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Bundesblatt 108. Jahrgang

Bern, den 6. Dezember 1956

Band II

Erscheint wöchentlich Preis SO Franken im Jahr, 16 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 50 Happen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stampili & Cie. in Bern

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Aufgebot von Truppen zu ausserordentlichen Dienstleistungen (Vom 30. November 1956)

Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren!

Die internationale Lage hat in der letzten Zeit rasche Wandlungen durchgemacht und schliesst für die Zukunft Entwicklungsmöglichkeiten in sich, die kaum mit genügender Bestimmtheit und rechtzeitig vorausgesehen werden können. Es können Ereignisse eintreten, welche uns veranlassen müssten, rasch militärische Massnahmen zu treffen, ohne dass es bereits notwendig ist, die gesetzlichen Bestimmungen über die bewaffnete Neutralität anzuwenden.

Die Entwicklung -der Lage in den letzten Tagen hat gezeigt, dass auch der Einsatz von Teilen der Armee zur Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen in grosser Zahl notwendig sein kann.

Die Schweiz ist in der privilegierten Lage, aktiv an der Linderung des Flüchtlingselends in Europa mitzuwirken. Die Hilfeleistung kann die Möglichkeiten des Koten Kreuzes und privater Organisationen übersteigen. Dann ist es angezeigt, dass die Armee mit ihren Mitteln ebenfalls mithilft, das Schicksal von Mitmenschen, die unter Zurücklassung von allem Hab und Gut in unserem Land Zuflucht suchen, zu lindern. Ein solcher Einsatz ist nur möglieh, wenn Truppen aufgeboten werden können. Der Bundegrat sah sich denn auch genötigt, mit Beschlüssen vom 26. und- 30. November 1956 über das Aufgebot von Betreuungsdetachementen, Sanitätspersonal, sowie von Sanitätstruppen entsprechende Massnahmen zu treffen. Die Truppen müssten zum Aktivdienst Bundesblatt. 108. Jahrg. Bd. II.

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810 aufgeboten werden, weil dem Bundearat durch Bundesverfassung und MilitärOrganisation keine andere Möglichkeit · geboten war. Wir beabsichtigen die aufgebotenen oder die sie ablösenden Truppen der in dieser Vorlage vorgesehenen Ordnung zu unterstellen, sobald die Bundesversammlung dem vorliegenden Beschlussesentwurf zugestimmt hat.

Was die Landesverteidigung anbetrifft, ist es selbstverständlich, dass wir intern durch verwaltungsmässige Vorkehren gewisse Vorbereitungsmassnahmen getroffen haben. Je nach der Entwicklung der Lage sehen wir aber die Notwendigkeit voraus, auf verschiedenen Gebieten die Bereitschaft in viel weitergehendem Masse zu erhöhen. Hierzu werden die Mittel der Verwaltung nicht mehr ausreichen. Dies hat zur Folge, dass dann Truppen zu gewissen Arbeiten herangezogen werden müssen.

Dabei kann es sich darum handeln, Anlagen verschiedener Art in eine erhöhte Bereitschaft zu versetzen. Diese mehr technischen Arbeiten müssen durch geschlossene Truppenverbände, welche normalerweise diesen Anlagen zugeteilt sind, ausgeführt werden. Die Dringlichkeit kann es erfordern, dass die entsprechenden Einheiten mit vollen Beständen und nicht nur mit den stark reduzierten Wiederholungs- bzw. Ergänzungskursbeständen aufgeboten werden. Es kann notwendig sein, eine verstärkte "Überwachung oder eine Bewachung einzelner Objekte anzuordnen.

Eine Anrechnung solcher ausserordentlicher Dienstleistungen auf die ordentliche gesetzliche Dienstleistungspflicht im Auszug, in der Landwehr, im Landsturm und im Hilfsdienst ist teilweise praktisch ausgeschlossen, weil diese Dienstleistungspflicht bereits erfüllt ist. Auch eine Anrechnung auf zukünftige Dienstleistungen kann nicht in Frage kommen, weil der Ausbildungsstand der Armee eine Einschränkung der Ausbildungsdienste auf Jahre hinaus nicht verantworten lägst.

Die der Bundesversammlung in den Artikeln 128 und 123bls der Militärorganisation eingeräumten Befugnisse zur Anordnung von zusätzlichen Dienstleistungen gehen nicht so weit, als dass den dargelegten Verhältnissen und Bedürfnissen Bechnung getragen werden könnte. Es ist daher nötig, die erforderliche Rechtsgrundlage für ausserordentliche und zusätzliche Dienstleistungen dringlich zu schaffen, gestützt auf Artikel 85, Ziffer 6, der Bundesverfassung.

Der zu erlassende Beschluss unterliegt geinäss
Artikel 89Ms, Absatz 2, der Bundesverfassung dem fakultativen Referendum, Der Beschluss ist zu befristen bis Ende des Jahres 1957. Die sofortige Inkraftsetzung ist durch die Verhält.nisse geboten.

Wir erinnern daran, dass sich der Bundesrat schon einmal veranlasst sah, sich von der Bundesversammlung zu ausserordentlichen Truppenaufgeboten ermächtigen zu lassen. Auf Grund einer Botschaft vom 80. Januar 1939 (BEI 1939, I, 152) erliessen die eidgenössischen Bäte einen dringlichen Bundesbeschluss vom 3. Februar 1939 (AS 55, 246), an welchen sich der heutige Entwurf anlehnt.

811 Wir möchten den mitfolgenden Beschlussesentwurf angelegentlieh zur Annahme empfohlen, mit der Bitte, ihn so rechtzeitig zu behandeln, dass wir nötigenfalls die erforderlichen Massnahmen noch während der Dezembersession 1956 ergreifen können. Wir benützen den Anlass, Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

Bern, den 30.November 1956.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident : Feldmann Der Bundeskanzler : Ch Oser

812 (Entwurf)

Bundesbeschluss üiet

das Aufgebot von Truppen zu ausserordentlichen Dienstleistungen

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 85, Ziffer 6, und 89blB, Absatz 2, der Bundesverfassung, nach Einsicht in eine Botschaft des Bundesrates vom 30, November 1956, beschliesst: Art. l

Der Bundesrat wird ermächtigt, Truppen und Stäbe zur Durchführung von Hilfsaktionen und von vorbereitenden Massnahmen der Landesverteidigung zu ausserordentlichen und zusätzlichen Dienstleistungen aufzubieten und sie so lange im Dienst zu behalten, als die Umstände es erfordern, in der Regel nicht mehr als drei Wochen.

Dieser Dienst gilt als Instruktionsdienst.

Art. 2 Dieser Beschluss wird als dringlich erklärt und tritt sofort in Kraft. Er ist bis Ende 1957 befristet..

Er unterliegt im Sinne von Artikel 89bls, Absatz 2, der Bundesverfassung dem fakultativen Eeferendum.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Aufgebot von Truppen zu ausserordentlichen Dienstleistungen (Vom 30. November 1956)

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Jahr

1956

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

49

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7290

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

06.12.1956

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809-812

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