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Organisations- und Führungsprobleme bei der Pensionskasse des Bundes (PKB) und Rolle des Eidgenössischen Finanzdepartementes in Bezug auf die PKB Stellungnahme des Bundesrates zum Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) vom 13. November 1996

Sehr geehrte Herren Präsidenten, 'sehr geehrte Damen und Herren, wir unterbreiten Ihnen die Stellungnahme des Bundesrates zum Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission vom V.Oktober 1996 und zu den Vorstössen der Kommission im Zusammenhang mit ihren Abklärungen.

13. November 1996

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Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Delamuraz Der Bundeskanzler: Couchepin

1W7-752

Stellungnahme l

Grundsätzliche Würdigung der Arbeit und des Berichts der PUK PKB

Der Bundesrat anerkennt, dass die parlamentarische Untersuchungskommission in Sachen Pensionskasse des Bundes (PUK PKB) eine beeindruckende Leistung erbracht hat. Insbesondere der analytische Teil ihres Berichts vermag über weite Strecken zu überzeugen und ist eine wertvolle Grundlage für die Bewältigung der Probleme bei der Pensionskasse des Bundes (PKB). In Verbindung mit den konkreten Empfehlungen in den Bereichen «Informatiksysteme», «Finanzen» sowie «Organisation und Führung» sind die Erkenntnisse der Kommission der Verwaltung eine echte Hilfe, die es im Blick auf eine rasche Entschärfung der Problemlage und eine schrittweise Umsetzung von tragfähigen Lösungen für die Zukunft zu nutzen gilt.

Dankbar ist der Bundesrat der Kommission sodann für das in den Bericht integrierte Wort an die Mitglieder und Rentenbeziehenden der PKB. Darin wird den Versicherten sachlich, verständlich und zutreffend erklärt, dass ihre Altersvorsorge nicht gefährdet ist und sich rein präventive Anfragen an die PKB erübrigen.

Positiv beurteilt der Bundesrat schliesslich auch die während der gesamten Dauer der Untersuchung sehr konstruktive Zusammenarbeit mit der Kommission. Sie belegt, dass die PUK PKB an der Erziefung von Fortschritten in der Sache interessiert war.

Was die Bewertung von Sachverhalten und was die Schlussfolgerungen betrifft, kann sich der Bundesrat der Kommission nicht in allen Teilen anschliessen. So können etwa verschiedene Massnahmenvorschläge der Kommission, die auf eine Stärkung der parlamentarischen Oberaufsicht abzielen, nach Auffassung des Bundesrates nicht zwingend aus den gerügten Sachverhalten und den Wertungen im Untersuchungsbereich der PUK PKB abgeleitet werden. Der Bundesrat stimmt der Kommission hingegen darin zu, dass er sich mit einigen Problemen des Kollegialsystems, welche die Aufsicht des Kollegiums über einen Departementsvorsteher oder eine Departementsvorsteherin erschweren, vertieft befassen muss. Er teilt indessen die Meinung der PUK PKB nicht, wonach das Kollegialsystem als solches versagt hat. Es darf nämlich nicht übersehen werden, dass der Problemfall Eidgenössische Versicherungskasse (EVK) bzw. Pensionskasse des Bundes (PKB) in seiner Art einmalig ist und sich andernorts in gleicher Weise kaum wiederholen kann. Die Anhäufung verschiedenartiger Aufsichts- bzw. Kontrollpflichten
bei ein und denselben Organen, verbunden mit hierarchisch und funktional nicht harmonierenden Unterstellungsverhältnissen, ist für die EVK bzw. PKB typisch und ist erwiesenermassen eine Fehlkonstruktion, Eine Neuordnung dieser Aufgaben drängt sich demzufolge auf. Darin pflichtet der Bundesrat der Kommission bei. Dagegen ist für ihn die Notwendigkeit einer vorgezogenen punktuellen Neuregelung des Verhältnisses zwischen Parlament und Regierung nicht gegeben. Vor allem widersetzt er sich Vorschlägen der Kommission, die geeignet sind, die Gewaltenteifung zu verletzen und damit die Verantwortlichkeiten zu verwischen. Daran kann auch das Parlament kein Interesse haben. Würde es im Kompetenzbereich des Bundesrates steuernd intervenieren, so würde es auch im Bereich der Exekutive Mitverantwortung übernehmen und damit jede Glaubwürdigkeit als unabhängige Kontrollinstanz verlieren.

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Was die Zuweisung von Verantwortlichkeiten betrifft, akzeptiert der Bundesrat aus heutiger Sicht den Vorwurf, zu spät und zu wenig nachhaltig reagiert und den zuständigen Departementsvorsteher in der Problembewältigung nicht aktiv genug begleitet zu haben. Zudem anerkennt der Bundesrat, dass auf Ebene Bundesamt und Departement Einschätzungs- und Führungsfehler begangen wurden, die sich für die Kasse fatal ausgewirkt haben. Die durch die Kommission in bezug auf den vormaligen Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartementes (EFD) aufgeworfene Rücktrittsfrage erachtet er hingegen als verfehlt. Zum einen ist auch bei der Bewertung von Fehlern die Gesamtleistung eines Departementschefs zu berücksichtigen, und zum andern waren der Wille und der Einsatz von Bundesrat Otto Stich zur Lösung der Probleme ausgeprägt.

Schliesslich weist der Bundesrat darauf hin, dass seine Stellungnahme nicht als abschliessend gelten kann, sondern sich im wesentlichen auf die Kommentierung der politisch bedeutsamen Aussagen und Vorschläge der Kommission beschränkt.

