765

# S T #

7086

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die weitere Finanzierung der Stickerei-TreuhandGenossenschaft (Vom 16. März 1956)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren !

Wir beehren uns, Ihnen mit folgender Botschaft den Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die weitere Finanzierung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft in St. Gallen zu unterbreiten.

1. Einleitung Die eidgenössischen Bäte haben sich im Zeitraum der letzten zehn Jahre zweimal mit der Stickerei-Treuhand-Genossenschaf t zu befassen gehabt, einmal, als es galt, dieser den Charakter einer Genossenschaft des öffentlichen Eechts zu verleihen (Bundesbeschluss vom 26.März 1947 über die Organisation der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft, BS 10, 501), das andere Mal im Zusammenhang mit der Beschaffung der von ihr benötigten weiteren Mittel (Bundesbeschluss vom 19. Dezember 1951 über die Finanzierung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft, AS 1952, 439). In den Botschaften, mit denen wir Ihnen' damals die Beschlussentwürfe unterbreiteten (BB1 1946, III, 1269 und 1951, III, 99), haben wir uns über Zweck, Organisation und Entwicklungsgeschichte der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft eingehend geäussert. Wir können deshalb auf das dort Gesagte verweisen und davon absehen, auf die mehr allgemeinen und historischen Gesichtspunkte neuerdings im einzelnen einzutreten.

Als es in den zwanziger und dreissiger Jahren vor allem darum ging, der kritischen Lage der Stickereiindustrie durch einen einschneidenden Abbau des Maschinenparkes entgegenzutreten, benötigte die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft erhebliche Mittel, um diese Sanierungsaktion durchzuführen - Mittel, Bundesblatt. 108. Jahrg. Bd. I.

53

766 die unter den damaligen Verhältnissen zur Hauptsache der Bund bereitstellen musste (Bundessubvention 10,9 Mil. Fr., Beiträge der beteiligten Kantone 98 550 Fr.). Mit dem wirtschaftlichen Wiederaufblühen der Stickereiindustrie nach Kriegsende nahm jedoch die Tätigkeit der Genossenschaft andere Gestalt an. Die Krisenmassnahmen traten zurück; eine Eeihe von Aufgaben ständiger Art nahm die Genossenschaft nunmehr vor allem in Anspruch, so die Verwaltung des Solidaritätsfonds der schweizerischen Schifflistickerei und des Hilfsfonds für die Handmaschinenstickerei, die vermittelnde Tätigkeit bei den Tarifverhandlungen zwischen Stickerei-Exporteuren und -Fabrikanten und die Kontrolle über die Einhaltung der Tarife und sonstigen Vereinbarungen. Auch die Fragen, die sich auf die Förderung des Nachwuchses und die Mithilfe bei der Erhaltung und Erneuerung des Produktionsapparates bezogen, beschäftigten die Genossenschaft nachhaltig. Mit dieser Verschiebung der hauptsächlichen Aufgaben nahm aber auch der Finanzhaushalt der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft einen wesentlich anderen Charakter an. Die Notwendigkeit, Mittel für Sanierungs- und Unterstützungszwecke aufzuwenden, fiel fast gänzlich dahin, da sich die Stickereiindustrie seit dem Herbst 1950 ständig einer sehr guten Beschäftigung erfreute, und der finanzielle Bedarf der Stickerei-TreuhandGenossenschaft beschränkte sich nunmehr auf eine bescheidene Summe, welche die Genossenschaft zur Hauptsache benötigte, um ihre Organisation aufrecht zu erhalten und ihre Aufgaben als Treuhand-, Verwaltungs- und Kontrollstelle durchführen zu können. Damit war der Zeitpunkt gekommen, den Bund als Geldgeber der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft wesentlich zu entlasten. Die Stickereiindustrie selber war in der Lage, ihren Teil zu leisten für den Fortbestand der Genossenschaft und die Weiterführung ihres Werkes, und auch die unmittelbar beteiligten Kantone erklärten sich bereit, angemessene Beiträge zu diesem Zwecke zu bewilligen.

