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Bundesrathsbeschluss über

den Rekurs der Herren Traversa und Degiorgi in Lugano, betreffend Verlezung der Pressfreiheit.

(Vom 2. September 1874.)

;

Der schweizerische B u n d e s r a t h hat

in Sachen der Herren Fabrizius T r a v e r s a und Johann D e g i o r g i , Druker des in Lugano erscheinenden "Credente Cattolico", beireffend Verlegung der Pi eßfreiheit ; nach angehörtem Berichte des Justiz- und Polizeidepartements und nach Einsicht der Akten, woraus sich ergeben : L Unterm 27. Januar 1874 hat der Staatsrath des Kantons Tessin folgenden Beschluß gefaßt : ,,Nach Einsicht eines in Nummer 6 des ,,Credente Cattolicoa vom 22. d. Mts., Seite 25, erschieneneu Artikels, womit publizirt wurde, daß eine kirchliche Censur über den Priester Joseph Ghiringhelli von Bellinzona verhängt worden sei ; ,,IN Betracht, daß durch Art. 10 des kirchlich-politischen Gesezes
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,,In Betracht, daß in dem folgenden Artikel des gleichen Gesezes die Verbindlichkeit zur Einholung des Placet auch auf die Veröffentlichung von Dekreten ausgedehnt ist, die von dein römischen Stuhle ausgehen, in welcher Form immer es geschehen mag; ,,In Erwägung, daß der ,,Credente Cattolicoa, indem er zuerst die fragliche Notiz aus dem ,,Osservatore Romano"1, dem amtlichen Blatte der päpstlichen Kurie, mit denjenigen Gründen publizirte, welche die ausgefällte Censur rechtfertigen sollen, und indem er überdies seinerseits diese Censursentenz als eine authentische bestätigte und sogar noch als gerechtfertigt erklärte, in offenbarer Uebertretung der angeführten gesezlichen Bestimmungen eine kirchliche Sentenz öffentlich angekündigt,, und dieselbe als gültig und im Kantone wirksam erklärt hat; ,,In Erwägung, daß der Sinn und Geist, sowie der Inhalt und die Bedeutung des erwähnten^jG^sezes vom 24. Mai 1855, insbesondere der Artikel 10 und 11 desselben, eine klare Erläuterung finden in dem -- durch dieses· Gesez-; selbst bestätigten -- Dekret der Regierung vom 4. gleichen Monats Mai 1855, wonach behufs sorgfältiger Wahrung der Hoheitsrechte des Staates und damit denselben, weder direkt noch indirekt Eintrag gethan werden könne, eine Geldbuße von Fr. 400 bis 10,000 einem Jeden, Geistlichen oder Laien, angedroht wurde, der einem Censurdekret selbst nur m ü n d l i c h , ohne das Placet der Regierung Verbreitung verschafft; ,,In Anwendung von Art. 35 des Gesezes vom 24. Mai 1855, welcher nicht bloß die Urheber, sondern auch die Theilnehmer für die Folgen der Uebertretung verantwortlich macht und mit einer Geldbuße von Fr. 5 bis 5000 bedroht; ,,Unter Bezugnahme auf die Artikel 18 und 19 des Gesezes vom 13. Juni 1834, betreffend die Preßfreiheit, ,,wird b e s c h l o s s e n : ,,1) Das in der Drukerei der Herren Traversa und Degiorgi in Lugano erscheinende Journal ,,Credente Cattolico" wird in eine Geldbuße von 1000 (ein Tausend) Franken verfällt, die von- dem Verfasser des angeführten Artikels, oder vom Herausgeber des Blattes, oder von dem für die fragliche Uebertretung verantwortlichen Druker, solidarisch und in der bezeichneten Reihenfolge zu bezahlen ist.tt ,,2) Dieser Beschluß ist durch Vermittlung des Regierungskommissärs mitzutheilen und zu vollziehen."

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II. Die in diesem Beschlüsse angeführten Artikel 10 und 11 des kirchlich-politischenGesezess des Kantons Tessin vom 24. Mai 1055 l a u t e w i e e f o l g t : : n ,,Art. 10. Es darf keine kirchliche Censur gegen eine Person und kein Interdikt des Ortes angekündigt, (denunciato) oder vollzogen werden, olme das Placet des Staatsrathes."

