1089 # S T #

2 1

Bundesblatt 108. Jahrgang

. Bern, den 24. Mai 1956

Band I

Erscheint wöchentlich. Preis SO Franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr 60 Kappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli & Cie, in Bern

# S T #

715

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zu einem Bundesbeschluss über die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel 22bis über den Zivilschutz (Vom 15. Mai 1956) Herr Präsident !

Hochgeachtete Herren !

Wir beehren uns, Ihnen den Entwurf zu einem Bundesbeschluss vorzulegen, durch den eine besondere Verfassungsgrundlage für den Zivilschutz geschaffen werden soll.

I.

Wer an die Kriegserfahrungen zurückdenkt und ernsthaft die Entwicklung der Kriegstechnik verfolgt, kann nicht im Zweifel darüber sein, dass ein Krieg nicht mehr nur eine Angelegenheit der Armee, sondern eine solche des ganzen Volkes darstellt. Daraus ergibt sich neben der Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Kriegsvorsorge und einer besonderen kriegswirtschaftlichen Organisation für den Ernstfall besonders auch das Gebot, schon in Friedenszeiten die geeigneten Organisationen aufzubauen und Massnahmen zu treffen, um rechtzeitig den Folgen kriegerischer Einwirkungen auf die schweizerische Bevölkerung und ihre Güter entgegentreten zu können, soweit dies die Aufgaben und die Mittel der Armee übersteigt. Armee und Zivilbevölkerung sind Teile ·eines Ganzen, beide aufeinander angewiesen und voneinander abhängig.

Es ist an der Zeit, dem Zivilschutz den Erfahrungen und den neuen Auffassungen entsprechende Rechtsgrundlagen zu geben. Längerer Erörterungen über die Notwendigkeit eines Zivilschutzes bedarf es heute wohl nicht mehr. Seit geraumer Zeit wird denn auch bereits an der neuen Gesetzgebung gearbeitet.

Am 22. November 1955 haben wir das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement ermächtigt, seinen Vorentwurf zu einem Bundesgesetz über den Bundesblatt. 108. Jahrg. Bd. I.

78

1090 Zivilschutz den Kantonsregierungen und den Verbänden, die sich dafür interessierten, zur Vernehmlassung zu übermitteln. Im Anschluss an eine mündliche Orientierung wurde dieser Vorentwurf auch der Presse zur Verfügung gestellt.

Der Vorentwurf des genannten Departementes beruft sich im Ingress auf Artikel 85, Ziffern 6 und 7 BV, und daneben für die Strafbestimmungen auf Artikel 64^.

Nachdem die Kantonsregierungen und die Verbände ihre Stellungnahmen eingereicht haben, lassen sich ihre Äusserungen in vier Gruppen einteilen : 1. Zu der V e r f a s s u n g s g r u n d l a g e haben sich überhaupt nicht geäussert: a. die 17 Kantone Zürich, Luzern, Uri, Nidwaiden, Zug, Freiburg, Solothurn, Basel-Landschaft, Schaffhausen, Appenzell A.-Eh. und Appenzell I.-Eh.,.

St.Gallen, Graubünden, Tessin, Wallis, Neuenburg und Genf; b. folgende Verbände : der Bund schweizerischer Frauenvereine, der Schweizerische Gemeinnützige Frauenverein, der Verband schweizerischer Krankenanstalten (VESKA), das Generalsekretariat schweizerischer Ärzteorganisationen, die Vereinigung für Eechtsstaat und Individualrechte sowie das Schweizerische Bote Kreuz.

Von den politischen Parteien hatte sich einzig die Sozialdemokratische Partei der Schweiz für den Entwurf interessiert; sie verzichtete dann aber auf eine Vernehmlassung und erklärte, die Stellungnahme ihrer Fraktion der Bundesversammlung überlassen zu wollen.

2. Die V e r f a s s u n g s g r u n d l a g e haben ausdrücklich als genügend bezeichnet : die Kantone Obwalden und Glarus.

