachtens nicht .zu viel Gewicht beigemessen werden. Es hat sich in Basel erwiesen, dass die von den Begutachtern aufgestellten allgemeinen Eegeln nicht gelten. So konnte
das einzige Industrieunternehmen, welches überhaupt bei der Kalkulation seiner Produkte von den verbilligten Wasserfrachten abhängig war, die Kohlen- und Brikettwerke AG., der ausländischen Konkurrenz nicht mehr standhalten und müsste wieder liquidiert werden. Sollten die in Basel gemachten Erfahrungen auch für die Standortsaufwertung der Ostschweiz zutreffen, so darf die Heranziehung von Neuverkehr auf die Hochrheinstrecke als Argument? für die Hochrheinschiffahrt nur wenig beachtet werden. Allgemein ist festzustellen, dass ein wesentlicher Neuverkehr lediglich durch die Erschliessung abbaufähiger Eohstofflager (z. B. Erz, Kohle und Ölvorkommen) ausgelöst werden kann.

620 Zur Feststellung auf Seite 227 : «die Hochrheinschiffahrt scheint das einzig greifbare Mittel, eine wirtschaftsbelebende Kraft von Dauer auf die ostschweizerischen Gebiete auszuüben; die Bahnen sind hierzu nicht mehr in der Lage, wirken sie doch als eine allseitig benutzbare Institution, deren Standortseinfluss festgelegt ist,» stellt sich die Frage, ob nicht doch für die Ostschweiz derselbe oder doch annähernd der gleiche günstige Einfluss durch die Gewährung von Sondertarifen durch die SBB sich geltend machen lässt,. wobei aber zu berücksichtigen ist, dass überraschenderweise der Hinweis auf Frachteinsparungen kaum mehr imstande sein dürfte, das Urteil zugunsten der Hochrheinschiffahrt zu beeinflussen. Die Abklärung dieses wichtigen Teilaspektes ist übertragen worden einem b. G u t a c h t e n des Seminars für Verkehrspolitik an der Handelshochschule St.Gallen, welches feststellt, dass die Frachteinsparungen im Kostenbudget der einzelnen Firmen überhaupt nicht ins Gewicht fallen, wie einige Beispiele belegen sollen.

Metall- und Maschinenindustrie Die angestellten Untersuchungen haben ergeben, dass die Frachtreduktionen hier 0,5 bis 0,8 Prozent der Selbstkosten erreichen. Diese Einsparungen erlauben keine wesentliche Umgestaltung der Produktionskostenstruktur. Weder kann mit einer Eeduktion der Verkaufspreise und damit einer Verbesserung der Konkurrenzlage gerechnet werden, noch wird für die Einführung neuer Produktionszweige ein besonderer Anreiz geschaffen. Es lässt sich vielmehr feststellen, dass die Hochrheinschiffahrt, immer vom gegenwärtigen Standpunkt aus betrachtet, die metallverarbeitende Industrie in ihrer Entwicklung nicht zu fördern vermöchte und ihr keine wirksame Erleichterung verschaffen würde (S. 83).

Möbelindustrie Wie auf Seite 86 ersichtlich ist, wird auch im Möbelgewerbe, abgesehen von dem etwas günstigeren Untersuchungsresultat bei den Fournierwerken, die mit der Hochrheinschiffahrt verbundene frachtliche Besserstellung den Aufbau der Selbstkosten nur sehr wenig oder überhaupt nicht beeinflussen.

Papierindustrie und verwandte holzverarbeitende Industrien Auch dieser Sektor der holzverarbeitenden Industrie, mit Ausnahme der Zellulosefabrik Kaiseraugst, würde nur in ganz bescheidenem Ausmass von der Hochrheinschiffahrt profitieren (S. 39).

Eine Wiederaufnahme der
Zellulosefabrikation in Kaiseraugst, die seit dem Jahre 1929 stillgelegt ist, kommt jedoch nur dann in Frage, wenn der Ehein auch zwischen Bodensee und Kaiseraugst schiffbar ist, d. h. das Holz vom Bodensee her auf dem Wasserweg zugeführt werden kann (S, 37).

621 Tabakindustrie p Da den ausländischen Provenienzen einheimische Kohtabake beigemischt werden, jene also im Endprodukt nur zu einem Teil vertreten sind, könnte sich selbst eine grössere Prachteinsparung auf den Importmäterialien im Endprodukt nicht wesentlich auswirken. Die Antworten der untersuchten Betriebe auf die Frage einer möglichen Eeduktion der Verkaufspreise stehen denn auch in vollem Einklang miteinander. Die aargauische Tabakindustrie würde sich zwar den Hochrhein als Transportweg zunutze machen, ohne sich aber der Hoffnung hinzugeben, ihre Selbstkostenstruktur dadurch verbessern zu können (S. 39/40).

Hier ist festzustellen, dass in Friedenszeiten, d. h. zu Preisen der Vorkriegszeit gerechnet, die Frachteinsparung 3 Prozent der Materialaufwendungen und l Prozent des Fertigwarenwertes entsprechen würde. Jedenfalls dürfte auf Grund der angestellten Untersuchungen die kostenmässige Auswirkung des neuen Transportmittels auch in diesem Sektor recht bescheiden sein (S. 40/41).

Zu ähnlichen Urteilen kommt das St. Galler Gutachten in bezug auf folgende Industrien: Konserven, Steine, Fette und.Öle, Seifenherstellung.

Zwiespältig ist die Beurteilung der Frachteinsparungen bei der Müllerei, der Zementfabrikation und der Sprengstoffherstellung.

Günstiger lauten die Berechnungen für die Chemie, die Textilveredlung, Kunstfasern, Glasherstellung, Bergbau und Landwirtschaft.

Gaswerke und a n d e r e b r e n n s t o f f o r i e n t i e r t e Betriebe.

Bei Beurteilung dieses Sektors kommt das St. Galler .Gutachten zur Auffassung, dass die bei den Kohlentransporten zu erzielenden Einsparungen von l Prozent den Gaspreis unter keinen Umständen zu senken in der Lage wären.

Dabei wurde auch darauf hingewiesen, dass die errechnete Kostenreduktion zudem nicht als beständig zu betrachten sei.

Durch die Erleichterung des Antransportes würde automatisch auch der Kokspreis des ausländischen Koks beeinflusst. Derselbe würde sich um zirka 5 Franken pro Tonne reduzieren. Die schweizerischen Gaswerke würden sich infolgedessen gezwungen sehen, den Preis ihres Koks demjenigen des Auslandes anzupassen und müssten aller Voraussicht nach die Transporteinsparungen aus dem Kohlenbezug auf den Ausfall im Koksverkauf heranziehen. So hat z. B. das Gaswerk St. Gallen, das mit seinen Anlagen in Goldach frachttechnisch
sehr günstig gelegen ist, ausgerechnet, dass durch die Hochrheinschiffahrt aus dem Koksverkauf Mindereinnahmen im Betrage von 48 000 Franken bis 56 000 Franken entstehen würden.

Unter Berücksichtigung des Umstandes, .dass sich die Transporteinsparurigen, je nachdem ob Eomanshorn oder Borschach als günstigerer Umschlagshafen in Betracht kommt, auf 63 800 Franken oder 71 500 Franken belaufen, würden die gesamten Einsparungen auf dem Eheintransport somit auf zirka 15 000 Franken jährlich reduziert, also auf eine Summe, welche die Kalkulation der Industrieprodukte der Gaswerke nicht.beeinflusst (S. 60/61).

Bundesblatt. 108. Jahrg. Bd. 1.

43

622 Aus dem Gutachten ist daher zu entnehmen, dass die Senkung der Transportkosten durch die Hochrheinschiffahrt nicht derart ist, dass der Schiffbarmachung des Hochrheins für die ostschweizerische Wirtschaft eine ausschlaggebende Bedeutung zukommen könnte, und zwar kommen die Gutachten nicht nur für die bereits in der Ostschweiz bestehenden Unternehmen zu diesem Schluss (S. 64), sondern stellen eindeutig fest, dass durch die relativ bescheidenen Auswirkungen der Transportkostensenkungen weder Unternehmer aus anderen Gegenden angezogen würden (S. 71), noch Neugründungen (S. 66) sich veranlasst sehen könnten, den Wirtschaftsraum der Ostschweiz zu bevorzugen.

Wenn das St. Galler Gutachten dennoch nicht zu einer konkreten ablehnenden Beurteilung der Hochrheinschiffahrt gelangt, so geschah dies unseres Erachtens aus ähnlichen Gründen wie beim Gutachten, Landesplanung. Dabei waren vor allem irrationale Momente, wie die mögliche Belebung des Unternehmungsgeistes in der Ostschweiz, massgebend.

Belebung des Unternehmungsgeistes dürfte vorderhand nichts als vage Hoffnung sein, weshalb diesem Argument unseres Erachtens keine allzugrosse Bedeutung bei der endgültigen Entscheidung beigemessen werden darf.

III.

Rückwirkungen der Hochrheinschiffahrt auf die Basler Volkswirtschaft Wie bereits angedeutet, haben wir das im Titel genannte Thema einer besonderen Behandlung für würdig erachtet. Um die Objektivität unter allen Umständen zu wahren, haben wir in der Person von Dr. Werner Meyer, im Zeitpunkt der Auftragserteilung noch wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Handelshochschule St. Gallen1), jetzt Wirtschaftsredaktor der «NationalZeitung», einen unabhängigen Begutachter zugezogen, der sich dieses Themas «jenseits von gut und böse» angenommen hat. Der Auftrag lautete, inwieweit die Untersuchung des W WA den spezifischen Verhältnissen in Basel gerecht wird, inwieweit die Untersuchungsmethode des WWA nicht geändert werden muss, um die Einflüsse der Hochrheinschiffahrt auf die Basler Volkswirtschaft abzuschätzen. Dabei wurde angenommen, dass die vom WWA genannten Zahlen über die Verkehrsabwanderung zutreffend sind.

Aus dem beiliegenden Gutachten von Dr. Werner Meyer ergibt sich klar, dass die volkswirtschaftlichen Verluste, welche allein für Basel entstehen, bedeutend grösser sind als vom WWA angenommen und einen sehr gewichtigen Faktor in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnüng darstellen. Die gesamten Einbussen für Basel und Umgebung lassen sich auf 7% Millionen Franken pro Jahr schätzen. Auch durch Kosteneinsparungen - die aber für andere Basler Wirtschaftssubjekte (z. B. Hafenarbeiter usw.) wieder Einkommenseinbussen darstellen - würde diese Summe in einzelwirtschaftlicher Betrachtungsweise immer noch 5 Millionen Franken jährlich betragen.

1

) Dr. Meyer hat am zitierten St. Galler Gutachten nicht mitgewirkt.

623 Wären die in nächster Zeit sicherlich stark zunehmenden Investitionswerte in den Eheinhäfen beider Basel berücksichtigt worden, so würde sich der jährliche Ausfall zweifellos noch wesentlich höher gestellt haben. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass für die Um- und Neubauten in den Basler Eheinhäfen sowie für den Ausbau der Basellandschaftlichen Hafenanlagen und die Austiefung der Fahrrinne im Ehein zwischen Kraftwerk Birsfelden und der Mittleren Eheinbrücke während der nächsten Jahre mindestens 50 bis 60 Millionen Franken investiert werden, Kosten, welche von der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand des Baumes Basel zu tragen sind.

IV.

Zusammenfassung und Antrag Unter Berücksichtigung aller bisher bekannten Umstände sind die Eegierungen der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft der Auffassung, dass sich die Verwirklichung des Projektes der Weiterführung der Hochrheinschiffahrt bis zum Bodensee unter den zur Zeit bestehenden Gegebenheiten wirtschaftlich nicht verantworten lässt, und zwar vor allem aus folgenden Gründen, die bereits in den vorstehenden Bemerkungen eingehend dargelegt sind : 1. Die Berechnungen des WWA über die Eigenwirtschaftlichkeit der Hochrheinschiffahrt gehen in bezug auf den Kostenanteil der Schweiz, mögliche Frachtersparnisse und Verkehrsaliment der Hochrheinstrecke von Annahmen aus, welche als durchaus optimistisch zu bezeichnen sind und den Eigenwirtschaftlichkeitsgrad zu günstig darstellen.

2. Nach den Berechnungen des WWA ergibt sich für den schweizerischen Hochrheinverkehr ein Mehraufwand für die schweizerische Verkehrswirtschaft von rund 8 bis 11 Millionen Franken per Jahr.

3. Das vom Zentralbureau für Landesplanung eingeforderte Gutachten des Seminars für Verkehrspolitik an der Handelshochschule St. Gallen überdas für die regionalwirtschaftlich entscheidende Frachtkostenproblem kommt zum Schluss, dass die durch die Hochrheinschiffahrt herbeigeführten Frachtkosteneinsparungen nicht ins Gewicht fallen - und zwar weder für die bereits im Einzugsgebiet ansässigen Industrien, noch für Neugründungen oder Standortsverschiebungen. Infolgedessen lässt sich der unter 2.

erwähnte Mehraufwand für ein Teilgebiet der Gesamtwirtschaft nicht rechtfertigen. Dieser Mehraufwand für ein solches Teilgebiet könnte in Kauf genommen werden, wenn die aus der Hochrheinschiffahrt sich ergebenden Vorteile dies aufwiegen würden. Ob sich dennoch durch die Hochrheinschiffahrt eine im Unberechenbaren gründende Wirtschaftsbelebung im Einzugsgebiet auslösen lässt, ist eine Frage, die sich zum vorneherein nicht beurteilen lässt.

624

4. Unsere eigenen Berechnungen, gestützt auf Erhebungen des WWA für das Basler Einzugsgebiet, würden einen volkswirtschaftlichen Verlust von jährlich 7% Millionen Pranken ergeben; auch dieser Einkommensausfall könnte nur hingenommen werden, wenn andererseits der aus der Hochrheinschiffahrt resultierende Einkommenszuwachs dies rechtfertigen würde. Wie unter 3. bereits erwähnt, konnten aber die bisher vorliegenden Gutachten und Unterlagen keinenfalls davon überzeugen, dass dies der Fall sein wird.

Eesümierend sei darauf hingewiesen, dass bis heute nicht bewiesen werden konnte, dass die verkehrswirtschaftlichen Mehraufwendungen (SBB) und regionalen Einkommenseinbussen (Basel) durch regionale Einkommenserhöhungen (Ostschweiz) durch die Weiterführung der Hocbrheinschiffahrt bis zum Bodensee mindestens wettgemacht werden können. Dies allein aber wäre unseres Erachtens bei gesamtwirtschaftlicher Beurteilung der Frage einer Weiterführung der Hochrheinschiffahrt bis zum Bodensee massgebend.

13. November 1953.

625 Beilage 7 Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen an das Eidgenössische Post- und Eisenbahndepartement Bern

Betrifft Schiffbarmachung des Hochrheins Hochgeachteter Herr Bundesrat!

Mit Schreiben vom 20. Januar 1953 haben Sie uns ersucht, Ihnen unsere Stellungnahme zu den Plänen für die Schiffbarmachung des Hochrheins bekanntzugeben. Sie haben dabei einige präzis formulierte Fragen zur Beantwortung aufgeworfen.

Wir beehren uns, Ihnen in dieser Angelegenheit folgenden Bericht zu unterbreiten: Über die Auswirkung der Hochrheinschiffahrt für die gesamte Ost- und Nordostschweiz sind wir nicht in der Lage, uns zu äussern, da uns keine genügend objektiven Zahlenunterlagen zur Verfügung stehen. Aus diesem Grunde beschränken wir uns im folgenden darauf, die Auswirkung der Hochrheinschifffahrt für das Gebiet unseres Kantons zu beleuchten.

1. Die Wirtschaftsstruktur der Eegion Schaffhausen Das Ergebnis der gemeinwirtschaftlichen Überlegungen für die Ostschweiz, wie es im Gutachten des Zentralbüros für Landesplanung zum Ausdruck kommt, kann nicht ohne weiteres auf den Kanton Schaffhausen übertragen werden.

Die Eigenart in unserm Kanton ist nicht nur in kultureller, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht besonders stark und ausgeprägt.

Gemessen an der Grosse des Kantons ist Schaffhausen sehr stark industrialisiert, was folgender Vergleich zu den benachbarten Gebieten zeigt: Produktive1 Fläche km

Einwohnerzahl

Industr.

Betriebe

A^HoitAr Arrenar

Arbeiter j^,

Bezirk Andelfingen Bezirk Dielsdorf Bezirk Bülach

15,8 15,4 17,8

18 627 16156 34 315

21 26 99

651 4519 4 260

4,1 29,3 24,0

Total der drei Zürcher Bezirke

49,0

69098

146

9430

19,2

Kanton Schaffhausen . . . .

28,4

57515

145

10827

38,0

pro

626

Die Industrie im Kanton Schaffhausen konzentriert sich auf nur wenige Ortschaften : Schaffhausen . . .

Neuhausen am Eheinfall . . . .

Thavnsen ^ ...

Stein am Rhein Übrige Gemeinden . . . , .

Ganzer Kanton

. . .

Industr. Betriebe 75

Arbeiter

25

24

2617 912 466 441

145

11304

6868

11 11

Das Hinterland von Schaffhausen, mit Ausnahme von Thayngen, ist überwiegend bäuerlich. Es hat den ungefähren Umkreis des nötigen Einzugsgebietes für Arbeitskräfte, wobei der Arbeitsmarkt noch zusätzlich auf Arbeitskräfte aus dem anstossenden Bezirk Andelfingen und aus den deutschen Nachbargebieten rechnen kann.

Die Gegenüberstellung der Verteilung der Erwerbstätigen zeigt folgendes Bild: Stadt

Zürich St. Gallen Winterthur Schaffhausen

.' .

T and Wirtschaft

Indu9'«6

Handel Gewerbe

%

%

%

%

l 2 3 l

42 44 59 63

34 29 22 18

28 25 16 18

übrige

Daraus geht hervor, dass die Industrie in Schaffhausen verhältnismässig stark und zugleich einseitig gelagert ist. Die wichtigsten Gewerbegruppen sind wie folgt vertreten: <> Schaffhausen %

Metallindustrie Maschinenindustrie Handel. . °

·. .

Total

18,2 18,0 10,7 46,9

Schweiz %

5,22 7,44 15,22 27,88

Einen gewissen Ausgleich schafft allerdings die benachbarte Textilindustrie auf Zürcher Boden, die vorwiegend weibliche Arbeitskräfte beschäftigt.

