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Botschaft über die Europäische Charta der.Regionaloder Minderheitensprachen vom 25. November 1996

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf zu einem Bundesbeschluss betreffend die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen vom 5. November 1992 mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir beantragen Ihnen ferner, folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 1993 P 93.3373 Europäische Charta der Regional-oder Minderheitensprachen (N 30, 11. 93 Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates).

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

25. November 1996

1996-655

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Delamuraz Der Bundeskanzler: Couchepin

1165

Übersicht Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen ist das Ergebnis eines Reflexionsprozesses über die Ursprünge der kulturellen Vielfalt und Identität Europas. Der Hauptzweck der Charta ist somit kultureller Art. Die Charta soll Regional- oder Minderheitensprachen als gefährdeten Teil des europäischen Kulturerbes schützen und fördern. Sie befasst sich mit dem Gebrauch dieser Sprachen namentlich in den Bereichen Bildung, Justiz, Verwaltung, Medien, kulturelle Tätigkeiten, wirtschaftliches und soziales Leben sowie grenzüberschreitender Aastausch, Der Geltungsbereich der Charta beschränkt sich auf die Gebiete, in denen Regional- oder Minderheitensprachen herkömmlicherweise gesprochen werden.

Jeder Staat kann bei der Ratifizierung frei bestimmen, welche Sprachen durch die Chartabestimmungen geschützt werden sollen. Angesichts des .institutionellen und rechtlichen Rahmens der Schweiz sowie der Ergebnisse der beiden Vernehmlas-, sungsverfahren kommen in unserem Land gegenwärtig die italienische und die rätoromanische Sprache in Betracht. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass die Ziele und Grundsätze der Charta im. neuen Verfassungsartikel 116 und in den daraus fliessenden Gesetzesbestimmungen über die Förderung des Rätoromanischen und des italienischen bereits weitgehend abgedeckt sind.

1166

Botschaft l

Einführung

Mit der Entstehung der Nationalstaaten im Europa des 19. Jahrhunderts, in deren Verlauf sich jeweils eine Landessprache durchsetzte, bildeten sich verschiedene «autochthone Gruppen, die eine andere Sprache als die Mehrheit der Bevölkerung sprechen» (Erläuternder Bericht zur Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen). Die Regional- oder Minderheitensprachen sind eine Folge der geschichtlichen Abläufe der Staatenbildung auf unserem Kontinent. Sie stellen somit ein wesentliches Element des kulturellen Reichtums und der Vielfalt Europas dar. Die inhärente Gefährdung der meisten dieser Sprachen, der Standardisierungseinfluss der modernen Zivilisation, die Assimilationspolitik bestimmter Staaten oder auch blosse Gleichgültigkeit verweisen jedoch auf die Notwendigkeit eines Schutzes auf internationaler Ebene.

Artikel 14 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) verankert zwar den Grundsatz des- Diskriminierungsverbots: Die Bestimmung verbietet jede Benachteiligung aufgrund der Sprache oder der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit11. Allerdings hält der erläuternde · Bericht dazu fest: «Aber so wichtig dies auch sein mag, es schafft nur ein Recht für den einzelnen, keiner Diskriminierung unterworfen zu werden, nicht jedoch ein System, das einen positiven Schutz für Minderheitensprachen und die Bevölkerungsgruppen vorsieht, die diese benutzen...»2). Angesichts der derzeitigen Schwäche einiger Sprachen «ist jedoch das blosse Verbot der Diskriminierung ihrer Benutzenden kein ausreichender Schutz. Für ihre Erhaltung und Entwicklung ist eine besondere Unterstützung erforderlich, die den Interessen und Wünschen der Benutzenden dieser Sprache entspricht.» Aus diesem Grund haben sich die Organe des Europarates schon seit längerer Zeit mit der Problematik befasst. Von 1957 bis 1981 betonte die Parlamentarische Versammlung in drei verschiedenen Texten (Entschliessung 136 [1957], Empfehlung 285 [1961] und Empfehlung 928 [1981] die Notwendigkeit, diese Sprachen angemessen zu schützen. Auch die Ständige Konferenz der Kommunal- und Regionalbehörden Europas (CLRAE) hatte mit der Untersuchung der effektiven Situation der Regional- oder Minderheitensprachen in Europa im Jahr 1984 sowie mit der Entschliessung 192 (1988), die einen Chartaentwurf enthielt, diesbezügliche Massnah-

" Es ist zu betonen, dass diese Bestimmung nur in Verbindung mit der Verletzung einer anderen Bestimmung der EMRK geltend gemacht werden kann.

> Der Europäische Ausschuss für Demokratie durch das Recht (Ausschuss von Venedig) «stellt... fest, dass der spezifische Schutz der Rechte von Sprachminderheiten in der Europäischen Menschenrechtskonvention eine Lücke aufweist. Zwar erlaubt Artikel 14 der Konvention, kombiniert mit Artikel 2 des Zusatzprotokolls, einen gewissen Schutz (vgl. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte [EGHMR], Entscheid im Fall betreffend die Sprachenregelung in Belgien, Urteil zur Hauptsache vom 27. Juni 1968, Serie A Nr. 6), aber eigentliche Freiheiten bezüglich der Sprache werden durch die Konvention nicht explizit gewährleistet. Zudem ist der Rechtsprechung der Organe der Konvention nicht zu entnehmen, dass solche Rechte sich aus dem Recht auf freie Meinungsäusserung (Art. 10; siehe den derzeit vor dem Gericht anhängigen Fall «Sadik Ahmet gegen Griechenland»), dem Anspruch auf Gedanken- und Gewissensfreiheit (Art. 9) oder aus Artikel 3 des Protokolls Nr. l ableiten lassen (vgl. Fall «Malhieu-Mohin und Clerfayt gegen Belgien» vom 2. März 1987, Serie A Nr. 113).» (Übersetzung aus dem französischen Originaltext).

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men getroffen. Im Anschluss an die Initiativen der Parlamentarischen Versammlung und der CLRAE setzte das Ministerkomitee einen zwischenstaatlichen Sachverständigenausschuss ein und erteilte ihm den Auftrag, eine Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen zu erarbeiten. Der zwischenstaatliche Ausschuss nahm seine Arbeiten im Jahr 1989 auf. Die vorliegende Charta wurde vom Ministerkomitee als Konvention des Europarates am 25. Juni 1992 angenommen und am 5. November desselben Jahres zur Unterzeichnung freigegeben3'.

2 21

Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen Allgemeine Ziele

Wie oben erwähnt, geht die Charta - im Gegensatz zu anderen völkerrechtlichen Vertragswerken über Minderheiten4) - weder auf die Umwälzungen in Osteuropa noch auf die Krise in Jugoslawien zurück, sondern entspringt langandauernden Überlegungen zu den Ursprüngen der kulturellen Vielfalt und Identität Europas.

Der unterschiedliche Ansatz ist insofern von Belang, als die allgemeine Ausrichtung der Charta sich daraus erklärt.

Die Charta verfolgt im wesentlichen ein kulturelles Ziel. Mit der Charta sollen Regional- oder Minderheitensprachen, nicht jedoch sprachliche Minderheiten, als gefährdeter Teil des europäischen Kulturerbes geschützt und gefördert werden (vgl.

Präambel). Daher liegt der Schwerpunkt auf der kulturellen Dimension, auf dem Gebrauch und der Förderung dieser Sprachen in sämtlichen Lebensaspekten der Sprachträger: Bildung, Justiz,, Verwaltung, Medien, kulturelle Tätigkeiten, wirtschaftliches und soziales Leben sowie grenzüberschreitender Austausch. Dabei ist zu betonen, dass die Charta das Verhältnis zwischen Amtssprachen und Regionaloder Minderheitensprachen nicht als Konkurrenz oder Feindschaft auffasst. Vielmehr wählt sie bewusst eine interkulturelle und mehrsprachige Lösung, bei der jede Sprachkategorie ihren angemessenen Platz einnimmt. Die Charta verfolgt ihre Ziele «im Rahmen der nationalen Souveränität und der territorialen Unversehrtheit» (vgl. Präambel).

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Geltungsbereich

Die Charta unterscheidet zwischen Amtssprachen und geschichtlich gewachsenen Regional- oder Minderheitensprachen. Grundsätzlich bezieht sie sich auf die in ihrer Existenz bedrohten, geschichtlich gewachsenen Sprachen (vgl. Präambel), also jene, die herkömmlicherweise in einem bestimmten Gebiet eines Staates von Angehörigen dieses Staates gebraucht werden, deren Zahl kleiner ist als die der übrigen Bevölkerung des Staates (Art. l Est. a i), und die sich von der Amtssprache dieses Staates unterscheiden (Art. l Bst. a ii). Letzteres Kriterium dient zur Ab3)

41

Bislang wurde die Charta von zwölf Staaten unterzeichnet (Osterreich, Zypern, Dänemark, Deutschland, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, Rumänien, Spanien, Schweiz, Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien und Ukraine) und von vier weiteren Staaten ratifiziert (Finnland, Ungarn, Niederlande, Norwegen). Gemäss Artikel 19 Absatz l tritt die Charta in Kraft, sobald sie von fünf Mitgliedstaaten des Europarates ratifiziert wird; der Beitritt der Schweiz könnte somit den Ausschlag geben.

Insbesondere das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten vom 10. November 1994, welches die Schweiz am 1. Februar 1995 unterzeichnet hat.

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grenzung der Regional- oder Minderheitensprachen von der Mehrheitssprache, welche oft gleichzeitig die Amtssprache ist. Wenig verbreitete und damit schutzwürdige Amtssprachen sollen jedoch nicht ausgeschlossen werden. Diese Erwägungen stehen in völligem Einklang mit dem Geist des Instruments, wie er oben beschrieben wurde. So kann die Charta auch auf eine wenig verbreitete Amtssprache Anwendung finden (Art. 3 Abs. I). Hingegen gilt sie nicht für Dialekte oder für die Sprachen von Zuwanderern (Art. l Bst. a H).

Aus der Definition von Artikel l Buchstabe a i folgt, dass die Sprache an ein Gebiet gebunden ist. Der erläuternde Bericht erklärt dazu: «Die von der Charta erfassten Sprachen sind in erster Linie Territorialsprachen, d. h. Sprachen, die herkömmlicherweise in einem bestimmten geographischen Gebiet benutzt werden.» Aus diesem Grund präzisiert die Charta laut dem erläuternden Bericht auch den Begriff «Sprachraum, in dem die Regional- oder Minderheitensprache benutzt wird». Dieser Begriff wird in Artikel l Buchstabe b definiert als «das geographische Gebiet, in dem die betreffende Sprache das Ausdrucksmittel einer Zahl von Menschen ist, welche die Übernahme der in dieser Charta vorgesehenen verschiedenen Schutz- und Förderungsmassnahmen rechtfertigt». Dazu merkt der erläuternde Bericht folgendes an: «Der Sprachraum, auf den Bezug genommen wird, ist derjenige, in dem eine Regional- oder Minderheitensprache in einem beträchtlichen Ausmass, wenn auch nur von einer Minderheit, gesprochen wird und der ihrer historischen Basis entspricht.» Die Formulierung «Zahl von Menschen, welche die Annahme der Schutz- und Förderungsmassnahmen rechtfertigt» dient dem Staat als Anhaltspunkt bei der Entscheidung, ob eine Regional- oder Minderheitensprache innerhalb der historischen Basis genügend Benutzer zählt, um die Schutz- und Förderungsmassnahmen zu rechtfertigen5'. Die Erwähnung der «Zahl der Einwohner» in Artikel 9 (Justiz) und Artikel 10 (Verwaltung) ist gleich zu verstehen. Trotzdem bleibt der Geltungsbereich der Charta relativ breit. Die meisten vorgesehenen Massnahmen beschränken sich zwar auf das herkömmliche geographische Verbreitungsgebiet der betreffenden Sprache, einige weiter gefasste Bestimmungen aber sind auf «andere Gebiete als diejenigen, in denen die Regional- oder Minderheitensprachen
herkömmlicherweise gebraucht werden», anwendbar (Art. 8 Abs. 2; Art. 12 Abs. 2). Weitere Bestimmungen gelten «im ganzen Land» (Art. 13 Abs. 1). So wird die Definition des Geltungsbereichs der Charta letztlich den Vertragsparteien überlassen.

