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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines neuen Verantwortlichkeitsgesetzes (Vom 29. Juni 1956)

Herr Präsident! .

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen den Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz) zu unterbreiten.

I. Die Haftung für Schaden nach den Grundsätzen des geltenden Rechts Nach Artikel 117 der Bundesverfassung sind die Beamten der Eidgenossenschaft für ihre Geschäftsführung verantwortlich; ein Bundesgesetz hat diese Verantwortlichkeit näher zu bestimmen. Die gleiche Vorschrift war bereits in Artikel 110 der Bundesverfassung vom 12. Herbstmonat 1848 enthalten.

Das auf Grund der Verfassung von 1848 erlassene Bundesgesetz vom 9.Dezember 1850 über die Verantwortlichkeit der eidgenössischen Behörden und Beamten, kurz Verantwortlichkeitsgesetz genannt, hat die grundsätzliche Regelung dahin getroffen, dass der Bund für den Schaden, den Dritte als Folge rechtswidriger Amtsführung seiner Beamten erleiden, nicht haftet. Der Geschädigte kann sich nur an den Beamten halten. Dabei muss er die Klage gegen den Beamten vorerst beim Bundesrat anbringen und um dessen Zustimmung nachsuchen. Verweigert der Bundesrat die Zustimmung, so kann der Geschädigte den Zivilprozess gleichwohl durchführen, aber erst nachdem er für die zu erwartenden Kosten eine Kaution geleistet hat, deren Höhe das Bundesgericht bestimmt.

Der Bund selber kann nach dem Verantwortlichkeitsgesetz von 1850 nur in Ausnahmefällen belangt werden, nämlich dann, wenn die Bundesversammlung die Zivilklage gegenüber von ihr gewählten Behörden und Beamten (d. h.

1894 Magistratspersonen) nicht zulässt, mit andern Worten ein dahinzielendes Begehren nicht erheblich erklärt. Der letzte derartige Fall, mit dem sich die Bundesversammlung zu befassen hatte, betraf die Verantwortlichkeitsklage Schoenemann gegen einige ehemalige und amtierende Mitglieder des Bundesrates (vgl. BGE 81 I 159 ff.).

Eine weitere Ausnahme sieht das Verantwortlichkeitsgesetz insofern vor, als die Eidgenossenschaft für den Ausfall einzustehen hat, wenn einzelne Mitglieder der eidgenössischen vollziehenden oder der richterlichen Behörden für verursachten Schaden zwar verantwortlich erklärt wurden, jedoch den Schaden nicht selber zu ersetzen vermögen.

Grundsätzlich besteht also nach heutigem Verantwortlichkeitsgesetz keine Haftung des Bundes für die vermögensrechtlichen Polgen fehlerhafter Amtshandlungen seiner Beamten. Eine derartige Haftung besteht nur, wo sie in einer gesetzlichen Vorschrift ausdrücklich vorgesehen ist (BGE 47 II 505; 68 II 217, Erw. 8; 77 I 95, Erw. 2; Burckhardt-Salis, II.Band, S. 815 ff.).

Die geschilderte Kegelung gilt überall, wo der Bund als Träger der staatlichen Hoheitsgewalt auftritt. Wenn auch das Gesetz keinen Vorbehalt macht, wurde doch nie bezweifelt, dass der Bund als Fiskus, wo er sich zur Erfüllung seiner Zwecke der Formen des Privatrechts bedient, auch dem Privatrecht unterstellt ist; in diesen Fällen richtet sich die Haftung des Bundes nach den Bestimmungen des Zivilrechts (BGE 47 II150/151; Burckhardt-Salis, II. Band, Nr. 556, VII; Eeichlin, Von der Schadenersatzpflicht der Beamten und des Staates, in «Schweiz. Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung», 86. Jg. (1985), S. 98/99, Separatausgabe als Heft 29 der Beiträge zur schweizerischen Verwaltungskunde, S. 14/15).

Auf dem Gebiet des öffentlichen Eechts ist der Bund nach geltendem Gesetz von der Haftung für die vermögensrechtlichen Folgen fehlerhafter Handlungen seiner Bediensteten weitgehend entlastet; denn die Fälle, wo der Geschädigte sich nicht an den Bund halten kann, sind die häufigsten, weil eben für die Schädigung durch einen vom Bundesrat oder einer ihm nachgeordneten Amtsstelle ernannten Beamten keine Haftung des Bundes, ja nicht einmal ein Einstehen für den Ausfall bei Leistungsunmöglichkeit seitens des Beamten vorgesehen ist.

u. Kritik des geltenden Rechts Seit dem Erlass des
Verantwortlichkeitsgesetzes von 1850 hat sich die Auffassung über das Verhältnis des Staates zu den Bürgern gewandelt. Wo der Staat kraft seiner Hoheitsgewalt auftrat, durfte er nach früherer Auffassung, von Ausnahmefällen (z.B. Expropriation) abgesehen, die Staatsgewalt ausüben, ohne für entstehende Nachteile Entschädigung zu schulden, und zwar galt diese Auffassung nicht nur, für rechtmässig zugefügte Nachteile, sondern auch für Schädigungen, die von Beamten in vorschriftswidriger Weise verursacht wurden. Der Staat begnügte sich damit, den Geschädigten auf die Klage gegen den fehlbaren Beamten zu verweisen.

1395 Mit dieser Auffassung findet man sich heute nicht mehr ab. Als besonders ungerecht wird empfunden, dass sogar widerrechtliche Schädigungen des Bürgers diesem keinen Anspruch auf Entschädigung seitens des Staates geben sollen. Vor allem der Schweizerische Juristenverein postulierte eine neue Gesetzgebung, nach welcher Staat und Gemeinden für den Schaden haftbar gemacht werden sollen, den die Beamten in ihrer öffentlichrechtlichen Stellung einem Dritten widerrechtlicherweise zufügen; bereits 1888 wurde in diesem Sinne eine Besolution gefasst (ZSB n. F. Band 7, S. 481 ff.). Im Jahre 1912 erörterte der Schweizerische Juristenverein eine Totalrevision des Gesetzes von 1850 (ZSK n. F. Band 31, S. 745 ff.). Die Jahresversammlung des Schweizerischen Juristenvereins vom September 1953 behandelte neuerdings das Thema «Die Verantwortlichkeit der Beamten und die Schadenersatzpflicht des Staates in Bund und Kantonen»; Berichterstatter waren Prof. Kaufmann aus St. Gallen und Me Graff aus Lausanne (Verhandlungen des S JV Heft 2 von 1953, S. 206a ff.

und S. 383a ff.; ferner das Protokoll S. 534a ff.).

