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Schweizerisches Bundesblatt.

XXVI. Jahrgang, in.

Nr. 48.

7. November 1874.

J a h r e s a b o n n e m e n t (portofrei in der ganzen Schweiz): 4 Franken.

Einrükungsgebühr per Zeile 15 Rp. -- Inserate sind franko an die Expedition einzusenden Druk und Expedition der Stämpflischen Buchdrukerei in Bern.

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Schreiben des

schweizerischen Gesandten in Wien, Hrn. von T s chu di, an den Bundesrath, betreffend den Coloradokäfer.

(Vom 28. April 1874.)

Tit.!

Ich erlaube mir, jetzt schon durch Sie die Aufmerksamkeit der schweizerischen Landwirthe, -- wenn auch Einzelnen unter ihnen die folgenden Mittheilungen mehr oder weniger bekannt sein dürften, -- auf einen neuen gefährlichen Feind der Agrikultur zu lenken, von dem uns heute zwar noch der atlantische Océan trennt, der aber, wie ich unten zeigen werde, doch möglicherweise, schon von einem Monate zum andern seine europäische Invasion beginnen kann.

Es ist der ,,z e h n l i n i g e C o l o r a d o k ä f e r" (Doryphora decem-lineata), in Nordamerika ,,Colorado or western ten-lined potato bug" genannt. Die Notizen, die ich Ihnen darüber hier mittheile, sind theils dem Berichte des Entomologen Townend Glover in dem Report of the Commissioner of Agriculture, for the year 1871 (Washingthon, Government Printing office 1872), theils dein Werke ,,on Land Culture,, von G. A. D e a n entnommen. -- Dieser Käfer wurde zuerst im Jahre 1823 von Say im Journ. of Acad. Scd.

beschrieben und nach den zehn schwarzen Streifen auf den blaßgelben Flügeldecken benannt. Seine ursprüngliche Heimat sind die Rocky mountains, wo er auf wild wachsenden Solaneen lebte.

Als aber die Ansiedelungen weiter nach Westen rückten und mit ihnen der Kartoffelbau, fand der Coloradokäfer auf den kultivirten Bundesblatt. Jahrg. XXVI. Bd. III.

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320 Kartoffeln die möglichst günstigen Lebensbedingungen, vermehrte sich daher auf eine wahrhaft erschreckende Weise und verbreitete sich von seiner ursprünglichen Heimat nach allen Himmelsgegenden,, so daß gegenwärtig fast die ganze gemäßigte Zone der Vereinsstaaten und selbst Canada von dieser Plage heimgesucht ist. Im Jahre 1864 berechnete Mr. Walsh, daß die Coloradokäfer ums Jahr 1880 die Küsten des atlantischen Océans erreichen werden ; sie haben sich aber schon 7 Jahre früher bis dahin ausgedehnt. Sie waren im Anfange der Sechzigerjahre in 6 Jahren um 360 englische Meilen, also 60 englische Meilen jährlich, nach Osten vorgedrungen (nach anderen Angaben haben sie in 11 Jahren in gerader Luftlinie 350 geographische Meilen durchwandert); später aber ist ihre östliche Verbreitung eine beträchtlich schnellere gewesen.

Schon aus dieser raschen Verbreitung des Coloradokäfers kann man schließen, daß seine Vermehrung eine außerordentliche sein muß, und in der That legt das Weibchen 700 bis 1200 Eier in Partien von l bis 2 Dutzend auf die untere Seite der Kartoffelblätter; schon nach 6 Tagen kriechen die Larven aus, nähren sich 17--20 Tage von den Blättern, bohren sich in die Erde, verbleiben im Puppenzustande während 10--12 Tagen und kommen dann als ausgebildete Käfer wieder an die Oberfläche, bereit zum Fortpflanzungsgeschäfte. In den Staaten Illinois und Missouri hat man beobachtet, daß der Coloradokäfer drei Generationen im Jahre hervorbringe. Die Puppen der dritten überwintern in der Erde, Mv. Walsh hat berechnet, daß, da die ganze Verwandlung cirea50 Tage in Anspruch nimmt, von einem Paare dieser Käfer während einer Sornmersaison sechzig Millionen Individuen entstehen können.