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Zu den Untersuchungsergebnissen der Sektionen der PUR PKB

Die mit der Abklärung der Bereiche «Informatiksysteme», «Finanzen» sowie «Organisation und Führung» betrauten drei Sektionen der PUK PKB haben ihre Analysetätigkeit breit angelegt und sind den zu untersuchenden Fragen durchwegs auf den Grund gegangen. Das Ergebnis ihrer Arbeit ist eine umfassende, realitätsnahe Beschreibung der vielschichtigen Probleme, mit denen die PKB seit Jahren und nach wie vor zu kämpfen hat. Überzeugend wurde nachgewiesen, dass die Probleme keineswegs nur auf ein ungenügendes Informatikprogramm reduziert werden können, sondern dass eine Vielzahl von Ursachen zu den Schwierigkeiten geführt hat. Es ist der Kommission gelungen, viele der Problemursachen zu benennen und die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Problemfeldern aufzuzeigen. Die Chancen für die Erarbeitung wirksamer Abhilfemassnahmen sind damit gestiegen, auch wenn der Weg zu deren Umsetzung noch weit ist.

Der Bundesrat kann nicht auf alle Untersuchungsergebnisse im einzelnen eingehen.

Er hält es jedoch für angezeigt, zwei von den Sektionen «Informatiksysteme» respektive «Finanzen» gerügte Sachverhalte, die den Bund als solchen betreffen, zu kommentieren.

Zum einen geht es um die Feststellung der Kommission, es bestehe in der Bundesverwaltung, trotz der Schaffung des Bundesamtes für Informatik (BFI) mit seinen Querschnittaufgaben, ausser für Hardware keine Informatik-Kultur, und es fehlten Leute mit einem Blick für das informatikrelevante Gesamtinteresse des Bundes.

Daran schliessen sich u. a. die Empfehlungen an, vordringlich eine Bundes-Informatik-Strategie zu entwickeln und die Zukunft des BFI und der Informatikkonferenz des Bundes in deren Licht zu überdenken sowie ein wirksames Controlling und Qualitätsmanagement im Informatikbereich einzuführen.

Dazu stellt der Bundesrat fest, dass Aufgaben und Organisation des BFI im Rahmen der Verwaltungsreform RR 93 zur Zeit eingehend geprüft werden. Zuständig für die Klärung des Reformbedarfs und die Erarbeitung konkreter Reformvorschläge im Bereich Informatik ist eine Analysegruppe «Interne Infrastruktur». Ausgehend von einer departementsübergreifenden Betrachtungsweise der Informatik beschäftigt sich die Analysegruppe vor allem mit der Frage, wie die Prozesse und Strukturen in diesem Bereich verbessert und die Ressourcen optimaler eingesetzt

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werden können. Dabei werden die Vor- und Nachteile von zentralen bzw. dezentralen Lösungsansätzen gegeneinander abzuwägen sein. Konkret geht es darum, Informatikprojekte wirksamer zu koordinieren, Kernkompetenzen neu zu definieren, Redundanzen zu beseitigen, Schnittstellen zu vermindern und Standards konsequenter durchzusetzen. Erste Ergebnisse werden bis Ende des laufenden Kalenderjahres erwartet.

Relativ viel Raum widmet die Kommission sodann der Frage nach dem Ausmass von eingetretenen finanziellen Schäden, die entweder die PKB bzw. den Bund oder Versicherte betreffen. Obwohl es sich wegen der mangelhaften Datenlage und des schlechten Zustandes der Buchhaltung der Kasse als unmöglich erwies, den konkreten Schaden zu ermitteln, steht für die Kommission ausser Diskussion, dass erhebliche Schäden eingetreten sind. Sie erwartet denn auch, dass die im Rahmen der systematischen Dossierbereinigung erkannten realisierten Schäden lückenlos dokumentiert werden, damit eine nachträgliche Schadensbezifferung möglich wird.

Der Bundesrat hält dieses Anliegen der Kommission für berechtigt und wird ihm in geeigneter Weise Rechnung tragen. Im übrigen legt der Bundesrat Wert auf die Feststellung, dass fehlerhafte Berechnungen von Kassenleistungen bei der laufenden Prüfung und Bereinigung der Versichertendossiers korrigiert werden und dass der Bund gegenüber den Kassenmitgliedern für die zugesicherten Leistungen haftet. Was ferner die auf die PKB entfallenden Aufwendungen des Bundes für externe Beratungen, Expertisen und Ersatzsoftware in den Jahren 1989-1995 angeht, welche die Kommission unter «Schäden^im administrativen Bereich» subsumiert, gibt der Bundesrat zu bedenken, dass zumindest ein Teil dieser Kosten auch bei einer gut funktionierenden PKB angefallen wäre. Ähnliches gilt für die Entwicklung des Personalbestandes der PKB, der ab 1988 sukzessive und zwischen 1993 und 1996 sprunghaft angestiegen ist. Wie die Kommission in der ihrem Bericht vorangestellten Zusammenfassung selbst erklärt, verfügte die PKB während Jahren und bis 1994 konstant über zu wenig Personal; ein gewisser Nachholbedarf bestand also wohl unabhängig von den Problemen der Kasse. Sobald sich allerdings eine nachhaltige Lösung der Probleme abzuzeichnen beginnt, wird die Organisationsstruktur der PKB zu optimieren sein. Dannzumal wird sich zeigen, ob wieder eine angemessene Reduktion des Personalbestandes angestrebt werden kann.

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Zur Rolle des Bundesrates und des Parlamentes

Dem Bundesrat wirft die Kommission eine klare Verletzung seiner Pflichten als Aufsichtsinstanz vor: allgemein über die gesamte Bundesverwaltung, im besonderen über das EFD und die EVK, sowie als Dienstaufsichtsbehörde nach dem Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge (BVG) über das EFD, in dessen Eigenschaft als Aufsichtsbehörde der PKB.

Die in den Kommissionsbericht integrierte Chronologie der Ereignisse zeigt, dass sich die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates und die Finanzdelegation ab 1987 ebenso regelmässig wie intensiv mit der EVK befassten. Sie hatten in die tatsächliche Situation der Kasse einen mindestens so guten Einblick wie der Bundesrat. Die PUK PKB vertritt denn auch die Auffassung, das Parlament habe seine Oberaufsichtsfunktion über Jahre hinweg sehr aktiv wahrgenommen. Und den parlamentarischen Kontrollkommissionen attestiert sie, sie hätten ihren Auftrag in genügendem Mass erfüllt. Der Bundesrat teilt diese Meinung. Trotzdem wurden die Probleme nicht gelöst. Dies ist ein Indiz dafür, dass nicht mangelnde Aufsicht

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deren Ursache gewesen sein dürfte, sondern eben Führungsfehler, die vor allem auf Stufe EVK und EFD, teilweise auch auf Stufe Bundesrat, gemacht wurden. Auch vermehrte parlamentarische Kontrollinstrumente hätten daran nichts geändert.