Auch von der Doktrin wird die Auffassung vertreten, dass das Verantwortlichkeitsrecht durch Einführung der Haftung des Bundes für seine Beamten zu ergänzen sei (vgl. u. a. Meiner und Giacometti, Schweiz. Bundesstaatsrecht S. 698; André Panchaud, A propos de la responsabilité extracontractuelle de la Confédération, in Semaine judiciaire, 73.Bd., S. 457 ff.; Euck, Schweiz. Staatsrecht, 2. Aufl., S. 109).

Durch ein Postulat des Herrn Nationalrat Perrin, La Chaux-de-Fonds, vom 19. September 1944, wurde der Bundesrat eingeladen, zu prüfen, ob es nicht angezeigt wäre, das Verantwortlichkeitsgesetz vom 9. Dezember 1850 zu revidieren, «um es mit der heute herrschenden Eechtsauffassung in Einklang zu bringen; insbesondere aber, um die Verantwortlichkeit der Eidgenossenschaft bei unerlaubten Handlungen von Beamten festzulegen». Dieses Postulat wurde vom Nationalrat am 28. September 1945 angenommen, jedoch 1953 abgeschrieben, weil es mehr als vier Jahre unerledigt geblieben war (Geschäftsbericht 1952, S. 76). Inzwischen hatte Herr Perrin am 17. Dezember 1951 bereits einen neuen Vorstoss unternommen und eine Motion eingereicht. Durch diese wird der Bundesrat eingeladen, «den eidgenössischen Bäten einen Gesetzesentwurf
betreffend die Eevision des Bundesgesetzes vom 9. Dezember 1850 über die Verantwortlichkeit der eidgenössischen Behörden und Beamten zu unterbreiten, durch welchen dieses Gesetz der heutigen Eechtsauffassung angepasst werden soll». Die Motion wurde vom Nationalrat am 17. September 1952 und vom Ständerat am I.Oktober gleichen Jahres erheblich erklärt.

Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass das Verantwortlichkeitsrecht des Bundes nicht auf dem Stand von 1850 stehengeblieben ist. Vielmehr wurde in einigen Spezialgesetzen' eine Haftung des Bundes für Schäden aus widerrechtlicher Amtsführung der Beamten eingeführt, so in Artikel 27 des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1902 betreffend die elektrischen Schwachund Starkstromanlagen (BS 4, 766), in Artikel l des Bundesgesetzes vom 28. März 1905 betreffend die Haftpflicht der Eisenbahn- und Dampf schiff ahrts-

1896 v

Unternehmungen und der Post (BS 2, 810), weiter in Artikel 27 und 28 der Militärorganisation vom 12.April 1907 (BS 5, S), sodann in beschränktem Masse in Artikel 85-37 des Telegraphen- und Telephonverkehrsgesetzes vom 14.Oktober 1922 (BS 7, 867) und in Artikel 44 ff. des Postverkehrsgesetzes vom 2.Oktober 1924 (BS 7, 754). Als Beispiele aus neuerer Zeit nennen wir Artikel 70 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (BS 8, 447) sowie Artikel 11 des Seeschiffahrtsgesetzes vom 28. September 1958 (in der AS noch nicht veröffentlicht, vgl.

BEI 1953, III, 169).

Einige Kantone sind dem Bund vorangegangen und haben den Geschädigten besser gestellt, als dies der Bund tut, sei es, dass der Staat direkt haftbar erklärt wird (so Genf, Gesetz vom 23.Mai 1900; Neuenburg, Gesetz vom 2. Dezember 1908; Waadt, Gesetz vom 29.November 1904; Aargau, Gesetz vom 21. Dezember 1989; Graubünden, Gesetz vom 29. Oktober 1944), sei es durch Einräumung eines Wahlrechts an den Geschädigten, entweder gegen den Kanton oder gegen den Beamten zu klagen (so Basel-Stadt, Gesetz vom 25. November 1926; Glarus, Gesetz vom 5.Mai 1946) oder schliesslicb dadurch, dass der Staat sich für den Ausfall haftbar erklärt, wenn der haftbare Beamte den Schaden nicht zu decken vermag (so Zug, Gesetz vom 29.Dezember 1981; Bern, Gesetz vom 7.Februar 1954; in den Kantonen Uri, Solothurn und Wallis ist die subsidiäre Haftbarkeit des Staates in der kantonalen Verfassung vorgesehen).

m. Die Voiarbeiten zu einem neuen Gesetz Wenn sich der Bundesgesetzgeber, wie erwähnt, im Laufe der Zeit in einigen Spezialgesetzen der neueren Anschauung angepasst und eine primäre Staatshaftung vorgesehen hat, so kann doch kein Zweifel darüber bestehen, dass eine befriedigende Gesamtlösung nur durch eine Totalrevision des Verantwortlichkeitsgesetzes getroffen werden kann. Nur so kann auch die Ungleichheit und Unbilligkeit beseitigt werden, die darin besteht, dass ein geschädigter Dritter bald den Bund und bald nur den Beamten belangen kann, je nachdem gerade ein neueres Spezialgesetz angerufen werden kann, oder die Verantwortlichkeit sich noch nach dem Gesetz vom 9. Dezember 1850 richtet.

Der erste Auftrag zur Ausarbeitung eines Vorentwurfes wurde Herrn alt Bundesrichter Dr. J.Hablützel erteilt, der seine Arbeit im August
1952 vorlegte; dieser Vorentwurf konnte von den Referenten am Juristentag vom September 1953 benützt werden (Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins, Heft 2 von 1953, S. 878a-880a). Der Vorentwurf Hablützel wurde dem Schweizerischen Bundesgericht und den Departementen zur Stellungnahme unterbreitet, worauf die eidgenössische Justizabteilung zunächst einen Teilentwurf ausarbeitete, um in Verbindung mit den Departementen vorab die beiden Hauptprobleme, die strafrechtliche und die vermögensrechtliche Verantwortlichkeit, abzuklären; auch dem Schweizerischen Anwaltsverband und dem Schweizerischen Juristenverein wurde Gelegenheit gegeben, sich zu diesem Teilentwurf vom 5. Juni 1954 zu äussern.

