16.075 Botschaft zur Organisation der Bahninfrastruktur vom 16. November 2016

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen mit dieser Botschaft den Entwurf eines Bundesgesetzes über die Organisation der Bahninfrastruktur mit dem Antrag auf Zustimmung.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2008

P

08.3763

Bahnlandschaft Schweiz: Konsolidierung durch die SBB (N 17.11.08, Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

16. November 2016

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Johann N. Schneider-Ammann Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2015-2991

8661

Übersicht Die Organisation der Bahninfrastruktur in der Schweiz genügt den heutigen Ansprüchen nicht ausreichend. Deswegen soll sie in verschiedenen Bereichen modernisiert werden. Neue Regelungen sollen für mehr Transparenz und weniger Diskriminierungspotenzial auf dem Schienennetz sorgen.

Ausgangslage Heute sind die Schweizer Bahnunternehmen meist als sogenannte integrierte Bahnen organisiert. Die Infrastruktur ist rechnerisch und organisatorisch vom Verkehr getrennt, bleibt aber in der Gesamtverantwortung der Bahnunternehmen. Dies birgt gewisse Diskriminierungspotenziale. Deswegen beauftragte der Bundesrat im Oktober 2010 eine «Expertengruppe Organisation Bahninfrastruktur» mit der Analyse des Bahnsystems. Die Expertengruppe sollte aufzeigen, wie die Schweiz das Diskriminierungspotenzial auf dem Eisenbahnnetz reduzieren und gleichzeitig die Qualität des Bahnsystems erhalten kann.

Die Expertengruppe veröffentlichte ihre Vorschläge im Mai 2013. In der Folge wurde eine Anhörung bei den interessierten Kreisen durchgeführt, danach befasste sich der Bundesrat mit den Vorschlägen. Im Mai 2014 gab er dem UVEK den Auftrag, eine Vernehmlassungsvorlage zur zukünftigen Organisation der Bahninfrastruktur zu erarbeiten. In weiten Teilen basieren die Vorschläge in dieser Vorlage auf den Empfehlungen der Expertengruppe.

Inhalt der Vorlage Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die heutige Organisation des Schweizer Bahnsystems das Potenzial für Diskriminierungen birgt. Beheben will er dies jedoch weder mit der vollständigen Trennung von Infrastruktur und Verkehr noch mit Holdingstrukturen für die Unternehmen. Nach Ansicht des Bundesrates ist dies im heutigen Wettbewerbsumfeld nicht notwendig und hätte negative Folgen für das gut funktionierende Bahnsystem Schweiz. Die vorhandenen Diskriminierungspotenziale sollen stattdessen mit folgenden Massnahmen reduziert werden: Unabhängige Trassenvergabestelle Die drei grössten Normalspurbetreiberinnen der Schweiz ­ SBB, BLS und SOB ­ lagerten 2006 die Trassenvergabe in eine gemeinsame, unabhängige Stelle aus.

Diese Stelle, die Trasse Schweiz AG, gehört zu je 25 Prozent den drei Bahnunternehmen und dem Verband öffentlicher Verkehr. Zu ihren Kernaufgaben gehören die Trassenplanung, die Trassenvergabe sowie die Lösung von Trassenkonflikten. Die Trasse Schweiz AG soll zu einer unabhängigen Anstalt des Bundes werden. Sie bekommt mehr Rechte und Pflichten, was ihre Position stärkt und das Diskriminierungspotenzial verringert.

8662

Systemführerschaften gesetzlich regeln Im vielfältigen Bahnsystem Schweiz soll nicht jedes Unternehmen eigene Systeme entwickeln. Deswegen sind sogenannte Systemführerschaften nötig: Ein Unternehmen kann übergeordnete Aufgaben des Infrastrukturbetriebs, der Infrastrukturentwicklung oder des Verkehrs wahrnehmen. Systemführerschaften gibt es bereits heute, die Rechte und Pflichten dieser Systemführerinnen sind bisher allerdings nur vereinzelt geregelt. Dies birgt die Gefahr von Diskriminierungen. Systemführungsverträge sollen für mehr Transparenz sorgen. Gleichzeitig werden die Beschwerdeverfahren und -instanzen definiert.

Mitwirkungsrechte für Bahnunternehmen Um die Gefahr von Diskriminierungen zu verringern, sollen alle Eisenbahnverkehrsunternehmen ein Mitwirkungsrecht bei der kurz- und mittelfristigen Planung von Investitionen und Fahrplänen erhalten. Dazu werden die Infrastrukturbetreiberinnen verpflichtet, ihre Investitionspläne periodisch zu publizieren und die Bahnunternehmen anzuhören. Wird das Mitwirkungsrecht verletzt, so kann ein Bahnunternehmen die Regulierungsbehörde anrufen.

Mehr Kompetenzen für die Regulierungsbehörde Bereits heute kann die «Schiedskommission im Eisenbahnverkehr» von Amtes wegen Untersuchungen einleiten. Analog zu anderen Regulierungsbehörden soll sie in RailCom umbenannt werden. Weitere Aufgaben und Kompetenzen sollen die Position der RailCom stärken. Sie erhält eine zentrale Funktion als Beschwerdeinstanz im Bereich der Systemführerschaften sowie der Mitwirkungsrechte von Bahnunternehmen. Eine neue gesetzliche Grundlage sorgt dafür, dass sie sich die notwendigen Daten zur Marktüberwachung beschaffen kann.

Rechte der Reisenden stärken Die Schweiz will die Rechte der Reisenden im Eisenbahn- und im internationalen Busverkehr (sogenannte Fernbusse) stärken und an internationale Standards anpassen. Bei der Informationspflicht, der Haftung, Verspätungen oder verpassten Anschlüssen garantiert die EU den Bahnreisenden mehr Rechte als die Schweiz. Die entsprechenden Regelungen sollen teilweise harmonisiert werden.

Insgesamt wird diese Vorlage das Bahnsystem Schweiz zweckmässig weiterentwickeln. Mit mehr Transparenz und der Reduktion des Diskriminierungspotenzials trägt sie zur langfristigen Verbesserung der Organisation bei. Darüber hinaus sichern die vorgeschlagenen Anpassungen eine bessere Kompatibilität mit dem EURecht.

8663

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

8662

Abkürzungsverzeichnis

8667

1

8669 8669 8670 8671 8673 8673 8673

Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.2 Einordnung der Vorlage 1.3 Ziele der Vorlage 1.4 Die einzelnen Elemente der Vorlage 1.4.1 Trassenvergabestelle 1.4.1.1 Ausgangslage 1.4.1.2 Die beantragte Neuregelung der Trassenvergabestelle 1.4.1.3 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.4.1.4 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.4.2 Systemführerschaft 1.4.2.1 Ausgangslage 1.4.2.2 Anpassungen des Regelwerks 1.4.2.3 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.4.2.4 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.4.3 Mitwirkungsrechte im Bereich Infrastruktur 1.4.3.1 Ausgangslage 1.4.3.2 Die beantragte Neuregelung 1.4.3.3 Begründung und Bewertung der Vorschläge 1.4.3.4 Umsetzung des Informations- und Mitwirkungsrechts 1.4.3.5 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.4.4 Stärkung der Regulierungsbehörde (RailCom) 1.4.4.1 Ausgangslage 1.4.4.2 Die beantragte Neuregelung 1.4.4.3 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.4.4.4 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen 1.4.5 Erweiterung der Passagierrechte 1.4.5.1 Ausgangslage 1.4.5.2 Die beantragte Neuregelung 1.4.5.3 Begründung der Anpassung und geprüfte Alternativen 1.4.5.4 Umsetzung der Passagierrechte in Verordnungen 1.4.5.5 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

