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No 45 #ST#

Bundesblatt

108. Jahrgang

Bern, den 8. November 1956

Band II

Ericheint wöchentlich. Preis SO Franken im Jahr 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 50 Kappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stampili & Cie. in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Genehmigung eines die deutschen Lastenausgleichsabagen betreuenden Zusatzprotokolls zum schweizerisch-deutschen Doppelbesteuerungsabkommen (Vom 2. November 1956) Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Am 6. Juli 1956 ist in Bonn ein die deutschen Lastenausgleichsabgaben betreffendes Zusatzprotokoll samt zugehörigem Verhandlungsprotokoll zum Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Deutschen Eeich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftssteuern, vom 15. Juli 1981, unterzeichnet worden.

Wir beehren uns, Ihnen dieses Zusatzprotokoll sowie das dazugehörige Verhandlungsprotokoll mit der vorhegenden Botschaft zur Genehmigung zu unterbreiten.

I.

In der Bundesrepublik Deutschland wurde am 14. August 1952 das Gesetz über den Lastenausgleich erlassen. Dieses Gesetz hat die Abgeltung von Schäden und Verlusten, die sich infolge der Vertreibungen und Zerstörungen der Kriegsund Nachkriegszeit ergeben haben, sowie die Milderung von Härten, die infolge der neuen Ordnung des Geldwesens im Geltungsbereich des deutschen Grundgesetzes einschliesslich Westberlin eingetreten sind, zum Gegenstand. Die Ausgleichsleistungen werden durch besondere Ausgleichsabgaben aufgebracht, nämlich durch die einmalige Vermögensabgabe, die Hypothekengewinnabgabe und die Kreditgewinnabgabe.

Die schweizerischen Behörden haben sich bereits vor 1952 mit der Frage befasst, welche Auswirkungen der Lastenausgleich auf Schweizerbürger haben Bundesblatt. 108. Jahrg. Bd. II.

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610 würde. Da schweizerischen Staatsangehörigen im Eahmen des Lastenausgleichs grundsätzlich die gleichen Entschädigungsleistungen ausgerichtet werden wie deutschen, konnte sich der Bundesrat von Anfang an darauf beschränken, hinsichtlich der Anwendung der Lastenausgleichsabgaben auf schweizerische Staatsangehörige einerseits die Meistbegünstigung, andrerseits die Anwendung der im schweizerisch-deutschen Doppelbesteuerungsabkommen von 1981 enthaltenen Grundsätze auf diese Abgaben zu beanspruchen.

Gleichzeitig mit dem Abkommen über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz konnte am 26. August 1952 in Bonn ein schweizerisch-deutsches Abkommen zum Lastenausgleich abgeschlossen werden (AS 1953,134). Dieses sieht vor, dass schweizerische Staatsangehörige, die am Währungsstichtag (21. Juni 1948) das Schweizerbürgerrecht besessen haben, beim Lastenausgleich die gleiche Behandlung gemessen wie die Angehörigen der meistbegünstigten Nation, d.h.

praktisch wie die Angehörigen von Mitgliedstaaten der Vereinigten Nationen auf Grund des Vertrages zur Begelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (sog. Überleitungsvertrag), der am S.Mai 1955 in Form des Pariser Protokolls vom 23. Oktober 1954 in Kraft getreten ist. Wie schweizerische Staatsangehörige werden die nach deutschem Eecht selbständig abgabepflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen behandelt, die nach schweizerischem Eecht errichtet worden sind, sowie die nach deutschem Eecht gegründeten, selbständig abgabepflichtigen Gesellschaften, an denen schweizerische Staatsangehörige, Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen sowohl am 21. Juni 1948 als auch am S.Mai 1945 entweder unmittelbar oder über andere Gesellschaften eine Beteiligung mindestens in der Höhe besessen haben, die bei der meistbegünstigten Nation Voraussetzung für eine Begünstigung ist.

