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Aus denVerhandlungen der schweizerischen Bundesversammlung.

(Vom 5. Oktober 1874.)

An diesem Tage ist die Bundesversammlung, welche sich am 27. Juni d. J. vertagt hatte, wieder zusammengetreten.

Der Präsident des Ständerathes, Herr Rathsherr Alphons K ö c h l i n , von Basel, hielt folgende Eröffnungsrede : Meine Herreu!

Die schweizerische Bundesversammlung ist auf heute zusammenberufen zu einer zweiten Abtheilung der Sommersitzung, und zwar, wie es in. der Einladung des Bundesrathes heißt, hauptsächlich zur Behandlung der Militärorganisation.

Meine Herren ! Die zwekmäßige und ausreichende Entwicklung des vaterländischen Wehrwesens, dis Ausstattung des Bundes mit den zu diesem Zwecke nöthigen Competenzen, das Ineinklangsetzen unserer militärischen Einrichtungen und Uebungen mit dem jetzigen Stande der Wissenschaft und der Erfahrungen der großen hinter uns liegenden Kriegsepoche, die Organisation einer einheitl i e h e n Bundesarmee zur Vertheidigung des nationalen Bodens, das waren von den ersten und. berechtigtesten Postulaten des revisionsfreundlichen Theiles des Schweizervolkes.

Meine Herren !. Wenn die Neutralität der Schweiz ein für uns werthvolles Bollwerk bleiben soll, . an welchem sich die Wogen der großen Völkerkämpfe brechen und hinter welchem wir mit Weib und Kind, vor den Schrecken bewahrt, bleiben, so gilt es jetzt, dieses. Bollwerk so auszurüsten und zu stärken, daß sowohl wir selbst, als die kriegführenden Nachbarn die Ueberzeugung erlangen, es sei dasselbe nicht ,,ungestraft" · zu durchbrechen.

Meine Herren ! Als im denkwürdigen Jahre 1870 die Schweiz durch ihren Gesandten in Berlin vertraulich anfragen ließ, in wie weit sie auf die Achtung ihrer Neutralität mit Sicherheit zählen könne, gab, wie in den sogenannten Neutralitätsakten später zu lesen war, der jetzige Reichskanzler zur Antwort: ,,soweit ihr die

964 Devise des schottischen Distclordens beachtet; Nemo me impune lawcessit."

Es ist deßhalb ein gutgeschultes, schlagfertiges, mit den besten Waffen ausgerüstetes Heer die beste Bürgschaft dafür, daß unserer Neutralität die volle, Achtung gezollt werde, ein besserer Bürge sogar, als papierne Konferenzbeschlüsse.

Die Bundesversammlung wird deßhalb die nöthige Mühe nicht scheuen, um das wichtige Gesetz, welches zu besagtem Zwecke verhelfen und unsere M i l i t z a r m e e kriegstüchtiger machen soll, in Form und Inhalt mit allem Notlügen auszustatten.

Meine Herren ! Das Traktandenverzeichniß zeigt aber noch eine Reihe von Gegenständen, die nicht alle so interessanter Natur sind und so allgemein die Aufmerksamkeit fesseln können, als die Militärorganisation.

(Gerade diejenigen Vorlagen, welche sich auf die Haftpflicht der Transportanstalten beziehen und in diesem Rathe zunächst zur Berathung kommen werden, behandeln eine etwas trocknere Materie. Aber auch diesen Vorlagen, welche für die ökonomische Entwickelung des Landes von bedeutender Wichtigkeit sind, werden Sie Ihre dauernde Aufmerksamkeit nicht versagen.

Meine Herren ! Wenn auch die großen konstitutionellen Kämpfe der letzten Jahre mit ihren Aul- und Anregungen vorüber und zum formellen Abschluß gekommen sind; wenn die parlamentarische Wirksamkeit bei Berathung der zum materiellen Aus bau der Constitution nöthigen Gesetze in ruhigem Formen sich bewegt, so wäre es dennoch ein Trugschluß, zu glauben, daß .die Thätigkeit der Räthe fortan als eine weniger wichtige und bedeutungsvolle,, als eine weniger anstrengende betrachtet werden könne.

Denn es handelt sich jetzt darum, die im Revisionskampfe prinzipiell geborgenen Errungenschaften praktisch zu verwerthen und zur Geltung zu bringen. Es handelt sich darum, sorgsam einzuheimsen, was man dort gesät hat.

