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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über den Beitritt der Schweiz zu einem Protokoll betreffend Mohnanbau und Opium (Vom 1. Mai 1956)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen zu beantragen, das Protokoll vom 28. Juni 1958 zur Beschränkung und Eegelung des Mohnanbaus, der Erzeugung und Verwendung von Opium sowie des internationalen Handels und des Grosshandels damit zu genehmigen und den Bundesrat zu dessen Eatifikation zu ermächtigen.

I. Einleitung Im Laufe der Zeit ist ein System von sich ergänzenden internationalen Abkommen über den Verkehr mit Betäubungsmitteln entstanden, deren Ziel darin besteht, die Verwendung solcher Stoffe auf den wissenschaftlichen und medizinischen Bedarf zu beschränken. Durch Bewilligungs- und Kontrollvorschriften sowie durch Anpassung der Erzeugung an den legalen Bedarf sollen die Betäubungsmittel dem illegalen Handel und den Süchtigen entzogen werden.

Die Massnahmen zur quantitativen Einschränkung der Produktion, die in den früheren von der Schweiz ratifizierten Verträgen verlangt werden, beziehen sich vorwiegend auf Fertigfabrikate, teilweise auch auf umwandelbare Halbfabrikate, nicht aber auf die Rohstoffe Opium, Cocablätter oder indischer Hanf. Insbesondere sieht die unter der Bezeichnung «Opium-Abkommen» 1912 im Haag abgeschlossene Konvention, die damals als bedeutender Fortschritt bezeichnet wurde, nicht so sehr Massnahmen zur Verminderung des Mohnanbaues, als vielmehr ein Überwachungs- und Kontrollsystem für die Erzeugung und den Vertrieb des Opiums vor. Dem Anbau von Schlafmohn und der Ge-

967 winnung des Opiums wurde jedoch keine mengenmässige Grenze gesetzt, und das über den wissenschaftlichen und medizinischen Bedarf hinaus gewonnene Opium ging in den illegalen Handel und die illegale Verarbeitung. Auch enthalten die bestehenden Verträge kein striktes Verbot der Verwendung von Rohopium für andere als medizinische Zwecke, noch machen sie den Vertragschliessenden darüber strenge und zeitlich fixierte Auflagen. Das 1925 in Genf abgeschlossene Abkommen verpflichtet die Vertragschliessenden in bezug auf Eohopium nur zum Erlass von Gesetzen und Vorschriften zur Sicherung «einer wirksamen Kontrolle». Das Abkommen aus dem Jahr 1981 sodann, das als grundsätzliche Neuerung die Vorausschätzungen des nächstfolgenden Jahresbedarfes brachte, konzentriert sich bezeichnenderweise ebenfalls auf MorphinDerivate und Kokain und verlangt keine Bedarfsmeldung für Eohopium. Aus Gründen, die sowohl wirtschaftlicher als politischer Natur sein mögen, ist es somit bis in die neueste Zeit nicht gelungen, der zugegebenermassen hohen Opium-Überproduktion zu steuern. Diese Lücke im internationalen Vertragssystem soll nunmehr geschlossen werden. Sie bildete Gegenstand einer durch die Vereinigten Nationen im Jahr 1958 einberufenen internationalen Konferenz, an welcher das vorliegende, als Protokoll bezeichnete Abkommen beschlossen und zur Unterzeichnung und Eatifikation aufgelegt wurde. Die Unterzeichnung haben bis heute 36 Staaten, worunter die Schweiz, die Eatifikation 15 Staaten vorgenommen.

u. Inhalt des Opium-Protokolls 1953 Definition: Das Protokoll verwendet zahlreiche Begriffe, die in früheren Abkommen bereits definiert worden sind. Neu und für uns von einiger Bedeutung ist in diesem Zusammenhang lediglich die Umschreibung der «Erzeugung» als «Mohnanbau zum Zwecke der Opiumgewinnung» (Art. 1).

Erzeugung, Handel und Verwendung: Die Vertragspartner sind verpflichtet, die Verwendung von Opium auf medizinische und wissenschaftliche Zwecke zu beschränken (Art. 2). Die Erzeugerstaaten haben die Mohnkulturen vermittels Anbaulizenzen zu überwachen und die Anbaufläche vorzuschreiben.