Im Rückblick akzeptiert der Bundesrat den Vorwurf, dass er den Vorsteher des EFD früher, als es tatsächlich geschehen ist, hätte zu Massnahmen verpflichten und ihn bei der Problembewältigung auch aktiver hätte begleiten müssen. Angesichts der Signale aus Parlament und Öffentlichkeit hat er zu spät und zu wenig nachhaltig reagiert.

Zweifellos wurde der Bundesrat in seiner abwartenden Haltung durch die wiederholten Versicherungen des Vorstehers des EFD bestärkt, die Lösung der Probleme bedinge in erster Linie Zeit, damit die eingeleiteten Massnahmen greifen könnten.

Darin unterscheidet er sich kaum von den Organen der parlamentarischen Oberaufsicht, die sich während langer Zeit auch immer wieder vertrösten Hessen. Bestärkt wurde der Bundesrat in seiner abwartenden Haltung aber auch durch Expertenberichte, die noch im Frühjahr 1995 ein relativ optimistisches Bild der Lage zeichneten und die Chancen für die Bewältigung der pendenten Probleme im Rahmen einer neuen Planung als nach wie vor intakt beurteilten. Und zugezogene Unternehmen von Weltruf trauten sich die Lösung der schwierigen Aufgabe durchaus zu, gerade auch im Informatikbereich.

Trotz dieser vermeintlichen Silberstreifen am Horizont hat der Bundesral im Zusammenhang mit der Wahl der amtierenden Direktorin der EVK den Vorsteher des EFD zur Berufung eines Sonderbeauftragten für die Geschäfte der EVK verpflichtet. Er hat dies mit der Auflage verbunden, dem Vorsteher des EFD zuhanden von Bundesrat und Parlament im Halbjahresrhythmus Bericht zu erstatten. Bereits im Dezember 1994 hatte der Bundesrat den Vorsteher des EFD zudem formell beauftragt, eine Expertengruppe mit der Beurteilung der langfristigen Problematik der EVK zu betrauen.

Beide Massnahmen sind als starke Eingriffe in die Kompetenzen eines Kollegen zu beurteilen. Die inneren Schwächen, die das Kollegialprinzip gemäss Beschreibung der PUK PKB aufweist, haben den Bundesrat also letztlich nicht daran gehindert, seine Führungsverantwortung wahrzunehmen.

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Zur Verwaltungskontrolle durch die Kollegialregierung Einleitende Bemerkungen

Die PUK PKB formuliert eine Reihe von schwerwiegenden Vorwürfen an die Adresse des schweizerischen Regierungssystems im allgemeinen und des Kollegialprinzips im besonderen. Stellenweise wird diese Kritik allerdings wieder relativiert, und in den Schlussfolgerungen schlägt sich die negative Beurteilung des Kollegialprinzips nicht nieder. Dennoch sind angesichts der Fundamentalkritik der Kommission am Bundesrat als Organ einige grundsätzliche Überlegungen zur Kontrolle im und durch das Kollegium angezeigt.

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Die Aufsicht des Bundesrates im allgemeinen

Im Rahmen der laufenden Reformdiskussionen ist eine mangelhafte Kontrollfähigkeit bisher kein zentraler Kritikpunkt gewesen. Deshalb besteht kein Anlass, aus dem Fall PKB den voreiligen Schluss zu ziehen, das Kollegialprinzip sei funktions-

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untauglich. Im Gegenteil spricht vieles dafür, einen Sonderfall anzunehmen, der für das Gesamtsystem nicht repräsentativ ist und seine Funktionsuntauglichkeit keineswegs schlüssig zu belegen vermag.

Der Bundesrat konzentriert seine verwaltungsleitende Aufsicht vor allem auf die obersten Verwaltungsmitglieder und auf bedeutende Situationen. Die eigentlichen Contro! l ing-Instrumente müssen auf Departementsstufe geschaffen werden, und der Bundesrat muss sicherstellen, dass das Departementscontrolling funktioniert.

Zudem muss er sich 'die Möglichkeit vorbehalten, bei Bedarf direkt in ein Departement einzugreifen. Die beaufsichtigende Eigentätigkeit des Bundesrates kann sich also auf die Aufsicht darüber zurückziehen, ob das durchgehende Kontrollsystem funktioniert. Es geht sozusagen um die Aufsicht über die Aufsicht.

Damit seien die Aufsichtsfunktionen nach Artikel 102 Ziffer 15 der Bundesverfassung keineswegs negiert. Die konkrete Wahrnehmung dieser Funktionen überträgt der Gesetzgeber - soweit nicht die Departemente damit befasst sind -jedoch dem Bundespräsidenten und dem Bundeskanzler.

Zur Zeit sind in vielen Departementen neue Controlling-Instrumente im Aufbau, und ihm Rahmen der Verwaltungsreform wird sich der Bundesrat vertieft mit dieser Frage befassen müssen.

Eine umfassende Kontrolle durch den Bundesrat als Kollegium wäre im übrigen weder mit vertretbarem Aufwand institutionalisierbar, noch überhaupt wünschbar.

Es darf auch nicht übersehen werden, dass übertriebene Kontrollen letztlich eine Organisation zu lahmen vermögen. Es kann falsch sein, nach jeder Fehlleistung, wie sie überall vorkommen kann, wo Menschen tätig sind, neue Kontrollmechanismen einzuführen. Wenn eine Organisation eine überdurchschnittliche Leistung erbringen soll, muss sie auch eine Kultur des Umgangs mit Fehlem entwickeln.

Misstrauenskulturen führen nicht zu guten Ergebnissen.