Das Verhältnis von männlichen zu weiblichen Industriearbeitern im Jahre 1944 war im Kanton Schaffhausen 82 Prozent zu 18 Prozent, gegenüber dem schweizerischen Mittel von 70 Prozent zu 30 Prozent. Heute ist das Verhältnis etwas günstiger geworden, da die Entwicklung der Knorrfabrik Thayngen in dieser Beziehung ausgleichend wirkte.

!) Erhebung 1953 (übrige Gemeinden 1949).

627

Aus dem Anteil der Industriearbeiter zu den Einwohnern lässt sich annähernd der Grad der Industrialisierung eines Gebietes herauslesen. In den ostschweizerischen Kantonen entfielen im Jahre 1949 auf 100 Einwohner: Glarus Schaff hausen Aargau Thurgau Zürich St. Gallen

.

20 Industriearbeiter 19 » 15,7 » 13,8 » 12 » 12 »

Über die Verkehrsgunst des Platzes Schaffhausen kann folgendes festgestellt werden: Die Stadt Schaffhausen profitiert vor allem aus dein Konkurrenzkampf der rechtsrheinischen Linien der Deutschen Bundesbahn mit den Schweizerischen Bundesbahnen. So ist die Ablauffracht ab Zeche Buhrgebiet heute genau gleich gross nach Schaffhausen wie nach Basel. Auch für den Transport von Giessereisand und Eoheisenmasseln gelten Sondertarife.

Gleichzeitig profitiert Schaffhausen von den deutschen Tarifen für die Güter über den Schienenweg. Das hat zur Folge, dass z. B. die Kohle für die Georg Fischer AG. aus dem Euhrgebiet ausschliesslich per Bahn nach Schaffhausen gelangt. Es ist fraglich, ob dieser Verkehr später auf den Wasserweg abwandern wird. Dies hängt zur Hauptsache vom Standort des zukünftigen Hafens von Schaffhausen ab, der die Camionnagefrachten in Schaffhausen bestimmt.

Nach einem Punktsystem, welches nach Merkmalen, wie Zahl und Güte der Bahnverbindung, Strassenlagen usw., durchgerechnet wurde, ergab sich die günstigste Zahl von Ölten mit l bis zur ungünstigsten von Campocologno mit 556. Für die verschiedenen Gebiete der Nordostschweiz ergeben sich dabei folgende Zahlen: Winterthur 31 i Schaffhausen 56 f noch sehr 8ut Wil 82 l Frauenfeld . . . . : . . . . 9 5 i g u t St. Gallen 120 j Kreuzungen 144 Eomanshorn 146 Borschach 164 befriedigend Arbon 189 2. Möglichkeit einer weiteren Industrialisierung a. A r b e i t s k r ä f te:-Für die Eegion Schaffhausen haben die Landwirtschaft und die Nachbargebiete nur noch eine kleine Eeserve von Arbeitskräften. Eine weitere Industrialisierung wird sich daher nur mit der normalen Bevölkerungszunahme einstellen. Nach dem bisherigen Ehythmus dürfte sich gesamtschweizerisch die Bevölkerung in den nächsten 20 bis 30 Jahren nach allgemeiner An-

628 sieht auf ca. 5,8 Millionen erhöhen. Dabei darf wohl angenommen werden, dass die Bevölkerung des Kantons Schaffhausen höchstens im gleichen prozentualen Verhältnis zunehmen werde. Eine fühlbare Zunahme der Industrialisierung wird daher kaum zu erwarten sein.

Nach den heutigen Verhältnissen kann für die Hochrheinschiffahrt mit einem Transportvolumen von rund 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr gerechnet werden. Das Eidgenössische Amt für Wasserwirtschaft hat für das Anstössergebiet folgende Werte errechnet: Kanton Aargau 275 000 Jahrestonnen » Zürich ' 548 000 . » » Schaffhausen 12 000 >> . » Thurgau 159 000 . » » St. Gallen 217 000 » Total der Anstösserkantone l 210 000 Jahrestonnen Weitere Gebiete

190 000 Jahrestonnen

Zu dieser Menge addiert sich der Talverkehr von rund 80 000 Jahrestonnen.

.

.

Die Schweizerische Landesplanung verteilt die. entsprechenden Güter: mengen für die Anstösserkantone nach folgenden Grossen: Kanton Aargau 180 000 Jahrestonnen » Zürich 600 000 » » Schaffhausen 30 000 . » » Thurgau 180 000 » » St. Gallen 270000 » Total l 260 000 Jahrestonnen Im Hafen von Basel wurde mit Bestimmung Schaffhausen ausgeladen : 1938: 25 290 Tonnen = 0,8 Prozent des Gesamtumschlages 1950: 33 029 Tonnen = 1,1 Prozent des Gesamtumschlages 1952: 63 728 Tonnen = 1,6 Prozent des Gesamtumschlages Es kann nicht damit gerechnet werden, dass die gesamte heute in Basel durch die Schiffahrt umgeschlagene Gütermenge in Schaffhausen gelöscht wird.

Die guten Hafenanlagen und die günstige Lagerhaltung werden weiterhin einen Teil der Güter nach Basel ziehen. So,bezieht z. B. die Knorr in Thayngen das Getreide in Lieferungen von 100 Tonnen ab Antwerpen. Diese Menge wird per Schiff nach Basel gebracht, dort gelöscht, gelagert und in kleinen Lieferungen per Bahn nach Thayngen verfrachtet.-Auch wird kaum in Schaffhausen eine Zisternenanlage für flüssige Brennstoffe erstellt werden. Die Löschung dieser Güter erfolgt vorteilhafter in Grossanlagen.

629 Im Jahre 1942 ergab eine Kundfrage bei den 50 grössten Firmen und Amtsstellen in Schaffhausen und Neuhausen folgende künftig zu erwartende Schiffsgüter:.

_ . . .

101 000-107 000 Tonnen Eingangsgüter und 27 000- 46 000 Tonnen Versandgüter.

Es wurde somit mit einem Gesamtumschlag von 130 000 bis 150 000 Tonnen gerechnet. Diese Zahl ist damals reichlich optimistisch geschätzt worden.

Eine informatorische Umfrage bei den grösseren Firmen über die Güter, die heute per Schiff nach Basel und von dort mit der Schweizerischen Bundesbahn nach Schaffhausen geführt werden, ergab folgendes Bild: Stahlwerke Georg Fischer 20 000-25 000 Tonnen (Sand, Eoheisen) Zementwerk Thayngen 12 000 Tonnen (Kohle) Gaswerk Schaffhausen ca 6 000 Tonnen (Kohle) Total ca. 38 000-43 000 Tonnen Bei vorsichtiger Beurteilung der zu erwartenden Schiffsgüter dürfte nach unserer Auffassung im gesamten mit zirka 40 000 Tonnen gerechnet werden.

4. Frachtersparnis Wie bereits erwähnt, ist Schaffhausen die Eegion, für die gegenüber andern Eegionen der Nordostschweiz heute schon eine Frachtersparnis festgestellt werden kann. Das Eidgenössische Amt für Wasserwirtschaft hat eine direkte Frachtersparnis für die ganze Schweiz von 9,7 Millionen Franken ausgerechnet.

Schaffhausen partizipiert daran mit Fr. 115 000 oder 1,2 Prozent.

Nach unserer Beurteilung kann die Frachtersparnis aus der zu erwartenden Transportmenge und der Frachtdifferenz wie folgt berechnet werden. Die Bahnfracht Basel-Schaffhausen beträgt für Massengüter 7,20 Franken pro Tonne.

Die Anschluss-Schiff rächt nach dem Aufwand berechnet, beträgt nach dem Eidgenössischen Wässerwirtschaftsamt 3,15 Franken pro Tonne. Wenn mit der Frachtersparnis-von 4 Franken und mit einer Transportmenge von ca. 40 000 Tonnen gerechnet wird, so stellt sich eine Frachtersparnis von 160 000 Franken pro Jahr heraus.

5. Schlussfolgerungen Unsere Erkenntnis, dass sich die Hochrheinschiffahrt für den Kanton Schaffhausen nicht gleichermassen positiv auswirken wird wie für andere Eheinanliegerkantone, ist durch die Untersuchungen des Zentralbüros für Landesplanung bestätigt worden.

Schon heute ist die Industrialisierung im Kanton Schaffhausen beinahe abgeschlossen. Eine weitere Steigerung dürfte nur möglich und wünschbar sein im Ausmasse der weitern Bevölkerungszunahme.

Die. bisherige starke Industrialisierung ist wohl eine Folge der guten Verkehrsgunst und der zum Teil sehr vorteilhaften Frachten. Ohne Zweifel hat

630 aber auch die frühe Ausnützung der Wasserkräfte des Eheins stark zur industriellen Entwicklung der Eegion Schaffhausen beigetragen.

Im Hinblick auf diese Tatsache ist es begreiflich, dass die Schiffbarmachung des Hochrheins für unsere Eegion weniger stimulierend wirken wird als für andere Eheinanliegergebiete. Die Ersparnis für die Transportkosten wird aber doch dazu beitragen, die Verkehrsgunst Schaffhausens noch etwas weiter zu verbessern und für unsere Industrien noch günstigere Konkurrenzverhältnisse zu schaffen.

Die verkehrsgünstige Lage durch die Kampftarife der Bahnen kann durch einen weitern Verkehrsträger, der von den Bahnen unabhängig ist, gefestigt und .damit weiter gesichert werden.

Bei der Beurteilung dieser Fragen darf nicht unterlassen werden, noch auf zwei andere wichtige Punkte hinzuweisen; nämlich auf den Schutz der Stromlandschaft und die Eeinhaltung des Wassers.

Die Auseinandersetzungen um Eheinau haben gezeigt, dass bei den künftigen Bauten am Ehein mit allen Mitteln darnach getrachtet werden muss, die Elusslandschaft und besonders die Ufer selbst möglichst wenig zu verändern.

Im Eaum Schaffhausen wird es, für den Fall der Ausführung, ein dringendes Erfordernis sein, die Schleusentreppe zur Umgehung des Bheinfalles und das Begulierwehr direkt oberhalb des Falles mit ganz besonderer Sorgfalt zu projektieren und auszuführen. Bis heute ist auch noch keine befriedigende Lösung für die zukünftige Brücke nach Feuerthalen gefunden worden. Die für die Schifffahrt erforderliche Durchfahrtshöhe von 6,5 m kann nur mit einer Hebung der Brücke um einige Meter erreicht werden. Wir haben grosse Bedenken, dass eine derart hohe Brücke mit schwieriger Auffahrt das Stadtbild stark gefährdet.

Im Verlaufe der letzten Jahre haben die Bestrebungen zur Eeinhaltung unserer Gewässer ganz besondere Bedeutung erhalten. Die ernste Besorgnis um die künftige Versorgung des Landes mit dem nötigen Trinkwasser und Brauchwasser macht es uns zur Aufgabe, der weitern Verschmutzung unserer Gewässer, besonders auch des Eheines, Einhalt zu gebieten. Die fortschreitende Umstellung der grossen Ehein- und Bodenseeschiffe von Dampf auf den Dieselbetrieb und die rapide Zunahme der kleinen Motorboote auf dem Ehein oberhalb Schaffhausen sowie im Untersee und Bodensee haben eine stets grössere Verschmutzung des
Eheinwassers mit öl und ölrückständen zur Folge. Unterhalb Basel soll die VerÖlung des» Eheines durch die intensive Eheinschiffahrt ganz wesentlich zugenommen haben. Ähnliche Erfahrungen zeigen sich auch bei schiffbaren Strecken anderer Flüsse, wie am Neckar und am Main. Es soll sich auch gezeigt haben, dass noch so strenge behördliche Vorschriften, die der Flußschiffahrt auferlegt werden, leider nicht genügen, den Ehein .von der stets zunehmenden Verölung zu schützen.

Bei der weiteren Verfolgung der Probleme der Hochrheinschiffahrt muss auch diesen beiden Fragen die volle Beachtung geschenkt werden.

631 Auf Grund dieser Ausführungen gelangen wir dazu, die uns am 20. Januar 1953 gestellten Fragen wie folgt zu beantworten: Frage l : Wie beurteilen Sie die Ergebnisse der Untersuchungen der Vereinigung für Landesplanung vom Standpunkt Ihres Kantons aus?

Das Gutachten der Landesplanung erachten wir im allgemeinen als gut.

Wie es aber im Gutachten selber bereits ausgeführt und im einzelnen belegt wird, können diese grundlegenden Feststellungen für Schaffhausen nicht ohne weiteres übernommen werden, da Schaffhausen, als Eegion betrachtet, bereits ein ziemlich ausgewogenes Gefüge zeigt. Die Hochrheinschiffahrt wird für Schaffhausen nicht in dem Masse stimulierend wirken wie für andere Bheinufergebiete. Sie ist für uns nur das billigere Transportmittel, das sich zugunsten unserer Industrie auswirken kann.

Frage 2 a : Sind Sie der Ansicht, dass die Belastung, welche Ihre kantonale Volkswirtschaft insgesamt durch die Hochrheinschiffahrt etwa erfahren würde, in einem billigen Verhältnis zu den volkswirtschaftlichen Vorteilen steht, die für Ihren Kanton mit einiger Wahrscheinlichkeit und bei den heutigen Möglichkeiten einer Beurteilung erwartet werden dürfen?

Da der prozentuale Anteil der Güter des Kantons Schaffhausen an der Gesamtmenge nur klein sein wird, und eine weitere Entwicklung der Industrie durch die Eheinschiffahrt kaum zu erwarten ist, wird die finanzielle Belastung unseres Kantons auch nicht gross sein können. Diese Frage kann aber erst abschliessend beurteilt werden, wenn die Höhe des schweizerischen Anteils an den Gesamtausbaukosten, die Lastenverteilung zwischen dem Bund und den Kantonen sowie die Schlüsselung der Eestkosten unter den beteiligten Kantonen bekannt sein wird.

Frage 2 b: Im Falle Sie zu einer Bejahung dieser Frage kämen, wären Sie bereit, zu gegebener Zeit einen Beitrag in der Grosse, wie er sich nach obigen Ausführungen etwa ergibt, an dem schweizerischen Kostenanteil zu übernehmen oder allenfalls dessen Übernahme Ihrem Parlament oder Volk zu beantragen?

Wir sind nicht in der Lage, eine Erklärung dafür abzugeben, ob der Kanton Schaffhausen zu gegebener Zeit bereit sein wird, einen Beitrag an den schweizerischen Kostenanteil zu übernehmen. Darüber wird erst die Volksabstimmung Klarheit schaffen. Bei der heutigen Stimmung in Schaffhausen dürfte dies aber sehr fraglich sein.
Frage 3: Wie stellen Sie sich zu einer Auffassung, dass die Schweiz auf jeden Fall nicht aus eigener Initiative an Deutschland herantreten sollte, um letzteres einzuladen, die im Vertrage vom 28. März 1929 vorgesehenen Verhandlungen aufzunehmen?

Nach den bisherigen Ausführungen vertreten wir die Auffassung, dass die verschiedenen Probleme der Hochrheinschiffahrt für die Schweiz noch keineswegs derart abgeklärt sind, dass die Schweiz in der nächsten Zeit die Initiative

632 ergreifen könnte, an Deutschland und Österreich heranzutreten, um die internationalen Verhandlungen zur Intensivierung der Hochrheinschiffahrtsfragen aufzunehmen.

Mit diesen Ausführungen hoffen wir, Ihre Fragen, die Sie uns am 20. Januar dieses Jahres gestellt haben, erschöpfend beantwortet zu haben.

Genehmigen Sie, hochgeachteter Herr Bundesrat, die Versicherung unserer ausgezeichneten Wertschätzung.

S c h a f f h a u s e n , den 11. Dezember 1953.

Im Namen des Eegierungsrates, Der Präsident: Karl Waldvogel Der Staatsschreiber i.V.: Schudel

683 Beilage 8 Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh.

Herisau, den 23. April 1958 Beschluss vom 20. April 1953

An das Eidgenössische Post- und Eisenbahndepartement, Bern

;

Hochgeachteter Herr Bundesrat!

Wir nehmen Bezug auf Ihr Schreiben vom 20. Januar 1953 an die Eegierungen der Kantone Appenzell AE und Appenzell IE, worin Sie letztere eingeladen haben, ihre Ansichten zum Projekt der Schiffbarmachung des Hochrheins bekanntzugeben. Im nachstehenden gestatten wir uns, Ihnen die Stellung; nahme des herwärtigen Eegierungsrates zu unterbreiten.

Um es gleich vorweg zu nehmen, sei gesagt, dass der Eegierungsrat von Appenzell AE die Auswirkungen dieses Projektes auf unsern Kanton durchaus positiv beurteilt.

Die wirtschaftliche Struktur des Kantons Appenzell AE war bis zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts eine besonders glückliche.. Die Textil- und im besonderen die Stickereiindustrie, die zum grössten Teil als Heimindustrie betrieben wurde, erlaubte eine weitgehende Dezentralisierung des Produktionsapparates und führte zu einer intensiven wirtschaftlichen Durchdringung des ganzen Kantons und damit zu einer ausserordentlich glücklichen Verbindung von Landwirtschaft und Industrie. Neben der segensreichen Auswirkung dieser umfassenden wirtschaftlichen Durchdringung unseres Gebietes führte sie aber auch dazu, dass das Aufkommen anderer Industrien zum mindesten stark erschwert wurde, was sich zur Katastrophe auswirkte, als die Stickefeiindustrie in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg von einer Krise heimgesucht wurde, wie sie in der schweizerischen Wirtschaftsgeschichte einzig dasteht. Die Tatsache, dass der Bestand der Handstickmaschinen im Kanton von rund 2700 Stück zu Anfang des Jahrhunderts auf ganze 238 Stück zu Ende des vergangenen Jahres sank, zeigt mit erschreckender Deutlichkeit, in welchem Ausmass unsere Landesindustrie von der Krise betroffen wurde.

Während die Stickereiindustrie, weil wenig transportintensiv, nicht an einen verkehrsgünstigen Standort gebunden war, erwies sich bei allen Versuchen zur Einführung anderer Industrien die ungünstige Verkehrslage unseres Kan-

634

tons als ausserordentlich erschwerend. Die ausgesprochen periphere Lage abseits der wichtigsten Industrialisierungszüge der Schweiz, aber auch der Mangel an günstigen Normalspurbahnverbindungen mit dem übrigen Teil des Landes und mit dem Ausland, erschwerte das Aufkommen anderer, vorab transportintensiver Industrien in hohem Masse. Das führte innert weniger Jahrzehnte zu einem Bevölkerungsrückgang in unserem Kanton, der zum gleichzeitigen Bevölkerungszuwachs von verkehrspolitisch günstiger gelagerten Kantonen in krassem Widerspruch stand. In den vierzig Jahren von 1910 bis 1950 ging die Einwohnerzahl von Appenzell AR um rund 17 Prozent zurück, während in der gleichen Zeitspanne die Bevölkerung der Kantone Basel-Stadt und Solothurn um rund 45 Prozent, diejenige des Kantons Zürich sogar um 54 Prozent zugenommen hat.