8664

8675 8682 8683 8683 8683 8684 8686 8686 8687 8687 8688 8689 8690 8691 8691 8691 8692 8694 8695 8695 8695 8698 8701 8702 8702

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1.4.6

Weitere Gesetzesanpassungen 1.4.6.1 Öffentlichkeit 1.4.6.2 Enteignung 1.4.6.3 Finanzierungsregeln für Bauvorhaben in Bahnhöfen mit Umsteigebeziehungen präzisieren Geprüfte und verworfene Varianten Vergleich mit dem europäischen Recht 1.6.1 Grundlegendes zur EU-Kompatibilität 1.6.2 Erstes EU-Eisenbahnpaket und «Recast» 1.6.3 Zweites und drittes EU-Eisenbahnpaket sowie Passagierrechte im internationalen Busverkehr 1.6.4 Viertes EU-Eisenbahnpaket 1.6.5 Fazit EU-Kompatibilität Erledigung parlamentarischer Vorstösse

8702 8704 8704

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 2.1 Behindertengleichstellungsgesetz vom 13. Dezember 2002 2.2 Verwaltungsgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 2.3 Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 1957 2.4 Bahninfrastrukturfondsgesetz vom 21. Juni 2013 2.5 Bundesgesetz vom 20. März 1998 über die Schweizerischen Bundesbahnen 2.6 Seilbahngesetz vom 23. Juni 2006 2.7 Trolleybus-Gesetz vom 29. März 1950 2.8 Personenbeförderungsgesetz vom 20. März 2009 2.9 Bundesgesetz vom 3. Oktober 1975 über die Binnenschifffahrt

8712 8712 8713 8713 8734

3

Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden 3.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 3.4 Auswirkungen auf die Gesellschaft 3.5 Auswirkungen auf die Umwelt 3.6 Andere Auswirkungen

8742 8743 8743 8744 8745 8745 8745

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

8745

5

Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungs- und Gesetzmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen 5.3 Erlassform

8745 8745 8746 8747

1.5 1.6

1.7 2

8704 8705 8706 8706 8707 8709 8710 8711 8712

8734 8735 8736 8736 8742

8665

BBl 2016

5.4 5.5 5.6

Einhaltung der Subventionsgesetzgebung Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen Datenschutz

Bundesgesetz über die Organisation der Bahninfrastruktur (Entwurf)

8666

8747 8747 8748 8749

BBl 2016

Abkürzungsverzeichnis ARPV

Verordnung vom 11. November 2009 über die Abgeltung des regionalen Personenverkehrs, SR 745.16

BAV

Bundesamt für Verkehr

BehiG

Behindertengleichstellungsgesetz vom 13. Dezember 2002, SR 151.3

BGÖ

Öffentlichkeitsgesetz vom 17. Dezember 2004, SR 152.3

BIF

Bahninfrastrukturfonds

BIFG

Bahninfrastrukturfondsgesetz vom 21. Juni 2013, SR 742.140

BLS

BLS Lötschbergbahn AG

BPDV

Verordnung vom 26. Oktober 2011 über den Schutz von Personendaten des Bundespersonals, SR 172.220.111.4

BPG

Bundespersonalgesetz vom 24. März 2000, SR 172.220.1

BSG

Bundesgesetz vom 3. Oktober 1975 über die Binnenschifffahrt, SR 747.201

BV

Bundesverfassung, SR 101

CIV

Anhang A des Übereinkommens über den Internationalen Eisenbahnverkehr

COTIF

Übereinkommen vom 3. Juni 1999 über den Internationalen Eisenbahnverkehr, SR 0.742.403.12

DSG

Bundesgesetz vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz, SR 235.1

EBG

Eisenbahngesetz vom 23. November 1983, SR 742.141

EBV

Eisenbahnverordnung vom 23. November 1983, SR 742.141.1

EFD

Eidgenössisches Finanzdepartement

EFV

Eidgenössische Finanzverwaltung

ENSI

Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat

EOBI

Expertengruppe Organisation Eisenbahninfrastruktur

ERA

Europäische Eisenbahnagentur

ETCS

European Train Control System

EVU

Eisenbahnverkehrsunternehmen

FABI

Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur

FHG

Finanzhaushaltgesetz vom 7. Oktober 2005, SR 611.0

FINMA

Finanzmarktaufsicht

FINMAG

Finanzmarktaufsichtsgesetz vom 22. Juni 2007, SR 956.1

GSM-R

Global System for Mobile Communications ­ Railways

8667

BBl 2016

GüTG

Gütertransportgesetz vom 25. September 2015, SR 742.41

ISB

Infrastrukturbetreiberin

LV

Leistungsvereinbarung

LVA

Landverkehrsabkommen vom 21. Juni 1999, SR 0.740.72

NNK

Netznutzungskonzept

NNP

Netznutzungspläne

NZV

Netzzugangsverordnung vom 25. November 1998, SR 742.122

OBI

Organisation der Bahninfrastruktur

OR

Obligationenrecht, SR 220

öV

öffentlicher Verkehr

PBG

Personenbeförderungsgesetz vom 20. März 2009, SR 745.1

PG

Postgesetz vom 17. Dezember 2010, SR 783.0

Recast

Richtlinie 2012/34/EU

RailCom

Kommission für den Eisenbahnverkehr

RhB

Rhätische Bahn

RVOG

Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21. März 1997, SR 172.010

SBBG

Bundesgesetz vom 20. März 1998 über die Schweizerischen Bundesbahnen, SR 742.31

SebG

Seilbahngesetz vom 23. Juni 2006, SR 743.01

SKE

Schiedskommission im Eisenbahnverkehr

SOB

Schweizerische Südostbahn

STEP

Strategisches Entwicklungsprogramm

SVG

Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958, SR 741.01

TPF

Freiburgische Verkehrsbetriebe AG

TVS

Trassenvergabestelle

UVEK

Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation

VBPV

Verordnung des Eidgenössischen Finanzdepartements vom 6. Dezember 2001 zur Bundespersonalverordnung, SR 172.220.111.31

VGG

Verwaltungsgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005, SR 173.32

VöV

Verband öffentlicher Verkehr

VPB

Verordnung vom 4. November 2009 über die Personenbeförderung, SR 745.11

VwVG

Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 1968, SR 172.021

WEKO

Wettbewerbskommission

8668

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Die Schweiz kennt fast ausschliesslich integrierte Bahnunternehmen Heute sind die Bahnunternehmen in der Schweiz fast durchwegs als sogenannte integrierte Bahnen organisiert. Die Infrastruktur ist zwar rechnerisch und organisatorisch vom Verkehr und von den übrigen Sparten getrennt, bleibt aber in die Bahnunternehmen eingebunden und unterliegt dem Einfluss der Geschäftsleitungen.

Mit schrittweise optimierter Organisation zu mehr Effizienz auf der Schiene Seit über 20 Jahren befasst sich die Europäische Union (EU) mit der Frage, wie im Bahnsektor die Effizienz gefördert und der Zugang zur Infrastruktur der Eisenbahnen diskriminierungsfrei organisiert werden kann. In diesem Zusammenhang hat die EU mit den Eisenbahnpaketen (siehe Ziff. 1.6.2­1.6.4) mehrere Richtlinien und Verordnungen erlassen. Diese haben über das Abkommen vom 21. Juni 19991 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse (Landverkehrsabkommen, LVA) besonders im internationalen Netzzugang Auswirkungen auf die Schweiz.