Im Zusammenhang mit den «nicht territorial gebundenen Sprachen» beschränkt sich die Charta auf den Schutz der herkömmlicherweise von Angehörigen des Staates gebrauchten Sprachen (Art. l Bst. c), z. B. Jiddisch und Romani.

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Aufbau und Inhalt der Charta

Die Charta ist in fünf Teile gegliedert. Der erste Teil enthält allgemeine Bestimmungen sowie die oben erläuterten Begriffsbestimmungen.

Teil II definiert die Ziele und Grundsätze. Die Vertragsparteien verpflichten sich, diese auf alle in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet gebrauchten Minderheitensprachen anzuwenden (Art. 7 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1). Es handelt sich dabei um einen «gemeinsamen Kern». Gemäss Artikel21 sind Vorbehalte zu Artikel?

Absatz l nicht zulässig. Artikel 7 nennt insbesondere die folgenden Grundsätze s

> Die Charta und der erläuternde Bericht enthalten keine Prozentangaben.

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und Ziele: Anerkennung der Existenz von Regional- oder Minderheitensprachen, Achtung des jeweiligen geographischen Gebiets, Notwendigkeit entschlossenen Vorgehens, Gewährleistung des Lehrens und Lernens in diesen Sprachen, Entwicklung von Beziehungen zwischen Gruppen, welche dieselbe Sprache sprechen, Förderung des grenzüberschreitenden Austausches.

Teil III enthält die eigentlichen Verpflichtungen, für welche ein «à la carte»-System vorgeschlagen wird. Jeder Staat kann bei der Ratifizierung selbst bestimmen, für welche Regional- oder Minderheitensprachen dieser Teil der Charta gelten soll (Art. 3 Abs. 1). Zudem sehen die meisten Artikel (Art. 8, 9, 10, 11, 12 und 13) unterschiedliche Verpflichtungsstufen vor. Es steht jedem Staat frei, jene Stufe zu wählen, welche den nationalen Verhältnissen am besten Rechnung trägt.

Die Verpflichtungen müssen mindestens 35 Absätze aus Teil III umfassen, darunter mindestens je drei aus den Artikeln 8 und 12 und je einen aus den Artikeln 9, 10, 11 und 13 (vgl. Art. 2 Abs. 2). Die Vertragsparteien verpflichten sich in diesen Bestimmungen, die Regional- oder Minderheitensprachen aktiv zu unterstützen.

Das Ziel ist es, die Benutzung dieser Sprachen in den Bereichen Bildung (Art. 8) und Medien (Art. 11) soweit als möglich zu fördern, im Justizwesen (Art. 9) und in der Verwaltung (Art. 10), in kulturellen Tätigkeiten (Art. 12) sowie im wirtschaftlichen und sozialen Leben (Art. 13) zu erlauben und schliesslich den grenzüberschreitenden Austausch zwischen den Benutzern derselben Regional- oder Minderheitensprache voranzutreiben (Art. 14).

In Teil IV wird ein Kontrollmechanismus in Form eines Berichtes eingeführt, den die Vertragsparteien regelmässig veröffentlichen und einem Sachverständigenausschuss der Regierung vorlegen (Art. 15 bis 17). Teil V enthält die Schlussbestimmungen (Art. 18 bis 23).

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Art und Tragweite der Charta

Die Charta begründet keine individuellen oder kollektiven Rechte zugunsten von Personen, welche die Regional- oder Minderheitensprachen eines Staates sprechen.

Die Charta ist nicht direkt anwendbar; sie schreibt vielmehr Grundsätze und Massnahmen programmatischen Charakters fest. Die vorgesehenen Rechtsvorschriften sind nicht ausreichend präzise und klar, um in einzelnen Fällen angewendet zu werden und eine konkrete Entscheidung der Verwaltungs- oder Gerichtsbehörden zu begründen. Die in der Charta genannten Massnahmen und Grundsätze erteilen den Vertragsparteien einen breiten Ermessensspielraum, der durch das «à la carte»-System in Teil III der Charta noch erweitert wird. Nach diesem System kann jeder Staat für jede Regional- oder Minderheitensprache die Formel anwenden, die den Eigenheiten und dem Entwicklungsstand der betreffenden Sprache am besten entspricht5'. Wie andere Konventionen des Europarates legt die Charta Ziele fest, welche die Staaten mit den je nach ihrer Gesetzgebung und ihren nationalen Besonderheiten am besten geeigneten Methoden autonom erfüllen. Es wird kein einheitliches oder vereinheitlichendes Recht für die Vertragsparteien geschaffen. Im konkreten Fall obliegt es jedem einzelnen Staat, die Grenzen des traditionellen Verbreitungsgebiets der Regional- oder Minderheitensprachen festzulegen 6)

Die Wahlfreiheit der Staaten ist jedoch bedingt. Neben den zahlenmässigen Bestimmungen von Artikel 2 Absatz 2 müssen sie bei ihrer Entscheidung die «von den Gruppen, die solche Sprachen gebrauchen, geäusserten Bedürfhisse und Wünsche» berücksichtigen (Art. 7 Abs. 4). ·

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(unter Berücksichtigung der Bestimmungen von Art. 7 Abs. l Bst. b). Gleiches gilt für das Konzept der ausreichenden Zahl von Benutzenden, um bestimmte Massnahmen zu rechtfertigen.

25 251

Ratifizierung der Charta durch die Schweiz Verfassungsmässige Aspekte

Die Mehrsprachigkeit des Bundesstaates wurde bereits in der Verfassung von 1848 verankert (Art. 109, in der Bundesverfassung von 1874 neu Art. 116 BV). Historisch betrachtet entwickelte sich die Mehrsprachigkeit jedoch erst in der Zwischenkriegszeit zu einem festen Bestandteil des nationalen und politischen Bewusstseins unseres Landes. Um dem faschistisch und nationalsozialistisch geprägten Bild der Nation entgegenzuwirken (Anschluss Österreichs am 15. März 1938), anerkannte die Schweiz am 20. Februar 1938 das Rätoromanische als vierte Natiorialsprache zusätzlich zum Deutschen, zum Französischen und zum Italienischen, welche weiterhin Amtssprachen des Bundes blieben71. Die Anerkennung der Mehrsprachigkeit der Schweiz und die Erhaltung der Sprachminderheiten entwickelten sich somit zu einem wichtigen Teil des nationalen Selbstverständnisses und zu einem Stützpfeiler der Staatstheorie und der Kulturpolitik unseres Landes, Der Schutz und die Förderung der rätoromanischen und italienischen Sprach- und Kulturgemeinschaften haben seit damals in der schweizerischen Sprachpolitik ständig an Bedeutung gewonnen. Davon zeugt die Unterstützung des Bundes zugunsten der Kantone Graubünden und Tessin, die sich in den letzten Jahren stetig ausgeweitet hat. Gleichzeitig hat der Bund in seinen Kompetenzbereichen zahlreiche Massnahmen getroffen, um die Minderheitensprachen (Italienisch und Rätoromanisch) im Verkehr mit den Bürgern und Bürgerinnen vermehrt zu berücksichtigen8). Mit der Annahme des neuen Sprachenartikels (Art. 116 BV) bekundeten das Volk und die Stände am 10. März 1996 den Willen, die Viersprachigkeit der Schweiz zu wahren sowie die Verständigung und den Austausch unter den Sprachgemeinschaften zu fördern. Die neue Fassung von Artikel 116 lautet folgendermassen:

Art. 116 1

Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch sind die Landessprachen der Schweiz.

Bund und Kantone fördern die Verständigung und den Austausch unter den Sprachgemeinschaften.

3 Der Bund unterstützt Massnahmen der Kantone Graubünden und Tessin zur Erhaltung und Förderung der rätoromanischen und der italienischen Sprache.

4 Amtssprachen des Bundes sind Deutsch, Französisch und Italienisch. Im Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache ist auch das Rätoromanische Amtssprache des Bundes. Das Gesetz regelt die Einzelheiten.

2

7)

Vgl. Botschaft des Bundesrates an die Bundesverwaltung vom 1. Juni 1937 über die Anerkennung des Rätoromanischen als Nationalsprache (BBL 1937 II I).

"> Vgl. Weisungen des Bundesrates vom 12. Januar 1983 über die Vertretung der sprachlichen Gemeinschaften in der allgemeinen Bundesverwaltung; vgl. auch Stellungnahme des Bundesrates über die Sprachminderheiten im Bericht der Geschäftsprufungskommissionen an die eidgenössischen Räte vom 10. April 1992 über die Inspektionen und die Aufsichtseingaben im Jahr 1991.

1171

Absatz l des neuen Artikels 116 gewährleistet wie in der Vergangenheit die bestehende sprachliche Zusammensetzung der Schweiz. Ferner lässt sich aus dieser Bestimmung das Konzept des geographischen Verbreitungsgebiets der Landessprachen (Territorialitätsprinzip) ableiten. «Aufgrund dieses Prinzips sind die Kantone befugt, die erforderlichen Massnahmen zur Erhaltung der Grenzen und der Homogenität der Schweizer Sprachgebiete zu ergreifen. Die Bundesverfassung bestimmt die Art dieser Massnahmen nicht genauer und überla'sst so den Kantonen einen recht erheblichen Gestaltungsspielraum. Dessen ungeachtet ... ist jedoch die Behauptung zulässig, dass dieses Prinzip die kantonalen Behörden dazu verpflichtet, bei Gefährdung einer Nationalsprache geeignete Sprachenschutzmassnahmen zu treffen»9'. Zwar bestimmten die Kantone die kantonalen Amtssprachen, aber Artikel 116 Absatz l hält «insbesondere ... die zweisprachigen Kantone dazu an, die Sprachminderheit zu respektieren. Sie könnten nicht umhin, eine von einer Minderheit gesprochene Nationalsprache als Amtssprache zu erklären ...»J0). In der Politik in den Bereichen Bildung, Justiz, kulturelle Tätigkeiten und Einrichtungen, im wirtschaftlichen und sozialen Leben sowie im Verkehr mit den Verwaltungsbehörden und den öffentlichen Dienstleistungsbetrieben haben die Kantone daher das Territorialitätsprinzip zu beachten.

