15.083 Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit) vom 4. Dezember 2015

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung betreffend die Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben: 2006

M

04.3624

Qualitätssicherung und Patientensicherheit im Gesundheitswesen (N 3.3.05, Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit NR 04.433; S 14.6.05; N 14.3.06)

2011

M

10.3015

Für eine nationale Qualitätsorganisation im Gesundheitswesen (N 28.9.10, Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit NR; S 9.3.11)

2011

M

10.3353

Qualitätssicherung OKP (S 20.9.10, Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit SR; N 3.3.11)

2011

M

10.3450

Für eine unabhängige nationale Organisation für Qualitätssicherung (N 1.10.10, FDP-Liberale Fraktion; S 9.3.11)

2012

M

10.3912

Vita sicura. Risikoforschung für Patientensicherheit (N 17.6.11, Heim; S 4.6.12)

2012

M

10.3913

Vita sicura. Nationales Programm für Patientensicherheit (N 17.6.11, Heim; S 4.6.12)

2015-1826

257

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Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

4. Dezember 2015

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

258

Übersicht Mit der vorliegenden Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) sollen die Qualität der erbrachten Leistungen gesichert und verbessert, die Patientensicherheit nachhaltig erhöht und die Kostensteigerung in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gedämpft werden.

Die bisherige Rollenverteilung und die Steuerungssysteme, wie sie im KVG vorgesehen sind, bleiben in ihren Grundsätzen unverändert. Die Qualitätssicherung seitens der Leistungserbringer ist integraler Bestandteil der Leistungserbringung und umfasst alle im Gesetz genannten Leistungserbringer.

Ausgangslage Das Parlament, die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats und die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats haben den Bundesrat aufgefordert, seine Kompetenzen vermehrt wahrzunehmen und durch die Schaffung eines nationalen Qualitätsinstituts die Kräfte und das Knowhow für die Umsetzung dieses Auftrags zu konzentrieren. Der Bundesrat hat daraufhin im Jahr 2011 den Bericht zur Konkretisierung seiner Qualitätsstrategie verabschiedet und die Zielsetzung in der Strategie «Gesundheit 2020» verankert.

Inhalt der Vorlage Mit dieser Vorlage soll das KVG geändert werden. Es sollen die notwendigen finanziellen und strukturellen Grundlagen für die Umsetzung der Qualitätsstrategie des Bundes geschaffen werden. Dazu gehören: ­

eine dauerhafte Finanzierungslösung für die Erarbeitung, Durchführung und Evaluation von Programmen sowie die finanzielle Unterstützung von Projekten zur Förderung der Qualität und zur Erarbeitung entsprechender Grundlagen aus jährlichen Beiträgen der Versicherer zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung;

­

die Schaffung einer ausserparlamentarischen Kommission «Qualität in der Krankenversicherung», die den Bundesrat bei der Festlegung und Verfolgung der Ziele sowie bei der Bestimmung und Auswertung geeigneter Programme und Projekte beraten soll.

Die neuen Ressourcen und Strukturen sollen die Realisierung von Programmen und Projekten mit gesamtschweizerischer Wirkung sicherstellen. Dabei soll mit bestehenden Organisationen zusammengearbeitet werden, namentlich mit der Stiftung für Patientensicherheit, die bereits seit 2012 bei der Durchführung von nationalen Patientensicherheitsprogrammen vom Bund finanziell unterstützt wird.

Es sollen bewusst keine Aktivitäten einzelner Leistungserbringer oder Verbände von Leistungserbringern finanziert werden, weil die Sicherstellung der Qualität in der Leistungserbringung zum Auftrag im Bereich der Krankenversicherung gehört. Es sollen auch keine Aktivitäten der Tarifpartner übernommen werden, die in Erfüllung der Artikel 59d und 77 der Verordnung über die Krankenversicherung in ihren

259

Tarifverträgen oder spezifischen Vereinbarungen Qualitätsmessungen oder -programme vereinbaren. Denn das Primat der Vertragspartnerschaft soll respektiert werden und es soll dort ein Mehrwert geschaffen werden, wo die Eigenaktivität von Leistungserbringern und Tarifpartnern nicht genügt, um die notwendige Wirkung zu erzielen.

Mit der Neuregelung verfolgt der Bundesrat folgende Stossrichtung: ­

Steuerung der Umsetzung der Qualitätsstrategie des Bundesrates über die Vorgabe von Zielen;

­

Entwicklung, Durchführung und Auswertung nationaler Programme zur Förderung der Qualität und der Patientensicherheit durch flächendeckend eingeführte Standards und Methoden;

­

Durchführung und Auswertung von weiteren Projekten durch Vergabe von Finanzhilfen, insbesondere zur Erarbeitung notwendiger Grundlagen zur Entwicklung von Qualitätsindikatoren insbesondere in Bereichen, in denen solche noch nicht in allgemein verwendbarer Form zur Verfügung stehen;

­

Stärkung der Verbindlichkeit von Qualitätsmassnahmen und Schaffung von Transparenz hinsichtlich Umsetzung und erzielter Ergebnisse, in Zusammenarbeit mit den Partnern (Kantone, Leistungserbringer, Versicherer)

Die neuen Ressourcen und Strukturen sollen Bund, Kantone und Tarifpartner in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen unterstützen. Diese Ressourcen im Umfang von jährlich rund 19,85 Millionen sollen im Sinne des Äquivalenzprinzips über einen Beitrag der Versicherer für alle nach dem KVG versicherten Erwachsenen und jungen Erwachsenen finanziert werden. Durch diese Ressourcen und Strukturen sollen aber keine Aufgaben mit hoheitlichem oder regulierendem Charakter übernommen werden.

Die Bereitstellung der Ressourcen ist im Hinblick auf die vorhandenen Defizite bei der Qualität und der Sicherheit der Behandlungsprozesse von hoher Priorität. Das schweizerische Gesundheitssystem ist heute trotz hohem Ressourceneinsatz nicht sicherer als dasjenige von Grossbritannien, Deutschland oder Frankreich. Verbesserungen in der Qualität und der Sicherheit der Behandlungsprozesse senken nicht nur die mit vermeidbaren Zwischenfällen verbundenen Kosten, sie führen auch zu schlankeren und effizienteren Prozessen. Das Vorhaben trägt damit zur Dämpfung des Kosten- und Prämienanstiegs in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung bei.

260

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

259

1

Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Gesundheitssystem der Schweiz 1.1.2 Vermeidbare Zwischenfälle, Gesundheitsschädigungen und Kosten 1.1.3 Wachsende Herausforderungen und Handlungsbedarf 1.1.4 Ansatzpunkte für die Beeinflussung der Qualität 1.1.5 Kompetenzen des Bundes, der Kantone, der Versicherer und der Leistungserbringer gestützt auf das KVG 1.1.6 Bisherige Aktivitäten von Bund, Kantonen, Versicherern, Leistungserbringern und weiteren Akteuren 1.1.7 Qualitätsstrategie des Bundes 1.1.8 Schwächen im heutigen System 1.2 Die beantragte Neuregelung 1.3 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.3.1 Vernehmlassungsverfahren 1.3.2 Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.4 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.5 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht 1.6 Umsetzung 1.7 Parlamentarische Vorstösse

263 263 263

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 2.1 Bundesgesetz über die Krankenversicherung 2.2 Bundesbeschluss über den Gesamtkredit für Abgeltungen und Finanzhilfen zur Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung für die Jahre 2018­2021

291 291

Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.1.1 Finanzielle Auswirkungen 3.1.2 Personelle Auswirkungen 3.1.3 Andere Auswirkungen auf den Bund 3.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete 3.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 3.4 Auswirkungen auf die Gesellschaft 3.5 Andere Auswirkungen

296 296 296 297 299

2

3

263 264 265 266 267 272 273 274 280 280 282 283 284 288 289

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299 300 300 301

261

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4

5

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates 4.1 Verhältnis zur Legislaturplanung 4.2 Verhältnis zu nationalen Strategien des Bundesrates

301 301 301

Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.3 Erlassform 5.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 5.5 Einhaltung der Grundsätze der Subventionsgesetzgebung 5.5.1 Abgeltungen im Bereich von nationalen Programmen 5.5.2 Finanzhilfen im Bereich von Projekten 5.6 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

302 302 302 302 302 303 303 304 304

Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) (Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit) (Entwurf)

305

Bundesbeschluss über den Gesamtkredit für Abgeltungen und Finanzhilfen zur Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung für die Jahre 2018­2021 (Entwurf)

309

262

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Gesundheitssystem der Schweiz

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben in ihren Länderberichten zur Schweiz von 20061 und 20112 festgehalten, dass die schweizerische Bevölkerung über einen guten Gesundheitszustand verfügt und eine überdurchschnittlich hohe Lebenserwartung hat. Die jährlich durchgeführten Umfragen der Forschungsinstitute gfs.Bern AG und gfs-zürich, Markt- & Sozialforschung AG belegen zudem, dass die Bevölkerung mit den Leistungen des Gesundheitssystems grundsätzlich zufrieden ist.

Im Länderbericht 2011 halten OECD und WHO indessen fest, dass mehr Angaben über Behandlungsresultate und Morbidität in Verbindung mit der Gesundheitsversorgung notwendig sind, damit die politischen Entscheidungsträger in der Schweiz genau identifizieren können, welches die grössten Gesundheitsrisiken sind und wer in der Bevölkerung diesen Risiken am meisten ausgesetzt ist. Weiter besitzen die Konsumentinnen und Konsumenten oft erstaunlich wenige Informationen über die Qualität der Leistungserbringer, um eine gute Auswahl treffen zu können. Jüngste Bemühungen um eine landesweit einheitliche Messung von Fällen, Mortalität und anderen ausgewählten Indikatoren zur Versorgungsqualität in Spitälern seien zwar sehr begrüssenswert, könnten aber durch die Erweiterung des Indikatorenumfangs und durch die Messung der spitalexternen Versorgungsqualität weiter verbessert werden.

1.1.2

Vermeidbare Zwischenfälle, Gesundheitsschädigungen und Kosten

Internationale Studien3 zeigen auf, dass im Durchschnitt 10 Prozent der Patientinnen und Patienten bei der Behandlung in einem Spital einen schädigenden medizinischen Zwischenfall erleben und dadurch der Aufenthalt um durchschnittlich eine Woche

1 2

3

Erster Bericht der OECD und WHO über das schweizerische Gesundheitssystem, 2006.

S.12, 25­26 Zweiter Bericht der OECD und WHO über das schweizerische Gesundheitssystem, 2011.

Eine Zusammenfassung des Berichts ist einsehbar und eine Papierversion des Berichts kann bestellt werden unter: www.bag.admin.ch > Themen > Internationales > Globale Gesundheit > Organisationen > OECD > Zweiter Bericht der OECD und WHO über das schweizerische Gesundheitssystem Vincent Charles, Das ABC der Patientensicherheit, 2012, S. 19 ff.; Vincent et al., Adverse events in British hospitals: preliminary retrospective record review, BMJ; 2001, 322 (7285) S. 517­519

263

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verlängert wird. Andere Studien4 gehen davon aus, dass ungefähr die Hälfte dieser unerwünschten Ereignisse vermeidbar wäre. Gestützt auf regelmässig durchgeführte Befragungen der Versicherten ist davon auszugehen, dass die internationalen Erfahrungswerte auf die Schweiz anwendbar sind.

In einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage des Commonwealth Fund geben 11,4 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer an, einen medizinischen Fehler oder einen Medikationsfehler erlebt zu haben. Der Anteil ist deutlich höher als in den Niederlanden, in Deutschland oder Grossbritannien.5 9,4 Prozent der Schweizer Patientinnen und Patienten berichten nach einer Hospitalisierung oder Operation über eine Infektion. Der Anteil ist deutlich höher als beispielsweise in Frankreich oder Deutschland.6 Werden die Studienresultate, auf die sich der Bericht «To Err is Human»7 des amerikanischen Institute of Medicine bezieht, auf die Schweiz hochgerechnet, ergeben sich rund 2000­3000 Todesfälle pro Jahr wegen vermeidbarer medizinischer Zwischenfälle. Im Vergleich mit anderen Todesursachen machen fehlerbedingte Todesfälle bei Spitalpatientinnen und -patienten wahrscheinlich mehr als das Doppelte der Todesfälle durch Grippe, AIDS und Verkehrsunfälle zusammen aus. Durch vermeidbare medizinische Zwischenfälle fallen in der Schweiz schätzungsweise rund 350 000 unnötige Spitaltage pro Jahr an. Insgesamt wäre entsprechend mit fehlerbedingten Kosten im stationären Bereich von mehreren hundert Millionen Franken zu rechnen. Hinzu kommen der ambulante Sektor und der Rehabilitations-, Psychiatrie- und Langzeitbereich, zu denen bisher kaum Forschungsdaten vorliegen, in denen aber mit ähnlichen Dimensionen zu rechnen ist.

1.1.3

Wachsende Herausforderungen und Handlungsbedarf

Die demografische Entwicklung mit einem wachsenden Anteil an Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen und Multimorbidität ist eine Herausforderung für unsere Gesellschaft. Veränderungen des Lebensstils, insbesondere im Bereich Bewegung und Ernährung, führen zu höheren Gesundheitsrisiken. Der medizinischtechnologische Fortschritt eröffnet immer mehr diagnostische und therapeutische Möglichkeiten, führt aber oft zu komplexeren Behandlungsabläufen und damit zu einer zunehmenden Zahl von Schnittstellen. Ein zunehmender Mangel an ärztlichen Fachkräften, die die Behandlungen koordinieren, verschärft das Problem. Damit diesen Herausforderungen begegnet werden kann und der Zugang zu einer Gesundheitsversorgung von hoher Qualität auch in Zukunft finanziell tragbar bleibt, sind vermehrt Anstrengungen zur Förderung der Qualität und der Patientensicherheit 4

5 6

7

264

Schweizerisches Gesundheitsobservatorium (OBSAN), 2013, Dossier 26. Erfahrungen der Allgemeinbevölkerung im Gesundheitssystem: Situation in der Schweiz und internationaler Vergleich. Der Text ist einsehbar unter: www.obsan.admin.ch > Publikationen Schwappach DLB. Risk factors for patient-reported medical errors in eleven countries.

Health Expectations 2014 Jun 1;17(3): S. 321­31.

Schwappach DLB. Frequency of patient-reported infections among sicker adults in highincome countries: An international perspective. Am J Infect Control 2012; doi: 10.1016/j.ajic.2012.02.011.

Kohn LT. et al., To Err is Human, Institute of Medicine, Washington, 2000

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notwendig. Sicherzustellen ist weiter, dass die bezüglich Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit geeignetsten Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung angewendet werden.

1.1.4

Ansatzpunkte für die Beeinflussung der Qualität

Die Qualität der Gesundheitsleistungen und der Versorgung hängt von sehr vielen Faktoren und von deren komplexen Wechselwirkungen ab. Erwähnt seien hier geeignete räumliche Infrastrukturen, Geräte und Materialien, für die Aufgaben entsprechend qualifizierte und motivierte Mitarbeitende, geeignete Führungsstrukturen, gut organisierte, auf die Patientinnen und Patienten ausgerichtete Prozesse, geeignete Führungs- und Steuerungsinstrumente, eine gute Zusammenarbeit zwischen Partnern und Anspruchsgruppen, eine positive Fehlerkultur und geeignete Anreizsysteme innerhalb der Organisationen und qualitätsfördernde, rechtliche Regulatorien und Anreize. Bundesgesetze beeinflussen nur einen Teil dieser Faktoren.

Für die Beeinflussung der Qualität der Leistungen im Rahmen des Bundesgesetzes vom 18. März 19948 über die Krankenversicherung (KVG) können folgende drei Ansatzpunkte unterschieden werden: ­

Zulassung von Leistungen, die wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind (Bezeichnung der Leistungsbereiche in den Art. 24­31 KVG sowie Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten nach Art. 32 KVG und Bezeichnung der Leistungen nach Art. 33 KVG);

­

Zulassung der Leistungserbringer einschliesslich der kantonalen Planung der Spitäler, Pflegeheime und Geburtshäuser auf der Grundlage von Qualität und Wirtschaftlichkeit (Art. 36­40 KVG);

­

Sicherung der Qualität und des zweckmässigen Einsatzes (Angemessenheit) der Leistungen (Art. 56, 58 und 59 KVG; Qualitätsinformationen nach Art. 22a KVG9).

Daneben gibt es weitere Ansatzpunkte, die im Wirkungsbereich anderer Bundesgesetze liegen. Zu nennen sind etwa: ­

8 9

10 11 12 13

Aus- und Weiterbildung der Gesundheitsberufe (universitäre Gesundheitsberufe: Medizinalberufegesetz vom 23. Juni 200610; Psychologieberufegesetz vom 18. März 201111; nicht universitäre Gesundheitsberufe: Berufsbildungsgesetz vom 13. Dez. 200212 und Fachhochschulgesetz vom 6. Okt. 199513) SR 832.10 Mit dem Krankenversicherungsaufsichtsgesetz vom 26. Sept. 2014 (KVAG, BBl 2014 7277) wird Art. 22a KVG aufgehoben und der Inhalt in einen neuen Art. 59a KVG überführt. Da das KVAG zum Zeitpunkt der Verabschiedung dieser Botschaft noch nicht in Kraft ist, wird im vorliegenden Text auf Art. 22a KVG verwiesen.