2. Der Bundesbeschluss vom 19. Dezember 1951 So lagen die Verhältnisse, als der Bundesbeschluss vom 19. Dezember 1951 die Finanzierung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft neu regelte. Danach erhielt die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft für die Zeitspanne 1952 bis 1956 vom Bund, den Kantonen St. Gallen, Appenzell A.-Eh. und Thurgau und von
der Stickereiindustrie Beiträge von zusammen 150 000 Franken jährlich. Je nach dem Beschäftigungsgrad der vorhandenen Schifflistickmaschinen hatte die Industrie 75 000, 60 000 oder 50 000 Franken zu entrichten, während die Differenz, zwischen dieser Leistung und der Summe von 150 000 Franken zu gleichen Teilen vom Bund und der Gesamtheit der beteiligten Kantone zu bestreiten war. Für weitere Einzelheiten sei auf den Bundesbeschluss verwiesen.

Entsprechend ihrer guten Beschäftigungslage hatte die Stickereiindustrie alljährlich das Maximum ihres Beitrages, d. h. 75 000 Franken, zu erbringen.

Bund und Kantone blieben somit noch mit dem Eestbetrag von zusammen ebenfalls 75 000 Franken jährlich, d. h. mit je 87 500 Franken, belastet.

767

In den Jahren 1952 bis 1955 beliefen sich die Einnahmen der StickereiTreuhand-Genossenschaft im Jahresdurchschnitt auf 170 000 Pranken, die Ausgaben auf 156 000 Franken, die Mehreinnahmen somit auf 14 000 Franken.

Die Einnahmen setzten sich zusammen aus den Beiträgen von Bund, Kantonen und Industrie; dazu kamen Eingänge aus Vermögenszinsen sowie aus dem Erlös von eingelagerten Maschinen und Maschinenbestandteilen. Der zuletzt genannte Einnahmeposten hat Jahr für Jahr abgenommen und wird für die Zukunft so gut wie dahinfallen, da die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft über keine Lagerbestände von Belang mehr verfügt. Die Kosten für das Büro der StickereiTreuhand-Genossenschaft, für die Verwaltung der Solidaritätsfonds und des Handmaschinenfonds sowie für den Kontrollapparat beanspruchten in den letzten Jahren rund 150 000 Franken jährlich, wurden also ungefähr durch die Beiträge von Industrie und öffentlicher Hand gedeckt. Die «übrigen statutarischen Ausgaben» (Förderung des Nachwuchses, Beiträge für Eeparaturen von Handstickmaschinen) fallen daneben mit einem Jahresdurchschnitt von knapp 10 000 Franken nur leicht ins Gewicht. Der 1951 aufgestellte Finanzierungsplan, der die Beiträge von Bund, Kantonen und Industrie auf 150 000 Franken festsetzte und im übrigen mit gewissen bescheidenen Einnahmen aus Zinsen sowie Verkäufen aus dem Reservelager für Maschinen und Maschinenbestandteile rechnete, hat sich somit als den Verhältnissen angemessen erwiesen und es der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft gestattet, ihr bedeutsames Werk im Dienste der Stickereiindustrie erfolgreich fortzusetzen.

3. Die heutige Lage und die Neugestaltung des Bundesbeschlusses Da die Geltungsdauer der jetzigen Eegelung Ende dieses Jahres abläuft, steht die Frage der künftigen Finanzierung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft erneut zur Behandlung. Ein zeitlicher Anlass also ist hiefür massgebend, kein sachlicher Grund. Gegenüber 1951 geht es um keine neue Problemstellung.