Nach dem Überleitungs vertrag wurden Angehörige von Mitgliedstaaten der Vereinigten Nationen und gestützt auf das schweizerisch-deutsche Abkommen zum Lastenausgleich vom 26. August 1952 auch Schweizerbürger bzw. die im Abkommen umschriebenen schweizerischen Gesellschaften von der Vermögensabgabe zum Lastenausgleich für die sechs ersten Jahresraten, d.h. bis zum 81.März 1955 in vollem Umfang freigestellt; sie unterhegen also dieser Abgabe erst vom I.April
1955 an. Von diesem Zeitpunkt an spielt deshalb nicht mehr die Meistbegünstigung, sondern die Frage der Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens auf die deutschen Lastenausgleicbsabgaben die praktisch ausschlaggebende Eolle. Von der bereits erwähnten Hypothekengewinn- und Kreditgewinnabgabe waren die Angehörigen von Mitgliedstaaten der Vereinigten Nationen und infolgedessen auch Schweizerbürger nicht befreit. Auch vom Gesichtspunkt der Doppelbesteuerung aus spielen diese beiden Abgaben keine Eolle, da sie nur in Fällen erhoben werden, in denen das schweizerisch-deutsche Doppelbesteuerungsabkommen das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland zuweist.

Bei der Vermögensabgabe nach dem deutschen Gesetz vom 14, August 1952 über den Lastenausgleich kann sich hinsichtlich Personen, die auch der Steuer-

611 pflicht in der Schweiz unterliegen, eine Doppelbesteuerung namentlich in folgenden Fällen ergeben : Bei den sogenannten unbeschränkt Steuerpflichtigen (d.h. bei in der Bundesrepublik Deutschland Wohnhaften) unterliegen der Vermögensabgabe ausser beweglichen Vermögenswerten auch Grundstücke und Betriebsstätten in der Schweiz, obwohl diese beiden letztgenannten Vermögenswerte nach dem Doppelbesteuerungsabkommen ausschliesshch der Steuerhoheit des Belegenheitsstaates, also der Schweiz, zugewiesen sind. Abgesehen von der sich daraus ergebenden Doppelbesteuerung bei Grundstücken und Betriebsstätten bewirkt die Heranziehung sämtlicher in der Schweiz liegender beweglicher und unbeweglicher Vermögenswerte schweizerischer Steuerpflichtiger mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland als Folge des Abkommens vom 26. August 1952 über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz (Ablösungsabkommen) überdies eine ungerechtfertigte Diskriminierung schweizerischer Steuerpflichtiger. Nach diesem Abkommen können nämlich deutsche Staatsangehörige, die Eigentümer deutscher Vermögenswerte in der Schweiz sind, entweder deren Umwandlung in DM und die Überweisung nach der Bundesrepublik Deutschland oder aber gegen Leistung eines Ablösungsbeitrages, in der Eegel in der Höhe eines Drittels der Vermögenswerte, die Freigabe der restlichen zwei Drittel der Vermögenswerte verlangen. Das deutsche Genehmigungsgesetz vom 17.März 1953 zum Abkommen über die deutschen Vermögenswerte sieht vor, dass im Falle der Leistung des Beitragsdrittels die Ausgleichsabgaben zum Lastenausgleich als abgegolten gelten. Anderseits sind im Falle der Umwandlung der Vermögenswerte in DM die Lastenausgleichsabgaben (und ausserdem auch allfällige Nachund Strafsteuern) zu entrichten. Es handelt sich dabei um autonome deutsche Vorschriften, die für den Eigentümer deutscher Vermögenswerte in der Schweiz die Option für das Beitragsdrittel möglichst attraktiv gestalten sollen.

Für die b e s c h r ä n k t steuerpflichtigen Vermögensabgabepfhchtigen tritt eine Doppelbesteuerung in erster Linie für die in der Schweiz wohnhaften Steuerpflichtigen ein, die Hypotheken auf deutschen Grundstücken besitzen.

Gemäss Artikel 2, Absatz 5, des Doppelbesteuerungsabkommens ist in diesem Falle die Befugnis zur Erhebung von Vermögenssteuern ausschliesslich dem
Wohnsitzstaate vorbehalten. Das gleiche gilt für die Besteuerung von in deutschen Begistern eingetragenen gewerblichen Urheberrechten, die Steuerpflichtigen mit Wohnsitz in der Schweiz zustehen. Weitere Doppelbesteuerungsfälle können sich für Steuerpflichtige in der Schweiz dadurch ergeben, dass sich der Betriebsstättebegriff des Lastenausgleichsgesetzes nicht mit demjenigen des Doppelbesteuerungsabkommens deckt. Auch beim sogenannten «sonstigen Vermögen» ist eine Doppelbesteuerung insoweit möglich, als die Besteuerung nach Lastenausgleichsgesetz im Belegenheitsstaat erfolgt, während die Generalklausel des Doppelbesteuerungsabkommens (Art. 7) die ausschliessliche Besteuerung im Wohnsitzstaat vorsieht.