Sie sorgen, sofern dies nicht bereits erfolgt ist, für die Errichtung eines staatlichen Opiummonopols (Art. 3). Ferner sollen die notwendigen gesetzlichen oder andere Bestimmungen erlassen werden, um die Opiumgewinnung aus Mohnkulturen
anderer Zweckbestimmungen zu verhindern. Die Extraktion von Alkaloiden aus Mohnstroh soll überwacht und den internationalen Betäubungsmittelorganen jährlich über die Ein- und Ausfuhr von Mohnstroh Bericht erstattet werden (Art.4).

In der Schweiz ist bis anhin noch kein Opium erzeugt worden, noch besteht Aussicht, dass jemals Mohnpflanzungen zur Opiumgewinnung verwendet werden. Der Mohnanbau ist in unserm Land von untergeordneter Bedeutung imd wird nur von einigen Liebhabern von Mohnöl zur Selbstversorgung betrieben. Nach der letzten Anbaustatistik aus dem Jahr 1950 bedeckte der zur

968 Ölgewinnung angebaute Mohn damals eine Fläche von nur 44 ha oder weniger als 0,2 Promille der gesamten Ackerbaufläche und fällt somit nicht ins Gewicht.

Überdies schliessen unsere klimatischen Verhältnisse, namentlich die Eegenhäufigkeit, die hohe Luftfeuchtigkeit und Frostgefahr eine Opiumgewinnung im weitaus grössten Teil unseres Landes vollständig aus. Zudem ist die Opiumerzeugung sehr arbeitsintensiv und kommt nur in Frage, wenn grosse Anbauflächen bewirtschaftet werden. Eine illegale Opiumerzeugung ist in unseren kleinen Verhältnissen aus den genannten Gründen als undenkbar zu bezeichnen. Wenn das Opiumprotokoll 1953 den Erlass von Bestimmungen verlangt, die nötig sind, um die Gewinnung von Opium aus Mohnkulturen anderer Zweckbestimmungen zu verhindern, so geht aus obigen Darlegungen hervor, dass ein Mohnanbau, der zur Opiumerzeugung dienen könnte, in der Schweiz praktisch nicht vorhanden ist und somit diesbezügliche Erlasse auch gar nicht notwendig sind. Abgesehen davon wäre die Gewinnung von Opium als Herstellung eines Betäubungsmittels zu betrachten und somit der durch das Betäubungsmittelgesetz vorgeschriebenen Bewilligungspflicht unterstellt (Art.4 BMG).

Sollte in einem spätem Zeitpunkt der Mohnanbau in der Schweiz grösseren Umfang annehmen und, entgegen der heutigen Auffassung, die Möglichkeit bestehen, auch bei uns aus Mohn Opium zu gewinnen, so wäre alsdann, um dem Protokoll formell Genüge zu leisten, eine Eegelung zu treffen, welche eine solche Verwendung des schweizerischen Mohnes ausschliesst, da das heute in Kraft stehende Betäubungsmittelgesetz zwar die Opiumproduktion unter Kontrolle zu stellen erlaubt, jedoch kein Produktionsverbot vorsieht.

Die Überwachung des Mohnstrohs als mögliches Ausgangsmaterial für die Morphingewinnung ist durch die geltenden Bestimmungen im einzelnen gewährleistet (Art. 2, Abs. l, lit. A, Ziff. 2, BMG). Die als weitgehend zu bezeichnende Vorschrift des Protokolls von 1953 über eine Meldepflicht für die Ein- und Ausfuhr von Mohnstroh jeglicher Zweckbestimmung kann von uns mit der Zollstatistik erfüllt werden.

Die Beschränkung der Opiumvorräte stellt neben der Anbaulizenz in den Erzeugerstaaten ein weiteres Mittel des Protokolls dar, um die Verwendung von Opium auf den medizinischen und wissenschaftlichen Bedarf zu er-, zwingen (Art.5). Die
Lagervorräte sollen sich in folgenden Grenzen bewegen:1 Zy2 Jahresvorräte für Opium-Produktions- oder Exportländer 2 » » alkaloidverarbeitende Länder 5 » » alle andern Länder.

