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Bundesblatt 108. Jahrgang

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Bern, den 21. Juni 1956

Band I

Erscheint wöchentlich. Preis 3O Franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 50 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stampili & Cie. in Bern

7150

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend ausserordentliche Massnahmen zur Milderung von Frostschäden in der Landwirtschaft (Vom 8. Juni 1956) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen über die Massnahmen zur Milderung der durch die ausserordentliche Frostperiode im vergangenen Winter verursachten Schäden in der Landwirtschaft wie folgt zu berichten und Antrag zu stellen:

I.

Die ganz abnormalen Temperaturverhältnisse im vergangenen Winter haben in grossen Gebieten unseres Landes zu erheblichen Frostschäden an den Kulturen geführt. Im Witterungsbericht der Schweizerischen meteorologischen Zentralanstalt pro Februar 1956 wird ausgeführt: «Das bisher tiefste FebruarMonatsmittel der Temperatur, welches am Alpensüdfuss und auf den Berggipfeln auf das Jahr 1901, sonst auf das Jahr 1895, fällt, wurde vom ungewöhnlichen Februar 1956 allgemein unterboten, nördlich der Alpen meist um 1-2°, am Alpensüdfuss um 0-1°. Die tiefsten Tagesmittel, welche im Mittelland --18 bis -- 23° erreichten, lagen zwar im ebenfalls sehr kalten Februar 1929 strichweise noch etwas tiefer. Doch zeichnet sich der Februar 1956 durch eine extreme Zahl von Eistagen aus. In den Niederungen der Alpennordseite betrug diese Zahl grösstenteils 23-26 Tage, gegenüber 3-4 Tagen im langjährigen Mittel.» Diese ausserordentliche Kälteperiode wirkte sich auf einem Teil der Kulturen besonders deshalb nachteilig aus, weil in weiten Gebieten der Schutz durch eine Schneedecke fehlte und der vorausgegangene Monat Januar mit Bundesblatt. 108. Jahrg. Bd. I.

87

1206 einem mittleren Temperaturüberschuss von 8° die Kulturen zu einem vorzeitigen Wachstum angeregt hatte. Schon kurz nach dem Ablauf der Kälteperiode konnte man feststellen, dass insbesondere das Wintergetreido starke Frostschäden aufwies, obschon man damals noch hoffte, dass es sieh bei günstiger Witterung wenigstens teilweise erholen würde. Eine zweite Bisen- und Frostperiode im Laufe des Monats März genügte aber,_ um die bereits geschwächten Saaten noch vollständig zu vernichten. Schon auf Grund der ersten Schätzungen gelangte man zu einer Fläche von 50 000 ha Wintergetreide, welche als vollständig verloren betrachtet werden musate.

Wir hielten es angesichts dieser Situation für angezeigt, im Sinne einer vorsorglichen Massnahme eine Erhebung zur Feststellung der Totalschäden bei Wintergetreide durchführen zu lassen. Diese Schäden konnten aber nur einigermassen zuverlässig statistisch 'ermittelt werden, wenn die Erhebung so rasch als möglich in Angriff genommen wurde. Nur damit waren auch die Voraussetzungen für die Durchführung der notwendigen Kontrollen gegeben.

Andere Kulturen liessen sich damals nicht in die Erhebung einbeziehen, weil diese Schäden im Gegensatz zu den Getreideschäden noch nicht deutlich genug feststanden. Die Erhebung wurde im Laufe des Monats April durchgeführt und verlief somit etwa parallel mit den Arbeiten zur Wiederbestellung der Äcker.

Die Kantone meldeten bis zum 12. Ma.i 1956 folgende Flächen, welche im Frühjahr wegen T o t a l s c h ä d e n an Wintergetreide vollständig neu bestellt werden mussten: Kantone

Fläche von erfrorenem Wintergetreide

In Prozenten der Wintergetreideiläche vernichtete Saaten (im Verhältnis zur Anbaustatistik 1950)

6049,00 19369,67 2086,14 -- 5,88 3,29 0,30 8,07 163,40 10525,45 4754,90 6,43 848,00 2396,23 46 166,76

62,9 28,5 0 8,05 15,7 3,3 32,3 85,9 88,4 88,5 4,1 29,6 100,0 !)

ha

Zürich . . .

Bern Luzern. . .

Uri Schwyz . .

Obwalden .

Nidwaiden .

Glarus . . .

Zug Fribourg . .

Solothurn .

