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Botschaft des .

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Bewilligung der Kredite für die Durchführung einer allgemeinen Betriebszählung im Jahre 1939.

(Vom 7. März 1939.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Am 17. Januar 1939 haben wir, gestützt auf das Bundesgesetz vom 23. Juli 1870 betreffend die amtlichen statistischen Aufnahmen in der Schweiz, für den Spätsommer des Jahres 1939 die Durchführung einer allgemeinen Betriebszählung angeordnet, vorbehaltlich der Genehmigung der erforderlichen Kredite durch die eidgenössischen Bäte.

Dieser Beschluss stützte sich auf folgende Erwägungen: Im Gegensatz zu andern Industriestaaten haben in der Schweiz bisher erst zwei allgemeine Betriebszählungen stattgefunden, und zwar in den Jahren 1905 und 1929. Wohl war die Wiederholung einer derartigen Inventuraufnahme der Wirtschaft von den Interessentenkreisen immer wieder ausdrücklich verlangt worden; denn nicht nur bei den Erhebungen über den Stand der Bevölkerung, sondern auch bei-jenen über den Produktions- und Verteilungsapparat bildet die periodische Erfassung ein wichtiges Erfordernis der Beobachtung und das vorzüglichste Mittel, die im Wechsel der Zeiten eingetretenen Veränderungen festzustellen. Aus diesem Grunde war die zweite Betriebszählung bereits für das Jahr 1915 vorgesehen worden; ihre Durchführung wurde dann aber durch den Ausbruch des Weltkrieges vereitelt. So verging fast ein Vierteljahrhundert, bis die zweite Erhebung stattfinden konnte, ein viel zu langer Zeitraum, um die schweizerische Wirtschaft in ihren Entwicklungsstufen festhalten zu können. Die Internationale Konvention vom 14. Dezember 1928 über Wirtschaftsstatistik stellt denn auch unter anderem die Forderung auf, dass landwirtschaftliche und gewerbliche Betriebszählungen in einem Abstand von höchstens zehn Jahren vorzunehmen seien. Als Vertragsstaat

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sollte sich die Schweiz der genannten Forderung um so weniger entziehen, weil um das Jahr 1940 ein landwirtschaftlicher Weltzensus veranstaltet wird, von dem sich unser Land mit seiner hochentwickelten Landwirtschaft nicht ausschliessen kann.

Aber auch abgesehen von diesen internationalen Bindungen besteht bei uns für die Vornahme einer allgemeinen Betriebszählung in nächster Zeit ein wirkliches Bedürfnis. Seinen deutlichen Ausdruck fand es in einer Konferenz der Vertreter der Spitzenorganisationen der Wirtschaft und der interessierten eidgenössischen Verwaltungsabteilungen, die vom Departement des Innern am 26. April 1938 einberufen worden war. Einstimmig bekannte sich die Konferenz zu der Auffassung, dass eine Wiederholung der Betriebszählung im Jahre 1939 zu empfehlen sei. Vom Schweizerischen Bauernverband ist speziell die Vornahme einer landwirtschaftlichen Betriebszählung im Anschluss an die bevorstehende Internationale Weltagrarerhebung dringend gewünscht worden.

Auch auf dem Gebiete des Gewerbes, des Handels und des Verkehrs besteht die Notwendigkeit, die seit der letzten Krise eingetretenen inneren Wandlungen der Wirtschaft statistisch zu erfassen. Neben andern wirtschaftspolitischen Massnahmen lassen namentlich der Ausbau der Gewerbegesetzgebung sowie die kriegswirtschaftlichen Vorbereitungen, denen gegenwärtig eine besondere Wichtigkeit zukommt, eine neue ausführliche Erhebung über die gewerblichen Betriebe als unerlässlich erscheinen. Wohl hat am 16. September 1937 eine eidgenössische Fabrikzählung stattgefunden; sie umfasste jedoch bloss rund 8000 Betriebe gegenüber den 110 000, die bei der Erhebung von 1929 im Gewerbe ermittelt wurden, gibt also nur über einen verhältnismässig kleinen Ausschnitt des Gewerbes Auskunft. Der Schweizerische Gewerbeverband hat deshalb die Anordnung einer allgemeinen Betriebszählung im Jahre 1939 als unbedingt notwendig bezeichnet, und sein Präsident, Herr Nationalrat Schiriner, stellte ein entsprechendes Postulat.

Die Ausgestaltung der Wirtschaftsstatistik ist in der schweizerischen Öffentlichkeit in letzter Zeit immer wieder befürwortet worden. Auch in unserer Botschaft vom 7. Juni 1938 an die Bundesversammlung über den Ausbau der.