, "Art. 11. Die Bullen Breven, Dekrete, Reskripte,Encykliken,, Hirtenbriefe und Ablaßbriefe, unter welcher Form und Benennung immer sie von dem romischen Stuhle oder seiner Nuntiatur, oder vondenhOrdinariena ausgehen mögen, dürfen ohne Einholung des Placet weder publizirt,noch* in Ausführung gebrachtwerden."1 )

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III. Die Herren Traversa und Degiorgi bezahlten zwar die Buße von Er, 1000, rekurrirten aber gegen den obigen Beschluß

a n den Grossen Rath, d e s Kantons Tessin, indem s i e dessen Gerichte verlangten. Allein der Große Ratherklarte diese Begehr e n a m 5 . M a i 1874 a l s unbegründet u n d bestätigte d e n <

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I V . Mit-Eingabe v o m 1 5 . M a i 4 Wrekurrirten, d i e

desKantonss Tessin aufgehoben werden mochten. Für den Fall, daß der Entscheid des, Bundesrathes zu ihren Ungunsten ausfallen sollte, kündigtensiee gleichzeitig d e n weiternRekurss u n d i e Zur Begründung ihres Gesuchses machten die Rekurrenten wesentv lich geltend , 11 Sauf im Kanton Tessin inKraft bestehendem Gesez könne die gegen den "Credente Cattolico" getroffene Maßnahme motiviren; dieselbe y sei vielmehr eine flagrante Verlezung der durch die Kantonsund durch die, Bundesverfassung gewahrleisteten Preßfreiheit, sie sei weiter eine offenbare Kompetenzüberschreitung. Die Rekurrenten stuz ihre Einsprache auf aie Artikel 5, 45 und 53 der Bundesverfassung von 1848, sowie auf die Artikel 90, Ziff. 2, 3 und 13, und auf Art. 74, Ziff, 7, 8 «ad 15 derselben. Der Staatsrat von Tessin habe in dem inkriminirten Artikel des "Credente Cattolico" eine Zuwiderhandlung gegen die Artikel 10 und 11 des kantonalen kirchlich-burgerlichen Gesezes vom 24, Mai 1855 gesehen; aber das genannte. Gesez habe bloß die a m t l i c h e Publikation eines kirchlichen Aktenstuks der Aufsicht der politischen Gewalt unterstellen wollen (was Art. 11 demselben ausdrüklich besage),

845 nicht aber die geschriebene und gedrukt Meinungsäußerung eines Zeitungsschreibers. Das leztere anzunehmen wäre dem Buchstaben des Gesezes sowohl als auch dessen geschichtlichen und rechtlichen Charakter zuwider.

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Die Artikel 1C und 11 des gannnten Gesezes sejen nur die Wiederholung von Art. l eines Dekrets der Vollziehungskommission der helvetischen Republik vom S. Februar1800,,welcher'Artikel also lautet : ' ' ,,Die Bischöfe, die bischöflichen Kommissarien, die Kommis ,,sarien des päpstlichen Nuntius, die Dekane und die Kirchenräthe ,,dürfen Hirtenbriefe, Cirkulare, Indulgenzen religiöse Mahnschreiben ,,oder andere derartige Schriftstüke -- unter welcher Form und ,,Bezeichnung es auch sein mag -- nicht veröffentlichen, wenn sie ,,nicht vorher den Regierungsstatthalterin oder Kommissären der ,,Kantone, i n welchen s i e veröffentlicht werden Sollen, Nun habe ein vom Minister des Kultus unterm 4. März 1800 erlassenes und von der Vollziehungskommission genehmigtes Kreisschreiben dieses Dekret dahin erläutert: das Plazet sei erforderlich für kirchliche Aktenstüke, welche bestimmt seien, Von der Kanzel herab veröffentlicht oder an öffentlichenOrtenä angeschlagen zu ( werden.

' '' '' ' Im Jahr 1859 sei von der Regierung des Kantons Tessin eine Schrift zur Erläuterung des Gesezes vom 24. Mai 1855 erschienen, in welcher auf Seite 39 der Art. 11 auf die nämliche Art interpretirt sei. Es heiße dort im · Weitem : ,,Etwas Anderes ist, was von einem einfachen Zeitungsschreiber gedrukt wird und etwas Anderes amtliche Kundmachungen der geistlichen Oberbehörde einer öffentlich anerkannten Konfession."

Uebrigens habe der Staatsrath von Tessin die Bestimmungen über das Plazet aus den Jahren 1855 und 1874 stets in dieser Weise verstanden und angewendet.