Die Notwendigkeit, die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft aufrecht zu erhalten, ist dieselbe wie damals und wird allerseits anerkannt. Die Eolle, welche die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft als Ordnungsfaktor für den Arbeitsfrieden der Stickereiindustrie spielt, das Interesse, das ausser der Industrie selber die Allgemeinheit an dieser über den Parteien
stehenden Fachorganisation besitzt und das im öffentlich-rechtlichen Charakter der Genossenschaft zum Ausdruck kommt - all dies braucht nicht erneut erörtert zu werden. Auch der Finanzbedarf hat sich gegenüber 1951 kaum verändert; nur wird auch mit bescheidenen Mehreinnahmen nicht mehr zu rechnen sein, da der Verkauf von Lagerbeständen, wie schon gesagt, nunmehr dahinfällt. Die allgemeinen Voraussetzungen sind somit so sehr dieselben geblieben, dass nicht nur die Stickereiverbände, welche die Träger der industriellen Beitragsleistung sind (Vereinigung schweizerischer Stickerei-Exporteure und Verband schweizerischer SchiffliStickerei-Fabrikanten), sondern auch ein Teil der Kantone, vor allem der hauptbeteiligte Kanton St. Gallen, sich zunächst entschieden für eine einfache Fort-

768

Setzung der geltenden Ordnung und somit für eine unveränderte Beibehaltung des bisherigen Beitragsschlüssels eingesetzt haben.

Demgegenüber glaubten wir, obwohl der jetzige Bundesbeitrag an sich bescheiden ist, aus grundsätzlichen Erwägungen, der Stickereiindustrie angesichts ihrer andauernd guten Beschäftigungslage eine vermehrte Leistung zumuten zu dürfen. Auch von kantonaler Seite wurde teilweise dieselbe Auffassung vertreten, und es gelang im Verhandlungswege, schliesslich eine Einigung zu erzielen, die gegenüber der jetzigen Ordnung eine weitere finanzielle Entlastung der öffentlichen Hand bedeutet. Wir stellen die bisherige und die in Aussicht genommene Eegelung im folgenden einander gegenüber.

Beitragsleistung (in Franken) nach neuer Eegelung

nach alter Eegelung bei einer Beschäftigung der Maschinen von

Bund

85 Prozent oder mehr . . . .

unter 85 Prozent bis 75 Prozent unter 75 Prozent .

37500

37500

75000

45000 50000

45000 50000

60000 30000 30000 90000 50000 37500 37500 75000

Kantone Industrie

Bund

Kantone Industrie

18750

18750 112 500

Dies bedeutet, dass sich der Beitrag del1 Industrie in allen Positionen der Beschäftigung um 50 Prozent erhöht, während die Leistungen von Bund und Kantonen entsprechend herabgesetzt werden. Hält die gute Beschäftigung an, ' so hätte der Bund, gleich wie die beteiligten Kantone zusammen, jährlich noch 18 750 Franken zu zahlen; bei einer Beschäftigung zwischen 75 und 85 Prozent würde sich dieser Beitrag auf 30 000 Franken erhöhen und bei einer Beschäftigung von weniger als 75 Prozent auf 37 500 Franken. Darin kommt deutlich zum Ausdruck, dass die Unterstützung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaf t durch die öffentliche Hand fortan mehr moralisches als materielles Gewicht besitzt. Dass auf dieser Grundlage trotz gewissen wegen der finanziellen Mehrbelastung von den industriellen Kreisen geäusserten Bedenken eine Verständigung mit den Industrieverbänden erzielt werden konnte, darf als erfreuliches Zeichen dafür angesehen werden, wie sehr die Stickerei-Treuhand-Genossenschaft als allgemein anerkannter, notwendiger Faktor im wirtschaftlichen und sozialen Leben der Stickereiindustrie verankert ist. Auch dass der Kanton Appenzell I.-Kh. sich bereit gefunden hat, sich künftig bei der Finanzierung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft den andern drei Kantonen anzuschlies^ sen, darf in diesem Sinne gedeutet und begrüsst werden.

