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Der schweizerische Bundesrat beschliesst: Der vorstehende Bundesbeschluss ist gemäss Art. 89, Absatz 2, der Bundesverfassung und Art. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen.

B e r n , den 21. September 1939.

t Im Auftrag des Schweiz. Bundesrates, Der Bundeskanzler: 137 * G. Bovet.

Datum der Veröffentlichung : 27. September 1939.

Ablauf der Referendumsfrist: 27. Dezember 1939.

Ablauf der Referendumsfrist

# S T #

27. Dezember 1939.

Bundesbeschluss über

die Krisenunterstützung für Arbeitslose.

(Vom 21 September

1939

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 34ter der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 21. August 1989, beschliesst: Art.l.

Der Bundesrat wird ermächtigt, den Kantonen, die eine Krisenunterstützung an Arbeitslose verabfolgen, einen Bundesbeitrag unter den nachstehend genannten Voraussetzungen zu gewähren.

389 Art. 2.

Die Krisenunterstützung darf nur an Arbeitslose ausgerichtet werden, ·welche einer Arheitslosenkasse angehören, daselbst im laufenden Unterstützungsjahr 90 volle Taggelder bezogen haben und sich in bedrängter Lage befinden.

Ausnahmsweise kann die Krisenunterstützung auch gewährt werden: a. an Arbeitslose, die aus formellen Gründen keiner Arbeitslosenkasse haben beitreten können; 6. an Arbeitslose, welche die Karenzfrist gemäss Art. 2, III, lit. b, des Bundesgesetzes über die Beitragsleistung an die Arbeitslosenversicherung, vom 17. Oktober 1924 noch nicht erfüllt haben; c. an Arbeitslose, die von'ihrer Arbeitslosenkasse weniger als 90 volle Taggelder erhalten haben, weil die statutarische Bezugsdauer unter dieser Grenze liegt oder weil in Anwendung von Art. 22, Art. 25 und 30, Absatz 2, sowie Art. 45 der Verordnung VI vom 19. Januar 1937 zum Bundesgesetz über die Beitragsleistung an die Arbeitslosenversicherung eine Verkürzung der Bezugsdauer ausgesprochen worden ist. In diesen Fällen darf die Krisenunterstützung frühestens vom 91. kontrollierten Tag der Arbeitslosigkeit hinweg verabfolgt werden; vorbehalten bleibt in bezug auf Art. 45 der Verordnung VI die nachstehende Bestimmung unter lit. d; d. an Stelle der Versicherungsleistungen zugunsten von Kassenmitgliedern, die während mindestens drei aufeinanderfolgenden Jahren den jährlichen Höchstanspruch erschöpft haben und einer Arbeitslosenkasse angehören, die vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit als besonders stark belastet befunden worden ist; e. mit Bewilligung des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit, ohne Rücksicht auf allfällig bestehende Wohnsitzkarenzfristen, an Auslandschweizer, die sich zur Bückkehr in die Heimat veranlasst gesehen haben, weil sie in ihrem früheren Wohnsitzstaate unverschuldet, zufolge . Arbeitsmangels oder aus anderen Gründen in die Unmöglichkeit versetzt worden sind, weiterhin eine regelmässige Erwerbstätigkeit auszuüben.

Art. 3.

Die Krisenunterstützung darf nur an Arbeitslose ausgerichtet werden, die sich gebührend um Arbeit bemühen und eine ihnen angebotene, angemessene Arbeitsgelegenheit nicht von der Hand gewiesen haben.

Wer die Krisenunterstützung bezieht, ist verpflichtet, auch ausserberufliche Arbeit anzunehmen, sofern er dazu fähig ist und durch diese Arbeit weder in der spätem Ausübung seines Berufes auf längere Zeit beeinträchtigt, noch gesundheitlich oder sittlich gefährdet wird.

Der Arbeitslose ist verpflichtet, angemessene Arbeit auch ausserhalb seines Wohnsitzes anzunehmen.

390 Teilarbeitslose, denen anderwärts Beschäftigung dauernden Charakters, zugewiesen werden kann, während sie in ihrer bisherigen Arbeitsstelle voraussichtlich noch während längerer Zeit verkürzt arbeiten müssten, sind verpflichtet, die neue Beschäftigung zu übernehmen, sofern auf sie die in Absatz 2; und 8 genannten Bedingungen zutreffen.