SR 811.11 SR 935.81 SR 412.10 SR 414.71

265

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­

Vermeidung von Krankenhausinfekten (nosokomiale Infekte) (Epidemiengesetz vom 18. Dez. 197014)

­

Zulassung von Arzneimitteln und Medizinprodukten (Heilmittelgesetz vom 15. Dez. 200015)

­

Regelungen in der Transplantationsmedizin (Transplantationsgesetz vom 8. Okt. 200416)

­

Schutz der Menschenwürde und Sicherstellung der Qualität genetischer Untersuchungen am Menschen (Bundesgesetz vom 8. Okt. 200417 über genetische Untersuchungen beim Menschen)

Diese Themenbereiche sind nicht Gegenstand dieser Vorlage. Hingegen gibt die Qualitätsstrategie des Bundes im schweizerischen Gesundheitswesen (vgl. dazu Ziff. 1.1.7) auch für diese Themen einen Rahmen für die Weiterentwicklung von Qualitätsfragen.

1.1.5

Kompetenzen des Bundes, der Kantone, der Versicherer und der Leistungserbringer gestützt auf das KVG

Dem Bund stehen gestützt auf das KVG namentlich folgende Kompetenzen und Aufgaben zu: ­

Regelung der Voraussetzungen zur Zulassung der Leistungserbringer, insbesondere Erlass der für Spitäler und andere Einrichtungen einheitlichen Planungskriterien auf der Grundlage von Qualität und Wirtschaftlichkeit (Art. 38 und 39 KVG);

­

Festlegung von Eckwerten für die Entwicklung, Erhebung und die Publikation von Qualitätsinformationen (insbesondere nach Art. 22a KVG);

­

subsidiäre Festlegung von Massnahmen, wenn die Tarifpartner hinsichtlich vertraglicher Qualitätssicherung nach den Artikeln 59d und 77 der Verordnung vom 27. Juni 199518 über die Krankenversicherung (KVV) oder die Kantone in ihrer Versorgungsplanung im Bereich der hochspezialisierten Medizin ihren Aufgaben nicht nachkommen (Art. 39 Abs. 2bis KVG).

Den Kantonen kommen gestützt auf das KVG sowie ihrer kantonalrechtlichen Zuständigkeiten namentlich folgende Kompetenzen und Aufgaben zu: ­

Beurteilung von Qualität und Wirtschaftlichkeit der Spitäler im Rahmen der Versorgungsplanung (Art. 39 KVG und Art. 58a­58e KVV);

­

Unterstützung der Verbindlichkeit von Vorgaben qualitätssichernder Massnahmen und Qualitätsmessungen des Bundes bei den Leistungserbringern.

14 15 16 17 18

266

SR 818.101 SR 812.21 SR 810.21 SR 810.12 SR 832.102

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Den Versicherern kommen gestützt auf das KVG namentlich folgende Kompetenzen und Aufgaben zu: ­

vertragliche Vereinbarungen mit den Leistungserbringern zu Tarifen und Mass nahmen zur Gewährleistung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen (Art. 43 KVG);

­

Überprüfung der Leistungserbringer hinsichtlich Erfüllung der Anforderungen an die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Leistungen zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und Beantragung von Sanktionen bei den kantonalen Schiedsgerichten (Art. 56, 59 und 89 KVG).

Den Leistungserbringern und deren Verbänden kommen gestützt auf das KVG folgende Kompetenzen und Aufgaben zu: ­

Erbringung von wirksamen, zweckmässigen und wirtschaftlichen Leistungen im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Art. 32 KVG);

­

Umsetzung der qualitätssichernden Massnahmen gemäss den Vorgaben des Bundes und der Kantone und den Verträgen mit den Versicherern (Art. 39, 43 und 58 KVG);

­

betriebliche eigenverantwortliche Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung in der Leistungserbringung einschliesslich Initiierung und Durchführung von lernorientierten Aktivitäten z.B. zu Benchmarking und Best Practice (Art. 59d und 77 KVV);

­

Erhebung von Daten zur Ermittlung von Qualitätsinformationen und kostenlose Zurverfügungstellung zuhanden des Bundes (Art. 22a KVG).

1.1.6

Bisherige Aktivitäten von Bund, Kantonen, Versicherern, Leistungserbringern und weiteren Akteuren

Aktivitäten des Bundes Um den Aktivitäten der Tarifpartner nach Artikel 77 Absätze 1 und 2 KVV eine definierte Zielrichtung zu geben, hatte im Jahr 1999 das damals zuständige Bundesamt für Sozialversicherung Ziele für die Umsetzung der Qualitätssicherung vorgegeben.

In der Rolle als Katalysator hat der Bund das Projekt «Emerge ­ sichere und schnelle Hilfe in der Notfallstation» lanciert und 2000­2002 begleitet. Mit der einheitlichen Messung von Daten wurde ein Benchmarking eingeführt und ein gemeinsames Lernen gefördert, was als Grundlage für Qualitätsverbesserungen diente.

Gestützt auf die Referenzpublikation des amerikanischen Institute of Medicine «To Err is Human»19 erklärte der Bund das Thema der Patientensicherheit zum Schwer19

Kohn LT. et al., To Err is Human, Institute of Medicine, Washington, 2000

267

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punkt der Qualitätssicherung. Ausgehend von Empfehlungen einer Task Force hat er zusammen mit zahlreichen Partnern auf Ende 2003 die Stiftung für Patientensicherheit ins Leben gerufen und verfügte somit über einen strategischen Partner im Bereich der Patientensicherheit.

Im Jahr 2007 hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ein Pilotprojekt zur Erarbeitung von Qualitätsindikatoren im Spitalbereich lanciert. Nach Sichtung international vorhandener Qualitätsindikatoren wurde das Indikatoren-Konzept der deutschen HELIOS-Kliniken gewählt, da bei der Umsetzung dieses Konzeptes die Indikatoren aus robusten Daten einer bereits vorhandenen Statistik, der medizinischen Statistik der Krankenhäuser des Bundesamts für Statistik (BFS), ermittelt werden können.

2008 hat das BAG den Bericht «Qualitätsindikatoren Schweizer Akutspitäler» mit Daten aus dem Jahr 2006 zu Mortalitätsraten und Fallzahlen von 29 Spitälern veröffentlicht, 2010 mit Daten für die Jahre 2005­2007 zu 70 Spitälern. In beiden Fällen konnten nur die Daten derjenigen Spitäler publiziert werden, die der Veröffentlichung zugestimmt hatten. Im Januar 2012 erfolgte dann die dritte Publikation mit den Daten aus den Jahren 2008 und 2009, die aufgrund des im Jahr 2009 in Kraft getretenen Artikels 22a KVG nun alle Akutspitäler umfasst. Ab August 2015 hat das BAG die Fallzahlen in Listenform auf dem Internet zugänglich gemacht20.

Auch ausserhalb des Spitalbereichs will der Bundesrat die Transparenz über die Qualität der Leistungen mit entsprechenden Publikationen von Kennzahlen erhöhen.

Dies betrifft auch Pflegeheime und Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause. Ziel ist es, Patientinnen und Patienten, zuweisende Ärztinnen und Ärzte, Aufsichtsbehörden, Tarifpartner, Politik und breite Öffentlichkeit über das Angebot der einzelnen Leistungserbringer zu informieren. Das BAG unterstützt ein Projekt unter der Leitung von Curaviva, dem Verband der Heime und Institutionen Schweiz.

In einem ersten Schritt werden derzeit für den Bereich Pflegeheime Grundlagen für die kontinuierliche Erfassung von Angaben zu geeigneten Qualitätsindikatoren erarbeitet. Im Bereich der Organisationen der Krankenpflege und der Hilfe zu Hause (Spitex) werden in Pilotbetrieben erste Angaben zu den Qualitätsindikatoren erfasst.

Auch dieses Projekt des Spitex-Verbandes
Schweiz unterstützt das BAG aktiv.

Im Rahmen des Pilotprojekts Kosten-/Leistungsstatistik der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (KoLe) des BAG wurde untersucht, wie die Routinedaten der ambulanten Abrechnung der Versicherer für die Informationsgewinnung zu den Themen ambulante Episoden, vermeidbare Spitalaufenthalte, Prävention, Identifikation von Krankheiten, Praxisprofile und Gesundheitsindikator verwendet werden können. Ein Nachfolgeprojekt zur systematischen Erfassung und Auswertung von Abrechnungsdaten der Versicherer wurde gestartet (Projekt BAGSAN) und wird nun schrittweise weiterentwickelt.

Mit einem Projekt des BFS zum Aufbau der Statistiken in der ambulanten Gesundheitsversorgung (Modules Ambulatoires des Relevés sur la Santé, MARS) wird auch die Erhebung von Leistungs- und Qualitätsdaten bei den ambulanten Leistungserbringern angegangen. Das Projekt ist in verschiedene Teilprojekte aufgegliedert.

Nach der ersten produktiven Erhebung im Frühling 2014 und der Veröffentlichung 20

268

Die Fallzahlen sind abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Themen > Krankenversicherung > Qualitätssicherung > Qualitätsindikatoren > Fallzahl

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der Publikation «Krankenhausstatistik 2013 ­ Standardtabellen ­ provisorische Daten» im November 2014, wurde das Teilprojekt «Strukturdaten Spital ambulant» Ende 2014 abgeschlossen. Zurzeit liegt die Priorität bei den beiden Teilprojekten Patientendaten des ambulanten Spitalbereichs und Strukturdaten der Arztpraxen und ambulanten Zentren. Die Piloterhebungen dieser Teilprojekte wurden bis im Sommer 2015 durchgeführt21.

Vorgaben zu den Instrumenten und Mechanismen zur Gewährleistung der Qualität der Leistungen hat der Bundesrat auch für die Genehmigungsprozesse im Rahmen der neuen Tarifstruktur mit Fallpauschalen (SwissDRG) formuliert (Art. 59d Abs. 1 Bst. b KVV).

Als weitere Aktivitäten des Bundes können die Einführung der Versichertenkarte in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und das Bundesgesetz vom 19. Juni 201522 über das elektronische Patientendossier (EPDG) genannt werden. Weiter erfolgen auch verschiedene Aktivitäten im Rahmen anderer gesetzlicher Grundlagen wie sie unter Ziffer 1.1.4 genannt sind.

Aktivitäten der Kantone Gemäss Artikel 39 Absatz 2ter KVG und Artikel 58b KVV berücksichtigen die Kantone bei der Versorgungsplanung insbesondere Wirtschaftlichkeit und Qualität.

Dabei stützen sie sich insbesondere auf den Nachweis der Qualität und im Spitalbereich auf die Mindestfallzahlen. Verschiedene Kantone verwenden die Qualitätsindikatoren des BAG und des Nationalen Vereins für Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken (ANQ) im Rahmen der Evaluation der Spitäler, und einige Kantone haben begonnen, für bestimmte Leistungsgruppen Minimalfallzahlen zu definieren.

Aktivitäten der Versicherer und der Leistungserbringer Die Tarifpartner haben gestützt auf die Artikel 59d und 77 Absätze 1­3 KVV für verschiedene Leistungserbringergruppen (z.B. Pflegeheime, Spitex, Physiotherapie) paritätische Gremien geschaffen und vertraglich die Entwicklung von Qualitätsinstrumenten vereinbart. Die Umsetzung ist unterschiedlich weit fortgeschritten, wobei insgesamt noch viele Lücken bestehen.

Für den Bereich der Spitäler, Rehabilitationskliniken und Geburtshäuser ist aus Vorgängerorganisationen im Jahr 2009 der ANQ hervorgegangen. Mitglieder sind Tarifpartner (der Verband «H+ Die Spitäler der Schweiz», Santésuisse, die Medizinaltarif-Kommission UVG [MTK]) und die Kantone beziehungsweise
die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK). Der Zweck des Vereins ist die Koordination und die Durchführung von Massnahmen in der Qualitätsentwicklung auf nationaler Ebene, insbesondere die einheitliche Umsetzung von Ergebnisqualitätsmessungen (Outcome) in Spitälern und Kliniken. Dabei sollen ein nationales Benchmarking ermöglicht und die dazu notwendigen Rahmenbedingun21

22

Die Angaben zum Projekt über die Daten in der ambulanten Gesundheitsversorgung sind abrufbar unter: www.bfs.admin.ch > Aktuell > Modernisierungsprojekte > Statistiken der ambulanten Gesundheitsversorgung (MARS) BBl 2015 4865

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gen definiert werden. Im Jahr 2011 wurde ein erster nationaler Qualitätsvertrag unterzeichnet. Dieser beinhaltet unter anderem den Messplan 2011­2015 für die schweizweit einheitliche Durchführung von Qualitätsmessungen sowie die Teilnahme am Implantatregister (SIRIS) seit Herbst 2012. Die Versicherer stellen die Verbindlichkeit der Messungen durch deren Aufnahme in die Tarifverträge sicher.

Der Bund erachtet die Publikation von Ergebnissen der ANQ-Messungen als sinnvolle Ergänzung der seitens BAG veröffentlichten Qualitätsindikatoren. Die folgenden Indikatoren wurden bereits transparent pro Spital publiziert: Patientenzufriedenheit, Dekubitus, Sturz, Wundinfektionen. Geplant sind die Publikation der Indikatoren potenziell ungeplanter Rehospitalisierung und Reoperationen, der Ergebnisse aus SIRIS und der Indikatoren im Bereich der Rehabilitation und Psychiatrie.

Im Laborbereich ist die Schweizerische Kommission für Qualitätssicherung im medizinischen Labor (QUALAB) zu erwähnen, die 1994 einen ersten Qualitätsvertrag für die Analysenleistungen zwischen den Tarifpartnern ausgehandelt hat und mit regelmässigen Ringversuchen die Qualität der Laboranalysen extern überprüft.

Der Verband «H+ Die Spitäler der Schweiz» führt im Rahmen seiner Initiative «H+ qualité» seit 2005 die Webseite Spitalinformation23, eine öffentlich zugängliche Spitalsuchmaschine und den strukturierten Spital-Qualitätsbericht.

Die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH) hat im Jahr 2012 die Schweizerische Akademie für Qualität in der Medizin (SAQM) gegründet. Sie unterhält unter anderem eine Online-Plattform für Qualität in der Medizin, in der Qualitätsinitiativen abrufbar sind.

Eine im Jahr 2008 auf privater Basis gegründete Initiative Qualitätsmedizin (IQM), ein Zusammenschluss von deutschsprachigen Kliniken aus Deutschland und der Schweiz, arbeitet auf der Grundlage der vom BAG publizierten Qualitätsindikatoren und hat sich zu den drei Grundsätzen «Messung von Qualität aus Routinedaten», «Absolute Transparenz der Qualitätsergebnisse» und «Kontinuierliche Verbesserung durch Peer-Reviews» verpflichtet. Die fünf Universitätsspitäler und eine weitere Anzahl von privaten und öffentlichen Spitälern sind freiwillig der IQM beigetreten und verpflichten sich damit zu strukturierten Peer-Reviews. H+ ist zurzeit an der
Entwicklung eines Peer-Review-Konzepts, das sich von demjenigen der IQM ableitet.

Viele Leistungserbringer haben in den letzten Jahren verschiedene Initiativen ergriffen und Massnahmen im Bereich Qualitätsmanagement und -verbesserung sowie Qualitätssicherung an die Hand genommen. Neben der Einführung von allgemeinen Qualitätsmanagementmodellen (z.B. International Organization for Standardization, European Foundation for Quality Management) verschiedenen Zertifizierungen und Akkreditierungen, Behandlungs- und Pflegestandards sowie der Durchführung von Verbesserungsprojekten wurden beispielsweise auch Meldesysteme für kritische Zwischenfälle eingeführt.

23

270

Die Suchmaschine ist abrufbar unter: www.spitalinformation.ch

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Aktivitäten weiterer Akteure Die Stiftung für Patientensicherheit hat in Kooperation mit der Schweizerischen Gesellschaft für Anästhesiologie und Reanimation (SGAR) und mit Unterstützung des BAG ein übergeordnetes Netzwerk (CIRRNET) aufgebaut, das den angeschlossenen Gesundheitsorganisationen ermöglicht, Fehlermeldungen aus ihren lokalen Systemen anonymisiert einzuspeisen. Die Stiftung für Patientensicherheit ist in verschiedenen weiteren Bereichen aktiv, in denen sie beispielsweise Erhebungen und wissenschaftliche Analysen durchführt, Schulungen entwickelt und anbietet sowie Interventionsstrategien und Informationsmaterialien für Patientinnen und Patienten erarbeitet.

Im Rahmen der Umsetzung der Qualitätsstrategie des Bundes (vgl. Ziff. 1.1.7) unterstützt das BAG die nationalen Pilotprogramme zur Verbesserung der Qualität und der Patientensicherheit der Stiftung für Patientensicherheit massgeblich. Die in den Jahren 2013­2015 durchgeführten oder gestarteten Programme «Sichere Chirurgie» und «Medikationssicherheit bei Übergängen» haben zum Ziel, dass in beteiligten Spitälern Standards zum Stand der Forschung systematisch umgesetzt werden. Im Themenbereich Medikationssicherheit wurde bereits ein erstes regionales Programm bei der Fédération des Hôpitaux Vaudois (FHV) erfolgreich umgesetzt.