1897 Nach der internen Überarbeitung der Materialien konnte dem Bundesgericht, den Departementen sowie den verschiedenen Verbänden, die dafür Interesse bekundet hatten, am S.Oktober 1955 ein neuer Vorentwurf der Justizabteilung vorgelegt werden. Auf Grund der Stellungnahmen zum Vorentwurf vom 5. Oktober 1955 wurde der bundesrätliche Entwurf ausgearbeitet.

IV. Die Grundzüge des Entwurfes 1. Als wichtigste Neuerung sieht der Entwurf vor, dass in Zukunft der Bund die Haftung für den Schaden übernimmt, den einer seiner Beamten einem Dritten in widerrechtlicher Weise zufügt. Ein Verschulden des Beamten wird für die Haftung des Bundes nicht verlangt. Wohl aber spielt das Verschulden des Beamten eine Eolle für den Eückgriff des Bundes auf ihn.

Mit der Übernahme der Haftung durch den Bund entfällt das heute noch notwendige -Vorverfahren vor der Bundesversammlung oder vor dem Bundesrat, um die Ermächtigung zur Einreichung einer Zivilklage zu erhalten. Der Geschädigte hat stets gegen den Bund zu klagen. Gegenüber dem fehlbaren Bediensteten besteht kein Anspruch. Der Geschädigte braucht darum auch nicht mehr danach zu forschen, welchen Beamten eine Verantwortung trifft.

Der Kläger hat lediglich die Widerrechtlichkeit, den Schaden und den Kausalzusammenhang nachzuweisen; dagegen braucht er kein Verschulden eines Beamten mehr zu beweisen. Damit erübrigt sich auch eine Bestimmung, wonach der Bund aus Billigkeit eine Entschädigung zu leisten hat, wenn ein Beamter einem Dritten in Ausübung der amtlichen Tätigkeit zwar widerrechtlich, jedoch ohne Verschulden (z. B. aus entschuldbarem Irrtum, mangels Urteilsfähigkeit), einen bedeutenden Schaden zufügt.

Der Schweizerische Juristenverein stimmte am 14. September 1958 einer Besolution zu, die nicht nur primäre Haftung des Bundes bei widerrechtlicher Schädigung und unabhängig von einem persönlichen Verschulden der Amtsträger verlangt, sondern erklärt: «Der Gesetzgeber muss auch die Haftung des Bundes für Schädigungen aus gesetzmässigen Amtshandlungen erheblich erweitern» (Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins, Heft 8 von 1958, S. 568a). An der erwähnten Jahresversammlung war ausgeführt worden (loc.

cit. S. 585a/536a), ausnahmsweise müsse der Staat auch bei gesetzmässigen Staatsakten für den durch sie verursachten Schaden aufkommen, nämlich: o. nach dem
bereits anerkannten Legalitätsprinzip, also wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht; b. wenn ein gesetzmässiger Staatsakt einen einzelnen Bürger oder einen kleinen Kreis von Personen aussergewöhnlich schwer trifft.

Lit. a veranlasst keine weiteren Erörterungen, hingegen lit. b, in deren Sinn auch der Schweizerische Anwaltsyerband Stellung bezogen hat.

Zur Begründung des Postulates b wird geltend gemacht, der Bürger habe die Polgen einer mangelhaften und unzulänglichen öffentlich-rechtlichen Ordnung der Entschädigungsansprüche bei staatlichen Eingriffen zu tragen; diese

1898 Unvollständigkeit sei auch vom Bundesgericht schon festgestellt worden, so im Zusammenhang mit der Verantwortlichkeit des Gemeinwesens als Werk- und Grundeigentümer (BGE 76, II, 129 ff. und 215 ff.) bei der sogenannten materiellen Enteignung (BGE 69, I, 234 ff.). Ferner wurde verwiesen auf Imboden: «Das Gesetz als Garantie rechtsstaatlicher Verwaltung», S. 24 ff.

Wir halten dafür, dass diesem Begehren jedenfalls im Verantwortlichkeitsgesetz nicht zu entsprechen, sondern beim Legalitätsprinzip zu verbleiben sei.

Artikel 117 der Bundesverfassung dürfte auch kaum als Verfassungsgrundlage zu einer so generellen gesetzlichen Ordnung angesehen werden, spricht doch dieser Artikel nur von der Verantwortlichkeit der eidgenössischen Beamten für ihre Geschäftsführung, so dass bereits die Einführung der primären Staatshaftung mit blossem Eegressrecht des Bundes auf den fehlbaren Beamten, vom Standpunkt der Verfassung aus betrachtet, sehr weit geht. Es wird Sache des Gesetzgebers sein, beim Erlass neuer Bestimmungen, die dazu führen könnten, dass durch gesetzmässigen Staatsakt jemandem wesentliche Nachteile zugefügt werden, von Fall zu Fall auch darüber zu legiferieren, ob und inwieweit einem Geschädigten Ersatz zu leisten sei; wo im bestehenden Eecht Lücken bestehen, kann sie ebenfalls der« Gesetzgeber durch Novellen ausfüllen. Dass aber generell jeder gesetzmässige Staatsakt zu einer Schadenersatzpflicht des Staates führen soll, wenn ein Bürger aussergewöhnlich schwer getroffen wird, geht gewiss ,zu weit, kann doch unter Umständen schon das Aufgebot eines Wehrmannes diesen besonders schwer treffen, oder z.B. ein gerichtliches Urteil, wobei man keineswegs bloss an strafgerichtliche Veurteilungen zu denken braucht.

2. Hinsichtlich der strafrechtlichen Verantwortlichkeit wird ein Ermächtigungsverfahren beibehalten. Den neueren Auffassungen über den Bechtsstaat entsprechend ist jedoch vorgesehen, dass der Entscheid des Bundesgerichtes angerufen werden kann, wenn das als erste Instanz vorgesehene Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement die Ermächtigung zu einer Strafverfolgung verweigert. Man wird so den Bundesverwaltungsbehörden nicht mehr vorhalten können, dass sie «in eigener Sache» über die Zulassung eines Strafverfahrens entscheiden.