Es hätte vielleicht nahe gelegen, der vorgesehenen Eegelung Dauercharakter zu verleihen. Zu bedenken ist jedoch, dass dies nicht nur eine Angelegenheit des Bundes ist, und dass es kaum möglich gewesen wäre, alle Beteiligten auf unbestimmte Zeit dermassen zu binden. So ist auch für den neuen Bundesbeschluss wiederum eine Geltungsdauer von fünf Jahren vorgesehen.

769 Die Vorlage, die wir Ihnen unterbreiten, trägt den heutigen Verhältnissen Eechnung und entspricht in allen Teilen-einem Antrag, den der Kanton St. Gallen im Sinne der genannten Verständigung, zugleich im Namen der Kantone Appenzell A.-Eh., Appenzell I.-Kh. und Thurgau sowie der beteiligten Kreise der Stickereiindustrie, gestellt hat.

4. Die einzelnen Bestimmungen des Beschlussentwurfes Artikel l, Absatz 1. Hier wurde lediglich die jetzige Finanzierungsperiode «1952 bis 1956» durch die neue Periode «1957 bis 1961» ersetzt.

Artikel l, Absatz 2. Zu den drei bisher beteiligten Kantonen tritt der Kanton Appenzell I.-Eh. neu hinzu, nachdem die Zahl der in diesem Kanton laufenden Handstickmaschinen in den letzten Jahren beträchtlich zugenommen hat und zur Zeit rund 40 erreicht.

Artikel 3, Absatz 1. Durch diese Bestimmung werden die bisherigen Leistungen der Industrie für alle drei Beschäftigungsgrade um 50 Prozent erhöht.

Die übrigen Artikel bleiben unverändert, so auch Artikel 4, Absatz l, der die Beitragsleistungen von Bund und Kantonen in Gestalt einer Differenzzahlung zwischen der Gesamtsumme von 150 000 Franken und den Beiträgen der Industrie festlegt. Indem diese für sämtliche Beschäftigungsgrade um die Hälfte herabgesetzt werden, ermässigt sich der Beitrag des Bundes entsprechend auf 18 750, 30 000 und 37 500 Franken, ebenso der Gesamtbeitrag der beteiligten Kantone (siehe oben Seite 4).

Wir bitten Sie, unsern Ausführungen und dem vorgelegten Beschlussentwurf zuzustimmen, und versichern Sie, Herr Präsident, sehr geehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 16. März 1956.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Feldmann Der Bundeskanzler: Ch. Oser

770

(Entwurf)

Bundesbeschluss über

die weitere Finanzierung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 16. März 1956, beschliesst: I.

Der Bundesbeschluss vom 19.Dezember 1951 über die Finanzierung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft wird entsprechend den folgenden Bestimmungen abgeändert und in seiner Geltungsdauer verlängert :

Art. l Der Bund gewährt der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft an ihre Betriebskosten und zur Durchführung ihrer statutarischen Aufgaben für die Jahre 1957 bis 1961 einen jährlichen Beitrag.

2 Der Bundesbeitrag wird unter der Bedingung gewährt, dass die Kantone St. Gallen, Appenzell A.-Eh., Appenzell I.-Eh. und Thurgau sowie die beteiligten Kreise der Industrie ebenfalls einen jährlichen Beitrag ausrichten.

1

Art. 3, Abs. l Der jährliche Beitrag der Industrie beläuft sich auf a. 112 500 Franken bei einer Beschäftigung von 85 Prozent oder mehr, b. 90 000 Franken bei einer Beschäftigung von mindestens 75 Prozent, aber weniger als 85 Prozent, c. 75 000 Franken bei einer Beschäftigung von weniger als 75 Prozent.

II.

Dieser Beschluss ist gemäss Artikel 8 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreff end ' Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen.

2 Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Beschlusses.

1

2513

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die weitere Finanzierung der Stickerei-Treuhand-Genossenschaft (Vom 16. März 1956)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1956

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

12

Cahier Numero Geschäftsnummer

7086

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

22.03.1956

Date Data Seite

765-770

Page Pagina Ref. No

10 039 343

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.