Auch die Eidgenössische Luftschutzkommission (ELK) hatte seinerzeit die Verfassungsgrundlage als genügend erachtet. Dem Protokoll über die Sitzung vom 20. Januar 1955 ist zu entnehmen (S. 2/8) : «Frage der Verfassungsgrundlage.

Nach ausführlichem Meinungsaustausch über den Sachverhalt und Kenntnisnahme des Standpunktes der Vertreterinnen der Frauenorganisationen erklärt die Kommission einhellig, dass die im Gesetzesentwurf angerufenen rechtlichen Grundlagen, angesichts der Verhältnisse, als genügend betrachtet werden können.» 8. Die V e r f a s s u n g s g r u n d l a g e wird zwar als genügend bezeichnet, j e d o c h bemerkt, dass' eine spezielle Verfassungsbestimmung erwünscht oder begrüsst worden wäre: In diesem Sinne äusserten sich die Kantone Bern, Aargau und Thurgau sowie der Städteverband
und der Verband Schweizerischer Elektrizitätswerke.

Der 'Schweizerische Bund für Zivilschutz wirft die Frage auf, ob nicht gleichzeitig ein Verfassungsartikel vorzulegen sei.

1091 4. Die Verfassungsgrundlage fehlt, und muss durch Ergänzung der Bundesverfassung erst noch g e s c h a f f e n w e r d e n : Diese Meinung vertreten: a. die Kantone Schwyz, Basel-Stadt und Waadt; b. der Delegierte o für wirtschaftliche Landesverteidigung, Direktor Dr.

F.Hummler; c. der Schweizerische katholische Frauenbund (SKF), der Staatsbürgerliche Verband katholischer Schweizerinnen (STAKA) sowie das Aktionskomitee für ein Zürcher Friedensparlament.

Zu a. Der Eegierungsrat Basel-Stadt erklärt, es halte «neueren staatsrechtlichen Anschauungen» nicht stand, wenn auf Artikel 85 BV abgestellt werde.

Er meldet ferner, dass die «politische Arbeitsgemeinschaft von Basler Frauenorganisationen» mit einer Eingabe an ihn gelangt ist, in der sie die Verfassungsmässigkeit des Gesetzes, soweit es die Frauen betrifft, ebenfalls bezweifelt.

Der Staatsrat des Kantons Waadt hat sich besonders eingehend mit der Materie befasst. Er holte bei Prof. Marcel Bridel von der Universität Lausanne ein Eechtsgutachten ein, das zum Schlüsse kommt, eine Bechtsgrundlage für das Zivilschutzgesetz könne in Artikel 85, Ziffern 6 und 7, nicht erblickt werden, dagegen sei in Artikel 20, Absatz l BV (« Die Gesetzgebung über das Heerwesen ist Sache des Bundes ... ») eine genügende Basis gegeben. Wenn sich die Eegierung des Kantons Waadt zwar im allgemeinen dem Gutachten anschliesst (jedenfalls soweit es die im Vorentwurf angerufene Verfassungsgrundlage ablehnt), so hat sie doch Bedenken, in Artikel 20, Absatz l eine umfassende Bestimmung über die gesamte Landesverteidigung zu erblicken, und kommt zum Schlüsse, dass ein neuer Verfassungsartikel geschaffen werden sollte, der die Bedenken beseitigen würde.

Zu b. Der Delegierte für wirtschaftliche Landesverteidigung weist darauf hin, dass man ursprünglich das Kriegsvorsorgegesetz auf Artikel 85 BV habe stützen wollen, doch hätten sich mehrere Eechtslehrer dagegen ausgesprochen, so Giacometti, Hans Huber, Marti, Scherrer-Basel, weshalb man Artikel 85 als Eechtsgrundlage habe fallen lassen. Sodann führt der Delegierte aus: «Das Argument zeitlicher Dringlichkeit, das vermutlich gegen die nötige Partialrévision der BV ins Feld geführt würde, ist nicht stichhaltig, denn in der Zeit, in welcher am Entwurf zum Zivilschutzgesetz gearbeitet wurde und wird, wäre die Verfassungsrevision
längst unter Dach gebracht, umso mehr, als sie kaum auf ernsthaften Widerstand stossen dürfte».