Diesem Bevölkerungsrückgang kann auf die Dauer nur durch eine vermehrte Industrialisierung unseres Kantons begegnet werden; eine solche liegt aber nicht nur in unserem eigenen, sondern auch im gesamtschweizerischen Interesse. Sie trägt mit dazu bei, eine höchst notwendige Dezentralisierung des wirtschaftlichen Potentials unseres Landes herbeizuführen und gleichzeitig ist sie das einzige auf die Dauer wirksame Mittel, um eine weitere Abwanderung unserer Landbevölkerung in die schon heute übervölkerte Industrieregion der Zentralschweiz und des Großstadtraumes von Zürich zu verhindern.

Um bei der vermehrten Industrialisierung die Standortskonkurrenz gegenüber günstiger gelegenen Gebieten bestehen zu können, benötigt unsere Gegend aber in erster Linie eine Senkung der Transportkosten. Eine Senkung der Transportkosten auf der ganzen Linie, wie dies durch eine Eeduktion der Bahntarife erfolgen könnte, würde indessen diesen Zweck nicht erreichen, denn dadurch würde die bestehende Standortsdifferenz nicht ausgeglichen, da eine solche Lösung ungewollt die wirtschaftlich zentralen Gebiete bevorzugen müsste, sondern hiezu bedarf es in erster Linie einer Senkung der Transportkosten für die Ostschweiz und nur für diese allein. Dieses Ziel kann unseres Erachtens, gestützt auf die Berechnungen der Fachleute, durch die Schiffbarmachung des Hochrheins erreicht werden, und wir sind deshalb der vollendeten Überzeugung, dass die Verwirklichung dieses Projektes auf die wirtschaftliche Entwicklung unseres
Kantons eine Dauerwirkung ausüben wird, deren Bedeutung nicht überschätzt werden kann. Durch die Schiffbarmachung des Hochrheins - und nur durch sie wird die Standortsungunst der Ostschweiz und damit unseres Kantons zwar nicht aufgehoben, aber doch einigermassen gemildert, was die Konkurrenzfähigkeit von Industrieunternehmungen in unserem Landesteil entscheidend beeinflussen wird.

Zusammenfassend möchten wir feststellen: 1. Der Kanton Appenzell AE dessen Wirtschaft allzu einseitig auf die ausserordentlich krisenempfindliche Textilindustrie ausgerichtet ist, benötigt, um wirtschaftlich gedeihen zu können, eine Verbreiterung seiner industriellen Basis.

635 2. Eine Ausdehnung des Wirtschaftsvolumens in grösserem Ausmass ist bisher zu einem erheblichen Teil an der Standortsungunst unserer Gegend gescheitert und um diesen Störungsfaktor auszuschalten, muss eine Lösung gefunden werden, welche der Ostschweiz, nicht aber auch gleichzeitig andern, günstiger gelegenen Gebieten unseres Landes, eine erhebliche Senkung der Transportkosten verschafft.

3. Die Schiffbarmachung des Hochrheins bis zum Bodensee bietet Gewähr, diese Transportkostensenkung herbeiführen zu können, so dass wir die Durchführung dieses Projektes im Interesse unseres Kantons voll unterstützen.

Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Bundesrat, die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

Im Auftrag des Regierungsrates, Der Ratsschreiber: Reutlinger

636 Beilage 9

Landammann und Regierungsrat des Kantons St. Gallen an das Eidgenössisse Post- und Eisenbahndepartement Herrn Bundesrat Dr. Escher Bern

Betrifft Stellungnahme zur Sohiffbarmachung des Hochrheins

Hochgeehrter Herr Bundesrat !

Mit Schreiben vom 20. Januar 1958 haben Sie uns ersucht, zum Problem der Schiffbarmachung des Hochrheins Stellung zu nehmen, insbesondere zu den einlässlichen Berichten Ihres Eidgenössischen Amtes für Wasserwirtschaft sowie den Untersuchungen des Zentralbüros für Landesplanung. Sie unterbreiteten uns im weitern einige Fragen zur Beantwortung. Mit Schreiben vom 8. Juli 1958 haben Sie uns entgegenkommenderweise die Frist zur Stellungnahme bis Ende August dieses Jahres erstreckt.

Da die Schiffbarmachung des Hochrheins die Lebensinteressen der Ostschweiz im allgemeinen und des Kantons St. Gallen im besondern erheblich beeinflussen wird, möge uns erlaubt sein, uns zum gestellten Problem etwas eingehender und detaillierter zu äussern.

I. In erster Linie danken wir dem Eidgenössischen Amt für Wasserwirtschaft für seine sehr gründliche Abklärung der technischen, rechtlichen, politischen und volkswirtschaftlichen Verhältnisse der Schiffbarmachung des Hochrheins in seinen Teilberichten A-D und in seiner zusammenfassenden Darstellung vom 14. Juni 1952.

An den beiden unter der Leitung des erwähnten Amtes abgehaltenen Konferenzen in Basel vom S./4. Juli 1952 und 18. Dezember 1952, an der die an diesem Problem positiv oder negativ interessierten Kreise teilgenommen haben, hat sich deutlich gezeigt, dass die Arbeit des Eidgenössischen Amtes für Wasserwirtschaft eine überaus objektive und sachliche Abklärung des viel umstrittenen Problems gebracht hat. Dies beweist auch der ergänzende Bericht des Amtes für Wasserwirtschaft vom 20. Februar 1953. Alle diese Untersuchungen haben dem Schiffahrtsprojekt eine erkenntnismässig klare Grundlage geschaffen, so dass die Behörden heute grundsätzlich in der Lage wären, Vor- und Nachteile dieses wichtigen Verkehrsproblems zu beurteilen.

637

II. Zum Schiffahrtspi'ojekt im allgemeinen a. Bei der Bewertung dieses Projektes spielt der persönliche Standpunkt des Beurteilenden eine entscheidende Eolle.

Eine rein lokale oder einseitige Interessenbeurteilung kann diesem weiten Verkehrsproblem nie gerecht werden. Neben dem lokalen oder kantonalen dar'f der nationale und insbesondere internationale Gesichtspunkt nicht vergessen werden. Bei der Auseinandersetzung um das Kraftwerk Rheinau mussten der Bundesrat und die Regierungen der interessierten Kantone erkennen, wie schwierig es gelegentlich ist, im Volke die Erkenntnis für den internationalen und nationalen Charakter eines Rheinproblems durchzusetzen.

Der Bundesrat wird daher gut beraten sein, wenn er stets und mit Nachdruck die internationalrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz gegenüber Deutschland aus dem beidseitig ratifizierten Staatsvertrag über die Regulierung des Rheins von Strassburg/Kehl bis Istein vom 28. März 1929, Artikel 6, hervorhebt. Die Bedeutung dieses Artikels 6 für die Fortsetzung der Schiffahrt von Basel in den Bodensee ist vom Bundesrat in seinem Entscheid in der Angelegenheit der Übertragung der Konzession für das Kraftwerk Rheinau auf die Elektrizitätswerk Rheinau AG und des Rückzugsbegehrens des Regierungsrates des Kantons Schaffhausen vom 24. Juni 1952, Seite 27 ff. sowie durch den bundesrätlichen Sprecher im Nationalrat anlässlich der Behandlung der Interpellation Scherrer am 11. Dezember 1952 eindeutig festgehalten worden. Im Zusammenhang mit der Regulierung des Rheins von Strassburg nach Basel hat sich die Schweiz in diesem Staatsvertrag Deutschland gegenüber verpflichtet, «die Ausführung des Großschiffahrtsweges von Basel bis zum Bodensee zu erstreben» und «sobald die wirtschaftlichen Verhältnisse die Ausführung des Unternehmens möglich erscheinen lassen», einen entsprechenden Vertrag abzuschliessen. Ohne diese vertragliche Zusicherung der Schweiz hätte uns Deutschland im Bestreben zur Fortsetzung der Schiffahrt über Strassburg hinaus (vorläufig bis Basel) nicht unterstützt und die Schweiz hätte die Großschiffahrt nach Basel nicht erhalten.

Die Schweiz als Rechtsstaat darf sich die Verletzung staatsvertraglicher Verpflichtungen nicht zuschulden kommen lassen. Daher ist es notwendig, bei der Beurteilung der Schiffbarmachung des Hochrheins diese internationalen
Verpflichtungen der Schweiz in den Vordergrund zu stellen, um in der Bevölkerung unseres Landes nicht die Meinung aufkommen zu lassen, als ob unser Land in diesem Schiffahrtsprojekt des Rheins als internationalem Grenzfluss frei von jeglicher internationaler Verpflichtung entscheiden könnte (vgl. l. Teilbericht, S. 23 ff.).

b. Aber auch der entscheidende nationale Gesichtspunkt der Fortsetzung der Schiffahrt über Basel hinaus in den Bodensee ist in den bisherigen Diskussionen zu wenig berücksichtigt worden. Die Fortsetzung der Großschiffahrt von Strassburg nach Basel liegt im nationalen Interesse der Schweiz, weil sie unser Land direkt mit dem Meer verbunden hat und wesentlich zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit des Landes beigetragen hat (vgl. Teilbericht Amt für WasserBundesblatt. 108. Jahrg. Bd. 1.

44

638

Wirtschaft, Abschnitt B, S. 5). Die in der Mannheimer Eheinschiffahrtsakte von 1868 (ergänzt und abgeändert durch den Versailler Friedensvertragvonl919) für den Ehein enthaltenen wesentlichen Grundsätze der Schiffahrts- und Abgabenfreiheit werden in der Gegenwart von andern Ländern in gefährlicher Weise bestritten. Durch die Fortsetzung der Schiffahrt über Basel hinaus bis in den Bodensee würde die Eheinanstosslänge für unser Land von wenigen Kilometern auf rund 200 km (bis Eorschach) verlängert. Dadurch würde die Stellung der Schweiz in der internationalen Eheinschiffahrt ganz erheblich verbessert.

Dieser entscheidende nationale Vorteil der Verlängerung der Schiffahrt kann nicht genug hervorgehoben werden. Leider ist es unmöglich, diesen Vorteil in Zahlen auszudrücken. Schon in der Botschaf t des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 6. August 1929 betreffend die Eegulierung des Eheins zwischen Basel und Strassburg (Separatabdruck S. 10) hat der Bundesrat diesen nationalen Vorteil der Ausdehnung des. Großschiffahrtsweges anerkannt in den Worten : «Es wird selbstverständlich auch im Interesse unseres Landes liegen, der Frage der späteren Ausdehnung des Großschiffahrtsweges von Basel bis zum Bodensee auch fernerhin alle Aufmerksamkeit zu schenken und den Ausbau dieser Strecke nach Möglichkeit zu fördern.» Wenn Schiffahrtskreise in Basel aus rein lokalen Interessen heute behaupten sollten, diese Verlängerung der Großschiffahrt liege nicht mehr im nationalen Interesse, so müsste eine solche Behauptung mit Entschiedenheit als unrichtig zurückgewiesen werden. Die Tatsache bleibt bestehen, dass diese Verlängerung der Schiffahrt die Position der Schweiz in der internationalen Eheinschiffahrt entscheidend stärken und die wirtschaftliche Unabhängigkeit unseres Landes damit weiter gefördert würde. Der Kanton St. Gallen könnte'es mit den andern an der Verlängerung der Eheinschiffahrt interessierten Kantonen unter keinen Umständen zulassen, dass die lebenswichtigen direkten und indirekten Vorteile der Eidgenossenschaft an der Großschiffahrt auf dem Ehein nur dem Teilstück bis Basel und nicht mehr dem weitern Teilstück bis in den Bodensee zuerkannt würden.

Das Eidgenössische Amt für Wasserwirtschaft hat übrigens diese entscheidenden nationalen Gesichtspunkte der Schiffahrtsverlängerung in seinen Berichten
mehrmals deutlich erwähnt (l. Teilbericht vom 26. April 1951, S. 7 ; Teilbericht Abschnitt D, S. 40/41 ; zusammenfassende Darstellung S. 40 und 41).

In der sogenannten volkswirtschaftlichen «Mehraufwandtheorie» sind aber die lebenswichtigen direkten und indirekten Vorteile der Schiffahrtverlängerung für unser Land leider nicht berücksichtigt, weil sie zugegebenermassen nicht in Zahlen gefasst werden können (vgl. die Zahlengegenüberstellung in der zusammenfassenden Darstellung S. 44/45 und Tabelle 7 des ergänzenden Berichtes vom 20. Februar 1953). Dieser Umstand allein genügt aber, um den Erkenntniswert einer solchen Theorie, über die wir später im einzelnen sprechen möchten, entscheidend in Frage zu stellen. Am internationalen Schiffahrtskongress vom Jahre 1947 in Lissabon hat Begierungsrat Dr. A. Schaller, Basel, in seinem Be-

639 rieht über die Bedeutung der Eheinschiffahrt bis Basel auf diese bekannten, volkswirtschaftlichen Vorteile der Schiffahrt, die nicht zahlenmässig erfasst werden können, z.B. auf ihren Beitrag zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit unseres Landes, nachdrücklich hingewiesen. Es wäre daher ebenso unfreundlich andern Kantonen gegenüber, wie sachlich unrichtig, wenn Basel oder die SBB heute diese entscheidenden nationalen Vorteile der Großschiffahrt auf dem Rhein nur der Strecke bis Basel und nicht mehr der Strecke bis in den Bodensee zuerkennen würden. Wir sind überzeugt, dass der Bundesrat entsprechend früheren Feststellungen diese entscheidenden nationalen Vorteile der Verlängerung der Schiffahrt in den Bodensee hervorheben wird.

III. Zum Schiffahrtsprojekt im besondern 1. Das Eidgenössische Amt für Wasserwirtschaft hat die eigentlichen Anlagekosten für die Erstellung der Schiffahrtsstrasse auf rund 265 Millionen Franken veranschlagt, wobei mit Eücksicht auf die zu erwartenden Verkehrsmengen bis Eglisau bereits ein zweischleusiger und von dort bis in den Bodensee ein einschleusiger Ausbau vorgesehen wurde (Bericht Abschnitt C, S. 2). Wir regen an, in der zukünftigen Behandlung der Angelegenheit nurmehr von einem durchgehend einschleusigen Ausbau von Eheinfelden bis zum Bodensee auszugehen. Die Reservierung des Bodens für die zweite Schleuse dürfte genügen.

Nach der Inbetriebnahme der Schiffahrt in den Bodensee wird nicht - wie dies in den Berichten theoretisch angenommen werden musste - innert weniger Jahre der Verkehr auf das Schiff abwandern. Es dürfte auch hier mit einer allmählichen Entwicklung zu rechnen sein, so dass ein einschleusiger Ausbau für die erste Etappe vollauf genügen dürfte. Unseres Wissens betragen die Anlagekosten für den durchgehend einschleusigen Ausbau rund 230 Millionen Franken.

Es ist zu empfehlen, von dieser Zahl auszugehen, denn es wäre sinnwidrig, dieses Schiffahrtsprojekt finanziell mit einem zweischleusigen Ausbau zu belasten, während die an der Schiffahrt interessierten Kantone mit dem einschleusigen Ausbau zufrieden sind. Entsprechend reduzieren sich die Kosten für Betrieb, Unterhalt und Erneuerung.

2. Im weitern möchten wir empfehlen, die einmaligen Anlagekosten von den jährlich wiederkehrenden Auslagen für Betrieb, Unterhalt und Erneuerung der Schiffahrtsanlagen
genau auseinanderzuhalten, wie dies seinerzeit in der bundesrätlichen Botschaft vom B.August 1929 (Anhang 8, Ziff. 2 und 3) geschehen ist.

Die Kapitalisierung der Auslagen für Betrieb, Unterhalt und Erneuerung und die Zusammenfassung dieser Summe mit den Anlagekosten, wie dies im Bericht geschehen ist (Teilbericht, Abschnitt G, S. 5), gibt im Vergleich zur Schiffbarmachung des Rheins von Strassburg bis Basel und zu allen übrigen Verkehrsanlagen (Strassenbau, Eisenbahnbau, Flugverkehrsbauten) ein falsches Bild. Für die Finanzierung des Projektes ist von den- Baukosten von rund 230Millionen Franken auszugehen. Die jährlich wiederkehrenden Aufwendungen für Betrieb, Unterhalt und Erneuerung sind später laufend zu finanzieren, wie bei

640

allen andern Verkehrsmitteln (Strassen, Bisenbahn, Flugverkehr). Die Ermittlung dieser jährlich wiederkehrenden Auslagen ist allerdings wesentlich für die Berechnung der Wirtschaftlichkeit der Wasserstrasse.

3. Zu den übrigen Details des Projektes, wie insbesondere Schleusengrösse, Leistungsfähigkeit usw. möchten wir nicht Stellung nehmen, da sie noch nicht endgültig festgelegt sind. Wir möchten nur wünschen, dass bei der Weiterbehandlung auf möglichste technische Vereinfachung der Anlagen gehalten wird, um die Baukosten eher zu senken als zu erhöhen.

IV. Zur Abklärung der Wirtschaftlichkeit der Wasserstrasse . Nachdem sich die Schweiz in Artikel 6 des erwähnten Staatsvertrages verpflichtet hat, das Teilstück Basel-Bodensee auszubauen, «sobald es die wirtschaftlichen Verhältnisse erlauben», gewinnt die Frage der Wirtschaftlichkeit dieser Wasserstrasse zentrale Bedeutung. Eine möglichst objektive und sachlich richtige Abklärung der Wirtschaftlichkeit bedeutet somit zurzeit eine Hauptaufgabe beim Problem der Hochrheinschiffahrt.

1. Das Eidgenössische Amt für Wasserwirtschaft hat sich in seinen Untersuchungen eine grosse Mühe gegeben, diese Aufgabe zu lösen. Dabei hat es sich auf eine rein statische Beurteilung beschränkt, indem es vom heutigen Verkehrsvolumen und den heutigen Verkehrslinien ausgegangen ist und spätere Entwicklungen, die durch die Schiffhart begünstigt werden und einen Neuverkehr bringen, nicht berücksichtigt hat. In dieser Beschränkung auf das statistisch Feststellbare liegt ein Vor- und ein Nachteil zugleich.