Das Recht in der Schweiz entwickelte sich ebenfalls schrittweise weiter. Die Revision des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 19572 (EBG) im Jahr 1996 und die Bahnreformen haben zu einer schrittweisen Umgestaltung und Annäherung des bestehenden Systems an die Regelwerke der EU geführt. So wurden mit der Bahnreform 1 die SBB 1999 von einer Anstalt des Bundes in eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft umgewandelt, der Güterverkehr liberalisiert, die Infrastruktur (Eisenbahnnetz) und der Verkehr rechnerisch und organisatorisch getrennt und der Netzzugang eingeführt. Am 23. Februar 2005 verabschiedete der Bundesrat die Botschaft zur Bahnreform 2, die jedoch vom Parlament zur Überarbeitung zurückgewiesen wurde.3 Eine Zusatzbotschaft zur Bahnreform 2 folgte am 9. März 2007.4 Sie enthielt unter dem Titel «Revision der Erlasse über den öffentlichen Verkehr» nur noch die unbestrittenen Teile der früheren Vorlage. Inhalte waren die strukturelle Gliederung von Infrastruktur und Personenverkehr in zwei getrennte Erlasse, die Revision der Sicherheitsdienste, die Gleichstellung der Transportunternehmen sowie die Weiterentwicklung der früheren Reformen. Am 20. Oktober 2010 folgte die Botschaft zum zweiten Schritt der Bahnreform 2 (Bahnreform 2.2).5 Hauptbestanteil war die Übernahme der Sicherheits- und der Interoperabilitätsrichtlinie der EU.

1 2 3 4 5

SR 0.740.72 SR 742.101 BBl 2005 2415 BBl 2007 2681 BBl 2011 911

8669

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Vom UVEK beauftragte Expertengruppe hat das Bahnsystem analysiert und Handlungsbedarf festgestellt Im Oktober 2010 beauftragte der damalige Vorsteher des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) eine Expertengruppe Organisation Bahninfrastruktur (EOBI) mit der Analyse des Schweizer Bahnsystems. Die Expertengruppe sollte Wege aufzeigen, um das Bahnsystem auf künftige Entwicklungen auszurichten und die hohe Qualität sowie den effizienten Einsatz der Mittel sicherzustellen.

Im Mai 2013 veröffentlichte die Expertengruppe ihre Vorschläge (vgl. Ziff. 1.5). In der Folge wurde eine Anhörung bei den interessierten Kreisen durchgeführt. Der Bundesrat befasste sich anschliessend mit den Vorschlägen der Expertengruppe. Er kam zum Schluss, dass weder eine vollständige Trennung von Infrastruktur und Verkehr noch eine Holdingstruktur im gegenwärtigen Wettbewerbsumfeld und in der etablierten Bahnlandschaft der Schweiz von Vorteil wäre. Dennoch bestand Handlungsbedarf, da die Bahnen im Güter- und Personenverkehr vermehrt die Netzund Landesgrenzen überschreiten. Um Diskriminierungen, Wettbewerbsverzerrungen und Zusatzkosten zu vermeiden, braucht es neue Instrumente und klare Regeln im Zusammenspiel zwischen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) und Infrastrukturbetreiberinnen (ISB).

Der Bundesrat hat das UVEK mit der Ausarbeitung einer Vorlage beauftragt Der Bundesrat beauftragte das UVEK am 28. Mai 2014 mit der Erarbeitung einer Vernehmlassungsvorlage zur zukünftigen Organisation der Bahninfrastruktur in der Schweiz. In weiten Teilen basieren die Vorschläge auf den Empfehlungen der EOBI.

1.2

Einordnung der Vorlage

Das Bahnsystem hat mehrere Ebenen Bahnreisende sind oft mit mehreren EVU unterwegs. In der Schweiz gibt es aktuell 93 EVU. Diese fahren auf eigener oder fremder Infrastruktur. Für den Betrieb der Infrastruktur sind die ISB verantwortlich. Aktuell gibt es in der Schweiz 52 ISB.

Die Trassenvergabestelle vergibt für das Normalspurnetz das Recht, zu einem bestimmten Zeitpunkt auf einer bestimmten Strecke fahren («Trasse») zu dürfen (vgl.

Ziff. 1.4.1). Für die Nutzung der Gleise und Bahnanlagen zahlt das EVU der ISB ein Entgelt in Form des Trassenpreises.

Die Schiedskommission im Eisenbahnverkehr (SKE) entscheidet über Streitigkeiten zwischen ISB und EVU im Netzzugang und über die Berechnung des Entgelts für die Benutzung der Infrastruktur. Die generelle Wettbewerbsaufsicht liegt bei der Wettbewerbskommission (WEKO). Das Bundesamt für Verkehr (BAV) bereitet die Gesetzgebung vor, legt den Basispreis für die Trassenpreise fest und erteilt Netzzugangsbewilligungen und Sicherheitsbescheinigungen. Zudem ist es die Aufsichtsbehörde über die Eisenbahnunternehmen sowie Baubewilligungsbehörde in den Plangenehmigungsverfahren gemäss Eisenbahngesetz.

8670

BBl 2016

Ebene EVU: Liberalisierung erfolgte bisher im Güterverkehr Mit der Bahnreform 1 wurde 1999 der freie Zugang zum Schienennetz (Netzzugang) für den nationalen Schienengüterverkehr eingeführt. Zwar wurde damit die Liberalisierung vollzogen, doch faktisch besteht im Schienenverkehr in der Fläche heute nur im Verkehr mit Ganzzügen Wettbewerb.

Im regionalen Personenverkehr gibt es die Möglichkeit, Leistungen auszuschreiben.

Die Besteller haben dieses Instrument im Schienenverkehr bis heute jedoch nur einmal angewendet. Im Fernverkehr hat die SBB ein faktisches Monopol. Im Personenverkehr besteht somit kein Wettbewerb zwischen den EVU.

Derzeit keine grösseren Schritte in Richtung mehr Wettbewerb im Personenverkehr absehbar Im Rahmen der Bahnreform 2 wurde 2005 geprüft, ob im Personenverkehr auf der Schiene der Wettbewerb verstärkt werden soll. In der Folge hat das Parlament die Möglichkeit für Ausschreibungen im Schienenverkehr beibehalten (Kann-Bestimmung), ohne aber ­ wie im Busverkehr ­ konkrete Fälle zu benennen, in denen ausgeschrieben werden muss.

Für die nähere Zukunft sind keine politischen Entscheide absehbar, die den Wettbewerb zwischen den EVU deutlich verstärken würden. Einzig im nicht vertakteten internationalen Personenverkehr wäre eine mit EU-Recht konforme Marktöffnung aus Sicht des Bundes denkbar.

Ebene Infrastruktur: Diskriminierungspotenziale bestehen unabhängig von mehr Wettbewerb Unabhängig von allfälligen zukünftigen Entscheiden für oder gegen mehr Wettbewerb im Personenverkehr bestehen bereits heute Potenziale zur Diskriminierung zwischen ISB und EVU. Daher ist es aus Sicht des Bundesrates sinnvoll, das System Bahn heute so weiterzuentwickeln, dass es effizient ist und auf einer längerfristig tragfähigen Basis steht. Damit lassen sich Diskriminierungspotenziale minimieren.

Zudem kann die Politik bei Bedarf Entscheide für mehr Wettbewerb fällen, ohne zuvor strukturelle Anpassungen am System vornehmen zu müssen.