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Der Bundesrat als selbsttätiges Kollegium

Das Kollegialprinzip schweizerischer Prägung zeichnet sich durch die Selbsttätigkeit aus. Im Unterschied zu einem geführten Kollegium geht es um ein sich selber bewegendes Kollegium. Dieses kennt keine kompetenzmässig herausgehobene Führungsposition (Präsidium), während ein geführtes Kollegium ein Präsidium mit einem rechtlichen Instrumentarium zur Führung des Kollegiums aufweist.

Die Arbeit in einem derartigen Kollegium folgt eigenen Gesetzen. Weil bei unterschiedlichen Meinungen keine Führungsperson Entscheide fällen kann, müssen Entscheidungsprozesse solange fortgesetzt werden, bis ein Konsens gefunden ist oder zumindest klare Mehrheiten erreicht sind. Ständige Mehrheitsentscheide könnten das Klima im Kollegium belasten. Es ist selbstverständlich, dass ein derartiges System neben Vorteilen auch Nachteile aufweist. Man darf aber mit Fug behaupten, dass sich das Kollegialprinzip schweizerischer Prägung in Bund und Kantonen bewährt und gewiss nicht zu schlechteren Resultaten als andere Regierungssysteme geführt hat.

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Stärken des Kollegialprinzips

Von grosser Bedeutung ist die machtbeschränkende oder machtbrechende Funktion des Kollegiums. Eine Einzelperson kann nie die ganze in der Regierung angelegte

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Machtfülle an sich ziehen und ausüben. Damit wird die Gefahr des Machtmissbrauchs vermindert.

Sodann kommt das Kollegialprinzip dem Proporzgedanken der schweizerischen Demokratie entgegen. Die wesentlichen politischen Kräfte und die verschiedenen Sprachgruppen können im Bundesrat vertreten sein. Deshalb ist das Kollegium auch besonders befähigt, die für die nationale Einheit wichtigen Kompromisse zu verwirklichen. All das ist für unseren Staat mit vier Kulturen und vier Sprachen von Bedeutung.

Die Kollegialregierung eignet sich im weiteren ausgezeichnet für die immer wichtiger werdende Aufgabe der Koordination. Nicht zuletzt steht ein Kollegium für Dauerhaftigkeit und Kontinuität, die sich daraus ergibt, dass nicht alle Mitglieder gleichzeitig aus dem Kollegium ausscheiden.

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Risiken des Kollegialprinzips

Es kann nicht in Abrede gestellt werden, dass das Kollegialprinzip auch Risiken beinhaltet. Es verlangt vom einzelnen Mitglied den klaren Willen, Entscheide des Kollegiums auch dann mitzutragen, wenn es unterlegen ist. Das ist nicht immer einfach. Nicht auszuschliessen ist auch das gelegentliche Risiko, dass ein Mitglied das Geschäft eines andern Mitgliedes nur zurückhaltend kommentiert, um ein eigenes Geschäft möglichst unangefochten durchzubringen. Persönliche Nähe, an sich ein wertvolles Element des Kollegialprinzips, mag auch gelegentlich dazu verführen, nicht entschieden genug beim Geschäft eines Kollegen oder einer Kollegin zu intervenieren.

Gerade in einer Konkordanzregierung müssen sich Menschen mit sehr unterschiedlichen politischen Überzeugungen zu mehrheitsfähigen Lösungsvorschlägen zusammenfinden. Die Zahl der Beurteilungskriterien und Handlungsvarianten ist meist sehr hoch. Das ergibt oftmals schwierige Entscheidprozesse.

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Positiver Saldo von Stärken und Risiken; Aktivierung der Stärken

Trotz der erwähnten Risiken des Kollegialprinzips in der Spielart des schweizerischen Bundesrates ergibt sich im Ergebnis ein positiver Saldo. Das praktisch schwierigste Problem ist wohl die Beaufsichtigung der Departementsspitzen durch das Kollegium, das gerade aus diesen Spitzen zusammengesetzt ist. Diese Beaufsichtigung läuft in weitem Mass auf eine Selbstkontrolle zu. Wie der Fall PKB zeigt, kann es angezeigt sein, diese Kontrolle durch geeignete Massnahmen gezielt zu aktivieren und zu stärken. Grundsätzlich in Frage kommen für den Bundesrat insbesondere folgende Möglichkeiten, die er vertieft prüfen will: - Das Kollegialprinzip, einschliesslich der psychologischen Faktoren, die in ihm wirksam werden, könnte im Bundesrat periodisch thematisiert werden. Dies könnte allfällig bestehende Probfeme immer wieder bewusst machen.

- Das Instrument der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) könnte vom Kollegium verstärkt als Frühwarnsystem genutzt werden. Gemäss Artikel 15 Absatz 3 des Finanzkontrollgesetzes unterrichtet die EFK den zuständigen Departementschef und den Vorsteher des EFD über besondere Vorkommnisse und über Mängel von grundsätzlicher oder erheblicher finanzieller Bedeutung. Diese Uhterrichtung könnte an den Bundesrat gehen, der darüber zu beraten hätte. Zudem wäre 104

eine formelle Traktandierung und Behandlung des Jahresberichtes der EFK vorzusehen.

- Der Bundesrat könnte seine Beschlüsse nach aussen vermehrt gemeinsam vertreten und verantworten.

- Im Rahmen der Verwaltungsreform ist der Weiterentwicklung der bundesrätlichen Führungs- und ControlHng-Instrumente ein besonderes Augenmerk zu schenken.

- In sehr schwerwiegenden Fällen könnte der Bundesrat vernachlässigte Departementsgeschäfte nötigenfalls an sich ziehen. Ein anderes Mitglied des Kollegiums könnte beispielsweise mit dem fraglichen Dossier betraut werden. Als mildere Massnahme könnte das Kollegium eine Überprüfung des Dossiers durch eine departementsfremde Instanz verfügen. In Frage kämen dafür sowohl interne wie externe Experten und Expertinnen. Auch die Verwaltungskontrolle des Bundesrates könnte hier eine Rolle spielen.