In diesen Zusammenhang gehört auch die Sprachenfreiheit. Dabei handelt es sich um ein ungeschriebenes, vom Bundesgericht im Jahr 1965 anerkanntes Verfassungsrecht auf den schriftlichen und mündlichen Gebrauch der Muttersprache. In diesem Sinne besteht zwischen der Sprachenfreiheit und Artikel 116 Absatz l der Bundesverfassung ein enger Zusammenhang: «Ist die Muttersprache ... eine der Nationalsprachen, so ist ihr Gebrauch auch ... geschützt. Indirekt verstärkt [Art. 116 Abs. 1] folglich das Recht des Bürgers, von seiner Muttersprache in seiner Sprachregion Gebrauch zu machen»1". Die Sprachenfreiheit als Individualrecht ist nicht an einen bestimmten geographischen Raum geknüpft, sondern steht dem einzelnen zu, wo immer sich dieser aufhält. Gemäss den jüngsten Erkenntnissen der Lehre weist der Inhalt der Sprachenfreiheit unterschiedliche Aspekte auf, je nachdem ob sie sich auf den Privatbereich oder auf den Verkehr zwischen Staat und Bürger und
Bürgerinnen bezieht. Der erste Aspekt umfasst das Recht, sich in der Sprache seiner Wahl auszudrücken 12>, der zweite Aspekt gewährleistet ein Minimalrecht auf den Gebrauch einer nationalen Minderheitensprache in einem begrenzten Gebiet. Mit anderen Worten darf den wichtigen historischen Minderheitsgruppen des Landes nicht eine einzige Amtssprache oder eine einzige Sprache für die öffentliche Ausbildung auferlegt werdenI3).

Der neue Artikel 116 Absatz 2 sieht vor, dass der Bund künftig im Einvernehmen mit den Kantonen weitere wichtige Aufgaben bei der Förderung der Landessprachen, insbesondere in bezug auf die Verständigung und den Austausch zwischen den Sprachgemeinschaften, übernehmen kann. Die Erarbeitung eines entsprechenden Gesetzes ist im Legislaturprogramm 1995-1999 vorgesehen. Artikel 116

9

> Malinverni, in Kommentar zur Bundesverfassung, Art. 116 Nr. 2. Beim Territorialitätsprinzip handelt es sich um einen ungeschriebenen Grundsatz.

10

> Malinverni, Nr. 6.

"> Malinverni, in Kommentar zur Bundesverfassung, Sprachenfreiheit, Nr. 3.

12) C. A. Morand, «Liberté de la langue et principe de territorialité: variations sur un thème encore méconnu», ZSR, 1993, Band 108 S. 21 ff.

13 > Morand, S. 28ff. In den einzelnen Fällen obliegt die letztmstanzliche Entscheidung dem Bundesgericht (vgl. Bar Amici BGE 116 la 345 und Zürich Versicherungen Zbl 94 1993 133).

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Absatz 3 hält explizit fest, dass der Bund befugt ist, Massnahmen der Kantone Graubünden und Tessin zur Erhaltung und Förderung der rätoromanischen und der italienischen Sprache zu unterstützen. Das Bundesgesetz vom 6. Oktober 1995 über Finanzhilfen für die Erhaltung und Förderung der rätoromanischen und der italienischen Sprache und Kultur (SR44I.3) sowie die entsprechende Ausführungsverordnung (SR441.31), welche am I.August 1996 in Kraft getreten sind, bilden die Rechtsgrundlagen für die Beiträge des Bundes an die von den beiden genannten Kantonen geplanten Massnahmen. Im übrigen wird den Bürgerinnen und Bürgern rätoromanischer Sprache durch den neuen Sprachenartikel der Bundesverfassung (Art. 116 Abs. 4) das Recht zuerkannt, sich in Rätoromanisch an die Bundesbehörden zu wenden. Der Bund seinerseits verpflichtet sich, im Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache ebendiese Sprache zu benutzen M). Dazu stützt er sich auf das künftige Gesetz über die Anwendung der Amtssprachen des Bundes.

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Internationale Aspekte

Verschiedene von der Schweiz ratifizierte völkerrechtliche Instrumente enthalten Bestimmungen, die den Sprachenbereich betreffen. So garantiert Artikel 27 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (SRO.103.2) den Schutz der sprachlichen Minderheiten; Artikel 26 verbietet in Verbindung mit Artikel^ jede Diskriminierung insbesondere aufgrund der Sprache. Im Rahmen bestimmter gerichtlicher Garantien sichert Artikel 14 Absatz 3 Buchstaben a und f des obenerwähnten Paktes jeder wegen einer strafbaren Handlung angeklagten Person das Recht zu, über die gegen sie erhobene Anklage in einer ihr verständlichen Sprache unterrichtet zu werden oder anderenfalls einen Dolmetscher beizuziehen.

Ähnliche Garantien sind ebenfalls in der EMRK (vgl. Art. 5 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 3) vorgesehen. Artikel 14 EMRK (SR 0,101} verbietet ferner jede in der Sprache begründete Benachteiligung, um eine Verbindung mit den in der Konvention verankerten Rechten herzustellen. Artikel 30 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes schreibt den Schutz des Kindes vor, das einer sprachlichen Minderheit angehört. Schliesslich verfolgen auch die Bestimmungen zum Recht auf Bildung und zu den kulturellen Rechten (Art. 13 und 15) des von der Schweiz unterzeichneten Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte das Ziel, die Minderheitensprachen zu schützen und zu fördern.

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Gesetzmassige Aspekte

Gemäss dem Bundesgesetz vom 2I.Juni 1991 über Radio und Fernsehen (SR 784.40) erhält die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRC) eine Konzession für die Veranstaltung nationaler und sprachregionaler Programme.

Somit leistet die SRG einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Landessprachen.

Die Viersprachigkeit der Schweiz wird dabei von der SRG besonders berücksichtigt. Das Angebot an Radio- und Fernsehprogrammen umfasst alle Sprachregionen und alle Landessprachen. Die Verbreitung der Fernsehprogramme sowie der sprachregionalen Programme des ersten Radiosenders im ganzen Landesgebiet auf Deutsch, Französisch und Italienisch ist weitgehend gewährleistet. Zum Angebot

141

Im Kanton Graubünden sind Rätoromanisch. Deutsch und Italienisch als Amtssprachen gleichberechtigt.

1173

der SRC gehören auch Radiosendungen für die rätoromanische Schweiz. Dank der Kabelübertragung können die Programme auch in zahlreichen Städten und Ballungsgebieten ausserhalb des traditionellen romanischen Sprachgebiets empfangen werden. Die Interessen der rätoromanischen Sprachgemeinschaft werden von der SRC bei der Fernsehprogrammgestaltung für die Deutschschweiz und das Tessin mitberücksichtigt.

Gemäss dem Publikationsgesetz vom 21. März 1986 (SR 170.512) erfolgt die Veröffentlichung der Amtlichen Sammlung in den drei Amtssprachen des Bundes (Art. 8), also in deutscher, französischer und italienischer Sprache. In bezug auf das Rätoromanische bestimmt das Publikationsgesetz (Art. 14 Abs. 3), dass «in einer Beilage zum Bundesblatt ... femer Bundeserlasse von besonderer Tragweite in romanischer Sprache veröffentlicht» werden. Der Bundesrat bestimmt diese Erlasse nach Rücksprache mit dem Kanton Graubünden (vgl. Art. 11 Abs. l der Publikationsverordnung vom 15. April 198715)). Zudem sieht die Verordnung vom 1. Juli 1995 über das Ubersetzungswesen in der allgemeinen Bundesverwaltung die Übersetzung der Texte in alle Amtssprachen des Bundes, einschliesslich des Rätoromanischen, vor.

Es ist festzustellen, dass die Ziele und Grundsätze der Charta durch Artikel 116 der Bundesverfassung, durch die darauf beruhenden Gesetzesvorschriften über die Förderung der rätoromanischen und der italienischen Sprache sowie durch die Bestimmungen zu Sprachfragen in den von der Schweiz ratifizierten völkerrechtlichen Instrumenten bereits weitgehend abgedeckt sind.

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Ergebnisse der beiden Vernehmlassungsverfahren

Nach der Unterzeichnung der Charta am 9. Oktober 1993 eröffnete der Bundesrat am 12. Oktober 1993 das Vernehmlassungsverfahren bei den Kantonen mit Blick auf die Ratifizierung des Vertragswerkes. Wegen der damals im Parlament anstehenden Diskussion über die Revision von Artikel 116 der Bundesverfassung regten vierzehn Kantone (ZH, LU, SZ, OW, NW, GL, BS, SH, AI, SG, VD, NE, GÈ, JU) an, zunächst die Annahme des neuen Sprachenartikels der Bundesverfassung abzuwarten und danach vor der Ratifizierung der Charta eine zweite Vernehmlassung mit konkreten diesbezüglichen Vorschlägen des Bundes durchzuführen. Sechzehn Kantone, darunter alle mehrsprachigen, à'usserten sich jedoch grundsätzlich für die Ratifizierung der Charta durch die Schweiz. Zwei Kantone lehnten die Ratifizierung ab; weil die Charta dem schweizerischen System «fremd» sei (AI), und wegen der Verwirrung, welche sie in der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen im Sprachbereich auslösen könnte (NE). Ein Kanton (TG) verzichtete auf eine Stellungnahme. Fünf Kantone (GR, TI, GÈ, GL, LU) schlugen vor, Rätoromanisch und Italienisch als durch die Charta zu schützende Landessprachen zu bezeichnen; zwei Kantone (BE, AG) fügten das Französische hinzu. Vier Kantone (FR, SO, BL, VS) führten einzig die rätoromanische Sprache an. Zwei Kantone (SH, SG) schlugen vor, sich bei der Auswahl der schutzwürdigen Sprachen nach der Meinung der Kantone Graubünden und Tessin zu richten. Basel-Land erwähnte die Sprachen ohne eigenen Sprachraum (Sprachen der Roma und Sinti), Sankt Gallen warf ebenfalls das Problem der Zigeunersprachen sowie des Jiddischen auf.

I5)

Ein Gesetz über die Amtssprachen, das während der Legislaturperiode 1995-1999 zu erarbeiten ist, wird den Gebrauch des Rätoromanischen durch den Bund regeln.

1174

Unter diesen Umständen wurde beschlossen, mit der Ratifizierung der Charta abzuwarten und nach der Annahme des neuen Verfassungsartikels 116 eine neue Vernehmlassung in den Kantonen durchzuführen.

Am 30, Mai 1996 eröffnete das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) das zweite Vernehmlassungsverfahren bei den Kantonen. Siebzehn Kantone (AG, NW, VD, JU, GE, FR, ZH, OW, AR, LU, UR, SG, NE, BE, GR, BL, TI) befürworteten die Ratifizierung der Charta und waren einverstanden, das Rätoromanische und das Italienische als Minderheitensprachen im Sinne der Charta zu erklären. Sieben Kantone (BS, SO, SZ, TG, ZG, SH, VS) verzichteten entweder auf eine Stellungnahme oder verwiesen das EDI auf die Ansicht, die sie bereits im Rahmen der ersten Vernehmlassung vertreten hatten. Zwei Kantone (AI, GL) lehnten die Ratifizierung des Vertragswerkes mit dem Argument ab, die einschlägige nationale Gesetzgebung reiche aus und der Beitritt zu einem völkerrechtlichen Instrument sei mithin überflüssig. Allerdings betonten mehrere Kantone (NW, VD, ZH, BS, TG, NE, SG), dass die Charta sie nicht betreffe, weil es in ihrem Kantonsgebiet keine traditionelle ansässige Minderheitensprache gäbe. Zwei Kantone jedoch (JU, TI) wünschten einen Schutz für Minderheitensprachen auch ausserhalb deren traditionellen Verbreitungsgebiete.

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Rätoromanisch und Italienisch als weniger verbreitete Amtssprachen im Sinne der Charta

Jeder Staat bezeichnet bei der Ratifizierung der Charta die Sprachen, welche von den Bestimmungen erfasst werden. Die Definitionsmerkmale der Charta gemäss Artikel l Buchstabe a ü treffen auf keine der in der Schweiz gesprochenen Sprachen zu: Die Bedingung von Artikel l Buchstabe a ii ist nicht erfüllt, da Artikel 116 der Bundesverfassung alle Landessprachen der Schweiz als Amtssprachen erklärt.