1.3

Ziele der Vorlage

Es gibt verschiedene Wege zum Abbau von Diskriminierungspotenzialen Um Diskriminierungspotenziale zu beseitigen, gibt es verschiedene Möglichkeiten.

Neben der bereits etablierten buchhalterischen Trennung könnten die ISB in einem weiteren Schritt auch rechtlich und organisatorisch von den übrigen Teilen des Unternehmens getrennt werden. Mit dieser sogenannten «vollständigen Trennung» wären die ISB in ihren Entscheiden insbesondere von den EVU unabhängig. In einem solchen Modell könnten die normalspurigen, interoperablen Schienennetze etwa in eine «Netz Schweiz AG» zusammengeführt werden. Diese Gesellschaft wäre somit alleinige Betreiberin des gesamten Normalspurnetzes und gleichzeitig für die Vergabe der Trassen, die Erstellung des Fahrplans und die Investitionspla8671

BBl 2016

nung verantwortlich. Da keine unternehmerischen Verbindungen mehr zu EVU bestünden, würden die Trassenvergabe und weitere Tätigkeiten unabhängig und diskriminierungsfrei erfolgen.

Weder erzwungene Trennung von Infrastruktur und Verkehr noch Holding-Zwang Ein Zwang zur vollständigen Trennung von Infrastruktur und Verkehr steht aus Sicht des Bundesrates für die Schweiz jedoch heute nicht zur Diskussion. Dies wäre ein tiefgreifender Eingriff in das etablierte und gut funktionierende Eisenbahnsystem, ohne dass der freie Netzzugang spürbar verbessert oder der Wettbewerb auf dem Netz verstärkt werden könnte. Auch die Überführung der international und im Netzzugang tätigen integrierten Bahnunternehmen in eine Holding-Struktur oder eine Zusammenführung des normalspurigen, interoperablen Schienennetzes etwa in eine Netz Schweiz AG ist weder notwendig noch sind die Voraussetzungen dafür gegeben (vgl. Ziff. 1.5).

Diskriminierungspotenzial mit weniger tiefgreifenden Einschnitten reduzieren Das Ziel, die Diskriminierungspotenziale zu senken, kann mit weniger tiefgreifenden Massnahmen und ohne Gefährdung des schweizerischen öV-Systems erreicht werden. Zum heutigen Zeitpunkt sollen die Bahnunternehmen die für sie optimale Organisationsstruktur wählen, soweit sie damit die gesetzlichen Bestimmungen zu Transparenz und Diskriminierungsfreiheit erfüllen.

Diskriminierungsfreien Netzzugang und bestmögliche Leistung gewährleisten Eine Weiterentwicklung der Organisation der Bahninfrastruktur und punktuelle Anpassungen im Bereich Verkehr sollen in erster Linie den diskriminierungsfreien Netzzugang gewährleisten, eine bestmögliche Leistung (Effizienz, Wirtschaftlichkeit, Qualität und Sicherheit) bringen und der Kundschaft einheitliche Lösungen bieten. Die Vorlage soll die Zusammenarbeit zwischen den ISB und EVU verbessern.

Eine unabhängige Trassenvergabestelle (TVS) ist in der Schweiz angesichts der verschiedenen ISB von zentraler Bedeutung. Die Rechte und Pflichten sowie die Steuerung und transparente Finanzierung von Systemführerschaften gilt es mit dieser Vorlage gesetzlich zu verankern. Dies erhöht unter anderem die Effizienz und Interoperabilität und trägt zur Einheitlichkeit von Kundenlösungen bei. Ein erweitertes Mitwirkungsrecht der EVU bei Investitionsentscheiden der ISB führt zu mehr Transparenz und verringert
das Diskriminierungspotenzial. Die Regulierungsbehörde, welche über den diskriminierungsfreien Netzzugang zur Bahninfrastruktur wacht, wird gestärkt. Die gesetzliche Regelung von Passagierrechten schliesslich verbessert die Stellung der Kunden gegenüber den EVU.

Bahnlandschaft Schweiz stärken, Transparenz und Effizienz erhöhen Die Vorlage wird die Bahnlandschaft Schweiz weiter stärken. Sie wird mit Transparenz und der Reduktion von Diskriminierungspotenzial zur langfristigen Verbesserung der Organisation beitragen und die Effizienz des heutigen Systems erhöhen.

8672

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Die vorgeschlagenen Anpassungen tragen ferner zur besseren Kompatibilität mit dem EU-Recht bei.

1.4

Die einzelnen Elemente der Vorlage

1.4.1

Trassenvergabestelle

1.4.1.1

Ausgangslage

Unabhängige Trassenvergabestelle gegen die Gefahr von Diskriminierungen Nach Inkrafttreten der Bahnreform 1 am 1. Januar 1999 erfolgte die Trassenvergabe durch die integrierten Bahnen selbst. Die Bahnen wurden verpflichtet, den Bereich Infrastruktur organisatorisch von den übrigen Bereichen des Unternehmens zu trennen und zu verselbständigen. Diese organisatorische Ausgestaltung entsprach dem zu diesem Zeitpunkt geltenden europäischen Recht. Mit dem Landverkehrsabkommen verpflichtete sich die Schweiz, gleichwertige Rechtsvorschriften anzuwenden, wie sie in den EU-Richtlinien 91/4406, 95/187 und 95/198 enthalten sind.

Um die mit der Einführung des freien Netzzugangs verbundenen Erwartungen zu erfüllen, müssen die Planung und Vergabe der Trassen diskriminierungsfrei erfolgen. Am 26. Februar 2001 hat deshalb das erste EU-Bahnpaket die erwähnten EURichtlinien abgelöst. Demnach ist die Trassenvergabe durch eine Stelle vorzunehmen, die rechtlich, organisatorisch und in ihren Entscheidungen von den Bahnen unabhängig ist. Darüber hinaus übernimmt diese Stelle die Trassenplanung und Fahrplanerstellung sowie die Festlegung, Berechnung und Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Trassen. Der Bundesrat schlug daraufhin in der Botschaft vom 23. Februar 2005 zur Bahnreform 2 vor, eine unabhängige TVS in Form einer öffentlich-rechtlichen Anstalt zu schaffen.9 Das Parlament hat die Botschaft jedoch wegen umstrittener Vorschläge zur Infrastrukturfinanzierung an den Bundesrat zurückgewiesen.

Gemeinsame Trassenvergabestelle Trasse Schweiz AG als Zwischenlösung der Branche Angesichts der dadurch entstandenen mehrjährigen Verzögerung lagerten die drei grössten Normalspurbetreiber der Schweiz ­ die Schweizerische Bundesbahnen AG (SBB), die Lötschbergbahn (BLS) und die Schweizerische Südostbahn (SOB) ­ ihre Trassenvergabe in eine gemeinsame, selbstständige arbeitende Stelle aus. Dazu gründeten sie zusammen mit dem Verband öffentlicher Verkehr (VöV) die Trasse Schweiz AG. Diese nahm am 1. April 2006 ihre operative Tätigkeit auf. Sie ist zu je 25 Prozent Eigentum der SBB, BLS, SOB und des VöV. Die Trassenvergabestelle 6 7 8 9

Richtlinie 91/440 EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft, ABl. L 237 vom 24.8.1991, S. 25.

Richtlinie 95/18/EG des Rates vom 19. Juni 1995 über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen, ABl. L 143 vom 27.6.1995, S. 70.

Richtlinie 95/19/EG des Rates vom 19. Juni über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Berechnung von Wegeentgelten, ABl. L 143 vom 27.6.1995, S. 75.

BBl 2005 2415, hier 2455 f.