Die Zeitungen des Kantons haben v o r wie n a c h der Loslösung vom Bisthumsverband stets Aktenstuke Bullen, Hirtenbriefe u. s. w. veröffentlicht, ohne um das Plazet nachgesucht zu haben. Die Beschlüsse des jüngsten Konzils, sowie der Syllabas selbst seien ebenso gedrukt worden, und es seien dies · doch Dinge von größerer Bedeutung gewesen als der eingeklagte Artikel.

Diese Veröffentlichung sei übrigens nicht eine "denuncia" im Sinne von Art. 10 des Gesezes vom 24. Mai 1855. Die ,,denuncia"

846 sei ein Akt, der bei Geistlichen, vorkomme und durch welchen die zensurirte Persönlichkeit von der über sie verhängten geistlichen Strafe in Kenntniß gesezt werde. Eine Censur, welche mittelst eines periodisch erscheinenden Zeitungsblattes bekannt gemacht würde, hätte keinen Werth. Die Veröffentlichung einer Censur in den Tagesblättern habe keinen Werth ; sie könne von den Personen, auf welche sie sieh beziehe, übergangen werden, und könne auch unrichtig sein. Wirklich habe der tessinische Geistliche, auf welchen sieh die fragliche Notiz beziehe, in den Tagesblättern sofort erklärt, daß diese Notiz eine leine Erfindung sei, und er habe sich vorbehalten, gegen diejenigen, welche für diese Veröffentlichung haften, auf Veläumdung zu klagen.

Der Staatsrat habe sieh einer schweren Verlezung der durch die tessinische Kantonsverfassung vom Jahr 1831 und durch die Bundesverfassung vom Jahr 1848 gewährleisteten Preßfreiheit schuldig gemacht.

Art. 11 der erstern garantire die Freiheit der Presse unter dem Vorbehalt der im Gcsez Verfugten Unterdrükung von Mißbrauchen.

Das bezügliche" Gesez vom 13. Juni 1834 habe die für die Gültigkeit der kantonalen Preßgeseze erforderliche bundesräthliche Genehmigung erhalten. Darnachmüsseevor; dem Erscheinen einer Zeitung ,dor Regierung Mittheilung gemacht undeinu verantwortlicher Herausgeber für dieselbe bestellt werden. Aber es verlange nicht dasregierungsräthlicheePlazett weder für Veröffentlichung einer Zeitung, noch für die Aufnahme eines Artikels.

Die Herausgeber seien für die Artikel verantwortlich, und es könne eineGeldbuße von höchstens" Fr. 500 über sie verhängt werden (siehe Art. 18 und Art. 7). -Nach Art. 8 falle übrigens die Beurtheilung aller Pressvergehen in die Kompetenz der Gerichte.

Was die Bundesverfassung betreffe, so gewährleiste auch dieseund Art. 45 diePressfreiheit und anerkenne daß zwar die kantonale Gesezgebung die erforderlichen Bestimmungen gegen die Mißbrauche aufstellen könne daß aber solche Vorschriften, um gültig zu. sein, der Genehmigung- des Bundesraths bedürfen. Nun habe .das Pressgesez v o m 1 3 . Juni 1834 d i e Bundesgenehmigung Presse betreffen solleu. E s s'ei Niemandem eingefallen, f ü r langen. Da es lediglich denZwekk habe, die Ausübung des geistlichen Amts nach Außen zu regeln, so habe Niemand daran denken könnea, daß es auch auf die periodische Presse angewandt werden könnte. Der Druk eines Buches, einer Broschüre, einer Zeitung

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oder eines Zeitungsartikels könne nie als eine Ausübung des geistlichen Amte angesehen werden, selbst wenn darin Dirige, die sich auf die Religion beziehen, behandelt würden, oder selbst wenn der Verfasser des eingeklagten Artikels ein Geistlicher wäre, was in vorliegendem Falle -weder bewiesen noch auch von der Behörde nur gefragt worden sei. Uebrigens sei das Gesez vom Mai 1855, da der Bundesrath dasselbe nicht genehmigt, auf die Presse nicht anwendbar, dasselbe hätte auch die Bundesgenehmigung niemals erhalten können, weil es Präventivcensuren vorschreibe (vergl, Ullmer I, Nr. 189).

Endlich sei die vom Staatsrat von Tessin getroffene Maßnahme auch eine Kompetenzüberschreitung. Der vorliegende Fall wäre nach dem Strafgesezbu vom 25. Jänner 1873 zu behandeln gewesen. Die allgemeine Bestimmung- am Schlüsse jenes Strafgesez buches sage in § l : ,,Durch gegenwärtiges Gesezbuch wird den besondern Gesezen über die öffentliche Verwaltung und über die Strafbefugniß der Verwaltungsbehörden kein Eintrag gethan, außer da, wo die in den genannten, Spezialgesezen vorgesehenen Thatsachen durch eine ausdrükliche Bestimmung des Strafgesezbuches betroffen werden."