Zu c. Was die Meinungsäusserungen der beiden katholischen Frauenverbände anbetrifft, möchten wir vorerst auf die Erklärung verweisen, welche die Vertreterin des Schweizerischen katholischen Frauenbundes in der ELK in dieser Kommission am 20. Januar 1955 im Anschluss an die Diskussion über die Verfassungsgrundlage (vgl. Ziff. 2 hievor) abgegeben hat; Frau Dr. Hildegard Bürgin-Kreis, Basel, erklärte laut Protokoll der Eidgenössischen Luftschutzkommission (Seite 3):

1092 «Man wäre ruhiger, wenn eine Verfassungsbestimmung bestünde, wonach der Bund kompetent ist, auf dem gesamten Gebiet des Zivilschutzes zu legiferieren. Weil aber eine Gesetzgebung jetzt nötig ist, möchte ich trotz meiner schweren Bedenken keine Opposition machen. Ich anerkenne, dass wir uns hier in einer Art Staatsnotstand befinden und deshalb Artikel 85, Ziffern 6 und 7, der Bundesverfassung in die Lücke springen lassen. Aber es wäre besser, wenn diese Lücke ausgefüllt würde. Das gilt besonders für Artikel 8 des Vorentwurfes bezüglich der Schutzdienstpflicht der Frauen.» Später legte Frau Bürgin in einer Abhandlung «Um die Verfassungsgrundlage einer Zivilschutzgesetzgebung des Bundes» (Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung, 56. Jahrgang = 1955, Nr. 18/14, S. 281 ff.

und Nr. 16, S. 345 ff.) dar, dass eine Verfassungsgrundlage erst noch geschaffen werden müsse. Sowohl der Schweizerische katholische Frauenbund wie der Staatsbürgerliche Verband katholischer Schweizerinnen berufen sich auf diese Stellungnahme. Es wird von beiden Verbänden in Erwägung gezogen, ob sich der Zivilschutz auf die Militärartikel der Verfassung stützen könnte ; beide Verbände verneinen die Frage, der Staatsbürgerliche Verband katholischer Schweizerinnen auch mit der Begründung, dienstpflichtig sei nur jeder Schweizer, nicht aber jede Schweizerin.

II.

Es sei hier auch noch darauf verwiesen, wie sich die Presse zur Verfassungsfrage stellt.

Nur eine vereinzelte Stimme äusserte sich positiv, die darauf hinwies, man dürfe nicht einfach mit den Militärartikeln vergleichen, weil das Heerwesen früher Sache der Kantone gewesen sei und daher auf den Bund habe übertragen werden müssen.

Einige Zeitungsartikel bezeichnen die Rechtsgrundlage für ein Zivilschutzgesetz als fehlend, als völlig unzureichend oder als sehr fragwürdig. Andere Presseartikel bezeichnen die Berufung auf Artikel 85 BV als bedenklich und bemerken, dass der Zeitaufwand sich lohnen dürfte, eine Verfassungsgrundlage zu schaffen. Diese kritischen Stimmen verteilen sich gleichmässig auf alle Landesteile.

III.

Wir halten fest, dass der Bundesrat keineswegs von seiner Auffassung abgehen möchte, wonach Artikel 85, Ziffern 6 und 7, der Bundesverfassung eine genügende Eechtsgrundlage zum Erlass eines Zivilschutzgesetzes bilden. Wenn wir Omen
heute dennoch den Entwurf zu einem speziellen Verfassungsartikel unterbreiten, so geschieht dies aus den nachstehenden Überlegungen.