Der Verein Swissnoso widmet sich der Reduktion von nosokomialen Infektionen und multiresistenten Keimen im Schweizer Gesundheitswesen. Er führt im Auftrag des ANQ Messungen zu postoperativen Wundinfekten durch, erarbeitet Empfehlungen und hat von 2005 bis 2006 die erste schweizerische Händehygienekampagne umgesetzt. Das Expertenwissen von Swissnoso wird insbesondere bei der beim BAG in Bearbeitung stehenden nationalen Strategie NOSO24 benötigt werden.

Daneben sind diverse privatrechtliche Organisationen mit qualitätsfördernden Massnahmen und im Bereich von für das Gesundheitswesen spezifischen Zertifizierungssystemen aktiv (z.B. Stiftung SanaCERT Suisse, Concret AG, Argomed AG, Stiftung EQUAM). Die Stiftung EQUAM hat für ärztliche Praxen Behandlungsstandards für Hypertonie, Diabetes, koronare Herzkrankheit und Medikationssicherheit eingeführt.

Zu nennen ist auch das Projekt «QualiCCare»25, in dem konkrete Massnahmen für eine optimierte, koordinierte und bessere Qualität der Behandlung von zwei chronischen Krankheiten (chronische obstruktive Lungenerkrankung [COPD], Diabetes) erarbeitet werden.

24 25

Die Strategie ist abrufbar unter: www.bag. admin.ch > Themen > Spital- und Pflegeheiminfektionen Informationen zum Projekt sind abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Themen > Krankheiten und Medizin > Nichtübertragbare Krankheiten

271

BBl 2016

1.1.7

Qualitätsstrategie des Bundes

Gestützt auf die Motion 04.3624 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-N) «Qualitätssicherung und Patientensicherheit» und auf die Empfehlungen der Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) vom 13. November 200726 hat das BAG 2008 zusammen mit externen Expertinnen und Experten eine Qualitätsstrategie erarbeitet, deren gesetzliche Grundlage das KVG ist. Die Partner im Gesundheitswesen wurden in diesen Prozess einbezogen und hatten Gelegenheit, insbesondere zu den in der Strategie definierten Aktionsfeldern Stellung zu nehmen.

Die Qualitätsstrategie des Bundes fokussiert auf die Qualität in der Leistungserbringung, dies jedoch auf der Grundlage einer integralen Gesamtsicht des Themas Qualität. Somit werden in der Strategie auch Themen aufgeführt, die andere gesetzliche Grundlagen als das KVG haben, wie die Ausbildung in den Gesundheitsberufen.

In Anlehnung an die von der WHO identifizierten Bereiche, in denen direkt und indirekt steuernd eingegriffen und damit die Qualität im Gesundheitswesen positiv beeinflusst werden kann, wurden neun Aktionsfelder definiert27.

Der Bundesrat hat am 28. Oktober 2009 den Bericht «Qualitätsstrategie des Bundes im Schweizerischen Gesundheitswesen»28 gutgeheissen und dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) den Auftrag erteilt, die Rolle des Bundes zu konkretisieren, die Aktionsfelder zu priorisieren und zu konkretisieren, geeignete Finanzierungsmodelle und die organisatorische Umsetzung vorzuschlagen und ihm dazu einen Bericht zu erstatten.

Im Jahr 2010 wurden für ein Konkretisierungsprojekt externe Expertinnen und Experten einbezogen und die Ergebnisse mit einem gesundheitspolitischen Beirat aus Vertreterinnen und Vertretern von nationalen Organisationen und Verbänden (FMH, H+, Schweizerischer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner [SBK], Santésuisse, GDK, Dachverband Schweizerischer Patientenstellen [DVSP]) diskutiert.

Am 25. Mai 2011 hat der Bundesrat den Bericht zur Konkretisierung der Qualitätsstrategie des Bundes im Schweizerischen Gesundheitswesen29 gutgeheissen und das EDI beauftragt, gesetzliche Grundlagen für ein nationales Institut für Qualität und Patientensicherheit in Form einer öffentlich-rechtlichen Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit und für das Finanzierungsmodell mittels
eines pauschalen Beitrags pro versicherte Person vorzubereiten. Im Weiteren waren für die Übergangsphase bis zur Inkraftsetzung der gesetzlichen Grundlagen die Planung eines ersten nationa26 27

28 29

272

BBl 2008 7889 Die Aktionsfelder sind im Dokument «Qualitätsstrategie des Bundes im Schweizerischen Gesundheitswesen» abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Themen > Krankenversicherung > Qualitätssicherung Der Bericht ist abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Themen > Krankenversicherung> Qualitätssicherung > Qualitätsstrategie im Schweizerischen Gesundheitswesen Der Bericht ist abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Themen > Krankenversicherung > Qualitätssicherung > Qualitätsstrategie im Schweizerischen Gesundheitswesen - Bericht zur Konkretisierung der Qualitätsstrategie

BBl 2016

len Qualitäts- und Patientensicherheitsprogramms an die Hand zu nehmen und weitere Sofortmassnahmen gemäss dem Bericht zu priorisieren und umzusetzen. Für ein erstes nationales Qualitäts- und Patientensicherheitsprogramm wurde im Konkretisierungsbericht die Priorität auf die drei Bereiche Reduktion von nosokomialen Infekten, Verbesserung der Medikationssicherheit und Erhöhung der Sicherheit bei invasiven Interventionen (Massnahmen mit Eindringen in den Körper) gelegt.

1.1.8

Schwächen im heutigen System

Bundesrat und Parlament waren sich anlässlich der Behandlung der Motion 04.3624 der SGK-N «Qualitätssicherung und Patientensicherheit» einig, dass die weitgehende Delegation der Kompetenz des Bundesrates an die Tarifpartner in den vergangenen Jahren zu wenig wirksam war, um geeignete Massnahmen zur Qualitätssicherung festzulegen. Konzepte und Programme auf nationaler Ebene zur Förderung der Qualität wurden ungenügend entwickelt und umgesetzt.

Im Spitalbereich ist in Zusammenhang mit dem auf Verordnungsstufe geforderten Monitoring der schweizweiten Einführung des neuen Vergütungssystems mittels SwissDRG ein nationaler Qualitätsvertrag im Rahmen des Vereins ANQ, der paritätisch von Kantonen, Versicherern und Leistungserbringern geführt wird, zustande gekommen. Damit wurde ein nationales Messprogramm beschlossen und implementiert. Der ANQ hat sich zum Prinzip der transparenten Veröffentlichung der Qualitätsindikatoren verpflichtet und veröffentlicht diese zurzeit schrittweise. Es fehlen allerdings noch Programme, die aufgrund der Messresultate strukturierte Verbesserungsaktivitäten vorsehen. Dies ist denn auch der Bereich, in dem die nationalen Pilotprogramme der Stiftung für Patientensicherheit ansetzen und bei denen noch ein grosser Entwicklungsbedarf besteht. So konnten aus Ressourcengründen im Projekt «progress! Sichere Chirurgie» nur 10 von 34 Spitälern für die Teilnahme berücksichtigt werden.

Selbst wenn einzelne nationale Messungen oder erste Pilotprogramme durchgeführt wurden, wurden die Resultate bislang nicht für die flächendeckende Einführung von Verbesserungsprojekten genutzt. Dies weil die Messungen nur teilweise veröffentlicht wurden oder weil bereits bei der Durchführung zu wenig Ressourcen vorhanden waren und somit die Resultate zu wenig aussagekräftig für die Implementierung von nationalen Verbesserungsprojekten sind.

Da die medizinische Statistik des BFS den spitalambulanten Bereich bislang nicht einschliesst, werden für diesen Bereich keine Daten für die Berechnung von Qualitätsindikatoren erhoben. Auch der ANQ hat sich bis jetzt auf den stationären Spitalbereich konzentriert. Das BFS baut zurzeit eine Statistik für den spitalambulanten Bereich auf (MARS). Dieser Bereich ist gesundheitspolitisch von zunehmender Wichtigkeit, werden doch immer mehr Leistungen aus dem stationären
in den ambulanten Bereich verlagert.

Im ambulant-ärztlichen Bereich sind bis heute keine nationalen Qualitätsverträge zustande gekommen. Von verschiedener Seite wurden Zertifizierungssysteme für ambulante Einrichtungen entwickelt; es bestehen jedoch keine nationalen Standards, Messungen oder Verbesserungsprogramme in diesem Bereich.

273

BBl 2016

Für die einzelnen Verbände der Gesundheitsberufe oder Leistungserbringer ist es auch eine hohe Anforderung in fachlich, methodisch und finanzieller Sicht, die teilweise komplexen Entwicklungen zu Qualitätsindikatoren, Qualitätsmanagementsystemen, IT-Lösungen, Datenmanagement und Datenschutz nachzuvollziehen, was die Fortschritte bei der Qualitätssicherung ebenfalls verzögert.

Die dargelegten Mängel führen zu einer unnötig hohen Anzahl an unerwünschten Ereignissen mit Beeinträchtigung der Patientinnen und Patienten und entsprechenden Kostenfolgen sowie zu einer zu wenig systematisch angemessenen Anwendung von Leistungen nach international anerkannten Mindeststandards und therapeutischen Richtlinien mit dem Risiko von Ressourcenverschwendung und ungenügendem Behandlungszugang.

Um diese Mängel zu beheben und die wachsenden Herausforderungen durch die demografische Entwicklung und eine zunehmende Fragmentierung der Behandlungskette zu meistern, sind eine stärkere Führung und mehr Koordination unter den Akteuren sowie mehr Ressourcen und verbesserte Strukturen für die Koordination und die Aufbereitung von Wissen, Projekten, anspruchsgruppengerechter Kommunikation und Schulung notwendig. Von zentraler Bedeutung sind auch verbesserte Instrumente zur Förderung von Qualität in der Leistungserbringung (z.B. mehr schweizweite Daten, nationale Verbesserungsprogramme, klinische Leitlinien, elektronische Unterstützungssysteme, Disease-Management), mehr Verbindlichkeit in der Umsetzung und eine systematische Überprüfung der Leistungen.

1.2

Die beantragte Neuregelung

Grundsätzliches Der vorliegende Entwurf zur Änderung des KVG strebt folgende Ziele an: ­

Sicherung und Verbesserung der Qualität der erbrachten Leistungen;

­

nachhaltige Erhöhung der Patientensicherheit;

­

Kostendämpfung in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung.

Zu diesem Zweck soll der heutige Artikel 58 KVG geändert und erweitert werden.

Die Vorlage führt zu keiner Änderung an den Grundsätzen der bisherigen Kompetenzen der Akteure und den Steuerungssystemen, wie sie in der Bundesverfassung30 (BV) und im KVG vorgesehen sind.

Die Vorlage wurde unter Berücksichtigung dieser geltenden Kompetenzregelungen sowie auf der Basis der vom Bundesrat gutgeheissenen Qualitätsstrategie, des Berichts zur Konkretisierung der Qualitätsstrategie (vgl. Ziff. 1.1.7), der Strategie «Gesundheit 2020»31 wie auch der dargelegten Erkenntnisse zur heutigen Situation (vgl. Ziff. 1.1.8.) ausgearbeitet.

30 31

274

SR 101 Der Bericht «Gesundheit 2020. Die gesundheitspolitischen Prioritäten des Bundesrates» ist abrufbar unter: www.bag.admin.ch > Themen > Gesundheit 2020

BBl 2016

Artikel 58 KVG in der geltenden Fassung überträgt dem Bundesrat die Aufgabe, Massnahmen der Qualitätssicherung vorzusehen. Der Bundesrat kann wissenschaftliche Kontrollen zur Sicherung der Qualität vorsehen und dabei die Durchführung der Kontrollen den Berufsverbänden oder Dritten übertragen. Er kann aber auch andere geeignete Massnahmen zur Sicherstellung der Qualität vorsehen. Der Bundesrat hatte in seiner Botschaft vom 6. November 199132 zur Revision der Krankenversicherung festgehalten, dass die Qualitätssicherung dazu dienen soll, dass die Leistungserbringer sowohl kosten- als auch qualitätsbewusst arbeiten und dass im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung eine gute medizinische Versorgung zu einem vernünftigen Preis erreicht wird. Die vorhandenen Ressourcen sollten möglichst zweckmässig eingesetzt werden33. Es sollte damit nicht zuletzt dem Grundsatz von Artikel 56 Absatz 1 KVG zum Durchbruch verholfen werden, wonach die Leistungserbringer ihre Leistungen auf das Mass zu beschränken haben, das im Interesse der Versicherten liegt und das für den Behandlungsweck erforderlich ist.

Der Begriff der Qualitätssicherung war zur Zeit des Erlasses des KVG noch relativ neu und die Vorstellungen, was darunter zu verstehen ist, waren noch unklar.

Ansätze zur Qualitätssicherung waren damals insbesondere im Bereich der Laboranalysen (neutrale Kontrollen von Ergebnissen) vorhanden. Die Vorstellungen über den Inhalt von Qualitätssicherung haben sich jedoch von dieser anfänglich eher engen Sichtweise (Kontrolle bestimmter Ergebnisse) zu einem breiten Verständnis von Qualitätssicherung erweitert. Dieses breite Verständnis der Qualitätssicherung hat der Bundesrat denn auch mit seiner Qualitätsstrategie aufgenommen und wird von den beschriebenen Aktivitäten der verschiedenen Akteure gelebt. Diese Entwicklung ist daher in der gesetzlichen Regelung sichtbar zu machen. Artikel 58 KVG ist daher zur klareren Darstellung und Konkretisierung neu zu formulieren.

Mit der Neuregelung verfolgt der Bundesrat folgende Stossrichtung: ­

Steuerung der Umsetzung der Qualitätsstrategie des Bundesrates über die Vorgabe von Zielen;

­

Erarbeitung und Umsetzung von nationalen Programmen zur Verbesserung der Qualität der Leistungserbringung insbesondere zur Stärkung der Patientensicherheit; anschliessend Festlegung von Standards, die national eingeführt werden sollen;

­

Unterstützung von Projekten zur Förderung der Qualität unter anderem zur Erarbeitung von Grundlagen für Qualitätsindikatoren, in Bereichen, in denen solche noch nicht in allgemein verwendbarer Form zur Verfügung stehen;

­

Stärkung der Verbindlichkeit von Qualitätsmassnahmen sowie Schaffung von Transparenz hinsichtlich Umsetzung und erzielter Ergebnisse in Zusammenarbeit mit den Partnern (Kantone, Leistungserbringer, Versicherer).

Der Bund arbeitet über eine subventionsrechtliche Steuerung der Aktivitäten eng mit bestehenden Institutionen, insbesondere mit der Stiftung für Patientensicherheit Schweiz, zusammen.

32 33

BBl 1992 I 93 BBl 1992 I 191 f.

275

BBl 2016

Nationale Programme sind in der Qualitätsstrategie ein zentrales Element eines breit angelegten Verbesserungsprozesses. Sie nehmen Bereiche mit hohem Verbesserungsbedarf (Hotspots) in den Fokus (z.B. Medikationssicherheit, nosokomiale Infektionen). Dabei wird eine Anzahl Leistungserbringer zusammengebracht, um einen strukturierten und datenbasierten Verbesserungsprozess gemeinsam zu durchlaufen. Der Prozess stützt sich auf international erprobte Konzepte, die durch das US-amerikanische Institute for Healthcare Improvement (IHI) entwickelt und angewendet wurden. In der Praxis getestete Elemente von evidenzbasierten Leitlinien der guten Praxis («care bundles») werden bei den beteiligten Institutionen gezielt umgesetzt. Der Verbesserungsprozess wird mit geeigneten Outcome- und Prozessindikatoren begleitend gemessen. Im Hinblick auf eine flächendeckende Umsetzung werden die nationalen Programme evaluiert und geeignete Massnahmen zur Verbreitung empfohlen. Mit nationalen Qualitätsprogrammen, die im Leistungserbringungsprozess ansetzen und somit direkte Auswirkungen auf die Verbesserung von Qualität und Patientensicherheit haben, sollen sichtbare Verbesserungen erzielt werden.

Solche nationalen Programme können im Sinne von gross angelegten Massnahmen («large scale interventions») verstanden werden, wie sie etwa in den Programmen des IHI («100 000 Lives Campaign» und «Protecting 5 Million Lives from Harm») und der WHO («High 5s») erfolgreich praktiziert wurden. Sie orientieren sich vorwiegend an bekannten, qualitätsrelevanten Problemen. Solche Programme beinhalten verschiedene Komponenten wie Massnahmen zur Sensibilisierung der Leistungserbringer und Berufsfachpersonen, Bereitstellung von Verbesserungsinstrumenten (z.B. Checkliste sichere Chirurgie), Schulungen sowie Erhebung von Qualitätsindikatoren, lernorientierte Aktivitäten und auch direktes Coaching durch Expertinnen und Experten.

