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Botschaft des
Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Gewährleistung eines Verfassungsgesetzes des Kantons Genf (Vom 5. Juli 1956)
Herr Präsident!
Hochgeehrte Herren !
In der Volksabstimmung vom 12./18. Mai 1956 haben die Stimmberechtigten des Kantons Genf einem vom Grossen Rat am 17.März 1956 angenommenen Verfassungsgesetz zugestimmt, das Artikel l des Verfassungsgesetzes vom 4. Oktober 1882 betreffend die Einführung gewerblicher Schiedsgerichte einen Absatz 2 beifügt. Mit Schreiben vom 12. Juni 1956 sucht der Staatsrat des Kantons Genf für diese neue Verfassungsbestimmung die Gewährleistung des Bundes nach.
Artikel l, Absatz l, des Verfassungsgesetzes vom 4.Oktober 1882 lautet (unverändert) wie folgt: Streitigkeiten, welche zwischen Arbeitgebern und Arbeitern, Prinzipalen und Angestellten, Prinzipalen und Lehrlingen, Dienstherren und Dienstboten entstehen, unterliegen, soweit sie das Dienstverhältnis, die Ausführung der Arbeit und den Lehrvertrag betreffen, der Beurteilung von Schiedsgerichten.
Artikel 1, Absatz 2 (neu), hat folgenden Wortlaut : Schadenersatzklagen aus Unfällen gegen Arbeitgeber fallen nicht in die Zuständigkeit der Schiedsgerichte.
Diese neue Bestimmung legt die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit für die Streitigkeiten aus Arbeitsunfällen eindeutig fest. Seit Einführung der gewerblichen Schiedsgerichte in Genf bis zum I.Februar 1955 war die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte auf diesem Gebiet übrigens immer anerkannt worden. An jenem Datum fasste die «Cour mixte» (Appellationsgericht in gewerblichen Schiedsgerichtssachen) einen Entscheid im gegenteiligen Sinne, mit der Begründung, das Verfassungsgesetz vom 4. Oktober 1882 lasse die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit für Klagen aus Artikel 839 des
1582 Obligationenrechts nicht zu. Die neueBestimmung stellt somit den status quo ante wieder her. Im Hinblick auf die Komplexität der Streitigkeiten aus Arbeitsunfällen ist diese Lösung zu bevorzugen, weil sie vermeidet, dass eine gerichtliche Klage infolge eines Arbeitsunfalles vor das gewerbliche Schiedsgericht oder vor die ordentliche Gerichtsbarkeit getragen werden muss, je nachdem sie sich nur auf Artikel 339 des Obligationenrechts oder auch auf Artikel 41 ff. des Obligationenrechts (Haftung durch unerlaubte Handlungen) stützt.
Diese Änderung betrifft die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Gerichten des Kantons in Zivilprozeßsachen, somit eine Frage der kantonalen Gerichtsorganisation. Sie berührt daher nur das kantonale öffentliche Becht und enthält offensichtlich nichts dem Bundesrecht Zuwiderlaufendes. Wir beantragen Ihnen deshalb, ihr durch Annahme des beiliegenden Beschlussesentwurfes die Gewährleistung des Bundes zu erteilen.
Genehmigen Sie, Herr Präsident, sehr geehrte Herren, die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.
Bern, den 5. Juli 1956.
Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Vizepräsident: Streuli Der Bundeskanzler : Ch. Oser
1538 (Entwurf)
. . .
,·.
Bundesbeschluss über
die Gewährleistung eines in der Volksabstimmung vom 12./13. Mai 1956 angenommenen Verfassungsgesetzes des Kantons Genf
Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, in Anwendung von Artikel 6 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 5. Juli 1956, in Erwägung, dass das in der -Volksabstimmung vom 12./13.Mai 1956 angenommene Verfassungsgesetz, des Kantons Genf nichts der Bundesverfassung Zuwiderlaufendes enthält, beschliesst: Art. l
Dem Verfassungsgesetz vom 17. März 1956, das jenes vom 4. Oktober 1882 betreffend die Einführung gewerblicher Schiedsgerichte ändert, wird die Gewährleistung des Bundes^ erteilt.
Art. 2 " ' Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.
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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Gewährleistung eines Verfassungsgesetzes des Kantons Genf (Vom 5. Juli 1956)
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Jahr
1956
Année Anno Band
1
Volume Volume Heft
29
Cahier Numero Geschäftsnummer
7228
Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum
19.07.1956
Date Data Seite
1531-1533
Page Pagina Ref. No
10 039 487
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