Landesverteidigung und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wurde mit allem Nachdruck auf diese Notwendigkeit hingewiesen. Wir
haben dabei ausdrücklich die Durchführung einer Betriebszählung im Jahre 1939 vorgesehen.

Die Kosten einer allgemeinen Betriebszählung, die Landwirtschaft, Gewerbe, Industrie, Handel und Verkehr umfasst, sind erheblich. Sie können anhand der Beträge geschätzt werden, die im Jahre 1929 für die Betriebszählung aufgewendet werden mussten. Sie beliefen sich damals im ganzen auf l 663 000 Franken, die sich wie folgt verteilen : Franken

Entschädigung an etwa 20000 Zähler.

Gehälter und Löhne

250000 1143000

391 Franken

Formulare, Tabellen, Lochkarten usw 75 000 Veröffentlichungen 118000 Maschinenmiete 55 000 Instruktionskurse, Verschiedenes 22 000 Wohl bietet das Bundesgesetz vom 28. Juli 1870 über statistische Aufnahmen die Handhabe, die eigentlichen Kosten der Erhebungen ganz auf die Kantone abzuwälzen. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass eine so komplizierte und umfassende Erhebung wie die Betriebszählung ohne eine Vergütung des Zählpersonals seitens des Bundes nicht zu brauchbaren Ergebnissen führt.

Eine Zählerentschädigung seitens des Bundes, wie sie durch die Erhebungen von 1905 und 1929 präjudiziert worden ist, wird sich heute namentlich im Hinblick auf die äusserst prekäre Finanzlage mancher Kantone erst recht nicht umgehen lassen. Eine gewisse Vereinfachung der kommenden Zählung ist insofern möglich, als eine besondere Fabrikstatistik im Eahmen der Betriebszählung wie im Jahre 1929 wegfallen kann. Man wird dem Fabrikinhaber den gleichen einfachen Fragebogen unterbreiten wie den Inhabern der kleinen Betriebe. Trotzdem wird man im ganzen wohl kaum mit einer Ermässigung der Kosten unter die oben angegebene Summe von rund 1,7 Millionen Franken rechnen dürfen. .

Die Aufbereitung des Zählmaterials erfordert die Anstellung von etwa 250 zusätzlichen Jahresarbeitskräften. Dafür kommen in erster Linie stellenlose Akademiker, Kaufleute und Techniker in Betracht. Die Betriebszählung bietet also eine äusserst günstige Möglichkeit zur Beschäftigung von Angehörigen dieser von der Krise in Mitleidenschaft gezogenen Berufsstände. Deshalb wurde aus dem Sonderkredit für Arbeitsbeschaffung vorsorglicherweise ein Betrag von 850 000 Franken reserviert, der die Hälfte der Gesamtkosten der Betriebszählung deckt. Aus allgemeinen Bundesmitteln sind also noch 850 000 Franken zu bewilligen. Die für 1989 erforderlichen Kosten von 320 000 Franken wären in die Nachtragskreditbegehren des laufenden Jahres und der restliche Betrag von 530 000 Franken in die Voranschläge für die Jahre 1940 und 1941 einzustellen.

Die ganze Organisation der Zählung sowie die Aufstellung der Fragebogen sollen im Einvernehmen mit den beteiligten Departementen und Amtsstellen, den Wirtschaftsverbänden und Arbeitgeber- und -nehmerorganisationen sowie mit geeigneten Fachleuten eingehend durchberaten und uns zur Genehmigung unterbreitet werden.

. Wir
hoffen, die Zustimmung der Bäte zu unsern vorstehenden Ausführungen zu finden und beantragen: den beigelegten Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Kreditbewilligung zur Durchführung einer allgemeinen Betriebszählung zu genehmigen.

392 Wir versichern Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 7. März 1989.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Etter.

Der Bundeskanzler: G. Bovet.

(Entwurf.)

Bundesbeschluss über

die Bewilligung der Kredite für die Durchführung einer allgemeinen Betriebszählung im Jahre 1939.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf das Bundesgesetz vom 23. Juli 1870 betreffend die amtlichen statistischen Aufnahmen in der Schweiz, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 7. März 1989, beschliesst : Art. 1.

Zur Durchführung einer allgemeinen Betriebszählung im Jahr 1989 wird dem Bundesrat ein Kredit aus allgemeinen Mitteln von 850 000 Franken bewilligt.

Art. 2.

Dieser Bundesbeschluss tritt als nicht allgemein verbindlicher Natur sofort in Kraft.

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1939

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3871

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08.03.1939

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