Im Weiteren sollen Projekte unterstützt werden, die der Umsetzung der vom Bundesrat vorgegebenen Ziele dienen. Der Bundesrat legt jeweils die thematischen Felder fest. Dazu gehört ebenfalls die Erarbeitung von Grundlagen zur Entwicklung von Qualitätsindikatoren in Bereichen, in denen solche noch nicht in allgemein verwendbarer Form zur Verfügung stehen, oder zur Weiterentwicklung bestehender Indikatorensysteme. Dies
wird vorwiegend im ambulanten Bereich der Fall sein, wo die Schweiz im Vergleich zu den umliegenden Ländern einen beträchtlichen Rückstand im Aufbau der Gesundheitsstatistik und in der Festlegung entsprechender Versorgungsstandards hat.

Betreffend Finanzierung und Strukturen beinhaltet die Vorlage die folgenden Elemente: ­

eine dauerhafte Finanzierungslösung für Programme und Projekte zur Verbesserung von Qualität und Patientensicherheit sowie zur Erarbeitung entsprechender Grundlagen aus jährlichen Beiträgen der Versicherer für alle nach dem KVG versicherten Erwachsenen und jungen Erwachsenen in Form einer Spezialfinanzierung nach Artikel 53 Absatz 1 des Finanzhaushaltgesetzes vom 7. Oktober 200534 (FHG);

­

die Schaffung einer ausserparlamentarischen Kommission «Qualität in der Krankenversicherung», die den Bundesrat bei der Festlegung und Verfol-

34

276

SR 611.0

BBl 2016

gung der Ziele sowie bei der Bestimmung und Auswertung geeigneter Programme und Projekte beraten soll; ­

die Schaffung einer Organisationseinheit (Fachstelle) im BAG, um die entsprechenden Programme und Projekte angemessen vorbereiten und begleiten zu können.

Steuerung Um einen zweckkonformen Einsatz der Mittel der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu gewährleisten, erfolgt die strategische und operative Steuerung des Mitteleinsatzes durch den Bund. Dabei soll die Steuerung über die Vorgabe von Zielen durch den Bundesrat für vier Jahre erfolgen. Der Bundesrat wird dabei von einer ausserparlamentarischen Kommission beraten. Im Weiteren legt der Bundesrat die Grundsätze für die Verteilung der Mittel und die nationalen Programme fest.

Zusätzlich erfolgt die Steuerung über die jährliche Überprüfung der Zielerreichung.

Da ein wesentlicher Teil der Leistungen durch Dritte erbracht werden soll, erfolgt hier die Steuerung über eine befristete Aufgabenübertragung mittels einer Leistungsvereinbarung.

Finanzierung Für die Finanzierungslösung wurde eine stabile, einfach administrierbare Lösung gesucht, die seitens Leistungserbringung keine unerwünschten Anreize setzt. Eine Finanzierung über Leistungsentgelte (Zuschläge auf jede abgerechnete Leistung) hätte den Nachteil der Konsumorientierung ohne Solidarität zwischen Gesunden und Kranken sowie des hohen Aufwandes bei der Erhebung (zahlreiche Tarifstrukturen und Fakturierungssysteme). Aus der Finanzierung über jährliche Beiträge der Versicherer für jede nach dem KVG versicherte Person, mit Ausnahme der Kinder, werden folgende Vorteile abgeleitet: ­

expositions- und nicht konsumbezogen;

­

Solidarität zwischen Gesunden und Kranken;

­

Äquivalenz von Finanzierer und Nutzniesser;

­

langjährig stabile Finanzierung;

­

kein Einfluss auf die Leistungserbringung (keine falschen Anreize);

­

erprobter relativ einfacher Erhebungsmodus.

Die vorgeschlagene Finanzierung ist zweckgebunden und erfolgt über einen jährlichen Beitrag der Versicherer im Maximum von 0,07 Prozent der durchschnittlichen Jahresprämie für alle nach dem KVG versicherten Erwachsenen und jungen Erwachsenen in Form einer Spezialfinanzierung nach Artikel 53 Absatz 1 FHG. Dieser Betrag stellt weniger als ein Promille der Prämienausgaben in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung dar. Konkret geplant wird nach einer Aufbauphase von vier Jahren mit einem Budget von rund 19,85 Millionen Franken. Als Form wird eine Spezialfinanzierung nach Artikel 53 Absatz 1 FHG gewählt. Die Bildung einer Spezialfinanzierung bedarf gemäss FHG einer gesetzlichen Grundlage. Sie entspricht einer gesetzlich vorgeschriebenen Mittelreservierung von Bundeseinnahmen zugunsten eines klar spezifizierten Zwecks. Eine andere Mittelverwendung ist nicht 277

BBl 2016

möglich. In diesem Zusammenhang ist es entscheidend, dass durch die Bildung einer Zweckbindung die Mittel lediglich «angeschrieben» werden. In welchem Umfang die jährlich vereinnahmten Beiträge für die gesetzlich umschriebene Aufgabenerfüllung eingesetzt werden, wird von den eidgenössischen Räten mit dem jeweiligen Voranschlag entschieden. Dies kann bedeuten, dass zur Einhaltung der Vorgaben der Schuldenbremse in einem bestimmten Jahr nicht sämtliche Erträge für die im Gesetz umschriebenen Aufgaben verwendet werden können. Die Zweckbindung wird damit aber nicht in Frage gestellt, weil die nicht verausgabten Mittel der Spezialfinanzierung in der Bundesbilanz gutgeschrieben werden. Dies wird in Form von Verbindlichkeiten des Bundes gegenüber der Spezialfinanzierung «Qualitätssicherung KVG» ausgewiesen. Eine Verschuldung der Spezialfinanzierung gegenüber dem Bund, die auf höhere Ausgaben als zweckgebundene Einnahmen zurückzuführen wäre, ist nicht möglich.

Nach den Rechnungslegungsgrundsätzen des Bundes werden Spezialfinanzierungen je nach Höhe des Handlungsspielraums als zweckgebundene Fonds im Eigenkapital oder im Fremdkapital unter den Passiven der Bundesbilanz bilanziert. Die zweckgebundenen Mittel sind im Eigenkapital zu bilanzieren, wenn in der entsprechenden Gesetzesgrundlage betreffend Art, Umfang und Zeitpunkt der Mittelverwendung ein gewisser Spielraum gewährt werden soll. Spezialfinanzierungen im Eigenkapital haben den Charakter von zweckgebundenen Reserven. Beabsichtigt der Gesetzgeber hingegen eine detaillierte Regelung zur Mittelverwendung und besteht für die Art und den Zeitpunkt der Verwendung kein ausdrücklicher Handlungsspielraum, so wären die entsprechenden zweckgebundenen Mittel ins Fremdkapital des Bundes aufzunehmen. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die im Bundeshaushalt jeweils vereinnahmten Beiträge der Versicherer für jede nach dem KVG versicherte Person unter Vorbehalt der Vorgaben zur Einhaltung der Schuldenbremse und der Budgethoheit der eidgenössischen Räte jeweils weitestgehend im Umfang der zweckgebundenen Erträge verwendet werden sollen. Somit würde dem speziellen Charakter des Beitrags der Versicherer für jede nach dem KVG versicherte Person, der ja keine klassische Bundessteuer, sondern eine gesetzlich vorgeschriebene Abgabe zur Finanzierung von Aufgaben der
obligatorischen Krankenpflegeversicherung darstellt, gebührend Rechnung getragen. Zudem ist für die Aufgabenerfüllung ein vergleichsweise konstanter Mittelbedarf für die Subventionen zugunsten der spezialisierten Dritten (namentlich der Stiftung für Patientensicherheit) zu erwarten. Aus diesem Grunde drängt sich eine Einteilung der Spezialfinanzierung in die Kategorie der zweckgebundenen Fonds im Fremdkapital auf. In der Bundesbilanz würde ein allfälliges Vermögen der Spezialfinanzierung in Form einer Verbindlichkeit im langfristigen Fremdkapital des Bundes ausgewiesen.

Ausserparlamentarische Kommission «Qualität in der Krankenversicherung» Der Bundesrat setzt eine ausserparlamentarische Kommission ein, die ihn bei der Erarbeitung der Ziele, bei der Festlegung der Themen der nationalen Programme sowie bei der Beauftragung und der Auswertung von Projekten und Anträgen auf finanzielle Unterstützung berät. Sie soll gewährleisten, dass das Wissen von Gesundheitsfachleuten, Kantonen, Leistungserbringern, Versicherern und Patientinnen und Patienten frühzeitig einbezogen werden kann. Dieses spezifische Fachwissen kann mit den bestehenden ausserparlamentarischen Kommissionen im KVG-Umfeld 278

BBl 2016

nicht genügend abgedeckt werden, ganz abgesehen davon, dass diese mit ihren bisherigen Aufgaben bereits ausgelastet sind. Die Kommission soll fünfzehn Mitglieder umfassen, wovon fünf ein besonderes Fachwissen bezüglich Qualität im Gesundheitswesen aufweisen sollen, die restlichen zehn Mitglieder sollen die Kantone, die Leistungserbringer, die Versicherer, weitere interessierte Kreise sowie die Versicherten und Patientinnen und Patienten vertreten.

Stiftung für Patientensicherheit Die Stiftung für Patientensicherheit wurde 2003 vom Bund und zahlreichen Partnerorganisationen gegründet. Sie hat sich seither zu einem anerkannten Kompetenzzentrum für die Belange der Patientensicherheit entwickelt. Im Rahmen der Qualitätsstrategie des Bundes führt sie seit 2012 unter dem Namen «progress!» nationale Pilotprogramme durch, die wichtige Hotspots der Patientensicherheit aufnehmen.

Bereits abgeschlossen ist das Programm «Sichere Chirurgie», angelaufen sind die Programme «Sichere Medikation an Schnittstellen» und «Sicherheit bei Blasenkathetern». In Planung befindet sich das Programm «Sichere Medikation in Pflegeheimen».

Die Stiftung zeichnet sich dadurch aus, dass sie die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt, von der Aufarbeitung der notwendigen wissenschaftlichen Grundlagen, über das Definieren neuer Themen und die Entwicklung von Grundlagendokumenten bis hin zu praktischen Handlungsempfehlungen sowie Umsetzungsprojekten in enger Zusammenarbeit mit Leistungserbringern und Fachleuten. Was sie von vielen Organisationen unterscheidet, ist ihre Fähigkeit, substanzielle Verbesserungen in den klinischen Alltag, ans Patientenbett, zu bringen. Die Stiftung geniesst deswegen bei den Leistungserbringern grosses Vertrauen und eine hohe Akzeptanz, die auf der hohen Arbeitsqualität sowie der wissenschaftlich unterlegten praktischen Relevanz ihrer Leistungen beruhen.

Aus diesen Gründen soll die Stiftung für Patientensicherheit als Schlüsselpartnerin des Bundes in der Durchführung von nationalen Programmen zur Verbesserung der Qualität definiert werden. Dies soll so umgesetzt werden, dass der Bundesrat die Kompetenz erhält, Dritte zu bestimmen, die Leistungsaufträge des Bundes erhalten, um nationale Programme zur Verbesserung der Qualität durchzuführen. Der Bundesrat würde dann aufgrund dieser Kompetenz die Stiftung in
der KVV als Schlüsselpartnerin definieren. So bliebe auch die Flexibilität, andere Dritte in dieser Rolle zu bezeichnen, wenn die Stiftung für Patientensicherheit nicht mehr in der Lage sein sollte, diesen Auftrag zielführend wahrzunehmen.

Begleitung der Arbeiten durch den Bund Innerhalb des BAG soll eine Organisationseinheit (Fachstelle) geschaffen werden.

Zuhanden des Bundesrats soll diese die folgenden Aufgaben wahrnehmen: ­

Erarbeitung von Vorschlägen für die Qualitätssicherungsziele;

­

Erarbeitung von inhaltlichen und methodischen Vorgaben für die Programme.

279

BBl 2016

Im Hinblick auf die Umsetzung ist die Fachstelle zuständig für: ­

die Begleitung der Durchführung und die Evaluation der Programme sowie die Vorbereitung von Leistungsvereinbarungen mit Dritten, denen die Erarbeitung, Durchführung und Evaluation übertragen werden soll, sowie die Umsetzung und Überwachung dieser Leistungsvereinbarungen;

­

die Beurteilung von Projekten zur Erreichung der Ziele und zur Erarbeitung von Grundlagen für die Entwicklung von Qualitätsindikatoren nach Artikel 22a KVG sowie die Vorbereitung und Überwachung von entsprechenden Finanzhilfen;

­

die Führung des Sekretariats der ausserparlamentarischen Kommission «Qualität in der Krankenversicherung»;

­

die Information der Öffentlichkeit über die durchgeführten Programme und Projekte.

Die Organisationseinheit soll mit den Kantonen, Leistungserbringerverbänden, Fachgesellschaften, Patientenorganisationen und weiteren Organisationen des Gesundheitswesens zusammenarbeiten. Die Organisationseinheit soll national und international Vernetzungsfunktionen wahrnehmen.

Zusammenarbeit mit Facheinheit HTA Die Themen der Qualität, des zweckmässigen Einsatzes der Leistungen wie die systematische Prüfung der Leistungen mittels Berichten zur Bewertung von Gesundheitstechnologien (Health Technology Assessment, HTA) könnten angesichts ihrer Bedeutung für die Nachhaltigkeit der Gesundheitsversorgung in unterschiedlichen Strukturen betreut werden. Sie weisen indessen eine enge Verbindung auf. So können Erkenntnisse, die bei der systematischen Überprüfung bestehender Leistungen gewonnen werden, den Ausgangspunkt für Massnahmen zur Förderung von Qualität bilden. Umgekehrt können festgestellte Qualitätsprobleme einen Hinweis auf kritische Punkte bei den eingesetzten Leistungen geben. Eine enge organisatorische Verbindung der Themen verhindert Informationsverlust und eine zu partielle Sicht auf das Gesamtsystem. Nicht zuletzt führt dies zu einem ressourcenschonenden, effizienten und zielgerichteten Einsatz der zusätzlich einzusetzenden Mittel.

Die beim BAG zu schaffende Fachstelle wird denn auch in engem fachlichem Austausch mit der Facheinheit HTA des BAG stehen.

1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

1.3.1

Vernehmlassungsverfahren

Gestützt auf den Bundesratsbeschluss vom 25. Mai 2011 (vgl. Ziff. 1.1.7) hat der Bundesrat einen Vorschlag vorbereitet, in dem durch die Errichtung eines nationalen Zentrums für Qualität die Aktivitäten im Bereich Qualität verstärkt werden können und gleichzeitig die Finanzierung durch einen Beitrag der Versicherer für jede nach dem KVG versicherte Person gewährleistet ist. Das neu zu schaffende Zentrum für

280

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Qualität in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung sollte im Bereich der Qualität Grundlagen erarbeiten, Vorschläge für neue Qualitätsindikatoren ausarbeiten, nationale Verbesserungsprojekte und -programme implementieren sowie Forschungsvorhaben entwerfen und umsetzen. An der bestehenden Regelung von Kompetenzen und Verantwortlichkeiten sollten keine Änderungen vorgenommen werden. Im Zentrum standen die Anliegen der Verbesserung der Patientensicherheit und der Qualität sowie der Stärkung des zweckmässigen Einsatzes der Leistungen durch gezielte Massnahmen. Nicht geplant war, bestehende Organisationen der Tarifpartner oder der Leistungserbringer in das Zentrum zu integrieren.

Der Bundesrat hat diesen Entwurf vom 14. Mai bis zum 5. September 2014 in Vernehmlassung gegeben35. Im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens gingen 152 Stellungnahmen ein. Sowohl mehr Qualität wie eine stärkere Führungsrolle durch den Bund wurden grundsätzlich gewünscht und begrüsst. Eine klare Mehrheit unterstützte auch eine aktivere Rolle des Bundes im Bereich der Qualitätssicherung.

Uneinheitlich waren hingegen die Rückmeldungen bezüglich der Form, in der die Stärkung der Qualität und Wirtschaftlichkeit erreicht werden kann. So unterstützten beispielsweise die GDK, der Versichererverband curafutura, die Stiftung SPO Patientenschutz, der DVSP, die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW), der SBK sowie das Scientific Advisory Board (SAB) die Schaffung eines Zentrums für Qualität. Dagegen stellten sich namentlich die Leistungserbringer H+, Curaviva und der Spitex-Verband Schweiz, zudem Santésuisse, die FMH und der Verband chirurgisch und invasiv tätiger Ärztinnen und Ärzte (FMCH).

Auch die Befürworter eines Zentrums brachten Änderungsvorschläge ein. Verlangt wurde primär ein verbindlicher Einbezug der Stakeholder im Verwaltungsrat.

Weiter wurde vorgeschlagen, bereits bestehende Organisationen (z.B. die Stiftung für Patientensicherheit, der ANQ, das Swiss Medical Board, die Stiftung EQUAM) in das Zentrum zu integrieren oder ihnen unbefristete Leistungsaufträge zu erteilen.