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Zur geplanten Verstärkung der parlamentarischen Oberaufsicht

Wie bereits dargelegt, lässt sich die Tatsache, dass die Probleme der PKB während Jahren nicht gelöst werden konnten, nicht mit Defiziten im Bereich der Oberaufsichtskompetenzen des Parlaments erklären. Der Fall PKB kann deshalb nicht dazu dienen, die angebliche Notwendigkeit von Massnahmen zu begründen, die den Einfluss des Parlaments kraft Oberaufsicht verstärken sollen.

Die Kommission kleidet ihre diesbezüglichen Anträge an die eidgenössischen Räte ausnahmslos in die Form der parlamentarischen Initiative. Entsprechend könnte der Bundesrat mit einer materiellen Stellungnahme an sich zuwarten (vgl. Art. 21bisff.

und namentlich Art. 21'i""'" Abs. 3 des Gcschäftsverkehrsgesetzes; SR 171.H)Angesichts der Tragweite, die insbesondere den Initiativen Nr. 2 und Nr. 3 in staatspolitischer Hinsicht zukommt, möchte der Bundesrat jedoch zumindest seine diesbezügliche Grundhaltung dem Parlament bereits heute zur Kenntnis bringen.

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Zur parlamentarischen Initiative Nr. 2

Mit diesem Antrag greift die PUK PKB auf einen Vorschlag zurück, den die Expertenkommission Georg Müller in ihrem Bericht vom 15. Dezember 1995 über eine Parlamentsreform zuhanden der Staatspolitischen Kommissionen der eidgenössischen Räte vorgebracht hat (BB1 Ì996 II 428 ff., bes. 464ff.).

Ein Kernstück der vorgeschlagenen Neuerung bildet der sogenannte «Auftrag».

Dieser ist eine bedeutende Verstärkung der bisherigen Motion, die entweder daneben noch beibehalten oder abgeschafft werden soll. Der Bundesrat wird in einem «Auftrag» verpflichtet, den Entwurf zu einem Erlass der Bundesversammlung vorzubereiten oder eine bestimmte Massnahme zu treffen. «Eine Massnahme zu treffen» wird weit verstanden. Insbesondere soll darunter auch das Handeln des Bundesrates in seinem eigenen Kompetenzbereich fallen. Es kann ihm auferlegt werden, Verordnungen oder Rcgierungsakte zu erlassen, aber auch eine Verwaltungstätigkeit entsprechend dem Auftrag der Bundesversammlung vorzunehmen. Das Parlament gebietet dem Bundesrat demnach, dass er handelt und welchen Inhalt er seinem Akt zu geben hat. Zwar wird erklärt, der Auftrag im Kompetenzbereich des Bundesrates wirke nur als «Richtlinie», nicht als «Weisung». Der Bundesrat könne

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bei einer Richtlinie vom Text des «Auftrags» abweichen, müsse dies allerdings begründen und - was nur verdeckt zum Ausdruck kommt - darüber Rechenschaft ablegen. Rechtlich gesehen bedeutet der «Auftrag» eine steuernde Intervention des Parlaments im Kompetenzbereich des Bundesrates. Formal wird der «Auftrag», soweit der Charakter einer «Richtlinie» gewahrt wird, als unverbindlich gekennzeichnet, aber seine Beachtung wird doch nachdrücklich gefordert. Der «Auftrag» ist mehr als eine blosse «Empfehlung», faktisch nähert er sich unvermeidlich der kategorischen «Weisung». (Bekanntlich divergieren heute die Geschäftsreglemente bezüglich der Motion, die vom Bundesrat «Massnahmen» verlangt: Für den Nationalrat gibt die Motion weitgehend schon Weisungen im Kompetenzbereich des Bundesrates, für den Ständerat existiert diese Rechtsfigur nicht.)

Der «Auftrag» ist somit als konfliktträchtiges Instrument einzustufen, und zwar unabhängig davon, ob er die Wirkung einer Weisung oder einer Richtlinie haben soll. Unter dem Gesichtspunkt der parlamentarischen Erarbeitung gibt es keine unterschiedlichen Varianten des «Auftrags». Über Aufträge, die den Zuständigkeitsbereich des Bundesrates betreffen, wird die Bundesversammlung in gleicher Weise beraten, wie über Aufträge, die fraglos Weisungscharakter haben. Nach der Behandlung im Erstrat folgt die (detaillierte, materielle) Behandlung im Zweitrat, dann die Differenzbereinigung und schliesslich - wenn notwendig - eine Einigungskonferenz. Der Bundesrat hat deshalb Mühe zu glauben, dass ein im Parlament wie ein Bundesbeschluss eingehend beratener Text, auch wenn er seinen eigenen Zuständigkeitsbereich betrifft, vom Parlament nicht mit dem entsprechenden Druck übermittelt wird, d. h. in der festen Erwartung, dass er auch befolgt werde. Die Bezeichnung des «Auftrags» als Instrument, mit dem die Bundesversammlung Einfluss auf die Tätigkeit des Bundesrates nehmen kann, «ohne dessen Entscheidungsfreiheit zu verletzen» (Zitat PUK PKB), ist deshalb als problematische Qualifikation des neuen Instruments zu betrachten, Die Einführung eines parlamentarisch derart ausgeprägten Instruments hat aber auch Konsequenzen für die Bundesversammlung selbst. Ein «Auftrag», mit dem sich die Bundesversammlung nach eingehender Beratung in beiden Räten (mit Differenzbereinigung, nötigenfalls
sogar Einigungskonferenz) festlegt, steht einem formellen Bundesbeschluss nach Artikel 4 des Geschäftsverkehrsgesetzes (GVG) ausgesprochen nahe. Ein Abweichen davon setzt wiederum ein entsprechendes Handeln des ganzen Parlaments voraus. Der «Auftrag» in der vorgesehenen Form führt deshalb, gewollt oder ungewollt, zu einer gewissen Selbstbindung des Parlaments und schränkt dessen spätere Bewegungsfreiheit ein - in gleichem Mass, wie er den Bundesrat von Verantwortung entlastet. Damit stellt sich klar die Frage der Gewaltenteilung und die Frage, ob die Mitverantwortung des Parlaments eine unabhängige Oberaufsicht überhaupt noch zulässt. Der Bundesrat hegt dem Instrument des «Auftrags» gegenüber grossie staatspolîtische Bedenken und lehnt dessen Einführung ab.