Was den internationalen Opiumhandel anbelangt, verpflichten sich die Vertragsstaaten, ihren Opiumbedarf nur noch aus folgenden Erzeugerstaaten zu decken, sofern diese dem Abkommen beigetreten sind : Bulgarien, Griechenland, Indien, Iran, Jugoslawien, Türkei, UESS. Die Opiumeinfuhr aus Staaten, die dem Protokoll nicht angehören, ist untersagt (Art.6).

969 Die Beschränkung des Opiumlagers auf einen Zweijahresvorrat und die Einschränkung der Bezugsmöglichkeit können von den schweizerischen Verarbeitern hingenommen werden, indem die genannten Erzeuger bereits zu ihren bisherigen Lieferanten gehören und kein Bedürfnis nach grösseren Eohstofflagern vorhanden ist.

Berichterstattung zuhanden der internationalen Opiumbehörden. Die Mitgliedstaaten haben Schätzungen über die im folgenden Jahr mutmasslich benötigte Opiummenge, die Erzeuger ferner über die mutmassliche Anbaufläche und den zu erwartenden Ertrag abzugeben. Au£ Jahresende ist eine Statistik über den Verbrauch, die Vorräte und die Opiumerzeugung abzugeben (Art. 8 und 9). Der internationale Überwachungsausschuss ist berechtigt, nähere Auskünfte über die erhaltenen Bedarfsschätzungen zu verlangen. Ausserdem ist gemäss Artikel 10 des Protokolls u. a. ein Jahresbericht über die Durchführung des Protokolls an den Generalsekretär der Vereinigten Nationen zu richten. Was die Pflicht zur Vorausschätzung, Bestandesmeldung und jährlichen Berichterstattung anbelangt, so ist das Eidgenössische Gesundheitsamt auf Grund des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel ohne weiteres in der Lage, die verlangten Angaben zu liefern (Art. 32 des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel und Art. 19 der eidgenössischen Vollziehungsverordnung vom 4. März 1952).

Ü b e r w a c h u n g und D u r c h f ü h r u n g : Die Kompetenz des durch Artikel 19 der Konvention von 1925 geschaffenen ständigen Zentralkomitees wird insofern erweitert, als es von den Mitgliedstaaten nunmehr auch Auskünfte und Erklärungen über die Durchführung der mit dem neuen Protokoll von 1953 übernommenen Verpflichtungen verlangen kann; es kann die Staaten ferner auf Mißstände aufmerksam machen, ihnen Abhilfemassnahmen vorschlagen und mit Zustimmung der betreffenden Eegierung an Ort und Stelle sogar Erhebungen durchführen (Art. 11). Wird die Durchführung des Protokolls durch das Verhalten eines Signatarstaates gefährdet, so kann das Zentralkomitee darüber öffentliche Erklärungen erlassen. In schwerwiegenden Fällen ist es berechtigt, eine Sperre zu empfehlen, anzudrohen und schliesslich auch zu verhängen; das betroffene Land hat die Möglichkeit, gegen den getroffenen Entscheid Berufung einzulegen (Art. 12).

Schlussbestimmungen: Die Zuständigkeit des
internationalen Gerichtshofes für Differenzen im Zusammenhang mit dem Protokoll von 1953 wird von den Vertragsstaaten anerkannt (Art. 15). Das Abkommen wird nach Eatifikation durch 25 Staaten in Kraft treten, unter denen sich mindestens drei Erzeugerstaaten und drei der nachfolgend genannten verarbeitenden Länder befinden müssen: Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, .Niederlande, Schweiz, Vereinigtes Königreich von Grossbritannien und Nordirland, Vereinigte Staaten von Amerika (Art. 17, 21). In Staaten, die eine entsprechende Erklärung abgeben, sind die Erzeugung, Ein- und Ausfuhr und die Verwendung von Opium zu quasi-medizinischen Zwecken (als Laienheilmittel)