Wie oben festgestellt (§22) erwähnt die Charta-jedoch auch die Kategorie der «weniger verbreiteten Amtssprachen». Angesichts unseres Verfassungs- und Gesetzesrahmens, der Praxis des Bundes im Sprachenbereich und der Stellungnahmen zahlreicher Kantone in den beiden Vernehmlassungsverfahren zeigt sich deutlich, dass die Bezeichnung «weniger verbreitete Amtssprache» auf zwei Sprachen - Italienisch und Rätoromanisch - zutrifft. Das Rätoromanische ist die einzige der vier Landessprachen, die nicht auf ein sprachliches und kulturelles Hinterland zählen kann. Deshalb kann der Sprachenausbau und die Spracherneuerung nur von der rätoromanischen Bevölkerung selbst ausgehen. Die italienische Sprachgemeinschaft ihrerseits befindet sich in einer Peripherielage. Dabei können leicht Ungleichgewichte entstehen. Dies zeigt sich besonders im Bereich der Berufsbildung: Die Italienischsprachigen sind für ihre berufliche Weiterbildung und für die wirtschaftlichen Beziehungen auf gute Sprachkenntnisse in einer Zweit- bzw. Drittsprache angewiesen. Diese Tatsache wirkt sich auch auf die Stellung der Erstsprache im Unterricht aus, die generell zugunsten des Zweit- und Drittsprachenunterrichts zurückgestellt wird (BB1 7995 II 1247 ff.). Es versteht sich von selbst, dass in dieser Hinsicht das Deutsche und das Französische in der Schweiz eine völlig unterschiedliche Position besetzen und daher sicherlich nicht als «weniger verbreitete Amtssprache» zu bezeichnen sind. Im übrigen steht die Wahl der rätoromanischen und der italienischen Sprache auch im Einklang mit Artikel 116 der Bundesverfassung, zu dessen Hauptzielen die Erhaltung der Viersprachigkeit der Schweiz zählt.

Das Italienische wie auch das Rätoromanische können aus den in der Charta vorgesehenen Schutzmassnähmen einen echten Nutzen ziehen.

1175

Des weiteren sieht die Charta für die Vertragsparteien die Verpflichtung vor, die Bestimmungen von Teil II auf alle in ihrem Hoheitsgebiet gebrauchten Regionaloder Minderheitensprachen anzuwenden, die der Begriffsbestimmung in Artikel l entsprechen. Aus diesem Grund und angesichts der Tatsache, dass nach dem Geist der Charta die Wahrung des europäischen Spracherbes angestrebt wird (vgl. oben, besonders § 22), gilt es, eine umfassende und ehrgeizige Politik zur Umsetzung von Teil II der Charta zu verfolgen, wobei die Sprachenvielfalt verschiedener Kantone berücksichtigt werden muss. Dabei ist davon auszugehen, dass alle vier Landessprachen in bestimmten Kantonen jeweils eine geschichtlich gewachsene und traditionelle Minderheitensprache darstellen und als solche die Anwendung der Grundsätze und Ziele von Artikel 7 rechtfertigen. Daher ist Teil II der Charta auf die vier Landessprachen der Schweiz anzuwenden. Diese Auslegung stimmt völlig überein mit Artikel 116 Absatz l der Bundesverfassung, welcher die Kantone verpflichtet, zum einen die in ihrem Gebiet ansässigen sprachlichen Minderheiten zu achten und zum anderen die geeigneten Massnahmen zu treffen, sobald eine Landessprache gefährdet erscheint.

256

Schutzmassnahmen aus Teil III der Charta

Die zugunsten der rätoromanischen (a) und der italienischen (b) Sprache ausgewählten Schutzmassnahmen aus Teil III der Charta werden unten, im Einvernehmen mit den Kantonen Graubünden und Tessin, kumulativ aufgezählt16'. Die Vorkehrungen, welche der Bund selbst trifft, ergänzen die von den beiden Kantonen vorgeschlagenen Massnahmen.

a. Rätoromanisch Art. 8 (Bildung): Abs. I Bst. a iv, Bst. b i, Bst. c iii, Bst. d ìii, Bst. e ii, Bst. f iii, Bst. g, Bst. h, Bst.i.

Art. 9 (Justiz): Abs. l Bst. a ü und iii, Bst. b ü und iii, Bst. c n; Abs. 2 Bst. a; Abs. 3.

Art. 10 (Verwaltungsbehörden und öffentliche Dienstleistungsbetriebe): Abs. I Bst. a i, Bst. b, Bst. c; Abs. 2 Bst. a, b, c, d, e, f und g; Abs. 3 Bst. b; Abs. 4 Bst. a und c; Abs. 5.

Art. 11 (Medien): Abs. l Bst. a iü, Bst. b Ì, Bst. c ü, Bst. e i, Bst. f i; Abs. 3,



> Die aus Teil III der Charta ausgewählten Schutzmassnahmen werden im Hinblick auf die Ratifizierung kumulativ aufgezählt. Die Schweiz wird diese Massnahmen jedoch unter Berücksichtigung der besonderen Lage der einzelnen Kantone differenziert anwenden. Dieser Ansatz ist mit dem Geist der Charta vereinbar (vgl, erläuternder Bericht § 41, 42, 46 und 47).

1176

Art. 12 (Kulturelle Tätigkeiten und Einrichtungen): Abs. l Bst. a, b, c, e, f, g und h; Abs. 2; Abs. 3.

Art. 13 (Wirtschaftliches und soziales Leben): Abs. l Bst. d; Abs. 2 Bst. b.

Art. 14 (Grenzüberschreitender Austausch): Bst. a und b.

b. Italienisch Art. 8 (Bildung): Abs. l Bst. a i und iv, Bst. b i, Bst. c i und ii, Bst. d i und Hi, Bst. e ir, Bst. f i und in, Bst. g, Bst. h, Bst.i.

Art. 9 (Justiz): Abs. l Bst. a i, ii und ìii, Bst. b i, n und in, Bst. c i und ii, Bst. d; Abs. 2 Bst. a; Abs. 3.

Art. 10 (Verwaltungsbehörden und öffentliche Dienstleistungsbetriebe): Abs. I Bst. a i, Bst. b, Bst. c; Abs. 2 Bst. a bis g; Abs. 3 Bst. a und b; Abs. 4 Bst. a, b und c; Abs. 5.

Art. 11 (Medien): Abs. l Bst. a i, Bst. e i, Bst. g; Abs. 2; Abs. 3.

Art. 12 (Kulturelle Tätigkeiten und Einrichtungen): Abs. l Bst. a bis h; Abs. 2; Abs. 3.

Art. 13 (Wirtschaftliches und soziales Leben): Abs. l Bst. d; Abs. 2 Bst. b.

Art. 14 (Grenzüberschreitender Austausch): Bst. a und b.

Die Liste der Artikel bedarf einer Erläuterung. Die genannten Bestimmungen verlangen, dass die rätoromanische und die italienische Sprache in ihrem herkömmlichen Verbreitungsgebiet geschützt und gefördert werden. Die Chartabestimmung (Art. 8 Abs. 2), wonach diese beiden Sprachen auch in anderen Gebieten unterstützt und gefördert werden müssen, wurde nicht übernommen, da der Bund in diesem spezifischen Bereich die Kantone zu solchen Massnahmen nicht verpflichten kann. Allerdings steht es diesen völlig frei, alle geeigneten Massnahmen zu ergreifen, um in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet die Minderheitensprachen zu schützen und zu fördern.

1177

26

. Stellungnahme des Bundesrates

Die Erhaltung der Viersprachigkeit bildet ein Ziel der Sprachenpolitik des Bundes.

Diesem Ziel dienen die verfassungsmässigen Massnahmen zur Förderung der rätoromanischen und der italienischen Sprache. Die Charta ihrerseits strebt durch geeignete Förderungsmassnahmen ebenfalls einen höheren Schutz der Regional- oder Minderheitensprachen an. Die Formulierung des Textes lässt den Vertragsparteien einen breiten Ermessensspielraum und ermöglicht somit die Ratifizierung der Charta.

Zur von Basel-Land und Sankt Gallen erwähnten Frage der Sprachen ohne eigenen Sprachraum (Zigeunersprachen und Jiddisch) stellt der Bundesrat fest, dass die betroffenen Sprachträger auf nationaler Ebene bislang keine Forderungen gestellt haben. Aus diesem Grund wurden diese Sprachen noch nicht in die schweizerische Sprachpolitik miteinbezogen. Im übrigen sind die schweizerischen Zigeuner nicht Sinti und Roma, sondern Jenische, die ihre eigene Sprache ausschliesslich zur Verständigung unter sich selbst benutzen.

Aus internationaler Sicht kann die Schweiz mit der Ratifizierung der Charta konkret ihre Bereitschaft bekunden, sich für die Probleme der europäischen Minderheiten einzusetzen. Daneben bildet die Charta einen wichtiger Beitrag zum Aufbau eines Europas, das auf der Achtung der kulturellen Vielfalt gründet. In diesem Sinne vermittelt die Charta eine sehr helvetisch geprägte Sicht des Konzeptes " Europa.

3 31

Finanzielle und personelle Auswirkungen Auf den Bund

Wie oben erwähnt stehen die Massnahmen der Charta im Einklang mit der Politik, welche die Schweiz in diesem Bereich verfolgt. Die Charta begründet keine neuen finanziellen Verpflichtungen für den Bund. Die oben beschriebenen Massnahmen sind bereits im Voranschlag und im Finanzplan im Rahmen der Ausführung nationaler Aufgaben vorgesehen (vgl. BB11995 II 1255). Das gleiche gilt für die personellen Auswirkungen.

32

Auf die Kantone

Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen in der Sprachpolitik wird durch die Charta nicht berührt. Die Auswirkungen der Umsetzung der Charta werden durch die Massnahmen bestimmt, welche die Kantone in bezug auf die gewählten Schutzbestimmungen treffen.

4

Legislaturplanung

Die Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen wurde im Bericht über die Legislaturperiode 1995-1999 vom 18. März 1996 (BEI 1996 II 293) angekündigt.

1178

5

Verhältnis zum europäischen Recht

Zum Verhältnis mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht ist anzumerken, dass die Europäische Ghana der Regional- oder Minderheitensprachen bereits von zwei Mitgliedstaaten der Europäischen Union ratifiziert und von fünf weiteren unterzeichnet worden ist. In der Europäischen Union gibt es keine spezifischen Vorschriften zum Schutz und zur Förderung der Regional- oder Minderheitensprachen; Artikel 128 (Kultur) des Maastrichter Vertrags jedoch erwähnt die Wahrung der nationalen und regionalen Vielfalt. Die Ratifizierung der Charta steht somit im Einklang mit unserer europäischen Integrationspolitik.

6

Verfassungsmässigkeit

Der Bundesbeschluss zur Genehmigung der Europäischen Charta der Regionaloder Minderheitensprachen beruht auf Artikel 8 der Bundesverfassung, wonach dem Bund das Recht zusteht, Staatsverträge mit dem Ausland einzugehen. Die Befugnis der Bundesversammlung ergibt sich aus Artikel 85 Ziffer 5 der Bundesverfassung.

Gemäss Artikel 89 Absatz 3 der Bundesverfassung sind völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum unterworfen, wenn sie unbefristet und unkündbar sind (Bst. a), den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen (Bst. b) oder eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung herbeiführen (Bst. c). Die vorliegende Charta kann gekündigt werden (Art. 22), und ihre Ratifizierung setzt keinen Beitritt zu einer internationalen Organisation voraus.