Der gleiche Wortlaut einer Verfassungsbestimmung vermag selbstverständlich nicht bald eine materielle Kompetenzgrundlage zum Erlass von Gesetzen zu bilden, bald nur organisatorische Bedeutung zu besitzen, je nachdem etwa auch die politische Lage beurteilt wird. Wenn wir in Artikel 85 BV eine genügende Verfassungsgrundlage erblicken, um gestützt darauf ein Zivilschutzgesetz zu

1093 erlassen, so können wir uns dabei nicht nur auf Burckhardt berufen, der in seinem Kommentar (Seite 678) erklärt, auf alle Fälle sei in Ziffer 6 des Artikels 85 eine materielle Kompetenz zu erblicken. Wir stützen uns vor allem auf die ständige Praxis der Bundesversammlung, die in einer Reihe allgemeinverbindlicher Erlasse Artikel 85, Ziffer 6 BV, als materielle Grundlage betrachtet, und auf Grund dieser Bestimmung nicht nur Bundesbeschlüsse, sondern auch Bundesgesetze erlassen hat. Zu erwähnen sind: 1. der Bundesbeschluss vom 29. September 1984 betreffend den passiven Luftschutz der Zivilbevölkerung (ES 5, 443); 2. der Bundesbeschluss vom 18. März 1987 betreffend die Festungsgebiete (BS5, 563); 3. das Bundesgesetz vom I.April 1938 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern (B S 10, 799; heute ersetzt durch das Bundesgesetz vom 80. September 1955 über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge, AS 1956, 85, das sich nun auf die Wirtschaftsartikel stützen konnte) ; 4. das Bundesgesetz vom 23. Juni 1950 über den Schutz militärischer Anlagen, das neben Artikel 85, Ziffer 6, auch Artikel 20 B V anruft (AS 1950, II, 1474) ; 5. der Bundesbeschluss vom 21. Dezember 1950 betreffend den baulichen Luftschutz (AS 1951, 465); 6. der Bundesbeschluss vom 12. April 1951 über das Eüstungsprogramm (AS 1951, 868), welcher Ziffer 6 des Artikels 85 BV neben Ziffer 2 des nämlichen Artikels und neben Artikel 20 anruft.

7. Auch der Bundesbeschluss vom 28.März 1952 über den Einbau von Luftschutzräumen in bestehenden Häusern (BB11952, I, 681), der dann in der Volksabstimmung vom 5. Oktober 1952 verworfen wurde, stützte sich aui Artikel 85, Ziffern 6 und 7 BV.

An und für sich besteht somit kein Grund, von der Auffassung abzuweichen, dass in Artikel 85 eine genügende Verfassungsgrundlage zum Erlass eines Zivilschutzgesetzes erblickt werden kann. Angesichts des Umstandes, dass von ernsthafter Seite verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht werden, empfiehlt es sich nun aber doch, für die Massnahmen zum Schütze der Bevölkerung vor den Folgen kriegerischer Einwirkungen eine spezielle Verfassungsgrundlage zu schaffen und damit allen Befürwortern des Zivilschutzes entgegenzukommen, die gegenüber dem Erlass eines Gesetzes verfassungsrechtliche Bedenken hegen.

Dazu kommt weiter, dass der Zivilschutz
neben Armee und wirtschaftlicher Kriegsvorsorge nicht nur für heute, sondern dauernd einen der drei Hauptpfeiler unserer Landesverteidigung bilden wird. Darum lässt es sich rechtfertigen, neben den sogenannten Militärartikeln der Verfassung (Art. 18 u. ff.) und neben der ausdrücklichen Verankerung der Kompetenz des Bundes zum Erlass vorsorglicher wirtschaftlicher Massnahmen für Kriegszeiten (Art. 81bls, Abs. 3, lit. e) auch die Zuständigkeit des Bundes auf dem Gebiet des Zivilschutzes durch einen speziellen Verfassungsartikel festzulegen.