· Nun bestimmen die Artikel 135 und 139, daß Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften der Geseze betreffend das Plazet über Angelegenheiten kirchlicher Gerichtsbarkeit und über geistliche und Kultusangelegenheiten, durch das Strafgesezbuch geregelt werden. Auch Art. '31 des schon zitirten Gesezes von 1834 schreibe vor, daß Preßprozesse io die Kompetenz der Gerichte gehören.

Also können Vergehen dieser Art nicht von den Verwaltungsbehörden entschieden werden, sondern sie gehören vor die Gerichte.

Im Spezialfalle wäre das korrectionnelle Gericht von Lugano kompetent gewesen.

Man könne nicht einwenden, daß ' die Bestimmungen des Strafgesezbuches nur für Geistliche gelten.

Es dürfe nicht zwei verschiedene Gerichtsbarkeiten für das nämliche Vergehen geben. · lu keinem Falle aber dürfen gegen Herausgeber, welche dein Lajenstande augehören, auf administrativem Wege die viel härtern Vorschriften des Gesezes vom 24. Mai 1855 angewendet werden, während hinwieder die Geistlichen vom Strafgesezbuch regiert sein sollen, welches weniger scharf sei und zugleich alle Garantien gewähre, die einer gerichtlichen Angelegenheit zukommen.

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Entweder , beschlage» die » Bestimmungen von Art, 135 des Strafgesezbuches nue Vergehen., die von Geistlichen begangen werden, dann werden die Rekurrenten von denselben nicht berührt; ; oder dieselben beschlagen auch die mitschuldigen Laien an der strafbaren Handlung eines Geistlichen uno dann müssen die Rekurrenten nach d e n einschlagigBestimmungenett V. In Deiner Antwort vom 10. Juni 1374 machte der Staatsrath von Tessin Folgendes geltend: Die Rekurrenten stellten in ihrem Rekurse die nämlichen Behauptungen und Argumente , auf, wie schon vor den kantonalen Behörden, welche ihr Urtheil in dieser Sache auf regelmäßige Weise und nach den Formen der,Verfassung und der Geseze gefallt haben, ( ' - Dadurch daß sie an den Bundesrath als dritte Instanz rekurrirent zeigen die Beschwerdeführer, wie wenig Achtung sie m diese Kantonalsouveranetat sezen, als · d'eden eingefleischte Anhänger sie sich unter Umständen erklären. Aber der Kanton Tessiti sei in der vorliegenden Frage allein kompetent; es stehe den Bundesbehörden nicht zu, die kantonalen Geseze zu interpretiren oder Konflikte zu entscheiden, welche zwischen administrativen und richterlichen Behörde» des Kantons entstehen können. Die Bundesbehörden konnten nur in dem, Falle einschreiten wenn die Rekurrenten zu beweisen .vermöchten, daß die Entscheide des Staatsrathes und des Großen Rathes,willkürlich, unter Mißachtung der Formen und in einer Weise entstanden seien, daß dadurch die Rechte der Bürger verlezt worden. Allein die Redurrenten haben diesem Beweis nicht einmal zu leisten versucht.

Troz der erhobenen Einrede der Inkompetenz bennzte die Tessiner Regierung gleichwohl die ihr gebotene Gelegenheit, um die Frage zu erörtern, wer die eigentlichen Verlezer des Gesezes seien.

Sie wies zunächst auf ein staatsräthliche Dekret vom 4. Mai 1855 hin (welches zu citiren die Rekurrenten sich wohl gehütet haben), welches den Sinn und die Tragweite des Gesezes vom 24. Mai, 1855 um so deutlicher zeige, als lezteres so bald nach jenem promulghi worden: ,,Kein Urtheil oder Dekret, keine ,, ,,Comminai oria", ,,diffidazione" oder Censur und ahnliche Erlasse ,,geistlicher Behörden, von welcher Bedeutung sie auch sein mögen, ,,dürfen weder von Geistlichen, noch von Laien ohne das Placet ,,der Regierung intimirt oder auch nur mündlich mitgetheilt werden, ,,bei einer Strafe von Fr. 400-l0,000."