Es bleibt demnach einzig zu prüfen, ob der Beitritt eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung zur Folge hat. Nach der konstanten Praxis des Bundesrates sind nur jene Verträge dem fakultativen Referendum zu unterstellen, die Einheitsrecht enthalten, das im wesentlichen direkt anwendbar ist und ein bestimmtes, genau umschriebenes Rechtsgebiet genügend umfassend regelt, d. h. jenen Mindestumfang aufweist, der auch nach landesrechtlichen Massstäben die Schaffung eines separaten Gesetzes als sinnvoll erscheinen liesse (BB1 1988 II 912, BB1 7990 III 948, BB1 7992 III 314). Das Parlament hat die Praxis des Bundesrates präzisiert und entschieden, dass in Einzelfällen wegen der Bedeutung und der Art der Bestimmungen oder weil internationale Kontrollorgane geschaffen werden auch dann eine multilaterale Rechtsvereinheitlichung vorliegen kann, wenn die in Frage stehenden internationalen Normen nicht zahlreich sind (BB1 7990 III 948, einschliesslich der Verweise).

Die Bestimmungen der vorliegenden Ghana sind nicht direkt anwendbar. Wie oben angemerkt legen sie programmatische Grundsätze nieder, nach denen sich die Politik der Vertragsparteien ausrichten soll. Die Bestimmungen und die Flexibilität der Charta («à la carte»-System) führen mit Sicherheit keine Rechtsvereinheitlichung herbei. Deshalb ist die vorliegende Charta nicht dem fakultativen Staatsvertragsreferendum nach Artikel 89 Absatz 3 der Bundesverfassung unterworfen.

8815

1179

Bundesbeschluss zur Europäischen Charta der Regionaloder Minderheitensprachen

Entwurf

vom

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Artikel 8 der Bundesverfassung, nach Einsicht in die Botschaft des Bundesrates vom 25. November 1996 1), beschliesst:

Art. l 1 Die Europäische Charta der Regional- oder. Minderheitensprachen vom 5. November 1992 wird genehmigt.

2 Der Bundesrat wird ermächtigt, die Charta zu ratifizieren.

3 Als wenig verbreitete Amtssprachen im Sinne von Artikel 3 Absatz l der Charta gelten für die Schweiz Italienisch und Rätoromanisch.

Art. 2 Dieser Beschluss untersteht nicht dem Staatsvertragsreferendum.

3815

1) BB1 19971 1165

1180

Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen

Übersetzung '>

Präambel Die Mitgliedstaaten des Europarats, die diese Charta unterzeichnen in der Erwägung, dass es das Ziel des Europarats ist, eine engere Verbindung zwischen seinen Mitgliedern herbeizuführen, um insbesondere die Ideale und Grundsätze, die ihr gemeinsames Erbe bilden, zu wahren und zu fördern; in der Erwägung, dass der Schutz der geschichtlich gewachsenen Regional- oder Minderheitensprachen Europas, von denen einige allmählich zu verschwinden drohen, zur Erhaltung und Entwicklung der Traditionen und des kulturellen Reichtums Europas beiträgt; in der Erwägung, dass das Recht, im privaten Bereich und im öffentlichen Leben eine Regional- oder Minderheitensprache zu gebrauchen, ein unveräusserliches Recht in Übereinstimmung mit den im Internationalen Pakt der Vereinten Nationen über bürgerliche und politische Rechte enthaltenen Grundsätzen darstellt und dem Geist der Konvention des Europarats zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten entspricht; eingedenk der im Rahmen der KSZE geleisteten Arbeit und insbesondere der Schlussakte von Helsinki von 1975 und des Dokuments des Kopenhagener Treffens von 1990; unter Betonung des Wertes der interkulturellen Beziehungen und der Mehrsprachigkeit sowie in der Erwägung, dass der Schutz und die Förderung der Regional- oder Minderheitensprachen sich nicht nachteilig auf die Amtssprachen und die Notwendigkeit, sie zu erlernen, auswirken sollte; in dem Bewusstsein, dass der Schutz und die Stärkung der Regional- oder Minderheitensprachen in den verschiedenen Ländern und Regionen Europas einen wichtigen Beitrag zum Aufbau eines Europas darstellen, das auf den Grundsätzen der Demokratie und der kulturellen Vielfalt im Rahmen der nationalen Souveränität und der territorialen Unversehrtheit beruht; unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse und der geschichtlich gewachsenen Traditionen in den verschiedenen Regionen der Staaten Europas sind wie folgt übereingekommen:

" Übersetzung des französischen Originaltextes.

1181

Regional- oder Minderheitensprachen

Teil I: Allgemeine Bestimmungen Artikel l Begriffsbestimmungen Im Sinne dieser Charta a) bezeichnet der Ausdruck «Regional- oder Minderheitensprachen» Sprachen, 0 die herkömmlicherweise in einem bestimmten Gebiet eines Staates von Angehörigen dieses Staates gebraucht werden, die eine Gruppe bilden, deren Zahl kleiner ist als die der übrigen Bevölkerung des Staates, und ii) · die sich von der (den) Amtssprache(n) dieses Staates unterscheiden;, er umfasst weder Dialekte der Amtssprache(n) des Staates noch die Sprachen von Zuwanderern; b) bezeichnet der Ausdruck «Gebiet, in dem die Regional- oder Minderheitensprache gebraucht wird» das geographische Gebiet, in dem die betreffende Sprache das Ausdrucksmittel einer Zahl von Menschen ist, welche die Übernahme der in dieser Charta vorgesehenen verschiedenen Schutz- und Förderungsmassnahmen rechtfertigt; c) bezeichnet der Ausdruck «nicht territorial gebundene Sprachen» von Angehörigen des Staates gebrauchte Sprachen, die sich von der (den) von der übrigen Bevölkerung des Staates gebrauchten Sprache(n) unterscheiden, jedoch keinem bestimmten Gebiet innerhalb des betreffenden Staates zugeordnet werden können, obwohl sie herkömmlicherweise im Hoheitsgebiet dieses Staates gebraucht werden.

Artikel 2 Verpflichtungen 1) Jede Vertragspartei verpflichtet sich, Teil II auf alle in ihrem Hoheitsgebiet gebrauchten Regional- oder Minderheitensprachen anzuwenden, die der Begriffsbestimmung in Artikel l entsprechen.

2) In bezug auf jede nach Artikel 3 im Zeitpunkt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung bezeichneten Sprache verpflichtet sich die Vertragspartei, mindestens fünfunddreissig aus Teil III ausgewählte Absätze oder Buchstaben anzuwenden, darunter mindestens je drei aus den Artikeln 8 und 12 und je einen aus den Artikeln 9, 10, 11 und 13.

Artikel 3 Einzelheiten-der Durchführung 1) Jeder Vertragsstaat bezeichnet in seiner Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde jede Regional- oder Minderheitensprache oder in seinem gesamten Hoheitsgebiet oder einem Teil desselben weniger verbreitete Amtssprache, auf welche die nach Artikel 2 Absatz 2 ausgewählten Bestimmungen angewendet werden, 2} Jede Vertragspartei kann jederzeit danach dem Generalsekretär notifizieren, dass sie die Verpflichtungen übernimmt, die sich aus anderen Bestimmungen der Charta ergeben,
die sie nicht bereits in ihrer Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde bezeichnet hat, oder dass sie Absatz l auf andere Regional- oder Minderheitensprachen oder in ihrem gesamten Hoheitsgebiet oder einem Teil desselben weniger verbreitete Amtssprachen anwenden wird.

1182

Regional- oder Minderheitensprachen

3) Die nach Absatz 2 eingegangenen Verpflichtungen gelten als untrennbarer Teil der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung und haben vom Tag ihrer Notifikation an dieselbe Wirkung.

Artikel 4 Bestehende Schutzregelungen 1) Die Bestimmungen der Charta sind nicht als Beschränkung oder Beeinträchtigung von Rechten auszulegen, die durch die Europäische Menschenrechtskonvention gewährleistet sind.

2) Diese Charta lässt in einer Vertragspartei bereits bestehende oder in einschlägigen zwei- oder mehrseitigen Übereinkünften vorgesehene günstigere Bestimmungen über den Status der Regional- oder Minderheitensprachen oder die Rechtsstellung der Personen, die Minderheiten angehören, unberührt.

Artikel 5

Bestehende Verpflichtungen

Die Bestimmungen dieser Charta sind nicht so auszulegen, als gewährten sie das Recht, irgendeine Tätigkeit auszuüben oder irgendeine Handlung vorzunehmen, die gegen die Ziele der Charta der Vereinten Nationen oder sonstige völkerrechtliche Verpflichtungen einschliesslich des Grundsatzes der Souveränität und territorialen Unversehrtheit der Staaten verstösst.

Artikel 6 Information Die Vertragsparteien verpflichten sich, dafür zu sorgen, dass die betroffenen Behörden, Organisationen und Personen über die in dieser Charta festgelegten Rechte und Pflichten informiert werden.

Teil II Ziele und Grundsätze in Übereinstimmung mit Artikel 2 Absatz l Artikel 7 Ziele und Grundsätze 1) Hinsichtlich der Regional- oder Minderheitensprachen legen die Vertragsparteien in den Gebieten, in denen solche Sprachen gebraucht werden, unter Berücksichtigung der Situation jeder Sprache ihrer Politik, Gesetzgebung und Praxis folgende Ziele und Grundsätze zugrunde: a) die Anerkennung der Regional- oder Minderheitensprachen als Ausdruck des kulturellen Reichtums; b) die Achtung des geographischen Gebiets jeder Regional- oder Minderheitensprache, um sicherzustellen, dass bestehende oder neue Verwaltungsgliederungen die Förderung der betreffenden Regional- oder Minderheitensprache nicht behindern; c) die Notwendigkeit entschlossenen Vorgehens zur Förderung von Regionaloder Minderheitensprachen, um diese zu schützen; d) die Erleichterung des Gebrauchs von Regional- oder Minderheitensprachen in Wort und Schrift im öffentlichen Leben und im privaten Bereich und/oder die Ermutigung zu einem solchen Gebrauch;

1183

Regional- oder Minderheitensprachen

e)

die Erhaltung und Entwicklung von Verbindungen in den von dieser Charta erfassten Bereichen zwischen Gruppen, die eine Regional- oder Minderheitensprache gebrauchen, und anderen Gruppen in diesem Staat mit einer in derselben oder ähnlichen Form gebrauchten Sprache sowie das Herstellen kultureller Beziehungen zu anderen Gruppen in dem Staat, die andere Sprachen gebrauchen; f) die Bereitstellung geeigneter Formen und Mittel für das Lehren und Lernen von Regional- oder Minderheitensprachen auf allen geeigneten Stufen; g) die Bereitstellung von Einrichtungen, die es Personen, die eine Regional- oder Minderheitensprache nicht sprechen, aber in dem Gebiet leben, in dem sie gebraucht wird, ermöglichen, sie zu erlernen, wenn sie dies wünschen; h) die Förderung des Studiums und der Forschung im Bereich der Regional- oder Minderheitensprachen an Universitäten oder in gleichwertigen Einrichtungen; Ì) die Förderung geeigneter Formen des grenzüberschreitenden Austausches in den von dieser Charta erfassten Bereichen für Regional- oder Minderheitensprachen, die in zwei oder mehr Staaten in derselben oder ähnlichen Form gebraucht werden.