Im Laufe der Verhandlungen, die am 6. Juli 1956 zur Unterzeichnung des Zusatzprotokolls führten, erklärten sich die Vertreter der Bundesrepublik

612 Deutschland grundsätzlich bereit, zu einer Lösung Hand zu bieten, bei der eine Doppelbesteuerung schweizerischer Staatsangehöriger hinsichtlich der Vermögensabgabe zum Lastenausgleich vermieden wird ; ferner sollen mit Bücksicht auf die sich aus dem Abkommen über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz ergebenden Konsequenzen schweizerische natürliche Personen mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland für ihr in der Schweiz liegendes bewegliches Heimatvermögen von der Vermögensabgabe zum Lastenausgleich befreit werden.

II.

Zu -den einzelnen Bestimmungen des Zusatzprotokolls ist folgendes zu bemerken : Da das Abkommen in erster Linie Fragen der Doppelbesteuerung regelt, wurde es in die Form eines Zusatzprotokolls zum schweizerisch-deutschen Doppelbesteuerungsabkommen vom 15. Juli 1931 gekleidet; im Ingress wird denn auch auf dieses Abkommen mit sämtlichen inzwischen eingetretenen Änderungen und Ergänzungen, soweit sie heute noch gültig sind, Bezug genommen.

Ferner erwähnt der Ingress im Hinblick auf die steuerliche Behandlung des Heimatvermögens der in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaften schweizerischen natürlichen Personen ausdrücklich das schweizerisch-deutsche Abkommen vom 26. August 1952 über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz.

Während bisher deutscherseits die Frage umstritten war, ob auch ausserordentliche Steuern, insbesondere Vermögensabgaben wie diejenige zum Lastenausgleich, unter das Doppelbesteuerungsabkommen fallen, wird dies in Artikel l (Abs.l) für die Zukunft ausdrücklich festgelegt. Diese Bestimmung gilt indessen nicht rückwirkend; auf die Lastenaüsgleichsabgaben finden vielmehr die besonderen Vorschriften in den Artikeln 2-7 des Zusatzprotokolls Anwendung (Art.l, Abs. 2).

Artikel 2 befreit das sogenannte Heimatvermögen schweizerischer natürlicher Personen mit Wohnsitz in der Bundesrepublik von der Vermögensabgabe zum Lastenausgleich. Als «Heimatvermögen» gelten in der Schweiz gelegenes unbewegliches Vermögen und Berechtigungen daran, Betriebsstätten und Vermögen, das der Ausübung eines freien Berufes dient ; ferner in schweizerischen Eegistern eingetragene immaterielle Güterrechte, Aktien, Wertpapiere, Bankkonten und sonstige bewegliche Vermögenswerte, einschliesslich in der Bundesrepublik liegende Aktien von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz, Anteile an GmbH und Genossenschaften mit Sitz in der Schweiz sowie Forderungen und Guthaben gegenüber schweizerischen Schuldnern, sofern sie nicht auf deutschen Grundstücken sichergestellt sind (Abs. 2 und 3) und sofern diese beweglichen Vermögenswerte nicht zum Betriebsvermögen einer deutschen Betriebsstätte gehören (Abs.4). Anspruch auf Freistellung der genannten Vermögenswerte haben nur natürliche Personen, die am 21. Juni 1948 (am I.April 1949 für das Land Berlin ; vgl. Art. 6, Abs. 3) nur das Schweizerbürgerrecht besassen und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik hatten (Abs.l).

613 Schweizerisch-deutsche Doppelbürger sind nur für ihr unbewegliches Vermögen in der Schweiz, einschliesslich Berechtigungen daran, sowie für ihre in der Schweiz gelegenen Betriebsstätten von der Vermögensabgabe zum Lastenausgleich befreit, nicht aber für ihr bewegliches Vermögen in der Schweiz (Abs. 5).