Wenn zwingende Umstände es rechtfertigen, kann die mit, dem örtlichen: Arbeitsnachweis betraute Stelle von der Zuweisung auswärtiger Arbeit absehen.

Wer sich, vorbehalten die hiervor erwähnten Ausnahmen, weigert, ausserberufliche Arbeit oder Arbeit ausserhalb seines Wohnsitzes anzunehmen, ist von weiterer Unterstützung auszuschliessen.

Art. 4.

Bei länger andauerndem Bezüge der Krisenunterstützung ist der Bezügereiner verschärften Kontrolle über seine Arbeitsbemühungen zu unterstellen.

Es ist ihm vorübergehend die Krisenunterstützung zu entziehen und die weitere Gewährung derselben vom Nachweis einer angemessenen Zahl von Arbeitstagen abhängig zu machen; über Ausnahmen davon entscheidet das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit.

Art. 5.

Der Bundesbeitrag umfasst den dritten Teil der als Krisenunterstützung ausgerichteten Beträge.

Für Gemeinden, die zufolge der Krise in eine schlimme finanzielle Lagegeraten sind, kann der Bundesbeitrag bis auf zwei Fünftel erhöht werden, unter der Bedingung, dass der zuständige Kanton seinerseits mindestens einen.

Drittel beiträgt.

Der Bundesbeitrag kann auch dann bis auf zwei Fünftel erhöht werden,, wenn die finanziellen Verhältnisse des Kantons diese Erhöhung rechtfertigen.

Wenn Gemeinde und Kanton zufolge der Krise in besonders schlimme Lagen geraten sind, kann der Bundesbeitrag durch den Bundesrat ausnahmsweise bis auf drei Fünftel erhöht werden.

Für Kantone, welche die zur Eückbildung der Arbeitslosigkeit und zum: Ausgleich des Arbeitsmarktes erforderlichen Massnahmen nicht ergreifen, ist der Bundesbeitrag herabzusetzen.

Art. 6.

Der Bundesrat bestimmt nach Anhörung der beteiligten Kantone die Höchstbeträge der Tagesentschädigungen. Die Festsetzung erfolgt nach Massgabe der örtlichen Lebensbedingungen und der Familienverhältnisse der Arbeitslosen und in Berücksichtigung der Ansätze der Arbeitslosenversicherung..

Die Tagesentschädigungen sind angemessen herabzusetzen, wenn mehrere im selben Haushalt lebende Familienangehörige gleichzeitig Krisenunterstützung beziehen oder wenn anderweitiges genügendes Familieneinkommen; vorhanden ist.

391 Die Tagesentschädigungen für Arbeitslose, die keine gesetzliche Unterstützungspflicht erfüllen und das zweiundzwanzigste Altersjahr nicht zurückgelegt haben, sind herabzusetzen.

Art. 7.

In den in Art. 2, Absatz l, genannten Fällen beginnt die Bezugsdauer der Krisenunterstützung frühestens mit dem ersten auf den Bezug von 90 vollen Taggeldern der Arbeitslosenversicherung folgenden kontrollierten Tag der Arbeitslosigkeit. Bei einem Bezug von weniger als 90 Taggeldern gilt Art. 2, Absatz 2, lit. c.

Die Krisenunterstützung wird längstens bis zum letzten, dem Ende des Kalenderjahres vorausgehenden kontrollierten Tag der Arbeitslosigkeit gewährt.

Der Bundesrat ist ermächtigt, für nichtunterstützungspflichtige Arbeitslose eine Verkürzung der Bezugsdauer eintreten zu lassen.

Arbeitslose, die keiner Arbeitslosenkasse angehören, erhalten in der Eegel die Krisenunterstützung vom ersten kontrollierten Tag der Arbeitslosigkeit hinweg. Der Bundesrat kann eine Verkürzung der Bezugsdauer eintreten lassen.

Art. 8.