849 Der Staatsrath bezog sich ferner auf Art. 35 des Gesezes vom 24. Mai 18S5, wonach alle Akte, die im ' Widerspruch mit d'era in diesem Geseze vorgeschriebenen Plazet oder ohne dasselbe Stattfinden, null und nichtig, daß die Urheber und Gehilfen für die Folgen ihrer Widerhandlung verantwortlich seien, und einer Geldstrafe von Fr, 5--5000 unterliege».

» Es sei den Rekurrenten sehr gut bekannt, daß" die Bestimmungen dieses Gesezeb in ahnlichen Fallen stets in rigoroser Weise angewandt worden-, aber sie ziehen vor,dagegen an die Preßfreiheit zu appelliren.

' " Es frage sich, ob mäh zugebenkönne "daß éme Zeitung daa Organ i'dr Mittheilung kirchlicher Entscheide werde und tr'oz der ausdrüklichen Bestimmungen des Gesezes allem Volke eine kirliche Censur sur Kenntniss bringe? DerCredentee Cattolico, welcher dieser Veröffentlichung a l s Werkzeug gedient, falle unter d i e licht habe.

Man sehe diesdeutlichh aus denfolgendenaNummerna

(s. Beilage 6, 8, 11 und14). Essheisse» denGesezenn gemäß gegen die Vexationen einer! fremden Gewalt s c h u z t e . \ - i t Der Bundesrath könne sich aus dem Inhalte der Artikel des Credente Cattolico die Fr âge selbst beantworten wo die wirklichen Verlezer der Pressfreiheit seienund*welchennMissbraucht sie mit dieser Freiheit treiben, indem sie dieGesezee VerhöhnenundddennBehördenu derEidgenossenschaftt d i e Titelgebenn · . Despoten u n d Diener denRekursS der Herren TraversaunddDegnorgii wünsche,soobeziehee sich deStaatsrathth voTessiic a u f d e n Bericht VI. In diesem Berichte wurden folgende Gesichtspunkte geltend gemacht?

Die ausgesprochene Strafe hei gerechtfertigt denn es liege die Publikation einer kirchlichen Strafen te nz im Sinne von Art. 11 des kirchlichpolitischen Gesezes vom Mai 1855 vor. Der Staat müsse jezt, nachdem die geistliche Gerichtsbarkeit aufgehoben gei und für alle Einwohner nur die bürgerliche Jurisdiktion Pla greife, solchen Publikationen entgegentreten, da sie als Akte der geistlichen Gerichtsbarkeit, und als Mittel zur Vollziehung''einer geistlichen Strafe .sich gestalten. Die staatliche Behörde habe die Mittheilung der Dekrete des vatikanischen Konzils in den Zeitungen wohl dulden

850 können, da es sich hiebei nur um gewöhnliche Zeitungsberichte und um Fragen allgemeiner Natur gehandelt habe. Mit diesen Mittheilungen biete dur gegenwärtige Fall keine Analogie. Das Preßgesez v/erde mit Unrecht angerufen. Dieses Gesez wahre einem Jeden das Recht,zuudruken, was ihm beliebe; esverlangeo aber, daß hiebei die Rechte Dritter und des Staates respektirt werden.

Auch der Bundesrath sei durch die in der Bundesverfassung gewährleistete Preßfreiheit nicht abgehalten worden, dem päpstlichen Nuntius die Passe zuzustellen, als dieser dieEncyklia ohne das Placet der Bundesbehörden habepublizirenn lassen. Wie dort der Bundesrath, so müsse hier die Administrativbehörde des Kantons Tessin befugt sein, dieUebertretung,, welcher der ,,CredenteCattolico" sich schuldig gemacht, zu ahnden. Der Art. 135 Amtes, verübt durch Geistliche. Es seimöglich,, daß, wenn die Petenten einen Geistlichenals& Verfasser des fraglichen Artikels angegeben hätten,gegenn denselben ausMitleidd bloß in Anwendung diesesArt.. 135 eingeschritten worden wäre. Gegenüber denRekurrenten könne aber dieser Artikel nicht Anwendung finden, da sie nicht Geistliche ßeiea und in Bezug auf sie, von einem Mißbrauch des geistlichen Amtes nicht gesprochen werden könne. Sie haben sich einerVerlezungg d e r Vorschriften d e s kirchlich-politischen Strafbar, , , _ , 4 L In

Erw ägung :

Nach Art. 45 der Bundesverfassung vom Jahr 1848 müssen alle Bestimmungen kantonale!- Geseze, welche die Bestrafung des Mißbrauches der Presse, bezweken der Genehmigung, des Bundesraths unterstellt werden.

t Es kann in Folge dessen keine Abänderung und kein Zusaz zu einem kantonalen Preßgesez in Kraft treten, ohne daß diese Genehmignng ertheilt worden ist.