2. Ein grosser Vorteil dieser Methode des Amtes für Wasserwirtschaft besteht darin, dass man bestehendes Zahlenmaterial verarbeiten kann und Ermessensfragen weitgehend ausgeschaltet werden. So steht auf Grund der Konferenzen von Basel vom 3./4. Juli 1952 und 18. Dezember 1952 und den hier durch Schiffahrtskreise angeregten Varianten der Berechnungen fest, dass die Frachtersparnisse der Schiffahrt (gegenüber den heutigen Trägern des Transportes wie Bahn und Auto) den Totalaufwand für die Schiffahrt übersteigen.

Unter der Annahme des heutigen Verkehrsvolumens, der heutigen Frachtkosten der Eisenbahn, der Schiffahrt und des Automobils, des Frachtanreizes vori l Franken pro Tonne hat das Amt bei Anwendung verschiedener Varianten somit für den Schiffsverkehr eine jährliche
Frachtersparnis von rund 6 Millionen Franken errechnet. Wenn auch bei dieser Berechnung noch einige Ermessensfragen entscheidend mitspielen (Baukosten einschleusig-zweischleusig, Leistungsfähigkeit der Wasserstrasse, Kostenanteil Schweiz usw.), so können wir feststellen, dass das Amt diese Entscheidungen in objektiver Weise so getroffen hat, dass bei einer günstigeren oder schlechteren Beurteilung einer der zahlreichen Prämissen eine andere sich so ändert, dass das Gleichgewicht der Beurteilungsfaktoren doch wieder ungefähr gleich bleibt. So würden wir unsererseits beispielsweise die Bau- und Betriebskosten auf den einschleusigen Ausbau beschränken, die ^Leistungsfähigkeit der Wasserstrasse^höher einschätzen als

641 2,5 Millionen pro Jahr (vgl. Teilabschnitt C, S. 2), dagegen den Anteil der Schweiz rein innerschweizerisch höher als 25 Prozent (vgl. Teilabschnitt C, S. 5) ansetzen. Das Endresultat wäre doch wieder eine Frachteinsparung von jährlich rund 6 bis 7 Millionen Franken. Der Eegierungsrat unseres Kantons hält demnach die Berechnung der Eigenwirtschaftlichkeit der Wasserstrasse durch das Amt für Wasserwirtschaft für richtig.

Diese Berechnung ergibt : eine jährliche totale Frachtersparnis von rund 10 Millionen einen jährlichen Totalaufwand für die Wassers trasse (Verzinsung, Betrieb, Unterhalt und Erneuerung) von rund. . . 3,6 Millionen somit eine Nettofrachtersparnis, die den Gesamtaufwand überwiegt, von rund 6,4 Millionen Vgl. Abschnitt C, Seite 70/71, ergänzender Bericht Seite 18.

3. Der Nachteil der Methode aber zeigt sich sofort, wenn man sich fragt, welche volkswirtschaftlichen Auswirkungen die Verwirklichung der Schiffahrt haben wird. Dies ist eine Frage des zukünftigen Geschehens, die weder unter der Annahme des heutigen Verkehrsvolumens, der heutigen Transportwege, der heutigen Frachten, richtig beurteilt werden kann.

Eine statische Beurteilung dieser Zukunftsfragen unter Verwendung des heutigen Zahlenmaterials muss unseres Erachtens zu Fehlschlüssen führen.

Ein solcher Fehlschluss ist die Behauptung, dass beim Hinzutreten der Hochrheinschiffahrt für den Transport und den Umschlag der Gütermenge volkswirtschaftlich ein Mehraufwand an Kapital und Arbeit von 7,9 bis 11 Millionen Franken notwendig sei (vgl. zusammenfassende Darstellung S. 44 ff. und ergänzender Bericht Tabelle 7).

Herr Prof. Dr. Theo Keller von der Handelshochschule St. Gallen, dem das Eidgenössische Amt für Wasserwirtschaft diese Methode der volkswirtschaftlichen Beurteilung konferenziell unterbreitet hatte, schrieb uns hierüber am 5. September 1952: «Ich habe in meinen Voten darauf hingewiesen, dass diese Gegenüberstellung teils rein betriebswirtschaftliche Grossen enthält und daher gar nicht als volkswirtschaftliche Bilanz bezeichnet werden darf. Auch das errechnete Defizit ist kein Fehlbetrag im volkswirtschaftlichen Sinne.

Weiter habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass der Posten für die Verzinsung des in die Schiffahrtsanlagen investierten Kapitals nur sehr bedingt in diese Eechnung eingestellt werden darf, aus Gründen, die ich Ihnen mündlich darlegte.

Herr Dr. Müller (Stellvertreter des Delegierten für Arbeitsbeschaffung) hat neuerdings die Eechnung der Bundesbahnen über den ihnen drohenden Ausfall in Zweifel gezogen. Auf meinen Vorschlag hin ist nach längerer Diskussion beschlossen worden, die erste der beiden zahlenmässigen Aufstellungen überhaupt fallen zu lassen und die zweite nochmals einer Prüfung zu unterziehen. Die Bezeichnung volkswirtschaftliche Bilanz soll fallengelassen werden.»

642

'

Trotz dieser Klarstellung hat das Amt für Wasserwirtschaft in Tabelle 7 des ergänzenden Berichtes unter lit. d diese «Bilanzzahlen» wieder aufgenommen.

Wir bedauern dies sehr, da damit einer Beurteilung Tür und Tor geöffnet wird, die - wie wir nachweisen werden - unhaltbar ist.

Wegen der zentralen Bedeutung dieser Methode der volkswirtschaftlichen Beurteilung der Wasserstrasse müssen wir näher darauf eintreten.

4. Vorerst verweisen wir auf die Behandlung dieses Themas am internationalen Schiffahrtskongress vom Jahre 1949 in Lissabon (vgl. Teilbericht B, Seiten 5-7). Einig war man sich darin, dass als Grundlage des volkswirtschaftlichen Wertes einer Wasserstrasse die Frachtersparnis gegenüber dem Bahntransport (eventuell auch Automobil) gelten muss. Wenn diese Prachtersparnisse grösser sind als die jährlichen Wasserwegkosten (Verzinsung des Anlagekapitals, Betrieb; Unterhalt und Erneuerung), so ist damit die Grundlage des volkswirtschaftlichen Wertes der Wasserstrasse gegeben.

Diese Methode der volkswirtschaftlichen Beurteilung muss bei der Hochrheinschiffahrt zur Anwendung kommen. Der Kanton St. Gallen würde sich mit aller Entschiedenheit dagegen zur Wehr setzen, dass bei diesem Verkehrsproblem eine ganz andere Beurteilungsmethode zur Anwendung gelangen sollte, beispielsweise eine solche, wie sie der Verwaltungsrat der SBB in seiner Eingabe vom 7. September 1950 an den Chef des Eidgenössischen Post- und Eisenbahndepartementes wie folgt formulierte: «Grundsätzlich müsste in jedem konkreten Eall untersucht werden, ob der volkswirtschaftliche Gesamtaufwand für den Verkehr mit oder ohne neuen Wasserweg kleiner oder grösser wird. Gestützt auf diesen Grundsatz müsste eine neue Wasserstrasse dann für gerechtfertigt angesehen werden, wenn sie ihre vollen Kosten (einschliesslich Verzinsung und Abschreibung der festen Anlagen) sowie den durch sie verursachten volkswirtschaftlichen Mehraufwand (hervorgerufen z.B. durch die Entwertung bestehender Verkehrsmittel oder Verkehrsanlagen) deckt, dennoch aber niedrigere Transportpreise als die bestehenden Verkehrsmittel anzubieten vermag. Dieser Grundsatz muss in der Frage über die Berechtigung eines neuen Wasserweges als der entscheidende angesehen werden; denn es kommt auf das gesamtwirtschaftliche Urteil an und dieses kann nur auf Grund einer volkswirtschaftlichen
Gesamtbilanz gewonnen werden.» Diese Grundsätze bedeuten nichts anderes als ein Verbot eines neuen Verkehrsmittels, das trotz voller Kostendeckung imstande ist, der Volkswirtschaft billigere Frachten als die Bahn zu gewähren, und faktisch ein absolutes Monopol des bestehenden Verkehrsmittels gegen alles Neue. Beides ist für die Schweiz unhaltbar.

Wenn beispielsweise festgestellt wird, dass die Hochrheinschiffahrt trotz voller Kostendeckung aller Schiffahrtskosten die angenommene Gütermenge von rund 1,5 Millionen Tonnen jährlich um rund 5 bis 7 Millionen Franken billiger transportieren kann als die Bahn und wenn man dann nach den erwähnten «Grundsätzen» argumentiert, dass trotz Wegfall der Transportleistung von rund

643

12,5 Millionen Franken der Bahn der Bruttofrachtausfall als Netto-Einnahmenausfall verbleibe und die Frachtersparnis der Schiffahrt auch noch diesen Bahnausfall wettmachen sollte, bis sie «volkswirtschaftlich» sei, so würde damit die Schiffahrt derart belastet, dass sie rein theoretisch nie volkswirtschaftlich sein könnte.

Das Eidgenössische Amt für Wasserwirtschaft hat daher das Gutachten Saitzew/Grossmann vom 15. Oktober 1924 über die volkswirtschaftlichen und finanziellen Grundlagen der schweizerischen Binnenschiffahrt (Teilbericht B, S. 8/9 ; Teilbericht A, Ziff .2) zitiert, das den von uns hier'geäusserten Standpunkt deckt. Es heisst hier: «Wir stehen eben nicht auf dem in diesen Äusserungen implicite zum Ausdruck gelangenden Standpunkt, dass die Eisenbahnen unbedingt und in jedem Falle vor der Konkurrenz der billigeren Wasserstrassen geschützt werden müssen - diesen Standpunkt vertrat unserer Ansicht die Generaldirektion der SBB in ihrem im Jahre 1909 erstatteten Gutachten über die Binnenschiffahrt in der Schweiz - denn wir anerkennen mit den Schiffahrtsfreunden den enormen Vorteil, den die gegebenenfalls billigen Frachten auf das wirtschaftliche Gedeihen des Landes, ja sogar (freilich nur unter den schon angedeuteten Umständen) auf die finanzielle Lage der Eisenbahnen selbst ausüben, und auch ihre sekundäre Folgewirkung: ihren EinflusS auf die Tarifpolitik der Eisenbahnen (dieses letztere Moment würde übrigens in der Schweiz aus gewissen Gründen eine geringere Eolle spielen). Aber eben vor allem unter einer Bedingung: wenn die Wasserstrasse wirklich, d.h. aus natürlichen Gründen, nicht aber infolge künstlicher Massnahmen billige Frachten gewähren kann, d.h. wenn sie diese billigen Frachten bei Deckung aller mit ihrer Anlage und ihrem Betrieb verbundenen Kosten, wohlverstanden einschliesslich der Wasserwegkosten, gewähren kann, nicht aber etwa nur deshalb, weil ihr diese Kosten ganz oder zum Teil erlassen und vom Staate übernommen werden. Ist sie bei voller Kostendeckung imstande es zu tun (und ist durch ihren Bau bzw. Ausbau eine mächtige Entwicklung des gesamten Verkehrs zu erwarten), dann darf nach unserem Dafürhalten die Eücksicht auf die Eisenbahnen niemals entscheidend in die Waagschale geworfen werden, selbst dann nicht, wenn die Konkurrenz der Wasserstrassen den Eisenbahnen aus
bestimmten Gründen besonders verhängnisvoll werden könnte. Aber gerade unter solchen Umständen - und sie liegen in unserem konkreten Fall vor - muss von der Schiffahrt volle Kostendeckung verlangt werden.» Es geht somit nicht an, dass man bei der Bewertung der Volkswirtschaftlichkeit der Hochrheinschiffahrt ihrem tatsächlichen Aufwand für die Transportleistung noch den nicht mehr existierenden Transportaufwand der Bahn als Einnahmeausfall tel quel belastet und dann erklärt, die Hochrheinschiffahrt führe zu einem volkswirtschaftlichen Mehraufwand und sei daher unwirtschaftlich. Die Schweiz dürfte, wenn sie gegenüber Deutschland so argumentieren würde, kaum ernst genommen werden.

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5. Wir bedauern, dass das Amt für Wasserwirtschaft, obwohl es unter Berufung auf das erwähnte Professorengutachten den Argumenten dieser Theorie nicht gefolgt ist (vgl. Teilbericht B, S. 8-11), sich bei den späteren Arbeiten von diesen Gedanken trotzdem zu stark beeinflussen liess und in der Tabelle des ergänzenden Berichtes einige umstrittene Zahlen dieser unhaltbaren «Mehraufwandtheorie» wiedergibt (vgl. S. 44^46 zusammenfassende Darstellung und ergänzender Bericht Tabelle 7, lit. d). Wir bitten den Bundesrat, den interessierten Kantonen in einer Konferenz Gelegenheit zu geben, sich zu dieser entscheidenden Streitfrage zu äussern, da es zu weit fuhren würde, hier auf weitere Details einzutreten.

6. Allgemein müssen wir feststellen, dass die erwähnte Mehraüfwandtheorie zur Beurteilung der Volkswirtschaftlichkeit der Wasserstrasse Basel-Bodensee entschieden abgelehnt werden muss, weil sie a. zwischenstaatlich von Deutschland wohl nicht anerkannt würde, fe. mit dem Verfassungsrecht des Bundes und dem Bundesrecht im Widerspruch steht, c. den Grundsätzen der Verkehrskoordination widerspricht und d. im offensichtlichen Gegensatz steht zur Beurteilung der Volkswirtschaftlichkeit des Schiffahrtsprojektes Strassburg-Basel.

Im einzelnen ist dazu folgendes auszuführen : ad a. Nachdem seinerzeit durch die Schiffbarmachung desEheinsvonStrassburg bis Basel die deutschen und französischen Bahnen einen Ausfall in Kauf nehmen rnussten, die schweizerische Wirtschaft und damit die SBB einen erheblichen Vorteil hatten, wird man sich klar sein müssen, dass für die Fortsetzung dieses Schiffahrtsprojektes in den Bodensee unser Vertragspartner eine gewisse Loyalität erwartet. Der Monopolstandpunkt der SBB, wie er in ihrer Mehraufwandtheorie zum Ausdruck kommt, dürfte daher auf Widerstand stossen.

ad &. Gemäss Artikel 24ter der Bundesverfassung ist die Gesetzgebung über die Schiffahrt Bundessache. Die Bundesverfassung sieht somit nicht nur die Eisenbahn (Art. 26 BV) vor, sondern gleichberechtigt mit ihr die Schiffahrt.

Die Eisenbahn besitzt somit gegenüber der Schiffahrt kein verfassungsmässiges Vorrecht oder Monopol. In Anwendung von Artikeln 24-27 und Artikel 30 zum Bundesgesetz über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte erliess der Bundesrat bereits am l I.April 1923 einen Beschluss betreffend die schiffbaren oder
noch schiffbar zu machenden Gewässerstrecken und teilte den Ehein von Basel in den Bodensee in die schiffbar zu machenden Gewässerstrecken ein.

Das heutige Bundesrecht gibt somit in rechtlicher Hinsicht der Verwirklichung der Schiffbarmachung des Hochrheins freie Möglichkeit. Auch wenn gewisse Interessen der Staatsbahn durch das Projekt tangiert würden, so dürfte dieses verfassungsmässige Eecht zur Schiffbarmachung nicht verletzt werden.

Die erwähnte Mehraufwandtheorie, die trotz des Wegfalls der Transportleistung der Bahn dem Aufwand der Schiffahrt noch den Bruttofrachtausfall als Nettoeinnahmenausfall der Bahn belastet, muss auch unter diesen verfassungs-

645 rechtlichen Grundsätzen der Gleichbehandlung der Verkehrsmittel entschieden zurückgewiesen werden.

ad c. Es steht auch fest, dass bei der wirtschaftlichen Abklärung von grossen nationalen Verkehrsprojekten des Bahnbaues, der Schiffahrt, des Strassenbaus und des Flugverkehrs noch nie eine solche Mehraufwandtheorie aufgestellt worden ist. Unbestritten wird sein, dass unter Anwendung dieser Theorie weder die Gotthardbahn, die Simplonlinie, noch die Schiffahrt nach Basel, geschweige der Flugplatz Kloten oder die Strassenprojekte der Gegenwart «volkswirtschaftlich» wären. Gerade weil wir eine Verkehrskoordination befürworten, müssen auch die verschiedenen Verkehrsmittel nach gleichen Grundsätzen auf ihren volkswirtschaftlichen Wert geprüft werden. Wir unterstützen daher nachdrücklich die von der eidgenössischen Kommission für die Koordinierung des Verkehrs in einem Bericht an den Vorsteher des Eidgenössischen Post- und Eisenbahndepartementes vom 3. September 1951 aufgestellten Grundsätze, die lauten : «Die Kommission erblickt das allgemeine Ziel der Koordination in den beiden Aufgaben : a. der Entwicklung eines optimal leistungsfähigen und möglichst billig arbeitenden Verkehrsapparates. Es sollen also die verschiedenen Verkehrsmittel · nach ihrer technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und unter Vermeidung jeder Behinderung des Fortschrittes ausgestaltet werden; b. der Zusammenführung der verschiedenen Verkehrsmittel zu einer möglichst zweckmässigen Zusammenarbeit.» Wenn wir nun feststellen, dass die Schiffahrt von Basel nach dem Bodensee die ihr zugedachte Gütermenge unter Einbezug sämtlicher Aufwandposten jährlich um 6-7 Millionen billiger transportieren kann als die Bahn, so muss in Anwendung der erwähnten Koordinationsgrundsätze der Weiterführung der Schiffahrt nach dem Bodensee die Wirtschaftlichkeit ohne weiteres zuerkannt werden, es sei denn, man wolle den Fortschritt zu einem möglichst billig arbeitenden Verkehrsapparat verhindern. Auch mit Eücksicht auf diese Koordinationsgrundsätze erweist sich die erwähnte Mehraufwandtheorie als ein Schlag gegen jeden Fortschritt unter den Verkehrsmitteln, weil sie jedes neue Verkehrsmittel ausschliesst, da dieses immer einen volkswirtschaftlichen Mehraufwand bedingt, wenn man ihm den totalen Leistungsausfall des alten an Nettowenigereinnahmen
«volkswirtschaftlich» belastet.

ad d. Schliesslich erinnern wir an den Grundsatz : was dem einen recht ist, ist dem andern billig. Die Wirtschaftlichkeit des Schiffahrtsprojektes Strassburg-Basel wurde nach den Grundsätzen berechnet, wie sie hier vertreten werden. Anlage 8 zur Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 6.August 1929 betreffend die Eegulierung des Eheins zwischen Basel (Istein) und Strassburg enthält die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit dieses Schifffahrtsprojektes. Auch hier wurde untersucht, ob die Schiffahrt nach Ausführung des Projektes in der Lage sei, unter Einbezug sämtlicher Aufwandposten die ihr

646 zugedachte Gütermenge billiger zu transportieren oder nicht. Die jährlichen Aufwendungen für dieses Projekt wurden für die Schweiz mit 2,415 Millionen Franken veranschlagt, während die Frachteinsparungen pro Jahr auf 3,193 Millionen Franken angenommen wurden, so dass mit einer Nettofrachteinsparung von 0,778 Millionen Franken gerechnet wurde (Anlage 3 zur erwähnten Botschaft, S. 21-23, Separatabdruck). Die genau gleichen Grundsätze auf die Weiterführung dieses Projektes in den Bodensee angewendet, ergibt nach den Berechnungen des Amtes für Wasserwirtschaft, totale jährliche Aufwendungen für die Schweiz von rund 3,6 Millionen Franken, während die Frachteinsparungen mit 9,5 bzw. 10 Millionen Franken angenommen werden, so dass hier eine Nettofrachtersparnis von 6,4 bzw. 5,9 Millionen Franken resultiert (Teilbericht Abschnitt C, S. 69).