Für die Details der Vernehmlassungsantworten wird auf den Ergebnisbericht zur Vernehmlassung verwiesen.36 Der Bundesrat hat aufgrund der Ergebnisse der Vernehmlassung am 13. Mai 2015 beschlossen, die Bereiche Qualität und
HTA getrennt weiterzubearbeiten, und das EDI beauftragt, die Zentrumslösung nicht weiterzuverfolgen und für die Qualität die Variante mit einer Netzwerklösung weiter zu konkretisieren, wobei die Synergien der beiden Aufgaben auszuschöpfen sind.

35

36

Die Vernehmlassungsunterlagen sind abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen und Anhörungen > 2014 > Eidgenössisches Departement des Innern Der Ergebnisbericht ist abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen und Anhörungen > 2014 > Eidgenössisches Departement des Innern

281

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1.3.2

Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Es geht aus der Vernehmlassung und den nachfolgenden Diskussionen hervor, dass die Schaffung einer neuen öffentlich-rechtlichen Organisation im Bereich Qualitätssicherung ungenügende Akzeptanz findet und der Zusammenarbeit mit bestehenden Organisationen, insbesondere der Stiftung für Patientensicherheit, hohe Priorität eingeräumt wird.

Die vorgeschlagene Lösung berücksichtigt dies in vollem Umfang, indem sie statt eines Zentrums für Qualität eine Finanzierungslösung vorsieht, mit der ein wesentlicher Teil der Aufgaben mittels Projektausschreibungen an Dritte vergeben werden soll. Die Zusammenarbeit mit der Stiftung für Patientensicherheit soll auf Verordnungsstufe verankert werden, und die Interessengruppen werden über eine ausserparlamentarische Kommission einbezogen.

Damit wird eine Variante wieder aufgenommen, die im Bericht vom 25. Mai 201137 an den Bundesrat zur Konkretisierung der Qualitätsstrategie des Bundes im schweizerischen Gesundheitswesen bereits als Variante 2 beschrieben und diskutiert worden war. Dieser Bericht stellt fest: «Beim Bund verbleiben bei dieser Modellvariante am meisten Aufgaben. Insbesondere auch wesentliche Aufgaben in der Überwachung und Koordination der Akteure OKP (mit Unterstützung durch die nationale Q-Plattform) und der beauftragten Organisationen sowie Initiierung und Planung von nationalen Qualitäts- und Patientensicherheits-Programmen. [...] In Variante 2 wird auch eine höhere organisatorische Komplexität und ein höherer Steuerungsaufwand seitens des Bundes mit einem seinerseits entsprechend höheren Ressourcenbedarf gesehen»38.

Die Finanzierung der Umsetzung der Qualitätssicherung nach Artikel 58 KVG ist bislang nicht nachhaltig geregelt. So sind auch die Kantonsbeiträge, die der Stiftung für Patientensicherheit gewährt werden, eine Übergangsfinanzierung. Der Bundesrat vertritt jedoch die Auffassung, dass sich die Kantone weiterhin an der Finanzierung der Stiftung für Patientensicherheit beteiligen sollten. Mit der vorgesehenen Lösung schafft der Bund die Voraussetzung für eine nachhaltige Finanzierung. Wichtigstes Element der Umsetzung sind die Programme und Projekte im Bereich Qualität und Patientensicherheit, die wesentlich ausgebaut werden sollen. Im ersten Programm haben sich 34 Spitäler zur Teilnahme angemeldet. Aus Ressourcengründen konnten nur zehn berücksichtigt werden. Ein Ausbau der Programme soll deshalb bezüglich der Anzahl der teilnehmenden Leistungserbringer und bezüglich der Anzahl Themen erfolgen.

37

38

282

Der Bericht ist abrufbar unter: www.bag.admin.ch> Themen > Krankenversicherung > Qualitätssicherung > Qualitätsstrategie im Schweizerischen Gesundheitswesen - Bericht zur Konkretisierung der Qualitätsstrategie Bericht zur Konkretisierung der Qualitätsstrategie des Bundes im Schweizerischen Gesundheitswesen, S. 8

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1.4

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Mit der Vorlage wird eine zweckgebundene Finanzierungslösung für die Durchführung von Programmen und die Unterstützung von Projekten von Dritten geschaffen.

Der Bund übernimmt eine strategische und operative Steuerung, um den zweckkonformen Einsatz der Mittel der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu gewährleisten. Für die beim BAG zu schaffende Fachstelle ist mit einem Personalbedarf von mindestens vier Personen (Endausbau) und damit einem Kostenvolumen von 0,8 Millionen Franken zu rechnen. Sollte sich aufgrund fundierter Grundlagen herausstellen, dass die Ressourcen ungenügend sind, wird die Möglichkeit einer Erhöhung des Personalbedarfs geprüft werden. Für die Programme und Projekte sowie für ergänzende Aufgaben stehen bei einem Budget von rund 19,85 Millionen Franken somit 19 Millionen Franken zur Verfügung. Das BAG ist beauftragt, die Mittel zur Förderung der Qualität der Leistungen im KVG (Spezialfinanzierung) zu verwalten.

Die Mittel sollen im Einzelnen folgendermassen verwendet werden. Aus den Aufgaben leitet sich entsprechend auch der Personalaufwand ab (in Vollzeitstellen [FTE]): Aufgaben Qualität

Leitung, Vorbereitung der Berichterstattung und der Anträge an den Bundesrat, Vorbereitung der Ziele nach Artikel 58 Absatz 1

Betrag in Franken / Jahr

0,14 Mio. 0,7

Nationale Programme zur Förderung der Qualität ­ Programmkosten (Abgeltung als Globalbeitrag) 11 Mio.

­ Grundlagenarbeiten, Erarbeitung inhaltlicher und metho- 0,26 Mio discher Vorgaben, Konzipierung, Erarbeitung von Leistungsvereinbarungen mit Dritten, Steuerung, Controlling und Evaluation von 3­5 parallel laufenden Programmen Projekte, die zur Erreichung der Ziele nach Artikel 58 Absatz 1 zur Grundlagenerarbeitung und insbesondere zur Entwicklung von Qualitätsindikatoren dienen ­ Unterstützung von Projekten (Finanzhilfen an Dritte) ­ Externe Mandate Qualitätsindikatoren und Ressortforschung ­ Grundlagenerarbeitung und Weiterentwicklung von Qualitätsindikatoren/-informationen (insbesondere in Bereichen, wo keine bestehenden Indikatoren getestet wurden, z.B. ärztliche Praxen), inkl. Begleitung und Evaluation ­ Grundlagenarbeiten, Begleitung und Evaluation der übrigen Projekte Sekretariat der Kommission (Aufbereitung der Unterlagen, Protokollführung) und Sitzungsgelder für die Kommission Total

Stellen (FTE)

1,3

6 Mio.

2 Mio.

0,2 Mio.

1

0,1 Mio.

0,5

0,15 Mio. 0,5 19,85 Mio. 4,0

283

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Die Grundlagenerarbeitung, Konzipierung und Vergabe der nationalen Qualitätsprogramme im Umfang von 11 Millionen Franken und der Projekte und Dienstleistungsverträge im Umfang von 8 Millionen Franken pro Jahr wie auch deren Steuerung, Controlling und Evaluation bedingen zusätzliche personelle Ressourcen im Umfang von 2,8 Vollzeitstellen. Die Leitung, Vorbereitung der Berichterstattung und der Anträge an den Bundesrat wie auch die Führung des Sekretariats der Kommission bedingen 1,2 Vollzeitstellen.

Die auch von der OECD erwähnte ungenügende Datenbasis zur Beurteilung der Qualität der Leistungen, insbesondere im ambulanten Bereich, soll schrittweise erweitert und bestehende Indikatorensysteme sollen weiterentwickelt und ergänzt werden. Zu diesem Zweck sind entsprechende Grundlagen zu erarbeiten.

Nicht Teil des Kostenvolumens sind die Aufwände der Leistungserbringer für deren Aktivitäten zur Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung, einschliesslich der Kosten für die Erhebung von Qualitätsindikatoren. Im Sinne des KVG sind die Qualitätssicherungsmassnahmen der Leistungserbringer Bestandteil der Leistungserbringung (zur Gewährleistung der Qualität der Leistungen). Die damit verbundenen Kosten sind in den vereinbarten Tarifen heute bereits berücksichtigt und nicht über separate Wege zu finanzieren.

Es sollen auch keine Aktivitäten der Tarifpartner übernommen werden, die in Erfüllung der Artikel 59d und 77 KVV in ihren Tarifverträgen oder spezifischen Vereinbarungen Qualitätsmessungen oder -programme vereinbaren, weil das Primat der Vertragspartnerschaft respektiert und dort ein Mehrwert geschaffen werden soll, wo die Eigenaktivität von Leistungserbringern und Tarifpartnern nicht genügt, um die notwendige Wirkung zu erzielen. Gleiches gilt für die bereits heute den Kantonen zufallenden Aufgaben (Qualitätsvorgaben bei der Zulassung der Leistungserbringer, Datensammlung z.Hd. des Bundes und auf kantonaler Ebene). Auch weitere Qualitätsaktivitäten von Verbänden und Fachgesellschaften sollen über die bereits bestehenden Finanzierungskanäle abgedeckt werden.

Die Erarbeitung der Grundlagen, die Konzipierung, Vergabe und Steuerung sowie ein wirksames Controlling der beabsichtigten Qualitätsprogramme und -projekte bedingen den in der Tabelle aufgeführten Ressourceneinsatz.

1.5

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Auch andere Länder haben sich mit dem Aufbau von Qualitätsorganisationen beschäftigt. In der Folge wird die Situation von Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und den Niederlanden dargestellt.

Deutschland In Deutschland delegiert die Gesetzgebung dem Gemeinsamen Bundesausschuss der Tarifpartner (G-BA) sehr weitgehende Verpflichtungen und Kompetenzen zum

284

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Erlass von Qualitätssicherungsstandards, -massnahmen und -indikatoren39. Der G-BA wird für den Vollzug von vier Instituten unterstützt, die auch direkt von der Bundesregierung beauftragt werden können. Das Gesamtbudget des G-BA beträgt 2015 rund 60 Millionen Euro und wird mit Zuschlägen pro Behandlung (stationär, ambulant und zahnärztlich) finanziert.

39

40 41 42

­

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat seit 2004 die Aufgabe, fachlich unabhängige, evidenzbasierte (beleggestützte) Gutachten zu erstellen beispielsweise zu Arzneimitteln, nichtmedikamentösen Behandlungsmethoden (z.B. Operationsmethoden), Verfahren der Diagnose und Früherkennung (Screening), Behandlungsleitlinien und Disease-Management-Programmen (DMP). Darüber hinaus stellt das IQWiG auch allgemeinverständliche Gesundheitsinformationen für alle Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung.40

­

Die deutsche Bundesregierung hat am 26. März 2014 den Entwurf für ein Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der Gesetzlichen Krankenversicherung vorgelegt. Im Bereich Qualität soll ein Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) errichtet werden. Dieses soll für die Politik und die Selbstverwaltung des Gesundheitswesens, den G-BA, dauerhaft wissenschaftlich und methodisch fundierte Entscheidgrundlagen für Massnahmen der Qualitätssicherung liefern und in der Öffentlichkeit durch transparente und verständliche Information die Voraussetzungen für einen Qualitätswettbewerb durch verlässliche und anerkannte Kriterien schaffen.41 Es ist die Nachfolgeorganisation des Instituts für Qualität und Patientensicherheit (BQS), das für die gleiche Trägerschaft zahlreiche Projekte in den Bereichen Qualitätsindikatoren, Register und Benchmarking durchgeführt und namentlich die 426 Indikatoren entwickelt hat, die in deutschen Krankenhäusern regelmässig überprüft werden müssen.

­

Das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) wurde 1969 als nicht rechtsfähige Bundesanstalt gegründet, um Informationen aus der gesamten Medizin und ihren Randgebieten bereitzustellen. Im Verlaufe der Jahre erhielt es verschiedene gesetzliche Aufgaben im Bereich der medizinischen Dokumentation, der Klassifikationssysteme und der HTA42.

­

Das Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH (AQUA-Institut) erhielt 2009 vom G-BA Aufträge betreffend dem Aufbau einer bundesweiten und sektorenübergreifenden Qualitäts-

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung, Drittes Kapitel, Neunter Abschnitt: Sicherung der Qualität der Leistungserbringung. Der Gesetzestext ist abrufbar unter: www.gesetze-im-internet.de > Gesetze / Verordnungen > SGB V Weitere Informationen zur Institution sind abrufbar unter: www.iqwig.de Weitere Informationen zum Institut sind abrufbar unter: www.iqtig.org Weitere Informationen zum Institut sind abrufbar unter: www.dimdi.de

285

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sicherung im Gesundheitswesen (SQG) gemäss Paragraf 137a des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V)43.

Frankreich In Frankreich ist die Haute Autorité de Santé (HAS) mit Aufgaben in den Bereichen Qualität und HTA betraut. Die HAS ist eine unabhängige öffentliche Behörde, die zur Regulierung in Bezug auf die Qualität des Gesundheitswesens beitragen soll.

Das Gesamtbudget der HAS belief sich für das Jahr 2014 auf 50,6 Millionen Euro, wobei die HAS auf 2800 externe Expertinnen und Experten und 550 «expertsvisiteurs» zurückgreifen kann44. Die HAS wird durch den Staat (mehrheitlich) und die Branchen-Krankenkassen finanziert. Das Arbeitsprogramm der HAS wird jedes Jahr am Ende eines Planungsverfahrens in Absprache mit dem Ministerium für Arbeit, Beschäftigung und Gesundheit und der nationalen Krankenkasse der Arbeitnehmerinnen und Arbeiternehmer definiert.

­

Die HAS evaluiert Gesundheitsprodukte, -massnahmen, -leistungen und -technologien aus medizinischer und wirtschaftlicher Sicht im Hinblick auf deren Zulassung zur Kostenübernahme durch die Krankenversicherung. Sie erarbeitet Empfehlungen zu Versorgungsstrategien. Sie informiert Öffentlichkeit, Patientinnen und Patienten und Gesundheitsfachpersonen über ihre Auswertungen und Empfehlungen.

­

Die HAS zertifiziert Gesundheitseinrichtungen und akkreditiert die praktizierenden Ärztinnen und Ärzte bestimmter Fachgebiete, um die Versorgungsqualität und die Patientensicherheit bei der stationären und der ambulanten Behandlung zu evaluieren und zu verbessern.

Grossbritannien In Grossbritannien sind Qualitätssicherungsaktivitäten an drei Organismen delegiert, die abgesehen von beschränkten Dienstleistungseinnahmen staatlich finanziert sind: ­

Die Care Quality Commission ist ein unabhängiger Regulator für alle Gesundheitseinrichtungen in Grossbritannien. Mit einem Jahresbudget von 148 Millionen Pfund45 ist sie verantwortlich für die Erarbeitung von Standards sowie die Zulassung und Überwachung von rund 30 000 Leistungserbringern im ganzen Land. Aufgrund von Audits und unangemeldeten Inspektionen werden Standards überwacht und mit ausgebauten Sanktionsinstrumenten (Bussen, Verwarnungen, temporäre oder definitive Schliessungen) durchgesetzt.

­

Monitor ist ein unabhängiger Regulator, der die Effizienz und Qualität der Gesundheitseinrichtungen des staatlichen National Health Service (NHS) überwacht. Mit einem Jahresbudget von 72 Millionen Pfund46 ist Monitor

43 44 45 46

286

Weitere Informationen zum Institut sind abrufbar unter: www.aqua-institut.de Der Jahresbericht 2014 ist abrufbar unter: www.has-sante.fr/ > LaHAS > Missions > Rapport d'activité et bilan social Der Businessplan der Care Quality Commission von 2015/16 ist abrufbar unter: www.cqc.org.uk > Publications > Major reports > Business plan 2015/16 Weitere Informationen zum Regulator sind abrufbar unter: www.gov.uk/government/organisations/monitor

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verantwortlich für die Erarbeitung von Zulassungsbedingungen, für die Zulassung von NHS-Einrichtungen, die Publikation von PerformanceBerichten zuhanden des Gesundheitsministeriums, der NHS-Leistungseinkäufer und der Patientinnen und Patienten, für Audits und Inspektionen der NHS-Einrichtungen sowie für allfällige Sanktionen (Auflagen, Änderungen der leitenden Organe, Zulassungsentzug).

­

Das National Institute for Health and Care Excellence (NICE)47 ist eine öffentliche Einrichtung, die mit einem Jahresbudget von 71 Millionen Pfund verantwortlich ist für HTA, für die NHS-Zulassung von Medikamenten, für die Ausarbeitung von evidenzbasierten klinischen Guidelines, für die Entwicklung und Messung von Qualitätsstandards und -indikatoren sowie für die Publikation aller ausgearbeiteten Standards und Assessments für Gesundheitsfachleute und das breite Publikum.