2) Die Vertragsparteien verpflichten sich, sofern dies noch nicht geschehen ist, jede ungerechtfertigte Unterscheidung, Ausschliessung, Einschränkung oder Bevorzugung zu beseitigen, die den Gebrauch einer Regional- oder Minderheitensprache betrifft und darauf ausgerichtet ist, die Erhaltung oder Entwicklung einer Regionaloder Minderheitensprache zu beeinträchtigen oder zu gefährden. Das Ergreifen besonderer Massnahmen zugunsten der Regional- oder Minderheitensprachen, welche die Gleichstellung zwischen den Sprechern dieser Sprachen und der übrigen Bevölkerung fördern sollen oder welche ihre besondere Lage gebührend berücksichtigen, gilt nicht als diskriminierende Handlung gegenüber den Sprechern weiter verbreiteter Sprachen.

3) Die Vertragsparteien verpflichten sich, durch geeignete Massnahmen das gegenseitige Verständnis zwischen allen Sprachgruppen des Landes zu fördern, indem sie insbesondere Achtung, Verständnis und Toleranz gegenüber den Regional- oder Minderheitensprachen in die Ziele der in ihren Ländern vermittelten Bildung und Ausbildung einbeziehen und indem sie die Massenmedien ermutigen, dasselbe Ziel zu verfolgen, 4} Bei der Festlegung ihrer Politik in bezug auf
Regional- oder Minderheitensprachen berücksichtigen die Vertragsparteien die von den Gruppen, die solche Sprachen gebrauchen, geäusserten Bedürfnisse und Wünsche. Sie werden ermutigt, erforderlichenfalls Gremien zur Beratung der Behörden in allen Angelegenheiten der Regional- oder Minderheitensprachen einzusetzen.

5) Die Vertragsparteien verpflichten sich, die in den Absätzen l bis 4 genannten Grundsätze sinngemäss auf nicht territorial gebundene Sprachen anzuwenden.

Jedoch werden hinsichtlich dieser Sprachen Art und Umfang der Massnahmen, die getroffen werden, um dieser Charta Wirksamkeit zu verleihen, flexibel festgelegt, wobei die Bedürfnisse und Wünsche der Gruppen, die diese Sprachen gebrauchen, berücksichtigt und ihre Traditionen und Eigenarten geachtet werden.

1184

Regional- oder Minderheitensprachen

Teil III Massnahmen zur Förderung des Gebrauchs von Regional- oder Minderheitensprachen im öffentlichen Leben im Einklang mit den nach Artikel 2 Absatz 2 eingegangenen Verpflichtungen Artikel 8 Bildung 1) Im Bereich der Bildung verpflichten sich die Vertragsparteien, in dem Gebiet, in dem solche Sprachen gebraucht werden, unter Berücksichtigung der Situation jeder dieser Sprachen und unbeschadet des Unterrichts der Amtssprache(n) des Staates a) i) die vorschulische Erziehung in den betreffenden Regional- oder Minderheitensprachen anzubieten oder ü) einen erheblichen Teil der vorschulischen Erziehung in den betreffenden Regional- oder Minderheitensprachen anzubieten oder üi) eine der unter den Ziffern i und ii vorgesehenen Massnahmen zumindest auf diejenigen Schüler anzuwenden, deren Familien dies verlangen, wenn die Zahl der Schüler als genügend gross angesehen wird, oder iv) falls die staatlichen Stellen keine unmittelbare Zuständigkeit im Bereich der vorschulischen Erziehung haben, die Anwendung der unter den Ziffern i bis üi vorgesehenen Massnahmen zu begünstigen und/oder dazu zu ermutigen; b) i) den Grundschulunterricht in den betreffenden Regional- oder Minderheitensprachen anzubieten oder ii) einen erheblichen Teil des Grundschulunterrichts in den betreffenden Regional- oder Minderheitensprachen anzubieten oder iÜ) innerhalb des Grundschulunterrichts den Unterricht der betreffenden Regional- oder Minderheitensprachen als integrierenden Teil des Lehrplans vorzusehen oder iv) eine der unter den Ziffern i bis üi vorgesehenen Massnahmen zumindest auf diejenigen Schüler anzuwenden, deren Familien dies verlangen, wenn die Zahl der Schüler als genügend gross angesehen wird; c) i) den Unterricht im Sekundarbereich in den betreffenden Regional- oder Minderheitensprachen anzubieten oder ü) einen erheblichen Teil des Unterrichts im Sekundarbereich in den betreffenden Regional- oder Minderheitensprachen anzubieten oder üi) innerhalb des Unterrichts im Sekundarbereich den Unterricht der betreffenden Regional- oder Minderheitensprachen als integrierenden Teil des Lehrplans vorzusehen oder iv) eine der unter den Ziffern i bis üi vorgesehenen Massnahmen zumindest auf diejenigen Schüler anzuwenden, die oder - wo dies in Betracht kommt - deren Familien dies wünschen, wenn deren Zahl als genügend gross angesehen
wird; d) i) die berufliche Bildung in den betreffenden Regional- oder Minderheitensprachen anzubieten oder ü) einen erheblichen Teil der beruflichen Bildung in den betreffenden Regional- oder Minderheitensprachen anzubieten oder

1185

Regional- oder Minderheìtensprachen

iii) innerhalb der beruflichen Bildung den Unterricht der betreffenden Regional- oder Minderheitensprachen als integrierenden Teil des Lehrplans vorzusehen oder iv) eine der unter den Ziffern i bis üi vorgesehenen Massnahmen zumindest auf diejenigen Schüler anzuwenden, die oder - wo dies in Betracht kommt - deren Familien dies wünschen, wenn deren Zahl als genügend gross angesehen wird; e) i) an Universitäten und anderen Hochschulen Unterricht in den Regionaloder Minderheitensprachen anzubieten oder ii) Möglichkeiten für das Studium dieser Sprachen als Studienfächer an Universitäten und anderen Hochschulen anzubieten oder iü). falls wegen der Rolle des Staates in bezug auf Hochschuleinrichtungen die Ziffern i und ii nicht angewendet werden können, dazu zu ermutigen und/oder zuzulassen, dass an Universitäten und anderen Hochschulen Unterricht in den Regional- oder Minderheitensprachen oder Möglichkeiten zum Studium dieser Sprachen als,Studienfächer angeboten werden; f) i) dafür zu sorgen, dass in der Erwachsenen- und Weiterbildung Kurse angeboten werden, die überwiegend oder ganz in den Regional- oder Minderheitensprachen durchgeführt werden, oder ii) solche Sprachen als Fächer der Erwachsenen- und Weiterbildung anzubieten oder iü) falls die staatlichen Stellen keine unmittelbare Zuständigkeit im Bereich der Erwachsenenbildung haben, das Angebot solcher Sprachen als Fächer der Erwachsenen- und Weiterbildung zu begünstigen und/oder dazu zu ermutigen; g) für den Unterricht der Geschichte und Kultur, die in der Regional- oder Minderheitensprache ihren Ausdruck finden, zu sorgen; h) für die Aus- und Weiterbildung der Lehrer zu sorgen, die zur Durchführung derjenigen Bestimmungen der Buchstaben a bis g erforderlich sind, welche die Vertragspartei angenommen hat; Ì) ein oder mehrere Aufsichtsorgane einzusetzen, welche die zur Einführung oder zum Ausbau des Unterrichts der Regional- oder Minderheitensprachen getroffenen Massnahmen und die dabei erzielten Fortschritte überwachen und darüber regelmässig Berichte verfassen, die veröffentlicht werden.

2) Im Bereich der Bildung verpflichten sich die Vertragsparteien in bezug auf andere Gebiete als diejenigen, in denen die Regional- oder Minderheitensprachen herkömmlicherweise gebraucht werden, Unterricht der Regional- oder Minderheitensprache oder Unterricht
in dieser Sprache auf allen geeigneten Bildungsstufen zuzulassen, zu diesem Unterricht zu ermutigen oder ihn anzubieten, wenn die Zahl der Sprecher einer Regional- oder Minderheitensprache dies rechtfertigt.

Artikel 9 Justizbehörden 1) Die Vertragsparteien verpflichten sich, in bezug auf diejenigen Gerichtsbezirke, in denen die Zahl der Einwohner, welche die Regional- oder Minderheitensprachen gebrauchen, die nachstehenden Massnahmen rechtfertigt, unter Berücksichtigung

1186

Regional- oder Minderheitensprachen

der Situation jeder dieser Sprachen und unter der Bedingung, dass die Inanspruchnahme der durch diesen Absatz gebotenen Möglichkeiten nach Auffassung des Richters eine ordentliche Rechtspflege nicht behindert: a) in Strafverfahren Ì) dafür zu sorgen, dass die Gerichte auf Antrag einer der Parteien das Verfahren in den Regional- oder Minderheitensprachen durchführen, und/oder Ü) sicherzustellen, dass der Angeklagte das Recht hat, seine Regional- oder Minderheitensprache zu gebrauchen, und/oder üi) dafür zu sorgen, dass Anträge und Beweismittel, gleichviel ob schriftlich oder mündlich, nicht allein aus dem Grund als unzulässig angesehen werden, weil sie in einer Regional- oder Minderheitensprache abgefasst sind, und/oder iv) auf Verlangen Schriftstücke, die mit Gerichtsverfahren zusammenhängen, in der betreffenden Regional- oder Minderheitensprache abzufassen, wenn nötig durch Inanspruchnahme von Dolmetschern und Übersetzungen, wodurch den Betroffenen keine zusätzlichen Kosten entstehen dürfen; b) in zivilrechtlichen Verfahren i) dafür zu sorgen, dass die Gerichte auf Antrag einer der Parteien das Verfahren in den Regional- oder Minderheitensprachen durchführen, und/oder Ü) zuzulassen, dass eine Prozesspartei, wenn sie persönlich vor Gericht erscheinen muss, ihre Regional- oder Minderheitensprache gebrauchen kann, ohne dass ihr dadurch zusätzliche Kosten entstehen, und/oder iii) zuzulassen, dass Urkunden und Beweismittel in den Regional- oder Minderheitensprachen vorgelegt werden, wenn nötig durch Inanspruchnahme von Dolmetschern und Übersetzungen; c) in Verfahren vor Gerichten für Verwaltungssachen i) dafür zu sorgen, dass die Gerichte auf Antrag einer der Parteien das Verfahren in den Regional- oder Minderheitensprachen durchführen, und/oder Ü) zuzulassen, dass eine Prozesspartei, wenn sie persönlich vor Gericht erscheinen muss, ihre Regional- oder Minderheitensprache gebrauchen kann, ohne dass ihr dadurch zusätzliche Kosten entstehen, und/oder iii) zuzulassen, dass Urkunden und Beweismittel in den Regional- oder Minderheitensprachen vorgelegt werden, wenn nötig durch Inanspruchnahme von Dolmetschern und Übersetzungen; d) dafür zu sorgen, dass den Betroffenen durch die Anwendung des Buchstabens b Ziffern i und iii und des Buchstabens c Ziffern i und iii sowie durch eine notwendige Inanspruchnahme
von Dolmetschern und Übersetzungen keine zusätzlichen Kosten entstehen.

2) Die Vertragsparteien verpflichten sich, a) die Rcchtsgültigkeit von im Inland abgefassten Rechtsurkunden nicht allein aus dem Grund zu verneinen, weil sie in einer Regional- oder Minderheitensprache abgefasst sind, oder b) die Rechtsgültigkeit von im Inland abgefassten Rechtsurkunden im Verhältnis zwischen den Parteien nicht allein aus dem Grund zu verneinen, weil die Urkunden in einer Regional- oder Minderheitensprache abgefasst sind, und 1187

Regional- oder Minderheitensprachen

vorzusehen, dass sie gegen beteiligte Dritte, die diese Sprachen nicht gebrauchen, unter der Bedingung verwendet werden können, dass ihnen der Inhalt der Urkunden von der (den) Person(en), welche die Urkunden verwendet (verwenden), zur Kenntnis gebracht worden ist, oder c) die Rechtsgiiltigkeit von im Inland abgefassten Rechtsurkunden im Verhältnis zwischen den Parteien nicht allein aus dem Grund zu verneinen, weil die Urkunden in einer Regional- oder Minderheitensprache abgefasst sind.