In Anwendung gleicher Grundsätze ergibt sich auf Grund amtlicher Berichte somit, dass die Wirtschaftlichkeitsberechnung für das Schiffahrtsprojekt Basel-Bodensee weit günstiger ist, als sie für das Projekt Strassburg-Basel war.

Besonders deutlich ergibt sich dies aus der nachfolgenden Gegenüberstellung der amtlichen Zahlen:

Totale Frachtersparnis pro Jahr für die Schweiz Totaler jährlicher Aufwand für die Wasserstrasse (inklusive Verzinsung und Amortisation der Baukosten). .

Frachtersparnisse überwiegen den Aufwand um

Strasstag-Basel

Basel-Bodenaee

Fr.

3,193 Millionen

Fr.

10 Millionen

2,415 Millionen

3,6 Millionen

0,778 Millionen

6,4 Millionen

Der Kanton St. Gallen muss demnach verlangen, dass um der Klarheit und Wahrheit willen auch in der in Aussicht gestellten bundesrätlichen Botschaft auf diese Zusammenhänge verwiesen wird. Es ginge nicht an, dass, um die Schiffahrt von Basel in den.Bodensee zu verhindern, bei diesem Projekt andere Bewertungsgrundsätze zur Anwendung kommen sollen als beim ersten Teilstück von Strassburg bis Basel. Auch unter diesem Gesichtspunkt muss die erwähnte Mehraufwandtheorie entschieden abgelehnt werden. Was vom Bund aus gesehen beim ersten Teilstück richtig und gerecht war, muss auch für das zweite Teilstück gelten. Was loyal war gegenüber Basel, soll auch loyal sein gegenüber der Ostschweiz.

Auf Grund dieser zwischenstaatlichen, verfassungsmässigen, volkswirtschaftlichen und verkehrspolitischen Grundsätze ist die Wirtschaftlichkeit der Schiffbarmachung des Hochrheins mit einer Nettofrachteinsparung von jährlich rund 6 Millionen Franken zu bejahen.

7. Wenn wir uns einlässlich gegen die erwähnte Mehraufwandtheorie gewendet haben, so geschah es, um zu verhindern, dass in der Schweiz versucht werden will, jeglichen Fortschritt im Verkehrswesen zu unterbinden und absolute Monopole zu schaffen. Dies hindert nicht, dass bei der Frage der zukünftigen Auswirkungen allfällig nachteilige Folgen der Hochrheinschiffahrt auf die SBB

647

und auf die Volkswirtschaft von Basel gründlich abgeklärt und gewürdigt werden. Man wird sich dabei nur bewusst sein müssen, dass bei der Bewertung solcher Zukunftsfolgen das Ermessen eine weitgehende Eolle spielt und dass hier Zahlenangaben ebenso wenig möglich sind, wie bei der Schätzung des durch die Schiffahrt bedingten Mehrverkehrs und der volkswirtschaftlichen Belebung der durch die Schiffahrt erschlossenen Landesteile.

a. Wenn in den amtlichen Berichten der jährliche Bahnausfall mit rund 12,5 bis 15 Millionen Franken angegeben wird, so kann uns dies nicht überzeugen. Aus dieser Zahl spricht Angst und Eesignation. Die Bahn wird zweifellos, wie sie dies heute gegenüber dem Automobil in viel vermehrterern Ausmasse tun muss, der Abwanderung der Güter nicht untätig zusehen. Die Schiffahrt wird überdies, wie dies andere Beispiele in Buropa augenfällig zeigen, auch der Bahn wieder vermehrte Transporte bringen, an die wir heute gar nicht denken. So ist es, sobald die Güterschiffahrt zum Bodensee besteht, durchaus möglich, dass die sehr grossen Kies-' und Sandmengen, die der Ehein im ganzen sanktgallischen Eheintal auflandet, per Bahn an den Bodensee und von dort per Schiff nach Basel, verfrachtet werden. Solche Zukunftsmöglichkeiten heute schon aufzudecken, ist kaum möglich, weil die Entwicklung immer weiterarbeitet und menschliches Denken und Handeln immer wieder Neues schaffen. Eine minime volkswirtschaftliche Belebung der durch die Hochrheinschiffahrt erschlossenen Landesgegenden verbessert die Arbeitsmarktverhältnisse, erhöht die Bevölkerungszahl der entsprechenden Gegend. Damit wird der Personenverkehr und Kleingüterverkehr der Bahn auch wieder grösser. Schliesslich ist eine gewisse Verlagerung der Verkehrskonzentration von gewissen Eisenbahnlinien auf schlecht frequentierte Linien auch für die SBB von Vorteil, da Bahnhoferweiterungen, Vermehrung der Linienspur gerade an den heute schon dicht besiedelten und stark frequentierten Eisenbahnlinien auf grosse Schwierigkeiten und ungewöhnliche Kosten stossen. Alle diese entscheidenden Zukunftsfaktoren sind in der Ausfallzahl von 12,5 Millionen Franken gar nicht berücksichtigt. Liegt es daher im Interesse der Bahn, von einem solchen Bahnausfall zu sprechen?

Wir möchten dies verneinen. Eine Eisenbahnpolitik, die sich der durch die Natur der Dinge
bedingten Vorteile der Eisenbahn gegenüber der Schiffahrt und dem Automobil bewusst ist, wird der Schiffahrt dort, wo diese nachgewiesenermassen billiger arbeitet, das Lebensrecht nicht abstreiten, weil sie weiss, dass sie an diesem volkswirtschaftlichen Nutzen indirekt wieder teilhaben wird. So möchten wir hoffen, dass sich die SBB in ihrem Interesse mehr unserer Auffassung anschliessen könnten.

b. Auch ein allfälliger Ausfall im Basler Hafen ist gründlich abzuklären und zu würdigen. Nach den ergänzenden Untersuchungen des Amtes für Wasserwirtschaft soll die gesamte Einkommenseinbusse des Basler Verkehrsträgers 7,3 Millionen Franken pro Jahr betragen (ergänzender Bericht S. 4). Wir sind nicht in der Lage, die Eichtigkeit dieser Zahl zu beurteilen. Das jährliche Volkseinkommen von Basel soll rund 700 Millionen Franken betragen. Die Einbusse wäre somit ungefähr l Prozent.

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Die übrigen an der Schiffahrt Basel-Bodensee beteiligten Kantone sind berechtigt, von Basel dieses bescheidene Opfer aus volkswirtschaftlichen, staatsund bevölkerungspolitischen Gründen zu verlangen, denn Basel hätte ohne entscheidende Mitwirkung und Beitragsleistung des Bundes und damit auch der an der Hochrheinschiffahrt interessierten Kantone die Großschiffahrt nach Basel nicht erhalten. Es entspricht freundeidgenössischer Gesinnung und loyaler Haltung, wenn man den früheren Mithelfern nicht das versagt, was man selber wollte. Basel wird auch nach der Fortsetzung der Schiffahrt in den Bodensee dank seiner günstigen Verkehrslage den grössten volkswirtschaftlichen Nutzen aus der Bheinschiffahrt ziehen. Ein Monopol aber wird und darf es für sich nicht verlangen. Die Natur hat den Ehein nicht nur dem Unterliegerkanton Basel gegeben, sondern auch allen Oberliegerkantonen, die an ihm sogar viele Lasten zu tragen haben (Wildbachverbauungen, Eheinkorrektionen und Eheinregulierung im sanktgallischen Eheintal). Oder soll der Nutzen eines schiffbarzumachenden Gewässers nur einem Kanton zugute kommen ? Auch unter diesem Gesichtspunkt kantonaler Solidarität und kantonaler Gerechtigkeit darf dem Kanton Basel das Opfer zugemutet werden. Seine durch die Natur gegebene einzigartig günstige Verkehrslage wird auch durch die Fortsetzung der Schifffahrt nicht beeinträchtigt.

c. Diesen allfällig negativen Auswirkungen der Hochrheinschiffahrt sind die positiven gegenüber zu halten. Diese werden im Gutachten des Zentralbüros für Landesplanung über die möglichen volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Hochrheinschiffahrt vom Jahre 1952 dargelegt. Die Frage der Verkehrs- und wirtschaftspolitischen Auswirkungen der Hochrheinschiffahrt ist unrichtig beantwortet, wenn nur auf die negativen Auswirkungen bei den Bahnen und den Basler Häfen Eücksicht genommen wird.

Die an der Schiffahrt interessierten Kantone, insbesondere die ostschweizerischen Kantone Appenzell AE und IE, Thurgau und St. Gallen erhalten durch die Hochrheinschiffahrt ein Verkehrsmittel, das die Ungunst ihrer Verkehrslage hinsichtlich der Schwergütertarife erheblich verbessert. Durch die Hochrheinschiffahrt könnte beispielsweise auf den bisherigen Transportkosten Basel-St. Gallen für Getreide, Kohle, Heizöl und Benzin sowie übrige Güter eine durchschnittliche
Frachtvergünstigung von 41 Prozent erzielt werden (Teilbericht D, S. 34). Die Frachtvergünstigung würde sich je nach den Gütern entweder auf das ganze Kantonsgebiet oder auf gewisse Teile von ihm erstrecken.

Für den allzu einseitig auf Textilindustrie eingestellten Kanton St. Gallen könnte diese Frachtvergünstigung in der Zukunft zweifellos die Möglichkeit erleichtern, dass in vermehrtem Masse andere Industrien, insbesondere Maschinen- und Metallindustrie angesiedelt werden. Die Schaffung vermehrter Arbeitsmöglichkeiten für die Bevölkerung unseres Kantons ist unsere vordringlichste staatspolitische Aufgabe. Dies veranlasst uns, noch näher auf die Bevölkerungsbewegung, die Arbeitsmarktverhältnisse und die Zukunftsaufgaben der sanktgallischen Volkswirtschaft hinzuweisen.

649 V. Die Besonderheiten sanktgallischer Bevölkerungsstruktur und sanktgallischer Wirtschaft

In den letzten Jahren sind sich der Kanton St. Gallen und die übrigen ostschweizerischen Kantone immer mehr bewusst geworden, dass in ihrem Gebiet die Zunahme der Bevölkerung trotz gleichem Geburtenüberschuss beängstigend hinter dem Landesmittel zurückbleibt. Die ostschweizerischen Kantone weisen absolut und relativ die grössten Abwanderungsverluste gegenüber allen andern Kantonen auf. Hauptsächlich für den männlichen Nachwuchs fehlen in erheblichen Gebieten unserer Gegend qualifizierte Arbeitsmöglichkeiten. Das Problem der ungelernten männlichen Arbeitskräfte stellt sich vor allem im Sarganserland, im Werdenberg, im Gaster und Teilen des Toggenburgs. So ergibt sich, was unglaubwürdig erscheinen mag, dass im Kanton St. Gallen die Zahl der Berufstätigen im Jahre 1950 nicht einmal den Stand von 1910 erreicht, geschweige den Aufschwung mitgemacht hat, der der gesamtschweizerischen Entwicklung entspricht.

Berufstätige

1910

1950

Kanton St. Gallen . . . .

152 879 136 914 Schweiz 1783195 2147000 Ebenso eindrucksvoll sind einige Zahlen über die Entwicklung der Wohnbevölkerung in den Kantonen Appenzell, Thurgau und St. Gallen im Verhältnis z.B. zu den Kantonen Zürich, Solothurn, Baselstadt und Baselland.

Die beiden Kantone Appenzell haben von 1910 bis 1950 eine merkliche Bevölkerungsabnahme zu verzeichnen (--17,3 Prozent und --8,4 Prozent), während der Kanton St. Gallen mit einer Zunahme von 2 Prozent praktisch stationär geblieben ist. Demgegenüber hat in der gleichen Zeitspanne die Bevölkerungszahl in den Kantonen Zürich um 54,2 Prozent, Solothurn um 45,6 Prozent, Baselstadt um 44,6 Prozent, Baselland um 40,6 Prozent und Aargau um 30,4 Prozent zugenommen, während das schweizerische Mittel 25,6 Prozent aufweist.

Daraus ergibt sich mit besonderer Eindringlichkeit, dass die ostschweizerischen Kantone in den Jahrzehnten 1910 bis 1950 in ihrer Entwicklung gegenüber dem Landesmittel ganz erheblich zurückgeblieben sind.

So betrug beispielsweise im Kanton Appenzell IE die Abwanderung der Bevölkerung in der Zeitspanne 1910 bis 1950 40,5 Prozent der Gesamtbevölkerung des Kantons im Jahre 1950, im Kanton Appenzell AR 31,2 Prozent und im Kanton St. Gallen 23,7 Prozent. Ohne den erheblichen Wanderverlust hätte unsere Bevölkerung ungefähr im Landesmittel zugenommen.

Demgegenüber weisen die Kantone Zürich einen Wandergewinn von 20,2 Prozent, d.h. eine Zunahme der Bevölkerung um 157 363 in den Jahren 1910 bis 1950, Baselstadt von 21,7 Prozent (42 646), Genf von 29,8 Prozent (60 628) auf.

Diese steigende Konzentration der schweizerischen Bevölkerung in wenigen Städten ist staatspolitisch unerwünscht. Die Zunahme von Kapital und Arbeit sollte sich ungefähr gleichwertig auf alle Kantone ausdehnen, sonst ist die Selbständigkeit der Kantone, ihre Gleichberechtigung und damit ein gesunder Föderalismus in Zukunft in vermehrtem Masse gefährdet.

650 Interessant ist ferner die Statistik über die Zunahme des Fabrikpersonals in der Zeitspanne 1911 bis 1951. Das schweizerische Mittel weist eine Zunahme von 66 Prozent auf, wobei beispielsweise Baselland eine Zunahme von 151,8 Prozent, Solothurn von 89,4 Prozent, Aargau von 86,5 Prozent aufweist. Demgegenüber beträgt diese Zunahme im Kanton Thurgau 19,8 Prozent, im Kanton St. Gallen 29,7 Prozent und im Kanton Appenzell AB verzeichnen wir eine Abnahme von 6,8 Prozent.

Die Ursachen dieses offensichtlichen Zurückbleibens der Ostschweiz in der Entwicklung der Bevölkerungszahl, der Beschäftigtenzahl und der Zahl der Fabrikarbeiter sind mannigfacher Natur. Tatsache ist, dass sich die Textilindustrie in der Ostschweiz von ihrem katastrophalen Zusammenbruch nach dem ersten Weltkrieg bis heute nicht völlig erholt hat. Der Ersatz durch andere Arbeitsmöglichkeiten, insbesondere Industrien, war nicht so gross, als dass er das Manko der Textilindustrie aufgeholt hätte. Dazu kommt, dass die Textilindustrie ihrer Natur entsprechend vorwiegend Frauen beschäftigte. Eine weitere Ursache erkennen wir in der Verkehrsungunst der Ostschweiz, die infolge der seinerzeitigen Verhinderung der Ostalpenbahn und des Baues der Gotthardbahn, der steigenden Bedeutung des Basler Bheinschiffahrtshafens als zentraler Einfuhrort, der Abriegelung des Ostens und anderer Momente immer akuter in Erscheinung tritt. Niemand wird gerechterweise bestreiten können, dass die Fortsetzung der Schiffahrt von Basel in den Bodensee, und damit die Schaffung einer direkten Verbindung zum Meer, der Ostschweiz einen Teil ihrer in früheren Jahrhunderten guten Verkehrslage zurückverschaffen könnte. Der Kanton St. Gallen, als Kanton mit der grössten Rheinlast und einer Bheinanstosslänge von fast 100 km kämpft daher bei der Hochrheinschiffahrt um ein entscheidendes Lebensrecht, das ihm niemand streitig machen kann.

Zur Begründung der Besonderheiten in der sanktgallischen Bevölkerungsund Wirtschaftsstruktur legen wir einen detaillierten Bericht des kantonalen Arbeitsamtes mit verschiedenen graphischen Darstellungen bei und erklären diese zum integrierenden Bestandteil der Vernehmlassung.

VI. Beantwortung der Einzelfragen

Damit gelangen wir abschliessend zur Beantwortung der Einzelfragen: 1. Die Untersuchungen der Vereinigung für Landesplanung sind vom Standpunkt unseres Kantons zutreffend und werden von uns nachdrücklich unterstützt.

2. Der Kanton St. Gallen ist auf Grund der eingehenden amtlichen Untersuchungen des Amtes für Wasserwirtschaft der Auffassung, dass die volkswirtschaftlichen Vorteile der Hochrheinschiffahrt eine angemessene kantonale Beitragsleistung rechtfertigen. Über die Höhe dieses Beitrages kann heute noch nichts ausgesagt werden. Da es sich bei dieser Fortsetzung der Schiffahrt wie beim Projekt Strassburg-Basel um ein gesamtschweizerisches Anliegen handelt, wird der Bund zusammen mit den benachbarten Staaten

651

dieses Schiffahrtsprojekt ausführen müssen. Für die angrenzenden Kantone erwachsen aus der Erstellung der Hafenanlagen, ihrer Zufahrten und dem Unterhalt noch erhebliche Aufwendungen, wobei ein Lastenausgleich durch die speziell Begünstigten vorzubehalten ist.