Niederlande In den Niederlanden sind die Qualitätssicherungsaktivitäten auf drei wesentliche Organisationen verteilt, die allesamt unabhängige öffentliche Einrichtungen mit staatlicher Finanzierung sind:

47 48 49 50

­

Das Inspectie voor de Gesundheitszorg (IGZ)48 überwacht mit einem Jahresbudget von 65 Millionen Euro im Jahr 2014 bei den Leistungserbringern die Erfüllung der gesetzlich vorgegebenen Standards, namentlich das Vorhandensein und die Wirksamkeit von Qualitätssicherungssystemen und der notwendigen Einrichtungen im Bereich Patientensicherheit. Das Inspektorat überwacht ebenfalls die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften über die Patientenrechte. Wo vorhanden, stützt sich das IGZ bei seiner Inspektionstätigkeit auf Standards und Indikatoren ab, die von den Leistungserbringern entwickelt worden sind, wo nicht, entwickelt es selbst entsprechende Normen. Es bestehen zahlreiche Sanktionsmöglichkeiten gegenüber fehlbaren Leistungserbringern. Öffentliche Berichterstattung über negative Inspektionsergebnisse wird ebenfalls als Steuerungsinstrument betrachtet.

­

Die Nederlandse Zorgautoriteit (NZa)49 ist mit einem Jahresbudget von 34 Millionen Euro im Jahr 2013 für das transparente und effiziente Funktionieren des Gesundheits- und Versicherungsmarktes zuständig. Sie kann spezifische Limitierungen erlassen, wenn einzelne Akteure signifikante Marktmacht erreichen, und direkt in die Preisbildung eingreifen, wenn der Markt nicht zu effizienten Ergebnissen führt. Sie misst die Performance der Leistungserbringer (Effizienz und Qualität) und gibt ein Monitoring der Krankenversicherung (Qualität, Zugang und Bezahlbarkeit) heraus.

­

Das Zorginstituut Nederland (ZIN)50 ist ein staatliches Organ für die Aufsicht über die Krankenversicherung und ist mit einem Jahresbudget von rund Weitere Informationen zum Institut sind abrufbar unter: www.nice.org.uk > About > Who we are > Corporate information Der Jahresbericht des IGZ ist abrufbar unter: www.igz.nl > organisatie > jaarverslagen Weitere Informationen zur Behörde sind abrufbar unter: www.nza.nl Weitere Informationen zum Aufsichtsorgan sind abrufbar unter: www.zorginstituutnederland.nl

287

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48 Millionen Euro im Jahr 2014 und rund 52 Millionen Euro im Jahr 2015 für den Leistungskatalog (inkl. Medikamente), HTA und den Risikoausgleich unter den Versicherern zuständig.

In den untersuchten Staaten gibt es also Behörden und öffentliche Institutionen zur Qualitätssicherung und -förderung und Einrichtungen im Bereich Patientensicherheit, die teilweise staatlich, aber auch über Beiträge der Krankenversicherer und Zuschläge auf den Behandlungskosten finanziert werden.

1.6

Umsetzung

In Ziffer 1.1.5 ist dargelegt worden, welche Rollen die einzelnen Akteure haben, und in Ziffer 1.2, welche Aufgaben in der neuen Struktur dem Bund, der ausserparlamentarischen Kommission und Dritten zukommen werden.

Der Bundesrat wird auf Verordnungsebene verschiedene Detailregelungen vornehmen müssen. Insbesondere wird er die Aufgaben und die Organisation der ausserparlamentarischen Kommission zu definieren haben. Diese hat die Aufgabe, den Bundesrat bei der Festlegung der Ziele nach Artikel 58 Absatz 1 KVG zu beraten.

Der Entscheid zur Bestimmung und Evaluation der nationalen Programme und der entsprechenden Aufgabenübertragung an Dritte sowie zur Gewährung von Finanzhilfen für Projekte wird gestützt auf die Empfehlungen der Kommission durch das BAG gefällt. Für die detaillierte Regelung der Organisation und der Arbeitsweise der Kommission genehmigt der Bundesrat eine Geschäftsordnung. Diese regelt die Bildung von Ausschüssen und den Beizug von weiteren Experten. Die Präsidentin oder der Präsident sowie die weiteren Mitglieder der Kommission werden durch den Bundesrat gewählt. Das Sekretariat wird von der Fachstelle geführt. Auch wird er die inhaltlichen und methodischen Vorgaben für nationale Programme festlegen müssen. Diese werden unter Berücksichtigung der internationalen besten Praxis durch die Fachstelle erarbeitet. Dabei sollen auch die Erfahrungen aus bisherigen Pilotprogrammen einbezogen werden. Der Bundesrat muss regeln, welche Anforderungen Dritte erfüllen müssen, die mit der Erarbeitung, Durchführung und Evaluation von nationalen Programmen beauftragt werden. Die Aufträge können an nationale oder internationale Dritte erteilt werden. Diese müssen fähig sein, Programme nach der besten Praxis durchzuführen. Die Stiftung für Patientensicherheit ist Schlüsselpartnerin bei der Durchführung von nationalen Programmen. Im Zusammenhang mit der Gewährung von finanziellen Beiträgen an Projekte muss der Bundesrat die Voraussetzungen festlegen, die hierfür gegeben sein müssen. Diese Projekte werden national oder regional durchgeführt. Die zu wählenden Themenfelder sollen auf den Aktionsfeldern der Qualitätsstrategie des Bundes im schweizerischen Gesundheitswesen beruhen.

Zur Sicherstellung der Umsetzung muss im BAG eine Organisationseinheit (Fachstelle) geschaffen werden. Die Aufgaben und der
entsprechende Ressourcenbedarf sind in der Tabelle in Ziffer 1.4 ausgewiesen.

Schliesslich muss der Bundesrat die Höhe des Beitrags, den die Versicherer zur Finanzierung dieser neuen Aufgaben dem Bund entrichten müssen, festlegen. Die maximale Höhe ist in Artikel 58d Absatz 2 geregelt.

288

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Die Vorlage tangiert nicht alle Aufgaben, die im Bereich Qualität auszuführen sind.

So bleibt die ganze Regulierung nach Artikel 58 Absatz 3 des geltenden KVG subsidiär beim Bund. Insbesondere die Tarifpartner werden nicht von ihren Verpflichtungen im Bereich Qualitätssicherung entbunden.

1.7

Parlamentarische Vorstösse

Zahlreiche parlamentarische Vorstösse befassen sich mit der Thematik Qualität und Patientensicherheit und schlagen verschiedene Massnahmen vor.

04.3624 Motion SGK-N «Qualitätssicherung und Patientensicherheit im Gesundheitswesen» Mit der Motion wird verlangt, Qualitätssicherung und Patientensicherheit in der medizinischen Behandlung als Verantwortung des Bundes zu verankern und im Rahmen einer nationalen Plattform gemeinsam mit den Kantonen, Leistungserbringern, Krankenversicherern und Patientenorganisationen für den notwendigen Rahmen und die zu treffenden Massnahmen zur Realisierung der Qualitätssicherung sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich unter besonderer Beachtung der Behandlungsqualität zu sorgen. Die Motion ist mit der Änderung angenommen worden, dass der Bund beauftragt wird, Qualitätssicherung und Patientensicherheit zu steuern, zu regeln und zu koordinieren.

Der Bundesrat hat in seiner Antwort die Notwendigkeit, die Qualität der medizinischen Behandlung durch engere Vorgaben des Bundes zuhanden der Leistungserbringer und Versicherer sicherzustellen, grundsätzlich bejaht und es auch als notwendig erachtet, die notwendigen konkreten Massnahmen zur Qualitätssicherung zu treffen. Er hat jedoch darauf hingewiesen, dass der Bund bereits gestützt auf Artikel 58 des geltenden KVG die Kompetenz zur Qualitätssicherung durch Anknüpfung der Abgeltung von Leistungen an Qualitätskriterien habe, Kontrollen in ausgewählten Gebieten durchführen und die Zulassung der Leistungserbringer durch zu erfüllende Kriterien einschränken könne. Der Bundesrat hat entsprechend die Ablehnung der Motion beantragt, weil einige Anliegen der Motion schon erfüllt waren und er die alleinige Verantwortung des Bundes für die Qualitätssicherung beziehungsweise die Patientensicherheit weder als sinnvoll noch als finanzierbar erachtete.

Die Vorlage sieht eine dauerhafte Finanzierungslösung für Programme und Projekte zur Verbesserung von Qualität und Patientensicherheit vor, die zu einem wesentlichen Teil durch Dritte durchgeführt werden. Der Bund soll dabei eine Steuerungsund Koordinationsfunktion übernehmen und bei der Festlegung der Ziele durch eine ausserparlamentarische Kommission beraten werden. Mit dieser Vorlage wird dem Vorstoss Rechnung getragen.

289

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10.3015 Motion SGK-N «Für eine nationale Qualitätsorganisation im Gesundheitswesen», 10.3353 Motion SGK-N «Qualitätssicherung OKP» sowie 10.3450 Motion SGK-N «Für eine unabhängige nationale Organisation für Qualitätssicherung» Mit diesen Motionen wird eine Gesetzesänderung verlangt, mit dem Ziel, die Qualitätsstrategie des Bundes im schweizerischen Gesundheitswesen rasch umzusetzen und dabei insbesondere die Rahmenbedingungen für die Gründung und Finanzierung einer unabhängigen nationalen Institution für Qualitätssicherung zu schaffen.

Der Bundesrat war mit den Anliegen der Motion grundsätzlich einverstanden. Sie ergänze die laufenden Vorhaben des Bundes und der Kantone. Der Bundesrat hat in der Folge einen Vorschlag für die Errichtung eines nationalen Zentrums für Qualität den interessierten Kreisen zur Stellungnahme unterbreitet. Der Vorschlag der Schaffung eines Zentrums wurde in der Vernehmlassung mehrheitlich abgelehnt. Der vorliegende Entwurf sieht die Stärkung der Aktivitäten mittels eines Netzwerks vor und beinhaltet, dass der Bundesrat Ziele in Bezug auf die Sicherung der Qualität verbindlich festlegt. Zur Erreichung der Ziele sorgt der Bundesrat dafür, dass nationale Programme durchgeführt werden und der Bund Projekte und Forschungsvorhaben unterstützt. Der Einbezug der Stakeholder wird durch deren Vertretung in einer ausserparlamentarischen Kommission gewährleistet. Die Vorlage beinhaltet konkrete Massnahmen zur Umsetzung der Qualitätsstrategie und entspricht dem Anliegen der Motionäre.

10.3912 Motion Heim «Vita sicura. Risikoforschung für Patientensicherheit», 10.3913 Motion Heim «Vita sicura. Nationales Programm für Patientensicherheit» Mit diesen zwei von Nationalrätin Bea Heim eingereichten Motionen im Bereich Patientensicherheit wird der Bundesrat beauftragt, ein Forschungsprogramm für Patientensicherheit, die Sicherheit und Qualität der stationären und ambulanten Behandlung betreffend, zu initiieren sowie Sicherheitsstandards zu formulieren und deren Umsetzung zusammen mit den Kantonen sicherzustellen sowie einen nationalen Aktionsplan für Massnahmen zur Erhöhung der Patientensicherheit zu erarbeiten und umzusetzen. Der Bundesrat hat die Annahme beider Motionen beantragt. Die Vorlage sieht vor, dass die notwendigen finanziellen Mittel für nationale Programme und Projekte zur
Verbesserung von Qualität und Patientensicherheit zur Verfügung gestellt werden. Die nationalen Programme sind das Kernelement bei der Umsetzung von Qualitätsverbesserungen. Damit deckt sich die Stossrichtung der Vorlage mit der Absicht der Motionärin. Die Motionen werden daher erfüllt.

05.3878 Postulat Heim «Gesundheitsversorgung. Positive Anreize zur Förderung der Patientensicherheit und der Qualitätssicherung» Mit diesem von Nationalrätin Bea Heim eingereichten Postulat wird der Bundesrat beauftragt, verschiedene Modelle positiver Anreize zur Förderung der Qualitätssicherung in der ambulanten und stationären Gesundheitsversorgung und die dafür notwendigen gesetzlichen Grundlagen zu prüfen. Der Bundesrat hat die Annahme des Postulats beantragt. Das Postulat wurde vom Nationalrat überwiesen. Der vorliegende Entwurf schafft zwar die notwendigen gesetzlichen und strukturellen Grundlagen zur Förderung der Qualität und der Patientensicherheit. Hingegen wer-

290

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den keine weiteren gesetzlichen Grundlagen geschaffen, um zusätzliche Anreize durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung zu schaffen. Die Frage kann zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen werden, dies im Rahmen der weiteren Umsetzung der Qualitätsstrategie.

14.4291 Motion Humbel «Ambulanter Bereich der obligatorischen Krankenversicherung. Qualitätssicherung und Transparenz durchsetzen» Mit dieser Motion von Nationalrätin Ruth Humbel wird der Bundesrat beauftragt, den gesetzlichen Bestimmungen der Qualitätssicherung auch im ambulanten Bereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung Nachachtung zu verschaffen, indem durchsetzbare Sanktionsmöglichkeiten eingeführt werden, falls die notwendige Qualität nicht erhoben und nachgewiesen wird. Konkret sollen sowohl im ambulanten wie im stationären Bereich verbindliche Massnahmen zur Sicherstellung und zum Nachweis der notwendigen Qualität vereinbart werden. Werden keine entsprechenden Massnahmen vereinbart oder werden sie nicht erfüllt, erfolgt eine Tarifreduktion. Bei der Tarifgenehmigung muss die Qualitätssicherung wie die Wirtschaftlichkeit geprüft werden. Der Bundesrat hat die Motion abgelehnt, da aus seiner Sicht für die Verbesserung der Qualität und der Transparenz im ambulanten Bereich keine zusätzliche gesetzliche Grundlage notwendig ist. Vielmehr hält er die Erweiterung der Datenbasis im ambulanten Bereich für dringend, um die Voraussetzung zur Ermittlung von Qualitätsindikatoren zu schaffen und basierend auf den publizierten Messergebnissen die notwendigen Anreize für einen strukturierten Verbesserungsprozess zu setzen. Im Rahmen einer geeigneten nationalen Struktur sollen diese Arbeiten unterstützt werden. Die Motion wurde vom Nationalrat noch nicht beraten.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

2.1

Bundesgesetz über die Krankenversicherung

Art. 58

Sicherung der Qualität der Leistungen

Der jetzige Artikel 58 KVG wird komplett ersetzt. Der bisherige Absatz 1 wird überschrieben, da der dort verwendete Begriff der «wissenschaftlichen Kontrollen» missverständlich war und nicht der heute in der Qualitätssicherung verwendeten Terminologie entspricht. Ferner wird die systematische Überwachung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen und die damit verbundene Datenlieferungspflicht der Leistungserbringer durch den am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Artikel 22a KVG geregelt. Die im bisherigen Absatz 2 aufgeführte Delegationsnorm zu Absatz 1 kann somit auch überschrieben werden. Der bisherige Absatz 3 wird neu zu Artikel 58f.

Abs. 1 Der neue Absatz 1 legt fest, dass der Bundesrat die Ziele in Bezug auf die Sicherung der Qualität der Leistungen für vier Jahre festlegt. Er kann die Ziele während der Vierjahresperiode anpassen, falls wesentliche Änderungen der Grundlagen, die im Zeitpunkt für die Festlegung der Ziele galten, eintreten.

291

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Abs. 2 Zur Erreichung der festgelegten Ziele erarbeitet der Bundesrat nationale Programme, führt diese durch und evaluiert sie. Mit diesem Absatz wird diese Tätigkeit neu explizit als öffentliche Aufgabe ins KVG aufgenommen. Die inhaltlichen und methodischen Vorgaben für die Programme werden durch den Bundesrat festgelegt.

Art. 58a

Aufgabenübertragung und Abgeltung im Bereich von nationalen Programmen

Abs. 1 Die Erarbeitung, Durchführung und Evaluation der nationalen Programme erfolgt durch spezialisierte und professionelle Dritte ausserhalb der Bundesverwaltung, wobei der Bundesrat beauftragt ist, die Dritten und die von ihnen zu erfüllenden Kriterien auf Verordnungsebene näher zu definieren. Damit kann der Bund in optimaler Art und Weise von den auf dem Markt vorhandenen Spezialkenntnissen von Dritten profitieren. Die jeweilige Höhe der Voranschlagskredite für die einzelnen Aufgaben wird vom Parlament im Rahmen der jährlichen Budgetbeschlüsse definiert.

Abs. 2 Wie unter Ziffer 1.2 ausgeführt, soll der Stiftung für Patientensicherheit bei den nationalen Programmen eine besondere Rolle zukommen. Hauptsächlich mit der Stiftung, aber auch mit weiteren Dritten soll eine Leistungsvereinbarung abgeschlossen werden, in der die Details für die Aufgabenerfüllung und die finanziellen Rahmenbedingungen geregelt werden. Die Abgeltungen werden auf Gesuch hin in Form von Globalbeiträgen zur Deckung der Kosten der übertragenen Aufgaben an Dritte ausbezahlt. Dabei sollen nur die Aufwendungen für die Erarbeitung, Durchführung und Evaluation von nationalen Programmen abgegolten werden, bei denen ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis und eine hohe Wirksamkeit zu erwarten sind.

Abs. 3 Die Voraussetzungen und das Verfahren für die Gewährung von Abgeltungen an Dritte werden durch den Bundesrat geregelt.