1094 Auf diese Weise wird namentlich auch jenen Einwänden die Grundlage entzogen, die trotz der Möglichkeit des fakultativen Referendums gegenüber dem Gesetz behaupten, die Bundesbehörden möchten, weil sie eine Befragung des Volkes befürchten, die obligatorische Abstimmung des Volkes und der Stände über einen Verfassungsartikel vermeiden. Der Bundesrat setzt Vertrauen in die gesunde Urteilskraft der Stimmberechtigten und in ihren festen Willen, auch zu dieser Form der Landesverteidigung zu stehen.

IV.

Nachdem wir aus diesen Erwägungen zum Schlüsse kommen, Ihnen eine Ergänzung der Bundesverfassung vorzuschlagen, fragt sich, wo die neue Bestimmung eingereiht werden und sodann, welchen Inhalt sie haben soll.

a. Was zunächst die Einreihung anbetrifft, erachten wir es als gegeben, dem Zivilschutzartikel seinen Platz im Anschluss an die Militärartikel anzuweisen. Wir schlagen Ihnen deshalb vor, die neue Bestimmung als Artikel 22Ws in die Verfassung einzufügen.

b. Hinsichtlich des Inhaltes scheint es uns angezeigt, vorerst einmal festzulegen, was unter Zivilschutz zu verstehen ist. Wohl hat sich der Ausdruck «Zivilschutz» seit der Überführung der früheren blauen Luftschutztruppen in die Armee rasch eingebürgert. Es fehlt indessen bis heute eine Legaldefinition. Es gilt hier, insbesondere eine Abgrenzung gegenüber den militärischen Massnahmen, die für unsere Landesverteidigung und in diesem Sinne auch für die Zivilbevölkerung getroffen werden, vorzunehmen, indem ausdrücklich erklärt wird, dass es hier um diejenigen Massnahmen geht, die von den zivilen Behörden zu treffen sind. Der Bundesrat hat sich gefragt, ob die Massnahmen zum Schütze der Kunstsammlungen ausdrücklich erwähnt werden sollten. Dies erscheint jedoch nicht als notwendig, nachdem vom Schutz und von der Betreuung nicht nur der Bevölkerung, sondern allgemein auch ihrer Güter gesprochen wird. Zu diesen Gütern gehören ohne weiteres auch die Kulturgüter jeglicher Art, nicht nur die Güter des täglichen Bedarfes.

Um nicht später dein Vorwurfe ausgesetzt zu werden, die Gesetzesvorlage gehe über die Verfassungsgrundlage hinaus, rechtfertigt es sich überdies, bereits im Verfassungsartikel nicht nur von den kriegerischen Einwirkungen zu sprechen, die verhütet oder doch gemildert werden sollen, sondern auch von den Katastrophen (Lawinen, Hochwasser). Es wäre doch unvernünftig, Organisationen zu schaffen und ihre Angehörigen zur Hilfeleistung auszubilden, dagegen auf ihren Einsatz in der Not nur darum zu verzichten, weil diese Not nicht Folge eines kriegerischen Ereignisses ist und trotzdem die ordentlichen Hilfskräfte, wie Feuerwehr und Samariter, nicht ausreichen, um rasch und wirksam erste Hilfe zu bringen. In diesem Sinne soll dem Bunde die Kompetenz ausdrücklich gegeben werden, ein Gesetz zu erlassen.

Zweitens muss bestimmt werden, dass der Bund mit den Kantonen zusammenarbeiten wird. Um die erforderliche Koordination zwischen Armee, Zivil-

1095

o

schütz und wirtschaftlicher Landesverteidigung zu gewährleisten, muss die Oberaufsicht dem Bunde vorbehalten werden.

Drittens erscheint als gegeben, bereits in der Verfassung vorzusehen, dass der Bund Beiträge leisten wird an die obligatorisch erklärten, aber auch an freiwillig durchgeführte Massnahmen (z. B. freiwillig errichtete Schutzräume).