3. Vorerst sollte alles unternommen werden, um den Bau der letzten Kraftwerke am Hochrhein zu fördern, da diese die Voraussetzung für die Schifffahrt bilden. Der Zeitpunkt für die Aufnahme von Verhandlungen mit Deutschland dürfte daher heute noch nicht gekommen sein. Allerdings wäre es wertvoll, die Projekte gegenseitig zu besprechen, damit dann tech- · nisch eine weitgehende Übereinstimmung besteht.

Genehmigen Sie, hochgeehrter Herr Bundesrat, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochschätzung.

St. G a l l e n , den 7. September 1953.

Der Landammann : Müller Im Namen des Regierungsrates, Für den Staatsschreiber: Dr. Schwizer Departementssekretär

Beilagen 1. «Wirtschaftliche Entwicklung der Ostschweiz», Feststellungen des Kantonalen Arbeitsamtes St. Gallen, vom 27. Januar 1953.

2. Zunahme und Abwanderung der Bevölkerung 1.910 bis 1950, graphische Darstellung 3. Zunahme des Pabrikpersonals 1911 bis 1951 und industrielle Entwicklung der Schweiz, graphische Darstellung.

652 Wirtschaftliche Entwicklung der Ostschweiz

An der wirtschaftlichen Besserstellung der Ostschweiz ist ein Siebentel der schweizerischen Bevölkerung direkt interessiert. Die betroffenen Kantone haben an der in den letzten 40 Jahren eingetretenen Bevölkerungszunahme nur einen bescheidenen Anteil. Teilweise verzeichnen sie sogar einen Rückgang. Die Ursache für diese Entwicklung ist weitgehend in der wirtschaftlichen Lage der Ostschweiz zu suchen.

Wohnbevölkerung 1941

1910

Ganze Schweiz.

Ostschweiz : Appenzell AE .

Appenzell IE .

St. Gallen . . .

Graubünden. .

Thurgau. . . .

1950

Veränderung

3 753 293 4265703 4714992 + 961 699

57973 14659 302 896 117 069 134917 627 514

44756 13 383 286 201 128 247 138 122 610 709

47938 13427 309 106 137 100 149 738 657 309

1910/50 %

+ 25,6

-- 10035 -- 1232 + 6210 + 20031 + 14821

-- 17,3 - 8,4 + 2,0 + 17,1

+ 30195

+ 4,8

+ 11,0

Wenn die Ostschweiz im Mittel der Kantone nur eine Bevölkerungszunahme von 4,8 Prozent aufweist gegenüber 25,6 Prozent im schweizerischen Mittel, so ist dies nicht etwa eine Folge des Geburtenrückganges, sondern in erster Linie eine solche der Abwanderung. Alle ostschweizerischen Kantone haben 1910 bis 1950 einen Wanderungsverlust zu verzeichnen.

Wanderungsbewegung Ostschweiz

Appenzell AE.

Appenzell IE .

St.Gallen. . .

Graubünden .

Thurgau . . .

1910/50

14964 5442 73403 16636 18841 --129 286

Verlust im Verhältnis zu 1950 %

-- 31,2 -- 40,5 -- 28,7 -12,1 -- 12,6 -- 19,7

Zählen wir diesen Wanderungsverlust von 19,7 Prozent zur bescheidenen Bevölkerungszunahme von 4,8 Prozent, dann kommen wir auf 24,5 Prozent und damit nahe an das gesamtschweizerische Mittel der BevölkerungsVeränderung 1910-1950. Ohne den Wanderverlust würde sich die Zunahme somit ungefähr im schweizerischen Durchschnitt halten.

St. Gallen weist von sämtlichen schweizerischen Kantonen in absoluten Zahlen (73 403) den höchsten Wanderungsverlust auf. Appenzell I.-Eh. steht

653 mit 40,5 Prozent und Appenzell A.-Eh. steht mit 31,2 Prozent im Verhältnis zur Wohnbevölkerung 1950 an erster, bzw. zweiter Stelle.

Demgegenüber verzeichnet die Wanderungsbilanz als Kantone mit dem grössten Wanderungsgewinn: Bevölkerung 1950

1910/50

Gewinn im Verhältnis zu 1950 %

Zürich 777002 +157863 +20,2 Basel-Stadt . . . .

196498 + 42646 +21,7 Waadt 377585 + 20938 + 5,5 Genf 202918 + 60628 +29,8 Der Eückgang der Kantone Appenzell A.-Bh. und Appenzell I.-Eh. und die Stagnation bei St. Gallen sind die Folgen einer strukturellen Veränderung unserer Wirtschaft. Ihre Haupterwerbsgebiete, nämlich die Textil- und die Bekleidungsindustrie haben einen katastrophalen Niedergang erlitten, von dem sich unsere Wirtschaft noch nicht erholt hat. Die in der übrigen Schweiz dominierende Metallindustrie, Maschinen- und Apparateindustrie, chemische Indu· strie, Uhrenindustrie haben im Gegensatz zu unsern hauptsächlichsten ostschweizerischen Erwerbszweigen eine ungeahnte Entwicklung nach oben genommen, die Uhrenindustrie ausgenommen. Als Vergleichsbasis zur Veranschaulichung dieser Strukturwandlung dienen die Unterlagen der Jahre 1910 bis 1941 ; die Volkszählungsergebnisse 1950 sind noch nicht ausgewertet.

Wohnbevölkerung 1910 1941

203.444 295930 91703 137321

Erwerbszweige

Berufstätige 1941

1910

1910/41 %

152434 137159 178 695 278491

Bekleidung . . .

135873 102628 -- 24,5 Textil 188201 82498 -- 55,1 Metall 41010 80 059 + 95,2 Maschinen und Apparate . . .

58 228 137 312 +135,8 20627 55819 Chemische. . . .

8314 24621 +196,1 115526 87063 Uhren . . . . .

55982 50402 -- 10,0 37532934265703 Zuzüglich übrige . 1783195 1992487 + 11,1 Der Eückgang der Textilindustrie und die Zunahme der Bedeutung der übrigen Haupterwerbszweige unserer Wirtschaft ergibt sich aus einer Gegenüberstellung der Ausfuhrwerte in Millionen Franken

1910

Textil Metall, Maschinen und Apparate .

Chemische. . . .

Uhren Total alle Erwerbszweige . . . .

1941

572,7

48,0

169,3

11,5

157,5 52,1 147,0

13,1 0,4 12,3

549,7 332,2 230,6

1195,9 100,0%

Bundesblatt. 108. Jahrg. Bd. I.

1463,3

1950

442,6

11,1

37,6 22,7 15,8

1292,8 586,8 658,5

30,9 15,0 16,8

100,0%

3910,9 100,0% 45

654 Ein anschauliches Bild über den Niedergang der in der Ostschweiz einst bedeutendsten Stickereiindustrie, in der 1910 noch 72 000 Personen inklusive Hilfsindustrien beschäftigt waren, während heute dort kaum mehr 10 Prozent davon ihr Auskommen finden, gibt folgende Aufstellung über den Bestand an Stickmaschinen Schifflistickmaschinen . . . .

Handstickmaschinen

1910

1941

1950

5 500 15671 21 171

850 750 1600

850 750 1600

Man hat versucht, durch die Einführung neuer Industrien Ersatz zu schaffen.

Das ist aber bisher nicht in vollem Umfang gelungen. Die Zahl der Berufstätigen hat 1950 z.B. im Kanton St.Gallen noch nicht einmal den Stand von 1910 erreicht, geschweige denn den Aufschwung mitgemacht, der der gesamtschweizerischen Entwicklung entspricht (1910-1950 l 783 195/2 147 500).

Berufstätige im Kanton St. Gallen 1910

1941

1950 '

Total . . .

152879 132357 136914 Wenn wir die Haupterwerbsgebiete aus Industrie und Handwerk, die wir für die schweizerische Übersicht verwendet haben, im sanktgallischen Wirtschaftsleben näher betrachten, dann stellen wir fest, dass die Textil- und die Bekleidungsindustrie immer noch zu den Haupterwerbsquellen zählen, dass aber ' die Metall- und Maschinenindustrie wesentlich aufgeholt haben, während die Uhrenindustrie und die chemische Industrie nach wie vor unbedeutend sind.

Berufstätige 1950 (Kanton St. Gallen) Textilindustrie . . . .

Bekleidungsindustrie . . , Metall und Maschinen Chemische Industrie . . , Uhren und Bijouterie

Kanton St. Gallen, alle Erwerbsgebiete .

Männer

Frauen

Total

8316 2536 12 475 697 133 24157 57,6 % 94586

9231 7248 1040 262 27 17808 42,4% 42328

17547 9784 13515 959 160 41965 100% 136 914

Weitere Anstrengungen zur Beschaffung neuer Arbeitsgelegenheiten sind notwendig. Dabei sollte in erster Linie darauf geachtet werden, möglichst nach Erwerbsgebieten zu suchen, in denen die Männerarbeit im Vordergrund steht.

Ein Charakteristikum unseres sanktgallischen Arbeitsmarktes und des ostschwei-

655 zerischen im allgemeinen ist die Tatsache, dass in unseren Industrien der Anteil der Frauenarbeit grösser ist als in jenen der übrigen Schweiz. Die Verhältnisse in den einzelnen Erwerbszweigen sind gesamthaft gesehen folgende: Beirufstätige 19'11 (g;anze Schwei:')

Textilindustrie Bekleidungsindustrie . . . .

Metall- und Maschinenindustrie Chemische Industrie Uhren und Bijouterie Im ganzen

Männer

Frauen

34592 34 140 196 940 19848 29061 '

47906 68488 20431 · 4773 21341

% 58,0 66,7 9,4 19,3 42,3

82498 102 628 217 371 24621 50 402

1 422 272

570 215

28,6

1 992 487

Total

Eine Uberischt über die Lage in den einzelnen Kantonen zeigt der nachstehende Vergleich mit den schweizerischen Verhältnissen. Mangels näherer Angaben und wegen Fehlens der Ergebnisse 1951 müssen wir uns hier auf zwei Hauptberufsgruppen des Wirtschaftslebens beschränken: Berufstätige 1941 nach Geschlechtern Männer

Frauen

%

Total

663 313 127 952 791 265

204 682 70520 275 202

23,6 35,5 25,8

867 995 198 472

1066 467

Ostschweiz, beide Erwerbsgebiete zusammen AppenzellAR 8042 Appenzell IE 1354 St. Gallen .

52193 Graubünden 14746 Thurgau 25 620

3260 820 22285 3168 9 576

28,9 38,3 30,0 17,7 27,2

11302 2174 74478 17914 35196

Ganze Schweiz Industrie und Handwerk . .

Handel, Bank, Versicherung

Das gute Verhältnis von Graubünden ist darauf zurückzuführen, dass es wenig Industrie besitzt und in den kleingewerblichen Betrieben im allgemeinen wenig Frauen beschäftigt werden. Beim Thurgau ist das bessere Verhältnis der grossen Ausdehnung der Metall- und Maschinenindustrie zuzuschreiben.

Eine strukturelle Verlagerung der Wirtschaft auf Erwerbsgebiete mit vermehrter Männerarbeit ist auch vom sozialen Standpunkt aus gesehen und damit bevölkerungspolitisch wünschbar. Mit Männerarbeit kann zufolge der besseren Einkommensverhältnisse bei gleicher Zahl von Arbeitsplätzen eine grössere Bevölkerung unterhalten werden als mit Frauenarbeit. Das zeigt die folgende Gegenüberstellung der sanktgallischen Wirtschaft :

656 Wohnbevölkerung und Berufstätige 1950 nach Erwerbszweigen Berufstätige allein

Textilindustrie Bekleidung Metall und Maschinen Chemische Industrie

17547 9784 13515 959

Angehörige und Berufstätige

32088 14868 30766 2158

(1,8) (1,5) (2,3) (2,2)

Der in Klammer gesetzte Koeffizient zeigt das viel bessere Verhältnis bei Metall-, Maschinen und Chemie gegenüber Textil und Bekleidung. Dabei hat Textil gegenüber früher etwas aufgeholt.

Die Beschaffung neuer Arbeitsgelegenheiten ist nicht für den ganzen Kanton erforderlich. Es sind, wie die nachstehende Tabelle zeigt, insbesondere einige Mangelgebiete, die eine vermehrte Industrialisierung nötig haben. So verzeichnen wir in den nicht eigentlich landwirtschaftlichen Bezirken besonders im oberen Kantonsteil (Oberrheintal: Oberriet und Rüthi; Werdenberg; Garns, Grabs, Wartau; Sargans: Alle Gemeinden) einen Mangel an Männerarbeit, der sich durch die Abwanderung und insbesondere die Überdimensionierung des Baugewerbes bemerkbar macht und zweifellos in einer empfindlichen Arbeitslosigkeit seinen Niederschlag finden wird, sobald die Überkonjunktur im Baugewerbe zurückgeht. Aber auch im landwirtschaftlichen Gaster wäre zusätzlich eine Beschäftigung in Industrie und Handwerk erwünscht. Es entständen dadurch gerade für die dort ansässigen kinderreichen Familien willkommene Verbesserungen der sozialen Lage und für das Gebiet ganz allgemein eine Verbreiterung der Wirtschaftsbasis. Einen verhältnismässig grossen Überschuss an männlichen Arbeitskräften weisen auch noch andere Gemeinden auf, so z.B.

täte auch der Stadt St. Gallen, die eigentlich mehr zum Geschäftszentrum geworden ist, eine gewisse Ausdehnung der Industrie gut. Weitere Anhaltspunkte ergeben sich aus folgenden Verhältniszahlen: Industrie und Handwerk 19tU in den Bezirken Wohnbevölkerung

Rorschach . . .

Unterrheintal .

Untertoggenburg Neutoggenburg . .

St. Gallen Gossau See Alttoggenburg . .

. .

Übertrag

22 371 22 097 23 088 11 634 66590 12910 18794 12596

190080

Industrie und Handwerk Berufstätige %

6 422 6 349 6 308 2 681 14181 2 659 3 690 2 457

44747

28,7 28,7 27,3 23,1 21,3 20,6 19,6 19,5

657 Wohnbevölkerung

Übertrag Sargans Oberrheintal Werdenberg Wil Obertoggenburg Gaster Total

Industrie und Handwerk Berufstätige %

190080 28881 18748 19364 14336 11025 8767

44747 4562 3522 3514 2542 1901 1258

19,1 18,8 18,2 17,7 17,2 14,4

286 201

62142

21,7

Wesentliche Verschiebungen im Verhältnis der Berufstätigen (Industrie und Handwerk) zur Wohnbevölkerung sind seit 1941 nicht eingetreten.

St. Gallen, den 27. Januar 1953.

Kantonales Arbeitsamt St.Gallen

658

Zunahme und Abnahme der Bevölkerung 1910-50

Wanderungsverlust und Wanderungsgewinn 1910-1950 (Jn Prozenten der Bevölkerung vom Jahre 1950)

659

Zunahme und Abnahme des Fabrikpersonals 1911-51 (vom Fabrikgesetz erfasste Arbeiter und Angestellte)

Jndustrielle Entwicklung der Schweiz (Zahl derBeschäftigten)

660 Beilage W

Der Kleine Rat des Kantons Graubünden

An das Eidgenössische Post- und Eisenbahndepartement Herrn Bundesrat Dr. Joseph Escher Bern Stellungnahme des Kleinen Bâtes von Graubünden für die Hochrhein-Schiffahrt Basel-Bodensee · Hochgeachteter Herr Bundesrat!

1. Die Ostschweiz als Grenzgebiet und im besondern der Kanton Graubünden als Hochgebirgs- und Grenzkanton sind auf jede Verbesserung der Verkehrsverhältnisse angewiesen.

Graubünden liegt im äussersten Südosten des Landes. Als grösster Kanton umfasst es an Fläche den sechsten Teil der Schweiz. Es wird vom vierten Teil der Schweizergrenze umschlossen. Bemerkenswert ist die grosse Höhenlage seines Gebietes (vgl. Beilagen l und 2). Die Hälfte des Kantons liegt über 2100 m Meereshöhe.

Es liegen

unter 600 m (Bebbaugrenze)...

unter 1200 m (Laubwaldgrenze). .

unter 1800 m (Wald- und Wohngrenze)

In Graubünden

In der Schweiz

l Prozent 10 >>

26 Prozent der Fläche 54 » » »

31

71

»

»

»

»

Folglich liegen 90 Prozent der Fläche des Kantons über der Laubwaldgrenze und noch 69 Prozent derselben über 1800 m, das ist höher als die Talsohle des Engadins und oberhalb der nutzbaren Wald- und Wohngrenze. Aus dieser Lage eines weitläufigen Grenz- und Hochgebirgskantons erwachsen Graubünden die bekannten mannigfaltigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten.

Seit jeher ist Graubünden auf den Verkehr als direkte Erwerbsquelle und indirekt als unerlässliche Voraussetzung für Entstehen und Gedeihen seines qualifizierten Gastgewerbes und einer allmählich FUSS fassenden Industrie angewiesen.

2. Von der Natur gegebene Verkehrswege waren seit Beginn der Geschichtsschreibung die Wurzeln und Pfeiler der politischen und wirtschaftlichen Existenz des bündnerischen Freistaates.

Die Ost-West-Transversale Inntal-Comersee und vor allem die Nord-Süd verlaufende Furche des Churer Eheintals, wo sich die West- und die Ostalpen

661 scheiden, daran anschliessend flach ansteigende, bis nahe an den Alpenkamm besiedelte Täler und die von Natur oder Kunst wohl passierbar gemachten Bergpässe boten die Voraussetzung für einen lebhaften Transitverkehr zwischen den südlichen und nördlichen Ländern.

An diesem Durchgangs- und Passverkehr sind gewachsen: die römische Provinz Churrätien, das Bistum Chur, die Fränkische Grafschaft Bätien sowie die romanischen Talgemeinden und die Gemeinden der freien Waiser, die sich im ausgehenden Mittelalter zu den drei Bünden und dem Freistaat der Drei Bünde zusammengeschlossen haben.