Wenn hier ein Ermächtigungsverfahren beibehalten wird, so
geschieht dies vor allem im Interesse eines reibungslosen Ganges der Verwaltung, die mit dem Beamten vor trölerischen Störungen und Behinderungen geschützt werden muss.

8. Die disziplinarische Verantwortlichkeit wird mehr der Vollständigkeit halber erwähnt. Das neue Gesetz will die in den speziellen Erlassen, wie insbesondere Beamtengesetz, Beamtenordnungen, Angestelltenordnung und Arbeiterordnung, enthaltenen Vorschriften nicht abändern.

4. Zum Geltungsbereich ist zu bemerken, dass das neue Gesetz naturgemäss für alle Bundesbeamten gilt; als solcher gilt, wer nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten die Eigenschaft eines Beamten besitzt. Weiter gilt das Gesetz für alle Angestellten und Arbeiter, aber auch, wie schon der Titel sagt, für die Behördemitglieder, d. h. für die

1899 Mitglieder der eidgenössischen Bäte und für die Magistratspersonen: Bundesräte, Mitglieder und Ersatzmänner der Eidgenössischen Gerichte sowie der ausser dieser Gerichte und ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden Kommissionen, ferner für den Bundeskanzler und insbesondere für das Auslandspersonal des Bundes.

Nicht erfasst werden selbstverständlich alle kantonalen und kommunalen Funktionäre, die mit der Durchführung bundesrechtlicher Aufgaben betraut sind.

Wichtig ist dagegen, dass in den Geltungsbereich auch alle Organisationen, Verbände, Syndikate usw. und deren Personal einbezogen werden, die der Bund mit besonderen Aufgaben betraut, obgleich sie ausserhalb der ordentlichen Verwaltung stehen. Wir erinnern an den Beizug solcher Organisationen für die Durchführung kriegswirtschaftlicher Aufgaben und an das Strafverfahren gegen einen Angestellten der «Cibaria» (BGÈ 71, IV, 139 ff.).

V. Bemerkungen zu einzelnen Artikeln Nach der Darlegung der Grundzüge des Entwurfes sind zu einzelnen Bestimmungen noch die folgenden Erläuterungen anzubringen.

Artikel 2. Der Entwurf spricht im allgemeinen von Beamten. Diese Bezeichnung trifft nicht zu auf die Mitglieder des National- und des Ständerates und auf die Magistratspersonen, auch nicht auf die Botschafter und Gesandten, ebensowenig auf andere Personen, die zwar öffentlich-rechtliche Aufgaben des Bundes erfüllen, ohne jedoch zu ihm in einem Dienstverhältnis zu stehen. Eine Bezeichnung, die alle diese Kategorien umfasst, dürfte schwerlich zu finden sein. Deshalb spricht der Entwurf von Beamten und erklärt hier, dass die für die Beamten geltenden Bestimmungen auch für alle andern in Artikel l aufgezählten Personen Geltung haben, soweit nicht besondere Vorschriften aufgestellt werden, wie z. B. in Artikel 2, Absätze 2 und 3, in Artikel 12 und Artikel 17.

Artikel 3. Hier ist der neue Grundsatz der primären Staatshaftung aufgestellt. Dem Dritten wird zugemutet, dass er einer schädigenden Handlung oder Unterlassung nicht gleichgültig zusieht, sondern die ihm zur Verfügung stehenden Bechtsmittel benützt, sich also z. B. gegen einen Beamten beschwert, von dem er sich widerrechtlich behandelt glaubt.

Dass allen Verfügungen und Entscheidungen eine Bechtsmittelbelehrung beizufügen ist, wie vereinzelt angeregt wurde, gehört nicht in das Verantwortlichkeitsgesetz;
sondern diese Bestimmung wird ihren Platz im kommenden Verwaltungsrechtspflegegesetz erhalten.

Damit der Beamte rechtzeitig seine Beweismittel für ein allfälliges Bückgriffsverfahren sichern kann, wird vorgesehen, dass der Bund ihn sofort benachrichtigen muss, sobald ein Schadenersatzbegehren gestellt wird, bei dem ein Bückgriff in Frage kommen kann.

1400 Artikel 4 und 5. Diese Bestimmungen lehnen sich an das Obligationenrecht an, jedoch grundsätzlich unter Weglassung des Verschuldensmomentes. Das Verschulden des Beamten fällt nur noch in Betracht, wenn vom Bund nicht bloss Schadenersatz, sondern darüber hinaus Genugtuung gefordert wird.

Artikel 6. Im Gegensatz zu der Haftung des Bundes gegenüber dem geschädigten Dritten, ist der Bückgriff auf den Beamten nur zulässig, wenn er absichtlich oder grob fahrlässig gehandelt hat; eine leichte Fahrlässigkeit genügt nicht. Die Bestimmung will verhüten, dass die Initiative und die Entschlussfähigkeit des Beamten gelähmt werden. Er soll nicht stets befürchten, für Schaden aufkommen zu müssen, wenn ihm auch nur eine leichte Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann. Für den Beamten gilt nicht «in dubio abstine» (Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, 8. Aufl., I.Band, S. 188). Auch im Zweifel muss der Beamte unter Umständen handeln und eine Verfügung treffen, um allenfalls grössere Nachteile zu verhüten und das staatliche Interesse zu wahren, wie das seine Dienstpflicht verlangt.

Wenn der Bundesrat das Verschulden des Beamten nicht als leichte Fahrlässigkeit betrachtet und ihn infolgedessen zum Ersatz der geleisteten Entschädigung anhalten will, so ist der Eicbter, d.h. nach Artikel 8 das Bundesgericht, an die Auffassung des Bundesrates über das Verschulden keineswegs gebunden. Vielmehr kann der Bichter statt auf Absicht oder grobe Fahrlässigkeit nur auf grobe Fahrlässigkeit oder auf leichte Fahrlässigkeit erkennen und im letzteren Falle den Begressanspruch des Bundes gänzlich abweisen.

Hat der Bund mit dem Geschädigten einen Vergleich geschlossen oder die Schadenersatzpflicht ohne Urteil anerkannt, so ist dem Beamten unbenommen, im Begressprozess auch die Widerrechtlichkeit der vom Dritten behaupteten Schädigung zu bestreiten, und der Bichter wird diese Frage zu beurteilen haben.