Es wird behauptet, daß der Saft der zerquetschten Käfer oder Larven eine giftige Wirkung auf die Haut ausübe und Geschwüre hervorbringe, in offenen Wunden heftige Entzündungen und Abscesse. Mr. Walsh widerspricht dagegen diesen Angaben.

Der Coloradokäfer hat ein sehr zähes Leben. Es wurden 5 Exemplare mit der Post von Canada nach London geschickt, wo sie frisch und munter anlangten. Professor Daniels von der Wisconsin-Universität hielt ein Weibchen, nachdem es 1200 Eier gelegt hatte, noch sechs Wochen lang ohne die geringste Nahrung' lebend.

Der Schaden, den die Coloradokäfer in den Kartoffelfeldern anrichten, ist ein
außerordentlicher, geradezu vernichtender, indem die Larven die Blätter der Kartoffeläcker ganz kahl abfressen und die weitere Vegetation der Knollen dadurch vernichten. Mr. Walsh

321 hat den Schaden, den diese Käfer (1860) in dem kleinen Theile der Vereinsstaaten, den er beobachtete, auf l 1/4 Million Dollars geschätzt, und Dean sagt in seinem angeführten Werke, daß in Canada und namentlich in Ontario 1871 die Kartoffelfelder von dem Coloradokäfer derart verwüstet wurden, daß die Landwirthe in jenen Gegenden den Entschluß faßten, im nächsten Jahre keine Kartoffeln mehr zu bauen.

In Nordamerika wendet man eine Bestaubung der Kartoffelblätter durch Parisergrün (arseniksaures Kupfer) mit Roggenmehl oder Gyps gemischt an, um die Larven zu tödten. Dieses Mittel ist aber einerseits in seiner Anwendung ziemlich kostspielig, anderseits (da es ein heftiges Gift ist) nicht ungefährlich, theils für die Personen, welche damit manipuliren, theils für die Pflanzen selbst; denn wie Professor Cook im Michigan Agricultural College, berichtet, sind in Folge allzu reichlicher Anwendung des Parisergrünes viele Kartoffelpflanzungen total ruinirt worden. In dem Städtchen La Crosse in Wisconsin wurden während einer Sommersaison allein 1200 Pfund Parisergrün den dortigen Landwirthen verkauft.*) Zu den wirksamsten Feinden des Coloradokäfers und insbesondere dessen Larve gehören einige Arten von Blattwanzen (Harpactor und Arma spec.) und speziell die sogeannte Soldatenwanze (spined soldier bug-Arma spinosa) ; dann einige Käfer (Lebiae, Coccinellae spec.) und eine Fliegenart (Tachinae spec.) -- Würde eine Invasion der Coloradokäfer in Europa stattfinden, ohne daß man auch zugleich dafür Sorge trüge, daß diese natürlichen Feinde derselben gleichzeitig auf unserem Continente eingebürgert werden, so wäre die Kalamität eine um so größere.

Eine dem Coloradokäfer sehr nahe verwandte Art (Doryphora juncta), die statt zehn Streifen deren nur acht auf den Flügeldecken hat, ist bis jetzt den Kartoffelfeldern wenig gefährlich gewesen und hat nur dem Solanum Carolinense, Eierpflanzen und Liebesäpfeln geschadet.

Ich habe eingangs bemerkt, daß von einem Monate zum andern eine Invasion der Coloradokäfer in Europa beginnen könnte.

Seit einiger Zeit werden nämlich von Samenhändlern mit Vorliebe neue, oft marktschreierisch angepriesene Samenkartoffeln aus Nordamerika bezogen, mit denen so leicht die Käfer oder deren Larven nach Europa gebracht werden könnten. Ich halte indessen, da *) Ein sehr beachtenswerther Artikel über den Coloradokäfer von Herrn Dr. H. Janke ist auch in der Wiener landwirtschaftlichen Zeitung, Nr. 17, 1874 enthalten.