Basel- Stadt.

Basel-Land .

Schaffhausen

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Übertrag

61,7

*) Im Verhältnis zu der gegenüber 1950 erweiterten Anbaufläche 1955/56 beträgt der Ausfall etwa 90 Prozent.

1207 Fläche von erfrorenem Wintergetreide ha

Kantone

Übertrag

46166,76

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91,00 37,10 5991,14 1846,95 8,15 23175,99 140,58 1666,63 803,52

Total

79 927,82

Appenzell A.-Eh.

Appenzell I.-Rh.

St. Gallen . . .

Graubünden . .

Aargau Thurgau . . . .

Tessin Vaud Valais Neuchâtel . . .

Genève . . . .

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In Prozenten der Wintergetreidefläche vernichtete Saaten (im Verhältnis zur Anbaustatistik 1950)

9,0 5,5 59,0 40,5 4,0.

96,5 8,1 100,0 ^ 22,1

Mehr als 90 Prozent der Gesamtschadenfläche entfallen auf den Winterweizen, während Wintergerste, Winterkorn und Winterroggen wesentlich geringere Einbussen zu verzeichnen haben. In den letzten Jahren setzte sich die W i n t e r g e t r e i d e f l ä c h e wie folgt zusammen: Wintergetreideart

Winterweizen.

Winterroggen.

Dinkel (Korn).

Mischel". . . .

Wintergerste .

Total

1949/50 ha

1952/53 ha

1953/54 ha

1954/55 ha

78213

76120

83000

86600

14831 10241 8359 8176

13720 9300 8178 10185

14050 9240 8245 8969

13800 9100 8300 9000

119820

117503

123504

126800

Es ist anzunehmen, dass die Wintergetreidefläche 1955/56 mindestens gleich gross war wie im Vorjahr, da sich die Aussaatbedingungen im Herbst 1955günstig gestaltet hatten. Unter dieser Voraussetzung wären somit 63,0 Prozent der Wintergetreidefläche dem Frost zum Opfer gefallen. Noch ungünstiger ist das Verhältnis bei Winterweizen, für welchen der Ausfall mehr als 80 Prozent beträgt.

1 ) Im Verhältnis zu der gegenüber 1950 erweiterten Anbaufläche 1955/56 beträgt der Ausfall etwa 90 Prozent.

1208 Die Schadenflächen sind auf Grund der Ergebnisse der Erhebung mit folgenden E r s a t z k u l t u r e n bestellt worden: Ersatzkulturen

ha

'Sommerweizen Futtergetreide Kartoffeln Andere Kulturen Total

in Prozent ·

52970,70 23001,22 1532,06 2 423,84 79 927,82

66,8 28,8 1,9 3,0 100

Gesamthaft wurden demgemäss 95,0 Prozent der vernichteten Wintersaaten mit Sommergetreide (Brot- und Futtergetreide) angebaut. Im Vergleich dazu hatten die Anbauflächen an Sommergetreide in den letzten Jahren nur folgendes Ausmass: Sommergetreideart

Sommerweizen Sommerroggen Hafer Sommergerste Körnermais Mischel Total

1950 ha

1953 ha

9135 1 132 21 945 10547 1363 1389

9440 1 120 26427 14404 1 145 3481

45511

56017

1954 ha 8960 1 110

22387 11 816 1172 2811 48256

1955 ha

9000 1 100 20670 13172 1058 3057 48057

Für das laufende Jahr werden sich bei Einsatz einer etwas unter demMittel stehenden Normalfläche von Sommergetreide ungefähr nachstehende Flächen für die einzelnen Getreidearten ergeben : Getreideart

Winterweizen Winterroggen Dinkel Mischel Wintergerste Total Winter'getreide

: '. .

Sommerweizen Sommerroggen Hafer Sommergerste Körnermais Mischel Total Sommergetreide . . . .

Anbaufläche 1956 ha

Anbaufläche 1955 ha

Differenz 1956 gegen 1955 ha

15 000 13000 8 500 7500 6000 50000

86 600 13800 9100 8300 9000 126800

-- 71 600 -- 800 -- 600 -- 800 -- 3 000 --76800

60 000 l 500 31000 24000 1200 3000 120 700

9 000 1100 20670 13172 1058 3057 48 057

+ 51000 +400 +10330 +10828 +142 -- 57 + 72 643

1209 Diese grosse Umstellung von Winter- auf Sommergetreide einerseits und von Brot- auf Futtergetreide anderseits ist mit einem mehr oder weniger grossen Minderertrag verbunden. Nimmt man hiefür die Ertragszahlen der letzten Jahre als Maßstab, so wäre mit einer geringeren Ernte an Brotgetreide von etwa 10 000 Wagen (ca. 8 q/ha Ertragsdifferenz zwischen Winter- und Sommerweizen) und einer grösseren Ernte an Futtergetreide von ungefähr 5500 Wagen zu rechnen. Dazu kommen noch etwas mehr Kartoffeln und andere Ackerfrüchte.