Artikel 7. Wo der Beamte den Bund unmittelbar schädigt, rechtfertigt es sich, die Schadenersatzpflicht nicht nur bei Vorsatz, sondern grundsätzlich auch bei jeder Fahrlässigkeit vorzusehen. Dabei bleibt dem Bund überlassen, den Beamten ïiicht schon für jede kleinste Unachtsamkeit haftbar zu machen.

Es darf wohl der Praxis überlassen werden, hier einen vernünftigen Maßstab zu finden.

Artikel 8. Absatz l entspricht geltendem
Becht (Art. 110 des BG über die Organisation der Bundesrechtspflege).

Zu Absatz 2 wird der Bundesrat gestützt auf Artikel 22 bestimmen, welche Instanzen Ansprüche anerkennen oder bestreiten dürfen, wobei an eine endgültige Entscheidung der Abteilungen oder der Departemente je nach der Höhe des Streitwertes zu denken ist. Sollte eine Entscheidung seitens der Verwaltung mehr als sechs Monate auf sich warten lassen, so steht dem Kläger der Weg an das Bundesgericht ohne weiteres offen.

Artikel 9. Wo der Bund als Bechtssubjekt des Privatrechts auftritt, wo er also z. B. eine von ihm nicht benötigte Wohnung eines Dienstgebäudes einem Dritten vermietet, wo er Altmaterial verkauft, wo er ein Pferd des Hengsten-

1401 dépôts weidet, sollen die Bestimmungen des Obligationenrechts über Miete, Kauf und Tierhalterhaftung gegenüber dem Bund in gleicher Weise gelten, wie wenn er ein Privater wäre.

Artikel 10. Schon heute wird gelegentlich von einem Bürger versucht, eine ihm unbequeme, aber rechtskräftig gewordene Verfügung oder Entscheidung auf dem Umweg über ein Verantwortlichkeitsverfahren anzugreifen. Solchen Missbräuchen will Artikel 10 begegnen. Was formell rechtskräftig ist, muss als rechtmässig gelten. Andernfalls könnten auch die letztinstanzlichen Urteile z.B.

des Bundesgerichts stets in Zweifel gezogen werden, indem man behauptet, sie seien widerrechtlich und hätten Schaden zur Folge gehabt. Die Möglichkeiten, gegen Entscheide unterer Instanzen Eechtsmittel zu ergreifen und gegenüber letztinstanzlichen Entscheiden nach geltendem Eecht Bevisionsbegehren und Wiedererwägungsgesuche einzureichen, gewähren die nötigen Garantien.

Was darüber hinausgeht, verdient keinen Bechtsschutz.

In Artikel 12 wird eine spezielle Ordnung für den Fall getroffen, dass die Strafverfolgung eines Parlamentsmitgliedes oder eines von der Bundesversammlung gewählten Magistraten verlangt wird. Sollte je ein Magistrat dem Strafrichter überwiesen werden müssen, so besteht nach dem Entwurf die Möglichkeit, auf alle Fälle das Bundesgericht urteilen zu lassen und nicht den Strafrichter des Kantons oder des Bezirks, der möglicherweise an sich zuständig wäre ; auch soll dann vor dem Bundesstrafgericht ein ausserordentlicher, und zwar ein von der Bundesversammlung zu ernennender Bundesanwalt die Anklage vertreten und nicht der ordentliche, vom Bundesrat gewählte Bundesanwalt.

Artikel 13. Die Ausnahme in Absatz l wegen Widerhandlungen im Strassenverkehr entspricht bereits geltendem Eecht (Art. 67 MFG, BS 7, 611).

Zu Absatz 8 ist zu bemerken, dass der Beamte unter Umständen durch eine disziplinarische Bestrafung, wie vorübergehende Einstellung im Amt mit Kürzung der Besoldung, Eückversetzung, Versetzung in das Provisorium, praktisch härter bestraft wird, als wenn ihn der Eichter zwar zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, jedoch den bedingten Vollzug gewährt. Andererseits darf der Beamte gegenüber dem Privaten, der eine strafbare Handlung begeht, nicht tatsächlich privilegiert werden. Darum soll die Ermächtigung zu einer Strafverfolgung
nur verweigert werden dürfen, wenn es sich um einen leichten Fall handelt, und zudem unter Berücksichtigung aller Umstände die disziplinarische Bestrafung des Täters als genügende Ahndung betrachtet werden muss.

Gegen die Zulassung der Ermächtigung ist kein Eechtsmittel gegeben.

Der dem Strafrichter überwiesene Beamte kann sich im Strafprozess verteidigen; damit, dass das Verfahren zugelassen wird, steht eine Verurteilung noch keineswegs fest.

Dagegen muss gegen die Ablehnung der Ermächtigung ein Eechtsmittel zugelassen werden, und zwar an das Bundesgericht (vgl. die Ausführungen unter IV, Ziffer 2, hievor). Da der Beschwerdeführer gemäss Artikel 104, Absatz l des Organisationsgesetzes mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur

1402 eine Verletzung von Bundesrecht geltend machen könnte, ist es notwendig, zu bestimmen, dass das Bundesgericht auch die Angemessenheit des die Ermächtigung verweigernden Entscheides überprüfen kann. Somit wird das Bundesgericht auch letztinstanzlich entscheiden, ob eine disziplinarische Bestrafung eines Beamten als genügende Sühne erscheint und ob es sich um einen leichten Fall iin Sinne von Absatz 8 handelt.

In Absatz 6 wird das Opportunitätsprinzip vorbehalten, welches im Bundesstrafprozess für die Verfolgung politischer Vergehen vorgesehen ist.

Artikel 14. Absatz l spricht von den eigentlichen, Absatz 2 von den uneigentlichen Amtsdelikten.