Im Verhandlungsprotokoll wird zu Artikel 2 noch ausdrücklich festgehalten, dass nicht nur Vermögenswerte in der Schweiz, für die der Ablösungsbeitrag gemäss dem Ablösungsabkommen entrichtet wurde, sondern auch solche, die gemäss Artikel 5 oder 6 des Abkommens ohne Leistung eines Beitrages frei geworden sind, von der Vermögensabgabe befreit sind. Juristische Personen mit überwiegend schweizerischer Beteiligung und Sitz in der Bundesrepublik, die den freiwilligen Beitrag nicht geleistet haben, unterliegen der Ersatzvermögensabgabe bzw. der Vermögensabgabe, doch kann diese im Billigkeitswege erlassen werden.

Artikel 3 betrifft die sogenannten beschränkt Steuerpflichtigen, d.h. die natürlichen und juristischen Personen mit Wohnsitz in der Schweiz. Einer besonderen staatsvertraglichen Regelung bedürfen die Fälle, bei denen die Abgabepflicht gemäss Lastenausgleichsgesetz mit den Bestimmungen des schweizerisch-deutschen Doppelbesteuerungsabkommens in Widerspruch steht. Dies gilt für die auf deutschen Grundstücken hypothekarisch sichergestellten Forderungen, für in deutschen Registern eingetragene Urheberrechte und für sonstige Vermögenswerte, die nach Doppelbesteuerungsabkommen ausschliesshch im Wohnsitzstaat steuerpflichtig sind. Für diese Vermögenswerte sind schweizerische und deutsche natürliche Personen mit Wohnsitz in der Schweiz sowie nach schweizerischem Becht errichtete juristische Personen und Körperschaften mit Sitz in der Schweiz von der Vermögensabgabe befreit. Die Befreiung erstreckt sich aber nicht auf deutsche Liegenschaften und Betriebsstätten.

Zur Beseitigung von Schwierigkeiten oder Zweifeln bei der Auslegung und Anwendung des Zusatzprotokolls soll gemäss Artikel 4 das in Artikel 13 des Doppelbesteuerungsabkommens vorgesehene Verständigungsverfahren zwischen den obersten Verwaltungsbehörden analoge Anwendung finden, Artikel 5 hält ausdrücklich fest, dass das Zusatzprotokoll das Meistbegünstigungsabkommen vom 26. August 1952 nicht berührt. Wie bereits erwähnt, waren aber alliierte
und damit auch schweizerische Staatsangehörige nur bis Ende März 1955 von der Vermögensabgabe zum Lastenausgleich befreit. Auf Grund des rechtlich weiterbestehenden Abkommens von 1952 würden indessen Schweizerbürger auch in Zukunft automatisch in den Genuss der Meistbegünstigung gelangen, sofern alliierte Staatsangehörige über den 81. März 1955 hinaus in den Genuss weitergehender Steuerbefreiungen kommen sollten.

Nach Artikel 6 gilt das Zusatzprotokoll auch für das Land Berlin, sofern innert drei Monaten seit Inkrafttreten keine gegenteilige Erklärung abgegeben wird. Abweichende materielle Vorschriften ergeben sich in Bezug auf das Land Berlin lediglich hinsichtlich des Stichtages, indem in gewissen Fällen an Stelle des 21. Juni 1948 der I.April 1949 tritt (Abs.3).

614 Da das Zusatzprotokoll für beide vertragschliessenden Parteien neue völkerrechtliche Verpflichtungen mit sich bringt, unterliegt es in beiden Staaten der parlamentarischen Genehmigung (Art.7). Es tritt einen Monat nach Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft, doch finden die Artikel 2-6 auf sämtliche Tatbestände Anwendung, auf die das Lastenausgleichsgesetz anzuwenden ist (Verhandrungsprotokoll zu Art. 7).

