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Erster Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten ergriffenen Massnahmen.

(Vom 21. November 1939.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen über die Massnahmen Bericht zu erstatten, die wir vom 1. September 1939 bis heute auf Grund des Bundesbeschlusses vom 30. August 1939 über Massnahmen zum Schütze des Landes und zur Aufrechthaltung der Neutralität ergriffen haben.

I. Allgemeine Verwaltung.

Wahlen und Abstimmungen in der Armee.

Wie dies schon .in den Jahren 1914 und 1917 der Fall gewesen ist, waren wir für die Durchführung der Nationalratswahlen in der Armee gezwungen, einen besondern Beschluss zu fassen, der das Datum vom 26. September 1939 trägt. Um die Arbeit der Armee zu vereinfachen, war es notwendig, nicht nur in einzelnen Punkten von den Vorschriften des Bundesgesetzes von 1919 abzuweichen, sondern wir mussten uns namentlich der ausserordentlichen Vollmachten bedienen, um den aus dem Auslande heimgekehrten Schweizern das Stimmrecht gewähren zu können. Es erscheint in der Tat als selbstverständlich, dass alle sich im Aktivdienst befindlichen Wehrmänner ohne Eücksicht auf ihren gewöhnlichen Wohnort die Möglichkeit haben müssen zu stimmen.

Indem wir uns von der in den Jahren 1914 und 1917 getroffenen Lösung leiten Hessen, haben wir beschlossen, dass die aus dem Auslande zur Leistung des Dienstes zurückgekehrten Schweizer ihrem Heimatkanton zugeteilt werden sollen.

Zur Organisierung der Wahlverhandlungen vom 28./29. Oktober im Rahmen unseres Beschlusses musste die Generaladjudantur der Armee grosse Schwierigkeiten überwinden. Einige derselben ergaben sich aus dem Proporzsystem.

Die den Kommandanten der Truppeneinheiten überbundene Pflicht, selbst das Verzeichnis der Wähler aufzustellen und den in Frage kommenden Ge-

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meinden zu übermitteln, sowie ferner die nachträglich an diesen Listen vorgenommenen Abänderungen infolge der Mutationen, verursachten aber ausserdem Erschwerungen, die jedem System anhaften, wonach die Armee selbst die Stimmzettel entgegennimmt.

Um der Armee diese Schwierigkeiten für die Zukunft zu ersparen, haben wir auf Begehren der Generaladjudantur der Armee am 24. Oktober einen Beschluss gefasst, wonach versuchsweise ein neues Verfahren eingeführt wird.

Die eidgenössische Volksabstimmung vom 2./3. Dezember und allfällige kantonale Abstimmungen, die an diesen Tagen stattfinden, sollen für die im Dienste stehenden Wehrmänner auf dem Korrespondenzwege durchgeführt werden.

Die Stimmabgabe auf dem Korrespondenzwege ist bereits in verschiedenen Kantonen eingeführt für diejenigen Bürger, die am Abstimmungstage von ihrem Wohnort abwesend sind; dieses System befriedigt durchaus. Obschon die eidgenössischen Eäte sich im Jahre 1937 weigerten, den Kantonen die Anwendung dieses Systems bei eidgenössischen Abstimmungen und Wahlen zu gestatten, haben wir es nicht für angezeigt erachtet, das Begehren der Generaladjudantur der Armee abzuweisen. Je nach den Erfahrungen vom 2./S. Dezember werden wir das für die Abstimmungen in der Armee während des Bestes des gegenwärtigen Aktivdienstes anwendbare Verfahren festlegen.

II. Departements.

A. Politisches Departement.

Auf Grund der in Art. l des Bundesbeschlusses vom 30. August (A.S. 55, 769) enthaltenen Ermächtigung hat der Bundesrat am 81. August eine Neutralitätserklärung beschlossen (A.S. 55, 809).

Diese Erklärung wurde den Regierungen folgender Staaten zur Kenntnis gebracht : Ägypten Estland Panama Afghanistan Finnland Peru Argentinien Frankreich Polen Belgien Griechenland Portugal Brasilien Grossbritannien Eumänien Bulgarien Japan Schweden Chile Jugoslawien Spanien China Iran Thailand Columbien Island Türkei Cuba Italien Ungarn Dänemark Lettland Uruguay Deutschland Litauen Vatikanstadt Dominikanische Niederlande Vereinigte Staaten Eepublik Norwegen von Amerika.

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Die meisten Eegierungen begnügten sich, den Empfang der Mitteilung zu bestätigen. Die deutsche und die italienische Kegierung verwiesen dabei auf ihre vorhergehenden wiederholten schriftlichen und mündlichen, gegenüber dem Bundesrat abgegebenen Neutralitätserklärungen. Die britische und die französische Eegierung antworteten, dass sie die Neutralität und Unversehrtheit der Eidgenossenschaft peinlich achten werden.

Am 2. September hat der Bundesrat eine Verordnung über die Handhabung der Neutralität in Kraft gesetzt, die vorsorglicherweise bereits am 14. April dieses Jahres beschlossen worden war (A.S. 55, 810). Es wird darin untersagt, vom Gebiet der Schweiz aus eine feindselige Handlung gegen einen Kriegführenden vorzubereiten, zu unternehmen, zu unterstützen oder irgendwie zu begünstigen. Ferner ist jede Begünstigung eines Kriegführenden vom Gebiet der Schweiz aus verboten. Im übrigen sei auf die einzelnen Bestimmungen der Verordnung verwiesen.

Der Schweiz ist infolge des Eintretens des Kriegszustandes von der deutschen Eegierung die Vertretung der deutschen Interessen im Britischen Eeich (mit Ausnahme von Südafrika und Hongkong), sowie im Gebiet von Syrien und Libanon übertragen worden. Ferner hat die Schweiz im Konsularbezirk Wien die ägyptischen Interessen wahrzunehmen, deren diplomatischer Schutz im Deutschen Eeich der Iranischen Gesandtschaft obliegt.

Am 8. September 1939 beschloss der Bundesrat die Errichtung einer Abteilung für fremde Interessen, zu deren Chef der im Euhestand befindliche ehemalige schweizerische Gesandte, Herr Charles Lardy, gewählt wurde. Leider hat uns nach wenigen Wochen der Tod diesen verdienten Diplomaten entrissen, dessen der Eidgenossenschaft geleistete, ausgezeichnete Dienste ihm ein ehrendes Andenken sichern. Herr Minister Lardy wird durch Herrn Dr. Hans Fehr, Professor an der Universität Bern, ersetzt.

Abgesehen von der Übernahme fremden Interessenschutzes brachten noch andere Aufgaben dem Politischen Departement und den schweizerischen Vertretungen im Ausland eine ganz beträchtliche Steigerung der Arbeitslast, die sich durch die Einberufung von Beamten zum Aktivdienst in vermehrtem Mass fühlbar machte. An solchen neuen Aufgaben sind zu erwähnen die Organisation der Heimreise der mobilisierten Auslandschweizer sowie derjenigen zahlreicher anderer Landsleute im Ausland, Nachforschungen nach vermissten Angehörigen und Vermittlung von Nachrichten, Erlangung von Einreisebewilligungen für Schweizer in andere Staaten, Schutzmassnahmen zugunsten von evakuierten oder durch den Krieg geschädigten Landsleuten, Information der schweizerischen diplomatischen Vertretungen, propagandistische Tätigkeit zur Aufklärung der öffentlichen Meinung des Auslandes über die

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schweizerische Geisteshaltung und Neutralität usw. usw. Zur Bewältigung dieser zahlreichen und dringenden Aufgaben musste sowohl beim Departement wie bei einigen Gesandtschaften Aushilfspersonal eingestellt werden.

Am 24. Oktober beschloss der Bundesrat auf Antrag des Politischen Departements und nach einer Vernehmlassung des Bundesgerichts, die Verarrestierung von in der Schweiz befindlichen Vermögenswerten eines Schuldners mit Wohnsitz im Ausland bzw. eines wohnsitzlosen Schuldners nur noch zuzulassen, wenn der Gläubiger Wohnsitz im Inland hat (A. S. 55, 1296). Diese Massnahme wurde auf eine Anregung der Nationalbank hin getroffen. Nach Kriegsausbruch war zu befürchten, dass der Arrest gemäss Artikel 271, Ziffer l und 4, des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs von Gläubigern im Ausland in missbräuchlicher Weise beansprucht werde, um dadurch auf schweizerischem Gebiete Ziele des Wirtschaftskrieges zu verfolgen.

Der Beschluss vom 24. Oktober macht ferner den Arrest und die andern Zwangsvollstreckungsmassnahmen gegenüber Vermögen fremder Staaten von der Zustimmung des Bundesrats abhängig.

B. Departement des Innern.

Departementssekretariat.

Der von Ihnen am 5. April 1939 erlassene Bundesbeschluss über schweizerische K u l t u r w a h r u n g und K u l t u r w e r b u n g sieht im Hinblick auf die Durchführung dieser Aufgabe die Errichtung einer privatrechtlichen S t i f t u n g unter dem Namen «Pro Helvetia» vor. Die Stiftung soll sich organisatorisch auf einer aus Vertretern der Kantone, der Hochschulen und der bedeutendsten kulturellen Verbände des Landes bestehenden Stiftungsversammlung aufbauen. Letzterer fällt die Aufgabe zu, im Eahmen der Bestimmungen des Bundesbeschlusses das Stiftungsstatut zu erlassen und die übrigen Organe der Stiftung, vor allem den Stiftungsrat zu bestellen.

Das Departement des Innern war mit der Vorbereitung der Stiftungsgründung beschäftigt, als der Kriegsausbruch und dessen Polgen eine vollständig neue Lage schufen. Insbesondere stellt die mobilisierte Armee, die aller Voraussicht nach längere Zeit im Felde bleiben wird, einen Faktor dar, dem aus begreiflichen Gründen weder unsere Botschaft über die Organisation und die Aufgaben der schweizerischen Kulturwahrung und Kulturwerbung vom 9. Dezember 1988 noch der Bundesbeschluss vom 5. April 1939 Eechnung getragen hat. Die Erfahrungen während der Grenzbesetzung 1914--1918 haben gezeigt, dass die Armee ohne organisch aufgebaute und grosszügig durchgeführte geistige Betreuung nicht auskommen kann. Diese Aufgabe könnte die Stiftung «Pro Helvetia» in der Form, wie der Bundesbeschluss sie vorsieht, nicht erfüllen. Auch abgesehen von den Bestimmungen des

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'Bundestìeschlusses wäre eine Ausgestaltung der Stiftung nach den Erfordernissen der gegenwärtigen ausserordentlichen Lage mit gewissen Schwierigkeiten im Hinblick auf den erhofften künftigen Wiedereintritt normaler Verhältnisse verbunden -- Schwierigkeiten, die zum Teil mit den für die Umgestaltung von Stiftungen geltenden Kechtssätzen (ZGB Art. 85/86) zusammenhängen.

Auf Grund solcher Überlegungen sind wir zum Schluss gekommen, dass die Errichtung der Stiftung «Pro Helvetia» auf einen spätem Zeitpunkt zu verschieben und dass an Stelle der Stiftung sofort eine den gegenwärtigen Umständen entsprechende vorläufige Organisation zu schaffen sei. Wir haben daher durch unsern Beschluss vom 20. Oktober 1939 b e t r e f f e n d Errichtung einer Arbeitsgemeinschaft «Pro Helvetia» (A. S.55,1284) eine Zwischenlösung getroffen, die sich in den Hauptzügen darstellt wie folgt: Die im Bundesbeschluss vom 5. April 1989 der Stiftung «Pro Helvetia» zugedachten Aufgaben werden bis auf weiteres, unter Anpassung an die veränderten Verhältnisse, der Arbeitsgemeinschaft «Pro Helvetia» übeltragen.

Diese Arbeitsgemeinschaft gliedert sich in die zwei Gruppen «Armee» und «Volk». Die Gruppe «Armee» wird vom Armeekommando bestellt und untersteht dessen Weisungen, während die Gruppe «Volk» durch unsere Behörde bestellt und vom Departement des Innern beaufsichtigt wird. Die beiden Gruppen werden zusammengehalten durch einen von unserer Behörde gewählten Präsidenten. Da gewisse Aufgaben von beiden Gruppen gemeinsam gelöst werden können, sollen diese in enger Fühlung zusammenarbeiten. Für die Aufgaben dagegen, die sich für jede Gruppe in ihrem Bereich gesondert stellen, gehen die Gruppen selbständig vor. Durch diese Lösung wird vor allem der Gruppe «Armee» die im Hinblick auf die Eigenart ihrer Aufgabe und auf die Geschlossenheit ihres Tätigkeitsbereiches erforderliche Selbständigkeit gewahrt. Im übrigen wird sich die Arbeitsgemeinschaft «Pro Helvetia» für die Durchführung einzelner Aufgaben der geeigneten Mitarbeit der Kantone sowie jener Vereinigungen und Institutionen bedienen, die für "die Beteiligung an der Stiftung «Pro Helvetia» in Betracht fallen würden.

Der im Bundesbeschluss vom 5. April 1989 für die Stiftung «Pro Helvetia» vorgesehene jährliche Kredit wird je zur Hälfte den beiden Gruppen der Arbeitsgemeinschaft
zugeteilt (ohne diese Lösung hätten besondere Kredite für die geistige Betreuung der Armee zur Verfügung gestellt werden müssen).

Arbeitsprogramm, Voranschlag und Eechnung der Arbeitsgemeinschaft unterliegen der Genehmigung durch das Departement des Innern, das die Genehmigungsbefugnis für die Gruppe «Armee» der Armeeleitung übertragen kann.

Als Gruppe «Armee» der Arbeitsgemeinschaft «Pro Helvetia» ist vom Armeekommando die bei der Generaladjutantur geschaffene Sektion «Heer und Haus» bezeichnet worden. Die Gruppe «Volk» haben wir durch Beschluss vom 20. Oktober 1939 in der Form einer Kommission von 25 Mitgliedern bestellt. Zum Präsidenten der Arbeitsgemeinschaft haben wir Herrn alt Bundesrat Dr. H. Häberhn in Frauenfeld ernannt.

Der Erlass der erforderlichen Ausführungsbestimmungen steht dem Departement des Innern in Verbindung mit dem Armeekommando zu. Das De-

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parlement wird die Arbeitsgemeinschaft aber zunächst praktisch arbeiten lassen, um die reglementarische Ausgestaltung dann aus den Bedürfnissen der Praxis heraus vorzunehmen.

Abschliessend sei nochmals betont, dass die vorstehend beschriebene Lösung lediglich ein Provisorium darstellt, das zu gegebener Zeit durch die im Bundesbeschluss vom 5. April 1939 vorgesehene Organisation zu ersetzen sein wird. Die vorläufige Arbeitsgemeinschaft wird übrigens für die später zu errichtende Stiftung wertvolle Vorarbeit leisten und Erfahrungen sammeln.

Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei.

1. Forstwesen. Die Vorschriften betreffend die Versorgung des Landes mit Holz sind durch das Volkswirtschaftsdepartement, Kriegs-industrie- und -Arbeits-Amt (Sektion für Holz), erlassen worden.

2. Jagd. Durch Beschluss vom 5. September 1989 (A. S. 55, 850) haben wir die Ausübung der Jagd für das gesamte Gebiet der Schweiz bis auf weiteres untersagt. Dieses absolute Verbot diente dem Zweck, die Entstehung von Schwierigkeiten in den von den Truppen besetzten Jagdgebieten sowie eine ungleiche Behandlung der zur Grenzwacht einberufenen und der nicht einberufenen Jäger zu vermeiden.

Nachdem die Mobilmachung und der Aufmarsch der Truppen durchgeführt waren, konnte das Verbot gelockert werden. Durch unsern Beschluss vom 22. September 1989 (A. S. 55,1059) wurden die Kantone unter bestimmten, im Interesse der Landesverteidigung und der Sicherheit der Truppen gebotenen Einschränkungen ermächtigt, vom 1. Oktober an die Jagd zu gestatten.

Gesundheitsamt.

Bei den eidgenössischen Medizinalprüfungen haben sich die durch die Mobilisation der Armee bedingten ausserordentlichen Verhältnisse in manchen Fällen zuungunsten der Studierenden ausgewirkt. Es lag zwar kein Grund .vor, die Herbstprüfungen nicht nach dem vorgesehenen Programm durchzuführen; dies um so weniger, als das Armeekommando die Einheitskommandanten ermächtigt hat, Urlaubsgesuchen von Kandidaten, die an den Prüfungen teilzunehmen wünschen, zu entsprechen. Dagegen hat sich die Abhaltung ausserordentlicher Prüfungssessionen für gegenwärtig im Aktivdienst stehende Kandidaten der medizinischen Berufe als notwendig erwiesen. Mit dem Oberfeldarzt ist eine Verständigung über deren Anordnung und die Beurlaubung der für sie in Frage kommenden Kandidaten getroffen werden.
Bei der Durchführung sowohl der ordentlichen als auch der ausserordentlichen Prüfungen ergeben sich unter den heutigen Umständen Schwierigkeiten technischer Natur. Um diesen begegnen zu können, mussten die Orts- und Vizepräsidenten ermächtigt werden, die Prüfungen an ihren Sitzen den jeweiligen Bedürfnissen entsprechend auch in Abweichung von den Bestimmungen des Prüfungsreglementes zu organisieren (z. B. durch Verschiebung von Prüfungen

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vor oder über die in der Termintabelle vorgesehenen Zeitpunkte oder durch Abweichung von gewissen Verfahrensvorschriften für die praktischen und die mündlichen Prüfungen), unter Ausschluss der Eekursmöglichkeit gegen bezügliche Verfügungen. Die Qualität der Examina soll hingegen -- in Übereinstimmung mit der Ansicht des Oberfeldarztes und des Leitenden Ausschusses -- keine Einbusse erleiden, d. h. es sollen keine sogenannten Kriegsprüfungen stattfinden.

Die oben dargestellte Ordnung ist durch unsern Beschluss vom 29. September 1939 über die vorübergehende Eegelung der Organisation der eidgenössischen Medizinalprüfungen (A. S. 55, 1095) getroffen worden. Auf Antrag des Leitenden Ausschusses hat das Departement des Innern dann mit Verfügung vom 7. Oktober 1939 die Durchführung einer ausserordentlichen Fachprüfung für Studierende der Medizin im kommenden Dezember angeordnet.

C. Justiz- und Polizeidepartement.

I. Justizabteilung.

1. Massnahmen im Gebiete der Zwangsvollstreckung. Duich die Mobilmachung im Inland und die Kriegsereignisse im Ausland wurde die schweizerische Wirtschaft empfindlich gestört. Brach auch der Krieg diesmal nicht so unerwartet aus, wie im Jahre 1914, so werden sich seine wirtschaftlichen Folgen doch schärfer geltend machen, weil infolge der seit Jahren dauernden Krise nicht nur Eeserven aufgebraucht worden sind, sondern darüber hinaus in manchen Kreisen eine eigentliche Verschuldung um sich gegriffen hat. Umso mehr drängten sich Massnahmen zum Schütze der Schuldner auf. Die Anordnungen aus dem letzten Weltkrieg konnten teilweise als Vorbild dienen; daneben trachteten wir danach, dass sich die ungünstigen Erfahrungen, die seinerzeit gemacht wurden, nicht wiederholen.

Von einem Moratorium konnte abgesehen werden. Militär- und Hilfsdienstpflichtige genossen ohnehin den Eechtsstillstand wegen Militärdienstes; am 10. September 1939 begannen sodann die ordentlichen Bettagsbetreibungsferien, die bis zum 24. September auch den nicht mobilisierten Schuldner vor Betreibungshandlungen schützten. Diese Zeit reichte aber für den Schuldner nicht aus, sich den.neuen Verhältnissen anzupassen, soweit das überhaupt möglich war. Durch Bundesràtsbeschluss vom 18. September 1939 (A. S. 55,1011) wurden deshalb die Betreibungsferien um vier Wochen, d.h.

bis und mit 22. Oktober 1939 erstreckt und gleichzeitig auf die Wechselbetreibung ausgedehnt, damit auch der kleine Gewerbetreibende, dem gegen Akzept geliefert worden war, nicht kurzerhand in den Konkurs getrieben werden könne. Weiter drängte sich eine Eechtswohltat zugunsten der Mieter auf, um sie vor Exmission zu schützen, wenn sie ihre Mittel Ende August oder in den ersten Septembeitagen nicht mehr für den Mietzins hatten verwenden können.

Zugunsten der Mieter wurde am 26. September 1939 ein Bundesràtsbeschluss über die Verlängerung der Ausweisungsfristen bei Miete erlassen (A. S. 55, 1081).

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Beide Bundesratsbeschlüsse waren nur als Hilfe in der ersten Not gedacht.

Diesen Überbrückungsmassnahmen folgten die V e r o r d n u n g über vorübergehende Milderungen der Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g vom 17. O k t o b e r 1939 (A. S. 55,1211); sie hat die erwähnten Bundesratsbeschlüsse formell aufgehoben.

Die Verordnung sieht zunächst (in Art. l--15) vor, dass ein Schuldner, der ohne sein Verschulden infolge der Kriegsereignisse, handle es sich um direkte oder indirekte Folgen der Mobilisation oder der vom Auslande getroffenen Massnahmen, nicht mehr imstande ist, seine Verpflichtungen zu erfüllen, bei der Nachlassbehörde eine Notstundung von höchstens einem Jahre verlangen kann. Das Notstundungsrecht der Verordnung übernimmt im wesentlichen die Art. 317 a--317 n des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes. So wurde den Schuldnern allgemein eine Eechtswohltat zugänglich gemacht, wie sie ähnlich durch Spezialgesetzgebungen, z. B. für die Hotel- und Stickereiindustrie sowie die Eigentümer und Pächter landwirtschaftlicher Betriebe schon seit mehreren Jahren offen steht.

Ein Bundesratsbeschluss vom 13. März 1916 (A. S. 32, 83) gewährte dem Wehrmann und dem Hilfsdienstpflichtigen im Aktivdienste auch während eines Urlaubes und einer bestimmten Zeit nach der Entlassung noch den Bechtsstillstand wegen Militärdienstes; ähnlich bestimmt heute die Verordnung (Art. 16), dass für diese Schuldner noch während dreier Wochen nach der Entlassung der Bechtsstillstand weiterbesteht, ebenso während der ersten drei Wochen eines Urlaube.

Die Verordnung bringt sodann (in Art. 16--28) verschiedene Neuerungen, ungefähr denjenigen entsprechend, die wir der Bundesversammlung durch Botschaft und Entwurf vom 6. November 1936 zu einem Bundesbeschluss über vorübergehende Milderungen der Zwangsvollstreckung vorgeschlagen haben. So kann z. B. die Verwertung von Mobilien oder Immobilien bis auf sieben Monate, ausnahmsweise, wo die Not besondere Eücksicht gebietet, bis auf ein Jahr aufgeschoben werden, sofern auf Seite des Schuldners bestimmte subjektive und objektive Voraussetzungen erfüllt sind. Wenn der Betreibungsbeamte die Höhe und die Verfalltermine der Eatenzahlungen festsetzt, hat er aber auch die Verhältnisse des Gläubigers zu berücksichtigen. Als Parallele zum Aufschub der Verwertung sieht die Verordnung für
die der Konkursbetreibung unterliegenden Schuldner die Möglichkeit einer Verschiebung der Konkurseröffnung vor, auch diese natürlich unter gewissen zum Schütze des Gläubigers gebotenen Kautelen, namentlich von Eatenzahlungen. Die Wechselstrenge wurde nicht aufgehoben; bei Wechselbetreibung kann die Konkurseröffnung nicht hinausgeschoben werden.

Ein besonderer Abschnitt der Verordnung (Art. 29--33) will Mieter und Pächter vor der Exmission schützen, indem er ihnen die Möglichkeit gibt, sofern gewisse Garantien geboten werden, von der nach kantonalem Eecht zuständigen Behörde eine Erstreckung der Frist zu erlangen, auf deren Ablauf

608 hin der Vermieter oder Verpächter den Vertrag auflösen kann, wenn er den Zins nicht erhält.

Endlich hat die Verordnung das Nachlassvertragsrecht modifiziert (Art. 84--45). Wie in den besondern Sanierungsverfahren für die Hotelindustrie und die Bauern, wurden nun auch hier die Pfandschulden einbezogen ; denn die Praxis hat gelehrt, dass dem Schuldner mit einem Nachlassvertrag in vielen Fällen gar nicht geholfen ist, wenn er nachher für die Pfandschulden doch wieder ungehemmt betrieben werden kann. Nach dem neuen Eecht kann die Nachlassbehörde für grundpfandgesicherte, aber ungedeckte Forderungen eine Stundung, eine Eeduktion oder sogar einen Erlass der Zinsschuld verfügen.