970 noch für die Dauer von höchstens 15 Jahren gestattet. Durch eine analoge Erklärung können die Vertragsstaaten das Opiumrauchen über 21 Jahre alten Personen weiterhin gestatten, sofern sie vor dem 30. September 1953 registriert wurden und das Opiumrauchen im betreffenden Land am I.Januar 1950 noch erlaubt war (Art. 19). Jeder Vertragsstaat kann jederzeit die Eevision des Protokolls beantragen (Art. 22) und dieses 5 Jahre nach Inkrafttreten kündigen (Art. 23).

lu. Resolutionen Das Protokoll ist von einer Anzahl Eesolutionen begleitet, die zwar dem eigentlichen Vertragstext vorausgeschickt, jedoch nur im Zusammenhang mit diesem zu verstehen sind. Ihrem Inhalt und Charakter nach stellen sie Empfehlungen und Vorschläge an den Wirtschafts- und Sozialrat (I, XIV, XVII), an das ständige Zentralkomitee (V, VIII) und an die Vertragsstaaten (XII, XV) sowie authentische Interpretationen von fachteehnischen Wendungen (II, III, VI) und Protokollbestimmungen (IV, IX, X) dar.

Beispielsweise erläutert die Eesolution XI den Begriff der «quasi-medizinischen» Verwendung von Opium als Verwendung zur Schmerzbekämpfung ohne Mitwirkung eines Arztes oder erklärt Eesolution IV, dass der zu Dekorationszwecken angebaute Mohn der in Artikel 4 des Protokolls verlangten generellen Kontrolle des Mohnanbaues nicht unterliegen soll usw. Die genannten Eesolutionen geben Zeugnis von den Schwierigkeiten, denen die Konferenz bei der Kodifizierung der komplizierten Materie begegnet ist. Für unsere schweizerischen Verhältnisse sind sie jedoch von keiner unmittelbaren Bedeutung.

IV. Zusammenfassung Die Zustimmung zum vorliegenden Protokoll schafft weder für unsere Betäubungsmittelgesetzgebung, noch für die verarbeitende Industrie eine neue Lage. Das Hauptgewicht des Protokolls liegt auf der Beschränkung des Mohnanbaues und nicht auf der Verarbeitung, an der unsere Alkaloidfabrikanten vor allem interessiert sind. Die geforderten Kontrollen, soweit sie unser Land überhaupt betreffen, können auf Grund des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel vom 3. Oktober 1951 ohne weiteres durchgeführt werden. Die traditionellen Opiumlieferanten unseres Landes befinden sich ohnehin unter den im Protokoll als alleinige Opiumexportländer bezeichneten Staaten. Die Voraussetzungen zur Übernahme der Verpflichtungen des Protokolls durch die Schweiz
sind somit gegeben. Schliesslich ist in Erwägung zu ziehen, dass in der vorliegenden Eegelung ein entscheidender Schritt zur Beseitigung des illegalen Opiumkonsums gesehen wird und der Beitritt zum Protokoll einem Akt menschlicher Solidarität entspricht. Der Vertreter unseres Landes an der internationalen Opiumkonferenz von 1958 in New York, der diese zugleich präsidierte, war damals durch den Bundesrat zur Unterzeichnung des Protokolls ermächtigt worden.

971 Das Protokoll vom 23. Juni 1953 kann gemäss seinem Artikel 23 von jedem Vertragsstaat nach Ablauf von 5 Jahren nach seinem Inkrafttreten durch Hinterlegen einer entsprechenden schriftlichen Mitteilung beim Generalsekretär der Vereinigten Nationen auf I.Januar des darauffolgenden Jahres wirksam gekündigt werden. Es stellt daher keinen langfristigen Staatsvertrag im Sinne von Artikel 89; Ziffer 3, BV dar. Der Bundesbeschluss über den Beitritt der Schweiz zum Protokoll vom 23. Juni 1953 zur Beschränkung und Eegelung des Mohnanbaus, der Erzeugung und Verwendung von Opium sowie des internationalen Handels und des Grosshandels damit, dessen Entwurf wir Ihnen in der Beilage unterbreiten, ist daher dem Referendum nicht unterstellt.

Wir haben die Ehre, Ihnen aus den hier dargelegten Erwägungen den mitfolgenden Beschlussesentwurf zur Annahme zu empfehlen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 1. Mai 1956.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Feldmann Der Bundeskanzler: Ch. Oser

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