Art. 58b

Finanzhilfen im Bereich von Projekten

Abs. 1 Ebenfalls neu ins KVG aufgenommen wird die Möglichkeit, Projekte finanziell zu unterstützen, sofern diese der Zielsetzung der Förderung der Qualität dienen. Dabei soll es sich in erster Linie um nationale Vorhaben handeln. Allerdings können auch regionale Projekte Bundesmittel erhalten, sofern die Projekte im Sinne des KVG und der Vierjahresstrategie des Bundesrates zweckdienlich sind und die bewilligten Kredite hierfür ausreichen. Auch bei den Finanzhilfen gilt der Vorbehalt der durch das Parlament bewilligten Kredite.

292

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Abs. 2 Die Finanzhilfen werden auf Gesuch hin und gestützt auf Leistungsvereinbarungen, in denen die Leistungen und Subventionen detailliert geregelt werden, gewährt.

Damit die Trägerschaften von Projekten einen Anreiz zum effizienten Mitteleinsatz haben, sollen die Finanzhilfen des Bundes so beschränkt werden, dass diese höchstens die Hälfte der anerkannten Kosten abdecken dürfen. Die Restfinanzierung soll durch Eigenmittel, Kantons- und Gemeindebeiträge sowie Zuwendungen von privaten Dritten sichergestellt werden.

Abs. 3 Die Voraussetzungen und das Verfahren für die Gewährung von Finanzhilfen zugunsten von Dritten, einschliesslich der Festlegung der Kriterien für die Bemessung, werden durch den Bundesrat geregelt.

Art. 58c

Kommission für Qualität in der Krankenversicherung

Der Bundesrat setzt eine ausserparlamentarische Kommission ein, die den Bund bei der Festlegung der Ziele in Bezug auf die Sicherung der Qualität, bei der Erarbeitung der nationalen Programme und deren Übertragung an Dritte, bei der Unterstützung von Projekten und der Erarbeitung von Dienstleistungsverträgen zur Förderung der Qualität, bei der Entwicklung von Qualitätsindikatoren sowie in der Ressortforschung berät. In der Kommission sind die interessierten Kreise vertreten. Damit soll gewährleistet werden, dass das Wissen der verschiedenen Stakeholder einbezogen wird. Es muss eine neue Kommission gebildet werden, da die bisherigen im Bereich der Krankenversicherung bestehenden ausserparlamentarischen Kommissionen mit Bezug auf Zielsetzung und Funktionsweise anders ausgerichtet sind und keine ausreichende Anzahl von Mitgliedern über das spezifische Wissen verfügt, das für diese vorerwähnten Aufgaben notwendig ist. So unterstützen die bestehenden Kommissionen den Bund bei der Leistungsbezeichnung und beurteilen medizinische Leistungen und Arzneimittel auf ihre Übereinstimmung mit den Kriterien Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (Art. 32 und 33 KVG). Das dafür einzubringende Fachwissen unterscheidet sich wesentlich vom Fachwissen im Bereich Qualitätssicherung und Patientensicherheit, bei dem insbesondere Kenntnisse über die Implementierung der besten Praxis und der dafür notwendigen Gestaltung von nationalen Programmen wie auch von Projekten notwendig sind. Die weiteren Mitglieder müssen fähig sein, aus dem Blickwinkel ihrer Interessensgruppen inhaltlich und methodisch die adäquaten Entscheide zu fällen. Die Kommission soll fünfzehn Mitglieder umfassen, wovon fünf ein besonderes Expertenwissen bezüglich Qualität im Gesundheitswesen aufweisen sollen. Die restlichen zehn Mitglieder sollen die Kantone, die Leistungserbringer, die Versicherer, weitere interessierte Kreise sowie die Versicherten und die Patientinnen und Patienten vertreten. Die Organisation der Kommission sowie deren Aufgaben werden wie für die anderen ausserparlamentarischen Kommissionen vom Bundesrat auf Verordnungsebene geregelt.

293

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Art. 58d

Finanzierung der Qualitätssicherung

Abs. 1 Mit diesem Absatz wird die spezifische gesetzliche Grundlage für die Spezialfinanzierung «Qualitätssicherung» geschaffen. In Ziffer 1.2, Untertitel Finanzierung, finden sich detaillierte Ausführungen zur Bedeutung und Funktionsweise einer Spezialfinanzierung nach Artikel 53 Absatz 1 FHG.

Die Finanzierung der Tätigkeiten im Bereich der Qualitätssicherung gemäss dieser Vorlage wird sichergestellt, indem die Versicherer für alle nach dem KVG versicherten Erwachsenen und jungen Erwachsenen einen jährlichen Beitrag an den Bund entrichten. Die im Bundeshaushalt einzustellenden Erträge sind zweckgebunden für die Finanzierung von bestimmten Aufgaben und Ausgaben. Eine andere Mittelverwendung ist nicht möglich. Der Spezialfinanzierung belastet werden abschliessend die Ausgaben für die Abgeltungen nach Artikel 58a, die Finanzhilfen nach Artikel 58b, die Erarbeitung der Grundlagen für die Entwicklung von Qualitätsindikatoren nach Artikel 22a, die Ressortforschung in der Qualitätssicherung nach Artikel 58 Absatz 151, die Personalausgaben des BAG für die Umsetzung der neuen Aufgaben und schliesslich auch die Kosten für die neue ausserparlamentarische Kommission und für deren Sekretariat.

Abs. 2 Der Bundesrat legt die Höhe des Beitrags fest. Der Beitrag ist für die nach KVG obligatorisch versicherten Erwachsenen (Versicherte ab dem 26. Altersjahr) und jungen Erwachsenen (Versicherte vom 19. bis zum vollendeten 25. Altersjahr) gleich hoch und darf 0,07 Prozent der durchschnittlichen Jahresprämie für Erwachsene für die obligatorische Krankenpflegeversicherung mit ordentlicher Franchise (zurzeit 300 Fr. gemäss Art. 103 Abs. 1 KVV) und Unfalldeckung nicht übersteigen.

Grundlage für die Berechnung der bei der Festlegung des Betrags zu berücksichtigenden Obergrenze in Schweizer Franken ist die vom BAG jährlich in der Prämienübersicht publizierte schweizerische Durchschnittsprämie52.

Abs. 3 Das BAG fordert die Beiträge ein. Bei verspäteter Zahlung ist das BAG berechtigt, einen Verzugszins einzufordern.

Abs. 4 Der Bundesrat regelt die Einzelheiten der Überweisung und Verwaltung des Beitrags.

51

52

294

Der Bund kann gestützt auf Art. 16 des Bundesgesetzes vom 14. Dez. 2012 über die Förderung der Forschung und der Innovation (FIFG; SR 420.1) Ressortforschung im Bereich der Qualitätssicherung in Auftrag geben.

Die Durchschnittsprämien sind abrufbar unter: www.priminfo.ch > Prämien > Prämienübersichten > Prämienübersichten 2016

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Art. 58e

Gesamtkredit

Nach Artikel 21 Absatz 4 Buchstabe d FHG muss für die Zusicherung von Beiträgen, die erst in späteren Rechnungsjahren auszuzahlen sind, ein Verpflichtungskredit anbegehrt werden. Bei den Leistungsvereinbarungen betreffend die nationalen Programme und Projekte muss aus sachlichen Gründen von einer mehrjährigen Vertragsperiode zwischen dem Bund und den Dritten ausgegangen werden. Die zu beauftragenden oder die zu unterstützenden Dritten werden nur unter dieser Bedingung bereit sein, die entsprechenden Leistungen anzubieten. Damit muss für die Abgeltungen nach Artikel 58a und auch für die Finanzhilfen nach Artikel 58b ein Gesamtkredit von den eidgenössischen Räten bewilligt werden. Nach Artikel 10 Absatz 3 der Finanzhaushaltverordnung vom 5. April 200653 (FHV) fasst der Gesamtkredit mehrere, von der Bundesversammlung einzeln spezifizierte Verpflichtungskredite zusammen. Die Einzelheiten zum Gesamtkredit werden in einem separaten Bundesbeschluss festgelegt (vgl. Ziff. 2.2).

Art. 58f

Massnahmen zur Sicherung oder Wiederherstellung der Qualität und des zweckmässigen Einsatzes der Leistungen

Der bisherige Artikel 58 Absatz 3 wird integral in einen neuen Artikel 58f überführt.

Nach dem geltenden Artikel 58 Absatz 3 KVG hat der Bundesrat die Aufgabe, Massnahmen zur Sicherung und Wiederherstellung der Qualität sowie des zweckmässigen Einsatzes der Leistungen vorzusehen. Diese Aufgabe hängt zudem mit Artikel 32 KVG zusammen, wonach die von der Krankenversicherung vergüteten Leistungen wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich (WZW) sein müssen. Der Bundesrat hat dem EDI die Kompetenz zur Leistungsbezeichnung (Art. 33 Abs. 5 KVG) sowie zum Erlass der Massnahmen nach Artikel 58 Absatz 3 KVG (Art. 77 Abs. 4 KVV) übertragen. Zur Erreichung der WZW-Vorgabe kann die Leistungspflicht von der Erfüllung bestimmter Bedingungen abhängig gemacht werden. Bei der Bezeichnung der Leistungen zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung in der Krankenpflege-Leistungsverordnung vom 29. September 199554 wurden denn auch, wenn angezeigt, spezifische Voraussetzungen zur Sicherung der Qualität und zum zweckmässigen Einsatz der Leistungen festgelegt. Beispiele solcher Voraussetzungen sind die vorgängige Kostengutsprache durch eine Vertrauensärztin oder einen Vertrauensarzt, die Erfüllung von Anforderungen an die Qualifikation des Leistungserbringers (Zusammensetzung und berufliche Qualifikation des Personals), an seine Infrastruktur, an Mindestfallzahlen, die Anwendung von Richtlinien und deren Einhaltung oder die genaue Bezeichnung der zugelassenen Leistungserbringer. Der Bundesrat kann auch andere geeignete Massnahmen zur Sicherstellung der Qualität vorsehen. Neben der Förderung der Qualität durch Programme und Projekte sollen daher dem Bundesrat diese Möglichkeiten weiterhin zur Verfügung stehen.

53 54

SR 611.01 SR 832.112.31

295

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Art. 59 Abs. 1 erster Satz und 3 Bst. c Durch die Verschiebung des Inhaltes von Artikel 58 Absatz 3 in Artikel 58f sind die entsprechenden Verweise anzupassen.

2.2

Bundesbeschluss über den Gesamtkredit für Abgeltungen und Finanzhilfen zur Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung für die Jahre 2018­2021

Weil mit der Gewährung von Abgeltungen und Finanzhilfen Beiträge zugesichert werden, die erst in späteren Jahren auszuzahlen sind, wird nach Artikel 58e ein Beschluss der eidgenössischen Räte über einen Verpflichtungskredit notwendig. Der Gesamtkredit wird dabei entsprechend den Aufgaben aufgeteilt in je einen Rahmenkredit für die Abgeltung der Leistungen im Zusammenhang mit nationalen Programmen von 32,0 Millionen Franken (Art. 1 Abs. 2 Bst. a) und in einen Rahmenkredit für Finanzhilfen zur Unterstützung von Leistungen im Zusammenhang mit Projekten von 18,0 Millionen Franken (Art. 1 Abs. 2 Bst. b). Rahmenkredite stellen nach Artikel 10 Absatz 5 FHV Verpflichtungskredite mit delegierter Spezifikationsbefugnis dar, bei denen der Bundesrat oder die Verwaltungseinheit im Rahmen des von der Bundesversammlung allgemein umschriebenen Zwecks bis zum bewilligten Kreditbetrag einzelne Verpflichtungskredite ausscheiden kann. Mit Artikel 1 Absatz 3 soll dem BAG zudem die Möglichkeit gewährt werden, zwischen den beiden Rahmenkrediten Verschiebungen von höchstens 2 Millionen Franken während der Verpflichtungsperiode 2018­2021 vorzunehmen. Zudem wird die Bildung der Fachstelle im BAG und die Konzeption entsprechender Programme und Projekte in der Startphase Zeit beanspruchen, weshalb in der ersten Vierjahresperiode noch nicht der volle Subventionsbedarf notwendig und anstelle von 68,0 Millionen Franken ein Betrag von rund 50 Millionen Franken für Abgeltungen und Finanzhilfen beantragt wird.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

3.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Im Bereich Qualität entstehen mit der Schaffung der Finanzierungsgrundlage mittels Erhebung von Beiträgen der Versicherer für alle nach dem KVG versicherten Erwachsenen und jungen Erwachsenen keine finanziellen Mehrbelastungen für den Bund. Den rund 19,85 Millionen Franken an jährlichen neuen Ausgaben stehen entsprechende Mehreinnahmen des Bundes infolge des neu erhobenen Beitrags der Versicherer entgegen. In der folgenden Tabelle werden die wichtigsten Kostenkomponenten, die den in Artikel 58d Absatz 1 erwähnten Ausgaben zulasten der Spezialfinanzierung entsprechen, dargestellt und die Erträge zusammengefasst.

296

BBl 2016

Finanzielle Auswirkungen im Bundeshaushalt (in Mio. Fr.) (vgl. auch Ziff. 1.4) Subventionen

Nationale Programme

Sachausgaben55

Personalausgaben

Total

11,0

0,26

11,26

Projekte

4,0

0,16

4,16

Qualitätsindikatoren

2,0

1,0

0,08

3,08

Ressortforschung

1,0

0,06

1,06

Ausserparlamentarische Kommission, Leitung, Berichterstattung, Anträge an BR

0,05

0,24

0,29

2,05

0,8

19,85

Total Ausgaben

17,0

Die Finanzierung der Ausgaben über den Beitrag der Versicherer für alle nach dem KVG versicherten Erwachsenen und jungen Erwachsenen ist sachlich insofern gerechtfertigt, als die Hauptnutzniesserinnen der Aktivitäten des Netzwerks Qualität die versicherten Personen sind: Sie sind es, die von einer Qualitätssteigerung bei den Leistungen und von einem dämpfenden Effekt auf den Kosten- und Prämienanstieg profitieren.

Da die Mittel zweckgebunden sind, liegt eine Spezialfinanzierung nach Artikel 53 FHG vor. Dies führt zu einem transparenten Ausweis sämtlicher Ausgaben und Erträge der Qualitätssicherung im Bundeshaushalt. Die Entschädigung der Mitglieder der ausserparlamentarischen Kommission richtet sich nach den Artikeln 8n und 8o der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 199856. Die entsprechenden Kosten werden ebenso wie die Kosten der zur Durchführung dieser neuen Aufgaben des Bundes im BAG notwendigen Personalressourcen durch die Mittel aus der Spezialfinanzierung abgedeckt.

3.1.2

Personelle Auswirkungen

Der mit der Gutheissung der Qualitätsstrategie des Bundes im schweizerischen Gesundheitswesen durch den Bundesrat am 28. Oktober 2009 begonnene Prozess, wonach der Bund vermehrt seine Kompetenz im Bereich der Qualitätssicherung wahrnehmen will, führt zu einem vermehrten Ressourcenbedarf. Die vorhandenen personellen Ressourcen werden auch nach Aufbau des Netzwerks Qualität auf Seiten des Bundes benötigt und es sind weitere Ressourcen für die in der Qualitätsstrategie zusätzlich vorgesehenen Aktivitäten des Bundes notwendig. Diese Res-

55 56

Bei diesen Ausgaben handelt es sich um Aufwendungen für externe Mandate (Auftragsforschung und externe Dienstleistungen sowie Kommissionen).

SR 172.010.1

297

BBl 2016

sourcen werden für dessen Aufgaben in den Bereichen Rechtssetzung, Angemessenheit der Leistungen und weiteren Aktionsfeldern der Qualitätsstrategie benötigt.

Zusätzliches Personal wird für die neue Organisationseinheit benötigt. Dabei würde die Einheit nach Inkrafttreten der Gesetzesrevision schrittweise über 1­2 Jahre aufgebaut. Das bereits vorhandene Knowhow in Bezug auf die Qualität könnte dabei einbezogen werden, was die Einführung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und den Aufbau insgesamt beschleunigen würde.

Erhöhungen Departement

Kurzbeschrieb

Personalkosten Fr.

Anzahl Stellen

EDI

BAG

0,8 Mio.

4

Die Höhe der erforderlichen zusätzlichen Ressourcen ist in der Tatsache begründet, dass die vorgesehenen Programme und Projekte zur Verbesserung von Qualität und Patientensicherheit durch den Bund sorgfältig vorbereitet, begleitet und evaluiert werden sollen, damit ein zielgerichteter Ressourceneinsatz sichergestellt werden kann. So ist vorgesehen, dass eine spezialisierte Fachstelle für die nationalen Programme bezüglich Themenwahl, Zielsetzung, einzubeziehender Evidenz sowie methodischer und inhaltlicher Vorgaben entsprechende Programmkonzepte erstellt und im Rahmen einer entsprechenden Aufgabenübertragung an Dritte zur Umsetzung gibt. Diese konzeptionelle Arbeit bedingt eine hohe internationale und nationale Vernetzung und entsprechende Vorabklärungen mit den Leistungserbringern, damit die Programme so konzipiert werden, dass diese in der Praxis eine hohe Relevanz haben und gut umgesetzt werden können. Aufgrund der Erkenntnisse aus der Evaluation ist es dann die Aufgabe der Fachstelle, das Potenzial für die Generalisierung und Verbreitung der in den Programmen ausgetesteten Behandlungsstandards zu erkennen und diese dann zielgerichtet umzusetzen.