Ferner kann gegenüber solchen Schuldnern, deren Gewerbe mit der Liegenschaft verknüpft ist und für die eine Verlegung der Arbeitsstätte einen erheblichen Nachteil mit sich brächte, die Verwertung eines derartigen Grundpfandes eingestellt werden.

2. Der Bundesratsbeschluss vom 30. Oktober 1939 über die Sitzverlegung juristischer Personen und Handelsgesellschaften (A. S. 55, 1301) trägt einem dringenden Wunsch der Finanz-, Handels- und Industriekreise unseres Landes Eechnung. Er ist als Massnahme der wirtschaftlichen Landesverteidigung zu werten und will insbesondere ermöglichen, dass juristische Personen, Handelsgesellschaften, Genossenschaften des Privatrechts und Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Eechts mit wirtschaftlichem Zweck, für den Fall, dass sich unser Land im Kriegszustand befinden sollte, auf möglichst einfache Weise ihren Sitz an den Ort verlegen können, wo sich der Sitz der schweizerischen Eegierung befindet. Da für eine solche Sitzverlegung aber bei weitem nicht alle Gesellschaften in Betracht fallen, namentlich nicht solche mit nur lokalem Wirkungskreis, sind vorbereitende Massnahmen nötig, um abzuklären, welche Unternehmen davon Gebrauch machen wollen.

Der Beschluss sieht vor, dass die juristischen Personen, Handelsgesellschaften, Genossenschaften, Körperschaften und Anstalten, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollen, beim eidgenössischen Amt für das Handelsregister ein Begehren stellen. Das Verfahren ist absichtlich möglichst einfach gestaltet worden. Die vorgesehene Sitzverlegung wird indessen erst in dem Zeitpunkte und nur in dem Umfang rechtswirksam, wie es ein neuer Bundesratsbeschluss
bestimmt. Das Erforderliche hiefür ist vorbereitet.

Indessen hat sich der Bundesratsbeschluss nicht auf diese gesetzliche Sitzverlegung beschränkt, sondern gleichzeitig die Sitzverlegung im ordentlichen Verfahren wesentlich vereinfacht. Während sonst bei juristischen Personen, Handelsgesellschaften und Genossenschaften regelmässig ein Beschluss der Generalversammlung erforderlich ist, ermöglicht der Erlass es diesen Organisationen, ihren Sitz durch einfachen Beschluss ihres obersten Verwaltungsorgans an einen andern Ort der Schweiz zu verlegen und im Handelsregister eintragen zu lassen. Auch mit dieser Vereinfachung wird den Erfordernissen

609 der Zeit Eechnung getragen, zumal die Einberufung einer Generalversammlung für viele Gesellschaften ein recht umständliches Verfahren bedeutet.

8. Durch die Verordnung vom 25. September 1989 über die B e u r k u n d u n g der Todesfälle im aktiven Militärdienst (A. S. 55,1086) ist für die Dauer der militärischen Schutzmassnahmen in der gegenwärtigen Kriegszeit eine ähnliche Organisation wie während des Weltkrieges von 1914--1919 getroffen worden (A. S. 30, 891). Diesmal wurde aber die Beurkundung der Todesfälle statt dem eidgenössischen Zivilstandsamt einer Anzahl von kantonalen Zivilstandsämtern übertragen, von denen je eines für eine Division, Gebirgsbrigade oder Militärsanitätsanstalt bezeichnet worden ist. Im Einverständnis mit dem Armeestab sind Instruktionen für die Durchführung erlassen worden.

4. Durch die Mobilmachung der Armee sind fünf Mitglieder des Bundesgerichts -- darunter drei Mitglieder der I. Zivilabteilung -- zum Aktivdienst einberufen worden. Den daraus für die Geschäftsführung entstehenden Schwierigkeiten begegnet der BKB vom 17. Oktober 1939 über vorübergehende ausserordentliche Massnahmen im Geschäftsbetriebe des Bundesgerichts (A. S. 55,1180), indem er in zwei Eichtungen eine Vereinfachung der Behandlung von Geschäften ermöglicht. Er ermächtigt das Bundesgericht, soweit der Geschäftsbetrieb unter den ausserordentlichen Verhältnissen es erfordert, anzuordnen, dass bei den Beratungen und Abstimmungen in seinen Abteilungen bloss 5 Eichter (statt 7) mitwirken. Das Bundesgericht hat erklärt, dass es von dieser Möglichkeit einstweilen nur bei der I. Zivilabteilung Gebrauch zu machen beabsichtigt, während die staatsrechtliche Abteilung und die II. Zivilabteilung die Geschäfte in der normalen Besetzung erledigen können, solange nicht neue Umstände eine andere Ordnung erforderlich machen. Ferner hat der erwähnte BEB das Bundesgericht ermächtigt, bei Berufungen in Zivilrechtsstreitigkeiten auch in den Fällen, für die das Gesetz das mündliche Verfahren vorschreibt, das schriftliche Verfahren anzuordnen, wenn eine mündliche Parteiverhandlung als entbehrlich erscheint.

Das Bundesgericht hat erklärt, dass diese Möglichkeit für Fälle gedacht ist, wo der mit der mündlichen Parteiverhandlung verbundene Zeitaufwand unter den heutigen ausserordentlichen Verhältnissen schlechterdings
nicht zu rechtfertigen wäre, insbesondere wo eine Berufung an das Bundesgericht sich von vorneherein als missbräuchlich oder aussichtslos erweist.

u. Polizeiabteilung.

1. Die Polizeiabteilung befasst sich seit 1919, und in rechtlicher geregelter Weise seit dem Bundesbeschluss vom 21. Juni 1923 mit der Fürsorgebehandlung der Auslandschweizer. Es war daher gegeben, dass sie sich auch der durch den neu ausgebrochenen Krieg unverschuldeter Weise in Not geratenen Auslandschweizer annahm. In enger Zusammenarbeit mit dem Politischen Departement und dem eidgenössischen Kriegsfürsorgeamt wurde die Hilfe

610 so organisiert, dass die Polizeiabteilung die im Ausland verbliebenen Lands-' leute durch Vermittlung der Gesandtschaften und Konsulate unterstützt, während den nach der Schweiz Heimgekehrten die notwendige Hilfe durch Vermittlung der kantonalen Behörden zuteil wird, sobald die Heimkehrer im Inland, sei es in der Heimatgemeinde, sei es anderwärts, FUSS gefasst haben.

Die Unterstützung der Angehörigen von eingerückten Wehrmännern im Inund Ausland ist den zuständigen militärischen Instanzen überlassen.

Sofort nach der Generalmobilmachung wurden der Polizeiabteilung die zur Unterstützung der Hilfsbedürftigen unter den heimgekehrten und den im Ausland verbliebenen Landsleuten nötigen Geldmittel vorgeschossen. Vorbehaltlich einer spätem Eegelung mit den Kantonen wurde im Interesse einer gleichmässigen und sofort wirksamen Hilfe beschlossen, dass während der ersten drei Monate seit Beginn des einzelnen Fürsorgefalles die Unterstützungskosten für alle notleidenden Auslandschweizer zu Lasten des Bundes zu übernehmen seien. Bei später notwendig werdender Hilfeleistung werden die Kantone und Gemeinden zur Mitwirkung herangezogen, oder es kann ihnen die Fürsorge ganz überlassen werden.

Bereits am 29. August und 5. September 1939 sind den Gesandtschaften und Konsulaten, sowie den kantonalen Behörden provisorische Weisungen zugegangen, die am 29. September durch endgültige Bichtlinien vervollständigt wurden.

Bis Ende Oktober 1939 wurden von der Polizeiabteilung rund 1600 Fürsorgefälle im In- und Ausland behandelt. Die Zahl der unterstützten Personen beläuft sich auf über 4000.

Über die finanzielle Auswirkung der Hilfsaktion kann noch nichts gesagt werden, da die Polizeiabteilung bisher lediglich nach Prüfung der Einzelfälle Gutsprachen für zu leistende Unterstützungen abgegeben hat, Abrechnungen der Gesandtschaften, Konsulate und kantonalen Behörden jedoch noch nicht vorliegen.

Aus den Mitteln der Polizeiabteilung sind der Sektion für Heimschaffung des eidgenössischen Kriegsfürsorge-Amtes, welche für die Durchführung ihrer Aufgaben (siehe deren Bericht) nicht über eigene Kredite verfügt, die erforderlichen Summen zur Verfügung gestellt worden.

2. Am 13. Oktober 1939 hat der Bundesrat einen Beschluss gefasst über die Erteilung des Lernfahrausweises und des Führerausweises für M o t o r f a h r z e u
g e an Personen, die das siebzehnte Altersjahr vollendet haben. Dieser Beschluss, der von Art. 9, Abs. 2, des Bundesgesetzes über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr abweicht, wonach der Führerausweis erst nach Vollendung .des achtzehnten Altersjahres erteilt werden darf, berücksichtigt militärische und wirtschaftliche Interessen.

Nachdem die Eekrutierung um ein Jahr vorgeschoben worden ist, ermöglicht er allen jungen Leuten, die ihren Dienst bei den motorisierten Truppen zu leisten beabsichtigen, im Zeitpunkt ihrer Eekrutierung im Besitz des für die Ein-

611 teilung in diese Truppen verlangten Führerausweises zu sein. Überdies kann der Führerausweis ausnahmsweise auch andern Personen erteilt werden, die das siebzehnte Altersjahr vollendet haben, sofern sich eine solche Ausnahme zufolge des durch die Mobilisation bedingten Mangels an Motorfahrzeugführern als wirtschaftlich notwendig erweist.

3. Bundesratsbeschluss vom 5. September 1939 über Einreise und Anmeldung der Ausländer. Je mehr im Sommer 1939 die Gefahr des Kriegsausbruches näher rückte, um so mehr setzte eine gewisse Flucht nach der Schweiz ein (1914 war dies anders, weil die weitesten Kreise den Kriegsausbruch nicht kommen sahen). Das Ausmass dieser Flucht hat sich als massig erwiesen ; immerhin dürften einige Hundert noch schnell hereingekommen sein, zum Teil ganz unerwünschte Ausländer. Viele von ihnen versteckten sich vor der Polizei. Es musste dafür gesorgt werden, dass mit dem Kriegsausbruch der Zustrom streng kontrolliert und eingeschränkt wurde.

Dies geschah, gleich wie in vielen andern Staaten, durch die Einführung, des Visums für alle Ein- und Durchreisen (Art. 1). Die Konsulate wurden angewiesen, mit Ausnahme besonders umschriebener, seltener Fälle alle Visumsgesuche der eidgenössischen Fremdenpolizei zu unterbreiten. Um die schon eingereisten und neu einreisenden Ausländer sofort fremdenpolizeilich zu erfassen, musste Anmeldung binnen 24 Stunden vorgeschrieben werden (Art. 2).

Die Ausländer wurden verpflichtet, sich im Verkehr mit Behörden und Militär unaufgefordert zu legitimieren (Art. 4).

Es erwies sich als notwendig, die fremdenpolizeilichen Vorschriften den Kriegsyerhältnissen anzupassen. Der nach Besprechung mit den Kantonen erlassene Bundesratsbeschluss vom 17. Oktober 1939 über Ä n d e r u n g e n der fremdenpolizeilichen Vorschriften tat dies nach folgenden Eichtungen : Visum: Die Mehrheit der Visumsgesuche bezweckt nur.kurzfristigen Aufenthalt, für Besuche, geschäftliche Zwecke oder zu Erholungsaufenthalten. Es erschien als möglich, die Konsulate zur Ausstellung solcher Visa in eigener Kompetenz zu ermächtigen, aber nur unter der Voraussetzung, dass dann nicht aus dem kurzfristigen Aufenthalt ein dauernder werde. Um diese Voraussetzung zu schaffen, mussten die Kantone in der Verlängerung der Aufenthaltsfrist einigermassen beschränkt werden (Art. 1). Noch am
17. Oktober 1939 wurden die Konsulate in den für den Fremden- und Geschäftsverkehr wichtigen Ländern ermächtigt, Visa zu'Besuch, für geschäftliche Zwecke und für Erholungsaufenthalt, befristet für nicht mehr als einen Monat, in einiger Kompetenz zu erteilen. -- Zur bessern Kontrolle der schriftenlosen Ausländer wurde die frühere Bestimmung wieder eingeführt, wonach die Toleranzbewilligung jederzeit widerruflich ist. (Art. 2 und 3.) Damit nicht die Ausländer ohne weiteres die durch die Mobilmachung offen werdenden oder sonst verfügbaren Stellen besetzen.können, wurde der Antritt jeder neuen Stelle durch einen Ausländer von einer besonderen Bewilligung abhängig gemacht (Art. 4). Ferner wurden die Ausweisungsmöglichkeiten erweitert (Art. 5). -- Es hat sich gezeigt,

612 dass viele Ausländer in der Schweiz sind, die in normalen Zeiten weggeschickt oder ausgewiesen würden, dass aber Ausreise und Ausschaffung stark erschwert sind. In vielen Fällen stellt sich die Frage, ob solche Ausländer ausgeschafft werden können, ob sie zu internieren seien, oder ob und allenfalls wo sie weiter im Lande geduldet werden müssen. Art. 7, 8 und 9 enthalten die hiefür nötigen Bestimmungen. Die Art. 10--15 regeln die Behandlung der Emigranten. Sie müssen besonders kontrolliert und im Auge behalten werden, damit sie zur Weiterreise gebracht werden können, so bald diese möglich wird. Wir hoffen, die Bemühungen zur Schaffung von Gelegenheiten für die Weiterreise werden in absehbarer Zeit zum Ziele führen. Auch die Behandlung der Deserteure und Eefraktäre bedurfte besonderer Eegelung. Für beide sieht der Bundesratsbeschluss vor, dass sie nur auf Beschluss des Bundesrates in ihren Heimatstaat ausgeschafft werden können.

m. Bundesanwaltschaft.

Den Geschäftskreis der Bundesanwaltschaft berühren folgende Kriegserlasse : 1. Verordnung über die Handhabung der Neutralität vom 14. April 1989; 2. Bundesratsbeschluss über den Schutz der Sicherheit des Landes im Gebiet des Nachrichtendienstes vom 8. September 1989; 8. Bundesratsbeschluss über die Ordnung des Pressewesens vom 8. September 1989; 4. Verordnung über die Wahrung der Sicherheit des Landes vom 22. September 1939.

Wir verweisen für die erstgenannte Verordnung auf den Bericht des Politischen Departementes und für die drei letzgenannten Erlasse auf den Bericht des Militärdepartementes.

IV. Versicherungsamt.

Alle vom Versicherungsamt bis Ende Oktober 1939 getroffenen Massnahmen zur Wahrung des Kredites und der wirtschaftlichen Interessen der konzessionierten Versicherungsgesellschaften und ihrer Versicherten sind auf Grund der ordentlichen Gesetzgebung erlassen worden. Das Versicherungsamt bereitet den Entwurf eines Bundesratsbeschlusses über die Lebensversicherung im Kriege vor, der gestützt auf Art. 8 des Bundesbeschlusses vom 80. August 1939 im Falle des Eintrittes der Schweiz in den Krieg zu erlassen wäre.

Das Versicherungsamt hat bei der Ausarbeitung des Bundesratsbeschlusses über die allgemeine Versicherung des Kriegstransportrisikos schweizerischer Import- und Exportgüter vom 2. September 1939 mitgewirkt. Nähere Ausführungen über diesen Gegenstand finden sich im Bericht des Kriegstransportamtes, Sektion für Kriegstransportversicherung, auf den wir verweisen.

613 Das Versicherungsamt war ferner beteiligt bei der. Beratung der vom Amt für das Handelsregister vorbereiteten Entwürfe der Bundesratsbeschlüsse über die Sitzverlegung der juristischen Personen und der Handelsgesellschaften in Kriegszeiten.

V. Amt für geistiges Eigentum.

Am 29. September 1939 hat der Bundesrat beschlossen, auf dem Gebiet des gewerblichen Eechtsschutzes eine Reihe von Fristen bis auf weiteres zu erstrecken (vgl. den Text in A. S. 55, 1096). Es handelt sich vor allem um die Fristen zur Bezahlung der für die Aufrechterhaltung von Erfindungspatenten und Muster- oder Modellhinterlegungen erforderlichen Gebühren und um die Prioritätsfristen. Da infolge der Mobilmachung der schweizerischen Armee zahlreiche Patentinhaber verhindert sind, ihre Privatangelegenheiten zu besorgen, und da die Postverbindungen, insbesondere die Beförderung von Geldsendungen vom Ausland her oder ins Ausland gefährdet erscheinen, bestand die Gefahr, dass Erfindungspatente, Musterhinterlegungen und Prioritätsrechte untergingen nur weil die Fristen ohne Verschulden der Berechtigten nicht eingehalten werden konnten. Dabei waren nicht nur die internen schweizerischen Verhältnisse zu berücksichtigen, sondern ebensosehr fiel ins Gewicht, dass zahlreiche Schweizer gewerbliche Schutzrechte im Ausland zu wahren haben.

Damit sie in den Genuss der von diesen ausländischen Staaten für ihre eigenen Angehörigen vorgesehenen Moratorien gelangen konnten, musste die Schweiz für die Angehörigen dieser Staaten Gegenrecht herstellen. Um aber gleichzeitig auf das Ausland einen gewissen Druck ausüben zu können, wurde in Art. 8 des Bundesratsbeschlusses vom 29. September 1939 ausdrücklich vorgesehen, dass im Ausland niedergelassene Ausländer an den vorgesehenen Erleichterungen nur teilhaben können, wenn ihr Heimatstaat der Schweiz Gegenrecht hält.

Das Politische Departement hat bei den ausländischen Staaten bereits Schritte auf Herbeiführung von Gegenrecht unternommen. Diese Unterhandlungen werden eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Wir rechnen immerhin damit, dass bis Ende Januar 1940 wenigstens mit den wichtigsten Staaten das Gegenrecht hergestellt sein wird mit Rückwirkung auf den 27. August 1939.

Damit nicht in der Zwischenzeit Verfügungen getroffen werden, welche nachher infolge der Rückwirkung des Gegenrechts wieder
aufgehoben werden müssten, und weil anderseits die Entgegennahme von an sich verspäteten Zahlungen usw. mit dem Vorbehalt, dass das Gegenrecht nachträglich noch hergestellt werde, eine Periode der Rechtsunsicherheit geschaffen würde, wird das Amt die in Frage stehenden Fristen auch gegenüber solchen Ausländern, deren Heimatstaat kein Gegenrecht gewährt hat, als bis zum 31. Januar 1940 laufend betrachten.

Über die Auswirkung des Fristerstreckungsbeschlusses lassen sich zurzeit noch keine schlüssigen Erfahrungen mitteilen.

Bundesblatt. 91. Jahrg. Bd. II.

46

614

D. Militärdepartement.

Einleitung.

Montag den 28. August 1939 hat der Bundesrat die Kriegsmobilmachung der Grenztruppen beschlossen (A. S. 55, 721) und die eidgenössischen Eäte zu einer ausserordentlichen Session einberufen. Am 30. August hat die Bundesversammlung zum Oberbefehlshaber der eidgenössischen Armee ernannt den Kommandanten des 1. Armeekorps, Herrn Oberstkorpskommandant Henri Guisan. Am gleichen Tage ist der Beschluss der Bundesversammlung ergangen über Massnahmen zum Schütze des Landes und zur Aufrechthaltung der Neutralität (A. S. 55, 769). In Art. 3 dieses Beschlusses hat die Bundesversammlung dem Bundesrat Vollmacht und Auftrag erteilt, die zur Behauptung der Sicherheit und Unabhängigkeit und Neutralität der Schweiz erforderlichen Massnahmen zu treffen. Als am 1. September der Kriegszustand zwischen Deutschland und Polen eintrat, hat der Bundesrat die Kriegsmobilmachung der ganzen Armee beschlossen (A. S. 55, 771). · « Mit dem Aufgebot der Grenztruppen sind folgende zwei Bundesratsbeschlüsse in Kraft getreten: Bundesratsbeschluss vom 26. September 1938 betreffend teilweise Schliessung der Grenzen (A. S. 55, 738) und Bundesratsbeschluss vom 24. Februar 1939 betreffend Verbot des Luftverkehrs in der Schweiz im Mobilmachungsfall (A. S. 55, 740).

Diese Bundesratsbeschlüsse stützen sich nicht auf die Übertragung der Vollmachten gemäss Bundesbeschluss vom 30. August 1939, sondern auf Art. 102, Ziff. 9 und 10 der Bundesverfassung. Sie sind, wie aus den oben angegebenen Daten hervorgeht, schon längere Zeit vor der Mobilmachung vorsorglich gefasst worden. Wir erwähnen sie hier, um das Bild der mit der Mobilmachung .zusammenhängenden ausserordentlichen Massnahmen zu vervollständigen. In gleichem Sinne sei auch hingewiesen auf die Bundesratsbeschlüsse vom 29. August 1939 betreffend den Aktivdienstzustand (A. S. 55, 748) und den Bundesratsbeschluss vom gleichen Tage betreffend die Zuständigkeit der Territorialgerichte (A. S. 55, 750). Der ersterwähnte Bundesratsbeschluss stützt sich auf Art. 102, Ziff. 9 der Bundesverfassung und Art. 3 des Militärstrafgesetzes vom 13. Juni 1927. Er verfügt die Ausdehnung des persönlichen Geltungsbereiches des Militärstrafgesetzes auf Zivilpersonen im Sinne von Art. 3, Ziff. l, 2 und 3 des Militärstrafgesetzes. Der zweiterwähnte Bundesratsbeschluss regelt die
Zuständigkeit der Territorialgerichte gestützt auf Art. 11 und 45--48 der durch das Bundesgesetz vom 28. Oktober 1937 abgeänderten Militärstrafgerichtsordnung.

Bundesratsbeschluss vom 8. September 1939 betreffend Schutz der Sicherheit des Landes im Gebiete des Nachrichtendienstes.

Der Ausbruch eines Krieges in Buropa, die dadurch notwendige Mobilisation und die Gefahr des Übergriffes der Kriegshandlungen auf unser Land

615 machten Massnahmen notwendig zur Überwachung des gesamten Publizitätsund Nachrichtenwesens. Diese Massnahmen sollten im wesentlichen dem Zweck dienen, die neutrale Haltung der Schweiz nach aussen auch auf dem Gebiete der Nachrichtenübermittlung sicherzustellen und unser Land freizuhalten von jeder in- und ausländischen Kriegspropaganda und anderen unlauteren Machenschaften, die die Sicherheit der Schweiz gefährden könnten. Die Erkenntnis dieser Notwendigkeiten führte zu dem Beschluss des Bundesrates vom 8. September 1939 (A. S. 55, 909), der sich formell auf den Bundesbeschluss vom 30. August 1939 stützt.

Wenn von Publizität und Nachrichtenübermittlung die Eede ist, denkt man im allgemeinen nur an die Presse. Das Gebiet ist indessen ein viel weiteres; es erfasst alle Arten der Veröffentlichung in Wort und Bild, so insbesondere auch den Buchhandel, den Film, den Radio, Telegraph und Telephon und Post. Auf dem Gebiete des Pressewesens ist zu unterscheiden die Presse der Heimat und die Presse des Auslandes, und besondere Aufmerksamkeit war von Anfang an den Agenturen zu widmen, da diese für einen wesentlichen Teil der wichtigsten Nachrichten die Quellen der in- und ausländischen Zeitungen darstellen. Wenn sie unkontrolliert sind, würden sie erhebliche und nicht immer leicht erkennbare Gefahren bergen.

Der bundesrätliche Beschluss wurde deshalb so weit gefasst, dass dadurch alle die erwähnten Erscheinungen getroffen werden konnten. Die Überwachungsaufgabe wurde durch den bundesrätlichen Beschluss für das ganze dargestellte Gebiet der Armeeleitung übertragen. Eine Trennung nach einzelnen Gebieten erwies sich praktisch als unmöglich, da diese ineinander wirken, und da die Durchführung einheitlicher Grundsätze nur garantiert werden konnte, wenn der ganze Bereich der Nachrichtenübermittlung einheitlich durch die Überwachung erfasst wurde. Ebenso wenig empfahl sich für das Gebiet der Presse eine Trennung in politische, wirtschaftliche und rem militärische Belange. Es hätte dies für das Verfahren zu einer unerwünschten Doppelspurigkeit geführt, und zudem muss festgestellt werden, dass sowohl im gleichen Zeitungsartikel, als auch selbst im gleichen Satz militärische und politische Dinge oft ineinander hinüberspielen.