In Absatz 3 wird Artikel 4 des Strafgesetzbuches vorbehalten; dort wird bestimmt, dass dem Strafgesetzbuch auch unterworfen ist, wer im Ausland ein Verbrechen oder Vergehen gegen den Staat begeht. Da Absatz 2 von Artikel 14 die von einem Beamten im Ausland begangenen uneigentlichen Amtsdelikte generell nur dann nach schweizerischem Eecht strafbar erklärt, wenn die Tat auch am Begehungsort strafbar ist, muss Artikel 4 des StGB vorbehalten werden. Andernfalls könnte der Beamte für seine im Ausland gegen den schweizerischen Staat begangenen Delikte strafrechtlich nicht verfolgt werden, weil diese Delikte naturgemäss im Ausland nicht strafbar sind. Strafbar wäre der Beamte sonst nur, wenn sein Delikt gegen den Staat zugleich ein Amtsdelikt wäre.

Artikel 17. Wie bereits unter IV, Ziffer 4 ausgeführt, wird mit dieser Bestimmung eine Lücke des geltenden Eechts ausgefüllt und ausdrücklich auch die Verantwortlichkeit ausserhalb der Bundesverwaltung stehender Organisationen geregelt, insoweit diese Organisationen vom Bunde mit der Durchführung bestimmter Aufgaben (z.B. Durchführung von Kontingentierungen) betraut sind. Unter Organisationen sind sowohl Anstalten, wie die Schweizerische Unfallversicherungs-Anstalt, als auch öffentlich- und privatrechtliche Körperschaften und Organisationen der Wirtschaft (Verrechnungsstelle, Genossenschaft für Getreide und Futtermittel, Syndikate) zu verstehen.

Hier haftet in erster Linie die Organisation für den einem Dritten widerrechtlich zugefügten Schaden. Der Bund steht aber für einen allfälligen Ausfall bei der Schadensdeckung ein.

Artikel 24. Diese Übergangsbestimmung lässt die Vorteile der direkten Bundeshaftung
grundsätzlich auch schon demjenigen geschädigten Dritten zukommen, dem bereits vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes Schaden erwachsen ist. Nur im Falle, wo über die Ermächtigung zur Zulassung einer Zivilklage gegenüber einem Beamten auf Grund des Gesetzes vom 9. Dezember 1850 bereits entschieden worden ist, nimmt das Verfahren seinen Fortgang nach altem Eecht.

Für die übrigen, hier nicht besonders erwähnten Artikel des Entwurfes dürften spezielle Erläuterungen entbehrlich sein.

1403 Wir empfehlen Ihnen, den Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten anzunehmen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, sehr geehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 29.Juni 1956.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Feldmann Der Bundeskanzler: Ch. Oser

1404 (Entwurf)

Bundesgesetz über

die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 117 der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 29. Juni 1956, beschliesst: I. Abschnitt Geltungsbereich

Art. l Den Bestimmungen dieses Gesetzes unterstehen alle Personen, denen vom Bund die Ausübung eines öffentlichen Amtes übertragen ist, nämlich: a. die Mitglieder des National- und des Ständerates; b. die Mitglieder des Bundesrates und der Bundeskanzler; c. die Mitglieder und Ersatzmänner des Bundesgerichtes sowie des Eidgenössischen Versieb erungsgerichtes; d. die Mitglieder und Ersatzmänner ausserhalb der Eidgenössischen Gerichte und der Bundesverwaltung stehender Behörden und Kommissionen des Bundes; e. die Beamten und übrigen Arbeitskräfte des Bundes (Art. l und 62 des Bundesgesetzes über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten); /. alle andern Personen, insoweit sie mit öffentlichrechtlichen Aufgaben des Bundes betraut sind, ausgenommen die Angehörigen der Armee mit Bezug auf ihre militärische Stellung und ihre dienstlichen Pflichten sowie die Behörden und Beamten der Kantone, Bezirke und Gemeinden.

1405 Art. 2 Soweit dieses Gesetz nicht besondere Vorschriften enthält, gelten die Bestimmungen über die Beamten auch für alle übrigen in Artikel l genannten Personen.

2 Für ihre im Eat oder in einer parlamentarischen Kommission abgegebenen Voten können die Mitglieder des National- und .des Ständerates sowie des Bundesrates weder vermögensrechtlich noch strafrechtlich verantwortlich gemacht werden.

3 Im übrigen bleiben die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 26.März 1984*) über die politischen und polizeilichen Garantien zugunsten der Eidgenossenschaft vorbehalten.

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II. Abschnitt Die vermögensrechtliche Haftung

Art. 8 Für den Schaden, den ein Beamter in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich zufügt, haftet der Bund ohne Eücksicht ,auf das Verschulden des Beamten.

2 Die in Spezialerlassen enthaltenen Bestimmungen über eine beschränkte Haftung des Bundes bleiben vorbehalten.

3 Die Haftung besteht nicht, wenn der Geschädigte von Eechtsmitteln, die ihm gegen die schädigende Handlung oder Unterlassung zur Verfügung standen, keinen Gebrauch gemacht hat.

* Gegenüber dem Fehlbaren steht dem Geschädigten kein Anspruch zu.

5 Sobald ein Dritter vom Bund Schadenersatz begehrt, hat der Bund den Beamten, gegen den ein Eückgriff in Frage kommen kann, sofort zu benachrichtigen.

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Art. 4 Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt, so kann der Eichter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden.

2 Im Falle der Tötung eines Menschen sind die entstandenen Kosten, insbesondere diejenigen der Bestattung, zu ersetzen. Ist der Tod nicht sofort eingetreten, so muss namentlich auch für die Kosten der versuchten Heilung und für die Nachteile der Arbeitsunfähigkeit Ersatz geleistet werden. Haben andere Personen durch die Tötung ihren Versorger verloren, so ist auch, für diesen Schaden Ersatz zu leisten.

!) BS l, 152.

Bundesblatt. 108. Jahrg. Bd. I.

101 1

1406 Art. 5 1

Körperverletzung gibt dem Verletzten Anspruch auf Ersatz der Kosten sowie auf Entschädigung für die Nachteile gänzlicher oder teilweiser Arbeitsunfähigkeit, unter Berücksichtigung der Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens.

2 Sind im Zeitpunkte der Urteilsfällung die Folgen der Verletzung nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen, so kann der Eichter bis auf zwei Jahre, vom Tage des Urteils an gerechnet, dessen Änderung vorbehalten.

3 Bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung kann der Eichter unter Würdigung der besondern Umstände, sofern den Beamten ein Verschulden trifft, dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen.