322 solche Samenkartoffeln doch fast immer, um ihnen ein gutes Marktaussehen zu geben, besonders gereiniget werden, diese Gefahr für weit geringer als jene, welche dadurch entsteht, daß nach Europa zurückkehrende Schiffe oft größere Quantitäten Kartoffeln als Proviant a.n Bord nehmen. An solcher Marktwaare klebt immer mehr oder weniger Erde, oder ist in den Säcken enthalten, die entweder mit nach Europa genommen oder im Schiffe ausgeschüttet werden, wobei natürlich die Erde mitgeht. In solcher Erde können nun sehr leicht Ueberwinterungslarven enthalten sein, die dann in Europa die Käferentwickelung durchmachen. Da nun in der Regel jedes Schiff mehr Proviant an Bord nimmt, als es für eine Reise unter gewöhnlichen Verhältnissen braucht, und der Ueberschuß gewöhnlich wieder im Hafeu des Bestimmungsortes verkauft wird, die Schiffsräume auch daselbst gereinigt werden, so betrachte ich die Invasionsgefahr, die durch den Kartoffelproviant droht, für außerordentlich groß und um so beachtenswerther, je mehr sich der Coloradokäfer in den atlantischen Provinzen der Vereinsstaaten, die den Proviant liefern, vermehrt.

Es können daher nur die allerstrengsten Maßregeln in sämmtlichen europäischen Hafenstädten der drohenden, unabsehbar großen Gefahr vorbeugen, und ich glaube, es dürfte nicht gezögert werden, die geeigneten Schritte in dieser Richtung in Anregung zu bringen.

Genehmigen, Sie, Tit., den erneuerten Ausdruck meiner ausgezeichneten Hochachtung.

W i e n , den 28. April

1874.

von Tschudi.

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Bericht der

nationalräthlichen Kommission über den Rekurs des Bischofs Eugen Lachat, betreffend dessen Absetzung.

(Vom 25. Juni 1874.)

Tit. !

Unter dem 13. Januar 1874 hat der h. Bundesrath einen Entscheid gefaßt, wodurch eine ganze Zahl von Beschwerden und Rekursen erledigt wurden, die alle mit den bekannten, in der Diözese Basel ausgebrochenen kirchlichen Wirren zusammenhängen und direkt oder indirekt sich an das Vorgehen der Mehrheit der Diözesanstände gegen den Bischof Eugen Lâchât anknüpfen. Alle diese Beschwerden wurden vom Bundesrathe, auf Grundlage eines sehr einläßlichen Gutachtens des politischen Departements, abgewiesen, und es haben sich dann, wenigstens bis zur Stunde, die meisten der Beschwerdeführer bei diesem Bescheide beruhigt; einzig der gew.

eidg. Staatsanwalt, Hr. J. Amiet in Solothurn, Namens der Delegirten der katholischen BevölkerungO der Diözese Basel,l hat mittelst g einer Eingabe vom 12. Mai 1874 sich an die Bundesversammlung gewendet und das Rechtsgesuch an dieselbe gestellt : ,,Es möge Hochdieselbe den Beschluß des Bundesraths vom 13. Januar 1874, betreffend die Abweisung der Rekurse des hochw.

Bischofs von Basel, Eugenius Lâchât, und der Beschwerden der katholischen Bevölkerung der Diözese, im Sinne unserer Rechtsgesuche abändern, welche wir in unserer Beschwerdeschrift vom 22.

Mai 1873 und Eingabe vom August 1873 gezogen haben. a

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Schreiben des schweizerischen Gesandten in Wien, Hrn. von Tschudi, an den Bundesrath, betreffend den Coloradokäfer. (Vom 28. April 1874.)

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07.11.1874

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