Dass grundsätzlich eine Überwachung auf dem Gebiete des Nachrichtenwesens beim nahen
Heranrücken kriegerischer Ereignisse und bei den damit verbundenen höchsten politischen Spannungen notwendig ist, bedarf kaum einer Begründung. Würde hier nicht vorgesorgt, so wäre das Land sehr rasch ein Tummelplatz aller möglichen verderblichen geistigen Umtriebe und Versuche, die Geschlossenheit von Armee und Volk und den festen, nach allen Seiten gleich starken Abwehrwillen zu untergraben. Die Geschichte lehrt, dass die Kriegführenden immer noch versucht haben, ihre Propaganda in ein neutrales Land überfluten zu lassen und sich dabei auch der darin befindlichen unlauteren Elemente zu bedienen. Es galt hier, sofort klar einzugreifen und den Anfängen zu wehren.

616 Von grosser Wichtigkeit, ja von entscheidender Bedeutung, war es, unser Land und Volk, abgesehen von persönlicher Stimmung und Sympathie, nach aussen in seiner gesamten Haltung eindeutig militärisch und politisch neutral erscheinen zu lassen. Es durfte nicht vorkommen, dass irgendwelche stimmungsmässig bedingte Einstellung in der Öffentlichkeit aktiviert und dadurch das Bild der wahrhaft neutralen Haltung der Schweiz gegenüber dem Ausland irgendwie verwischt würde. Durch die der Armeeleitung übertragene Überwachung muss fortdauernd dafür gesorgt werden, dass dieses Bild rein bleibt und sich bei den kriegführenden Staaten die feste Überzeugung erhält, die Schweiz werde jedem Angreifer, komme er von welcher Seite er wolle, mit der vollen Entschlossenheit eines seine Unabhängigkeit und seine Freiheit verteidigenden Volkes entgegentreten.

In Ausführung des bundesrätlichen Beschlusses wurden durch die Armeeleitung folgende Massnahmen getroffen. Der gesamte Buchhandel in- und ausländischer Produktion wurde unter Prüfung und Zensur gestellt. Diese Massnahme erwies sich als ° angezeigt, da verschiedentlich Versuche auftauchten, gefährliche Propagandaschriften in Eoman- oder Memoirenform unters Volk zu bringen. Seit Anfang Oktober ist der Film unter Zensur gestellt, und es erfolgt keine öffentliche Vorführung eines Filmes mehr, der nicht die Armeezensurstelle in Bern passiert hat. Der Film übt mit seiner Unmittelbarkeit und seiner Verbindung von Bild und Wort eine ausserordentliche Wirkung auf die Zuschauer und ist deshalb ein beliebtes, aber auch ein sehr gefährliches Mittel für jede Art gewellter Beeinflussung. Eine ganze Eeihe von Filmen, durch die für die Armeen oder für die Zwecke fremder Staaten in zum Teil versteckter Weise Propaganda gemacht wurde, konnte durch die Zensur ausgeschlossen werden. Die Überwachung auf dem Gebiet der Post, des Telephons und Telegraphs und des Radios vollzog sich im Einvernehmen mit dem eidgenössischen Post- und Eisenbahndepartement und in Verbindung mit den entsprechenden zivilen Amtsstellen. Ein Gebiet, das im allgemeinen etwas zu wenig beachtet wird, ist die Presse des Auslandes. Auch hier musste offener und stiller Propaganda gewehrt werden, und es erwies sich eine Zensurierung und Siebung der ausländischen Presseerzeugnisse auch notwendig zum Schütze der
heimatlichen Presse. Denn wenn schon diese auf eine würdige Masshaltung und ernste Zurückhaltung verpflichtet werden musste, durfte es anderseits nicht vorkommen, dass die ausländischen Zeitungen mit sensationellen Nachrichten aller Art, mit Gerüchten, Berichten und Bildern über Greueltaten und mit aufregenden oder aufhetzenden Artikeln der einheimischen Presse beim Publikum den Bang abliefen. Einer dauernden und eingehenden Überwachung bedürfen im Hinblick auf die schon erwähnten, in ihnen liegenden Gefahren die Agenturbetriebe, namentlich soweit sie ausländischer Herkunft sind und zum Teil offen oder versteckt von ausländischem Geld gespeist und durch ausländische Interessen geleitet werden. Um immerhin den ungestörten Zufluss von Nachrichten aus den Agenturbetrieben an die Presse nicht zu beengen, hat der Bundesrat davon abgesehen, von Anfang an die Vorzensur

617 für die Dienste der Nachrichtenagenturen einzuführen. Er hat sich deren Einführung indessen vorbehalten und wird sich zu gegebener Zeit dieses Mittels bedienen, wenn bei Verschärfung der Spannungen und je nach der allgemeinen Haltung der Agenturen sich die Massnahme im Interesse der Landessicherheit als notwendig erweisen sollte. Dagegen hat der Bundesrat das Armeekommando ermächtigt, die Konzessionspflicht auf dem Gebiete der Presse- und der Nachrichtenagenturen zu verfügen, und er hat ferner die Neugründung von Presseund Nachrichtenagenturen sowie die Neugründung von Zeitungen und Zeitschriften bis auf weiteres verboten. Gegenüber der einheimischen Presse sah der Bundesrat davon ab, die Arme'eleitung mit der Einführung der allgemeinen Vorzensur zu betreuen; er behielt sich vielmehr das Eecht hiezu ausdrücklich vor. Die Erfahrungen, die gemacht worden sind, zeigen, dass der Bundesrat damit recht hatte. Der überwiegende Grossteil der schweizerischen Presse stellt sich immer'mehr, nachdem einmal'die Notwendigkeit der Zeit erkannt wurde und die zu befolgenden Eichtlinien gegeben waren, geschlossen und einsichtsvoll auf eine Linie im Sinne einer ruhigen und würdigen Haltung gegenüber den gewaltigen Geschehnissen und ihren Ursachen. Es darf erwartet werden, dass abgesehen von Beschränkungen in Einzelfällen weitere Massnahmen allgemeiner Natur gegenüber der Presse der Heimat nicht ergriffen werden müssen. Möge es gelingen, durch diese schweren Zeiten unser Land mit allen seinen geistigen Gütern und Freiheiten und auch die Pressefreiheit glücklich in eine bessere Zukunft hinüber zu retten.

Verordnung über die Wahrung der Sicherheit des Landes vom 22. September 1939.

1. Die Verordnung vom 22. September 1939 (A. S. 55, 1082) entspricht den ausserordentlichen Bedürfnissen einer Lage, die nach wie vor für unser Land kritisch bleibt. Nachdem die Armee zum Schutz unserer Unabhängigkeit und unserer Neutralität mobilisiert ist, in einer Zeit, wo die innere und die äussere Sicherheit des Landes so eng miteinander verbunden sind, muss das Armeekommando imstande sein, innert nützlicher Frist die zum Schütze der Sicherheit unseres Landes notwendigen Massnahmen zu ergreifen. Dazu ist notwendig, dass es über gewisse Befugnisse verfügt, die in normalen Zeiten den bürgerlichen Behörden der Eidgenossenschaft und der Kantone vorbehalten sind. Aus den gleichen Gründen erscheint es sachlich auch durchaus begründet, dass die bürgerlichen Behörden den vom Armeekommando im Eahmen seiner Befugnisse getroffenen Anordnungen für die Sicherheit des Landes Folge zu geben haben. Die dem Armeekommando derart übertragenen Befugnisse sind nicht unbegrenzt. Der Art. l der Verordnung vom 22. September 1939 behält vor allem die Befugnisse des Bundesrates gemäss der Verfassung, den Gesetzen und dem Bundesbeschluss vom 30. August 1939 vor.

Im weitern ermächtigt Art. l, Abs. l der Verordnung, das Armeekommando nur «im Eahmen der Verordnung» zu handeln (vgl. insbesondere Art. l, Abs. 8 und Art. 3--12). Die Massnahmen, die getroffen werden können: z. B. eine Hausdurchsuchung, die Einvernahme oder Durchsuchung einer Person, dienen

618 vorab der Sammlung und Erhaltung von Indizien, die sonst leicht verloren gehen und verwischt werden, die aber für eine allenfalls nachfolgende gerichtliche Untersuchung bedeutungsvoll sein können.

2. Von besonderer Bedeutung ist die Frage, welchen ihm unterstellten militärischen Stellen das Armeekommando seine Befugnisse aus der Verordnung überträgt. Wie der Bundesrat den kantonalen Eegierungen bereits mitgeteilt hat durch seinen Brief vom 26. September 1939, hat eine derartige Übertragung stattgefunden: a. an den Spionageabwehrdienst der Armee; b. an die Territorialkommandanten und die Stadtkommandanten (Zürich, Basel, Genf).

Diesen Organen hat das Kommando der Armee genaue Weisungen erteilt über die Art, wie sie sich ihres Auftrages zu entledigen haben.. Die Weisungen enthalten insbesondere Vorschriften über das Verfahren, das bei der Durchführung der in der Verordnung vorgesehenen Massnahmen zu beobachten ist.

Die zuständigen militärischen Organe wissen übrigens, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen mit Aufträgen polizeilicher .Natur beauftragten Stellen im Interesse der Landesverteidigung unerlässlich ist. Soviel wie irgend möglich sind Doppelspurigkeiten, welche nur den Erfolg der Aktion schädigen könnten, zu vermeiden. In dieser ' Beziehung ist den zuständigen militärischen Organen vorgeschrieben worden, dass, wenn zwei oder mehrere Stellen inné werden, dass sie sich gleichzeitig mit dem gleichen Fall befassen, in der Eegel und vorbehaltlich eines direkten Übereinkommens unter ihnen, die Stelle die Angelegenheit weiter verfolgen soll, welche die ersten Massnahmen getroffen hat, in der Meinung, dass die andern ihr alle Angaben zukommen lassen, über die sie bereits verfügen.

8. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Anwendung der Verordnung, sofern sie in diesem Sinne erfolgt, keine besondern Schwierigkeiten bereitet, und dass die in dieser Beziehung geäusserten Befürchtungen nicht berechtigt waren.

Bis heute haben wir keine Kenntnis erhalten von Klagen von Privatpersonen.

Anderseits haben im allgemeinen die zuständigen militärischen Organe und die Zivilbehörden sehr wohl verstanden, ohne Anstoss im höhern Interesse des Landes zusammen zu arbeiten.

4. Es ist ausserdem festzuhalten, dass die Befugnisse und die Pflichten der Zivilbehörden insbesondere im
Gebiete der Polizei restlos weiterbestehen auch nach dem Inkrafttreten der Verordnung. Der Oberbefehlshaber der Armee hat selber ausdrücklich gegenüber dem Bundesrat auf das grosse Interesse hingewiesen, dass, parallel zur Tätigkeit der zuständigen militärischen Organe, durch die bürgerlichen Behörden, die eidgenössischen wie die kantonalen; nach wie vor alle Massnahmen zur Wahrung der Sicherheit des Landes getroffen werden. Es ist unerlässlich, dass auf diesem Gebiet die Tätigkeit der Armee ständig ergänzt und verstärkt wird durch diejenige der bürgerlichen Behörden, insbesondere mit Bezug auf die Auffindung und Ausschaltung aller unerwünschten Elemente.

619 5. Es ist gefragt worden, warum die Verordnung nicht ausdrücklich ein Kekursverfahren gegen die von den militärischen Organen getroffenen Verfügungen vorgesehen hat. Selbstverständlich ist diese Frage bei der Aus· arbeitung der Verordnung geprüft worden. Die Prüfung hat uns in Übereinstimmung mit dem leider seither verstorbenen Prof. Walter Burckhardt zum Schlüsse geführt, dass es besser ist, sich mit den allgemeinen Eegeln des Verwaltungsrechts zu begnügen, wonach ein Eekurs immer möglich ist an die der entscheidenden Stelle übergeordneten Instanz und in der Verordnung nur vorzusehen, dass demjenigen, dem durch die Anwendung einer in der Verordnung vorgesehenen Massnahme ohne eigenes Verschulden ein Schaden entsteht, das Eecht auf eine angemessene Entschädigung zustehen soll. In dieser Beziehung heben wir hervor, dass die Kommission von drei Mitgliedern, die der Bundesrat in Anwendung des Art. 12, AI. 2, der Verordnung zu ernennen hat, aus hochstehenden, zumeist dem Eichterstand angehörenden Persönlichkeiten zusammengesetzt ist.

6. Die Strafbestimmungen der Verordnung stützen sich auf das Militärstrafgesetz und das Bundesgesetz vom 28. Juni 1889 über die Militärstrafgesetzordnung. Die Art. 4 und ff. der Verordnung fallen unter die Art. 107 und 108 des Militärstrafgesetzes. Diese sind gegenwärtig anwendbar nicht nur auf Militärpersonen (MStrG Art. 2), sondern auch auf Zivilpersonen (MStrG Art. 8, Ziff. l, und Bundesratsbeschluss vom 29. August 1939 betreffend den Aktivdienstzustand). Sie sehen beide vor, dass in leichten Fällen disziplinarische Bestrafung erfolgen kann. Diese disziplinarische Ahndung ist auch möglich gegenüber Zivilpersonen (MStrG Art. 182, 192, Abs. l, und 195, Abs. 2).

Dagegen haben die Militärgerichte die Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen kriegswirtschaftlicher Natur nicht zu beurteilen. In .der Verordnung vom 22. September 1989, Art. 13, Abs. 3, ist der Bundesratsbeschluss vom 1. September 1939 betreffend die Einsetzung von strafrechtlichen Kommissionen des Volkswirtschaftsdepartements ausdrücklich vorbehalten.

7. Bis jetzt hat die Anwendung der Verordnung vom 22. September 1939 keinen Anlass zu Missbräuchen gegeben, sondern nur gute Eesultate gezeitigt.

Der Bundesratsbeschluss ist daher aufrechtzuerhalten. Die Zukunft wird zeigen, in welchem Moment man ohne
Schaden für die Sicherheit des Landes die Ausnahmebestimmungen, die heute eine Notwendigkeit sind, ändern oder aufheben kann.

Bundesratsbeschluss vom 3. Oktober 1939 über die Ausfuhr und den Verkauf von Karten, Plänen und andern Geländedarstellungen und deren Herstellungsmaterial.

Die meisten in der Armee verwendeten K a r t e n dienen auch bürgerlichen Zwecken, und es ist bekannt, dass die eidgenössischen Kartenwerke in Friedenszeiten in vielen öffentlichen Verkaufsstellen ohne weiteres erhältlich sind.

Es versteht sich von selbst, dass der öffentliche Verkauf nach der Kriegsmobilmachung sofort eingestellt werden musste, um der Armee das Kartenmaterial zu sichern. Diese Massnahme hätte aber nicht genügt. Neben den

620 amtlichen Kartenwerken sind solche privater Kartenverlagsanstalten vorhanden, die im Notfall als brauchbare Reserven für die Verwendung in der Armee in Frage kommen. Diese Karten mussten sofort gesichert, und es musste zudem verhindert werden, dass Kartenmaterial zusammengekauft und ausser Landes verschoben wurde, wie das nach gewissen Anzeichen offenbar beabsichtigt und bereits ins Werk gesetzt worden war. Um solche Praktiken zu verunmöglichen und überhaupt eine Kontrolle der Kartenbestände und des Kartenverkehrs zu ermöglichen, beschloss der Bundesrat am 3. Oktober 1989 (A. S. 55, 1098) ein Ausfuhrverbot für Karten, Pläne und andere Geländedarstellungen und unterstellte deren Vertrieb im Inland einer Bewilligungspflicht. Die nähere Umschreibung des für diese Massnahmen in Betracht fallenden Kartenmaterials erfolgte durch die Ausführungsbestimmungen des eidgenössischen Militärdepartements.

Bundesratsbescblüsse betreffend Tagesentschädigung für Pferde und Maultiere im Aktivdienst.

Dieser Bundesratsbeschluss vom 5. September 1939 (A. S. 55, 851) setzte die Tagesentschädigung für Pferde aller Kategorien und Maultiere bis auf weiteres auf Fr. 3 fest. Er bestimmte ferner, dass die gleiche Tagesentschädigung für die Dauer des Aufenthaltes von Pferden und Maultieren in Kuranstalten ausgerichtet werden könne.

Dieser Beschluss ist in der Folge durch einen Bundesratsbeschluss vom 7. November 1939 (A. S. 55, 1322) ersetzt worden, wodurch mit Eechtskraft am 1. Dezember 1939 die Tagesentschädigung auf Fr. 2 herabgesetzt wurde, dies im Hinblick auf die geringere Zahl der benötigten Pferde und auf die geringere Inanspruchnahme der Pferde in der Privatwirtschaft.

Bundesratsbeschluss vom 24. Oktober 1939 betreffend die Ausrichtung von Reiseentschädigungen an die zum Aktivdienst aus dem Ausland eingerückten Wehrmänner.

Das Verwaltungsreglement von 1885 schreibt vor, dass die im Ausland wohnenden Wehrpflichtigen beim Einrücken zum Militärdienst in die Schweiz die Reiseentschädigung nur beziehen von der Grenze hinweg bis zum Einrückungsort. Diese Vorschrift hat sich schon während des Weltkrieges 1914 bis 1918 als nicht mehr haltbar erwiesen, und es hat damals der Bundesrat mit Beschluss vom 20. September 1919, also erst nach Beendigung des Aktivdienstes, den Auslandschweizern Reiseentschädigung bewilligt. Gewisse
Auszahlungen hatten allerdings schon vorher stattgefunden. Die gleiche Regelung, wie sie im Jahr 1919 stattgefunden hat, drängt sich auch für die Zeit des gegenwärtigen Aktivdienstes auf. In der Tat kann dem Auslandschweizer, der seinem Lande zu Hilfe eilt, nicht die Tragung der Reisekosten zu den andern ihm auferlegten Opfern hinzu zugemutet werden. In einem Punkte geht der Bundesratsbeschluss vom 24. Oktober über denjenigen vom 20. September 1919 hinaus, indem er die Vergütung der Reisekosten auch für allfällige Ablösungsdienste vorsieht. Nach den bisherigen Vorschriften der Armee ist. aber vorgesehen,

621 dass im allgemeinen die Wehrmänner aus dem Ausland zu den Ablösungsdiensteii nicht werden einzurücken haben; die Auszahlung von Eeiseentschädigung für Ablösungsdienste wird daher aller Voraussicht nach nur selten zu erfolgen haben..

E. Finanz- und Zolldepartement.

I. Finanzverwaltung.

a. Finanzhaushalt.

1. Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement hat das Inkrafttreten der durch die Verordnung des Bundesrates vom 8'. März 1938 geschaffenen kriegswirtschaftlichen Organisation auf den 4. September 1989 verfügt. Damit die Dienststellen der kriegswirtschaftlichen Organisation ihre Tätigkeit unbehindert ausüben können, war eine Eeihe von vorwiegend finanz- und verwaltungstechnischen Anordnungen zu treffen. In erster Linie hat der Bundesrat gestützt auf Art. 3 des Vollmachtenbeschlusses mit Beschluss vom 26.'September 1939 die G r u n d s ä t z e über das Finanzgebaren, die personelle und die technische Ausrüstung der kriegswirtschaftlichen Organisation aufgestellt. Danach gehen sämtliche Aufwendungen der kriegswirtschaftlichen Organisation ab 4. September zu Lasten des dem Bundesrat in Art. 4 des Vollmachtenbeschlusses eröffneten Kredites. Das Kechnungswesen und der Zahlungsverkehr sind für die gesamte kriegswirtschaftliche Organisation von den Organen des Finanz- und Zolldepartementes zu besorgen.

Die Prüfung des gesamten kriegswirtschaftlichen Finanzgebarens ist Sache der eidgenössischen Finanzkontrolle. Die Bemessung des Personalbestandes, die Anstellung von Arbeitskräften und die Umschreibung des Dienstverhältnisses des Personals, besonders der Entlöhnung, sind im Einvernehmen mit dem eidgenössischen Personalamt zum ordnen. Für die Beschaffung der Arbeitsräume, die Ausstattung mit Bureaumöbeln und den Hausdienst ist die Direktion der eidgenössischen Bauten zuständig, für die Ausrüstung mit Bureaumaterial, Bureaumaschinen und Drucksachen die Bundeskanzlei. Diese Ordnung soll Gewähr dafür bieten, dass bei der personellen und technischen Ausstattung der Kriegswirtschaftsämter die in der allgemeinen Bundesverwaltung geltenden Grundsätze der Sparsamkeit beobachtet werden.

Durch einen weitern Bundesratsbeschluss vom 30. Oktober 1939 sind die Ausgabejibefugnis und die Zeichnungsberechtigung in der kriegsw i r t s c h a f t l i c h e n Organisation festgelegt worden.

Das Finanz- und Zolldepartement erliess gestützt auf die genannten Bündesratsbeschlüsse vom 26. September und 30. Oktober 1939 in drei Verfügungen die nötigen Vollziehungsvorschriften.

2. Nach einer zwischen dem eidgenössischen Militärdepartement und dem
eidgenössischen Finanz- und Zolldepartement getroffenen Verständigung gehen sämtliche Aufwendungen militärischer Stellen, die durch den Aktivdienstzustand der Armee verursacht werden, zu Lasten des in Art. 4 des Vollmachtenbeschlusses dem Bundesrat eingeräumten Kredites; damit dürfen weder ordentliche Budgetkredite noch auch durch besondere Bundesbeschlüsse für

622 die. Verstärkung der Landesverteidigung bewilligte Kredite belastet werden.

Die Kosten der Kriegsmobilmacbung sind auf einem besondern Konto der Kapitalrechnung zu verbuchen.

3. Am 27. Dezember 1938 (Bundesbl. 1938, II, 1157) hat der Bundesrat der Bundesversammlung ein Programm für den weitern Ausbau der Landesverteidigung mit einem Gesamtaufwand von 350 Millionen Franken vorgelegt. Durch Bundesbeschluss vom 8. Juni 1939 (A. S. 55, 572) ist zur Durchführung einer ersten Etappe dieses Programms ein Kredit von 190 Millionen Franken bewilligt worden. Gestützt auf Art. 3 des Vollmachtenbeschlusses hat der Bundesrat dem Militärdepartement am 30. Oktober 1939 einen Kredit von 40 Millionen Franken für weitere im genannten Programm vorgesehene Arbeiten bewilligt.

4. In Art. 4 des Vollmachtenbeschlusses ist dem Bundesrat die Ermächtigung zum Abschluss allfällig erforderlicher Anleihen erteilt. Gestützt hierauf stimmte der Bundesrat am 10. Oktober 1939 der Aufnahme von Verhandlungen mit Banken über die Aufnahme eines Anleihens von 150 bis 200 Millionen Franken in Form kurzfristiger, niedrig verzinslicher Kassenscheine zu. Das Finanz- und Zolldepartement hat am 23. Oktober 1939 rund 170 Millionen Franken aufgenommen.

II. Dienstverhältnis des Bundespersonals.

1. Die Mobilmachung der Armee hat in den Personalbestand des Bundes eine grosse Lücke gerissen. Anfangs September 1939 war der Personalbestand um etwa 8200 Arbeitskräfte vermindert. Davon entfielen auf die PTTBetriebe 4400, auf die Bundesbahnen etwa 380 und auf die Zollverwaltung, ohne das Grenzwachtkorps, 750. Anderseits bringen die aussergewöhnlichen Verhältnisse in vielen Verwaltungsabteilungen neue wichtige und umfangreiche Aufgaben, deren Lösung keinen Aufschub erduldet. Diese Lage erheischte besondere Massnahmen hinsichtlich der Beanspruchung der auf ihrem Posten verbliebenen D i e n s t p f l i c h t i g e n .

Der Bundesrat hat am 15. September 1939 gestützt auf Art. 3 des Vollmachtenbeschlusses einen Beschluss über das Dienstverhältnis und die Bezüge des Bundespersonals während des Aktivdienstzustandes (A. S. 55,1005) gefasst.