4 Wer in seinen persönlichen Verhältnissen verletzt wird, hat Anspruch auf Schadenersatz und, wo die besondere Schwere der Verletzung und des Verschuldens des Beamten es rechtfertigt, auch auf Genugtuung.

Art. 6 Hat der Bund Ersatz geleistet, so steht ihm der Bückgriff auf den Beamten zu, der den Schaden vorsätzlich oder fahrlässig verursacht bat, und zwar auch nach Auflösung des Dienstverhältnisses.

2 Trifft den Beamten nur eine leichte Fahrlässigkeit, so ist er nicht ersatzpflichtig.

Art. 7 1 Der Beamte haftet dem Bund für den Schaden, den er ihm durch vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung seiner Dienstpflicht unmittelbar zufügt.

2 Auf den Anspruch des Bundes sind im übrigen die Bestimmungen des Obligationenrechts über die Entstehung von Obligationen durch unerlaubte Handlungen entsprechend anwendbar.

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Art. 8 Über streitige Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund aus diesem Gesetz urteilt das Bundesgericht als einzige Instanz im Sinne der Artikel 110 u. ff.

des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege.

2 Die Klage gegen den Bund darf beim Bundesgericht erst erhoben werden, nachdem die zuständige Amtsstelle zum Anspruch Stellung genommen oder innert sechs Monaten keine Erklärung abgegeben hat.

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Art. 9 Soweit der Bund als Subjekt des Zivilrechts auftritt, haftet er nach dessen Bestimmungen.

2 Auch in diesen Fällen steht dem Geschädigten kein Anspruch gegenüber dem fehlbaren Beamten zu.

3 Der Eückgriff des Bundes richtet.sich nach Artikel 6.

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1407 Art. 10 Die Eechtmässigkeit formell rechtskräftiger Verfügungen, Entscheide und Urteile kann nicht durch ein Verantwortlichkeitsverfahren überprüft werden.

III. Abschnitt Die strafrechtliche Verantwortlichkeit

Art. 11 Für die strafrechtliche Verfolgung von Beamten wegen Verübung von Verbrechen und Vergehen in ihrer amtlichen Stellung gelten die besonderen bundesrechtlichen Vorschriften.

2 Auf Beamte, die der Militärgerichtsbarkeit unterstehen, sind die Bestimmungen des Militärstrafgesetzes und der Militärstrafgerichtsordnung anzuwenden.

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Art. 12 Die Strafverfolgung von Mitgliedern des National- oder des Ständerates und von durch die Bundesversammlung gewählten Behördemitgliedern und Magistratspersonen wegen strafbarer Handlungen, die sich auf ihre amtliche Tätigkeit oder Stellung beziehen, bedarf einer Ermächtigung der Eidgenössischen Bäte.

2 Ist ein solcher Fall zu behandeln, so bestellt jeder der beiden Eäte eine Kommission zur Prüfung. Die Kommission stellt, nachdem sie dem Beschuldigten Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben hat, Antrag, ob die Ermächtigung zu erteilen oder zu verweigern sei.

3 Eichtet sich das Verfahren gegen ein Mitglied des National- oder des Ständerates, so kommt die Priorität demjenigen Eate zu, dem das Mitglied angehört.

4 Stimmen beide Eäte darin überein, dass die Ermächtigung zu erteilen ist, so beschliessen sie auch über die vorläufige Einstellung des Beschuldigten in seinem Amte. Wo es nach den Umständen des Falles gerechtfertigt erscheint, kann der Beschuldigte auch dann dem Bundesgericht überwiesen werden, wenn die strafbare Handlung der kantonalen Gerichtsbarkeit untersteht.

5 Wird die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt und der Fall dem Bundesgericht überwiesen, so ist durch die Bundesversammlung ein ausserordentlicher Bundesanwalt zu bezeichnen.

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Art. 13 Die Strafverfolgung von Beamten wegen strafbarer Handlungen, die sich auf ihre amtliche Tätigkeit oder Stellung beziehen, ausgenommen wegen Widerhandlungen im Strassenverkehr, bedarf einer Ermächtigung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements.

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1408 2 Kantonale Strafverfolgungsbehörden, bei denen solche Fälle angezeigt werden, haben unverzüglich um diese Ermächtigung nachzusuchen; es bleibt ihnen jedoch vorbehalten, dringliche sichernde Massnahmen zu treffen.

3 Erscheinen ein Straftatbestand und die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung als erfüllt, so darf die Ermächtigung nur in leichten Fällen und sofern nach allen Umständen die Tat durch eine disziplinarische Bestrafung des Fehlbaren als genügend geahndet erscheint, verweigert werden.

4 Der Entscheid, durch den die Ermächtigung erteilt wird, ist endgültig.

6 Gegen die Verweigerung der Ermächtigung ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig. Das Bundesgericbt kann auch die Angemessenheit des Entscheides überprüfen. Die Beschwerde steht dem Verletzten, der Bestrafung des Beamten verlangt, sowie dem öffentlichen Ankläger des Begehungskantons zu.

6 Artikel 105 des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege bleibt vorbehalten.

Art. 14 1

Begeht ein Beamter eine strafbare Handlung gegen die Amtspflicht (achtzehnter Titel des schweizerischen Strafgesetzbuches), so ist er dem schweizerischen Gesetz auch dann unterworfen, wenn die Tat im Ausland begangen wird.

2 Begeht ein Beamter im Ausland eine andere strafbare Handlung, die sich auf seine amtliche Tätigkeit oder Stellung bezieht, so ist er, wenn die Tat auch am Begehungsorte strafbar ist, dem schweizerischen Gesetz unterworfen; in diesem Falle findet jedoch Artikel 6, Ziffer 2, des Strafgesetzbuches entsprechende Anwendung.

3 Artikel 4 des Strafgesetzbuches bleibt vorbehalten.

IV. Abschnitt Die disziplinarische Verantwortlichkeit

Art. 15 Die disziplinarische Verantwortlichkeit der diesem Gesetz unterstellten Personen richtet sich nach den für sie geltenden besondern Bestimmungen.

Art.16 Die Haftung für Schaden und die strafrechtliche Verantwortlichkeit werden durch eine disziplinarische Bestrafung nicht berührt.