Seit anderthalb Jahrtausenden haben die Bündner ihre Paßstrassen nach dem jeweiligen Stand der Technik und der Mittel gebaut, Sommer und Winter dem Verkehr offen gehalten und mit Gut und Brat sichergestellt. Wohlgeordnete Transportunternehmungen besorgten den Euttnerdienst und die Warenbeförderung. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts baute der neugeschaffene Kanton Graubünden auf eigene Eechnung die grossen Handelsstrassen über Splügen und Bernhardin, und nachher auch über Julier und Maloja.

Neben der kargen Landwirtschaft im Lande selbst, und Handwerk, Geschäften und Kriegsdienst im Ausland war der Transitverkehr die einzige Erwerbsquelle während Jahrhunderten.

3. Der Transitverkehr, -während Jahrhunderten das Fundament der wirtschaftlichen und politischen Existenz von Graubünden, ist vor 70 Jahren der zentralen Alpenbahn durch den Gotthard geopfert worden.

Mit dem Tag der Eröffnung der ,Gotthardbahn im Jahr 1882 hat der Transitverkehr über die Bündner Alpenpässe schlagartig aufgehört. Strassen und Dörfer an den Bergpässen verödeten. Die Einwohner der betroffenen Täler waren zum Auswandern, grösstenteils nach Übersee, gezwungen.

Schon 1858 ist von Maienfeld bis Chur die erste Normalbahnstrecke von 20 km Länge gebaut worden, als Teilstück einer kommenden Ostalpenbahn.

Diese 20 km sind nun seit fast hundert Jahren das einzige Stück Normal- und Bundesbahn geblieben, im gröästen Schweizerkanton.

Uri und Tessin und das Wallis haben ihre grossen zweispurigen Transitbahnlinien des Bundes erhalten, die diese Kantone der ganzen Länge nach durchziehen. An der so geschaffenen günstigen Verkehrslage hat sich in diesen Bergkantonen eine ansehnliche Industrie entwickelt. Der Ausbau der Wasserkräfte durch diese Industrie und
durch die Bundesbahnen ist weit fortgeschritten.

. Die mittlere Schweiz im Dreieck Basel-Zürich-Gotthard ist an Bevölkerung, Verkehr, Handel und Industrie mächtig aufgeblüht. Die Ostschweiz und speziell Graubünden wurden mit nie erfüllten Hoffnungen auf eine Ostalpenbahn abgespiesen. Es ist bemühend, zuzusehen, wie der ganze mächtige Verkehrsapparat der Bundesbahnen die Mitte und den Westen trägt und befruchtet, während Graubünden am Wegrande seit Jahren auf die Hilfe des Bundes in dringlichsten Verkehrsanliegen wartet.

Mit grosser Anstrengung ist Graubünden nach Eröffnung der Gotthardbahn an den weitern Ausbau der Talschafts- und Verbindungsstrassen sowie an den

662

Bau seines Schmalspurbahnnetzes gegangen, das zwar eine Ostalpenbahn nicht ersetzen, aber die Voraussetzung geben konnte für das um die Jahrhundertwende aufblühende, jedoch äusserst krisenempfindliche Gastgewerbe. Die beiden grossen Kriege und die Krise nach 1930 griffen auch hier vernichtend ein. Als überwältigende Last blieben dem Kanton zurück, neben einem Best der Strassenbauschuld, die Kapitalschulden der Ehätischen Bahn und deren jährliche Defizite. Mit den höchsten Steuern und den höchsten Bahntarifen sucht sich Graubünden sein trotz allem lebensnotwendiges Bahnnetz zu erhalten.

4. Eine erstaunliche wirtschaftliche, kulturelle und politische Zusammenballung auf der Mitte entwickelte sich nach Eröffnung der zentralen Hauptverkehrslinien. Die Eandgebiete blieben zurück.

Alle uns zugestellten Unierlagen und weitere uns bekannte Eelationen dokumentieren den erstaunlichen Aufschwung, den die zentralen Gebiete des Landes im Eaum Basel-Olten-Zürich seit Eröffnung der Gotthardbahn und der Oberrheinschiffahrt bis Basel genommen haben. Sie verdanken diesen Aufschwung in erster Linie der dadurch geschaffenen besten Verkehrsgunst. Demgegenüber sind die Eandgebiete zurückgeblieben. Nicht nur das,- ihre Verkehrsgunst, der Anreiz für jede wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung, musste sich verschlechtern, da sie eine relative Grosse ist.

Im genannten verkehrsbegünstigten Eaum Basel-Olten-Zürich haben sich Bevölkerung, Industrie, Gewerbe, Handel und alle übrigen kulturellen Berufe in ungeahntem Mass entwickelt. Die wirtschaftliche und kulturelle Abhängigkeit der Eandgebiete gegenüber den Großstädten und Industriezentren wird immer grösser. Die tatkräftigen, beweglichen und begabten Leute der Eandgebiete wandern ab in die Zentren, wo ihnen reichere Möglichkeit zur Entfaltung ihrer Kräfte geboten ist. Es wird der Eandzone immer schwerer, sich wirtschaftlich, kulturell und politisch zu behaupten.

Es bahnt sich eine Entwicklung an, die staatspolitisch zum Aufsehen mahnt. Wir sehen sie in weiter vorgerücktem Mass in unsern Nachbarstaaten im Westen und im Osten, wo eine Großstadt als wirtschaftliches, kulturelles und Verwaltungszentrum, wie eine Spinne im Netz, die Kräfte des Landes absorbiert. Auch in der Schweiz wird sich ein gesundes Wachstum der Großstädte und Industriezentren nicht aufhalten lassen. Es
müssen aber alle tauglichen Mittel eingesetzt werden, um den verödenden Eandgebieten ihre selbständige Existenz zu ermöglichen und zu erleichtern, um dem wachsenden wirtschaftlichen und kulturellen Sauggefälle gegen die Mitte entgegenzuarbeiten.

5. Die Hochrheinschiffahrt Basel-Bodensee erscheint als das einzige greifbare Mittel, eine wirtschaftsbelebende Kraft von Dauer auf die ostschweizerischen Gebiete auszuüben. Sie kann dadurch der progressiv fortschreitenden Konzentration auf die Mitte entgegenarbeiten.

Die uns vorgelegten Unterlagen - die eingehenden Untersuchungen des Eidgenössischen Amtes für Wasserwirtschaft, wie auch das umfassende Gutachten der Vereinigung für Landesplanung - bestätigen in vollem Umfang unsere

663

Überzeugung, die sich auf Grund langjähriger Beobachtung der wesentlichen Vorgänge und Vorschläge auf dem Gebiet der schweizerischen Volkswirtschaft und im besonderen des Verkehrswesens gebildet hat: Wir kennen kein anderes, mit vertretbarem Aufwand zu schaffendes und mit verlässlicher Prognose wirksames Mittel, in die Bandgebiete der Ostschweiz, speziell in das Bodenseegebiet, das St. Galler Eheintal und in den Kanton Graubünden neuen Verkehr und Entwicklungsmöglichkeit für fehlende Industrie zu bringen als die Hochrheinschiffahrt Basel-Bodensee.

In der. direkten Kontaktzone rund um den Bodensee werden sich die erheblichen Frachtermässigungen in erster Linie auswirken: neue Industrie, neues wirtschaftliches und kulturelles Leben wird aufblühen und die alte Naturverkehrsachse Bodensee-Rheintal-Bündner Pässe neu beleben.

In der weitern sogenannten Stammzone, die sich für eine Anzahl Güter bis weit in den Kanton Graubünden hinein erstreckt und die, für industrielle Entwicklung geeigneten Talschaften Churer Eheintal, Prättigau, Albulatal, Domleschg und Oberland umfasst, machen sich ebenfalls noch Frachtverbilligungen bemerkbar, die es einer Industrie erlauben, hier FUSS zu fassen und deren Bestand und Entwicklung erleichtern.

Wenn dann der Bund ausserdem dem Kanton Graubünden seine weitern vordringlichen Verkehrsprobleme in einer Art zu lösen hilft, wie er dies gegenüber andern Kantonen längst getan hat, so wird Graubünden nicht nur einen Teil seiner frühern, der Gotthardbahn und der Mitte geopferten Verkehrsgunst wieder gewinnen, sondern" auch auf dem Steuersektor vom Hochgebirge in ein gemässigteres Klima absteigen können, so dass er sich durch eine aufblühende Volkswirtschaft eher selber helfen und mit besserer Zuversicht in die Zukunft blicken kann.

Aber nicht nur die Entwicklung günstiger Verkehrsmittel ist zurückgeblieben. Auch der Ausbau der Wasserkräfte kam in Rückstand. Trotzdem der Kanton mehr als ein Viertel aller nutzbaren Wasserkräfte der Schweiz besitzt, ist die Energieproduktion in Graubünden erst auf einen Neuntel derjenigen des ganzen Landes angestiegen. Von den zahlreichen Kraftwerken der Bundesbahn steht keines in Graubünden.

Das einzige grössere Industrieunternehmen im Kanton, das Holzverzuckerungs- und Grilonwerk Domat/Ems, das die bündnerischen Rohstoffe Elektrizität, Holz
und Wasser verarbeitet und während des Krieges zur Sicherung eines kleinern Teils des Treibstoffbedarfes der Schweiz erstellt wurde, kämpft, trotz der unbestreitbaren Qualität seiner Produkte, schwer unter der Ungunst des Standorts. Diese ist noch vermehrt worden durch die unlängst erfolgte Erhöhung der Gütertarife der Bundesbahnen.

Mit Eröffnung der Gotthardbahn ist Graubünden offenkundig in eine üble Verkehrsgunst geraten. Wenn schon, nach den Untersuchungen der Landesplanung (Gutachten S. 116/117), das weit vorgeschobene Bonaduz dieselbe unbefriedigende Verkehrsgunst auf weist wie Dörfer im Goms (Oberwallis), was

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soll man dann noch vom ganzen übrigen Kanton erwarten? Wie in unserm entlegensten Bergtal Calanca schon allgemein, beginnt sich auch im übrigen Kanton in Bahn- und Verkehrsfragen eine lähmende Mutlosigkeit breit zu machen.

Nach vorstehenden Darlegungen der frühern, gegenwärtigen Stellung des Kantons Graubünden zu den hauptsächlichsten Verkehrsproblemen des Landes und besonders zur Hochrheinschiffahrt Basel-Bodensee erlauben wir uns noch einige Ausführungen im Anschluss an das Studium der uns zugestellten umfassenden wertvollen volkswirtschaftlichen Unterlagen des Eidgenössischen Amtes für Wasserwirtschaft und der Vereinigung für Landesplanung.

6. Die Voraussetzungen für eine industrielle Entwicklung im Kanton Graubünden erscheinen als gegeben nach Hebung der seit Eröffnung der Gotthardbahn schlecht gewordenen Verkehrsgunst.

Graubünden ist praktisch nicht industrialisiert. Es ist ein grosses, wirtschaftlich ganz einseitig gestaltetes Gebiet. Neben der Landwirtschaft und dem Verkehr sind von entscheidender Bedeutung nur die saisonbegrenzten und krisenempfindlichen Sparten des Gastgewerbes und des Baugewerbes.

Auf einem Sechstel der Fläche der Schweiz umfasst der Kanton 1/35 der Bewohner des Landes. Die Zahl der Fabrikarbeiter (wovon der grösste Teil noch im Gewerbe tätig ist) beträgt jedoch im Jahr 1950 erst Yios derjenigen der Schweiz.

Die zurückgebliebene Entwicklung dokumentiert sich aber auch in der Bevölkerungsbewegung. In den Jahren 1941-1950 weisen von 221 Gemeinden des Kantons 103 eine Abnahme der Bevölkerung auf. Trotz des Anwachsens grösserer Kurorte ist die Bevölkerung Graubündens von 1910-1950 nur um 17 Prozent gestiegen. Weitere Kantone der Ostschweiz sind fast stabil geblieben oder haben sogar an Bevölkerung abgenommen, während im gleichen Zeitraum die Kantone Zürich 54 Prozent, Solothurn 46 Prozent, Baselland 41 Prozent und Aargau 81 Prozent zugenommen haben.

Die Arbeitsreserven im Kanton Graubünden werden zu 5000 Personen bewertet (Gutachten Landesplanung S. 177). Graubünden hätte im Churer Eheintal, Prättigau, Albulatal, Domleschg und Oberland günstige IndustrieStandorte. Es fehlt aber das stimulierende Mittel für die Weiterentwicklung: die gute bis befriedigende Verkehrsgunst.

7. Die Zentral- und Westschweiz haben durch die Erstellung der Gotthardund Simplonlinien ihre grossen
Transitbahnen samt leistungsfähigen Zufahrten und der Rheinschiffahrt unter Aufwendung gewaltiger Summen an Bundesgeldern erhalten. Bei dieser Sachlage darf auch die Ostschweiz eine vermehrte Berücksichtigung erwarten. Bei vollem Verständnis für die Lage der SBB dürfen wir doch darauf hinweisen, dass die Hochrheinschiffahrt, welche etwa in 12 bis 15 Jahren den Bodensee erreichen kann, eine allgemeine Verkehrszunahme in der Ostschweiz zur Folge haben wird, welche die errechneten Ver-

665 luste der Bahnen kompensieren und anderseits der Ostschweiz die dringend notwendige Belebung von Handel und Industrie bringen wird.

Abschliessend geben wir der bestimmten Hoffnung Ausdruck, dass .die gerechten Forderungen der Ostschweiz im Sinne der Gleichbehandlung aller Landesteile erfüllt werden.

Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Bundesrat, den Ausdruck unserer ausgezeichneten Hochachtung.

21. Juli 1953.

Namens des Kleinen Rates, Der Präsident : Tenchio

Der Kanzleidirektor i. V. : Bargetzi

666 Beilage 11

Der Regierungsrat des Kantons Aargau an das Eidg. Post- und Eisenbahndepartement Bern

A a r au, den 4. Juli 1953 Schiffbarmachung der Rheinstrecke Basel-Bodensee Herr Bundesrat!

Mit Schreiben vom 4. April 1950 hatten Sie uns von den in den Eidgenössischen Bäten eingereichten Postulaten betreffend die Schiffbarmachung des Rheins von Basel bis zum Bodensee Kenntnis gegeben und uns aufgefordert, Ihnen unsere Stellungnahme zur Hochrheinschiffahrt mitzuteilen.

Im gleichen Schreiben wurde auch auf den in Aussicht stehenden Neubau des Kraftwerkes Eheinfelden hingewiesen und die Frage aufgeworfen, ob die Schiffahrtsanlagen beim Bau des Werkes gleich mit erstellt werden sollen.

Nachdem uns im Laufe des Jahres 1952 in verschiedenen Teillieferungen der Bericht des Amtes für Wasserwirtschaft und Mitte Januar 1953,das Gutachten des Zentralbüros für Landesplanung zugestellt worden waren, ersuchten Sie uns erneut, Ihnen unsere Stellungnahme zur Hochrheinschiffahrt bekanntzugeben. Insbesondere erwarten Sie auch eine Äusserung zu folgenden Fragen: 1. Beurteilung der Ergebnisse des vom Zentralbüro für Landesplanung erstatteten Gutachtens.

2. a. Steht die voraussichtliche Belastung des Kantons mit Leistungen für die Hochrheinschiffahrt in einem tragbaren Verhältnis zu den zu erwartenden Vorteilen?

b. Ist die Regierung zu gegebener Zeit bereit, dem Grossen Rat und dem Volk die Übernahme des auf den Kanton entfallenden Kostenanteils zu beantragen ? .

3. Wie stellt man sich zur Auffassung, dass die Initiative zur Aufnahme der Verhandlungen mit Deutschland auf keinen Fall von der Schweiz auszugehen habe ?

Wir haben es vorläufig nicht für opportun erachtet, die Frage des Ausbaues der Schiffahrtsstrasse Basel-Bodensee im Grossen Rate zur Sprache zu bringen.

Die nachfolgende Beantwortung Ihrer Anfrage ist lediglich eine Meinungsäusserung des Regierungsrates und erfolgt unter dem ausdrücklichen Vorbehalt einer späteren Stellungnahme des Grossen Rates.

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Wir glauben, dass die Kheinschiffahrt von Basel bis zum Bodensee früher oder später kommen wird. Wir halten sie im Interesse des Kantons, insbesondere des aargauischen Bheintals, für erstrebenswert und sind der Ansicht, dass der Kanton Aargau an ihrer Verwirklichung mithelfen muss. Anderseits scheint uns der Ausbau nicht so dringend und unaufschieblich zu sein, dass die Verhandlungen mit Deutschland unverzüglich aufgenommen werden müssen.

Unsere im ganzen positive Stellungnahme gründet sich auf folgende Überlegungen : a. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Hochrheinschiffahrt dürfen nach den vorliegenden Gutachten zuversichtlich beurteilt werden. Die Eigenwirtschaftlichkeit der Wasserstrasse ist mit einem Überschuss der Frachtersparnisse über die Wasserwegkosten von 5-6 Millionen Franken pro Jahr gegeben, und der vom Eidgenössischen Amt für Wasserwirtschaft errechnete theoretische verkehrswirtschaftliche Mehraufwand würde durch eine intensivere Industrialisierung der Ostschweiz und des Eheintals wohl bald auf gewogen.

b. Das aargauische Eheintal ist durch die politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen der beiden Weltkriege schwer benachteiligt worden. Es erwartet von der Schiffahrt einen erheblichen Aufschwung, und nach den verschiedenen Gutachten ist auch begründete Aussicht vorhanden, dass das neue Verkehrsmittel befruchtend auf die Wirtschaft wirken wird. Der Kanton Aargau darf seinen Bheinbezirken diese Möglichkeit einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung nicht durch Ablehnung der Hochrheinschifffahrt vorenthalten.

c. Auch die Ostschweiz fordert den Ausbau der Hochrheinschiffahrt, weil sie sich davon eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse verspricht.

Der Kanton Aargau wird seinen Miteidgenossen in der Ostschweiz seine Hilfe in dieser Sache wohl nicht versagen.

d. Die Schweiz ist Deutschland gegenüber durch den Vertrag von 1929 verpflichtet, zur Verwirklichung der Hochrheinschiffahrt Hand zu bieten.

Im Interesse der allgemeinen Eechtssicherheit und eines guten Verhältnisses zum nördlichen Nachbarstaat müssen wir für eine loyale Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen eintreten.

Mit Bezug auf die Schiffahrtsanlagen beim neuen Kraftwerk Eheinfelden sind wir der Meinung, dass anlässlich der Erstellung neuer Kraftwerke keine einzelnen Schleusen finanziert und gebaut
werden sollen, solange sich die Schweiz nicht grundsätzlich zum Ausbau der ganzen Wasserstrasse BaselBodensee bekannt hat.