Dieser Beschluss findet Anwendung auf die Beamten, Angestellten und Arbeiter des Bundes, einschliesslich der PTT-Betriebe, und der Bundesbahnen, sowie auf die Professoren der Eidgenössischen Technischen Hochschule.
Eine Wegleitung des Finanz- und Zolldepartementes vom 20. Oktober 1939 ordnet die Vollziehung für die allgemeine Bundesverwaltung, je eine Verfügung der Generaldirektion der PTT-Verwaltung vom 23. September und der Generaldirektion der SBB vom 7. Oktober 1939 für ihren Bereich. Der Personalmangel zwang die Postverwaltung zu Diensteinschränkungen besonders in der Schalteröffnung, im Kastenleerungs-, Zustell- und Transportdienst.

Mit diesem Bundesratsbeschluss wird die Unauflösbarkeit des Dienstverhältnisses durch den Dienstpflichtigen während der Dauer des Aktivdienstzustandes verfügt und angeordnet, dass die Verwaltung den Dienstpflichtigen

623 jederzeit nach den jeweiligen dienstlichen Bedürfnissen innerhalb aller Dienstzweige des Bundes oder der Bundesbahnen versetzen kann. Die Arbeitszeitbeschränkungen wurden aufgehoben; während der Dauer des Aktivdienstzustandes richtet sich die Arbeitszeit unter Wahrung der Betriebssicherheit nach dem jeweiligen dienstlichen Bedürfnis. Soweit das Personal über die ordentliche Arbeitszeit hinaus beansprucht wird, hat es keinen Anspruch auf Zeitausgleich oder Überzeitvergütung. Ausserordentliche Dienstleistungen, Stellvertretungen usw. geben keinen Anspruch auf besondere Vergütung.

2. Gleichzeitig hat der Bundesrat das Lohnverhältnis des eingerückten Dienstpflichtigen geordnet. Dabei hat er unterschieden einerseits zwischen Dienstpflichtigen, die zu dauernder Verwendung angestellt sind, denen ihre Arbeitsstelle garantiert wird (Beamte, Grosszahl der Angestellten und Arbeiter), und solchen, die nur zu vorübergehender Verwendung angestellt wurden, und anderseits zwischen verheiratetem und ledigem Personal. Massgebend für die getroffene Lösung, deren Grundzüge sich aus nachstehender Zusammenstellung ergeben, war die Absicht, eine materielle Besserstellung des Eingerückten wegen der Mobilisation zu vermeiden.

Dienstbezüge 1 ) des zum Aktivdienst eingezogenen Dienstpflichtigen des Bundes und der Bundesbahnen in % des Anspruches vor dem Einrücken.

Dienstpflichtige

Verheirateter Lediger mit gesetzlicher Unterstützungspflicht .

Lediger ohne gesetzliche Unterstützungspflicht .

Zu Nur zu vorübergehender Verwendung Angestellter dauernder Verwendung mit wenigstens zwei mit weniger als zwei Dienstjahren Angestellter Dienstjahren 2) Dauer des Lohnanspruches währ end des Akt ivdienstes unbeschränkt |1. und2.Monat|3, und 4. Monat 2. Monat 1. Monat

50

100

50

100

100

75

75

37%

75

37%

50

50

25

50

25

Bekleidet der Dienstpflichtige einen Offiziersgrad oder höhern Unteroffiziersgrad, so werden ihm während seines aktiven Militär- oder Hilfsdienstes vom Militärsold auf die Dienstbezüge angerechnet als *) Besoldung, Gehalt oder Lohn nebst Ortszuschlag und Kinderzulagen oder andere2 feste Bezüge.

) Nur zu vorübergehender Verwendung angestellte Personen, die beim Beginn ihres aktiven Militär- oder Hilfsdienstes seit mehr als vier Jahren ausschliesslioh, ununterbrochen und im vollen Tagewerk unmittelbar im Bundesdienste beschäftigt wurden, werden hinsichtlich des Anspruches auf feste Bezüge wie das zu dauernder Verwendung angestellte Personal behandelt.

624

Fourier Feldweibel Adjutant-Unteroffizier Stabsekretär mit Adjutant-Unteroffiziersgrad Leutnant Oberleutnant Hauptmann Major Oberstleutnant Offizier höhern Grades

10% 12% 14% . . . 20% 25% 30% 85% 40% 45% 50%

des Militärsoldes » » » » » » » » » » » » » » » » » »

3. Schliesslich ermächtigte der Bundesrat die Departemente, Bezüger von Invalidenrenten einer eidgenössischen Versicherungskasse, die das 68. Altersjahr noch nicht überschritten haben, zur Arbeitsleistung im Dienste des Bundes oder der Bundesbahnen aufzubieten. Diesen Eentenbezügern wird neben der Eente eine Vergütung von 3 bis 6 Franken gewährt.

4. Am 20. Oktober 1939 hat der Bundesrat gestützt auf Art. 3 des Vollmachtenbeschlusses die mobilisierten Mitglieder des schweizerischen Bundes gerichtes und des eidgenössischen Versicherungsgerichtes grundsätzlich und soweit sachlich gleiche Verhältnisse vorliegen, den durch den Bundesratsbeschluss vom 15. September 1939 erfassten Dienstpflichtigen gleichgestellt.

5. In Übereinstimmung mit Art. 16 des Bundesratsbeschlusses vom 15. September 1939 haben der Bankausschuss der Schweizerischen Nationalbank am 5. Oktober, der Verwaltungsrat der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt am 26. Oktober und der Ausschuss der Darlehenskasse der Schweizerischen Eidgenossenschaft am 21. September für das ihrer Dienstgewalt unterstellte Personal dieselben Massnahmen angeordnet, wie sie für das Personal des Bundes und der Bundesbahnen gelten.

B. Zollverwaltung.

1. Aus dem Bundesratsbeschluss vom 22. September 1939 über die Überwachung der Ein- und A u s f u h r (A. S. 55, 1063) ergab sich für die Zollverwaltung die Verpflichtung, nicht nur die Einfuhr, sondern auch die Ausfuhr und den Transitverkehr an der Grenze umfassend zu kontrollieren. Die zollamtliche Eevision wurde bei allen Verkehrsarten, besonders auch im Post-, im Eeisenden- und im Verkehr der Grenzbevölkerung mit den Eandgebieten, auf die ausgeführten und die transitierenden Waren ausgedehnt. Widerhandlungen gegen den genannten Bundesratsbeschluss werden nach den Strafbestimmungen des Zollgesetzes verfolgt. Soweit das für Zollvergehen vorgesehene Verfahren nicht anwendbar ist, liegt die Beurteilung der neuen Tatbestände bei den durch Bundesratsbeschluss vom 1. September 1939 geschaffenen strafrechtlichen Kommissionen des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes.

625

Die Entwicklung der internationalen Lage und die damit verbundene starke Vermehrung der Schwierigkeiten für die Versorgung des Landes und der Armee mit-ausländischen Waren erforderte die Schaffung einer zentralen Überwachungsstelle. Sie ist durch Bundesratsbeschluss vom 24. Oktober geschaffen und der Direktion der Handelsabteilung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes unterstellt worden. Zur Lösung der ihr obliegenden Aufgaben wurde zum Teil Personal der Zollverwaltung abgeordnet. Die Zentralstelle hat namentlich die Verbindung zwischen der Handelsabteilung einerseits mit der Sektion für Ein- und Ausfuhr und anderseits mit den kriegswirtschaftlichen Syndikaten sicherzustellen.

2. Die Zollverwaltung ist auch an der Vollziehung des Bundesratsbeschlusses vom 8. September 1939 über den Schutz der Sicherheit des Landes im Gebiete des Nachrichtendienstes (A. S. 55,909) beteiligt. Die Zollbehandlung eingeführter Filme wird zurückgestellt, bis diese Filme durch die militärische Zensurstelle freigegeben sind. Die Zollabfertigung wurde auf das Zollamt Bern konzentriert. Den Zollorganen obliegen überdies bestimmte Aufgaben bei der Kontrolle eingeführter periodischer Druckschriften. Die als politisches Propagandamaterial eingeführten Drucksachen aller Art werden von den Zollorganen gemäss Bundesratsbeschluss vom 26. September 1939 betreffend die .Kontrolle ausländischer politischer Schriften der Bundesanwaltschaft zugestellt.

3. Die Oberzolldirektion hat im Einvernehmen mit der Armeeleitung die nötigen Massnahmen getroffen, um eine wirksame Unterstützung der Truppen bei der Durchführung der G r e n z b e w a c h u n g durch die Grenzwachtorgane sicherzustellen.

F. Yolkswirtschaftsdepartement.

Der moderne, totale Krieg erfasst alle Lebensgebiete; insbesondere trifft er die Wirtschaft. Deshalb ist es für eine wirksame Landesverteidigung von grösster Wichtigkeit, dass neben der militärischen Eüstung rechtzeitig kriegswirtschaftliche Vorsorgen getroffen werden. Die verantwortlichen Bundesbehörden haben denn auch in den letzten Jahren dem Problem der Wehrwirtschaft ihre volle Aufmerksamkeit geschenkt. Grundlage für die kriegswirtschaftlichen Massnahmen bildete das Bundesgesetz vom l. April 1938 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern.

Die kriegswirtschaftlichen Vorkehren unseres Landes sind durch die Struktur seiner Wirtschaft und durch seine geographische Lage bedingt.

Es fehlen uns die lebenswichtigen Eohstoffe und zum Teil auch die nötigen Nahrungsmittel. Wir sind darum in hohem Masse auf den internationalen Güteraustausch angewiesen. Anderseits ist die Versorgung unseres Landes erschwert, weil wir keinen direkten Zugang zum Meere besitzen.

Eine Politik der Autarkie ist für unser Land schlechthin ausgeschlossen.

Wir mussten deshalb darnach trachten, die Lösung des kriegswirtschaft-

626 liehen Problems in anderer Eichtung zu finden. In erster Linie haben wir Vorsorge getroffen, dass die Vorräte an lebenswichtigen Gütern erhöht wurden und dass diese Vorräte sorgfältig bewirtschaftet werden. Eine weitere Hauptaufgabe stellt die Sicherung der ausländischen Zufuhren dar. Ferner waren Massnahmen zur Sicherstellung der landwirtschaftlichen, gewerblichen und industriellen Produktion notwendig, und schliesslich musste der Arbeitseinsatz vorbereitet werden.

Kriegswirtschaftliche Organisation.

Zur Durchführung der vorstehend skizzierten kriegswirtschaftlichen Aufgaben musste eine besondere Organisation geschaffen werden. Die Erfahrung aus dem letzten Weltkrieg hat gezeigt, dass hier nicht improvisiert werden darf, sondern dass schon in Friedenszeit die nötigen Vorbereitungen getroffen werden müssen.

Gestützt auf Art. 102, Ziffer 9, der Bundesverfassung haben wir unterm 8. März 1938 die erforderlichen Vorschriften über die Organisation der Kriegswirtschaft erlassen. In dieser Verordnung sind in erster Linie die kriegswirtschaftlichen Aufgaben und Kompetenzen der einzelnen Departemente umschrieben. Sodann ist dort festgelegt, dass die Führung der gesamten Kriegswirtschaft grundsätzlich dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement zusteht. Dieses hat bereits in Friedenszeiten die volkswirtschaftlichen Belange unseres Landes zu wahren, sodass es ohne weiteres gegeben war, ihm auch die Leitung der Kriegswirtschaft zu übertragen.

Bestimmte Aufgaben sind ihrer besondern Natur wegen allerdings andern Stellen zugewiesen. So steht beispielsweise die Führung der Kriegsfinanzwirtschaft dem eidgenössischen Finanz- und Zolldepartement zu, während die Beschaffung des Kriegsmaterials im eigentlichen Sinne Sache des eidgenössischen Militärdepartements ist und die Leitung des Eisenbahn- und Schifffahrtsverkehrs dem Militär-Eisenbahndirektor zusteht.

Die kriegswirtschaftliche Organisation des Volkswirtschaf tsdepartementes weist folgende Abteilungen auf: 1. Generalsekretariat (Chef: Fürsprech E Péquignot, Stellvertreter: Fürsprech J. Malche) ; 2. Zentralstelle für Kriegswirtschaft (Chef: Fürsprech W.Hauser, Stellvertreter : Dr. E. Ulrich und Fürsprech H. Schaffner) ; 8. Kriegs-Ernährungs-Amt (Chef: Dr. J. Käppeli, Stellvertreter: E. Tobler), 4. Kriegs-industrie- und Arbeits-Amt (Chef: Oberst
P. Eenggli, Stellvertreter: Dr. G. Willi und Oberst M. Kaufmann) ; 5. Kriegs-Transport-Amt (Chef: E. Matter); 6. Handels-Abteilung (Chef: Dr. J. Hotz, Stellvertreter: Fürsprech E. Werthmüller und Prof. P. Keller) ; 7. Kriegs-Fürsorge-Amt (Chef: Dr. A. Saxer, Stellvertreter: Dr. E. Niederer und Oberst W. Stammbach).

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Diese Abteilungen gliedern sich in verschiedene Sektionen, auf die wir hei den einzelnen Ämtern zu sprechen kommen. Als Chefs der Sektionen amten -- gleich wie bei den Abteilungen -- zum Teil Persönlichkeiten aus der Privatwirtschaft, teils Chefbeamte der Bundesverwaltung. Dadurch ist ein enger Kontakt mit der Wirtschaft gewährleistet und zudem die Schaffung eines grössern Beamtenapparates vermieden worden.

An der Spitze der kriegswirtschaftlichen Organisation steht der Chef des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes. Dieser wird vertreten durch den Delegierten des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes für Kriegswirtschaft, auf welchen Posten Herr Direktor E. Schwarz von Winterthur berufen worden ist. Ihm ist die Zentralstelle für Kriegswirtschaft als Stabsbureau direkt unterstellt.

Die ausserhalb der Verwaltung stehenden Abteilungs- und Sektionschefs sind schon in Friedenszeit in ihre Aufgaben eingeführt worden und haben die Vorbereitungsmassnahmen treffen helfen. Am 4. September 1939 (A. S. 55, 818) ist die kriegswirtschaftliche Organisation des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements in Kraft erklärt worden.

Generalsekretariat.

Dieser Amtsstelle obliegt in erster Linie die Aufgabe, die Beziehungen zwischen den einzelnen kriegswirtschaftlichen Ämtern und den · Abteilungen des Departements unter sich und mit dem Departementsvorsteher zu erleichtern.

Speziell ist dem Generalsekretariat die Überwachung der Preise überbunden sowie die Organisation der Strafgerichtsbarkeit betreffend Widerhandlungen gegen die kriegswirtschaftlichen Vorschriften. Schliesslich befasst es sich mit einer Eeihe weiterer Geschäfte, für deren Behandlung keine besondere Organisation besteht.

Das Generalsekretariat" weist zwei Sektionen auf: 1. Sektion für Preiskontrolle, 2. Sektion für Eechtswesen.

1. Preis- und Marktüberwachung.

a. Durch B u n d e s r a t s b e s c h l u s s vom 1. September 1989 (A.S.55, 817) wurde das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ermächtigt, Vorschriften zu erlassen über Warenpreise, Miet- und Pachtzinse sowie über Tarife jeder Art, ausgenommen solche für konzessionierte Transportunternehmungen.

Ferner wurde das Departement beauftragt, die für eine geregelte Marktversorgung notwendigen Massnahmen, insbesondere zur Verhinderung von Hamster-, Wucher-, Schieber- und Kettengeschäften zu ergreifen und nötigenfalls die Bestandesaufnahme, die Beschlagnahmung oder Enteignung von Waren anzuordnen.

628 Dieser Beschluss bezweckt, eine ungerechtfertigte Erhöhung der Lebenshaltungskosten zu vermeiden, deren Anpassung an die wirtschaftliche Lage zu ermöglichen und die reguläre Marktversorgung zu schützen. Er stützt sich auf die Erfahrungen, die der Bundesrat mit den Massnahmen gemacht hat, welche im Gefolge der Abwertung des Schweizerfrankens getroffen wurden.

Spezielle Erwähnung hat hier der Schutz der regulären Marktversorgung gefunden. Unter den heutigen Verhältnissen ist es von grösster Bedeutung, dass der Produktions- und Verteilungsprozess keine ungerechtfertigte Verteuerung und keine Stockungen erfährt. Insbesondere soll vermieden werden, dass sich weitere Zwischenhändler in den Verteilungsprozess einschalten und dadurch eine unnötige Erhöhung der Lebenshaltungskosten bewirken. Es ist Sache der Preiskontrollstelle, die Güterverteilung zu überwachen und Störungen durch einen irregulären Handel oder durch übermässige Bedarfseindeckung oder Zurückhaltung von Waren zu verhindern. Hingegen bleibt es Aufgabe der Kriegswirtschaftsämter, für die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern zu sorgen.

Inhaltlich wurde der Bundesratsbeschluss vom. 1. September 1939 im Vergleich zum Beschluss vom 27. September 1936 über ausserordentliche Massnahmen betreffend die Kosten der Lebenshaltung etwas erweitert. Heute unterliegen der Kontrolle nicht nur die Tarife der Hotels und die Tarife für Gas, Elektrizität und Honorare, sondern schlechthin alle Tarife, aus der Erwägung, dass auch die Erhöhung anderer Tarife als der genannten, insbesondere für Werk- und gewerbliche Leistungen, eine ungerechtfertigte Steigerung der Lebenskosten bedingen kann. Ferner wurde der Strafrahmen erweitert, indem das Bussenmaximum auf Fr. 30 000 heraufgesetzt wurde, und schliesslich ist als neue Straf art die Landesverweisung fehlbarer Ausländer vorgesehen.

Die erste kriegswirtschaftliche Massnahme, welche das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement auf dem Gebiete der Preisüberwachung getroffen hat, war ein allgemeiner Preisstop. Durch V e r f ü g u n g l vom 2. September 1939 (A. S. 55, 820) wurde untersagt, die Gross- und Detailverkaufspreise jeder Art von Waren, die Miet- und Pachtzinse, die Tarife der Hotels, Pensionen, Lehr-, Heil- und Kuranstalten, die Tarife für Gas und Elektrizität, die Tarife für
Honorare und Werkleistungen sowie andere Tarife jeder Art (ausgenommen solche für konzessionierte Transportunternehmungen) ohne Genehmigung zu erhöhen. Ausgangsbasis bildeten die am 81. August 1939 tatsächlich angewendeten Preise. Durch diesen Preisstop wurde auf einfachste Weise eine umfassende Kontrolle der Preisgestaltung bewirkt. Noch weniger als bei der Abwertung konnte unter den heutigen Verhältnissen die Preisgestaltung dem Einzelnen überlassen werden. Zur Erleichterung der Kontrolle wurde der Detailhandel der Lebensmittelwaren-, Bekleidungs- und Schuhwarenbranche verpflichtet, die Waren mit Anschriften zu versehen, aus denen der genaue Preis, die handels- oder ortsübliche Qualität sowie die Herkunft (In- und Ausland) der einzelnen Ware ersichtlich ist.

629 Wo Preis- und Tariferhöhungen volkswirtschaftlich gerechtfertigt waren, wurden sie durch die eidgenössische Preiskontrollstelle bewilligt. Die Genehmigung von Miet- und Pachtzinserhöhungen steht nach wie vor den Kantonen zu.

Durch V e r f ü g u n g 2 des eidgenössischen V o l k s w i r t s c h a f t s d e p a r t e m e n t e s vom 11. September 1939 (A. S. 55, 1039) wurden die zuständigen kantonalen Amtsstellen ermächtigt, als vorsorgliche Massnahme die vorübergehende Schliessung von Geschäften anzuordnen, deren Inhaber oder verantwortliche Organe die auf Grund des Bundesratsbeschlusses vom 1. September 1938 betreffend die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktversorgung erlassenen eidgenössischen und kantonalen Ausführungsvorschriften trotz ausdrücklicher- Mahnung in offenkundiger Weise missachten.

b) Die Unabgeklärtheit der Lage, die uneinheitliche Preisentwicklung sowie die häufigen und raschen Veränderungen in den Marktverhältnissen erschwerten die Aufstellung allgemeiner Vorschriften betreffend die Preisanpassung.

Das Volkswirtschaftsdepartement hat vorläufig Bichtlinien aufgestellt, um einen gerechten Ausgleich der verschiedenen Interessen herbeizuführen, Es ist nicht zulässig, dass Produktion und Handel aus der Entwicklung der weltpolitischen Lage ausserordentlichen Gewinn ziehen, wo Tausenden von Bürgern infolge des Grenzdienstes der Lohn ausfällt oder doch erheblich gekürzt wird. Der Krieg soll nicht als ausserordentliche Konjunktur betrachtet und in egoistischer, spekulativer Weise ausgenützt werden, so wenig dies bei der Frankenabwertung geschehen durfte. Es darf indessen nicht übersehen werden, dass gerade im Kriegsfall noch andere Faktoren für die Preispolitik massgebend sind als bei der Währungsabwertung. Die Behörden haben heute der Beschaffung der für die Versorgung von Volk und Heer unentbehrlichen Güter besondere Beachtung zu schenken. Um die Wareneinfuhr aus dem Ausland und die Produktion im Inland möglichst zu fördern und die Abgabe an den Konsum sicherzustellen, lag es von Anfang an nahe, die Bewilligungspraxis larger zu handhaben als nach der Frankenabwertung.

In der Zulassung von Preiserhöhungen wurde deshalb ein Mittelweg gewählt, indem für die alten Lager grundsätzlich der Verkauf auf Grund der Einstandspreise vorgeschrieben wurde. Gegebenenfalls
ist aber auch dem Wiederbeschaffungspreis Rechnung getragen worden. Diese Berücksichtigung war schon aus dem Grunde notwendig, weil gewisse Betriebe nur auf diese Weise bei den stark gestiegenen Preisen für die Wiederauffüllung ihrer Lager genügend Mittel bereit stellen konnten. Soweit es möglich war, wurde von der Erteilung individueller Bewilligungen abgesehen und die Preisanpassung für bestimmte Waren oder Branchen generell geregelt.

Im allgemeinen war die Preiskontrollstelle in der Zulassung von Preiserhöhungen für Inlandsprodukte sehr zurückhaltend, obschon auch hier eine Bundesblatt. 91. Jahrg. Bd. II.

47

630 Eeihe von Verteuerungsfaktoren vorhanden sind, wie Neuanstellung von teilweise nicht geschultem Personal, Lohnzahlungen an Arbeiter im Militärdienst, Mangel an eigenen Transportmitteln infolge Bequirierung von Camions, Wagen und Pferden.

Die langsame Anpassung der Preise an die neue Lage liegt nicht nur im Interesse der Konsumentenschaft, sondern im Interesse der gesamten Volkswirtschaft. Dank der behördlichen Preisüberwachung haben die Kleinhandelspreise in den ersten zwei Kriegsmonaten keine wesentliche Steigerung erfahren.

Der Lebenshaitungskostenindex ist von 137,2 Ende August dieses Jahres (Juni 1914 = 100) auf 140,5 Ende Oktober gestiegen, was einer Erhöhung von 2,4 % entspricht. Stärker haben begreiflicherweise die Grosshandelspreise angezogen. Ihr Index stellte sich Ende August auf 107,4 (Juli 1914 = 100), während er Ende Oktober 120,1 erreichte, was eine Zunahme von 11,8 % bedeutet.

Die staatliche Preiskontrolle ist in Zeiten gestörter Wirtschaft, wie wir sie heute durchleben, unerlässlich. Der Bundesrat und seine Organe werden die Preisentwicklung auch in Zukunft mit voller Aufmerksamkeit verfolgen und die nötigen Massnahmen treffen, um im Eahmen des Möglichen und unter Wahrung des Gesamtinteresses einen billigen Ausgleich zu schaffen.

2. Strafgerichtsbarkeit bei Widerhandlungen gegen kriegswirtschaftliche Vorschriften.

a. Am 1. September 1939 (A. S. 55, 845) hat der Bundesrat den Beschluss b e t r e f f e n d die Einsetzung von strairechtlichen Kommissionen des V o l k s w i r t s c h a f t s d e p a r t e m e n t s gefasst. Danach steht die Beurteilung von Widerhandlungen gegen die auf Grund des Bundesbeschlusses vom 80. August 1939 über Massnahmen zum Schütze des Landes und zur Aufrechterhaltung der Neutralität erlassenen Vorschriften, deren Vollzug dem Volkswirtschaftsdepartement übertragen ist, nicht den ordentlichen kantonalen Gerichten, sondern besonderen strafrechtlichen Komissionen zu, deren Bechtssprechung von der Verwaltung unabhängig ist.