3) Die Vertragsparteien verpflichten sich, die wichtigsten Gesetzestexte des Staates sowie diejenigen, welche sich besonders auf Personen beziehen, die diese Sprachen gebrauchen, in den Regional- oder Minderheitensprachen zur Verfügung zu stellen, sofern sie nicht anderweitig verfügbar sind.

Artikel 10 Verwaltungsbehörden und öffentliche Dienstleistungsbetriebe 1) Innerhalb der Verwaltungsbezirke des Staates, in denen die Zahl der Einwohner, die Regional- oder Minderheitensprachen gebrauchen, die nachstehenden Massnahmen rechtfertigt, und unter Berücksichtigung der Situation jeder Sprache verpflichten sich die Vertragsparteien, im Rahmen des Zumutbaren a) i) sicherzustellen, dass die Verwaltungsbehörden die Regional- oder Minderheitensprachen gebrauchen, oder ii) sicherzustellen, dass diejenigen ihrer Bediensteten, die unmittelbaren Kontakt zur Bevölkerung haben, die Regional- oder Minderheitensprachen in ihrem Umgang mit Personen gebrauchen, die sich in diesen Sprachen an sie wenden, oder iii) sicherzustellen, dass Personen, die Regional- oder Minderheitensprachen gebrauchen, in diesen Sprachen mündliche oder schriftliche Anträge stellen und eine Antwort erhalten können, oder iv) sicherzustellen, dass Personen, die Regional- oder Minderheitensprachen gebrauchen, in diesen Sprachen mündliche oder schriftliche Anträge stellen können, oder v) sicherzustellen, dass Personen, die Regional- oder Minderheitensprachen gebrauchen, in diesen Sprachen abgefasste Urkunden rechtsgültig vorlegen können; b) allgemein verwendete Verwaltungsbestimmungen und -formulare für die Bevölkerung in den Regional- oder Minderheitensprachen oder zweisprachig zur Verfügung zu stellen; c) zuzulassen, dass die Verwaltungsbehörden Schriftstücke in einer Regionaloder Minderheitensprache abfassen.

2) In bezug auf die örtlichen und regionalen
Behörden, in deren örtlichem Zuständigkeitsbereich die Zahl der Einwohner, welche die Regional- oder Minderheitensprachen gebrauchen, die nachstehenden Massnahmen rechtfertigt, verpflichten sich die Vertragsparteien, folgendes zuzulassen und/oder dazu zu ermutigen: a) den Gebrauch von Regional- oder Minderheitensprachen innerhalb der regionalen oder örtlichen Behörde; b) die Möglichkeit, dass Personen, die Regional- oder Minderheitensprachen gebrauchen, mündliche oder schriftliche Anträge in diesen Sprachen stellen;

1188

Regional- oder Mìnderheìtensprachen

c)

die Veröffentlichung der amtlichen Schriftstücke der regionalen Behörden durch diese auch in den betreffenden Regional- oder Minderheitensprachen; d) die Veröffentlichung der amtlichen Schriftstücke der örtlichen Behörden durch diese auch in den betreffenden Regional- oder Minderheitensprachen; e) den Gebrauch von Regional- oder Minderheitensprachen durch die regionalen Behörden in deren Ratsversammlungen, ohne jedoch den Gebrauch der Amtssprachefn) des Staates auszuschliessen; f) den Gebrauch von Regional- oder Minderheitensprachen durch die örtlichen Behörden in deren Ratsversammlungen, ohne jedoch den Gebrauch der Amtssprache(n) des Staates auszuschliessen; g) den Gebrauch oder die Annahme der herkömmlichen und korrekten Formen von Ortsnamen in Regional- oder Minderheitensprachen, wenn nötig in Verbindung mit dem Namen in der (den) Amtssprache(n).

3) In bezug auf die Öffentlichen Dienstleistungen, die von den Verwaltungsbehörden selbst oder in deren Auftrag erbracht werden, verpflichten sich die Vertragsparteien, in dem Gebiet, in dem Regional- oder Minderheitensprachen gebraucht werden, unter Berücksichtigung der Situation jeder Sprache und im Rahmen des Zumutbaren a) sicherzustellen, dass die Regional- oder Minderheitensprachen bei der Erbringung der Dienstleistung gebraucht werden, oder b) zuzulassen, dass Personen, die Regional- oder Minderheitensprachen gebrauchen, in diesen Sprachen einen Antrag stellen und eine Antwort erhalten, oder c) zuzulassen, dass Personen, die Regional- oder Minderheitensprachen gebrauchen, in diesen Sprachen einen Antrag stellen.

4) Die Vertragsparteien verpflichten sich, eine oder mehrere der folgenden Massnahmen zu treffen, um die von ihnen angenommenen Bestimmungen der Absätze l, 2 und 3 in Kraft zu setzen: a) Übersetzen oder Dolmetschen je nach Bedarf; b) Einstellung und, soweit erforderlich, Ausbildung der benötigten Beamten und sonstigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes; c) nach Möglichkeit Erfüllung der Wünsche von Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die über Kenntnisse in einer Regional- oder Minderheitensprache verfügen, in dem Gebiet eingesetzt zu werden, in dem diese Sprache gebraucht wird.

5) Die Vertragsparteien verpflichten sich, den Gebrauch oder die Annahme von Familiennamen in den Regional- oder Minderheitensprachen auf Antrag der
Betroffenen zuzulassen.

Artikel 11 Medien 1) Die Vertragsparteien verpflichten sich, für die Sprecher von Regional- oder Minderheitensprachen in den Gebieten, in denen diese Sprachen gebraucht werden, unter Berücksichtigung der Situation jeder Sprache und in dem Ausmass, in dem die staatlichen Stellen in diesem Bereich unmittelbar oder mittelbar Zuständigkeit, Befugnisse oder Einfluss haben, unter Achtung des Grundsatzes der Unabhängigkeit und Autonomie der Medien folgende Massnahmen zu treffen:

1189

Regional- oder Minderheitensprachen

a)

soweit Hörfunk und Femsehen eine öffentliche Aufgabe erfüllen, i) die Einrichtung mindestens eines Hörfunksenders und eines Fernsehkanals in den Regional- oder Minderheitensprachen sicherzustellen oder ii) zur Einrichtung mindestens eines Hörfunksenders und eines Fernsehkanals in den Regional- oder Minderheitensprachen zu ermutigen und/oder sie zu erJeichtern oder üi) angemessene Vorkehrungen dafür zu treffen, dass Rundfunkveranstalter Sendungen in den Regional- oder Minderheitensprachen anbieten; b) i) zur Einrichtung mindestens eines Hörfunksenders in den Regional- oder Minderheitensprachen zu ermutigen und/oder sie zu erleichtern oder ü) zur regelmässigen Ausstrahlung von Hörfunksendungen in den Regionaloder Minderheitensprachen zu ermutigen und/oder sie zu erleichtern; c) i) zur Einrichtung mindestens eines Femsehkanals in den Regional- oder Minderheitensprachen zu ermutigen und/oder sie zu erleichtern oder Ü) zur regelmässigen Ausstrahlung von Fernsehsendungen in den Regionaloder Minderheitensprachen zu ermutigen und/oder sie zu erleichtern; d) zur Produktion und Verbreitung .von Audio- und audiovisuellen Werken in den Regional- oder Minderheitensprachen zu ermutigen und/oder sie zu erleichtern; e) i) zur Schaffung und/oder Erhaltung mindestens einer Zeitung in den Regional- oder Minderheitensprachen zu ermutigen und/oder sie zu erleichtern oder ü) zur regelmässigen Veröffentlichung von Zeitungsartikeln in den Regional- oder Minderheitensprachen zu ermutigen und/oder sie zu erleichtern; f) i) die zusätzlichen Kosten derjenigen Medien zu decken, die Regional- oder Minderheitensprachen gebrauchen, wenn das Recht eine finanzielle Hilfe für die Medien allgemein vorsieht, oder ii) die bestehenden Massnahmen finanzieller Hilfe auf audiovisuelle Produktionen in Regional- oder Minderheitensprachen zu erstrecken; g) die Ausbildung von Journalisten und anderem Personal für Medien zu unterstützen, die Regional- oder Minderheitensprachen gebrauchen.

2) Die Vertragsparteien verpflichten sich, den freien direkten Empfang von Hörfunk- und Fernsehsendungen aus Nachbarländern in einer Sprache zu gewährleisten, die in derselben oder ähnlicher Form wie die Regional- oder Minderheitensprache gebraucht wird, und die Weiterverbreitung von Hörfunk- und Fernsehsendungen aus Nachbarländern in einer solchen Sprache
nicht zu behindern. Sie verpflichten sich ferner, sicherzustellen, dass die Freiheit der Meinungsäusserung und die freie Verbreitung von Informationen in den Printmedien in einer Sprache, die in derselben oder ähnlicher Form wie die Regional- oder Minderheitensprache gebraucht wird, keiner Einschränkung unterworfen werden. Da die Ausübung der erwähnten Freiheiten Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, kann sie bestimmten, vom Gesetz vorgesehenen Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des

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Regional- oder Minderheitensprachen

guten Rufes oder der Rechte anderer unentbehrlich sind, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten.

3) Die Vertragsparteien verpflichten sich, sicherzustellen, dass die Interessen der Sprecher von Regional- oder Minderheitensprachen innerhalb etwaiger im Einklang mit dem Gesetz geschaffener Gremien, die für die Gewährleistung von Freiheit und Pluralismus der Medien verantwortlich sind, vertreten oder berücksichtigt werden, Artikel 12 Kulturelle Tätigkeiten und Einrichtungen I) In bezug auf kulturelle Einrichtungen und Tätigkeiten - insbesondere Bibliotheken, Videotheken, Kulturzentren, Museen, Archive, Akademien, Theater und Kinos sowie literarische Werke und Filmproduktionen, volkstümliche Formen des kulturellen Ausdrucks, Festspiele und die Kulturindustrien, einschliesslich unter anderem des Einsatzes neuer Technologien - verpflichten sich die Vertragsparteien, in dem Gebiet, in dem solche Sprachen gebraucht werden, in dem Ausmass, in dem die staatlichen Stellen in diesem Bereich Zuständigkeit, Befugnisse oder Einfluss haben, a) zu den Regional- oder Minderheitensprachen eigenen Formen des Ausdrucks und der Initiative zu ermutigen sowie die verschiedenen Zugangsmöglichkeiten zu den in diesen Sprachen geschaffenen Werken zu fördern; b) die verschiedenen Zugangsmöglichkeiten zu den in Regional- oder Minderheitensprachen geschaffenen Werken in anderen Sprachen zu fördern, indem sie Tätigkeiten auf dem. Gebiet der Übersetzung, Synchronisation, Nachsynchronisation und Untertitelung unterstützen und ausbauen; c) in Regional- oder Minderheitensprachen den Zugang zu Werken zu fördern, die in anderen Sprachen geschaffen worden sind, indem sie Tätigkeiten auf dem Gebiet der Übersetzung, Synchronisation, Nachsynchronisation und Untertitelung unterstützen und ausbauen; d) sicherzustellen, dass die für die Veranstaltung oder Unterstützung kultureller Tätigkeiten verschiedener Art verantwortlichen Gremien bei den Unternehmungen, die sie ins Leben rufen oder unterstützen, in angemessener Weise dafür sorgen, dass die Kenntnis und der Gebrauch von Regional- oder Minderheitensprachen sowie Regional- oder Minderheitenkulturen berücksichtigt werden; e) Massnahmen zu fördern, um sicherzustellen, dass die für die
Veranstaltung oder Unterstützung kultureller Tätigkeiten verantwortlichen Gremien über Personal verfügen, das die betreffende Regional- oder Minderheitensprache sowie die Sprache(n) der übrigen Bevölkerung beherrscht; f) zur unmittelbaren Mitwirkung von Vertretern der Sprecher einer bestimmten Regional- oder Minderheitensprache bei der Bereitstellung von Einrichtungen und der Planung kultureller Tätigkeiten zu ermutigen; g) zur Schaffung eines oder mehrerer Gremien, die für die Sammlung, Aufbewahrung und Aufführung oder Veröffentlichung von in den Regional- oder Minderheitensprachen geschaffenen Werken verantwortlich sind, zu ermutigen und/oder sie zu erleichtern;

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h)

wenn nötig Übersetzungs- und Terminologieforschungsdienste zu schaffen und/oder zu fördern und zu finanzieren, insbesondere im Hinblick auf die Erhaltung und Entwicklung geeigneter Terminologie in jeder Regional- oder Minderheitensprache für die Bereiche Verwaltung, Handel, Wirtschaft, Gesellschaft, Technik oder Recht.