8673

BBl 2016

beschäftigt heute zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zu ihren Kernaufgaben gehören die Planung und Vergabe von Trassen sowie die Lösung von Trassenkonflikten. Finanziert wird die Trasse Schweiz AG über Gebühren der ISB.

Tätig ist die Trasse Schweiz AG auf dem Schienennetz der drei Eigentümerbahnen sowie auf weiteren durch die SBB betriebenen Netzen. Sie deckt rund 95 Prozent des Schweizer Normalspurnetzes ab.

Schwächen des heutigen Modells: unzureichende Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit In der Schweiz sind ­ im Gegensatz zu vielen EU-Staaten ­ mehrere ISB Teil von integrierten Unternehmen, die selbst auch Personen- und Güterverkehr anbieten.

Eine von den ISB unabhängige TVS ist vor diesem Hintergrund eine wichtige Institution, um den Wettbewerb auf der Schiene ohne Diskriminierungen spielen zu lassen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass aktuell mehrere Eisenbahninfrastrukturen rechtlich verselbständigt wurden (BLS Netz AG, Matterhorn Gotthard Infrastruktur AG, TPF Infra). Die Trasse Schweiz AG hat in den vergangenen Jahren wichtige Koordinationsaufgaben zwischen den ISB wahrgenommen. Sie arbeitet wirtschaftlich und lösungsorientiert, hat schlanke Strukturen und ist breit akzeptiert.

Die institutionelle Ausgestaltung der Trasse Schweiz AG weist allerdings einige Schwächen auf.

­

Zu geringe Unabhängigkeit von den beauftragenden Bahnen Jeder Eigentümer der Trasse Schweiz AG verfügt nur über eine Beteiligung von 25 Prozent. Damit gibt es keine klaren Mehrheitsverhältnisse, und die Gefahr von Allianzen oder Koalitionen ist gering. Das Schweizer Bahnsystem ist jedoch ein stark kooperatives System mit einer engen Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Bahnen. Die TVS im Besitz von Bahnen mit gleichgerichteten Interessen ist eine Art «Klub-Modell». Die Unabhängigkeit der Trasse Schweiz AG ist daher institutionell zu wenig gesichert; das Diskriminierungspotenzial gegenüber Dritten bleibt bestehen.

Auch rechtlich ist eine Trassenvergabestelle, die vollständig oder mehrheitlich im Eigentum von integrierten Bahnen ist, umstritten. Die Europäische Kommission hat sich dahingehend geäussert, dass eine solche Lösung mit den Vorgaben des ersten EU-Bahnpakets (Richtlinie 2001/14/EG)10 nicht vereinbar ist.

­

Zu geringe Verbindlichkeit und Verlässlichkeit der Aufgabenübertragung Der Auftrag der Trasse Schweiz AG basiert auf einem Aktionärsbindungsvertrag, den jeder Eigentümer kündigen kann. Eine Kündigung würde der Trasse Schweiz AG das Geschäftsfeld entziehen. Dies gibt den Eigentümern faktisch ein Potenzial zur Beeinflussung. Um ihren Auftrag erfüllen zu können, muss die Trasse Schweiz AG eng mit den Fahrplanplanern der SBB

10

Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung, ABl. L 75 vom 15.3.2001, S. 29.

8674

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zusammenarbeiten. Ohne deren Mitwirkung könnte die Trasse Schweiz AG ihre Geschäftstätigkeit für weitere ISB im Normalspurnetz nicht erfüllen.

Dadurch sind ihre Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit stark eingeschränkt.

­

Rollenteilung teilweise unklar Die Prozesse der Geschäftsabwicklung und die Schnittstellen zwischen der Trasse Schweiz AG und den ISB sind in Zusammenarbeitsvereinbarungen geregelt. Diese werden in der Praxis jedoch nicht immer eingehalten. Die Trasse Schweiz AG hat nur beschränkte Möglichkeiten, die Einhaltung der Zuständigkeiten durchzusetzen. Bei unterschiedlicher Auslegung der Vereinbarungen oder deren Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen müssen die Partner eine Einigung finden. Die mögliche Kündigung der Vereinbarungen verschafft den Eigentümerbahnen dabei ein grosses Einflusspotenzial.

­

Zu geringe Informationsbasis in der Fahrplanerstellung Die Trasse Schweiz AG ist auf das Wohlwollen der beauftragenden Bahnen angewiesen. So verfügt sie zum Beispiel nicht über alle Informationen, die für die Erstellung eines diskriminierungsfreien Fahrplans erforderlich sind.

Die Trasse Schweiz AG hat jedoch nur beschränkte Kompetenzen, um die fehlenden Informationen bei den Bahnen einzufordern.

1.4.1.2

Die beantragte Neuregelung der Trassenvergabestelle

Die TVS soll in Zukunft als unabhängige Stelle des Bundes die Erstellung eines diskriminierungsfreien Fahrplans gewährleisten. Dazu ist sie aufgrund des vorhandenen Knowhows alleine nicht in der Lage. Wie bisher liefern deshalb die ISB im Auftrag der TVS die Fahrplanentwürfe. Für die Prüfung und Genehmigung der Entwürfe hingegen ist die TVS zuständig. Sie soll bei Konflikten den Lösungsprozess führen. Im Einklang mit der Analyse der Trasse Schweiz AG durch die EOBI sind in einzelnen Bereichen Anpassungen der heutigen Regelung erforderlich, um diesen übergeordneten Auftrag zu erfüllen.

Trasse Schweiz AG wird Anstalt des Bundes Wie schon im Rahmen der Botschaft zur Bahnreform 2 vorgesehen, soll die TVS eine öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes werden. Organisatorisch und administrativ wird sie beim UVEK angesiedelt. Gemäss gesetzlicher Grundlage kann der Bund die Form der Organisation und seine Informations- und Einflussrechte als Eigner festlegen.

Die Rechtsform der öffentlich-rechtlichen Anstalt entspricht den Vorgaben des Bundesrates zur Corporate Governance bezüglich der Steuerung von verselbständigten Einheiten. In der Führungsstruktur unterscheidet sie sich nicht wesentlich von einer Aktiengesellschaft. Die TVS führt ihre Tätigkeit auf der Basis eines gesetzlichen Auftrags selbstständig und unabhängig aus. Sie wird nach betriebswirtschaftli8675

BBl 2016

chen Grundsätzen geführt, organisiert sich selbst und führt eine eigene Rechnung.

Ihre Organe sind der Verwaltungsrat, die Geschäftsleitung und die Revisionsstelle.

Weil es in der Schweiz keine allgemeine gesetzliche Grundlage für öffentlichrechtliche Anstalten gibt und nicht wie bei einer Aktiengesellschaft auf das Obligationenrecht11 (OR) verwiesen werden kann, sind präzisierende gesetzliche Vorschriften erforderlich. Ähnlich präsentieren sich die Spezialgesetze für andere Anstalten wie die Finanzmarktaufsicht (FINMA) oder das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI).

Bund steuert mit strategischen Zielvorgaben Der Bund steuert die TVS durch übergeordnete, mittelfristige Zielvorgaben. Die strategischen Zielvorgaben werden vom Verwaltungsrat erlassen und dem Bundesrat zur Genehmigung unterbreitet. Diese bestimmen die allgemeine Ausrichtung der TVS und beinhalten finanzielle sowie personelle Ziele. Sie bilden die Grundlage für die Strategie, die der Verwaltungsrat für die TVS festlegt. Der Verwaltungsrat berichtet dem Bundesrat beziehungsweise dem UVEK in jährlichen Tätigkeitsberichten über die Erreichung der strategischen Ziele.