Die Richtlinienkompetenz des Parlaments gegenüber dem Bundesrat ist nicht harmlos, und das neue Instrument ein folgenschwerer staatsrechtlicher Eingriff, der nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf. Die Rechtsfigur des Auftrags im Zuständigkeitsbereich des Bundesrates sollte,' wenn überhaupt, nicht isoliert, sondern im Gesamtzusammenhang einer allfa'IIigen Neuordnung der Instrumente des Parlaments gegenüber der Regierung behandelt werden.

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Zur parlamentarischen Initiative Nr. 3

Dieser Antrag der PUK PKB führt zu zwei verschiedenen, innerlich aber doch verwandten Problemkreisen, einerseits zur Frage nach der Natur der «Führungs- und Kontrolldaten der Departemente», anderseits zur Problematik der «Akteneinsicht in noch nicht abgeschlossene Verfahren».

Wenn unter «Führungs- und Kontrolldaten der Departemente» die Gesamtheit der Akten zu verstehen ist, die dem Departementschef oder der Departementschefin für die Führung des Departements zur Verfügung stehen, so stellt sich zwangsläufig einmal mehr- die Frage der Mitberichtsakten des bundesrätlichen Entscheidverfahrens. Zur Einsicht in Akten dieser Art ist heute als einzige Kommission die Finanzdelegation berechtigt (An. 50 Abs. 6 und 7 GVG). Die Geschäftsprüfungskommissionen haben nach Artikel 47iuatór Absatz l GVG das Recht, «von allen Behörden und Amtsstellen des Bundes die zweckdienlichen Auskünfte einzuholen und nach Anhören des Bundesrates die Herausgabe aller für die Beurteilung der Geschäftsführung wesentlichen Amtsakte der Bundesverwaltung zu verlangen». Auch dieser Zugriff geht sehr weit, doch steht dem Bundesrat nach Absatz 2 des erwähnten Artikels das Recht zu, den Geschäftsprüfungskommissionen anstelle der Herausgabe von Amtsakten einen Bericht zu erstatten, wenn dies «zur Wahrung eines Amtsgeheimnisses, zur Wahrung schutzwürdiger persönlicher Interessen oder aus Rücksicht auf ein noch nicht abgeschlossenes Verfahren unerlässlich ist.» Diese Bestimmung wurde stets so ausgelegt, dass die Mitberichtsakten nicht unter die herauszugebenden Akten fallen. Wenn die etwas unpräzise Formulierung der parlamentarischen Initiative Nr. 3 der PUK PKB unter den «Führungs- und Kontrolldaten der Departemente» auch die Mitberichtsakten des Entscheidungsprozesses auf der Ebene des Bundesrates umfassen sollte, kann dem Antrag der Kommission nach Auffassung des Bundesrates nicht entsprochen werden. Im Fall der Einsichtnahme weiterer - und erst noch zahlenmässig starker - Kommissionen in die Mitberichtsakten des Bundesrates wäre die für das Kollegialsystem nötige Vertraulichkeit, die seit einiger Zeit aus verschiedenen Gründen ohnehin vermehrten Strapazen ausgesetzt ist, nicht mehr zu halten und der Entscheidungsprozess des Bundesrates würde erheblich beeinträchtigt.

Ernsthafte Vorbehalte muss der Bundesrat auch bezüglich der
Einsichtnahme der Geschäftsprüfungskommissionen in die Akten noch nicht abgeschlossener Verfahren anbringen. Nach dem bereits zitierten Artikel 47iuatcr des Geschäftsverkehrsgesetzes ist die Rücksichtnahme auf ein noch nicht abgeschlossenes Verfahren eine der anerkannten Voraussetzungen für die Erstattung eines Amtsberichts anstelle der Herausgabe von Amtsakten. Die Einsichtnahme in solche Akten und die materielle Diskussion ihres Gehalts durch die Geschäftsprüfungskommissionen bedeuten zwangsläufig einen Akt der mitschreitenden Kontrolle, für die keine gesetzliche Grundlage besteht. Die wissenschaftlichen und politischen Warnungen vor dieser Ausdehnung des Kontrollbereichs der Geschäftsprüfungskommissionen sind bekannt und ernst zu nehmen. So hat Prof. Kurt Eichenberger in verschiedenen Publikationen zur Zurückhaltung gegenüber dieser Erweiterung der parlamentarischen Kontrolle gemahnt, da sich diese gern in eine direkte Mitgestaltung, Mitentscheidung und Mitverantwortung umwandle. Prof. Georg Müller schreibt in seinem zuhanden der Geschäftsprüfungskommissionen und des Bundesrates erstatteten Gutachten zu den Problemen der Abgrenzung der parlamentarischen Oberaufsicht vom Dezember 1991 wörtlich:

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Nachträglichkeil der Oberaufsicht bedeutet also, dass die verantwortlichen Organe Gelegenheit haben müssen, ihr Verhalten zu rechlfertigen, bevor das Parlament dazu Stellung nimmt. Es soll verhindert werden, dass die Bundesversammlung auf einen im Gang befindlichen Entscheidungsprozess in der Bundesverwaltung oder im Bundesrat Einflitss ninnili, weil sie damit mitverantwortlich fiir den Entscheid wird und ihre Unabhängigkeit bei der Berurteilung des Ergebnisses verliert, (Hervorhebungen vom Autor des Gutachtens.)

In ähnlichem Sinne wurde letztes Jahr in den Erläuterungen zum Verfassungsentwurf 1995 (Art. 146) folgendes festgehalten: Begleitende Kontrollen wären faktisch Mitentscheidungen im Kompetenzbereich der Regierung, würden somit Verantwortlichkeiten verwischen und die gewaitenteilige Grundordnung der Verfassung unterlaufen.