Von besonderem Einfluss ist die Eeduktion der Brotgetreidefläche und die Umstellung von Winter- auf Sommerweizen auf die Brotgetreidemenge, die im Herbst 1956 an den Bund abgeliefert werden kann. Gemäss bisherigen Ablieferungen je ha würde man schätzungsweise mit folgenden Übernahmemengen rechnen können : Getreideart

Anbaufläche Mittlere Abgabe ha q/pro ha

Winterweizen . . . ' . .

Übriges Wintergetreide (ohne Gerste) Sommerweizen Sommerroggen

15 000 29 000 60000 l 500

Total

105 500

15,0 15,0 11,0 12,0

Total Wagen à 101

2 250 4 850 6600 180 13 380

Demgegenüber betrug die mittlere Ablieferungsmenge ca. 19 000 Wagen.

Nach der vorstehenden Schätzung könnte sich somit ein Ausfall von rund 6000 Wagen ergeben, was für den Bund eine Entlastung von etwa 12 Millionen Franken (Differenz zwischen Inland- und Importgetreide ca. 20 Franken je q) ausmachen würde. Noch ungünstiger wird die Situation, wenn nur die letzten beiden Jahre zum Vergleich herangezogen werden. Der Bund hatte in den Jahren 1954 und 1955 die bisherigen Eekordmengen von 21 375 bzw. 23 426 Wagen Brotgetreide zu übernehmen. Man kann diese Produktionszunahme einerseits auf besonders günstige Vegetationsbedingungen, andererseits aber auch auf technische Fortschritte zurückführen. Namentlich die ertragsreicheren Zuchtsorten würden, gute Witterung vorausgesetzt, auch weiterhin hohe Erträge gewährleisten, so dass ebenso gut Vergleiche mit 1954 und 1955 angestellt werden können, statt mit dem fünfjährigen Mittel. Ertragsmässig ergibt sich neben der etwas grösseren Produktion an Kartoffeln und verschiedenen Ackerfrüchten eine gewisse Kompensation insbesondere zufolge des vermehrten Anbaues von Futtergetreide. Was der Bund an Brotgetreide weniger zu übernehmen hat und ihm eine finanzielle Entlastung bringen wird, muss er. andererseits zum Teil wieder in Form von Anbauprämien für das Futtergetreide auslegen. Im Mittel der letzten 4 Jahre betrugen die Aufwendungen für diese Anbauprämien 10,3 Millionen Franken. Bei gleichen Prämienansätzen wäre 1956 mit einer Mehrausgabe von ca. 4 Millionen Franken zu rechnen. Inzwischen ist die Prämie von 200 Franken auf 230 Franken pro ha heraufgesetzt worden.

1210 Neben den durch diesen Ertragsausfall bedingten Verlusten beim Brotgetreide, die sich noch um die Mindererträge an Stroh erhöhen, kommen die zusätzlichen Aufwendungen der Landwirtschaft für die Beschaffung des E r s a t z saatgutes und die N e u b e s t e l l u n g der Felder. Die Eidgenössische Getreideverwaltung hat mehr als 700 Wagen Sommerweizen als Aushilfssaatgut abgegeben ; an Futtergetreidesaatgut sind im Frühjahr 1956 über 600 Wagen mehr eingeführt worden als in Normaljahren. Eine erhebliche Steigerung ist auch in den Umsätzen an Feldsamen zu verzeichnen. Allein die ausserordentlichen Ausgaben für Saatgut übersteigen den Betrag von 10 Millionen Franken ; dazu kommen noch die Mehrauslagen für Handelsdünger, die sowohl für das Wintergetreide als namentlich auch für die teilweise ebenfalls stark geschädigten Wiesen aufgewendet werden mussten. Die ausserordentliche finanzielle Belastung macht sich bereits geltend. Auf Grund einer Umfrage beim Handel konnte festgestellt werden, dass die Landwirtschaft in den frostgeschädigten Gebieten mit den Zahlungen im Rückstand steht. Einzelne Kantone sahen sich auch schon gezwungen, mittels Gewährung von zinsfreien oder niederverzinslichen Darlehen diesem Tatbestand Rechnung zu tragen.