Die Spezialfrage l dürfte durch die obigen Ausführungen hinreichend beantwortet sein.

Zur Spezialfrage 2 ist zu bemerken, dass über die Verteilung des schweizerischen Kostenanteils auf den Bund und die einzelnen Kantone bis jetzt noch keine Angaben gemacht und keine Verhandlungen geführt worden sind. Nach

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den Ergebnissen der vorliegenden Gutachten sollte es aber, wenn der Bund einen angemessenen Beitrag leistet, möglich sein, die einzelnen Kantone so zu belasten, dass ihre Aufwendungen den erzielbaren Vorteilen entsprechen. Bei der Verteilung muss berücksichtigt werden, dass als direkt interessiertes Gebiet im Kanton Aargau nur die drei Kheinbezirke Zurzach, Laufenburg und Eheinfelden mit einer Gesamteinwohnerzabl von ca. 50 000 in Frage kommen. Für · das übrige Kantonsgebiet bietet die Hochrheinschiffahrt keine ins Gewicht fallenden Vorteile.

Wir sind bereit, dem Grossen Bat zur gegebenen Zeit eine befürwortende Vorlage über die Schiffbarmachung des Hochrheins zu unterbreiten. Stimmt der Grosse Eat zu, so müssen die erforderlichen Kredite durch eine Volksabstimmung bewilligt werden. Bei dieser Sachlage sind wir zurzeit nicht in der Lage, verbindliche Zusicherungen über die finanzielle Beteiligung des Kantons abzugeben. Im übrigen steht die Höhe der zu erwartenden Belastung noch nicht fest. Abgesehen davon, dass über die Verteilung der Kosten für die Schiffbarmachung des Hochrheins noch zu verhandeln ist, sind für die öffentliche Hand zusätzliche Aufwendungen aus der Erstellung und dem Betrieb der Hafenanlagen zu erwarten. Auch hierüber fehlen zurzeit noch genügend sichere Unterlagen, da vorerst die Standortsfrage für die Hafenanlagen abgeklärt werden muss.

In der Spezialfrage 3 sind wir mit Ihnen der Meinung, dass die Initiative für die Aufnahme der Verhandlungen mit Deutschland nicht von der Schweiz ausgehen soll. Wenn sich die Eidgenössischen Bäte bei der Behandlung der Hochrheinschiffahrt ablehnend verhalten, so kommt eine schweizerische Initiative schon gar nicht in Frage. Zeitigen die Verhandlungen aber ein für die Hochrheinschiffahrt günstiges Ergebnis, so ist das seitens der Schweiz eine so gewichtige Kundgebung, dass es dann erst recht Sache Deutschlands wäre, den nächsten Schritt zu tun.

Wir hoffen, Ihre Anfrage mit-, den obigen Ausführungen ausreichend beantwortet zu haben und möchten Ihnen zum Schluss noch für die Zurverfügungstellung der sehr umfassenden und sorgfältig bearbeiteten Unterlagen unseren verbindlichen Dank aussprechen.

Genehmigen Sie, sehr geehrter Herr Bundesrat, die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

Im Namen des Aargauischen Begierungsrates, Der Landammann: Dr. E. Bachmann Der Staatsschreiber: Dr. W. Heuberger

669 Beilage 12

Der Regierungsrat des Kantons Thurgau an das Eidgenössische Wasserwirtschaftsamt in Bern Betrifft Sohiffbarmaohung des Hochrheins Ihrer Einladung zur Vernehmlassung folgend, gestatten wir uns, im Nachstehenden die Ansicht des thurgauischen Eegierungsrates zur Präge der Schif f barmachung des Hochrheins im allgemeinen, zu den Untersuchungen Ihres Amtes und dem Gutachten der Landesplanung im besonderen zu unterbreiten. Wir beschränken uns dabei auf einige Punkte, ohne uns in irgendwelche Details einzulassen.

1. Kostentragung Wir halten es für verfrüht, sich heute schon über diese Frage zu unterhalten und sich irgendwie festzulegen. Einmal wissen wir, dass in den nächsten Jahren mit einer Verwirklichung der Schiffahrtsstrasse Basel-Bodensee noch nicht zu rechnen ist. Bis die nötigen und heute noch fehlenden Kraftwerke am Hochrhein erbaut sein werden, wird es vermutlich noch mindestens zirka zehn Jahre dauern. Erst dann kann an die Verwirklichung praktisch herangetreten werden.

Wie sich bis dann die Baukosten entwickeln werden, liegt heute noch vollständig im Ungewissen. Ausserdem fehlt zurzeit jeder bestimmte Anhaltspunkt für die internationale Verteilung der Kosten der Wasserstrasse zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz. Bevor diese Verteilung festgelegt ist, hat es keinen Sinn, sich schon heute über die Verteilung der Kosten zwischen Bund und Kantonen und unter den Kantonen selber zu unterhalten, oder gar zu streiten. Wir betrachten im übrigen die Schaffung der Wasserstrasse Basel-Bodensee als ein öffentliches Werk im Sinne von Artikel 23 der Bundesverfassung, das der Bund zu schaffen bzw. zu fördern hat. Über den Anteil des Bundes wird man seinerzeit reden müssen, wenn die Kosten für die Schweiz als Ganzes feststehen. Man wird dabei auf die Bedeutung des Werkes für eine grosse Begion und damit für einen bedeutenden Teil der Gesamtschweiz einerseits und andererseits auf die Bundesbeteiligung bei ähnlichen oder vergleichbaren grossen Werken abstellen müssen, die vom Bund bzw. mit seiner Hilfe anderswo errichtet worden sind, und die eine ähnliche direkte Bedeutung für einen grossen Teil des Landes, indirekt aber auch für die ganze Schweiz hatten.

2. Kraftwerk Rheinau Es hegt auch noch ein anderer Grund vor, der es ratsam erscheinen lässt, nicht heute schon definitive Beschlüsse fassen zu wollen. Die ganze Frage der Hochrheinschiffahrt ist heute belastet durch das Problem des Baues des KraftBundesblatt. 108. Jahrg. Bd. I.

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werkes Kheinau. Es spielen von dort her Imponderabilien hinein, die eine objektive und sachliche Beurteilung, vor allem in der öffentlichen Meinung, stark erschweren, ja fast verunmöglichen. Da mit Bestimmtheit gerechnet werden darf, dass Eheinau gebaut wird, scheint es uns empfehlenswert, die Fertigstellung dieses Baues einmal abzuwarten. Wir sind überzeugt, dass, wenn die Auswirkungen dieses Baues von jedermann eingesehen werden können und man konstatieren wird, dass die Gegner des Kraftwerkbaues masslos übertrieben haben, eine Ernüchterung eintreten wird, die auch dem Schiffabrtsgedanken zugute kommt, jedenfalls aber ein psychologisches Hindernis weitgehend ausgeschaltet sein wird.

3. Der Staatsvertrag mit Deutschland Zur rechtlichen Seite, d. h. vor allem zur Würdigung von Artikel 6 des Staatsvertrages mit Deutschland wollen wir uns nicht weiter äussern. Das ist in erster Linie eine Sache der Landesregierung. Wir glauben aber, dass der Schweiz aus diesem Vertrag bestimmte Verpflichtungen erwachsen, denen sie sich nicht entziehen darf, sobald die in Artikel 6 selbst festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Auch dazu heute abschliessend Stellung nehmen zu wollen, erscheint uns verfrüht. Bis in 8-10 Jahren können sich die Verhältnisse ganz wesentlich ändern; man wird von den dannzumaligen Verhältnissen auszugehen haben, nicht von denjenigen von heute, die dann schon Vergangenheit sein werden. Wir halten indessen dafür, dass man, ohne willkürlich zu sein, sich schon heute auf den Standpunkt stellen kann, diese Voraussetzungen seien erfüllt. Wir möchten aber, wie bereits erwähnt, der Landesregierung in diesem Punkte nicht vorgreifen.

4. Die technische Seite Materiell halten wir dafür, dass durch alle, in Jahren und Jahrzehnten geleisteten Vorarbeiten, insbesondere durch das Eidgenössische Amt für Wasserwirtschaft, aber auch durch den Nordostschweizerischen Verband für Schiffahrt Basel-Bodensee und andere Organisationen und Institutionen, die mit der Schiff fahrtsstrasse zusammenhängenden Fragen technisch weitgehend abgeklärt sind ; jedenfalls mehr als irgendein anderes Schiffahrtsprojekt, das die Schweiz berührt. Wir haben zur technischen Seite daher keine Bemerkungen zu machen; wir schliessen uns den Ansichten und Schlussfolgerungen des Eidgenössischen Amtes für Wasserwirtschaft in dieser
Beziehung an.

5. Untersuchungen des Eidgenössischen Amtes für Wasseriuirtschaft Wir erblicken in dieser Untersuchung, dem gesammelten Material und ihrem Ergebnis eine äusserst wertvolle, objektive und gut fundierte Studie über den ganzen Fragenkomplex. Aus derselben geht mit aller wünschenswerten Deutlichkeit hervor, dass die Schiffahrt Basel-Bodensee, gemessen am Aufwand für die Wasserstrasse und an den Frachtersparnissen, für die Schweiz rechnungsmässig eigenwirtschaftlich ist. Dem gut gerechneten jährlichen Aufwand für die

671 Wasserstrasse im Betrage von rund 8% Millionen würde eine Frachtersparnis von rund 10 Millionen gegenüberstehen. Selbst wenn man, was vermutlich der Fall sein wird, den Kostenanteil der Schweiz etwas höher als 25 Prozent wird ansetzen müssen, bleibt immer noch ein sehr namhafter Überschuss zugunsten der Wasserstrasse. Auch wenn der schweizerische Kostenanteil mit 40 Prozent eingesetzt würde, was offensichtlich übersetzt wäre, würde die jährliche Frachtersparnis den jährlichen Aufwand für die Wasserstrasse noch mit rund 4J/Z Millionen übersteigen. Wenn in der Untersuchung festgestellt wird, dass für die thurgauische Volkswirtschaft die direkte Frachteinsparung im Jahr 1,89 Millionen ausmacht, so ist das immerhin eine beträchtliche Summe, die wir nicht gering anschlagen, auch wenn es auf die einzelnen Betriebe kaum eine entscheidende Wirkung ausübt und auf deren Produktenpreise keinen bedeutenden Einfluss haben wird. Bei der knappen Kalkulation, mit der heute und insbesondere wieder einmal in Krisenzeiten gerechnet werden muss, darf aber doch angenommen werden, dass auch dieser prozentual geringe Unterschied eine Eolle im Sinne einer Konkurrenzverbesserung wird spielen können. Ein solcher Urnstand wird beitragen, die Verkehrsungunst unserer ostschweizerischen und auch thurgauischen Industrie zu verbessern.

Einen Vorbehalt gegenüber den Berechnungen des Eidgenössischen Amtes für Wasserwirtschaft haben wir indessen doch anzubringen. Es betrifft dies die Einnahmenverminderung der SBB, verursacht durch die Abwanderung des angenommenen Verkehrs von der Schiene auf den Wasserweg. Die Berechnung des Eidgenössischen Amtes für Wasserwirtschaft ist im allgemeinen sehr vorsichtig, ja pessimistisch für die Wasserstrasse angenommen. Sie könnte in manchen Punkten, ohne den Boden der Sachlichkeit und Objektivität zu verlassen, auch günstiger angenommen werden. Wir wollen darüber indessen hinweggeben. Dagegen scheint es uns nun doch, dass die Gleichsetzung des Nettoausfalles bei den SBB gleich dem Bruttoausfall zu weit geht. Wir können selbstverständlich die angeführte Berechnung der SBB nicht korrigieren, da uns dazu die Kompetenz und die nötige Einsicht in die Unterlagen fehlen. Aber wir möchten doch nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass dem gesunden Menschenverstand nicht einleuchten will, dass bei
Wegfall dieser Transporte der ganze Ausfall sich auswirke, ohne dass auch nur der geringste Abzug durch Einsparungen zur Auswirkung gelange. Dass von den Häfen der Ostschweiz aus noch ein gewisser Mehrverkehr für die SBB eintreten wird und in einem späteren Zeitpunkt diese Ausfälle teilweise bei der erhofften und wahrscheinlichen Entwicklung der Kegion vielleicht sogar ganz kompensiert werden können, ist jedenfalls gar nicht berücksichtigt, obschon dies unseres Erachtens als sicher angenommen werden kann.

Grundsätzlich stehen wir auch auf dem Standpunkt, dass man einem neuen Verkehrsmittel nicht alles das belasten darf, was es einem bisherigen alten Verkehrsmittel allenfalls wegnimmt. So hat man bisher unseres Wissens nie gerechnet, weder bei der Eisenbahn, als sie den Postkutschenverkehr zu konkurrenzieren begann und schliesslich verdrängte, noch beim Luftverkehr, der nun

672 den Bahnen ebenfalls hochwertigen Verkehr wegnimmt. Wollte man jedes neue Verkehrsmittel mit allen Ausfällen der bestehenden belasten, so hiesse das jeden Fortschritt auf diesem Gebiet unterbinden. Man darf doch mit einer gewissen Entwicklung und damit mit einem Anwachsen des Verkehrs rechnen, was die rein theoretischen Berechnungen weitgehend korrigieren wird. So sehr wir Verständnis für die heute nicht rosige Lage der SBB haben, so halten wir doch dafür, dass ihr Standpunkt zu eng und zu pessimistisch ist, und dass er bei der Beurteilung der Frage der Wasserstrasse zwar mitberücksichtigt werden muss, aber doch nicht einseitig entscheidend sein darf.

6. Gutachten der Schioeizerischen Landesplanung Das Gutachten der Landesplanung bewegt sich auf einem Boden, wo nicht mehr genaue Berechnung, sondern meist nur Schätzung möglich ist. Trotzdem ist es eine sehr gut fundierte Arbeit, deren Feststellungen und Schlussfolgerungen kaum anzufechten sind. Was über die Charakterisierung der ostschweizerischen Kantone gesagt wird, ihre Benachteiligung und ihr Zurückbleiben in der allgemeinen Entwicklung seit rund 30 Jahren, ist zutreffend. Wir wollen dabei zugeben, dass der Kanton Thurgau sich vom erwähnten Strukturwandel der ostschweizerischen Wirtschaft besser erholt hat, als etwa St. Gallen und Appenzell. Dass auch bei uns aber von einem Eückstand und einer Benachteiligung gegenüber den verkehrsmässig besser gelegenen Landesgegenden gesprochen werden muss, ist Tatsache und geht aus den Zahlen des Gutachtens einwandfrei hervor. Wir glauben und sind überzeugt davon, dass durch die Schaffung der Wasserstrasse diese ungünstigen Verhältnisse weitgehend im Laufe der Jahre behoben würden.

Wir billigen die Auffassung des Gutachtens, dass durch eine solche Wasserstrasse eine bessere Standortverteilung der Industrie möglich würde, und dass dies vom allgemeinen Landesinteresse aus wünschbar, jedenfalls einer weiteren Zusammenballung in den Eegionen von Basel und Zürich vorzuziehen sei. Das Gutachten geht von einem gesunden, aber durchaus zu rechtfertigenden Optimismus in bezug auf die Entwicklung der Kegion Ostschweiz aus. In der Tat haben unsere Bevölkerung und vor allem Industriellenkreise der Ostschweiz immer wieder gezeigt, dass sie gewillt und fähig sind, gegebene Möglichkeiten auszunützen. Die Schaffung der
Wasserstrasse würde ihnen eine solche Möglichkeit zu weiterer Entfaltung bieten.

7. Allgemeines Auf einen Punkt möchten wir doch noch besonders hinweisen, der nicht übersehen und vergessen werden darf. Der Ostschweiz und damit auch unserem Kanton oder jedenfalls dem grösseren Teil desselben ist seinerzeit, gesetzlich festgelegt bis auf den heutigen Tag, das Versprechen einer Ostalpenbahn gegeben worden. Es sollte damit der Verkehrsungunst dieser Landesgegend Entgegenkommen gezeigt werden. Wir wissen, dass heute und in absehbarer Zeit (so wie die Dinge heute liegen, vielleicht für immer) von einer Verwirklichung

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dieses Postulates nicht die Kede sein, kann. Die Schaffung der Wasserstrasse Basel-Bodensee wäre geeignet, auf anderem, heute vielleicht besserem, auf jedenfalls vordringlicheremWege einen Ersatz zu bieten. Grundsätzlich möchten wir betonen, dass wir nicht ohne einen Ersatz auf jene Zusicherungen verzichten möchten.

Schliesslich gestatten wir uns, ganz allgemein darauf hinzuweisen, dass sowohl in West- und Mitteleuropa als auch im Osten und in Übersee der Gedanke der Binnenschiffahrt und die Verwirklichung grosser Binnenschiffahrtspläne in den letzten Jahren grosse Portschritte gemacht hat. Diese internationale Feststellung darf auch von der Schweiz nicht einfach ignoriert werden. Der Ehein bis Basel ist heute eine mächtige internationale Wasserstrasse geworden. Die Fortsetzung, derselben an den Bodensee mit späteren Anschlussmöglichkeiten zur Donau ist ein Problem von europäischer Bedeutung, bei dessen Lösung wir nicht einfach beiseite stehen dürfen.

8. Schlussfolgerungen Wir stehen aus all diesen Überlegungen zum Projekt der Schaffung einer Wasserstrasse von Basel zum Bodensee; wir halten die Verwirklichung dieses Projektes in nicht allzuferner Zukunft für möglich und auch nötig, sowohl im Interesse der Ostschweiz als auch des ganzen Landes. Wir sind aber damit einverstanden, dass entscheidende Beschlüsse heute noch nicht gefasst werden sollen. Die Untersuchungen, die jetzt angestellt worden sind und deren Ergebnisse werden in einigen Jahren, vermehrt um die bis dahin gemachten weiteren Erfahrungen und gestützt auf den bis dahin erfolgten Ausbau der weiteren Staustufen erlauben, endgültig Stellung zu nehmen, wenn auch die beiden andern beteiligten Länder es dannzumal wünschen.

Genehmigen Sie die Versicherung der ausgezeichneten Hochachtung.

F r a u e n f e l d , den 4.August 1953.

Der Vizepräsident des Eegierungsrates, Both Der Staatsschreiber: Fisch

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Frage der Schiffbarmachung des Hochrheins (Vom 2. März 1956)

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1956

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

08.03.1956

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