Im Laufe des letzten Weltkrieges hat man die Erfahrung gemacht, dass die Verfolgung und Beurteilung solcher Widerhandlungen durch die Strafgerichte der Kantone zu unbefriedigenden Eesultaten führte. Die Strafnormen wurden verschieden angewendet. Oft fehlte den kantonalen Organen auch der Einblick in die komplizierte Materie der
kriegswirtschaftlichen Vorschriften.

Deshalb hat der Bundesrat schon seinerzeit, mit Beschluss vom 17. Mai 1918, eine besondere Kommission für wirtschaftliche Straffälle eingesetzt, die endgültig, ohne Eekursmöglichkeit, urteilte.

Wir haben es als zweckmässig erachtet, drei erstinstanzliche Strafkommissionen zu bestellen ; zwei davon sind für die deutsche Schweiz bestimmt, die dritte ist im Gebiet der romanischen Schweiz zuständig. Jede dieser Kommissionen besteht aus fünf Mitgliedern und zwei Ersatzmännern, die vom

631 Bundesrat am 8. September 1989 aus Juristen und Sachverständigen der Wirtschaft ernannt worden sind. Als Vorsitzender jeder Kommission amtet ein kantonaler Oberrichter.

Diese Kommissionen können nur Bussenverfügungen erlassen; wird die Voraussetzung zur Verhängung einer Gefängnisstrafe als gegeben erachtet, so wird der Fall den zuständigen kantonalen Gerichten oder ausnahmsweise durch Verfügung des Bundesrates dem Bundesstrafgericht überwiesen.

Jedem Beschuldigten ist Gelegenheit zur Verteidigung gegeben. Er kann die Verfügung der strafrechtlichen Kommissionen innert 20 Tagen an die strafrechtliche Eekurskommission weiterziehen, die endgültig entscheidet.

Auch die Eekurskommission besteht aus fünf Mitgliedern und zwei Ersatzmännern.

Dem Generalsekretariat kommt in diesem besondern Verfahren die Funktion einer Überweisungbehörde zu. Ihm sind nach Abschluss der Untersuchungen durch die zuständigen Stellen des Volkswirtschaftsdepartements (Kriegswirtschaftsämter) die Akten mit einem entsprechenden Antrag zu übermitteln, und es ist befugt, allenfalls weitere, ergänzende Untersuchungshandlungen vorzunehmen oder durchführen zu lassen.

Das Generalsekretariat entscheidet, ob die Akten zur Beurteilung an die zuständigen Strafkommissionen weiterzuleiten sind. Im Falle der Überweisung stellt es den dazugehörigen Strafantrag. Ihm obliegt auch der Vollzug der Verfügungen dieser Kommissionen. Es ist dabei auf die Mitarbeit der kantonalen Organe angewiesen, die auch die untersuchenden Stellen bei ihren Erhebungen tatkräftig unterstützen sollen.

Die dargelegte Eegelung gewährleistet eine möglichst rasche, einheitliche und den praktischen Bedürfnissen gerecht werdende Verfolgung und Beurteilung der in Frage stehenden Widerhandlungen. Das Eecht, gegen erstinstanzliche Verfügungen rekurrieren zu können, gibt dem Bürger einen vollen Bechtsschutz.

b. Mit Bundesratsbeschluss vom 3. Oktober 1989 (A. S. 55, 1100) wurde die Zuständigkeit der strafrechtlichen Kommissionen des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes erweitert. Die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen gegen einige spezifisch kriegswirtschaftliche Bundeserlasse, die sich auf das Bundesgesetz vom 1. April 1938 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern und seine Ausführungsbestimmungen stützten, oblag
ursprünglich den Kantonen. Durch den erwähnten Beschluss wurden diese Widerhahdlungen der kantonalen Gerichtsbarkeit entzogen und der Kompetenz der strafrechtlichen Kommissionen unterstellt. Damit wurde eine den ausserordentlichen Zeitumständen entsprechende, dringend notwendige Vereinheitlichung auf dem Gebiete der eigentlichen Wirtschaftsrechtsprechung erzielt, die eine beförderliche und gleichmassige Erledigung der Straffälle gewährleistet.

632 Gleichzeitig übertrug der Bundesrat die Beurteilung sogenannter Bagatellfälle, wo Bussen unter Fr. 100 in Frage kommen, den Präsidenten oder Vizepräsidenten der erstinstanzlichen Kommissionen als Einzelrichter; gegen deren, Verfügungen sowie gegen Strafurteile der erstinstanzlichen · Kommissionen, lautend auf einen Betrag unter Fr. 100, kann die Entscheidung des Präsidenten oder Vizepräsidenten der strafrechtlichen Eekurskommission des Volkswirtschaftsdepartementes angerufen werden.

Diese Vereinfachung in der Behandlung geringfügiger Übertretungen gründet sich auf ähnliche Verfahrensbestimmungen in kantonalen Strafgerichtsordnungen und erschien neben praktischen Erwägungen namentlich aus Sparsamkeitsrücksichten angezeigt. Auch in diesen einzelrichterlichen Verfahren ist dem Beschuldigten durch das Mittel des Rekurses der nötige Eechtsschutz gewahrt.

Zentralstelle für Kriegswirtschaft.

Die Zentralstelle für Kriegswirtschaft, herausgewachsen aus dem Dienst des Beauftragten für Kriegswirtschaft, war das erste Amt im eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement, das eigens zur Bearbeitung kriegswirtschaftlicher Fragen geschaffen wurde. Ihre wichtigste Aufgabe in Friedenszeit war einerseits die Vorbereitung der kriegswirtschaftlichen Organisation des Departementes und anderseits die Anordnung gewisser Vorbereitungsmassnahmen.

Mit der Inkraftsetzung der kriegswirtschaftlichen Organisation des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes erwuchs der Zentralstelle die Aufgabe, die Tätigkeit der einzelnen kriegswirtschaftlichen Ämter zu koordinieren und ihre Arbeit in juristischer und administrativer Hinsicht zu erleichtern.

Insbesondere hat sich die Zentralstelle mit den Problemen der Gesetzgebung, mit den Rechtsfragen der Ämter und Sektionen, mit Bestandeserhebungen, der Vorratshaltung und Finanzierung sowie der Bildung der Syndikate zu befassen.

1. Gesetzgebung.

Da bei den einzelnen Kriegswirtschaftsämtern und ihren Sektionen kein besonderer Rechtsdienst besteht, hat die Zentralstelle diese in juristischen Fragen zu beraten und ihnen bei der Ausarbeitung von Erlassen an die Hand zu gehen. Über die einzelnen, in Zusammenarbeit zwischen der Zentralstelle und den Ämtern ausgearbeiteten Erlasse wird anlässlich der Berichterstattung bei den einzelnen Abteilungen die Rede sein.

Ausser der Mitwirkung
bei der Ausarbeitung von speziellen Erlassen, die in das Gebiet des einen oder andern Amtes gehören, liegt der Zentralstelle ob, kriegswirtschaftliche Erlasse allgemeiner Natur oder solche, an denen mehrere Ämter und Verwaltungsabteilungen beteiligt sind, vorzubereiten.

In diesem Zusammenhang sei auf die bundesrätliche Verordnung vom 20. September 1939 hingewiesen, die das V e r f a h r e n zur Beurteilung

633

von Entschädigungs- und Rückerstattungsansprüchenregelt, welche sich aus dem Bundesgesetz vom 1. April 1938 über die Sicherstellüng der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern ergeben. Es'ist eine Art staatliche Schiedsgerichtsbarkeit vorgesehen mit einem einfachen Verfahren, das sich an die Bestimmungen des Bundeszivilprozessrechts und des Bündesgesetzes über die Enteignung anlehnt. Von Fall zu Fall werden sogenannte Kriegswirtschaftsgerichte bestellt, die aus einem Obmann und zwei Beisitzern bestehen. Der Obmann wird vom Bundesgericht ernannt, die Beisitzer werden von den beiden Parteien bezeichnet. Damit die Unabhängigkeit dieser Schiedsgerichte von der Verwaltung gewahrt ist, schreibt die Verordnung ausdrücklich vor, dass der Obmann und der vom Bunde zu bezeichnende Beisitzer der Bundesverwaltung nicht angehören dürfen.

Die Urteile des Kriegswirtschaftsgerichts können auf dem Wege der Beschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden, wenn der Streitwert wenigstens Fr. 2000 beträgt. An ausserordentlichen Rechtsmitteln ist die Nichtigkeitsklage vorgesehen. Die Verordnung enthält auch Bestimmungen über die Eevision von in Rechtskraft erwachsenen Urteilen der Kriegswirtschaftsgerichte.

" Ebenfalls zu den Erlassen allgemeiner Natur gehört der B u n d e s r a t s beschluss vom 29. August 1989 (A; S. 55, 752), der die Beschlagnahme von Lagerräumen aller Art, insbesondere von Tankräumen und Behältnissen für flüssige Kraft- und Treibstoffe gegen angemessene Entschädigung vorsieht, von welchem Recht indessen bis heute noch kein Gebrauch gemacht werden musste.

Unter den allgemeinen gesetzgeberischen Massnahmen verdient insbesondere auch der Bundesratsbeschluss vom 22. September 1989 über kriegswirtschaftliche Syndikate (A. S. 55, 1061) der Erwähnung.

Dieser Beschluss, der sich auf die ausserordentlichen Vollmachten stützt, ist die rechtliche Grundlage zur Zusammenfassung einzelner Wirtschaftszweige in besondere kriegswirtschaftliche Organisationen. Diesen soll die Durchführung kriegswirtschaftlicher Aufgaben übertragen werden, insbesondere solcher, die mit der Einfuhr, Ausfuhr, Lagerung, dem Transport, der Produktion und der bestimmungsgemässen Verteilung und Verwendung von Waren zusammenhängen. Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement kann die Zuteilung und den Vertrieb von eingeführten
oder im Inland produzierten Waren von der Zugehörigkeit zu einem solchen Syndikate abhängig machen.

Die kriegswirtschaftlichen Syndikate stehen unter der Aufsicht und Kontrolle des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes, insbesondere was die Aufstellung und Abänderung der Statuten betrifft, die Aufnahme und den Ausschluss von Syndikatsmitgliedern, Sanktionen gegenüber Syndikatsmitgliedern und die Auflösung dieser Organisationen. Sie sind in ihrer Tätigkeit an die Weisungen des Volkswirtschaftsdepartements gebunden. Die Syndikate

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der Kriegswirtschaft sind in der Eegel Genossenschaften. Ihre Statuten können mit besonderer Genehmigung von den Vorschriften des schweizerischen Obligationenrechtes abweichen. Speziell hervorgehoben sei hier, dass alle Kontrollorgane der Syndikate gehalten sind, über die gemachten Feststellungen und Wahrnehmungen die strengste Verschwiegenheit zu beobachten.

Über die einzelnen kriegswirtschaftlichen Syndikate, deren Statuten von der Zentralstelle ausgearbeitet worden sind, werden wir bei den Kriegswirtschaftsämtern Bericht erstatten.

Z. Bestandesaufnahme.

Zur Abklärung des Bedarfs und der Versorgungslage führte die Zentralstelle für die wichtigsten Lebens- und Futtermittel und die unentbehrlichsten Industrie-Eohstoffe (wie Textilien, Metalle, chemische und pharmazeutische Produkte, Papier und Zellulose, Leder, Kautschuk usw.) Bestandeserhebungen durch und stellte die Eesultate den einzelnen Ämtern und Sektionen zur Verfügung, welche damit die nötige Grundlage für ihre Dispositionen erhielten.

3. Vorratshaltung und Finanzierung.

Gestützt auf die Ergebnisse der Bestandeserhebungen wurde die Vorratshaltung an bedeutenden Lebens- und Futtermitteln und an wichtigen Industrie-Eohstoffen angeordnet. Die Zentralstelle für Kriegswirtschaft hatte in Zusammenarbeit mit den einzelnen zuständigen Sektionen und Ämtern diese Vorratshaltung zu vollziehen und insbesondere die Finanzierung dieser Vorräte nach einem zwischen der schweizerischen Nationalbank und dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement abgeschlossenen Abkommen durchzuführen.

Für kontingentierte, lebenwichtige Güter wurde die Erteilung von Einfuhrbewilligungen von einer zusätzlichen Vorratshaltung abhängig gemacht; so beispielsweise im Bundesratsbeschluss vom 19. Dezember 1988 (A. S. 54, 116) über die Vorratshaltung von Benzin/Benzol, der die Importeure verpflichtet, mindestens ein Viertel des massgeblichen, jährlichen Einfuhrkontingents auf Vorrat zu halten; in den Bundesratsbeschlüssen vom 81. März 1939 (A. S. 55, 879) über die Vorratshaltung an Eeis und K a f f e e , der die Importeure verhielt, die Hälfte ihres Jahreskontingentes als Pflichtlager zu äufnen, während für Zucker (A. S. 55, 881), Speiseöle und S p e i s e f e t t e (A. S. 55, 888) ein Pflichtlagerquantum von einem Drittel des Jahreskontingentes vorgeschrieben war. Ebenso wurde in einem Bundesratsbeschluss vom 81. März 1989 (A. S. 55, 885) die Lagerhaltung für F u t t e r h a f e r und Futtergerste angeordnet.

Der Bundesratsbeschluss vom 25. April 1989 (A. S. 55, 448) verpflichtete die Importeure von Koks und Braunkohlenbriketts zu Hausbrandzwecken zu einer Vorratshaltung von 10 beziehungsweise 15 % des Vorjahresimportes. Eine grössere Vorratshaltung konnte hier angesichts

635 der Bezrugsschwierigkeiten nicht durchgesetzt werden. Über die im Getreidegesetz vom 7. Juli 1932 vorgeschriebene Pflichtlagermenge hinaus hat ein B u n d e s r a t s b e s c h l u s s über die V o r r a t s h a l t u n g an Weizen, Eoggen und Backmehl (A. S. 55, 729) bei sämtlichen schweizerischen Müllern die Haltung eines weitern, zusätzlichen Vorrates für einen Dreimonatsbedarf vorgeschrieben.

In einem Abkommen mit dem schweizerischen Gaswerkverband verpflichteten sich die Gaswerke zu einer Vorratshaltung an Gaskohle für einen Sechsmonatsbedarf.

An unkontingentierten lebenwichtigen Gütern, namentlich an IndustrieE o h s t o f f e n wurden auf Grund von Verträgen zwischen dem eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement, vertreten durch seine Zentralstelle für Kriegswirtschaft, und verschiedenen Fabrikationszweigen zusätzliche Vorräte an Bohstoffen, geäufnet, so beispielsweise an Eohbaumwolle, Rohwolle, Bohjute, Hanf und Sisal, an Halbzeug, Stab- und Formeisen, an Glasröhren für Medizinalgläser usw.

Ferner ist in diesem Zusammenhang auf die Verordnung P18 vom 15. August 1939 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern hinzuweisen, welche Fabrikation und Handel aller Stufen verpflichtet, ohne Unterbruch an allen lebenswichtigen Gütern mindestens Vorräte im bisherigen normalen Umfang'auf Lager zu halten.

Auf Grund der gleichen Verordnung wurden die kantonalen Salzverwaltungen zur Haltung angemessener Salzvorräte verhalten.

Da bei verschiedenen Gütern das Problem der Schaffung von Vorräten identisch ist mit dem Problem des Lager- und Tankraumes, wurde es notwendig, Lager- und Tankräumlichkeiten zu schaffen, insbesondere für die Einlagerung von Benzin, wo der Bundesrat das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ermächtigte, bundeseigene Tankbauten in erheblichem Ausmass in Auftrag zu geben, die gegenwärtig mit grösster Beschleunigung der Fertigstellung entgegengeführt werden.

Ebenso wurde das zur Unterbringung vermehrter Getreide- und Futtermittelvorräte notwendig gewordene Silobauprogramm, das vom Bundesrat bereits letztes Jahr genehmigt worden ist, gefördert und ergänzt. Mehrere Silobauten sind im Bau begriffen; soweit eine rechtzeitige Fertigstellung vor Eintritt des Winters nicht möglich ist, sind verschiedene Holzbauten in Auftrag gegeben worden. Ferner
wurde geprüft, welche Hallenräume aus der Liquidation der Landesausstellung für kriegswirtschaftliche Lagerhaltungszwecke herangezogen werden können.

Kriegs-Ernährungs-Amt.

Das Kriegs-Ernährungs-Amt hat die weitschichtige Aufgabe, die Ernährung der Zivilbevölkerung sicherzustellen und der Armee die nötigen Verpflegungs- und Futtermittel zur Verfügung zu halten.

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Es gliedert sich in folgende Sektionen: 1. Sektion für Getreideversorgung, 2. Sektion für Milch- und Milchprodukte, 3. Sektion für Fleisch Versorgung, 4. Sektion für landwirtschaftliche Produktion und Hauswirtschaft, 5. Sektion für Kartoffeln, Obst und Alkohol, 6. Sektion für Speisefette und Speiseöle, 7. Waren-Sektion, 8. Sektion für Düngerwesen und Abfallverwertung, 9 Sektion für Eationierung, 10. Sektion für Nutzgeflügel und Eierversorgung.

1. Vorarbeiten und Oberleitung zur Kriegswirtschaft.

Auf Grund des Bundesgesetzes vom 1. April 1938 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern hatte sich das KriegsErnährungs-Amt, abgesehen von Organisationsfragen, insbesondere mit zwei Problemen eingehender zu befassen: a. mit Massnahmen zur Umstellung und Hebung der landwirtschaftlichen Produktion, und b. mit den Problemen der Vorratshaltung an lebenswichtigen Nahrungs· und Futtermitteln.

Die Bedeutung dieser beiden Belange mag daraus ermessen werden, dass der Nahrungsmittelbedarf der schweizerischen Bevölkerung in normalen Zeiten zu reichlich einem Viertel aus Warenimporten gedeckt wird, während die Landwirtschaft seit Jahren Mühe hatte, die überschiessende Milchproduktion abzusetzen.

a. Landwirtschaftlicher Produktionskataster.

Wie das Bundesgesetz vom 1. April 1938 so bezweckt auch der Bundesbeschluss vom 6. April 1939 über Massnahmen zur weitern Förderung des Ackerbaues eine zeitgemässe Umstellung der Landwirtschaft im Sinne einer Entlastung der viehwirtschaftlichen Produktion. Um für diese Massnahmen fachgemässe Unterlagen zu erhalten, hat der Bundesrat mit Beschluss vom 17. Februar 1939 das Kriegs-Ernährungs-Amt mit der Durchführung eines landwirtschaftlichen Produktionskatasters beauftragt. Dieses hat die Arbeit unter Mitwirkung der Geschäftsleitung der schweizerischen Vereinigung für Innenkolonisation und industrielle Landwirtschaft ungesäumt in Angriff genommen. Bei Kriegsausbruch lagen die Ergebnisse für verschiedene Kantone bereits vor und leisten für die nunmehr zu ergreifenden Massnahmen gute Dienste.

b. Vorratshaltung.

Die grossen Viehbestände sowie die namhaften Lagervorräte an Käse, Butter, Fleischwaren und andern Inlandsprodukten, worüber die staatlichen

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Viehzählungen und Erhebungen der Fachverbände laufend orientieren, durften von vorneherein als wertvolle Kriegsreserven in Eechnung gestellt werden.

Daher konnte sich die Vorratshaltung auf einige wichtige, haltbare Nahrungsmittel, bei denen wir weitgehend auf den Import angewiesen sind, beschränken: Brot- und Futtergetreide, Zucker, Eeis, Speisefette, Speiseöle und Kaffee.

Wie bereits dargelegt wurde, hatten die Importeure nach Massgabe besonderer Bundesratsbeschlüsse in den genannten Waren sogenannte P f l i c h t l a g e r anzulegen, die über die ordentlichen Handelsbestände hinausgehen und für den Ernstfall der Landesversorgung zur Verfügung gehalten werden sollen.

Die Pflichtlager waren bei Kriegsausbruch in der Hauptsache geschaffen und leisten der Landesversorgung unentbehrliche Dienste.

Auf Eechnung des Bundes schuf das Kriegs-Ernährungs-Amt anfangs 1939 Lagervorräte an Zucker, Hafer und Mahlgerste, drei Positionen, bei denen unsere Landesversorgung in besonders starkem Masse auf die Einfuhr angewiesen ist. Die Zuckervorräte wurden zunächst durch das Oberkriegskommissariat, die Hafer- und Gerstenvorräte durch die Getreideverwaltung betreut. Überdies unterhält der Bund gemäss den Bestimmungen des Getreidegesetzes auf eigene Eechnung regelmässig Vorräte an Brotgetreide, und das eidgenössische Oberkriegskommissariat verwaltet auch in normalen Zeiten Vorräte an Nahrungsmitteln sowie an Hafer, Heu und Stroh für den Armeebedarf.

c. Haushaltungsvorräte.

Durch einen A u f r u f vom 5. April 1939 hat das Volkswirtschaftsdepartement das Schweizervolk zur Anlage von Haushaltungsvorräten an haltbaren Lebensmitteln für einen Zweimonatsbedarf eingeladen. Dabei wurde für den Ernstfall eine Bezugssperre der betreffenden Waren angekündet, unter Vorbehalt bestimmter Bezüge für Unbemittelte, zu deren Gunsten mit den Kantonen und Gemeinden die Ausgabe von sogenannten «blauen Karten» organisiert wurde.

Die rechtlichen Unterlagen hiefür, wie für eine Eeihe weiterer Massnahmen der Übergangszeit, hat der Bundesrat durch die Verordnung P18 vom 15. August 1939 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern noch rechtzeitig geschaffen. Nach Massgabe dieser Verordnung erliess das Volkswirtschaftsdepartement die Verfügung vom 28. August 1989 über die Bezugssperre einzelner N a h r u n
g s m i t t e l (A.'S. 55, 723). Darnach wurde die gewerbsmässige Abgabe und der Bezug folgender Nahrungsmittel bis auf weiteres verboten: Zucker, Eeis, Hülsenfrüchte (Erbsen, Bohnen, Linsen, ausgenommen grüne Bohnen und Erbsen), Teigwaren, Hafer- und Gerstenprodukte, Maisgriess, Maismehl, Speisefett; eingesottene Butter, Koch- und Salatöl, Griess, Backmehl und andere Mehle.

Abgabe und Bezüge dieser Nahrungsmittel waren gestattet auf Grund der «blauen Karten», die inzwischen an die Gemeinden zuhanden der Unbemittelten geliefert ·worden waren. Die Abgabe an die Armee erfolgte gegen

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besondere Bescheinigungen. Überdies hatte das Kriegs-Ernährungs-Amt die zuständigen kantonalen Stellen ermächtigt, in begründeten Fällen ausnahmsweise Bezugsbewilligungen zu erteilen.

d. Bereitstellung von Nahrungsmitteln, Futter und Stroh für die Armee.

Hand in Hand mit dem Oberkriegskommissariat hat das Kriegs-Ernährungs-Amt im Ernstfalle auch für die Bereitstellung von Nahrungsmitteln, Hafer, Heu und Stroh für die Armee besorgt zu sein. Die Versorgung mit Milch und Milcherzeugnissen konnte unter Mitwirkung des Kriegs-Ernährungs-Amtes durch Abkommen des Oberkriegskommissariates mit dem Zentralverband schweizerischer Milchproduzenten und der schweizerischen Käseunion, hinsichtlich Schlachtvieh und Fleisch durch Vereinbarungen mit der schweizerischen Zentralstelle für Schlachtviehverwertung, unter Mitarbeit weiterer Fachverbände noch vor der Generalmobilisation geordnet werden.

Besondere Anstrengungen erforderten zu Beginn der Mobilisation die Beschaffung der für die Armee notwendigen Vorräte an einigen andern Nahrungsmitteln des Massenkonsums, dies namentlich wegen der Mobilisation der Arbeitskräfte unserer Lebensmittelindustrien. Mit vereinten Kräften konnten aber auch diese an erster Stelle stehenden Aufgaben gemeistert werden.

Alles in allem genommen haben sich die skizzierten kriegsvorsorglichen Vorarbeiten bei der Mobilisation der Armee und seither bewährt. Sie erwiesen sich als vertrauenerweckende, solide Ausgangspositionen und schufen im Volke Gefühle des Geborgenseins; überdies setzten sie der Hamsterei und der Verteuerung von Nahrungsmitteln berechtigte Grenzen.