Der Bundesrat hält diese Vorbehalte für begründet und misst ihnen nach wie vor grosse Aktualität zu. Er lehnt deshalb die Einsichtnahme der Geschäftsprüfungskommissionen in die Akten nicht abgeschlossener Verfahren ab.

Der Bundesrat legt auch Wert darauf, dass die Dienststellen - sei es im Rahmen des Controlling oder anderer Berichte - offen und ehrlich auch über auftretende Probleme oder gemachte Fehler berichten. Ein Einblick des Parlaments in alle «Führungs- und Kontrolldaten» bei laufenden Geschäften könnte dazu führen, dass eine Misstrauenskultur entsteht und dass heikle Daten nicht mehr schriftlich gemeldet werden.

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Zu den Verantwortlichkeiten im Kernbereich

Bundesrat Otto Stich, dem die PUK PKB die Hauptverantwortung für die nach wie vor misslichc Lage der Kasse zuweist, hat ohne Zweifel eine Reihe von Fehlentscheiden getroffen, die sich fatal auswirkten. Nicht vorwerfen kann man dem früheren Vorsteher des EFD jedoch, er habe die Dienstaufsicht über die EVK ungenügend wahrgenommen. Im Gegenteil, er hat sich um das EVK-Dossier ungewöhnlich intensiv bemüht. Gerade sein ausgeprägtes persönliches Engagement und die grosse Nähe zum Geschäft mögen ihn daran gehindert haben, die Tragweite und die Komplexität der Probleme richtig einzuschätzen und die Zweckmässigkeit von Massnahmen, die einerseits verspätet und anderseits übereilt und unsystematisch getroffen wurden, realistisch zu beurteilen.

Zum Entstehen dieser führungsmässigen Fehlleistungen hat indessen auch das Versagen des Managements auf Stufe EVK massgeblich beigetragen. Es fehlte an den nötigen Führungsqualitäten, und in einem Fall waren auch die fachlichen Fähigkeiten offenbar ungenügend. Damit gelang es über Jahre hinweg nicht, die eigentlichen Problemursachen zu erkennen, adäquate Bewältigungsstrategien zu entwikkeln und darauf abgestimmte Massnahmen umzusetzen. Der Bundesrat anerkennt, dass ihn bei der unglücklichen Auswahl der kritisierten Führungskräfte der EVK eine Mitverantwortung trifft.

Es wurden auch Signale der Überforderung, die an andere Ämter und an den Vorsteher des EFD gelangten, entweder nicht ernst genommen oder übersehen. Einerseits liess man den Dingen schicksalsergeben ihren Lauf, anderseits baute man auf das Prinzip Hoffnung. Mit der Bereitstellung eines voll funktionsfähigen Informatiksystems erwartete man einen eigentlichen Durchbruch und in der Folge eine rasche Problembewältigung. Obwohl nachhaltige Erfolge in den Sanierungsbemü-

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hungen ausblieben, war der Vorsteher des EFD offenbar nicht in der Lage, diesen Kreislauf zwischen Resignation und immer wieder enttäuschter Hoffnung zu durchbrechen.

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Zu den Empfehlungen der PUK PKB

Die Kommission hat sich bei der Erfüllung ihres Auftrags nicht darauf beschränkt, aufzuzeigen, was weswegen nicht so funktioniert, wie es sollte. Sie ist in verdankenswerter Weise einen Schritt weitergegangen und hat eine Vielzahl von Empfehlungen formuliert, die dem Bundesrat und der Verwaltung in ihren Bemühungen zur raschen Entschärfung und schrittweisen Sanierung der problematischen Situation der EVK bzw. PKB sehr dienlich sein werden.

Die Empfehlungen sind auf unterschiedliche Zeiträume ausgerichtet, manche haben den Charakter von Sofortmassnahmen, andere zielen auf eine vorausschauende Gestaltung der Zukunft ab, bei einigen steht die Machbarkeit ausser Frage und hält sich der Umsetzungsaufwand in engen Grenzen, bei andern ist dies nicht der Fall.

Der Bundesrat ist gewillt, sämtliche Empfehlungen der Kommission sorgfältig zu prüfen und wenn immer möglich auch umzusetzen. Für diese Evaluation wird es etwas Zeit und für die Realisierung von erfolgversprechenden Massnahmen möglicherweise auch zusätzliche Mittel brauchen. Er wird dabei gleichermassen auf Tempo und auf Wirtschaftlichkeit bedacht sein.

Der Bundesrat ist überdies bereit, die parlamentarischen Kontrollkommissionen periodisch über den Stand der Abklärungs- respektive Umsetzungsarbeiten zu orientieren.

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Zu den Anträgen der PUK PKB an die eidgenössischen Räte

Zu den Anträgen der Kommission an die eidgenössischen Räte, die in die Form der Motion, des Postulates oder der parlamentarischen Initiative gekleidet sind, nimmt der Bundesrat, soweit nicht bereits geschehen, wie folgt Stellung: Postulat Nr. Ï Der Bundesrat erklärt sich bereit, das Postulat betreffend die Empfehlungen im Informatikbereich entgegenzunehmen.

Postula! Nr. 2 Der Bundesrat erklärt sich bereit, das Postulat betreffend die Empfehlungen im Finanzbereich entgegenzunehmen.

Postulai Nr. 3 Der Bundesrat erklärt sich bereit, das Postulat betreffend die Empfehlungen im Bereich Organisation und Führung entgegenzunehmen.

Postulat Nr. 4 Der Bundesrat erklärt sich bereit, das Postulat betreffend die Überprüfung von Status und Organisation der PKB entgegenzunehmen.

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Motion Nr. l Der Bundesrat ersucht das Parlament um Umwandlung der Motion in ein Postulat.