Zu den Schäden an Wintergetreide kommen diejenigen an and er n K u l t u r en hinzu. Betroffen wurden in mehr oder weniger grossen Gebieten unter den übrigen Feldkulturen die Kunstwiesen, das Wintergemüse und teilweise auch der Raps, unter den langjährigen Kulturen insbesondere die Reben und einzelne Obstarten.

Eine einigermassen zuverlässige Schätzung dieser Schäden ist jedoch zur Zeit noch nicht möglich. Wesentlich aber ist, dass sich die Auswirkungen im gesamten schon heute stark bejnerkbar machen.

Die Situation ist auch in einigen andern Staaten Europas sehr ähnlich.

Frankreich und Belgien melden totale Frostschäden bei Wintergetreide im Umfange von 50 bzw. 47 Prozent. Beide Staaten haben bereits Hilfsmassnahmen getroffen und weitere werden in Aussicht genommen. In Deutschland sollen grössere Schäden nur in den südlichsten Gebieten vorliegen, so dass eine allgemeine Hilfe nicht als notwendig erachtet wird. Besonders stark sind die Frostschäden ferner in den Mittelmeerländern. Die OECE befasst sich gegenwärtig in den Mitgliedstaaten mit der Durchführung einer
besondern Erhebung über das Ausmass der Schäden und die von den einzelnen Ländern vorgesehenen Hilfsmassnahmen.

II.

Im Hinblick auf die vorstehend geschilderten Verhältnisse stellt sich die Frage, ob eine ausserordentliche Hilfe zur Milderung der Frostschäden nötig ist.

Wir glauben, diese Frage bejahen zu müssen und führen als Begründung hiefür an: 1. Das wirtschaftliche Ergebnis der Landwirtschaft wird in mehr oder weniger starkem Masse vom Verlaufe der Witterung bestimmt. Mit diesen Einflüssen muss die Landwirtschaft immer rechnen, ohne dabei erwarten zu können,

1211 dass für die durch normale Witterungsabweichungen bedingten Ernteausfälle von irgendeiner Seite Entschädigungen ausgerichtet werden. Sobald aber die Witterungseinflüsse in so ausserordentlichem Kahmen über die normalen Grenzen hinausgehen und die dadurch bedingten Schäden einen grossen Umfang annehmen, dürften unseres Erachtens die Voraussetzungen für eine Hilfeleistung gegeben sein. Dass es sich mit der Kälteperiode im Februar 1956 um einen ganz abnormalen Witterungsverlaüf handelte, wird durch die langjährigen meteorologischen Daten bestätigt.

2. Der Umfang des direkten Schadens ist beim Wintergetreide durch eine Erhebung festgestellt worden. Diese zeigt, dass nahezu 2/3 der bestellten Fläche wegen totaler Frostschäden - bei Winterweizen, der wichtigsten Brotgetreideart, sogar 4/5 - im Frühjahr neu bestellt werden mussten.

Dies hat neben den ausserordentlichen Aufwendungen für den Anbau der Ersatzkulturen auch einen für die Landwirtschaft erheblichen Ertragsausfall beim Getreide und andern Kulturen zur Folge.

3. Im speziellen Fall des Brotgetreides obliegt die Förderung der einheimischen Produktion verfassungsmässig dem Bund. Nachdem die entstandenen Schäden zu einem wesentlichen Teil diesen Produktionszweig betreffen, halten wir dafür, dass es auch in erster Linie Aufgabe des Bundes ist, zur Milderung der Schäden beizutragen. Dabei muss man sich Eechenschaft geben, dass es mit Rücksicht auf die ganz verschiedenen Verhältnisse ausgeschlossen wäre, etwa auf dem Wege von erhöhten Getreidepreisen eine angemessene Kompensation zu bieten. Die Ergebnisse der Erhebung zeigen nämlich, dass es auch Gebiete gibt, in denen das Wintergetreide ohne Schaden durchgekommen ist und voraussichtlich auch normale Erträge abwerfen wird. Durch eine allgemeine Erhöhung der Getreidepreise, welche im Jahre 1955 von der Bundesversammlung für eine Periode von 3 Jahren, d.h. für 1955-1957, festgesetzt wurden, würden diese Gegenden in ganz unbegründeter Weise begünstigt, abgesehen davon, dass dadurch auch alle diejenigen leer ausgingen,-die als Ersatzkultur Futtergetreide oder andere Ackerfrüchte angebaut haben.