Da häufig damit argumentiert wird, der Zivilschutz bringe eine dem Militärdienst analoge Pflicht des Einzelnen, sich nötigenfalls sogar mit seinem Leben einzusetzen, und zu der Festsetzung der (heute schon umstrittenen) Altersgrenzen wolle man etwas zu sagen haben, ist eine weitere Garantie zugunsten der Stimmberechtigten zu schaffen; dies kann geschehen durch eine Bestimmung, dass die Schutzdienstpflicht nur in einem Bundesgesetz oder in einem allgemeinverbindlichen Bundesbeschluss, d.h. in Erlassen, für die auf alle Fälle eine Eeferendumsmöglichkeit besteht, festgelegt werden kann und nicht etwa einer bundesrätlichen Verordnung zu regeln überlassen werden darf.

Es wird Sache des Gesetzgebers sein, darüber zu beschliessen, ob die Frauen ausschliesslich als Freiwillige beigezogen oder zu gewissen Diensten (z. B. Hauswehr) verpflichtet werden sollen. Wir möchten davon absehen, hierüber schon in der Verfassungsbestimmung etwas festzulegen. Dass der Gesetzgeber die Frauen gegebenenfalls verpflichten kann, braucht nicht ausdrücklich gesagt zu werden. Diese Kompetenz ist ihm gegeben, wenn die Gesetzgebung über den Zivilschutz zur Bundessache erklärt wird ; die Frage, in welcher Weise von dieser Zuständigkeit Gebrauch gemacht werden soll, bleibt offen und ist dann im Gesetz zu ordnen.

V.

Wir glauben annehmen zu dürfen, dass die Beratungen über einen Verfassungsartikel kaum allzu lange Zeit in Anspruch nehmen werden. Nach der Genehmigung der Vorlage durch die beiden Eäte läuft keine Eeferendumsfrist, sondern die obligatorische Abstimmung des Volkes und der Stände kann ungesäumt anberaumt werden. Inzwischen werden die Arbeiten an einem Bundesgesetz über den Zivilschutz nicht etwa eingestellt, sondern weitergeführt.

Wir empfehlen Ihnen den entworfenen Bundesbeschluss zur Annahme und versichern Sie, Herr Präsident, sehr geehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 15.Mai 1956.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Feldmann Der Bundeskanzler: Ch. Oser

1096 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel 22bis über den Zivilschutz

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung der Artikel 84, 85, Ziffer 14, und Artikel 118 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 15. Mai 1956, beschliesst: I.

Die Bundesverfassung wird durch folgende Bestimmung ergänzt : Artikel 22TM* Die Gesetzgebung über den Zivilschutz ist Bundessache. Der Zivilschutz umfasst den Schutz und die Betreuung der Bevölkerung und deren Güter durch zivile Massnahmen, die geeignet sind, die Auswirkungen von kriegerischen Ereignissen zu verhindern oder zu mildern. Die Zivilschutzorganisationen können auch zur ersten Hilfeleistung bei Katastrophen beigezogen werden.

2 Der Bund trifft diese Massnahmen nach Anhörung der Kantone, denen der Vollzug unter der Oberaufsicht des Bundes zu übertragen ist.

3 Das Gesetz bestimmt die Beiträge des Bundes an die Kosten obligatorischer Massnahmen; es kann auch Beiträge an die Kosten freiwilliger Massnahmen vorsehen.

4 Die Schutzdienstpflicht darf nur durch ein Bundesgesetz oder durch einen Bundesbeschluss geordnet werden, für welchen die Volksabstimmung verlangt werden kann.

1

II.

Dieser Beschluss wird der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreitet.

2 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug beauftragt.

1

2549

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zu einem Bundesbeschluss über die Ergänzung der Bundesverfassung durch einen Artikel 22bis über den Zivilschutz (Vom 15.

Mai 1956)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1956

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

21

Cahier Numero Geschäftsnummer

7152

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

24.05.1956

Date Data Seite

1089-1096

Page Pagina Ref. No

10 039 411

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.