Das Zusatzprotokoll, das wir Ihnen nebst dem dazugehörigen Verhandlungsprotokoll zur Genehmigung zu unterbreiten die Ehre haben, bringt für die von den Lastenausgleichsabgaben betroffenen schweizerischen Steuerpflichtigen bedeutende Erleichterungen, die praktisch der Anwendung der Grundsätze des schweizerisch-deutschen Doppelbesteuerungsabkommens auf die Vermögensabgabe zum Lastenausgleich gleichkommen. Darüber hinaus trägt das Zusatzprotokoll durch die Befreiung des Heimatvermögens schweizerischer Staatsangehöriger in der Bundesrepublik der durch das Abkommen über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz geschaffenen besonderen Lage in angemessener Weise Eechnung. Die betroffenen Kreise haben denn auch nach Bekanntwerden der Unterzeichnung des Zusatzprotokolls das erreichte Verhandlungsergebnis begrüsst. .

Wir beantragen Ihnen daher, das Zusatzprotokoll nebst dem dazugehörigen Verhandlungsprotokoll durch Annahme des beihegenden Entwurfes zu einem Bundesbeschluss zu genehmigen.

Wir benützen auch diesen Anlass, um Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 2. November 1956.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Feldmann Der Bundeskanzler : Ch. Oser

615 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

die Genehmigung eines die deutschen Lastenausgleichsabgaben betreffenden Zusatzprotokolls zum schweizerisch-deutschen Doppelbesteuerungsabkommen

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 85, Ziffer 5, der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 2. November 1956, beschliesst : Einziger Artikel Das am 6. Juli 1956 in Bonn unterzeichnete, die deutschen Lastenausgleichsabgaben betreffende Zusatzprotokoll nebst dem dazugehörigen Verhandlungsprotokoll zum Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Deutschen Eeich vom 15. Juli 1931 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftssteuern wird genehmigt.

Der Bundesrat wird ermächtigt, das Zusatzprotokoll zu ratifizieren.

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Zusatzprotokoll zum

Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Deutschen Reich vom 15. Juli 1931 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftesteuern

Zur Ergänzung des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Deutschen Pteich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftssteuern vom 15. Juli 1931 nebst Schlussprotokoll und Notenwechsel vom gleichen Tage, Zusatzprotokoll vom 11. Januar 1984 und Verhandlungsprotokollen vom 15. Juli 1981, T.September 1940und2. November/8. Dezember 1943 (Doppelbesteuerungsabkommen) und unter Berücksichtigung der Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Bundesrepublik Deutschland über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz und zum deutschen Lastenausgleich vom 26. August 1952 sowie des dazu ergangenen Gesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom T.März 1953, haben die Schweizerische Eidgenossenschaft und die Bundesrepublik Deutschland das folgende Zusatzprotokoll abgeschlossen: Artikel l (1) Ausserordentliche Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, insbesondere einmalige ausserordentliche Vermögensabgaben, die nach dem Inkrafttreten dieses Zusatzprotokolls erstmals in einem der beiden Vertragsstaaten eingeführt oder erhoben werden, fallen unter Artikel l des Doppelbesteuerungsabkommens.

(2) Pur die Vermögensabgabe nach dem deutschen Gesetz über den Lastenausgleich vom 14. August 1952 (Lastenausgleichsgesetz) gelten die nachstehenden Artikel dieses Zusatzprotokolls.

Artikel 2 (1) Natürliche Personen, die am 21. Juni 1948 die schweizerische, nicht aber gleichzeitig die deutsche Staatsangehörigkeit besessen und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Lastenausgleichsgesetzes in der Bundes-

617 republik Deutschland gehabt haben, unterliegen mit dorn in der Schweiz belegenen Vermögen nicht der Vermögensabgabe.

(2) Als Vermögen im Sinne des Absatzes l gilt das am 21. Juni 1948 in der Schweiz belegene Vermögen, soweit es bestand aus a. unbeweglichem Vermögen (einschhesshch Zubehör) ; b. Berechtigungen an einem in der Schweiz gelegenen Grundstück, auf welche die Vorschriften des schweizerischen Privatrechts über Grundstücke Anwendung finden, sowie Nutzungsrechte an unbeweglichem Vermögen in der Schweiz ; c. dem einer schweizerischen Betriebsstätte dienenden Vermögen im Sinne von Artikel 3, Absätze l und 4, des Doppelbesteuerungsabkommens ; d. dem Vermögen, das der Ausübung eines freien Berufes dient ; e. in der Schweiz eingetragenen immateriellen Güterrechten; /. Aktien, Anteilscheinen und sonstigen Wertpapieren, Banknoten und sonstigen beweglichen Vermögenswerten, (3) Als Vermögen im Sinne des Absatzes l gelten ferner a. von Gesellschaften mit Sitz in der Schweiz ausgegebene Aktien, und dies selbst dann, wenn die Titel am 21. Juni 1948 in der Bundesrepublik Deutschland lagen ; b. Anteile an Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Genossenschaften, die ihren Sitz am 21. Juni 1948 in der Schweiz hatten; c. Forderungen und Guthaben (einschhesshch Obligationen, Schuldscheine, Wechselforderungen und Versicherungsansprüche), sofern der Schuldner seinen Wohnsitz im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens am 21. Juni 1948 in der Schweiz hatte und die Forderungen nicht auf unbeweglichem Vermögen in der Bundesrepublik Deutschland grundpfändlich sichergestellt waren.