III.

Eine öffentliche Hilfe an einen Berufsstand für Verluste, für die er selbst die Verantwortung nicht trägt, und in einem Falle, bei welchem sich die Möglichkeiten der Selbsthilfe zur Hauptsache auf den raschen Wiederanbau beschränken, ist unseres Erachtens in jeder Hinsicht begründet. Es sind nun des weitern die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen abzuklären.

Hinsichtlich der Eechtslage bestehen analoge Voraussetzungen wie bei den dringlichen Bundesbeschlüssen vom S.Oktober 1947 über ausserordentliche Massnahmen zur Milderung der Notlage in den Trockengebieten und vom 6. Oktober 1954 betreffend die Verwertung von nicht mahlfähigem inländischem Brotgetreide der Ernte 1954. Beide Beschlüsse basierten auf Artikel 31Ms der Bundes-

1212 Verfassung. Für den vorliegenden Beschluss bestehen gleichgeartete Voraussetzungen, so dass man sich ebenfalls auf Artikel 81bls BV berufen kann. Weder das Landwirtschaftsgesetz vom S.Oktober 1951 noch das Getreidegesetz vom T.Juli 1982/17. Dezember 1952 enthalten Bestimmungen, auf die eine Bundeshilfe gestützt werden könnte.

Artikel Sl15'8, Absatz 3, lit.fc, der Bundesverfassung erteilt dem Bund die Befugnis, sofern das Gesamtinteresse es rechtfertigt, nötigenfalls in Abweichung von der Handels- und Gewerbefreiheit Vorschriften zu erlassen zur Erhaltung eines gesunden Bauernstandes und einer leistungsfähigen Landwirtschaft sowie zur Festigung des bäuerlichen Grundbesitzes. Die vorgesehene Hilfe entspricht diesem Zweck in hohem Masse.

* Der zu fassende Bundesbeschluss hätte nur Geltung für ein Jahr. Da sich eine rasche Hilfe in den vom Frost stark geschädigten Gebieten aufdrängt, soll der Bundesbeschluss gemäss Artikel 32, Absatz l und Artikel 89bls, Absatz l der Bundesverfassung als dringlich erklärt .und sofort in Kraft gesetzt werden.

Dies ist auch der Grund, weshalb es der Bundesrat begrüssen würde, wenn der Beschluss im Verlaufe der Juni-Session 1956 gefasst werden könnte.

Bei den Überlegungen finanzieller Art stellen sich insbesondere zwei Fragen : 1. Ist eine Hilfeleistung des Bundes von der Beteiligung der Kantone abhängig zu machen?

2. Wie hoch soll die Entschädigung der Produzenten sein und nach welchen Grundsätzen soll sie bemessen und ausgerichtet werden?

Für die Beantwortung der ersten Frage ist vorerst auf den Umstand hinzuweisen, dass der vorgesehene Bundesbeschlass zur Hauptsache nur Hilfeleistungen an Schäden bei Wintergetreide berücksichtigt. Es soll allerdings noch die Möglichkeit geschaffen werden, dass der Bund unter gewissen Voraussetzungen auch an Kantone Beiträge ausrichten kann, die erhebliche Aufwendungen haben für die Milderung von Schäden bei andern Feldkulturen, wie Wintergemüse, Kunstwiesen und Raps. Im übrigen wird es aber richtig sein, wenn sich die Kantone mit solchen Entschädigungen befassen. Vorbehalten, aber nicht in den vorliegenden Bundesbeschluss einbezogen, muss die Beitragsleistung des Bundes an Schäden bei Beben und allenfalls weitern langjährigen Kulturen bleiben, für welche die Beurteilung des endgültigen Schadens nicht vor dem Herbst möglich
ist und wo auch für eine allfällige finanzielle Hilfe die Beteiligung der Kantone vorausgesetzt werden müsste. Je nach der Höhe der dann festgestellten Schäden wäre im gegebenen Zeitpunkt eine weitere Vorlage an die eidgenössischen Bäte in Aussicht zu nehmen.