Meine Herren! Es handelt sieh jetzt- hauptsächlich auch darum, dem Staate zu geben, was : des Staates ist.

Darum werden die Räthe mit nicht ermüdendem Eifer und unter Aufwendung aller ihnen zu Gebote stehenden ' Sachkenntniß nach dem Richtigen forschen und das, was sie als solches · erkannt haben, zum Gesetze erheben, damit der neue Bund zur Wahrheit werde.

, Meine Herren ! Eine Klippe werden Sie zu vermeiden haben..

965 Man hört bereits wieder Stimmen im Schweizerlande, welche anrathen möchten, bei der Gesetzgebung gewisse, bei der Revision aufgegebene und vorlorne Positionen wieder einzuholen.

Meine Herren! D a s s i n d f a l s c h e S t i m m e n .

Es wird sich im Gegentheil darum handeln, bei der Gesetzgebung diejenigen Schranken inné zu halten, welche wir bei der Revision des Bundesvertrages durch das Compromiß zwischen den verschiedenen Anschauungen uns selbst gezogen haben, und ehrlich und redlich dermalen von weitergehenden Wünschen Umg;mg zu nehmen, die man wissentlich Preis gegeben hat. Die Zukunft möge alles das reifen, wenn es gut ist ; jetzt aber handelt es sich für die Räthe um noch Höheres, nämlich darum, durch loyales Vorgehen in der .Gesetzgebung das etwas geschwundene Vertrauen unter den Bundesbrüdern wieder neu zu kitten, und so die Einh e i t der Nation, unser höchstes Gut, wieder herzustellen. Daß das geschehe, das walte Gott !

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Ich erkläre hiemit die zweite Abtheüung der Bundesversammmlung eröffnet.

Als neue Mitglieder des N a t i o n a l r a t h e s sind angezeigt worden : Herr Jakob Ha s l er, Fürsprecher, von Stäfa, in Meilen, gewählt vom 2. eidg. Wahlkreise am 2. August d, J., in Ersezung des am 30. Juni aus dem Nationalräthe getretenen Hrn. Heinrich Fierz, von Meilen: Herr Robert S t r ä u b , Regierungsrath, von Baden, in Buchs bei Aarau, vom 36. eidg, Wahlkreise am 30. August 1874 gewählt für den ausgetretenen Hrn. Placid Weißenbach, von Bremgarten.

(Vom 6. Oktober 18740 Der Präsident des Nationalrathes, Herr F e e r - H e r z o g, erklärte mit Zuschrift vom 30. September d. J., daß es ihm aus Gesmidheitsrüksichten nicht möglich eei, die Leitung der Geschäfte ferner zu übernehmen, und daher wünschen müsse, ersezt zu werden.

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(Vom 7. Oktober 1874.).

Infolge Resignation des Hrn. F e e r - H e r z o g wurde- zum Präsidenten des Nationalrathes gewählt: der bisherige Vizepräsident, Hr. Louis R u c h on net, vöu St, Saphorin (Waadt), und zum Vizepräsidenten: Hr. Jakob S t a m p f li, Präsident der Eidg.

Bank, von Schwanden (Bern).

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Aus denVerhandlungen des Schweiz. Bundesrathes,

(Vom" 5. Oktober 1874.)

Auf erhaltene zuverläßige Nachrichten'" vom Auftreten der Reblaus bei Klo s t e r - N e u b u r g , unweit Wien, hat der Bundesrath die" Einfahr von Wurzelreben und Rebholz aus Oesterreich in die Schweiz verboten, und zwar soll das Verbot vom 10. dieses Monats an in Wirksamkeit treten.

(Vom 7. Oktober 18 74.} . . Der Präsident der französischen Republik, Herr Marschall von M a c - M a h o n , Herzog von Magenta, hat mit Notifikation vom.

25. v. Mts.-dem. Bundesrathe angezeigt,, daß er den Hrn. Grafen -Bernard d'Ha r c o u r t, Offizier des nationalen .Ordens der Ehrenlegion etc. etc. etc., zum Botschafter bei der Schweiz. Eidgenossenschaft ernannt habe.

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Aus den Verhandlungen der schweizerischen Bundesversammlung.

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44

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10.10.1874

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