(4) Gehörten Vermögenswerte im Sinne von Absatz 2, lit.e und /, oder Absatz 8 am 21. Juni 1948 zum Betriebsvermögen einer in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen Betriebsstätte, so gelten diese Vermögenswerte nicht als in der Schweiz belegen.

(5) Natürliche Personen, die am 21. Juni 1948 neben der schweizerischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit besessen und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Lastenausgleichsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland gehabt haben, unterliegen mit dem in der Schweiz belegenen, in Absatz 2, ht. a bis c, genannten Vermögen nicht der Vermögensabgabe.

Artikel 3 (1) Natürliche Personen, die am 21. Juni 1948 die deutsche oder die schweizerische Staatsangehörigkeit
besessen und ihren Wohnsitz im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens in der Schweiz gehabt haben, worden zur beschränkten Abgabepflicht bei der Vermögensabgabe nicht herangezogen:

618 a. mit Forderungen, die durch in der Bundesrepublik Deutschland helegene Grundstücke grundpfändlich sichergestellt waren; fc. mit Urheberrechten, die in der Bundesrepublik Deutschland in ein dafür bestimmtes Buch oder Eegister eingetragen waren und die nicht zum Vermögen einer dort belegenon Betriebsstätte gehörten; c. mit sonstigen beweglichen Vermögenswerten, für welche das Doppelbesteuerungsabkommen das Besteuerungsrecht dem Wohnsitzstaate des Eigentümers zuweist.

(2) Entsprechendes gilt für die nach deutschem Eecht selbständig abgabepflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach schweizerischem Eecht errichtet worden sind und am 21. Juni 1948 ihren Wohnsitz im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens in der Schweiz gehabt haben.

Artikel 4 In Fällen, in denen die Auslegung oder Anwendung dieses Zusatzprotokolls zu Schwierigkeiten führt oder zu Zweifeln Anlass gibt, werden sich die obersten Verwaltungsbehörden der beiden Vertragsstaaten verständigen.

Artikel 5 Dieses Zusatzprotokoll berührt nicht das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaf t und der Bundesrepublik Deutschland zum deutschen Lastenausgleich vom 26. August 1952.

Artikel 6 (1) Dieses Zusatzprotokoll gilt auch für das Land Berlin, sofern nicht die Regierung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber dem Schweizerischen Bundesrat innerhalb von 8 Monaten nach Inkrafttreten des Zusatzprotokolls eine gegenteilige Erklärung abgibt. Soweit in diesem Zusatzprotokoll Bezug genommen wird auf die Bundesrepublik Deutschland, gilt das Land Berlin als eingeschlossen.

(2) Das Land Berlin umfasst für die Zwecke dieses Zusatzprotokolls die Gebiete, über welche der Senat von Berlin hoheitliche Befugnisse ausübt.

(3) An die Stelle des 21. Juni 1948 tritt, soweit nicht eine DM-Eröffnungsbilanz auf den 21. Juni 1948 vorhegt, der l. April 1949 a. bei Abgabepflichtigen, die am 21. Juni 1948 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Lastenausgleichsgesetzes im Land Berlin · hatten für die Zwecke des Artikels 2, Absätze 2 bis 4, sowie für die Frage der Belegenheit in Artikel 2, Absatz 5, 6. bei beschränkt Abgabepflichtigen mit Vermögen im Land Berlin für die Anwendung des Artikels 3.