Nachdem, wie bemerkt, die Ausrichtung allfälliger Beiträge für andere Feldkulturen als Getreide primär Sache der Kantone sein sollte, kann es der Bund verantworten, mit dem vorgeschlagenen Beschluss seine Hilfe vorab für

1213 die Ausfälle beim Getreide, d. h. der auch flächenmässig wichtigsten Ackerfrucht zu bieten und zwar unabhängig von einer allfälligen finanziellen Beteiligung auch der Kantone. Den letztern bleibt es selbstverständlich unbenommen, auch ihrerseits noch ergänzende Zuwendungen zu machen. Wenn die Entschädigungen der Kantone an Schäden bei Wintergemüse, Kunstwiesen und Eaps ein unverhältnismässig grosses Ausmass annehmen, so dürfte eine Beteiligung des Bundes auch hieran gerechtfertigt sein. Er würde aber erst dann mitwirken, wenn die Kantone hiefür mehr als den dritten Teil dessen aufwenden, was ihnen gesamthaft vom Bund für die Schäden an Wintergetreide zufliesst.

An den dieses Drittel übersteigenden Betrag sollte der Bund 50 Prozent zuschiessen. In besondern Fällen, z. B. dann, wenn der Beitrag des Bundes für Getreideschäden in einzelnen Kantonen nur klein ist, bei andern Feldkulturen (z. B. Gemüse) dagegen grosse Schäden entstanden sind, soll der Bundesrat die Befugnis haben, Vergütungen an die Aufwendungen des Kantons 'Unabhängig vom Verhältnis zwischen Bundesbeiträgen für Getreide einerseits und kantonalen Leistungen für die übrigen Feldkulturen andererseits auszurichten.

Bei der Festsetzung der vom Bund zu leistenden Zuwendungen an Schäden für das erfrorene Wintergetreide kann es sich zum vorneherein nicht um eine volle Schadensdeckung handeln. Der Gesamtschaden wäre auch sehr schwer zu ermitteln. Dagegen vermögen hiefür die Aufwendungen, die dem Landwirt für die Herbstsaat entstanden sind und die er im Falle des Totalschadens umsonst gemacht hat, eine geeignete Grundlage zu bilden. Zu diesen Aufwendungen zählen das Saatgut und die Bestellungskosten, jedoch ohne Pflugarbeit und Düngungskosten. In rationell geführten Betrieben lassen sich die Kosten je ha im grossen Durchschnitt etwa wie folgt bemessen: für Saatgut ca. 125 Franken und für Hand- und Zugarbeit ca. 105 Franken. Nach Berücksichtigung der übrigen Aufwendungen (z.B. Maschinenmiete) und der zahlenmässig nicht erfassbaren Eückwirkungen auf die gesamtbetrieblichen Verhältnisse lässt es sich verantworten, den Bundesbeitrag für zerstörte Wintersaaten auf 250 Franken je ha festzusetzen. Dies um so mehr, als trotz der angebauten Ersatzkulturen noch ein bedeutender Ertragsausfall entsteht, der vom Landwirt getragen werden muss. Der
Beitrag von 250 Franken wird, umgerechnet auf die Gesamtfläche von ca. 80 000 ha vernichteter Wintersaaten, die Summe von ca. 20 Millionen Franken erfordern.

Die Ausrichtung des Beitrages soll individuell auf Grund der von den Kantonen und in ihrem Auftrag von den Gemeinden durchgeführten Erhebungen über die Totalschäden bei Wintergetreide erfolgen.

Wie weit noch Bundesmittel ausgesetzt werden müssen für die Beteiligung an den Ausgaben der Kantone für Vergütungen an Schäden bei andern Feldkulturen, kann nicht vorausgesagt werden. Es könnte sich indessen nicht um erhebliche Summen handeln, und wir würden einen allfälligen Betrag in die Nachtragskredite 2. Serie 1956 aufnehmen.

1214 IV.

Zu den einzelnen Artikeln des vorgesehenen Bundesbeschlusses mögen noch folgende Erklärungen dienen: Art.l enthält neben dem Betrag, der als Entschädigung je ha Wintergetreide vom Bunde ausgerichtet werden soll, die Bedingungen, welche für die Auszahlung erfüllt sein müssen. Jeder geschädigte Landwirt hatte seine totalen Schäden an Wintergetreide nach der Fläche der einzelnen Grundstücke und der ausgewinterten -Getreideart bis zum 28. April 1956 der Gemeinde-Ackerbaustelle anzumelden. Nach den von der Abteilung für Landwirtschaft des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes erlassenen Weisungen war der Gemeinde-Ackerbauleiter beauftragt, die gemeldeten Felder zu kontrollieren und die Eichtigkeit der gemachten Angaben zu bestätigen. Einen Schadensbeitrag soll nur derjenige erhalten, der die Anmeldung rechtzeitig eingereicht hat und bei« welchem der Totalschaden durch den Gemeinde-Ackerbauleiter für jedes einzelne Feld bestätigt werden konnte.