Z. Getreide- und Brotversorgung.

a. In Ergänzung der am 28. August 1939 verfügten Bezugssperre mussten Massnahmen getroffen werden, um Getreide jeder Art tunlichst der menschlichen Ernährung zu sichern. Dieses Vorgehen war umsomehr gerechtfertigt, als damals noch grosse Mengen Grünfutter zur Verfügung standen und durch das Kriegs-Ernährungs-Amt im Verlaufe des Sommers die Viehhalter mehrfach eingeladen worden sind, auch Kraftfuttervorräte anzulegen, unter gleichzeitiger Zusicherung, dass sie diese im Ernstfalle für die eigenen Betriebsbedürfnisse behalten könnten.

Durch eine Verfügung vom 29. August (A. S. 55, 776)° hat das Volkswirtschaftsdepartement den Kauf und Verkauf von Mehl zur menschlichen E r n ä h r u n g geordnet. Durch eine zweite V e r f ü g u n g vom 2. September 1.989 (A. S. 55, 824), die wie jene auf der bundesrätKchen Verordnung vom 15. August 1939 basierte, hat das Departement Bestimmungen über die Verarbeitung von Hafer, Gerste und Mais und den Verkauf von Mahl- und Umwandlungsprodukten aus diesen Getreidearten erlassen.

·

639 Durch eine Verfügung des Volkswirtschaftsdepartementes vom 12. Oktober 1989 (A. S. 55, 1224), erfuhren die einschränkenden Bestimmungen über den Verkauf und die Verarbeitung von Hafer, Gerste und Mais sowie ihrer Mahlprodukte eine Lockerung. Seither konnten angesichts der grossen Warenimporte wie auch im Hinblick auf die frühzeitigen Schneefälle und die Bemühungen zur Erhaltung der viehwirtschaftlichen Produktion die einschränkenden Bestimmungen völlig abgebaut werden. So hat das Volkswirtschaftsdepartement auf 1. November die Verfügungen vom 2. September und 12. Oktober aufgehoben.

b. Durch Bundesratsbeschluss vom 19. September 1939 über die Verarbeitung von Weizen, Eoggen und Dinkel und über die V e r w e n d u n g der M a h l p r o d u k t e (A. S. 55» 1014), wurden die Grundlagen für das auf einer Ausbeute von 80 % basierende Einheitsmehl und das auf 1. Oktober in Verkauf gebrachte Volksbrot geschaffen. Für Hartweizen zur Herstellung von Teigwaren wird eine Ausmahlung von 65 % vorgeschrieben.

Durch den nämlichen Beschluss wird verboten, zur menschlichen Ernährung geeignete Mahlprodukte aus Weizen, Eoggen, Dinkel und Mischungen dieser Getreidearten, mit Ausnahme des Hartweizen-Nacbmehles, zu Futterzwecken zu verarbeiten, zu veräussern oder zu verwenden.

Durch V e r f ü g u n g e n des V o l k s w i r t s c h a f t s d e p a r t e m e n t e s vom 22. September (A. S. 55,1088) und 9. November (A. S. 55, 1421), wurden Verarbeitung, Verwendung und Verkauf der Mahlprodukte aus Weizen, Koggen und Dinkel näher geordnet. Die getroffenen Massnahmen zeitigen eine Einsparung an Brotgetreide von reichlich 10 %. Das Volksbrot dürfte, gute Zubereitung vorausgesetzt, billigen Anforderungen genügen. Angesichts des Standes der Getreidevorräte und der Getreidezufuhren glauben wir in absehbarer Zeit von weitergehenden Einschränkungen und insbesondere von einer individuellen Brotrationierung absehen zu können. Eine Verfügung des V o l k s w i r t s c h a f t s d e p a r t e m e n t e s vom 14. O k t o b e r 1989 (A. S. 55, 1227), regelt den Verkauf von Dunst aus Hartweizen.

3. Kartoöelversorgung.

Unterm 11. September 1989 hat das Volkswirtschaftsdepartement Vorschriften über die Verwertung der inländischen K a r t o f f e l e r n t e 1989 und die K a r t o f f e l v e r s o r g u n g des Landes erlassen
(A. S. 55, 918, 920).

Darnach bedarf es für den berufsmässigen Kartoffelhandel einer Bewilligung des Kriegs-Ernährungs-Amtes (Sektion für Kartoffeln, Obst und Alkohol), ausgenommen für die Kartoffelversorgung innerhalb der Gemeinde.

Zwecks Sicherstellung der Saatgutversorgung wurde die ganze Ernte feldbesichtigter und anerkannter Kartoffelfelder vorläufig gesperrt. Weitere Bestimmungen beziehen sich auf die Errichtung kantonaler und kommunaler Zentralstellen für die Kartoffelversorgung und auf die Kartoffelpreise.

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War schon der niederschlagsreiche Sommer den Kartoffelkulturen ungünstig, so blieb es der äusserst regenreichen und kühlen Herbstwitterung vorbehalten, die Kartoffelerträge schliesslich auf die Stufe einer ausgesprochen schwachen Ernte herunterzudrücken. Gegenüber einer guten Kartoffelernte von 80--85 000 Wagenladungen dürfte die diesjährige Ernte 50 000 Wagen kaum überschreiten.

Infolge der Mobilisation fehlten trotz zahlreichen Beurlaubungen von Landwirten in vielen Betrieben auch die Arbeitskräfte, um die Kartoffeln rechtzeitig zu ernten. Noch schlimmere Folgen zeitigten jedoch das anhaltende Begenwetter und die Schneefälle im Oktober. So bot die Kartoffelversorgung grösserer Konsumplätze zeitweise Schwierigkeiten. Die Lücken konnten durch zusätzliche Importe von Speisekartoffeln weitgehend ausgeglichen werden.

Empfindlicher ist jedoch der Ausfall an Futterkartoff ehi.

Alle Aufmerksamkeit wurde dem schwierigen Problem der Saatgutbeschaffung zugewendet. In diesem Sinne hat das Volkswirtschaftsdepartement die Erhebung eines Preiszuschlages auf importierten Saatkartoffeln auf den 1. September 1939 sistiert. Keine zweite Grosskultur vermag, auf die Flächeneinheit berechnet, auch nur annähernd so grosse Nährstoffmengen für Mensch und Vieh hervorzubringen, wie die Kartoffel. Deshalb sollte der Anbau im nächsten Jahr eine erhebliche Steigerung erfahren.

4. Obstversorgung.

Weit unter Mittel standen die Ernteaussichten auch für Obst, das durch die ungünstige Herbstwitterung ebenfalls weiteren Schaden nahm. So erachteten wir es als geboten, das Mögliche vorzukehren, um doch das Wenige der Inlandsversorgung zuzuführen. Zu diesem Zwecke erging der Bunde sratsbeschluss vom 12. September 1939 über Massnahmen zur V e r w e r t u n g der K e r n o b s t e r n t e 1939 und Versorgung des Landes mit T a f e l - und W i r t s c h a f t s o b s t (A. S. 55, 920). Dieser basiert einesteils auf dem Alkoholgesetz und andernteils auf dem Vollmachtenbeschluss vom 30. August 1939. Er erstreckt sich insbesondere auf Fragen des Obstverkehrs, der Obstversorgung, der Obstpreise und der Verarbeitung des Obstes.

Durch Verfügung vom 15. September hat das Kriegs-Ernährungs-Amt Vollzugsvorschriften erlassen, bei gleichzeitiger Bewilligungspflicht für die Ausübung des berufsmässigen Obsthandels.

5. Heu- und Strohbeschaffung.
Die Beschaffung-von Heu und Stroh für die Armee begegnete bald nach der Mobilisation zunehmenden Schwierigkeiten. Die Erklärung hiefür liegt weitgehend in den übersetzten Viehbeständen und dem räumlich begrenzten Getreidebau unseres Landes. Dazu kam der Umstand, dass auf den Heustöcken das Emd lagerte, die Getreidegarben sich am Stocke noch in Gärung befanden und infolge der Mobilisation die Arbeitskräfte fehlten, um neben den

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drängenden Ernte- und Bestellungsarbeiten im Landwirtschaftsbetrieb auch noch das Dreschen von Getreide sowie die Spedition von Stroh und Heu besorgen zu können. Man war sich indessen klar darüber, dass die Knappheit nicht bloss vorübergehend sein werde, sondern die Heu- und Strohbeschaffung gegen das Frühjahr hin und im Vorsommer vielmehr wachsenden Schwierigkeiten begegnen werde. So macht der Armeebedarf an Stroh, bei sparsamer Verwendung mit jährlich 12 000 Wagen angenommen, mehr als einen Viertel der gesamten Landesproduktion aus. Daher haben wir nach allseitiger Abklärung unterm 20. September 1939 die nötigen V o r s c h r i f t e n über die Landesversorgung mit Heu und Stroh (A. S. 55, 1017) erlassen.

Steht dabei die Befriedigung des Armeebedarfes, der unter allen Umständen gedeckt werden muss, obenan, so musste doch auch der weit grössere Bedarf der Wirtschaft gewürdigt werden. Für die Ausübung des gewerbsmässigen Handels mit Heu und Stroh ist eine Bewilligung des Kriegs-ErnährungsAmtes, Sektion für landwirtschaftliche Produktion, erforderlich. Die Kantone haben für den Armeebedarf nach Massgabe ihres Getreidebaues entsprechende Monatskontigente von Stroh bereitzustellen, die sie auf die Gemeinden verteilen können. Das Kriegs-Ernährungs-Amt ist ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Oberkriegskommissariat Übernahmepreise, Handelsspannen und Vergütungen festzusetzen. Neben der Aufbringung der Inlandkontingente bemühen sich die zuständigen Stellen auch für den Import von Stroh und Heu. Bisher konnten bereits erhebliche Mengen Stroh eingeführt werden.

Kriegs-Ernährungs-Amt und kantonale Behörden sind bestrebt, wie die Kartoffel- und Obstversorgung, auch die Heu- und Strohversorgung in gedeihlicher Zusammenarbeit mit den Fachverbänden, unter Beiziehung des legitimen Handels, durchzuführen.

6. Lebensmittelrationierung.

Ein Bundesratsbeschluss vom 17. O k t o b e r 1939 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit Lebens- und F u t t e r m i t t e l n (A. S. 55, 1134) schafft vor allen die Grundlagen für Massnahmen des Volkswirtschaftsdepartementes über Beschaffung, Erzeugung, Lagerung, Handel, Verteilung, Abgabe, Bezug, Verarbeitung und Verbrauch von Lebens- und Futtermitteln, die in der Übergangszeit nach Massgabe des Bundesgesetzes vom 1. April 1938 und der bezüglichen Verordnungen I und
Ibls getroffen worden sind. Die Durchführung der Rationierung wird dem Kriegs-ErnährungsAmt und den Kantonen übertragen. Auch Syndikate, Berufsorganisationen und Fachverbände können zur Mitarbeit herangezogen werden.

Auf diesem Beschluss basiert die V e r f ü g u n g Nr. l des Volkswirts c h a f t s d e p a r t e m e n t e s vom 20. Oktober 1939 über die Rationierung von Lebensmitteln (A. S. 55, 1298). Darnach erstreckt sich die Rationierung für den November 1939 im wesentlichen auf die nach Verfügung vom 28. August 1939 gesperrten Nahrungsmittel. Angesichts der erheblichen

642 Landesvorräte und des Standes der Importgeschäfte konnte von einer Erweiterung abgesehen werden. Für den Dezember sollen gegenteils wieder Erleichterungen eintreten. Die Eationen sind verhältnismässig gross, und überdies sind Massnahmen in Vorbereitung, um neuerdings die Anlage von Haus-haltungsvorräten zu sichern.

Unter das Kapitel der Eationierung fällt schliesslich auch der Bund es ratsbeschluss vom 1. September 1939 b e t r e f f e n d den V e r k a u f gebrannter Wasser durch die Alkoholverwaltung (A. S. 55, 778).

Diese wird ermächtigt, den Verkauf gebrannter Wasser so weit zu kontingentieren oder sonstwie einzuschränken, als dies im Interesse der Sicherstellung der Landesverteidigung und der Versorgung lebenswichtiger Betriebe mit Alkohol erforderlich ist.

7. Förderung der Inlandsproduktion.

Die Massnahmen zur Sicherung der künftigen Landesversorgung durch Förderung der Inlandsproduktion wurden von Anbeginn sorgsam ins Auge gefasst. So hatte Sich das Kriegs-Ernährungs-Amt mit der Begutachtung sehr zahlreicher Gesuche um Dispensationen und Beurlaubungen vom Aktivdienst, mit Problemen der Beschaffung von menschlichen, tierischen und motorischen Arbeitskräften, mit Produktionsfragen mannigfacher Art, der Bereitstellung von Saatgut für Herbst- und Frühjahrsbestellungen anhaltend zu befassen. Einen namhaften Faktor für die viehwirtschaftliche Produktion bilden die Kraftfuttermittel. Ihrer Beschaffung hat daher auch das KriegsErnährungs-Amt mit Erfolg grösste Beachtung geschenkt. In diesem Sinne hat es die Herabsetzung der Preiszuschläge auf importierten F u t t e r mitteln lebhaft befürwortet, die durch Bundesratbeschluss vom 29. September (A. S. 55, 1103) auf 1. Oktober erfolgt ist.

Man war sich bewusst, dass die Ausdehnung des Ackerbaues in gewissen Fällen vorgeschrieben werden müsse, zögerte jedoch im Hinblick auf die unzureichenden Arbeitskräfte mit bezüglichen Erlassen. Durch den Bundesratsbeschluss vom 20. Oktober 1939 betreffend die Ausdehnung des Ackerbaues (A. S. 55, 1286) mussten aber schliesslich doch die nötigen Unterlagen beschafft werden. Darnach wird das Volkswirtschaftsdepartement Vorschriften über die Benützung des kulturfähigen Landes aufstellen. Ins· besondere kann das Ausmass der ackerbaulichen Nutzung und der Selbstversorgung festgelegt werden. Als erste Etappe wird
ein Mehranbau von 25 000 ha vorgesehen, der sich auf die Herbstbestellung 1939 und den Frühjahrsanbau 1940 gesamthaft erstrecken soll. Die denkbar ungünstige Herbstwitterung war diesen auch ohne den Kriegsausbruch sehr zeitgemässen Bemühungen äusserst hinderlich.

Im Zusammenhang mit den Belangen der landwirtschaftlichen Produktion seien drei weitere Massnahmen, die sich zwar nicht auf den Bundesbeschluss vom 30. August 1939 stützen, hier vermerkt :

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Die V e r f ü g u n g des V o l k s w i r t s c h a f t s d e p a r t e m e n t e s vom 27. September 1939 über die Sistierung der Eegelung der Milchp r o d u k t i o n (A. S. 55, 1109); der Bundesratsbeschluss vom 3. Oktober 1939 (A. S. 55, 1107), durch den die Schweinekontingentierung in der Weise sistiert wird, dass die Schweinehaltung nach Massgabe der betriebseigenen Futterproduktion ohne Spezialbewilligung erweitert oder auch neu eingeführt werden kann; der Bundesratsbeschluss vom 3. O k t o b e r 1939 (A. S. 55, 1108), durch den der E i n f u h r z o l l für Schlachtschweine bis zum 31. Dezember 1939 je Tier von Fr. 50 auf Fr. 20 bzw. Fr. 10 für solche Einfuhrsendungen, die im Inland zu den üblichen Preisansätzen nachweisbar mit Verlust verwertet werden müssten, herabgesetzt wird.

8. Kriegswirtschaftliche Syndikate.

An kriegswirtschaftlichen Syndikaten auf Grund des Bundesratsbeschlusses vom 22. September 1939 wurden bisher im Geschäftsbereich des KriegsErnährungs-Amtes gegründet : Schweizerische Zentralstelle für Lebensmittelimporte «Cibaria», Schweizerische Genossenschaft für die Einfuhr von Speisekartoffeln, Schweizerische Genossenschaft für Saatkartoffelversorgung, Schweizerische Genossenschaft für Saatgutversorgung.

Die Einfuhrsyndikate für Speisekartoffeln und für Saatkartoffeln haben ihre Tätigkeit aufgenommen. Weitere Syndikate sind in Gründung begriffen.

Im Interesse der Sicherstellung der Landesversorgung hat das KriegsErnährungs-Amt kurz vor und nach Kriegsausbruch im Auslande grössere Ankäufe an Nahrungsmitteln (Getreide, Zucker, Keis), an Futtermitteln und auch an Stroh auf Eechnung des Bundes gemacht, wovon inzwischen namhafte Posten im Lande eingetroffen sind. In Erwartung einer nachhaltigen Tätigkeit der Einfuhrsyndikate hat das Kriegs-Ernährungs-Amt solche Einkäufe seit Mitte Oktober tunlichst eingeschränkt und gedenkt, sie in Zukunft nur soweit fortzusetzen, als die Sicherstellung der Versorgung von Armee, Volk und Wirtschaft im Eahmen seines Pflichtenkreises es gebieten.

Kriegs-industrie- und -Arbeits-Amt.

Dieses Amt hat sich -- mit Ausnahme der Nahrungsmittel und des eigentlichen Kriegsmaterials -- mit der gesamten EohstoffVersorgung der Kriegswirtschaft und der Sicherstellung der industriellen und gewerblichen Produktion zu befassen. In seinen Aufgabenkreis fällt insbesondere die Bereitstellung der nötigen Motortreib- und Betriebsstoffe, sowie die Elektrizitäts-, Gas und Wasserversorgung. Ferner obliegt ihm die Eegelung des Arbeitseinsatzes für die gesamte Kriegswirtschaft.

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Das Kriegs-industrie- und Arbeits-Amt weist folgende Sektionen auf: 1. Sektion für Arbeitskraft, 2. Sektion für Metalle, 3. Sektion für Eisen und Maschinen, 4. Sektion für Textilien, 5. Sektion für Schuhe, Leder und Kautschuk, 6. Sektion für Papier und Zellulose, 7. Sektion für Baustoffe, 8. Sektion für Kraft und Wärme, 9. Sektion für Chemie und Pharmazeutika, 10. Sektion für Holz, 11. Bureau für Altstoff Wirtschaft.

Im Geschäftsbereich des Kriegs-industrie- und -Arbeits-Amtes wurden ebenfalls eine Reihe von Syndikaten gegründet; es sind dies: Schweizerisches Eisen- und Metallbranchen-Syndikat, Schweizerisches Textil-Syndikat, Schweizerisches Syndikat für Häute, Leder, Schuhe und Kautschuk (Halska), Schweizerisches Chemie-Syndikat, Schweizerisches Papier-Syndikat.

Die Statuten der Schweizerischen Zentralstelle für Kohlenversorgung (Garbo) sowie des Benzin-Syndikates sind.dem Volkswirtschaftsdepartement zur Genehmigung unterbreitet worden. Eine Holzverwertungs- und Exportgenossenschaft ist in Gründung begriffen.

In Verbindung mit der Zentralstelle für Kriegswirtschaft hat auch das Kriegs-industrie- und Arbeits-Amt bereits in Friedenszeit in seinem Sektor Bestandesaufnahmen und Erhebungen über die Produktionsmöglichkeiten in den verschiedenen Wirtschaftszweigen durchgeführt und für die Vorratshaltung an lebenswichtigen Gütern gesorgt. Seine Sektionen widmen diesen Fragen auch weiterhin die erforderliche Aufmerksamkeit. In Zusammenhang mit der Vorratshaltung sei hier insbesondere auch der Errichtung von Tank_ anlagen für flüssige Kraft- und Brennstoffe Erwähnung getan.

Mit dem Kriegsausbruch drängte sich die Eationierung einer Eeihe lebenswichtiger Stoffe wie der festen und flüssigen Brennstoffe auf. Ferner musste der Arbeitseinsatz gesichert werden. Zu diesem Zwecke sind verschiedene Beschlüsse und Verordnungen erlassen worden, über die wir im folgenden kurz Bericht erstatten.

1. Arbeitsdienstpîlicht.

Da durch die Mobilmachung der Wirtschaft Hunderttausende von männlichen Arbeitskräfte entzogen werden, anderseits die lebenswichtigen Betriebe gerade im Interesse der militärischen Landesverteidigung aufrechterhalten

645 werden müssen, wurden Massnahmen zur Bereitstellung von Arbeitskräften schon früh vorbereitet. Nachdem durch die bundesrätliche Verordnung vom 23. Juni 1939 über die Organisation des Arbeitseinsatzes für den Fall einer Mobilmachung die organisatorische Grundlage geschaffen worden war, mussten Massnahmen getroffen werden, um Arbeitskräfte planmässig da einzusetzen, wo sie der Kriegswirtschaft die besten Dienste leisten können, und um Ersatzkräfte heranzuziehen, die sonst der Wirtschaft nicht zur Verfügung stehen.

Die Lösung wurde in der bundesrätlichen V e r o r d n u n g vom 2. September 1939 (A. 8. 55, 837) gefunden, durch welche die allgemeine zivile Arbeitspflicht eingeführt wird.

Darnach ist jeder Schweizer, ohne Unterschied des Geschlechts und Berufs, arbeitsdienstpflichtig. Auch Ausländer können unter gewissen Voraussetzungen zum Arbeitsdienst herangezogen werden. Gewisse Personen mussten natürlich von der Arbeitsdienstpflicht ausgenommen werden, sei es ihres Alters wegen oder sei es, dass sie in ihrer beruflichen Stellung unabkömmlich sind, wie Polizei, Berufsfeuerwehr, Grenzwachtkorps usw.

Die Arbeitsdienstpflicht besteht für jeden Pflichtigen seit der Veröffentlichung der Verordnung, wird aber praktisch erst wirksam mit dem Aufgebot, das individuell oder kollektiv erfolgen kann und von der Arbeitseinsatz-Stelle ausgeht. Vom Arbeitsdienst wird selbstverständlich nicht Gebrauch gemacht, bevor die Möglichkeiten des normalen Arbeitsmarktes erschöpft sind. Sodann soll die Einberufung tunlichst auf die körperliche und berufliche Eignung und auf die Familienverhältnisse Eücksicht nehmen.

Dem zum Arbeitsdienst Einberufenen ist der für die Dienstleistung in Betracht fallende berufs- und ortsübliche Lohn zu gewähren. Er ist gegen Betriebsunfälle zu versichern und hat nach Beendigung des Arbeitsdienstes Anspruch auf Wiedereintritt in seine frühere Stelle, sofern dies nach den Umständen möglich ist. Für den Anspruch aus Arbeitslosen- und Krisenunterstützung nach Aufhebung der Arbeitsdienstpflicht wird der Arbeitsdienst der normalen beruflichen Arbeit gleichgestellt. Schliesslich wird die richter1 liehe Beurteilung der Emzelstreitigkeiten über das Arbeitsverhältnis gewährleistet. Die Kantone haben zu diesem Zweck für ein rasches und unentgeltliches Verfahren zu sorgen. Für die Kollektivstreitigkeiten
ist ebenfalls eine Eegelung vorgesehen.

Naturgemäss muss ein zum Arbeitsdienst Einberufener in seiner Freizügigkeit beschränkt sein, sonst würde der Zweck der Massnahme durch Wegzug des Zugewiesenen vereitelt. Deshalb wird die Auflösung des durch die Arbeitsdienstpflicht begründeten Dienstverhältnisses von der Zustimmung der zuständigen Arbeitseinsatzstelle abhängig gemacht.

Bechtlich untersteht das Dienstverhältnis aus Arbeitsdienstpflicht, soweit die Verordnung nichts anderes vorsieht, der mit dem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung, gegebenenfalls der berufs- oder ortsüblichen Begelung ; für Fabriken kommt unter gleichem Vorbehalt das Fabrikgesetz zur Anwendung.

Ergänzend gilt in allen Fällen das schweizerische Obligationenrecht. ' Bundesblatt. 91. Jahrg. Bd. II.

48

646 Leider konnten die Kantone, denen der Vollzug obliegt, die Vorarbeiten zur Handhabung der Verordnung über die Arbeitsdienstpflicht noch nicht zu Ende führen. Weder die Verordnung über den Arbeitseinsatz noch jene über die Arbeitsdienstpflicht konnten somit die Probe bestehen. Die Arbeiten werden aber fortgesetzt und sollen nach Möglichkeit gefördert werden. Das Volkswirtschaftsdepartement hat mit Kreisschreiben vom 7. September den Kantonen über die Anwendung der Arbeitsdienstverordnung Wegleitung erteilt; es hat dabei auf die Besonderheit der Materie hingewiesen und eine sorgfältige Anwendung empfohlen.