' Der Bundesrat ist ermächtigt, den Kantonen, die in der Zeit vom 15. Oktober bis 1. März den Bezügern von Krisenunterstützung eine erhöhte Tagesentschädigung (Winterzulage) ausrichten, an diese Winterzulage Beiträge zu gewähren. In Ortschaften, in denen klimatische Verhältnisse die ausserberufliche Tätigkeit erheblich erschweren, darf die Ausrichtung der Winterzulagen schon am 1. Oktober beginnen.

Der Bundesrat bestimmt die Höchstbeträge der Winterzulagen.

Art. 9.

Krisenunterstützung und Winterzulage dürfen, zusammen mit allfällig verbleibendem Verdienst oder anderweitigem anrechenbarem Nebeneinkommen, für Arbeitslose, die eine gesetzliche Unterstützungspflicht erfüllen, 80 %, für die übrigen Arbeitslosen 60 % des normalen Verdienstes nicht übersteigen.

Bei besonders niedrigem normalen Verdienst darf diese Höchstgrenze bei nichtunterstützungspflichtigen Arbeitslosen auf 70 % angesetzt werden.

Art. 10.

Der Bund leistet an die Winterzulagen der Kantone im Sinne dieses Bundesbeschlusses die gleichen Beiträge wie an die Krisenunterstützung.

·. .

Art. 11.

Die Kantone können die Krisenunterstützung ganz oder teilweise durch Naturalleistungen ersetzen.

.

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Art. 12.

Der Bezüger von Krisenunterstützung, der seinen bisherigen Wohnort verlassen hat, um anderwärts Arbeit aufzunehmen, und dort neuerdings arbeitslos wird, darf vom Genüsse der Krisenunterstützung seines Wohnortswechsels wegen nicht ausgeschlossen werden.

Tritt die erneute Arbeitslosigkeit binnen zwölf Monaten nach dem Wechsel des Wohnortes ein, so ist die zuständige Behörde des bisherigen Wohnortes noch während drei Jahren zur Ausrichtung der Krisenunterstützung verpflichtet.

Art. 13.

Die Kantone können die Ausrichtung von Krisenunterstützung davon abhängig machen, dass die Arbeitslosen sich zur Verrichtung von durch das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit genehmigten Arbeiten zur Verfügung stellen.

Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn es sich um Arbeiten handelt, die für die ordentliche Arbeitsvergebung oder als Notstandsarbeiten nicht in Betracht fallen können.

Die zu solchen Arbeiten herangezogenen Arbeitslosen sollen ausser der Krisenunterstützung eine vom Träger der Arbeit zu leistende, vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit zu genehmigende angemessene Zulage ·erhalten.

Art. 14.

Die Kantone können, mit Bewilligung des Bundesrates, die Krisenunter·Stützung auch in der Schweiz niedergelassenen Ausländern ausrichten.

Für Ausländer, deren Heimatstaat in der Arbeitslosenfürsorge die Schweizeribürger ungünstiger behandelt als die eigenen Staatsangehörigen oder in deren Heimatstaat eine gleichwertige Arbeitslosenfürsorge nicht besteht, kann der .Bundesrat die Krisenunterstützung einstellen.

Für die Angehörigen ausländischer Staaten, mit denen die Schweiz die Ausrichtung von Krisenunterstützung durch Abkommen regelt, gelten die .Bestimmungen dieser Abkommen.

Art. 15.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind verpflichtet, den mit der Durchiührung der Krisenunterstützung betrauten öffentlichen Organen über die für ·die Feststellung der Bezugsberechtigung und die Bemessung des Taggeldes massgebenden Verhältnisse wahrheitsgetreu Aufschluss zu geben.

Art. 16.

Arbeitgeber der Uhrenindustrie, die Heimarbeiter beschäftigen, haben ·dem Arbeitsamte des Wohnortes der beschäftigten Heimarbeiter Namensverzeichnisse dieser Heimarbeiter einzureichen.

393 Beziehen diese Heimarbeiter Taggelder einer Arbeitslosenkasse oder die Krisenunterstützung, so ist das Arbeitsamt berechtigt, vom Arbeitgeber die Mitteilung des dem Arbeitslosen ausgerichteten Lohnbetrages zu verlangen.

Der Bundesrat ist befugt, diese Vorschriften auch auf andere Industrien auszudehnen, sofern sich dies zur Verhütung von Missbräuchen als notwendig erweist.

Art. 17.