2 Wird neben der Disziplinaruntersuchung wegen der nämlichen Tatsache ein Strafverfahren durchgeführt, so ist in der Eegel der Entscheid über die disziplinarische Bestrafung bis nach Beendigung des Strafverfahrens auszusetzen.

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1409 V. Abschnitt

Die Verantwortlichkeit der mit Aufgaben des Bundes betrauten besonderen Organisationen und ihres Personals Art. 17 Fügt ein Organ oder ein Angestellter einer mit öffentlichrechtlichen Aufgaben des Bundes betrauten und ausserhalb der ordentlichen Bundesverwaltung stehenden Organisation in Ausübung der mit diesen Aufgaben verbundenen ' Tätigkeit Dritten oder dem Bund widerrechtlich Schaden zu, so finden folgende Bestimmungen Anwendung : a. Für den einem Dritten zugefügten Schaden haftet dem Geschädigten die Organisation nach Artikel 8-5. Soweit die Organisation die geschuldete Entschädigung nicht zu leisten vermag, haftet der Bund dem Geschädigten für den ungedeckten Betrag.

Der Eückgriff des Bundes und der Organisation gegenüber dem fehlbaren Organ oder Angestellten richtet sich nach Artikel 6.

b. Für den dem Bund zugefügten Schaden haften primär die fehlbaren Organe oder Angestellten und subsidiär die Organisation. Artikel 7 ist anwendbar.

2 Auf die strafrechtliche Verantwortlichkeit finden die Artikel 11 u. ff. dieses Gesetzes entsprechend Anwendung.

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VI. Abschnitt Verjährung und Verwirkung

Art. 18 Die Haftung des Bundes (Art. 3 ff.) erlischt, wenn der Geschädigte sein Begehren auf Schadenersatz oder Genugtuung nicht innert eines Jahres seit Kenntnis des Schadens einreicht, auf alle Fälle nach fünf Jahren seit dem Tage der schädigenden Handlung des Beamten. Diese Frist wird durch die Einreichung eines Kechtsmittels im Sinne von Artikel 8, Absatz 3, unterbrochen und ruht, solange -ein Bechtsmittelverfabren läuft.

2 Das Begehren ist der nach Artikel 8, Absatz 2, zuständigen Stelle einzureichen.

3 Bestreitet der Bund den Anspruch, so hat der Geschädigte bei Folge der Verwirkung innert sechs Monaten Klage einzureichen (Art. 8).

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Art. 19 Der Bückgriffsanspruch des Bundes gegen einen Beamten verjährt innert eines Jahres seit der Anerkennung oder der gerichtlichen Feststellung der Schadenersatzpflicht des Bundes, auf alle Fälle nach zehn Jahren seit dem Tage der schädigenden Handlung des Beamten.

1410 Art. 20 1

Die Verjährung der strafrechtlichen Verfolgung richtet sich nach den Bestimmungen des Straf rechts.

2 Die disziplinarische Verantwortlichkeit eines Beamten verjährt nach den speziellen Disziplinarbestimmungen, jedoch längstens ein Jahr nach Entdeckung des disziplinwidrigen Verhaltens, auf alle Fälle drei Jahre nach der letzten Verletzung der Dienstpflicht.

Art. 21 1

Der Schadenersatzanspruch des Bundes gegenüber einem Beamten aus Amtspflichtverletzung (Art. 7 und 17) verjährt innert eines Jahres, nachdem die zu dessen Geltendmachung zuständige Dienststelle oder Behörde vom Schaden Kenntnis erhalten hat, jedenfalls in fünf Jahren seit dem Tage der schädigenden Handlung des Beamten.

2 Wird jedoch der Schadenersatzanspruch aus einer strafbaren Handlung hergeleitet, für die das Sträfrecht eine längere Verjährung vorschreibt, so gilt diese auch für ihn.

VII. Abschnitt Schluss- und Übergangsbestimmungen

Art. 22 1

Der Bundesrat erlässt die erforderlichen Ausführungsbestimmungen.

2 Er ordnet insbesondere die Zuständigkeit der Departemente und der Abteilungen zur endgültigen Anerkennung oder Bestreitung von Ansprüchen, die gegenüber dem Bund erhoben werden, sowie zur Geltendmachung von Schadenersatz- und Eückgriffsansprüchen gegenüber Beamten und zur Durchführung der erforderlichen Prozesse (Art. 8 sowie 8, Abs. 2 und Art. 9; Art. 6, 7 sowie 17 und 18).

Art. 28 Der Bundesrat bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes.

Art. 24 Beim Inkrafttreten dieses Gesetzes anhängige Gesuche um Ermächtigung zur Strafverfolgung eines Beamten werden nach bisherigem Kecht behandelt.

2 Die Haftung des Bundes nach Artikel 8 ff. dieses Gesetzes besteht auch für Schaden, der vor dem Inkrafttreten entstanden ist, sofern weder Verjährung noch Verwirkung gemäss Artikel 18 eingetreten ist.

3 Anhängige Gesuche um Ermächtigung zur Anhebung einer Zivilklage gegen einen Beamten sind als Gesuche um Stellungnahme zum Anspruch im 1

1411 Sinne von Artikel 8, Absatz 2, dieses Gesetzes zu behandeln; sie sind von Amtes wegen der zuständigen Stelle zu übermitteln.

4 Ist jedoch über ein solches Ermächtigungsgesuch schon entschieden, so ist der Fall nach altem Eecht zu erledigen.

5 Im übrigen gilt für die Verantwortlichkeit der Beamten und für den Bückgriff des Bundes auf Fehlbare ausschliesslich das neue Gesetz. ·

Art. 25 Auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes werden alle widersprechenden Bestimmungen aufgehoben, so insbesondere: ' a. das Bundesgesetz vom 9. Dezember 1850x) über die Verantwortlichkeit der eidgenössischen Behörden und Beamten; b. Artikel 91 des Bundesgesetzes vom S.April 19102) betreffend das schweizerische Postwesen; c. die Artikel 29, 35 und 36 des Bundesgesetzes vom 30. Juni 1927/24. Juni 1949 3) über das Dienstverhältnis der Bundesbeamten.

'

i) BS l, 462.

BS 7, 745.

) BS1, 489; AS 1949, II, 1719.

2 ) 3

2599

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines neuen Verantwortlichkeitsgesetzes (Vom 29. Juni 1956)

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1956

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12.07.1956

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