Nach herrschender Lehre und konstanter Praxis des Bundesrates können sich Motionen nicht auf Bereiche der delegierten Rcchtsetzung und des Vollzugs beziehen. Dies geht ebenfalls klar aus Artikel 25 des Geschäftsreglementes des Ständerates hervor, etwas weniger deutlich aus Artikel 32 des Geschäftsreglementes des Nationalrates. Die beiden bisherigen PUK im EJPD und im EMD haben sich strikte an die Ratsreglemente gehalten, d. h. die nicht motionswürdigen Vorstösse als Postulate ausgestaltet. Es kann deshalb nicht unter Berufung auf die ausserordentliche Situation einer PUK eine Praxisänderung vorgenommen werden. Die rechtliche Einschränkung des Motionsbegriffs in den Ratsreglementen ist nicht als autonomer Entscheid beider Räte vorgenommen worden; sie ergibt sich aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz, der als ungeschriebenes Verfassungsrecht angesehen wird. Für den Bundesrat ist nicht zweifelsfrei erstellt, dass es sich beim vorliegenden Antrag der Kommission um eine echte Motion handelt. Er kann sie daher nicht als solche annehmen.

Dies auch mit einer inhaltlichen Begründung. Der Bundesrat ist zwar mit der Kommission der Meinung, dass vertrauensbildende Massnahmen unbedingt angezeigt sind, und er ist auch gewillt, solche zu treffen. Ob der Einsatz einer Ombudsperson, die auch bei bester Qualifikation auf die Infrastruktur der PKB angewiesen sein wird, um ihren Auftrag erfüllen zu können, wirklich die optimale Lösung ist, bedarf jedoch noch näherer Abklärungen.

Motion Nr. 2 Der Bundesrat erklärt sich zur Annahme der Motion bereit.

Die geltende Regelung der Aufsicht im Bereich der beruflichen Vorsorge hat sich im Fall der PKB in der Tat nicht bewährt. Was Ziffer 3 des Vorstosses betrifft, so erachtet der Bundesrat einen Wechsel der Kontrollstelle nach Artikel 53 BVG zwar nicht als absolut zwingend, doch setzt er dem Antrag keinen Widerstand entgegen, da die vorgeschlagene Änderung unbestreitbar auch Vorteile mit sich bringt.

Postulat Nr. 5 Der Bundesrat erklärt sich zur Annahme des Postulates betreffend Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Geltendmachung von Verantwortlichkeitsansprüchen gegenüber Aufsichtsbehörden nach Artikel 6l BVG bereit.

Immerhin gibt er dem Parlament dazu heute bereits folgendes zu
bedenken: Der Antrag der Kommission zielt darauf ab, im BVG eine Verantwortlichkeit der mit der Aufsicht befassten Personen zu verankern. Gegenüber geschädigten Drittpersonen würde der Rechtsschutz damit im Vergleich zum Verantwortlichkeitsgesetz (VG; SR 170.32) nicht verbessert. Nach dem VG kommt eine Kausalhaftung zum Zuge. Haftbar nach aussen ist aber ausschliesslich der Bund (Art. 3 VG). Der Rückgriff auf die fehlbaren Beamten ist nur möglich, wenn diese ihre Dienstpflichten vorsätzlich oder grobfahrlässig verletzt haben (Art. 7 VG). Der Antrag der PUK PKB bedeutet zweierlei: 1. eine Verschärfung der Haftung der fehlbaren Personen, sofern der Bund geschädigt worden ist (Art. 8 VG); 2. eine Verschärfung der Rückgriffsmöglichkeit auf die fehlbaren Personen, sofern Drittpersonen geschädigt worden sind und der Bund nach aussen haftet (Art. 7 VG).

HO

Mit der Verwirklichung des Antrages der Kommission würde man für den Bereich des BVG ein nach Auffassung des Bundesrates nicht gerechtfertigtes Sonderrecht schaffen. Wenn schon, müsste die Haftungsverschärfung zulasten der fehlbaren Personen für die Aufsichtstätigkeiten allgemein Platz greifen. Doch käme dies einem höchst fragwürdigen Einbruch in die heutige Architektur des Staatshaftungsrechts gleich. Es wäre nicht einzusehen, weshalb fehlbare Personen für Aufsichtstätigkeiten strenger angefasst werden sollten als für andere Verwaltungstätigkeiten. Der Bund dürfte diesfalls Mühe haben, Personen für Aufsichtstätigkeiten zu rekrutieren.

Motion Nr. 3 Der Bundesrat erklärt sich zur Annahme der Motion betreffend die Änderung des Finanzkontrollgesetzes im Blick auf eine Stärkung der Unabhängigkeit der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) bereit.

Der Bundesrat wird verschiedene Lösungen évaluieren, die von der Schaffung eines Rechnungshofes bis zur Weiterführung des Status quo in einer verbesserten Form reichen können, und dem Parlament entsprechend Bericht erstatten und Antrag stellen.

Parlamentarische Initiative Nr. Ì Zu den vorgesehenen gesetzlichen Regelungen betreffend das Verfahren für parlamentarische Untersuchungskommissionen kann sich der Bundesrat erst äussern, wenn entsprechende Entwürfe vorliegen.

Parlamentarische Initiative Nr. 2 Der Bundesrat macht dem Parlament beliebt, die Rechtsfigur des Auftrags im Zuständigkeitsbereich des Bundesrates nicht isoliert, sondern im Gesamtzusammenhang einer allfälligen Neuordnung der Instrumente des Parlaments gegenüber der Regierung zu behandeln.

Was die inhaltliche Würdigung des Antrages der Kommission betrifft, verweist der Bundesrat auf seine früher gemachten Ausführungen.

Parlamentarische Initiative Nr. 3 Der Bundesrat hat bereits dargelegt, aus welchen Gründen das Parlament diesem Antrag der Kommission keine Folge geben sollte.

Parlamentarische Initiativen Nr. 4 und Nr. 5 Der Bundesrat verzichtet auf eine Stellungnahme, da es um parlamentsinterne Angelegenheiten geht.

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Organisations- und Führungsprobleme bei der Pensionskasse des Bundes (PKB) und Rolle des Eidgenössischen Finanzdepartementes in Bezug auf die PKB Stellungnahme des Bundesrates zum Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) vom 13. No...

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