2. Rationierung flüssiger Kraft- und Brennstoffe.

Mit V e r f ü g u n g e n vom 28. August (A. S. 55, 725), 9. September (A. S. 55, 926) und 10. Oktober 1939 (A. S. 55, 1118) hat das Volkswirtschaftsdepartement die Durchführung der vorläufigen Eationierung der flüssigen Kraft- und Brennstoffe angeordnet. Diese Massnahmen wurden durch den Bundesratsbeschluss vom 8. September 1989 über die Einschränkung des M o t o r f a h r z e u g v e r k e h r s an Sonn- und Feiertagen (A. S. 55, 925) ergänzt. Ein weiterer, auf den Vollmachtenbeschluss gestützter Bundesratsbeschluss vom 26. September 1939 über die Landesversorgung mit flüssigen K r a f t - und B r e n n s t o f f e n (A. S. 55, 1317) schuf die Grundlagen für die auf 15. November 1939 in Kraft tretende definitive Eationierung. Eine Sonderregelung erfuhr die Abgabe von Maschinenschmierölen und Schmierfetten durch eine Verfügung des Volksw i r t s c h a f t s d e p ä r t e m e n t e s vom 18. September 1939 (A. S. 55,1037).

Ausgangspunkt aller dieser Massnahmen ist die Abhängigkeit der Schweiz vom Auslande in der Belieferung mit flüssigen Kraft- und Brennstoffen.

Durch die erwähnten Beschlüsse und Verfügungen soll eine zweckmässige Bewirtschaftung der Vorräte sichergestellt werden. Vorab waren die Bedürfnisse der Armee durch die Deckung des laufenden Bedarfes und die Anlegung einer genügenden Eeserve zu berücksichtigen, und alsdann musste eine Grundlage für die Zuteilung der flüssigen Kraftstoffe nach kriegswirtschaftlichen und lebenswichtigen Gesichtspunkten geschaffen werden. Die Provisorien wurden stufenweise den sich geltend machenden Bedürfnissen angepasst.

Eine besondere, umfassende Erhebung über sämtliche Motorfahrzeuge der Schweiz
diente der Ermittlung des wirtschaftlichen Verwendungszweckes der einzelnen Fahrzeuge. Auf dieser Basis wird die definitive Eationierung aufgebaut, wobei die periodisch festzusetzenden Zuteilungsquoten nach Massgabe der Inlandsvorräte und der Zufuhrmöglichkeiten festgesetzt werden. Mit der definitiven Eationierung wird gemäss Bundesratsbeschluss vom 3. November 1939 (A. S. 55, 1317) auch das Sonntagsfahrverbot dahinfallen, das von Anfang an als vorübergehende Massnahme gedacht war.

Im allgemeinen hat es sich gezeigt, dass die Sicherstellung der Landesversorgung mit flüssigen Kraft- und Brennstoffen viel weniger ein Waren-

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beschaffungsproblem als eine Transportfrage ist. In Zusammenarbeit mit dem Kriegs-Transport-Amt sind die erforderlichen Vorkehren für eine Verbesserung der Transportverhältnisse und für eine zweckmässige Ausnützung des Bollmaterials getroffen worden.

Die Eationierungsmassnahmen haben es ermöglicht, die abgegebenen Mengen jeweilen durch die Zufuhren zu ersetzen. Nach der. Überwindung der ersten Schwierigkeiten sind die Importe wesentlich verbessert worden; sie werden voraussichtlich erlauben, über den Winter hindurch gewisse Eeserven für den Zivilbedarf anzulegen.

Die Einfuhrfragen werden in Zukunft durch ein gemäss den Bundesvorschriften gebildetes Syndikat bearbeitet.

3. Rationierung fester Brennstoffe.

Das Volkswirtschaftsdepartement hat am 80. August (A. S. 55, 774) und am 2. Oktober 1939 (A. S. 55, 1117) zwei V e r f ü g u n g e n über die Abgabebeschränkung von Kohle erlassen. Durch einen auf Grund des Vollmachtenbeschlusses erlassenen Bundesratsbeschluss vom 13. Oktober 1939 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit festen Brenns t o f f e n (A. 8.55, 1125) wurde die Rationierung der Kohle nach einheitlichen Gesichtspunkten geordnet.

Die Verfügung vom 30. August 1939 verband mit der Abgabebeschränkung im Kohlenhandel auf einen Viertel der vorhandenen Vorräte (Pflichtlager ausgenommen) eine Bestandesaufnahme der Import- und Handelslager. Pur den Monat Oktober erlaubten die Verhältnisse eine Lockerung der Abgabe; die für den Verkauf freizugebende Menge wurde auf die Hälfte der Lagervorräte festgesetzt.

Die durch den Bundesratsbeschluss in ihren Grundsätzen festgelegte, durch V e r f ü g u n g des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes vom 26. Oktober 1939 (A. S. 55, 1309) näher geregelte, definitive Eationierung trat auf 1. November 1939 in Kraft. Die Kohlenabgabe an die Verbraucher des Hausbrandes und des Gewerbes erfolgt nur noch gegen Bezugsbewilligungen. Wie in der Kriegszeit 1914--1918 ist die Bildung von kantonalen und lokalen Brennstoffstellen vorgesehen. Den Kantonen sollen auf Grund der normalen Verbrauchszahlen bestimmte Kontingente zugeteilt werden, über deren Verwendung sie sich auszuweisen haben. Die Abgabe an grossindustrielle Verbraucher, an Gaswerke und an Transportanstalten erfolgt gemäss besondern Weisungen der zuständigen Sektion.

Die schon lange vor
Kriegsausbruch getroffenen Anordnungen des Bundes (Pflichtlager, Bundeslager) gewährleisten eine, unter Berücksichtigung der durch den Krieg hervorgerufenen Schwierigkeiten, gute Sicherstellung der Landesversorgung. Da jedoch die Lieferungsmöglichkeiten und Transportverhältnisse nicht auf weite Sicht überblickt werden können, ist ein sparsames Haushalten mit den Vorräten geboten. Die entsprechenden Massnahmen sind recht-

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zeitig getroffen worden und werden je nach dem Stand der Inlandslager und den Importmöglichkeiten fortgesetzt. , Das am 16. Oktober 1939 gegründete Syndikat besorgt die Kohleneinfuhr.

Eine begutachtende, aus allen Branchen des Imports, des Handels und des Verbrauchs zusammengesetzte, im Bundesratbeschluss vom 13. Oktober 1939 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit festen Brennstoffen vorgesehene Kommission hat die Aufgabe, einen Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Gruppen herbeizuführen und der zuständigen Sektion beratend zur Seite zu stehen.

4. Bewilligungspflicht für Verkauf und Verwendung von Toluol.

Toluol ist das Ausgangsprodukt für die Herstellung von Sprengstoffen für die Armee und wird ferner gleichzeitig in grossem Umfange in der chemischen und in der Lack-Industrie verwendet. Während in der chemischen Industrie in den meisten Fällen eine Ersetzung von Toluol nicht möglich ist, kann es in der Lack-Industrie, wo es als Lösungsmittel Verwendung findet, durch Benzol, Xylol und Solvent-Naphta ersetzt werden. ° Da die eigene Produktion in der Schweiz für alle Bedürfnisse ungenügend ist und die notwendigen Importe nicht sichergestellt werden konnten, waren einschränkende Massnahmen nötig. Mit V e r f ü g u n g vom 6. September 1939 über ein Verkaufs- und Verwendungsverbot von Tuluol (A. S. 55, 930) hat das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement die gewerbsmässige Abgabe, den Kauf, die Verwendung und die Verarbeitung von Toluol ohne Erlaubnis der Sektion für Chemie und Pharmazeutika untersagt. Gleichzeitig wurde verfügt, dass die bestehenden Vorräte unverändert weiter aufzubewahren seien; ferner wurde eine Bestandesaufnahme angeordnet. Auf Grund der Erhebungen in bezug auf die Produktionsmöglichkeiten in der Schweiz und die im Lande befindlichen Lagerbestände wurde beschlossen, Toluol nur für die industriellen und technischen Zwecke frei zu geben, für die es nicht durch andere Produkte ersetzt werden kann; sofern ein Ersatz möglich ist, wird Toluol bis auf weiteres nicht abgegeben.

Nachdem gewisse Möglichkeiten bestehen, im Ausland grössere Posten Toluol zu kaufen und die Importe nach der Schweiz sicherzustellen, wird geprüft, ob in bezug auf den Verbrauch von Toluol für industrielle und technische Zwecke gewisse Erleichterungen gewährt werden können.

5. Rationierung von Benzin-Destillaten für technischen und gewerblichen Gebrauch.

Durch Verfügung des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes vom 2. Oktober 1939 über die Rationierung von BenzinDestillaten für den technischen und gewerblichen Gebrauch (A. S. 55,1093) wurde die Abgabe dieser Destillate rationiert und für den Monat Oktober ein Kontingent von 30 % des durchschnittlichen Monatsverbrauches,

649 berechnet auf den Verbrauch im Zeitraum vom 1. Juli 1988 bis 30. Juni 1939, bewilligt. Für nachgewiesene Armee-Lieferungen und für Mehrbedürfnisse, die im Zusammenhang mit behördlichen Aufträgen oder Weisungen entstehen, können durch die Sektion für Chemie und Pharmazeutika zusätzliche Bewilligungen erteilt werden.

Auf Grund von Erhebungen in bezug auf den Verbrauch und die Lagerbestände der dieser Verfügung unterstellten Produkte ist durch eine vom eidgenössischen Volkswirtsehaftsdepartement genehmigte Verfügung des Kriegsindustrie- und -Arbeits-Amtes vom 21. Oktober 1939 für den Monat Oktober eine zusätzliche Quote von weitern 20 % und für den Monat November eine Gesamtquote von 60 % bewilligt worden.

Die Eationierung der Benzin-Destillate ist bedingt durch die Rationierung der Benzin-Produkte für motorische, Heiz- und Beleuchtungs-Zwecke. Die Sektion für Chemie und Pharmazeutika, der die Durchführung obliegt, erhält von der Sektion für Kraft- und Wärme die Quantitäten an Benzin und BenzinDestillaten zur Verfügung gestellt, welche über den Bedarf der Armee und über denjenigen für motorische, Heiz- und Beleuchtungs-Zwecke bereitstehen.

Diese Quantitäten an Benzin und Benzin-Destillaten für technischen und gewerblichen Gebrauch sind ausschlaggebend für die jeweilige Festsetzung der monatlichen Quoten.

Der Stand der Versorgung mit flüssigen Brennstoffen wird auch für die nächste Zeit die Beibehaltung der Rationierung von Benzin-Destillaten für den technischen und gewerblichen Gebrauch notwendig machen.

Diese Rationierung hatte vor allem für die Kleinbezüger gewisse Härten zur Folge. Die Sektion für Chemie und Pharmazeutika hat sich deshalb sowohl mit den kantonalen Kriegswirtschaftsstellen wie auch mit den in Frage kommenden Berufsverbänden in Verbindung gesetzt, um, wenn möglich, die Abgabe für das Kleingewerbe und die Kleinbezüger erleichtern zu können.

Kriegs-Transport-Amt.

Das Kriegs-Transport-Amt hat die Aufgabe, die für die Kriegswirtschaft notwendigen Transporte, insbesondere die Güterzufuhr aus dem Auslande mit Einschluss des Überseeverkehrs zu sichern.

Es gliedert sich in drei Sektionen: 1. Sektion für Landtransporte, 2. Sektion für Seetransporte, 3. Sektion für Kriegsrisiko-Versicherung.

1. Sicherung der Transporte.

Wie wir bereits eingangs dargelegt haben, ist die Schweiz auf die Zufuhr zahlreicher lebenswichtiger Güter aus dem Auslande angewiesen. Deshalb kommt im Kriegsfall dem Transportproblem besondere Bedeutung zu. Dabei

650 muss man sich bewusst sein, dass die Sicherung der Transporte für die Schweiz erheblich schwieriger ist als für Länder, die einen direkten Zugang zum Meer besitzen.

Wir hielten es für angezeigt, schon in Friedenszeit mit den Eegierungen der an unsern Transporten beteiligten Ländern in Verbindung zu treten, um die Zufuhr an unentbehrlichen Gütern auch in kritischen Zeiten zu sichern.

Zunächst waren eine Eeihe grundsätzlicher Fragen abzuklären, sodann mussten die technischen Einzelheiten mit den zuständigen Stellen der verschiedenen Länder geregelt werden.

Wir sind in der Lage, Ihnen als Ergebnis der Verhandlungen mitzuteilen, dass unsere Nachbarstaaten die Besonderheit unserer Versorgung im Kriegsfalle anerkannt haben. Sie haben ihre Bereitwilligkeit bekundet, nach Möglichkeit die Zufuhren von lebenswichtigen Gütern aufrechtzuerhalten. Insbesondere wurde uns zugesichert, bei Kriegsausbruch die für unser Land bestimmten, auf dem Transport befindlichen Waren durchzulassen.

Einige Lander haben uns ferner für unsern überseeischen Verkehr bestimmte Meerhäfen zur Verfügung gestellt und mit uns bestimmte Eegelungen getroffen, auf welchem Wege der Transport nach der Schweiz von der Hafenstation vor sich zu gehen habe.

Schließlich haben wir auch Vorkehren getroffen, um uns einen gewissen Schiffsraum zu sichern. In den letzten Jahren des Weltkrieges 1914/18 und auch in der ersten Nachkriegszeit herrschte ein geradezu beängstigender Mangel an Handelsschiffen. Es war während bestimmten Zeiträumen unmöglich, auch nur die allernotwendigste Tonnage für die Schweiz aufzubringen. Einzelne Länder hatten schon Mitte 1916 ihre Schiffe requiriert, und bis im September 1918 waren alle Staaten diesem Beispiel gefolgt. In den überseeischen Ländern wären genügend Waren vorhanden gewesen, ihre Beschaffung scheiterte jedoch an den Transportmöglichkeiten. Diese schlimmen Erfahrungen legten uns den Gedanken nahe, der Schweiz für die Dauer eines Krieges eine gewisse Tonnage Schiffsraum zu sichern. Die Anschaffung einer Handelsflotte und ihr Betrieb durch den Bund konnte aus mehrfachen Gründen nicht in Frage kommen. Einmal hätte die Führung der Schweizerflagge die Schaffung einer schweizerischen Gesetzgebung, die Lösung einer Eeihe schwieriger, rechtlicher Fragen und viele diplomatische Verhandlungen notwendig gemacht,
was geraume Zeit beansprucht hätte. Sodann ist der Betrieb einer Flotte mit ausserordentlich grossen Eisiken verbunden. Den Anforderungen, die an die Leitung eines solchen Unternehmens gestellt werden, sind nur Personen gewachsen, die über umfassende Sachkenntnis und grosse Erfahrung auf dem Gebiet des Seetransportwesens verfügen.

Wir glaubten, die Lösung am zweckmässigsten in der Weise suchen zu sollen, dass wir uns durch Verträge mit Eeedereien von voraussichtlich neutral bleibenden Ländern eine bestimmte Menge Schiffsraum für die Dauer eines Krieges, sicherten. Um aus derartigen Abkommen im Kriegsfall aber auch

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den erhofften Nutzen zu haben, waren Verhandlungen mit den Begierungen der kriegführenden Mächte und derjenigen des Landes nötig, dessen Flagge die Schiffe tragen. Wir haben nach langen Verhandlungen 15 Schiffe mit einer Tragfähigkeit von rund 115 000 Tonnen für die Dauer des Krieges gemietet.

Die Schiffe werden an den Seitenwänden mit dem Schweizerkreuz und der Aufschrift «Switzerland» versehen. Es sind uns bereits acht Schiffe mit einer Tragfähigkeit von 62 000 Tonnen übergeben worden. Die restlichen Schiffe sollen bis Ende Dezember 1939 abgeliefert werden. Der Betrieb der Schiffe wird unter Anleitung des Kriegs-Transport-Amtes durch zwei Makler-Firmen in London besorgt.

2. Kriegstransportrisiko-Versicherung.

Der Umstand, dass zufolge der Entwicklung der Luftwaffe die Landund Fluss-Transporte in erhöhjfcem Masse gefährdet sein werden, führte die Versicherungsgesellschaften im September 1988 dazu, das Kriegsrisiko für diese Transporte nicht mehr zu decken. Dieser Beschluss hätte für die Sicherstellung unserer Landesversorgung zu den schwerwiegendsten Folgen führen können. Es wurde daher, namentlich in den Spannungstagen vom September 1988, von verschiedenen Seiten bei den Bundesbehörden verlangt, dass irgend ein Weg gefunden werden müsse, um die Versicherung des Kriegstransportrisikos zu ermöglichen.

a. Das Ergebnis der sofort vorgenommenen Prüfung war zunächst der Bundesratsbeschluss vom 30. September 1938 über die Deckung des Kriegsrisikos für gewisse Fluss- und L a n d t r a n s p o r t e (A. S. 54, 708). Nach diesem wurde zur Deckung des Kriegsrisikos für Fluss- und Landtransporte von Getreide, Futtermitteln, ölsaaten und Eeis, die ab europäischen Häfen oder ab europäischem Herkunftsland in die Schweiz eingeführt werden, ein besonderer Fonds gebildet, zu dessen Speisung auf den genannten Transporten eine einheitliche Gebühr nach dem Gewicht erhoben wurde.

b. Diese Eegelung hatte indessen den Nachteil, dass sie nicht auf versicherungstechnischer Grundlage beruhte, indem z. B. die Gebühr ohne Berücksichtigung des Eisikos bezogen wurde. Es erwies sich ferner als dringend nötig, für den Transport aller lebenswichtigen Güter die Möglichkeit der Dekkung des Kriegsrisikos zu schaffen. Die vom Kriegs-Transport-Amt im Einvernehmen mit dem eidgenössischen Versicherungsamt und den in der Schweiz konzessionierten Transport-Versicherungsgesellschaften vorgenommene Untersuchung führte zu folgender Lösung: Durchführung der Versicherung durch die bisherigen Versicherungsträger (Transport-Versicherungsgesellschaften) unter Garantierung der Leistungen im Schadenfalle durch den Bund, wobei die Versicherungsnehmer zur Eisikodeckung angemessen beizuziehen sind.

Diese Eegelung hat den Vorteil, dass der Bund als Eisikoträger für die Erfüllung der Verpflichtungen, für die Erbringung der Ersatzleistungen gut steht, und deshalb dem Versicherungsnehmer oder Anspruchsberechtigten jede Gewähr geboten ist. Sodann hat der Bund in den bestehenden, technisch

652 auf das Beste eingerichteten, privaten Versicherungsgesellschaften mit ihrer bewährten Organisation und langjährigen Erfahrung die denkbar besten Hilfsorgane an der Hand, um die neue Versicherung nach technisch einwandfreien Grundsätzen durchführen zu können. Gerade in der Transportversicherung, die eines der schwierigsten Gebiete des Versicherungswesens darstellt, ist die Berücksichtigung der versicherungstechnischen Grundsätze, Überlegungen und der in jahrzehntelanger Praxis erworbenen Kenntnisse von ausschlaggebender Bedeutung für den Erfolg. Die getroffene Lösung hatte schliesslich den grossen Vorteil, dass sie sofort in Funktion gesetzt werden konnte, was bei den plötzlich einsetzenden Versicherungsanmeldungen nicht hoch genug bewertet werden kann. Als bei Ausbruch der Feindseligkeiten die Versicherungsbegehren infolge des Chock-Eisikos flutartig anschwollen, war der Versicherungsträger schon bereit.

Damit nun der Bund, der die Kriegsrisikoversicherung finanziert, den ihn nach aussen vertretenden Transport-Versicherungsgesellschaften nicht einfach Blanko-Vollmacht erteilen und das ganze Kriegsrisiko allein tragen muss, hat er die Gesellschaften in einem besondern Vertrag verpflichtet, am Eisiko selbst teilzunehmen und sich im Verlustfall mit einem erheblichen Betrag zu beteiligen. Die Gesellschaften sind infolgedessen nicht nur vertraglich verpflichtet, sondern auch finanziell daran interessiert, bei der Durchführung der Kriegsrisikoversicherung die gleiche Sorgfalt zu beobachten, die sie bei eigenen Geschäften anzuwenden pflegen.

Durch Bundesratsbeschluss vom 21. August 1939 über die Versicherung des Kriegsrisikos von Fluss- und L a n d t r a n s p o r t e n bestimmter Getreidearten und Futtermittel (A. S. 55, 715) wurde die im September 1938 getroffene Eegelung aufgehoben und eine Deckung der Kriegsgefahr auf der eben dargelegten versicherungstechnischen Grundlage eingeführt. Gestützt auf diesen Beschluss hat das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement mit V e r f ü g u n g vom 22. A u g u s t 1939 diejenigen lebenswichtigen Waren bezeichnet, welche obligatorisch gegen das Kriegsrisiko versichert werden müssen. Es sind dies Weizen, Eoggen, Hafer, Gerste, andere Getreidearten, Mais, Kleie, Futtermehl und Müllereiabfälle. Durch eine zweite V e r f ü g u n g gleichen Datums hat das
Volkswirtschaftsdepartement die Schweizerische Genossenschaft für Getreide und Futtermittel mit der Durchführung einzelner Aufgaben dieser Versicherung beauftragt.

Die Kriegsrisikodeckung erfolgt gegen Entrichtung einer Prämie und Einlösung einer Police.

c. Durch Bundesratsbeschluss vom 21. August 1939 (A. S. 55, 715) wurde die Versicherung des Kriegsrisikos von Fluss- und Landtransporten auf bestimmte andere lebenswichtige Güter erweitert. Darunter fallen Importgüter, die vom eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement bezeichnet werden ( V e r f ü g u n g vom 22. August 1939, A. S. 55, 718) und die zum Verbrauch oder zur Verarbeitung in der Schweiz bestimmt sind. Besonders wichtige Waren, wie beispielsweise Zucker, Eeis, Kaffee, Speiseöle und -fette,

653 ölsaaten, Heizöle, Benzin, Petroleum, Triebstoffe und Schmieröle unterstehen dem Versicherungsobligatorium, andere Güter sind fakultativ versicherbar.

d. Unterm 2. September 1939 hat der Bundesrat den B esch lus s über die allgemeine Versicherung des Kriegstransportrisikos schweizerischer Import- und E x p o r t g ü t e r (A. S. 55, 883) gefasst. Dadurch hat die Kriegstransportversicherung nochmals eine Erweiterung erfahren; namentlich wurden zur Erhaltung der Ausfuhr auch die Exportgüter in die Versicherung einbezogen. Dem neuen Beschluss zufolge können versichert werden, und zwar fakultativ: a. Seetransporte lebenswichtiger, sowie See-, Fluss und Landtransporte nicht lebenswichtiger, jedoch zum Verbrauch oder zur Verarbeitung in der Schweiz bestimmter Importgüter; b. See-, Fluss- und Landtransporte schweizerischer Exportgüter, und c. vom Bunde bezeichnete Privatgüterwagen, die zur Beförderung von zum Verbrauch oder zur Verarbeitung in der Schweiz bestimmten Importgütern oder von schweizerischen Exportgütern verwendet werden.

Nach einer Verfügung des eidgenössischen Kriegs-Transport-Amtes fallen darunter bei den SBB immatrikulierte Kesselwagen, die zum Transport von flüssigen Brenn- und Treibstoffen dienen.

Nicht versicherbar sind die durch die Schweiz reisenden Transitgüter und Importwaren, die für die schweizerische Volkswirtschaft nicht notwendig erscheinen, wie z.B. Luxusartikel.

Es darf mit Befriedigung festgestellt werden, dass Ende August bei Ausbruch des Krieges der schweizerischen Wirtschaf t eine zweckmässig eingerichtete, als Hilfsaktion seitens des Bundes aufgezogene Bundes-Kriegstransport'Versicherung zur Verfügung gestellt werden konnte. Dadurch wurde denn auch 'bewirkt, dass die Einfuhr lebenswichtiger Güter grundsätzlich in keinem Augenblick, selbst nicht in den gefährlichsten Tagen des Aufmarsches der deutschen und französischen Heere, ausgesetzt hat.

Handelsabteilung.

Durch Beschluss vom 2. September 1939 über die Beschränkung der A u s f u h r (A. S. 55, 825) hatte der Bundesrat, noch gestützt auf das Bundesgesetz vom 1. April 1938 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern, grundsätzlich die Ausfuhr aller Waren unter Bewilligungszwang gestellt. Am 22. September 1939 erliess er dann, gestützt auf den Bundesbeschluss vom 30. August 1939 über
Massnahmen zum Schütze des Landes und zur Aufrechthaltung der Neutralität, den Bundesratsbeschluss über die Überwachung der Ein- und A u s f u h r (A. S. 55, 1063). Gestützt auf diesen Bundesratsbeschluss hat das Volkswirtschaftsdepartement, ebenfalls am'22. September, eine V e r f ü g u n g über die Überwachung der Ein- und A u s f u h r (A. S. 55, 1067) erlassen.