2) In bezug auf andere Gebiete als diejenigen, in denen die Regional- oder Minderheitensprache herkömmlicherweise gebraucht werden, verpflichten sich die Vertragsparteien, wenn die Zahl der Sprecher einer Regional- oder Minderheitensprache dies rechtfertigt, geeignete kulturelle Tätigkeiten und Einrichtungen in Übereineinstimmung mit Absatz l zuzulassen, dazu zu ermutigen und/oder sie vorzusehen.

3) Die Vertragsparteien verpflichten sich, bei der Verfolgung ihrer Kulturpolitik im Ausland Regional- oder Minderheitensprachen und die in ihnen zum Ausdruck kommenden Kulturen angemessen zu berücksichtigen.

Artikel 13 Wirtschaftliches und soziales Leben 1) In bezug auf wirtschaftliche und soziale Tätigkeiten verpflichten sich die Vertragsparteien, im ganzen Land a) aus ihrem Recht jede Bestimmung zu entfernen, die den Gebrauch von Regional- oder Minderheitensprachen in Urkunden betreffend das wirtschaftliche oder soziale Leben, insbesondere Arbeitsverträgen, sowie in technischen Schriftstücken wie Gebrauchsanweisungen für Erzeugnisse oder Anlagen ungerechtfertigt verbietet oder einschränkt; b) die Aufnahme von Klauseln, die den Gebrauch von Regional- oder Minderheitensprachen ausschliessen oder einschränken, in innerbetriebliche Vorschriften und Privaturkunden zumindest zwischen Personen, die dieselbe Sprache gebrauchen, zu verbieten; c) Praktiken entgegenzutreten, die den Gebrauch von Regional- oder Minderheitensprachen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen oder sozialen Tätigkeiten behindern sollen; d) den Gebrauch von Regional- oder Minderheitensprachen durch andere als die unter den Buchstaben a bis c genannten Mittel zu erleichtern und/oder dazu zu ermutigen, 2) In bezug auf wirtschaftliche und soziale Tätigkeiten verpflichten sich die Vertragsparteien, insoweit die staatlichen Stellen zuständig sind, in dem Gebiet, in dem die Regional- oder Minderheitensprachen gebraucht werden, im Rahmen des Zumutbaren a) in ihre Finanz- und Bankvorschriften Bestimmungen aufzunehmen, die im Wege
von Verfahren, welche mit den Handelsbräuchen vereinbar sind, den Gebrauch von Regional- oder Minderheitensprachen beim Ausstellen von Zahlungsanweisungen (Schecks, Wechseln usw.) oder sonstigen Finanzdokumenten ermöglichen, oder, wo dies in Betracht kommt, die Durchführung solcher Bestimmungen sicherzustellen; b) in den ihrer unmittelbaren Kontrolle unterstehenden Wirtschafts- und Sozialbereichen (öffentlicher Sektor) Massnahmen zur Förderung des Gebrauchs von Regional- oder Minderheitensprachen zu ergreifen;

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c)

d) e)

sicherzustellen, dass soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser, Altersheime und Heime die Möglichkeit bieten, Sprecher einer Regional- oder Minderheitensprache, die aufgrund von Krankheit, Alter oder aus anderen Gründen der Betreuung bedürfen, in deren eigener Sprache, aufzunehmen und zu .behandeln; durch geeignete Mittel sicherzustellen, dass Sicherheitsvorschriften auch in Regional- oder Minderheitensprachen zugänglich sind; dafür zu sorgen, dass Informationen der zuständigen staatlichen Stellen über die Rechte der Verbraucher in Regional- oder Minderheitensprachen erhältlich sind,

Artikel 14 Grenzüberschreitender Austausch Die Vertragsparteien verpflichten sich, a) bestehende zwei- und mehrseitige Übereinkünfte anzuwenden, die sie mit den Staaten verbinden, in denen dieselbe Sprache in derselben oder ähnlicher Form gebraucht wird, oder sich, wenn nötig, um den Abschluss solcher Übereinkünfte zu bemühen, um dadurch Kontakte zwischen den Sprechern derselben Sprache in den betreffenden Staaten in den Bereichen Kultur, Bildung, Information, berufliche Bildung und Weiterbildung zu fördern; b) zugunsten von Regional- oder Minderheitensprachen die grenzüberschreitende Zusammenarbeit insbesondere zwischen regionalen oder örtlichen Behörden zu erleichtern und zu fördern, in deren örtlichem Zuständigkeitsbereich dieselbe Sprache in derselben oder ähnlicher Form gebraucht wird.

Teil IV Anwendung der Charta Artikel 15 Regelmässige Berichte 1) Die Vertragsparteien legen dem Generalsekretär des Europarats in einer vom Ministerkomitee zu bestimmenden Form in regelmässigen Abständen einen Bericht über ihre in Übereinstimmung mit Teil II dieser Charta verfolgte Politik und über die in Anwendung der von ihnen angenommenen Bestimmungen des Teiles IH getroffenen Massnahmen vor. Der erste Bericht wird innerhalb des Jahres vorgelegt, das auf das Inkrafttreten der Charta für die betreffende Vertragspartei folgt, die weiteren Berichte in Abständen von drei Jahren nach Vorlage des ersten Berichts.

2) Die Vertragsparteien veröffentlichen ihre Berichte.

Artikel 16 Prüfung der Berichte 1) Die dem Generalsekretär des Europarats nach Artikel 15 vorgelegten Berichte werden von einem nach Artikel 17 eingesetzten Sachverständigenausschuss geprüft.

2) In einer Vertragspartei rechtmässig gegründete Organisationen oder Vereinigungen können den Sachverständigenausschuss auf Fragen aufmerksam machen, die sich auf die von der betreffenden Vertragspartei nach Teil IH dieser Charta eingegangenen Verpflichtungen beziehen. Nach Konsultation der betroffenen Vertragspartei kann der Sachverständigenausschuss diese Informationen bei der Ausarbeitung des in Absatz 3 genannten Berichts berücksichtigen. Diese Organisationen

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oder Vereinigungen können ausserdem Erklärungen zu der von einer Vertragspartei in Übereinstimmung mit Teil II verfolgten Politik vorlegen.

3) Auf der Grundlage der in Absatz l genannten Berichte und der in Absatz 2 erwähnten Informationen arbeitet der Sachverständigenausschuss einen Bericht für das Ministerkomitee aus. Diesem Bericht werden die Stellungnahmen, um welche die Vertragsparteien ersucht wurden, beigefügt; er kann vom Ministerkomitee veröffentlicht werden.

4) Der in Absatz 3 genannte Bericht enthält insbesondere die Vorschläge des Sachverständigenausschusses an das Ministerkomitee für die Ausarbeitung von etwa erforderlichen Empfehlungen des Ministerkomitees an eine oder mehrere Vertragsparteien.

5) Der Generalsekretär des Europarats erstattet der Parlamentarischen Versammlung alle zwei Jahre ausführlich Bericht über die Anwendung der Charta.

Artikel 17 Sachverständigenausschuss 1} Der Sachverständigenausschuss besteht aus einem Mitglied je Vertragspartei, das vom Ministerkomitee aus einer Liste von durch die betreffende Vertragspartei vorgeschlagenen Persönlichkeiten von höchster Integrität und anerkannter Sachkenntnis in den durch die Charta erfassten Angelegenheiten ausgewählt wird.

2) Die Mitglieder des Ausschusses werden für die Dauer von sechs Jahren ernannt; Wiederernennung ist zulässig. Kann ein Mitglied seine Amtszeit nicht beenden, so wird es nach dem in Absatz l festgelegten Verfahren ersetzt; das an seine Stelle tretende Mitglied vollendet die Amtszeit seines Vorgängers.

3) Der Sachverständigenausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung. Sein Sekretariat wird durch den Generalsekretär des Europarats versehen.

Teil V Schlussbestimmungen Artikel 18 Diese Charta liegt für die Mitgliedstaaten des Europarats zur Unterzeichnung auf.

Sie bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung. Die Ratifikatiohs-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretär des Europarats hinterlegt.

Artikel 19 1) Diese Charta tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach dem Tag folgt, an dem fünf Mitgliedstaaten des Europarats nach Artikel 18 ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch die Charta gebunden zu sein.

2) Für jeden Mitgliedstaat, der später seine Zustimmung ausdrückt, durch die Charta gebunden zu sein, tritt sie am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Hinterlegung der Ratifikations-, Annahmeoder Genehmigungsurkunde folgt.

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Artikel 20 1) Nach Inkrafttreten dieser Charta kann das Ministerkomitee des Europarats jeden Nichtmitgliedstaat des Europarats einladen, der Ghana beizutreten.

2) Für jeden beitretenden Staat tritt die Charta am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Hinterlegung der Beitrittsurkunde beim Generalsekretär des Europarats folgt.

Artikel 21 1) Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde einen oder mehrere Vorbehalte zu Artikel 7 Absätze 2 bis 5 anbringen. Weitere Vorbehalte sind nicht zulässig.

2) Jeder Vertragsstaat, der einen Vorbehalt nach Absatz l angebracht hat, kann ihn durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation ganz oder teilweise zurücknehmen. Die Rücknahme wird mit dem Eingang der Notifikation beim Generalsekretär wirksam.

Artikel 22 I) Jede Vertragspartei kann diese Charta jederzeit durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation kündigen.

2} Die Kündigung wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von sechs Monaten nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär folgt.

Artikel 23 Der Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitgliedstaaten des Rates und jedem Staat, der dieser Charta beigetreten ist, a) jede Unterzeichnung; b) jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde; c) jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Charta nach den Artikeln 19 und 20; d) jede nach Artikel 3 Absatz 2 eingegangene Notifikation; e) jede andere Handlung, Notifikation oder Mitteilung im Zusammenhang mit dieser Charta.

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Regional- oder Minderheitensprachen

Zu Vrkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten diese Charta unterschrieben.

Geschehen zu Strassburg am 5, November 1992 in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermassen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarats hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt allen Mitgliedstaaten des Europarats und allen zum Beitritt zu dieser Charta eingeladenen Staaten beglaubigte Abschriften.

Es folgen die Unterschriften

8815

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft über die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen vom 25.

November 1996

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1997

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

08

Cahier Numero Geschäftsnummer

96.098

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

01.03.1997

Date Data Seite

1165-1196

Page Pagina Ref. No

10 054 163

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.