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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Gewährleistung eines Dekretes des Verfassungsrathes des Kantons Neuenburg vom 15. Dezember 1873.

(Vom 31. Dezember 1873.)

Tit.!

Der Staatsrath des Kantons Neuenburg hat uns mit Schreiben vom 27. Dezember 1873 ein Dekret des Verfassungsrathes dieses Kantons vom 15. gl. Mts. Übermacht und das Gesuch gestellt, wir möchten dasselbe der Bundesversammlung vorlegen, damit gemäß Artikel 6 der Bundesverfassung der in jenem Dekrete liegenden theilweisen Revision der Verfassung des K a n t o n s Neuenb u r g die eidg. Gewährleistung ertheilt werden möchte.

Es wurde nämlich im Laufe des vorigen Jahres eine Revision der Artikel 30 und 33 der Verfassung des Kantons Neuenburg angeregt und zu diesem Zvveke ein Verfassungsrath gewählt, welcher am 28. Oktober 1873 diese Revision feststellte und zugleich verfügte, daß dieselbe am 28., 29. und 30. November gl. J. dem Volke zur Annahme oder Verwerfung vorgelegt werden solle.

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Bei dieser Abstimmung wurden die revidirten Artikel vom Volke angenommen, und zwar Art. 30 mit 3810 Stimmen von 5059 Votanten und Art. 33 mit 3907 Stimmen von 5059 Votanten.

Der Inhalt dieser Artikel betrifft das Stimmrecht (Art. 30) und die Thatsachen, welche den Verlust des Stimmrechtes zur Folge haben (Art. 33).

Während nach dem frühem Artikel 30 nur die im Kanton Neuenburg n i e d e r g e l a s s e n e n Schweizer, und zwar erst nach einem zweijährigen Aufenthalte stimmfähig waren, wird nach dem neuen Artikel nur gefordert, daß sie ihr Domizil (principal domicile) daselbst genommen und seit drei Monaten ihre Papiere deponirt haben. Es ist also das Wahlrecht zu Gunsten der im Kanton Neuenburg wohnenden Schweizer aus andern Kantonen wesentlich erleichtert worden.

Dagegen können weder Wähler noch wählbar sein: 1) diejenigen, welche ihre politischen Rechte außer dem Kanton Neuenburg ausüben ; 2) diejenigen, welche im Dienste einer fremden Macht stehen; 3) diejenigen, welche wegen einfachem oder betrüglichem Bankerott verurtheilt worden sind; 4) die Steuerpflichtigen, welche mit der Bezahlung der Staatssteuern mehr als ein Jahr, außer dem laufenden, im Rükstande sind; 5) die Bevormundeten und diejenigen, welche zu einer entehrenden Strafe verurtheilt worden sind; 6) diejenigen, welche von den Gerichten zu einem temporären Entzug der bürgerlichen Rechte verurtheilt worden sind, während der Dauer dieser Strafe.

Diese Scala von Gründen, durch welche ein Bürger seines Stimmrechtfcs verlustig gehen kann, ist offenbar etwas zahlreich.

Indeß kommen sie, mit Ausnahme eines einzigen, auch in andern Verfassungen vor. Die wirklich singulärc Vorschrift, daß Jemand sein Stimmrecht verlieren soll, weil er die Staatssteuern nicht bezahlt hat, könnte allein Bedenken erregen. Da sie aber schon in dem frühern Art. 33 enthalten war und im neuen Artikel wenigstens dadurch etwas gemildert ist, daß ein Rükstand für mehr als ein Jahr gefordert wird, während früher jeder Rükstand genügte, so haben wir unsererseits aush gegen diese Bestimmung nichts einzuwenden.

Wir glauben vielmehr, es sei den beiden neuen Artikeln der Neuenburger Verfassung die eidg. Garantie bedingungslos zu er-

13 theilen, und beantragen die Genehmigung des nachfolgenden Entwurfes zu einem bezüglichen Bundesbeschlusse.

B e r n , den 31. Dezember 1873.

Im Namen des schweizerischen Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Ceresole.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Schiess.

(Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

Gewährleistung eines Dekretes des Verfassungsrathes des Kantons Neuenburg vom 15. Dezember 1873.

Die B u n d e s v er s a m m I u n g der s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t

nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 31. Dezember 1873 über ein Dekret des Verfassungsrathes des Kantons Neuenburg vom 15. Dezember 1873, betreffend das Stimmrecht und den Verlust desselben, durch welches Dekret die Artikel 30 und 33 der neuenburgischen Kantonsverfassung vom 21. November 1858 abgeändert wurden ;

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in E r w ä g u n g : daß die revidirten Artikel 30 und 33 der Verfassung von Neuenburg nichts enthalten, was den Bestimmungen der Bundesverfassung zuwiderliefe ; daß dieselben in gesezlicher Abstimmung durch die Mehrheit des neuenburgischen Volkes angenommen wurden; beschließt: 1. Den revidirten Artikeln 30 und 33 der Verfassung des Kantons Neuenburg, wie sie durch Volksabstimmung vom 28., 29.

und 30. November 1873 angenommen wurden, wird die bundesgemäße Gewährleistung ertheilt.

2. Dieser Beschluß ist dem Bundesrathe zur Vollziehung mitzutheilen.

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Gewährleistung eines Dekretes des Verfassungsrathes des Kantons Neuenburg vom 15. Dezember 1873.

(Vom 31. Dezember 1873.)

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