Verwaltungsrat ist unabhängig Der Verwaltungsrat setzt sich aus fünf bis maximal sieben fachlich geeigneten Personen zusammen, die vom Bundesrat gewählt werden. Der Bundesrat erstellt ein Anforderungsprofil für die künftigen Mitglieder des Verwaltungsrats. Im Sinne eines fachkompetenten Verwaltungsrats soll es möglich sein, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der mit den Bahnen in einem Geschäftsverhältnis stehenden Bundesämter in den Verwaltungsrat zu wählen. Diese können über unabdingbares spezifisches Fachwissen verfügen. Zudem sollen, wie bei solchen Gremien üblich, die Landessprachen sowie die Geschlechter angemessen vertreten sein.

Kontinuität bei der Trassenvergabestelle Die künftige TVS wird das Personal der heutigen Trasse Schweiz AG übernehmen.

Bei der Übernahme der privatrechtlichen Trasse Schweiz AG durch die neue öffentlich-rechtliche Bundesanstalt kommen die Bestimmungen des OR über den Übergang des Arbeitsverhältnisses (Art. 333 OR) zur Anwendung. Damit sind die Kontinuität der Aufgabenerfüllung, der Erhalt des fachlichen Wissens sowie die Wahrung der Rechte der Angestellten sichergestellt. Arbeitgeberin ist die TVS. Diese soll weiterhin über
schlanke Strukturen und klare Kompetenzregelungen zwischen den Organen verfügen. Die Erweiterung des Kompetenzbereichs der TVS bedingt die Bereitstellung der nötigen personellen Ressourcen.

Gesetzlicher Auftrag verbindlich geregelt Der heutige, jederzeit kündbare Auftrag der Eigentümerbahnen an die Trasse Schweiz AG wird durch einen verbindlichen gesetzlichen Auftrag abgelöst. Die strategischen Zielvorgaben konkretisieren die Zuständigkeiten und dienen als Ergänzung des gesetzlichen Auftrags.

11

SR 220

8676

BBl 2016

Normalspurnetz im Fokus Die TVS wird grundsätzlich für das gesamte Netz zuständig sein. Im Vordergrund steht aber das Normalspurnetz (einschliesslich der Drei- und Vierschienengleise).

Der Bundesrat kann einzelne Strecken oder Teile des Netzes von der Zuständigkeit der TVS ausnehmen. Im Vordergrund stehen dabei Schmalspurstrecken, Strecken ausländischer Bahngesellschaften auf Schweizer Gebiet oder Strecken, die für den wettbewerblichen Netzzugang wenig relevant sind (z.B. die Strecke Hinwil­Bauma des Dampfbahn-Vereins Züricher Oberland oder die Strecke Etzwilen­Ramsen der Stiftung Museumsbahn Stein am Rhein­Etzwilen­Singen). Der Bundesrat sieht vor, dass die ISB von Schmalspurnetzen ihre Trassen weiterhin selbst vergeben, da in diesem Sektor die Bedeutung des freien Netzzugangs als gering einzustufen ist. Die EU-Kompatibilität bleibt gewährleistet. Die Recast-Richtlinie 2012/34/EU12 lässt zu, dass integrierte Unternehmen, die ausschliesslich auf einem eigenständigen, für regionale Personenverkehrsdienste bestimmten Schienennetz tätig sind, die Trassen eigenständig zuteilen.

Zuständigkeiten und Kompetenzen der Trassenvergabestelle werden punktuell erweitert Im Einzelnen fallen folgende Aufgaben in den Kompetenzbereich der TVS: ­

Trassenvergabe: Gesamter Prozess von der Trassenbestellung über die Konfliktlösung bis zur Zuteilung beziehungsweise Ablehnung sowohl im Jahresfahrplan wie auch im laufenden Fahrplan. Die Trassenvergabe beinhaltet sowohl die Grundleistung (Fahrweg) wie auch die damit zusammenhängenden Zusatzleistungen gemäss Artikel 22 der Netzzugangsverordnung vom 25. November 1998 13 (NZV).

­

Festlegung der Bestimmungen für die Trassenbestellung: Eigenständiges Verfassen der Bestimmungen betreffend die «Zuteilung von Kapazitäten» in den jeweiligen Schienennetz-Nutzungsbedingungen.

­

Koordinationsverfahren bei Trassenbestellkonflikten und Zuteilung der Trassen: Die TVS leitet die Koordinationsverfahren bei Trassenbestellkonflikten.

Werden keine Alternativen gefunden, so entscheidet sie auf Basis der gesetzlichen Bestimmungen über die Zuteilung beziehungsweise Ablehnung der Trassenanträge. Bei gleichrangigen Anträgen berücksichtigt sie den Antrag mit dem höheren Deckungsbeitrag und führt im Falle gleich hoher Deckungsbeiträge oder bei Beteiligung eines Antrags für Güterverkehrsleistungen ein Bieterverfahren durch.

12

13

Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (Neufassung), ABl.

L 343 vom 14.12.2012, S. 32.

SR 742.122

8677

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­

Überlastete Fahrwege und Kapazitätsanalyse: Kann die TVS Trassenanträge aufgrund mangelnder Kapazität nicht erfüllen, so erklärt sie die entsprechende Strecke beziehungsweise den entsprechenden Knoten für überlastet. Unter Einbezug der betroffenen ISB und allenfalls der EVU führt sie die Kapazitätsanalyse durch.

­

Verantwortung für die Trassenplanung und Fahrplanerstellung: Die TVS ist verantwortlich für die Trassenplanung und die Netzfahrplanerstellung (hierbei handelt es sich um den ordentlichen Fahrplanprozess und nicht um Trassenstudien oder Netzgrafiken, die für die langfristige Netzentwicklung benötigt werden). Sie erhält einen vollständigen Überblick über die Trassenstudien, die beantragt sind oder sich in Bearbeitung befinden. Sie entscheidet eigenständig, welche Studien sie zur Gewährleistung der Diskriminierungsfreiheit in der Fahrplanerstellung begleitet. Die TVS stellt als Auftraggeberin die diskriminierungsfreie Fahrplanerstellung sicher und genehmigt mit der Trassenvergabe die Fahrplanentwürfe der ISB.

­

Gebühren: Die TVS ist verantwortlich für die Bestimmung und das Inkasso von Gebühren für die Bestellung, die Abbestellung und die weitere Administration.

­

Inkasso der Trassenbenutzungsgebühren: Die TVS übernimmt das Inkasso der Benutzungsgebühren für die Grundund Zusatzleistungen unter Verwendung der bestehenden EDV-Tools. Die Gebühren für Serviceleistungen gemäss Artikel 23 NZV, die für den Netzzugang nicht essenziell sind und sowohl bei den ISB wie auch bei anderen Unternehmen zu frei aushandelbaren Preisen bezogen werden können, sind durch diese in Rechnung zu stellen und einzukassieren. Die TVS wird die Details des Inkassos zweckmässigerweise mit den ISB in einer Vereinbarung festhalten. Alle ISB sind verpflichtet, die auf ihrem Netz abgewickelten Betriebsleistungen sowie die erbrachten Zusatzleistungen aufgeschlüsselt nach den einzelnen EVU in die Systeme einzutragen oder der TVS in anderweitiger geeigneter Form zur Verfügung zu stellen. Rund fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SBB werden bei dieser Lösung an die TVS übertragen.

Die genannten Änderungen garantieren die Unabhängigkeit der Trassenvergabe und erfordern gleichzeitig keine grossen organisatorischen Änderungen.