Art. 2: Es handelt sich hier um Massnahmen, die für die Saatgutversorgung im Anbaujahr 1956/57 zu treffen sind. Der starke Ausfall von Winterweizen hat zur Folge, dass die durch den Bund auf Grund des Getreidegesetzes geförderte Produktion von feldbesichtigtem und anerkanntem Saatgut von Brotgetreide bei weitem nicht ausreichen wird, um den Saatgutbedarf an Winterweizen für den Herbstanbau 1956 zu sichern. Eine Umfrage bei den Saatzuchtgenossenschaften hat ergeben, dass von den verbliebenen, zur Besichtigung angemeldeten Feldern nur knapp diejenigen Saatmengen zu erwarten sind, welche im Herbst 1956 für die Bedienung der Saatzüchter benötigt werden. Alle übrigen Produzenten werden auf sogenanntes Aushilfssaatgut angewiesen sein. Zu diesem Zweck muss auf die Vorräte der Getreideverwaltung an Mahlweizen Ernte 1955 gegriffen werden. Eine noch bessere Saatgutqualität kann aber erzielt werden, wenn von den durch Frost nicht vernichteten Beständen an Winterweizen diejenigen ausgewählt werden, die in bezug auf Sortenreinheit, Entwicklungsstand und Gesundheit den gestellten Anforderungen entsprechen. Diese Bestände müssen einer Feldkontrolle unterstellt werden. Wenn sie für die Gewinnung von Aushilfssaatgut anerkannt werden können, übernimmt die Getreideverwaltung die Ernte zu den für das Brotgetreide massgebenden Bedingungen, unter Zuschlag eines
Überpreises von 3 Franken je q. Der Produzent verpflichtet sich dafür, das Erntegut kür? nach dem Einbringen zu dreschen und den Ertrag fristgerecht an die Getreideverwaltung abzuliefern. Diese übernimmt die Beinigung und gibt das Saatgut an den Handel ab. Da solche Aktionen für die Bereitstellung von Aushilfssaatgut weder im Getreidegesetz noch im Landwirtschaftsgesetz vorgesehen sind, muss sich der Bundesbeschluss auch mit dieser Frage befassen, obschon ihr nicht der Charakter einer Hilfs^, sondern einer Notmassnahme zukommt. Die daraus entstehenden Kosten (Überpreis und Feldkontrolle) werden voraussichtlich durch die kleineren Auf-

1215 Wendungen des Bundes für die normale Saatgutproduktion von Winterweizen mehr als eingespart. Die Einleitung dieser Massnahnie erträgt keinen Aufschub.

Art. 3 behandelt die Beitragsleistung des Bundes für den Fall, dass besondere kantonale Zuwendungen an Schäden bei Wintergemüse, Kunstwiesen und Eaps ausgerichtet werden. Die finanzielle Mitbeteiligung des Bundes setzt aber in diesem Falle voraus, dass der Kanton hiefür mehr als ein Drittel des Betrages auslegt, der ihm vom Bund für das Wintergetreide zukommt. Von diesen Mehraufwendungen übernimmt der Bund 50 Prozent; in besondern, im vorstehenden Bericht genannten Fällen auch mehr. Damit erklärt sich der Bund unter bestimmten Voraussetzungen auch bereit, an andere Feldkulturen als Wintergetreide Beiträge zu gewähren und die Kantone in der Durchführung eigener Aktionen zu unterstützen.

Art. 5: Der Vollzug ist Sache des Bundesrates, der mit der Durchführung das Volkswirtschaftsdepartement (Abteilung für Landwirtschaft) und das Finanz- und Zolldepartement (Getreideverwaltung) - letzteres für die Bereitstellung des Aushilfssaatgutes - beauftragt. Die Mitwirkung der Kantone bezieht sich zur Hauptsache namentlich auf die Überweisung der Bundesbeiträge, das Beibringen der Belege und die Einreichung sowie Begründung von Gesuchen zu Beiträgen auch an andere Feldkulturen.

V.