619 Artikel 7 Dieses Zusatzprotokoll soll ratifiziert und die Katifikationsurkunden sollen baldmöglichst in Bern ausgetauscht werden; es tritt einen Monat nach dem Tag des Austausches der Batifikationsurkunden in Kraft.

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig Bevollmächtigten dieses Zusatzprotokoll unterzeichnet.

Geschehen zu Bonn am 6. Juli 1956 in doppelter Urschrift.

Für die Schweizerische Eidgenossenschaft : (gez.) Huber (gez.) Bebsamen

Pur die Bundesrepublik Deutschland : (gez.) Hallstein (gez.) Mersmann

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Verhandlunggprotokoll zum

Zusatzprotokoll zum Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Deutschen Reich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftssteuern vom 15. Juli 1931

Zwischen einer schweizerischen und einer deutschen Delegation wurde über das vorgenannte Zusatzprotokoll vom 16. bis 23.März 1955 in Bern verhandelt.

Die Verhandlungen ergaben Übereinstimmung darüber, dass ein Zusatzprotokoll zum Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Deutschen Eeich auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftssteuern vom 15. Juli 1981 abgeschlossen werden soll.

Bezüglich der Auslegung des Zusatzprotokolls wurde folgendes vereinbart ; Zu Artikel 2: Vermögenswerte in der Schweiz, die gemäss Artikel S oder 6 des Abkommens vom 26. August 1952 über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz ohne Leistung eines Beitrags frei geworden sind oder frei werden, unterliegen nicht der Vermögensabgabe (§ 3, Abs.l, des Gesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 7.März 1958). Juristische Personen des privaten und öffentlichen Bechts, die ihren Sitz oder den Ort ihrer geschäftlichen Tätigkeit oder Leitung in der Bundesrepublik Deutschland oder im Land Berlin gehabt haben, an denen schweizerische Staatsangehörige mit mehr als 50 Prozent direkt oder indirekt beteiligt waren, und die einen Antrag auf Befreiung von der Leistung des freiwilligen Beitrags nicht oder nicht rechtzeitig gestellt haben, mussten den freiwilligen Beitrag leisten. Wurde der freiwillige Beitrag nicht geleistet, so unterhegen sie der Ersatzvermögensabgabe bzw. der Vermögensabgabe.

Es besteht Übereinstimmung, dass in den vorgenannten Fällen, in denen die materiellen Voraussetzungen für die Befreiung von der Leistung des freiwilligen Beitrags nach Artikel 5 des Abkommens über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz vorliegen, die Bundesrepublik Deutschland die Befreiung von der Heranziehung zur Ersatzvermögensabgabe bzw. Vermögensabgabe im Billigkeitswege in vollem Umfange gewähren wird. Betrug die direkte oder indirekte schweizerische Beteiligung mehr als 25 Prozent, überstieg sie aber nicht 50 Prozent, so wird, wenn die besonderen Umstände des einzelnen Falles

621 es rechtfertigen, eine teilweise Befreiung von der Heranziehung zur Ersatzvermögensabgabe bzw. Vermögensabgabe gewährt.

Das gleiche gilt für Familienstiftungen,, an denen schweizerische Begünstigte beteiligt sind (Hinweis auf Art.5, Abs.1, Nr.2, lit.e, und Abs.2 des Abkommens über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz).

Zu Artikel 4: Im Verständigungsverfahren können auch Zweifelsfragen behandelt werden, die sich aus den Bestimmungen des Lastenausgleichsgesetzes über die Währungsgewinnabgaben ergeben.

Zu Artikel?: Es besteht Übereinstimmung darüber, dass die Bestimmungen der Artikel 2 bis G des Zusatzprotokolls rückwirkend auf alle Tatbestände Anwendung finden, auf die das Lastenausgleichsgesetz anzuwenden ist.

In doppelter Urschrift ausgefertigt.

Bonn, den 6.Juli 1956.

Für die schweizerische Delegation:

Für die deutsche Delegation:

(gez.) Rebsamen

(gez.) Mersmann

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Genehmigung eines die deutschen Lastenausgleichsabgaben betreffenden Zusatzprotokolls zum schweizerischdeutschen Doppelbesteuerungsabkommen (Vom 2. November 1956)

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08.11.1956

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609-621

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