Wer durch unrichtige oder unvollständige Angaben für sich oder andere die widerrechtliche Ausrichtung einer Krisenunterstützung oder eine widerrechtliche Bemessung oder Verteilung einer Bundessubvention, welche gestützt auf den vorliegenden Bundesbeschluss gewährt wird, erwirkt oder zu erwirken versucht, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. Ist die Handlung geringfügig oder wird der Fehlbare durch besondere Umstände entlastet, so kann er mit Geldbusse bis zu Fr. 300 bestraft werden.

Wer einem öffentlichen Organ gegenüber die Erteilung einer Auskunft gemäss Art. 15 oder 16 des vorliegenden Bundesbeschlusses verweigert, wird mit Busse bis zu Fr. 500 bestraft; in schweren Fällen ist damit Gefängnisstrafe bis auf 20 Tage zu verbinden.

Zu Unrecht bezogene Leistungen sind zurückzuerstatten.

Für diese Straffälle gelten die allgemeinen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 4. Februar 1853 über das Bundesstrafrecht. Die Verfolgung und Beurteilung liegt den Kantonen ob und richtet sich nach dem kantonalen Strafverfahren.

Alle Urteile sowie die Einstellungsbeschlüsse sind in vollständiger schriftlicher Ausfertigung unverzüglich der Bundesanwaltschaft zuhanden des Bundesrates einzusenden.

Art. 18.

Wenn infolge eines unverschuldeten Irrtums der Arbeitslose an Krisenunterstützung weniger bezogen hat, als ihm gemäss Vorschrift hätte ausbezahlt werden können, so entscheidet das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit nach freiem Ermessen über die Nachzahlung.

Art. 19.

Die Krisenunterstützung ist unpfändbar und kann nicht mit Gegenforderungen verrechnet werden.

Sie darf nicht als Armensache behandelt werden.

Art. 20.

Die Arbeitslosenkassen, denen die in Art. 17 des Bundesbeschlusses über die Krisenunterstützung für Arbeitslose, vom 23. Dezember 1936, für die von der Krise besonders schwer betroffenen Arbeitslosenkassen vorgesehenen Darlehen gewährt worden sind, haben diese nach den vom eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement festzusetzenden Bedingungen zurückzuzahlen.

ßundesblatt. 91. Jahrg. Bd. II.

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Art. 21.

Die Bestimmungen von Art. 8, 15 und 17 finden auch auf die Arbeitslosenversicherung Anwendung.

Art. 22.

Die Art. 8 und 4 des Bundesbeschlusses vom 21. Dezember 1984 über Krisenbekämpfung und Arbeitsbeschaffung werden aufgehoben; im Art. 20, Abs. l, des gleichen Bundesbeschlusses werden die Worte «einer Arbeitslosenversicherungsleistung oder Krisenunterstützung» gestrichen. Der Art. 16 des Bundesbeschlusses vom 28. Dezember 1936 über Krisenbekämpfung und Arbeitsbeschaffung wird entsprechend abgeändert.

Art. 23.

Der Bundesrat wird beauftragt, gemäss den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse die Bekanntmachung dieses Bundesbeschlusses zu veranlassen.

Er bestimmt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Beschlusses, der bis zum 31. Dezember 1942 gelten wird.

Also beschlossen vom Ständerat, B e r n , den 21. September 1939.

Der Präsident : E. Löpfe-Benz.

Der Protokollführer: Leimgrufoer.

Also beschlossen vom Nationalrat, B e r n , den 21. September 1939.

Der Präsident: Yallotton.

Der Protokollführer: G. Bovet.

D e r s c h w e i z e r i s c h e Bu.ndesrat b e s c h l i e s s t : Der vorstehende Bundesbeschluss ist gemäss Art. 89, Absatzf 2, der Bundesverfassung und Art. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse a zu veröffentlichen.

B e r n , den 21. September 1939.

1898

· ·

Im Auftrag des Schweiz. Bundesrates, Der Bundeskanzler:

G. Bovet.

Datum der Veröffentlichung : 27. September 1939.

Ablauf der Referendumsfrist : 27. Dezember 1939.

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Bundesbeschluss über die Krisenunterstützung für Arbeitslose. (Vom 21. September 1939.)

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27.09.1939

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388-394

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