Diese Voraussetzung betrifft auch Finanzhilfen und Dienstleistungsaufträge für Projekte, die den Zielen und der Themenwahl des Bundesrates zu entsprechen haben und so der Umsetzung der vom Bundesrat genehmigten Qualitätsstrategie dienen.

Gerade die Tatsache, dass der Grossteil der Finanzen an Dritte fliessen soll, bedingt ein sorgfältiges Vorgehen, damit die bereitgestellten Gelder zielgerichtet verwendet werden. Auch hier sind konzeptionelle Vorarbeiten, eine enge Begleitung und eine strukturierte Evaluation notwendig.

Für Projekte und Auftragsforschung zur Erarbeitung von Grundlagen zur Entwicklung oder Weiterentwicklung von Qualitätsindikatoren zeigt die Erfahrung aus bestehenden Projekten, dass nur eine enge und intensive Begleitung dazu führt, dass solche Projekte zeitgerecht pilotiert und umgesetzt werden, besteht doch von Seiten der Leistungserbringer teils Widerstand gegen mehr Transparenz und Offenlegung von Qualitätsdaten. In einem ersten Schritt sind die Themenfelder für die Qualitätsmessung auszuwählen, die Literatur zu sichten und in Zusammenarbeit mit den Partnern die inhaltliche und methodische Konzeption, die Pilotierung und die Evaluation der Messungen anzugehen. Die Vorarbeiten bedingen auch wissenschaftliche

298

BBl 2016

Literaturrecherchen und eine gute Vernetzung, damit nach der besten Praxis, unter Berücksichtigung internationaler Erfahrungen, vorgegangen wird.

Weil der Grundsatz gilt, den Grossteil der Arbeiten an Dritte zu vergeben, ist es die Aufgabe der Fachstelle im BAG, das in den Projekten erarbeitete Knowhow sicherzustellen und damit die notwendige Kontinuität in der Umsetzung der Qualitätsstrategie zu ermöglichen.

Mit einem Verzicht auf das vorgeschlagene zusätzliche Personal würde das Netzwerk Qualität grundsätzlich in Frage gestellt, da für den zielgerichteten Ausbau insbesondere der nationalen Programme und der Qualitätsmessung keine Ressourcen zur Verfügung stehen würden (vgl. Ziff. 1.4.). Wenn sich das zusätzliche Personal für die Erfüllung der Aufgaben, die der Fachstelle zukommen, als ungenügend herausstellen sollte, wird eine Erhöhung der Ressourcen geprüft.

3.1.3

Andere Auswirkungen auf den Bund

Es sind keine zusätzlichen Ausgaben nötig, namentlich keine für bauliche Massnahmen und für Arbeitsplatzkosten.

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Für die Kantone ergeben sich mit der Vorlage keine Änderungen ihrer bisherigen Aufgaben und Kompetenzen. Die Aktivitäten des Bundes hinsichtlich Verbesserung der Informationen zur Qualität unterstützen die Kantone in ihren Aufgaben bezüglich Spital- und Pflegeheimplanung. Sie profitieren ebenfalls von Verbesserungen in der Qualitätssicherung durch die nationalen Programme und Projekte, indem ihre Kosten für Spitäler und Pflegeheime in Zukunft weniger stark ansteigen werden.

Aus diesem Grund ist der Bundesrat der Meinung, dass die bisherigen Beiträge der Kantone im Bereich von Massnahmen der Qualitätssicherung und Patientensicherheit beibehalten werden müssen. Die Akteure wie die Kantone werden zielgerichtet mit wissenschaftlichen Grundlagen und konkreten Projektarbeiten unterstützt. Ihre Mitwirkung insbesondere auch in der ausserparlamentarischen Kommission ist nützlich für die Durchsetzung von qualitätssichernden Vorgaben mittels Leistungsaufträgen.

Die Umsetzung der Vorlage erfordert bei Kantonen und Gemeinden keine zusätzlichen personellen Ressourcen. Die Kantone ihrerseits setzen ihre Versorgungsplanung auf der Grundlage von Qualität und Wirtschaftlichkeit um.

299

BBl 2016

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die heutigen Kosten für vermeidbare Zwischenfälle, Qualitätsmängel sowie Fehl-, Unter- oder Überversorgung werden aufgrund von internationalen Studien auf mehrere hundert Millionen Franken jährlich geschätzt. Die Verstärkung der Massnahmen in den Bereichen Qualität und zweckmässiger Einsatz der Leistungen werden zur Dämpfung der Kostensteigerung im Gesundheitswesen beitragen und somit auch Auswirkungen auf die finanzielle Belastung der Bürgerinnen und Bürger haben. Dies rechtfertigt auch die Finanzierung über Beiträge der Versicherer, die über Prämien erhoben werden. Insbesondere aufgrund der Auswirkungen bezüglich Umsetzung von Verbesserungsprojekten hinsichtlich «Best Practice» sollten beispielsweise vermeidbare Rehospitalisierungs- und Reoperationsraten sinken. In welchem Umfang die Massnahmen zum Tragen kommen, ist schwierig abzuschätzen, da einerseits kaum internationale Daten für eine Herleitung bestehen und andererseits verschiedene Faktoren ausserhalb des Wirkungsbereiches dieser Vorlage wie Tarifsysteme, Versorgungsstrukturen und die Entwicklungen im Bereich Gesundheitspersonal ebenfalls einen Einfluss haben.

Mit dem genannten Kostenrahmen würde für die Umsetzung der Qualitätsstrategie mit einem Beitrag der Versicherer pro versicherte erwachsene und junge erwachsene Person weniger als ein halbes Promille der gesamten Gesundheitsausgaben und weniger als ein Promille der Prämienausgaben in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung beansprucht. Die finanzielle Belastung der Versicherten wird aufgrund dieses vergleichsweise geringen zusätzlichen Beitrags kaum erhöht. Angesichts des Handlungsbedarfs im Bereich Qualitätssicherung und des vergleichsweise sehr grossen und evidenten ökonomischen und gesundheitlichen Nutzens konzentrierter Anstrengungen im Qualitätsbereich ist dies eine angemessene Grössenordnung.

Das finanzielle Volumen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung entspricht 4­5 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Auswirkungen der Vorlage auf die Volkswirtschaft sind im Sinne eines geringeren Kostenwachstums zu erwarten. Hauptnutzniesser dieser zu erwartenden Einsparungen sind die obligatorische Krankenpflegeversicherung und die Kantone. Die Kantone stützen ihre Planung auf Kriterien der Wirtschaftlichkeit und Qualität (Art. 39 Abs. 2ter KVG). Die Vorlage trägt zur Entscheidfindung
auf der Grundlage von gesamtschweizerisch gleichen Qualitätsinformationen bei. Zudem kann der Wettbewerb zwischen den Leistungserbringern vermehrt dort spielen, wo er vom Gesetzgeber auch gewollt ist, nämlich bei der Qualität der Leistungserbringung.

3.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Den Aufwendungen von zusätzlichen rund 19,85 Millionen Franken für die Bereiche Qualität steht ein Zusatznutzen dank einer verbesserten Qualität in der Versorgung im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, einem gezielteren Einsatz der Leistungen und der Ressourcen, einer Verringerung von Schädigungen der Patientinnen und Patienten und kostendämpfenden Effekten gegenüber. Da letztlich eine gemäss internationalen Studien mögliche Verminderung um die Hälfte 300

BBl 2016

der vermeidbaren unerwünschten Ereignisse allein im stationären Bereich angestrebt wird, kann im gesamten Leistungsbereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung von möglichen Kosteneinsparungen von mehreren hundert Millionen Franken ausgegangen werden.

3.5

Andere Auswirkungen

Die obligatorische Krankenpflegeversicherung wird durch die Qualitätssicherungsmassnahmen längerfristig in spürbarem Ausmass entlastet. Aus diesem Grund erachtet der Bundesrat die beantragte Finanzierung über einen pauschalen Beitrag der Versicherer für alle nach dem KVG versicherten Erwachsenen und jungen Erwachsenen als sachgerecht. Den Versicherern werden mit der Vorlage keine neuen Aufgaben übertragen. Vermehrte qualitätssichernde Vorgaben an die Leistungserbringer können gewisse Auswirkungen bei der Überprüfung der Erfüllung von Voraussetzungen für die Qualität der Leistungserbringung zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und auf allfällige Sanktionsmassnahmen haben.

Es wird jedoch hierfür nicht mit einer finanziell signifikanten Veränderung des Verwaltungsaufwandes der Versicherer gerechnet.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates

4.1

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 25. Januar 201257 zur Legislaturplanung 2011­ 2015 und im Bundesbeschluss vom 15. Juni 201258 über die Legislaturplanung 2011­2015 angekündigt.

4.2

Verhältnis zu nationalen Strategien des Bundesrates

Diese Vorlage steht in engem Zusammenhang mit der Qualitätsstrategie und der Strategie «Gesundheit 2020» des Bundesrates. Die Strategien «eHealth», «Palliative Care», «Migration und Gesundheit», «Antibiotikaresistenzen» sowie «NOSO» ergänzen in spezifischen Bereichen die Qualität der Gesundheitsversorgung. Die Vorlage hat keine Berührungspunkte mit anderen Strategien des Bundes, mit denen sie abgestimmt werden müsste.

57 58

BBl 2012 481, hier 567 und 616 BBl 2012 7155, hier 7161

301

BBl 2016

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 117 Absatz 1 BV, der dem Bund die Kompetenz gibt, Vorschriften über die Kranken- und die Unfallversicherung zu erlassen.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Weder aufgrund der bilateralen Abkommen der Schweiz mit der Europäischen Union noch gestützt auf ihr Engagement im Rahmen des Europarates erwachsen der Schweiz für die in der Vorlage behandelten Bereiche verbindliche Verpflichtungen.

Die Staaten können diese Aspekte nach eigenem Ermessen bestimmen.

Die Vorlage berührt keine weiteren internationalen Verpflichtungen der Schweiz.

5.3

Erlassform

Die Vorlage ergänzt die Aufgaben des Bundes im Bereich Qualität, schafft eine Finanzierungslösung für Programme und Projekte zur Verbesserung von Qualität und Patientensicherheit aus jährlichen Beiträgen der Versicherer zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, regelt die Zweckbindung und Verwendung dieser Beiträge, schafft eine Grundlage für die Vergabe von Leistungsaufträgen an Dritte und verankert eine ausserparlamentarische beratende Kommission. Es handelt sich um wichtige rechtsetzende Bestimmungen, die in der Form eines Bundesgesetzes zu erlassen sind (Art. 163 Abs. 1 BV).

5.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV sieht vor, dass Subventionsbestimmungen sowie Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder beider Räte bedürfen.

Nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV bedürfen die Artikel 58a und 58b sowie der Bundesbeschluss über den Gesamtkredit der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder beider Räte, da die Bestimmungen zu Ausgaben führen, welche die massgeblichen Grenzen für die Unterstellung unter die Ausgabenbremse überschreiten.

302

BBl 2016

5.5

Einhaltung der Grundsätze der Subventionsgesetzgebung

Um seine Ziele in der Qualitätssicherung zu erreichen, kann der Bund Dritten Finanzhilfen und Abgeltungen gewähren. Die Gewährung möglicher Finanzhilfen und Abgeltungen richtet sich nach dem Subventionsgesetz vom 5. Oktober 199059 (SuG).

Die Berechtigung der Subventionen liegt insbesondere darin, dass die notwendigen Qualitätssicherungsmassnahmen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung von den im Gesundheitswesen tätigen Akteuren ohne besondere finanzielle Unterstützung durch den Bund nicht flächendeckend und auch nicht im nötigen Umfang umgesetzt werden.

5.5.1

Abgeltungen im Bereich von nationalen Programmen

Mit der vorgeschlagenen Regelung in Artikel 58a KVG kann der Bundesrat die Erarbeitung, Durchführung und Evaluation von nationalen Programmen zur Förderung der Qualität an Dritte übertragen. Dabei handelt es sich um Abgeltungen von Leistungen an Empfänger ausserhalb der Bundesverwaltung zur Milderung oder zum Ausgleich von finanziellen Lasten, die sich ergeben aus der Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Aufgabe, die dem Empfänger vom Bund übertragen worden ist (Art. 3 Abs. 2 SuG). Die materielle Steuerung der Subvention erfolgt nach Absatz 2 über den Abschluss einer Leistungsvereinbarung zwischen dem Bund und den beauftragten Dritten. In diesem Dokument werden die gestützt auf die bundesrätliche Strategie in der Qualitätssicherung zu erreichenden Ziele, die ControllingMassnahmen und Bestimmungen zur Evaluation detailliert festgehalten. Mit diesen Rahmenbedingungen soll sichergestellt werden, dass der Bund die Mittelverwendung zugunsten der Dritten massgeblich beeinflussen kann. Die finanzielle Steuerung der Subvention erfolgt nach Absatz 2 durch die Ausrichtung von Globalbeiträgen. Mit diesem Instrument werden die übertragenen Aufgaben als Ganzes unterstützt. Die Ausrichtung von Pauschalbeiträgen, bei denen die Höhe einer Subvention an ein Kosten- und Mengengerüst gekoppelt wäre, eignet sich im Bereich der Qualitätssicherung nicht. Bezüglich des vom Bundesrat noch festzulegenden Verfahrens für die Beitragsgewährung soll darauf geachtet werden, dass dieses effizient und transparent ausfällt. Insbesondere wird in Absatz 2 festgehalten, dass die Subvention nur auf Gesuch hin gewährt werden kann (vgl. Art. 11 Abs. 1 SuG).

Eine Befristung und eine degressive Ausgestaltung der Abgeltungen wären aufgrund der dauerhaft nötigen Finanzierung der Kosten der neuen Bundesaufgabe nicht sachgerecht.

59

SR 616.1

303

BBl 2016

5.5.2

Finanzhilfen im Bereich von Projekten

Nach Artikel 58b KVG kann der Bund Beiträge an Projekte zur Förderung der Qualität gewähren. Mit dem Begriff der Finanzhilfen und der Kann-Bestimmung sowie dem Hinweis der Gewährung im Rahmen der bewilligten Kredite wird in Absatz 1 verdeutlicht, dass der Bund bei diesen Unterstützungsmassnahmen über einen hohen Handlungsspielraum verfügt. Damit kann er unter den laufenden und geplanten Qualitätssicherungsprojekten eine gezielte Auswahl der Projekte treffen, die er unterstützen möchte. Leitlinie wird dabei sein, dass ausschliesslich Projekte mit einem hohen Kosten-Nutzen-Verhältnis von Bundessubventionen profitieren können. Auch bei diesen Subventionen erfolgt die materielle Steuerung nach Absatz 2 über den Abschluss von Leistungsvereinbarungen mit den involvierten Dritten. In diesem Absatz wird zur Optimierung der finanziellen Steuerung ein Höchstsatz von 50 Prozent der anerkannten Kosten für die Beitragsgewährung festgehalten. Ohne diese deutliche Begrenzung der Subvention bestünde von Seiten der Trägerschaft der Projekte zu wenig Anreiz, für einen effizienten Mitteleinsatz zu sorgen. Zudem ist mit der Obergrenze zu erwarten, dass die Trägerschaft Anstrengungen zum Erhalt von Beiträgen Dritter unternimmt. Die Details des Verfahrens der Beitragsgewährung werden auch in diesem Fall vom Bundesrat analog den Regelungen zu den Abgeltungen festgelegt.

5.6

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Artikel 96 KVG erteilt dem Bundesrat die Kompetenz, Ausführungsbestimmungen im Bereich der sozialen Krankenversicherung zu erlassen. Der vorliegende Entwurf ermächtigt ihn zum Erlass von Bestimmungen in folgenden Bereichen: ­

Festlegung der inhaltlichen und methodischen Vorgaben für nationale Programme zur Förderung der Qualität (Art. 58 Abs. 2 KVG)

­

Regelung der Organisation und der Aufgaben der ausserparlamentarischen Qualitätskommission (Art. 58c Abs. 2 KVG)

­

Festlegung der Anforderungen an Dritte, denen die Erarbeitung, Durchführung und Evaluation von nationalen Programmen übertragen wird und Festlegung des Verfahrens für die Gewährung von Abgeltungen (Art. 58a Abs. 3 KVG)

­

Festlegung der Anforderungen, die Dritte zur Gewährung von Finanzhilfen an Projekte erfüllen müssen sowie des Verfahrens für die Beitragsgewährung (Art. 58b Abs. 3 KVG)

­

Festlegung der Höhe des zweckgebundenen Beitrags der Versicherer (Art. 58d Abs. 2 KVG) und der Überweisung und Verwaltung des Beitrags (Art. 58d Abs. 4 KVG)

­

Regelung von Massnahmen zur Sicherung und Wiederherstellung der Qualität sowie des zweckmässigen Einsatzes der Leistungen (Art. 58f KVG).

304