An einer ausserordentlichen Konferenz der kantonalen Landwirtschaftsdirektoren vom 28.Mai 1956 sind die vorgeschlagenen Massnahmen als notwendig und zweckmässig anerkannt worden. Die vom Bund vorgesehene Entschädigung für das Wintergetreide im Betrage von 250 Franken pro ha wurde mit wenigen Ausnahmen als angemessen betrachtet. Die Konferenz hat im übrigen mit Nachdruck auf die Notwendigkeit einer besondern Hilfeleistung an die stark geschädigten Rebbauern hingewiesen. Sie war aber der Auffassung, dass die vorhandenen Unterlagen noch nicht genügen, um schon heute Vorschläge auszuarbeiten und diese Hilfeleistung in den vorliegenden Beschluss einzubeziehen. Mit Eücksicht auf die Dringlichkeit der Hilfe für' die Getreidebauern konnte es nicht in Frage kommen, eine gemeinsame Vorlage für die Herbstsession auszuarbeiten und die Hilfsaktionen zusammenzulegen. Tatsächlich verhält es sich auch so, dass von den Getreidebauern die Aufwendungen für die Neubestellung der Felder und für weitere Massnahmen bereits gemacht werden mussten, während sich für den Eebbauern wegen der Frostschäden bis anhin weder zusätzliche Ausgaben noch Einnahmenausfälle ergeben haben. Die Schäden werden sich erst im nächsten Herbst auswirken, und es genügt deshalb, wenn allfällige Massnahmen im Sinne einer finanziellen Unterstützung in jenem Zeitpunkt eingeleitet werden.

1216 Wir beehren uns daher, Ihnen zu beantragen, den nachstehenden Entwurf eines Bundesbeschlusses zu genehmigen und benützen den Anlass, um Sie, Herr Präsident und sehr geehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 8. Juni 1956.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Feldmann Der Bundeskanzler : Ch. Oser

1217 (Entwurf)

Bundesbeschluss über

ausserordentliche Massnahmen zur Milderung von Frostschäden in der Landwirtschaft

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der Schweizerischen E i d g e n o s s e n s c h a f t , gestützt auf Artikel 28*>to, Absatz 2, 81***, Absatz 3, lit. b, 32, 64*ls und 89^ der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom S.Juni 1956 1), beschliesst : Art. l Zur Milderung von Schäden, welche infolge der ausserordentlichen Frostperiode im vergangenen Winter entstanden sind, richtet der Bund für vollständig vernichtete Wintergetreidesaaten einen Beitrag von 250 Pranken je Hektare aus.

2 Beiträge werden nur an Getreidepflanzer ausgerichtet, welche die Schäden anlässlich der vom Bunde veranlassten und von den Kantonen im Monat April durchgeführten Erhebungen angemeldet haben.

1

Art. 2 Der Bund fördert die Beschaffung von Aushilfssaatgut für Winterweizen.

Art. 3 Gewährt ein Kanton Beiträge für Frostschäden an Kulturen von Wintergemüse, Kunstwiesen und Kaps, so richtet ihm der Bund eine folgendermassen berechnete Eückvergütung aus: Übersteigen die kantonalen Aufwendungen ein Drittel der vom Bund im betreffenden Kanton gemäss Artikel l insgesamt 1

x

) BEI 1956, I, 1205.

1218 ausgerichteten Beiträge, so beteiligt sich der Bund mit 50 Prozent an der das Drittel übersteigenden Summe.

2 In besondern Fällen kann der Bundesrat einen höheren Beitragssatz festlegen.

3 Beiträge Dritter werden auf die Kantonsleistungen angerechnet.

Art. 4

Zu Unrecht bezogene Beiträge sind unabhängig von der Anwendung von Strafbestimmungen zurückzuerstatten.

Art. 5 1

Dieser Beschluss wird als dringlich erklärt. Er tritt mit seiner Veröffentlichung in Kraft und gilt ein Jahr.

2 Der Bundesrat ist mit dem Vollzug beauftragt. Er erlässt die erforderlichen Ausführungs- und Strafbestimmungen.

3 Der Bundesrat ist ermächtigt, die Durchführung von Massnahmen den Kantonen zu übertragen.

2642

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend ausserordentliche Massnahmen zur Milderung von Frostschäden in der Landwirtschaft (Vom 8. Juni 1956)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1956

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

25

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

21.06.1956

Date Data Seite

1205-1218

Page Pagina Ref. No

10 039 433

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