Trassenvergabestelle und Fahrplanerstellung Die inhaltliche Fahrplanerstellung verbleibt bei der SBB Die Verantwortung für die Erstellung des Fahrplans liegt wie bereits beschrieben bei der TVS. Diese wird die SBB (Division Infrastruktur) mit der inhaltlichen Erarbeitung beauftragen. Die dafür nötige Rechtsgrundlage schafft Artikel 9f Absatz 4 EBG. Trotz Auslagerung der Aufgabe ist mehrfach abgesichert, dass die Erstellung des Fahrplans diskriminierungsfrei erfolgt. So ist die TVS für die Prüfung und Genehmigung der Fahrplanentwürfe zuständig. Wie alle ISB muss die SBB die Mitwirkungsrechte der auf ihrem Netz verkehrenden EVU garantieren, wenn diese im Rahmen von Aufträgen oder Systemaufgaben betroffen sind. Zu diesem Zweck 8678

BBl 2016

sollen auch die massgebenden Rechtsgrundlagen (Art. 37a EBG, Art. 13 des Personenbeförderungsgesetzes vom 20. März 200914; PBG) angepasst werden. Im Falle von Diskriminierungen beziehungsweise einer Missachtung oder mangelhaften Erfüllung der vereinbarten Leistungen (Termine und Fristen, Art des Einbezugs der TVS, Art und Umfang der zu liefernden Dokumente wie zum Beispiel Konfliktlisten und Studienergebnisse), kann die TVS nach vorgängigem Einbezug des UVEK den Auftrag entziehen. EVU und bestellberechtigte Dritte können an die RailCom gelangen, wenn sie sich in der Trassenplanung beziehungsweise Fahrplanerstellung benachteiligt fühlen.

Die TVS stellt diskriminierungsfreie Fahrplanbearbeitung sicher Die TVS soll die Überwachung und Begleitung der Trassenplanung und Fahrplanentwicklung effektiv wahrnehmen können. Deswegen sind gegenüber dem heutigen Modell der Trasse Schweiz AG Änderungen in folgenden Bereichen notwendig:

14

­

Die TVS wird Eingangstor für alle Netzbenutzer (und Dritte im Sinne von Art. 9a Abs. 4 EBG) in allen Fragen der Trassenbestellung und -zuteilung.

­

Die TVS wird in die Aushandlung der Rahmenvereinbarungen für den Netzzugang gemäss Artikel 12b NZV einbezogen. Wenn die Nachfrage nach Rahmenvereinbarungen das Angebot übersteigt, führt sie die Koordinationsgespräche.

­

Für die Bestellung von sowie die Übersicht über Trassenstudien verwendet die TVS ein Bestellinstrument. Mit der Beantragung von Trassenstudien mittels eines Bestellinstruments wird sichergestellt, dass die TVS den für die Gewährleistung der Diskriminierungsfreiheit erforderlichen Überblick erhält. Das Bestellverfahren muss mit den bestehenden Planungsinstrumenten der ISB verknüpft sein.

­

Die TVS wirkt in den sogenannten Fahrplanwerkstätten der ISB mit. Dies ist bis auf Weiteres ausschliesslich die Division Infrastruktur der SBB. Mit der frühzeitigen Mitwirkung in den Fahrplanwerkstätten kann die TVS die Planungen von Beginn weg begleiten und allfällige Diskriminierungen in ihrer Entstehung verhindern beziehungsweise unterbinden. Zudem erhält sie durch die Mitwirkung in den Fahrplanwerkstätten Einblick in kritische Dossiers. Dadurch wird es der federführenden ISB erschwert, EVU des eigenen Konzerns oder solche, an denen dieser beteiligt ist, zu bevorzugen. Allenfalls kann die TVS zwecks unparteiischen und gleichwertigen Einbezugs der Interessen die Fahrplanwerkstätten moderieren. Auch bei einer allfälligen Moderation durch die TVS nehmen jedoch die für den Fahrplan verantwortlichen Mitarbeitenden die fachliche Führung wahr.

­

Die TVS ist frühzeitig in die Baustellen- und Intervallplanung gemäss Artikel 11b NZV einzubeziehen. Dies gilt vor allem bei der Erarbeitung von Alternativangeboten für die EVU, wenn die Kapazität durch Bauarbeiten eingeschränkt wird. Die TVS ist im Rahmen des Auftragsmodells auch verantwortlich für allfällige Ersatzfahrpläne.

SR 745.1

8679

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­

Trassenanträge für Regelzüge im Jahres- sowie im unterjährigen Fahrplan sind bei der TVS einzureichen. Es ist ausschliesslich die TVS, welche diese Trassen zuteilt bzw. ablehnt. Bei Trassenanträgen im operativen Bereich (Trassenbeantragung nach 8 Uhr des Vortages der Zugfahrt) sowie bei kurzfristigen Bestellungen für Bedarfs- und Extrazüge beurteilt sie im Nachhinein, ob allfällige Ablehnungen durch die ISB korrekt waren.

­

Die TVS nimmt aufgrund der von den ISB erhaltenen Daten einen Fahrplanvergleich Soll/Ist vor (geplante/gefahrene Züge). So kann sie die Plausibilität von Ablehnungen aus Stabilitätsgründen einschätzen.

­

Die TVS überwacht die rechtzeitige Erarbeitung der Trassenkataloge, wofür die ISB sie frühzeitig in die Planungsarbeiten einbeziehen. Sie prüft die Trassenkataloge bezüglich der Diskriminierungsfreiheit und publiziert den nationalen Trassenkatalog. Ebenso prüft und publiziert sie die Kataloge der Restkapazitäten. Zudem stellt sie den Trassenkatalog für den schweizerischen Abschnitt der europäischen Güterverkehrskorridore zur Verfügung.

Trassenvergabestelle und Netzentwicklung Netznutzungskonzept und Netznutzungspläne: TVS wird einbezogen Der Umgang mit effektiven oder in naher Zukunft absehbaren Engpässen auf dem Schienennetz fällt bisher in die Zuständigkeit der ISB. Diese erklärt gemäss Artikel 12a NZV Strecken und Knoten für überlastet, wenn sie Trassenanträge ­ trotz der Suche nach Alternativen im Konfliktlösungsverfahren ­ aus Kapazitätsgründen ablehnen muss. Diese Aufgabe haben die ISB heute der Trasse Schweiz AG übertragen. Diese analysiert in Zusammenarbeit mit den betroffenen ISB und allenfalls EVU die Gründe für die Trassenablehnung und zeigt mögliche Massnahmen zur Überwindung des Engpasses auf. Trasse Schweiz AG hat hierfür eine Projektorganisation gebildet. Gemeinsam mit SBB Infrastruktur und BLS Netz AG wurden dafür die zu beteiligenden Stellen und Personen, deren Rolle und die Prozesse zur Erarbeitung einer Kapazitätsanalyse definiert.

Mit der Totalrevision des Gütertransportgesetzes15 (GüTG) hat das Parlament die Instrumente Netznutzungskonzept (NNK) und Netznutzungsplan (NNP) geschaffen.