Dadurch sind vorerst einmal die frühern Beschränkungen der Ein- und Ausfuhr weiter in Kraft belassen worden. Es handelt sich einerseits um die

654 bereits gestützt auf den Bundesbeschluss vom 14. Oktober 1988 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland erlassenen Einfuhrbeschränkungen, die den Schutz der Inlandsproduktion und die Sicherung der Absatzmöglichkeiten des Exportes durch den sogenannten Kompensationsverkehr bezweckten, anderseits um die zur Sicherstellung der Landesversorgung erlassenen Ausfuhrbeschränkungen. Nun wurden durch den vorgenannten, auf den Vollmachten beruhenden Bundesratsbeschluss vom 22. September 1989 dem Volkswirtschaftsdepartement die nötigen Kompetenzen erteilt, die gesamte Ein- und Ausfuhr sowie die Verwendung eingeführter Waren von Staates wegen zu überwachen. Damit ist die Bechtsgrundlage zu weitern Massnahmen geschaffen worden, die nicht nur im Interesse der kriegswirtschaftlichen Landesversorgung, sondern auch aus handelspolitischen Gründen und zur Wahrung der Neutralität notwendig werden sollten. Dabei werden die Bestrebungen auf die möglichste Aufrechterhaltung der weitgehend auf den Export angewiesenen schweizerischen Wirtschaft gerichtet sein müssen.

Gestützt auf den Bundesratsbeschluss über die Überwachung der Einund Ausfuhr hat das Volkswirtschaftsdepartement unterm 2. November eine Verfügung erlassen, welche den in der Schweiz niedergelassenen Firmen untersagt, sich einer ausländischen Kontrolle über ihren Warenverkehr zu unterziehen. Weitere allgemeine Massnahmen mussten vorderhand nicht getroffen werden. Die wirtschaftlichen Interessen auf dem Gebiete der Einund Ausfuhr konnten noch mit den bereits geschaffenen Mitteln gewahrt werden. Allerdings wurden zahlreiche Interventionen notwendig, um den Schwierigkeiten in der Warenbeschaffung aus dem Auslande zu begegnen, und es sind nun mit verschiedenen Staaten Verhandlungen über grundsätzliche Fragen auf diesem Gebiete erforderlich. Über deren Ergebnis werden wir später berichten.

Unterdessen werden die Bemühungen der Handelsabteilung zur Behebung der Schwierigkeiten in besondern Fällen weitergehen müssen, wobei sich unter Umständen bestimmte staatliche Massnahmen als nützlich erweisen werden.

Im Zusammenhang mit der Überwachung der Ausfuhr wird wohl auch eine verstärkte Überwachung gewisser Importe nicht zu umgehen sein.

Die Überwachung der Ein- und Ausfuhr im Sinne des Bundesratsbeschlusses vom 22. September 1939 ist zurzeit wie folgt
organisiert: Das Volkswirtschaftsdepartement hat, in Ausführung von Art. 3 des genannten Bundesratsbeschlusses, eine beratende Kommission eingesetzt, in der die Wirtschaft und die Verwaltung vertreten sind. Die Handelsabteilung hat sich, soweit nötig, auf die kriegswirtschaftliche Tätigkeit umgestellt, und es ist bei ihr eine besondere Zentralstelle für die Überwachung der Ein- und Ausfuhr geschaffen worden. Die Sektion für Einfuhr, die bei der Handelsabteilung zur Handhabung der Einfuhrbeschränkungen gemäss Bundesbeschluss vom 23. Dezember 1931 bereits errichtet worden war, wurde schon durch die Verfügung des Volkswirtschaftsdepartements vom 26. August 1939 über die Beschränkung der Ausfuhr in die heute bestehende Sektion f ü r Ein-

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und A u s f u h r umgewandelt. Diese arbeitet hinsichtlich der Erteilung von Bewilligungen, namentlich für die Ausfuhr, mit den Sektionen der Kriegswirtschaftsämter zusammen. Die Handelsabteilung wird auch Syndikate gemäss Bundesratsbeschluss vom 22. September 1989 über kriegswirtschaftliche Syndikate (A. S. 55, 1061) zur Mitwirkung bei gewissen Überwachungsaufgaben heranziehen.

Das Volkswirtschaftsdepartement hat von der ihm durch den Bundesratsbeschluss über die Überwachung der Ein- und Ausfuhr eingeräumten Ermächtigung, Gebühren festzusetzen, durch Erlass eines Gebührentarifs vom 80. Oktober 1939 über die Erteilung von Ausfuhrbewilligungen Gebrauch gemacht. Damit wurde der frühere Ausfuhrgebührentarif ersetzt. Bei der Festsetzung der Gebührenansätze wurde noch in vermehrtem Masse den Exportinteressen Eechnung getragen, immerhin auch unter Bücksichtnahme auf die durch die Überwachung dem Bunde aufliegenden vermehrten Kosten.

Von einer Änderung des Gebührentarifs für die Erteilung von Einfuhrbewilligungen, der im Eahmen des Bundesbeschlusses über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland erlassen worden ist, konnte vorderhand Umgang genommen werden.

Der Bundesrat hat es als notwendig erachtet, in seinem Beschluss über die Überwachung der Ein- und Ausfuhr strenge Sanktionen vorzusehen, weil Widerhandlungen gegen die Überwachungsmassnahmen die Versorgung des Landes gefährden. Nicht nur sollen die Fehlbaren von der Erteilung von Bewilligungen ausgeschlossen, sondern auch mit Busse in unbeschränkter Höhe und Gefängnis bestraft werden können; Ausländer können überdies des Landes verwiesen werden. Die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen ist, soweit es sich nicht um eigentliche Zolldelikte handelt, den strafrechtlichen Kommissionen des Volkswirtschaftsdepartementes übertragen.

Kriegs-FUrsorge-Amt.

Das Kriegs-Fürsorge-Amt ist dem Bundesamt für Sozialversicherung angegliedert. Ihm ist die Fürsorge an der Zivilbevölkerung übertragen. Mit der Fürsorge für Wehrmänner und deren Familien hat es sich nicht zu befassen, da diese zum Aufgabenkreis des Militärdepartementes gehört. Neben der Fürsorge hat das Bundesamt für Sozialversicherung die ihm obliegenden Aufgaben auf dem Gebiet der Sozialversicherung zu erfüllen.

Zur Durchführung dieser Aufgaben gliedert sich das Amt in folgende sechs
Sektionen : 1. Sektion für Sozialversicherung, 2. Sektion für Hygiene, 8. Sektion für Grenzsanität, 4. Sektion für Flüchtlingswesen, 5. Sektion für Heimschaffung, 6. Sektion für Jugend-, Familien- und Invalidenfürsorge.

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1. Sozialversicherung.

Auf diesem Gebiet mussten bisher noch keine gesetzgeberischen Massnahmen getroffen werden. Mit den Spitzenverbänden der Krankenversicherung wurde die Frage geprüft, ob Weisungen an Krankenkassen zu geben seien in bezug auf die Beitragszahlung der Mitglieder und die Gewährung von Versicherungsleistungen. Bei der Verschiedenheit der statutarischen Bestimmungen schien es jedoch geboten, bis auf weiteres die Anwendung der in Kraft stehenden Statuten zu empfehlen. Grundsätzlich wurde den Krankenkassen empfohlen, von den Wehrmännern die Beiträge zu erheben und nur in Notlagen Stundung zu gewähren.

2. Hygiene.

Die Aufgaben dieser Sektion werden von dem eidgenössischen Gesundheitsamt besorgt. Die Sektion für Hygiene konnte auf besondere Erlasse betreffend den Schutz gegen ansteckende Krankheiten verzichten, da das Departement des Innern mit Kreisschreiben vom 11. September 1989 den Kantonen die nötigen Weisungen zur Erhaltung der Volksgesundheit erteilt hatte.

Andere Aufgaben der Sektion, sofern sich diese auf die Kontrolle der Betäubungsmittel, der Sera und Impfstoffe beziehen, gehören in den ordentlichen Pflichtenkreis des Gesundheitsamtes. Das trifft auch zu hinsichtlich der Kontrolle der Lebensmittel und Gebrauchgegenstände. Insbesondere wurde in der Eichtung gewirkt, dass von den Organen der Kantone und Gemeinden, trotz des reduzierten Personals der kantonalen und kommunalen Amtsstellen, die Kontrolle in bezug auf Milch, Brot, Trinkwasser und verzinnte Gefässe so intensiv wie möglich weitergeführt werden kann. Im weitern lässt sich das Gesundheitsamt angelegen sein, ihm zukommende Berichte über Ernährungsfragen eingehend zu studieren und gegebenenfalls an die für die Ernährung zuständigen Stellen weiterzuleiten.

3. Grenzsanität.

Die Sektion für Grenzsanität hat die Aufgabe, Massnahmen zu treffen, um die Einschleppung ansteckender Krankheiten in unser Land zu vermeiden.

Dementsprechend steht die Tätigkeit der Sektion in engem Zusammenhang mit der des eidgenössischen Gesundheitsamtes. In Verbindung mit den Bundesbahnen, der Oberzolldirektion, der Polizeiabteilung des eidgenössischen Justizund Polizeidepartementes und der Sektion für Heimschaffung sind Grenzsanitätsposten errichtet worden in Vallorbe, Les Verrières, Boncourt, Basel, Zurzach, Schaffhausen, Thayngen, Eamsen,
Kreuzungen, Eomanshorn, St. Margrethen, Buchs, Münster, Campocologno, Chiasso, Brig und Genf. Da die hilfsdienstpflichtigen Ärzte und das hilfsdienstpflichtige Sanitätspersonal dem Oberfeldarzt zur Verfügung gestellt worden sind, muss das Personal für die Grenzsanitätsposten aus dienstuntauglichen Ärzten und Mitgliedern des freiwilligen Sanitätshilfsdienstes rekrutiert werden. Da hierzu eine gewisse Zeit erforderlich ist, wird der Grenzsanitätsdienst vorläufig unter Mitwirkung der Sanitätsoffiziere der Territorialkreise organisiert. Die Organisation hat in

657 Verbindung mit den Grenzbrigadeärzten und Platzkommandoärzten, unter Mitwirkung der Bahnhofkommandanten beziehungsweise -vorstände und Heimschaffungskommissare zu erfolgen. Es wurden die Ortsbehörden an den Grenzübertrittsstellen veranlasst, die für den Grenzsanitätsdienst erforderlichen Eäumlichkeiten mit den nötigen Wasch- und Badeeinrichtungen zur Verfügung zu stellen. Es müssen den Grenzsanitätsposten auch Quarantänelager angegliedert werden. Die in den Jahren 1918--1922 errichteten Untersuchungsund Quarantänebaracken, die das Gesundheitsamt seither verwaltet hat, sind dem Grenzsanitätsdienst zur Verfügung gestellt worden, so dass man sich auf die Neuerstellung solcher Gebäulichkeiten beschränken kann, wo diese noch nicht bestehen. Für Miete oder Errichtung der notwendigen Untersuchungsräume, für die Beschaffung von Desinfektions- und Entlausungseinrichtungen, für die Errichtung von Quarantänelagern, sowie für die Anschaffung von Medikamenten und kleinerem Sanitätsmaterial, soweit diese nicht vom Armeesanitätsmagazin zur Verfügung gestellt werden können, sind vorläufig die nötigen Kredite eingeräumt worden.

4. Flüchtlingswesen.

Die Sektion für Flüchtlingswesen hat ihre vorbereitenden Massnahmen in enger Verbindung mit, den zuständigen militärischen Stellen getroffen. In das Arbeitsgebiet dieser Sektion gehörte die im Laufe des Septembers erfolgte Evakuation der 61 Insassen des im Jahre 1866 von der Schweizerkolonie in Paris gegründeten Altersasyls. Nachdem die Greise vorübergehend in Laveyles-Bains untergebracht waren, ist Nyon als Sitz des Asyls bestimmt worden.

5. Heimschaffung.

Nach erfolgter Mobilisation der Armee trat unverzüglich die Sektion für Heimschaffung in Funktion, die sich mit den Transporten heimkehrender 1 Auslandschweizer zu befassen hatte. Die in Sammel- oder Gruppentransporten Heimkehrenden wurden an der Grenze übernommen, wenn nötig verpflegt und ins Landesinnere weitergeleitet. Mobilisierte wurden nach ihren Korpssammelplätzen transportiert und die übrigen Auslandschweizer, je nachdem ob es sich um zielsichere oder ziellose handelte, nach ihrem Bestimmungsort oder ihrer Heimatgemeinde geleitet, wo sie sich bei der lokalen, allenfalls · bei der kantonalen Arbeitseinsatzstelle zu melden hatten. Soweit möglich wurde von unseren Gesandtschaften oder Konsulaten im Ausland
Ort und Zeit der Ankunft, sowie die ungefähre Zahl der Heimkehrenden der Sektion für Heimschaffung im voraus gemeldet, um die nötigen Massnahmen für den Empfang treffen zu können. Zu diesem Zwecke waren Heimschaffungskommissäre ernannt worden in Genf, Vallorbe, Les Verrières, Pruntrut, Boncourt, Basel, Zurzach, Schaffhausen, Thayngen, Eamsen, Kreuzungen, Eomanshorn, St. Margrethen, Buchs, Münster, Poschiavo, Chiasso und-Brig. In Verbindung mit den Fürsorgestellen der Territorialkommandos und den Bahn-

658 hofkommandos wurden an verschiedenen grösseren Orten im Inland ähnliche Organisationen geschaffen. Den Heimschaffungskommissären oblag die Aufgabe, die Eekrutierung ihrer Mitarbeiter vorzunehmen. Je nach der Bedeutung der Transitstelle umfassten die Heimschaf fungsorganisationen 10--120 Personen, die aus Hilfsdienstpflichtigen und Freiwilligen rekrutiert wurden, die sich in den Dienst des Fürsorgewerkes stellten. Die Heimschaf fungskommissäre sind dahin instruiert worden, dass die Heimkehrenden nicht als Armengenössige zu empfangen und zu behandeln seien. Dieser Instruktion ist Folge gegeben und die Zweckmässigkeit der Organisation von den Heimkehrenden anerkannt worden. Die Zahl der zurückgekehrten Landsleute belief sich bis 17. Oktober 1939 auf rund 14000 Personen. Eine genaue Zählung war nicht möglich, da nicht alle Eückwanderer die Bahn benutzt haben. Man geht wohl kaum fehl, wenn man annimmt, dass zirka 7500 Welirmänner ihrem Aufgebot Folge geleistet haben und zirka 6500 Zivilpersonen zurückkehrten.

In der Folge hatten sich die Organe der Sektion für Heimschaffung auch mit den unbemittelten Auslandschweizern zu befassen, die wieder ins Ausland zurückreisen. Meldezettel, die bei der Einreise der nichtmilitärpflichtigen Auslandschweizer an den Grenzorten ausgefüllt werden, dienen als Unterlage bei der Arbeitsvermittlung und können auch für Nachforschungen nach Vermissten Verwendung finden.

6. Jugend-, Familien- und Invalidemfiirsorge.

Die Sektion für Jugend-, Familien- und Invalidenfürsorge hat die Aufrechterhaltung der Sozialfürsorge zur Aufgabe, wenn durch kriegerische Ereignisse die normale Tätigkeit der privaten und öffentlichen Fürsorge behindert werden sollte. Im Aufgabenkreis dieser Sektion liegt vor allem auch die Koordination der privaten Kriegsfürsorgebestrebungen. Als konsultatives Organ dient ihr die Kriegsfürsorgekommission der schweizerischen Landeskonferenz für soziale Arbeit. Diese umfasst Vertreter von Fürsorgeorganisationen aller Eichtungen und darf als die Eepräsentantin der schweizerischen Fürsorgeinstitutionen betrachtot werden. Eine Verstaatlichung der Kriegsfürsorge ist keineswegs beabsichtigt. Die Aufgabe unserer Fürsorgesektion ist einzig darauf gerichtet, die Zersplitterung und Doppelspurigkeit auf dem Gebiete des Fürsorgewesens zu vermeiden. In ähnlicher Weise ist bei den Kantonen durch ein Kreisschreiben des Kriegs-Fürsorge-Amtes vom 2. Oktober 1939 an die kantonalen Zentralstellen für Kriegswirtschaft angeregt worden, ein Organ dieser Zentralstellen mit der Behandlung der Fragen der Kriegsfürsorge zu betrauen. Des weitern wurde die Anregung gemacht, auch auf kantonalem Boden Kriegsfürsorgekommissionen zu bilden, in welchen den meistbeteiligten Fürsorgeverbänden eine Vertretung einzuräumen wäre. Die Schaffung kantonaler Kriegsfürsorgeinstitutionen hat den Vorteil, dass den Bundesstellen dadurch ermöglicht wird, in organisatorischen und materiellen Fragen sich in jedem- Kanton mit einer amtlichen Fachstelle in Verbindung setzen zu können.

659 Wir legten Wert darauf, Ihnen einen umfassenden Überblick über die Massnahmen zu geben, die bis heute auf den Gebieten der Kriegswirtschaft getroffen worden sind. Deshalb glaubten wir uns im Vorstehenden nicht darauf beschränken zu sollen, lediglich über jene Beschlüsse Bericht zu erstatten, welche wir gestützt auf die uns unterm 80. August 1989 eingeräumten Vollmachten gefasst haben. Wir hielten es vielmehr für angezeigt, an dieser Stelle auch kurz auf die übrigen Massnahmen, insbesondere auf die kriegswirtschaftlichen Vorbereitungen hinzuweisen. Diese stützten sich auf das Bundesgesetz vom 1. April 1938 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebens-.

wichtigen Gütern. Auf dieser Eechtsgrundlage basieren namentlich die Bestandesaufnahmen und die Erhebungen über die Produktionsmöglichkeiten sowie die Anlage von zusätzlichen Vorräten.

Durch das erwähnte Gesetz war der Bundesrat ferner ermächtigt, im Falle unmittelbarer Kriegsgefahr weitere Massnahmen zur Sicherstellung der Versorgung von Volk und Heer zu treffen. Auf Grund dieser Ermächtigung wurde unmittelbar vor Kriegsausbruch eine Eeihe dringlicher Vorkehren getroffen. Wir erinnern hier nur an die Bezugssperre gewisser Lebensrnittel, an die Verkaufsbeschränkungen von Mehl sowie an die Benzin- und Kohlenrationierung. Einige dieser Massnahmen haben im ersten Kriegsmonat gewisse Modifikationen erfahren, wobei die entsprechenden Erlasse wiederum auf das Bundesgesetz über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern basierten. Solche Vorkehren sind nach dem 30. August 1939 auch auf andern Gebieten getroffen worden. Wir führen hier beispielsweise die Rationierung von Maschinenschmierölen, die Vorschriften über die Verarbeitung von Hafer, Gerste und Mais, die Bestimmungen über die Verwertung der inländisch en Kartoffelernte sowie das Sonntagsfahrverbot für Motorfahrzeuge an. Auch diese Erlasse stützen sich noch auf das oben erwähnte Bundesgesetz.

Es handelt sich dabei meistens um Übergangsmassnahmen, um erste provisorische Vorkehren, die wir, wie oben dargelegt, in der Folge durch definitive Regelungen abgelöst haben. Die neuen Erlasse definitiven Charakters haben wir alsdann auf den Vollmachtenbeschluss vom 30. August 1939 gestützt.

Es sind dies, chronologisch zusammengestellt, folgende Beschlüsse: Bundesratbeschluss
vom 1. September 1939 betreffend die Einsetzung von strafrechtlichen Kommissionen des Volkswirtschaftsdepartementes ; Bundesratsbeschluss vom 1. September 1939 betreffend die Kosten der Lebenshaltung und den Schutz der regulären Marktversorgung; Verordnung vom 2. September 1939 über die Arbeitsdienstpflicht; Bundesratbeschluss vom 2. September 1939 über die allgemeine Versicherung des Kriegstransportrisikos schweizerischer Import- und Exportgüter; Bundesratsbeschluss vom 12. September 1939 über Massnahmen zur Verwertung der Kernobsternte 1939 und die Versorgung des Landes mit Tafel- und Wirtschaftsobst ;

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Bundesratsbeschluss vom 19. September 1939 über die Verarbeitung von Weizen, Koggen und Dinkel und über die Verwendung der Mahlprodukte; Bundesratsbeschluss vom 20. September 1939 über die Landesversorgung mit Heu und Stroh; Bundesratsbeschluss vom 22. September 1939 über kriegswirtschaftliche Syndikate ; · Bundesratsbeschluss vom 22. September 1939 über die Überwachung der Einund Ausfuhr; Bundesratsbeschluss vom 26. September 1939 über die Landesversorgung mit flüssigen Kraft- und Brennstoffen; Bundesratsbeschluss vom 3. Oktober 1939 über die Erweiterung der Zuständigkeit der strafrechtlichen Kommissionen des eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes ; Bundesratsbeschluss vom 13. Oktober 1939 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit festen Brennstoffen; Bundesratsbeschluss vom 17. Oktober 1939 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit Lebens- und Futtermitteln; Bundesratsbeschluss vom 20. Oktober 1939 betreffend die Ausdehnung des Ackerbaues.

G. Post- und Eisenbahndepartement.

Post-, Telegraphen- und Telephonverwaltung.

Am 3. Oktober 1939 hat der Bundesrat einen Beschluss erlassen über die Portofreiheit der kriegswirtschaftlichen Ämter (A. S. 55, 1102). Dies ist die einzige, auf dem Bundesbeschluss vom 80. A.ugust 1939 beruhende Massnahme, die vom Post- und Eisenbahndepartement vorgeschlagen wurde.

Mit der Kriegsmobilmachung der schweizerischen Armee nahmen auch die kriegswirtschaftlichen Ämter des Bundes, der Kantone und der Gemeinden ihre Funktionen auf. Diese Stellen unterhalten einen umfangreichen Postverkehr. Der Beschluss vom 3. Oktober bezweckte eine nähere Eegelung ihres Anspruches auf Portofreiheit. Demgemäss gemessen die kriegswirtschaftlichen Ämter des Bundes, der Kantone und der Gemeinden Portofreiheit für ausgehende amtliche Sendungen im Verkehr mit Behörden und andern Amtsstellen.

Die gleiche Begelung bestand schon während des Weltkrieges. Sie entspricht übrigens derjenigen, die für die ordentlichen Behörden und Ämter gilt.

Gestützt auf unsere Ausführungen beantragen wir Ihnen, Sie möchten von den getroffenen Massnahmen in zustimmendem Sinne Kenntnis nehmen und beschliessen, dass sie weiter in Kraft bleiben.

661 Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 21. November 1989.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Etter.

1588

Der Bundeskanzler:

G. Bovet

# S T #

Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 13. November 1939.)

Die «Neuchâteloise, compagnie suisse d'assurances générales» in Neuenburg, erhält die Konzession zum Betriebe der Elementarschadenversicherung in der Schweiz.

(Vom 14. November 1939.)

Es werden folgenden Kantonen Bundesbeiträge bewilligt: 1. Graubünden: für die Lawinenverbauung «Muot» der Rhätischen Bahn; 2, Tessin: für die Erstellung einer Waldweganlage Brusino-Arsizio-Serpiano, Gemeinde Brusino-Arsizio.

(Vom 20. November 1939.)

Laut einer Mitteilung der kubanischen Gesandtschaft ist Herr Konsul Luis Valdés Eoig während der Abwesenheit des Herrn Ignacio Weber y Fabian, Berufskonsul, mit der provisorischen Leitung des Konsulates von Kuba in Genf betraut worden.

Dem Eücktrittsgesuch des Wachtmeister Ernst Hasler, in Sissach, als Richter des Territorial-Gerichts 2, wird unter Verdankung der geleisteten Dienste entsprochen. An seiner Stelle wird für den Eest der laufenden Amtsdauer, Bundesblatt.

91. Jahrg.

Bd. II.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Erster Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die auf Grund der ausserordentlichen Vollmachten ergriffenen Massnahmen. (Vom 21. November 1939.)

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Bundesblatt

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Foglio federale

Jahr

1939

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

47

Cahier Numero Geschäftsnummer

3971

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

22.11.1939

Date Data Seite

600-661

Page Pagina Ref. No

10 034 132

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