Indem nun die Regierung und der Grosse Rath des Kantons Tessin dahin sich aussprachen, ' daß der Beschluß des Staatsrathes vom 4. Mai 1855 und die Art. 10 und 11 des tessinischen Gesezes vom '24. Mai1855x auf Zeitungen Anwendung finden, welche Entscheide oder Erlasse kirchlicher Behördenpublizirenn und indem sie in Anwendung der erwähnten Vorschriften ein Journal wegen einer Publikationdererwähntenen Art zu einer Geldbuße verfallen, -- haben sie offenbar die Stellung deZeitungenen umgestaltet und erschwert, welche ihnen im Kanton Tessin durch das Gesez über die Presse vom 13. Juni 1834 eingeräumt war.

851 Damit aber die Vorschriften des Gesezes vom 24. Mai 1855 und das Dekret vom 4. gl. Mts auf die Tagespresse angewendet werden könnten, müßten sie vorher der Genehmigung des Bundesrathes unterstellt werden.

So lange nicht der Bundesrath derartige Bestimmungen als mit dem Grunds der Preßfreiheit vereinbar erklart und bie nicht ausdruklich sanctionir hat, könnet! sie nicht auf die Presse angewandt werden.

Bis jezt ist bloß dem tessinischen Pressgesez vom 13. Juni 1834 die Bundesgenehmigung ertheilt worden, und zwar nur unter gewissen Vorbehalten (S. Bundesblatt 1860 II. 431).

Es beruht sonach dio unterm 22. Jänner d. J. vom Staatsrat von Tessin gegen den Credente Cattolico ausgesprochene Geldbuße von Fr. 1000, welche unterm 5. Mai d. J. vom Großen Rath bestätigt worden ist, auf gesezlichen Bestimmungen, weiche die im Art. 45 der Bundesverfassung vom Jahr 1848 und im Art.. 55 der Bundesverfassung vom Jahr 1874 vorgeschriebene wesentliche Bedingung nicht erfüllen.

Im Uebrigen ist zur Zeit die Frage nicht zu prüfen, ob das tessinische Gesez vom 24. Mai 1855 über das Placet auf Publicationen der periodischen Presse angewendet werden könne und ob der Beschluß des Staatsrathes von Tessin vom 4. Mai 1855 durch das tessinische Strafgesezbu vom 25. Januar 1873 außer Kraft getreten sei, da diese leztere Frage in die Kompetenz des tessini schen Großen Raths fallt, beschlossen: 1. Der Rekurs wird als begründet erklärt.

2. Von diesem Beschlüsse ist den Herren Traversa und J. l)egiorgi Druker des Credente Cattolico in Lugano und dem Staatsrath von Tessin Kenntniß zu" geben.

B e r n , den 2. September 1874.

Im Namen des schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: ' Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schiess.

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Bericht der # S T #

ständerathlichen Kommission) über den Rekurs Dénériaz, » betretend das neue Finanzgesez für den Kanton Wallis.

", (Vom 20. Oktober 1874.)

Tit.! , Der Regierungsrat des Kartons Wallis, in Folge früherer mißlicher Finanzwirthschaft nicht mehr im Stande, mit den bisherigen Einnahme n den eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen, sah sich genöthigt, eine Erhöhung der bisherigen Vermögens- und Einkommenssteuer zu beantragen.

< Ita Unterschied zu dem diefallsigen Verfahren in andern Kantonen besteht iti Wull ein Finanzgesez datirt vom 26. November 1862, welches die Steuer auf Fr. l vorn Tausend festsezt und zudem eine Bestimmung in dortiger Verfassung vom 23. Dezember 1852, welche im Art. 72 vorschreibt : daß jede Aenderung in der Basis des Finanzsystems, wie jede Erhöhung des Steueransazes , der Genehmigung des Volkes unterstellt werden müsse.

Am 29. Mai 1874 legte nun der Staatsrath von Wallis dem Großen Rath ein Finanzdekret vor, welches die Bestimmungen enthielt : Art. 1, Die Steuer auf das Kapital und Einkommen kann bis auf Fr. 2 vom Tausend betragen.

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Bundesrathsbeschluss über den Rekurs der Herren Traversa und Degiorgi in Lugano, betreffend Verlezung der Pressfreiheit. (Vom 2. September 1874.)

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19.12.1874

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