Die bisherige Prioritätenordnung nach EBG wird dadurch ersetzt. Der Bund will mit diesen neuen Instrumenten die längerfristige Planung und Sicherung von Kapazitäten der Schieneninfrastruktur erleichtern. Das verbindliche langfristige NNK und der mittelfristige NNP sollen in der Planung und bei der Trassenvergabe für eine sinnvolle Verteilung der verfügbaren Kapazitäten auf die Verkehrsarten sorgen. Dabei ist den Interessen sowohl des Personen- wie des Güterverkehrs angemessen Rechnung zu tragen. Dank diesem Konzept können System- oder Takttrassen auch für den Güterverkehr von der Planung bis hin zur Trassenvergabe gesichert werden. 16 Der Bundesrat genehmigt das periodische NNK, das BAV die NNP. Mit deren Erarbeitung werden die ISB beauftragt. Die TVS wird vom BAV insbesondere bei 15 16

Gütertransportgesetz vom 25. September 2015, AS 2016 1845, SR 742.41 Der im Rahmen der Totalrevision des GüTG geschaffene Art. 9b EBG, der die gesetzliche Grundlage für NNK und NNP bildet, tritt am 1. Januar 2017 in Kraft.

8680

BBl 2016

der Erarbeitung der NNP einbezogen. Über die Entscheide in Bezug auf das NNK wird die TVS informiert.

Netzentwicklung: TVS wird angehört Gemäss Bundesbeschluss vom 20. Juni 201317 über die Finanzierung und den Ausbau der Bahninfrastruktur (FABI) ist es hauptsächlich der Bund, der die Bahninfrastruktur finanziert. Aus diesem Grund ist er für die Prozessführung bei der Infrastrukturplanung und der Netzentwicklung zuständig. Die Prozessführung wird vom BAV wahrgenommen. Dieses sorgt für die Koordination und vermittelt bei gegensätzlichen Interessen. Neben den Kantonen und Bahnen bezieht es auch die TVS in die Planung ein. Diese verfügt durch ihre Tätigkeit im Rahmen der Konfliktlösungen im Trassenvergabeprozess, der Begleitung von Trassenstudien sowie bei der Erarbeitung allfälliger Kapazitätsanalysen zu überlasteten Strecken über wertvolles Fachwissen zu absehbaren Engpässen und deren Überwindung.

TVS führt Infrastrukturregister und publiziert Investitionspläne Nach geltendem Recht (Art. 15f der Eisenbahnverordnung vom 23. November 198318, EBV) führt das BAV ein Register mit den Informationen, die für das Befahren der Infrastruktur erforderlich sind. Diese Bestimmung stützt sich auf Artikel 23l EBG (Datenbearbeitung).

Der Erlass von Richtlinien über das Register und dessen Führung sollte grundsätzlich nicht bei der gleichen Stelle liegen. Das BAV soll deshalb künftig für den Erlass der Richtlinien zuständig bleiben, die Führung des Registers aber soll neu die TVS wahrnehmen. Sie garantiert als unabhängige Anstalt des Bundes die Gleichbehandlung aller ISB und die einheitliche, termin- und sachgerechte Aufarbeitung der Daten für das gesamte Netz.

Das Infrastrukturregister informiert in erster Linie über das bestehende Eisenbahnnetz. Daneben sind auch einige vorausschauende Informationen enthalten. So wird zum Beispiel dargestellt, ab welchem Zeitpunkt welcher Netzteil mit welcher Technologie, Geschwindigkeit usw. befahren werden kann. Diese Aussagen sind aber allgemein gehalten und enthalten keine Angaben zu einzelnen geplanten Investitionen.

EVU und Besitzer von Anschlussgleisen (Anschliesser) sind an im Rahmen von Leistungsvereinbarungen (LV) zwischen dem Bund und den ISB geplanten Investitionen interessiert. Daher sollen die entsprechenden Investitionspläne der ISB künftig publiziert werden. Die
Publikation der Investitionspläne wird ebenfalls der TVS übertragen. Die ISB werden verpflichtet, diese Pläne der TVS fristgerecht zur Verfügung zu stellen.

TVS finanziert sich wie heute über Gebühren Bei der Vergabe von Trassen handelt es sich um eine Tätigkeit, die mit dem Betrieb der Infrastruktur zusammenhängt. Im Rahmen der Bahnreform 2 schlug der Bundesrat vor, die TVS über Gebühren zu finanzieren, die bei den ISB für jede verkaufte 17 18

BBl 2013 4725 SR 742.141.1

8681

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Trasse erhoben werden.19 Dabei liess sich der Bundesrat vom Gedanken leiten, dass die ISB finanziell entlastet würden, wenn ein externes Unternehmen die Trassenvergabe besorgt. Heute deckt die Trasse Schweiz AG daher ihren Aufwand mittels einer Gebühr, die bei den angeschlossenen ISB erhoben wird.

Dieses Finanzierungsmodell soll beibehalten werden. Die TVS wird ihren Aufwand weitgehend durch Gebühren decken, welche die ISB tragen müssen. So entstehen für den Bund keine zusätzlichen Kosten. Da die TVS im Gegensatz zur Trasse Schweiz AG praktisch für das gesamte Normalspurnetz zuständig sein wird, werden sich die Kosten auf mehr Unternehmen verteilen als bislang. Die Berechnungsgrundlagen legt der Bundesrat fest.

Darüber hinaus erhält die TVS Abgeltungen des Bundes für Leistungen im Interesse des Gesamtsystems (Art. 9o Abs. 1 Bst. b EBG). Diese Gelder stammen aus dem Bahninfrastrukturfonds (BIF; vgl. Erläuterungen zu Art. 9o EBG und Art. 2 und 4 des Bahninfrastrukturfondsgesetzes vom 21. Juni 201320, BIFG).

1.4.1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Ergebnisse der Vernehmlassung: breite Zustimmung Das übergeordnete Ziel der Vorlage, bestehende Diskriminierungspotenziale im Eisenbahnverkehr zu reduzieren, hat in der Vernehmlassung eine klare Mehrheit gefunden.21 Vor diesem Hintergrund ist auch die Ausgestaltung der TVS als unabhängige Anstalt des Bundes auf breite Zustimmung gestossen. Geteilt ist hingegen die Meinung zu weiteren Aufgaben der TVS. Eine Mehrheit unter anderem der Kantone will das Inkasso des Trassenentgelts neu bei der TVS ansiedeln. Ein Teil der eingegangenen Stellungnahmen befürwortet das Vorhaben wonach die Erstellung des Fahrplans von der TVS verantwortet wird und an Dritte delegiert werden kann. Anders sehen dies jene eher wirtschaftsnahen Kreise, welche generell mehr Wettbewerb im Bahnsystem und eine Trassenvergabestelle mit hoher Unabhängigkeit fordern. Teilweise halten sie die Möglichkeit, die Erstellung des Fahrplans durch die Trassenvergabestelle an Dritte zu delegieren, für nicht akzeptabel.

Unabhängige Trassenvergabe erhöht Effizienz und Qualität Das Schweizer Normalspurnetz weist bereits heute eine hohe Auslastung auf. Aufgrund des prognostizierten Verkehrswachstums und der politisch gewünschten Verkehrsverlagerung wird sich der Wettbewerb um die knappen Kapazitäten in Zukunft verschärfen. Die diskriminierungsfreie Abwicklung des Netzzugangs und der Trassenvergabe ist eine Voraussetzung, um die angestrebten Potenziale für eine höhere Effizienz und Qualität zu realisieren. Dies trägt dazu bei, die Ziele der schweizerischen Verkehrspolitik zu erreichen.

19 20 21

BBl 2005 2415, hier 2455 f. und 2506 SR 742.140 Der Ergebnisbericht kann eingesehen werden unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2015 > UVEK

8682

BBl 2016

Das Geschäftsmodell der Trasse Schweiz AG erfüllt zwar vom Ansatz her diese Anforderungen. Es birgt aber Potenzial für Diskriminierungen und die wettbewerbsverzerrende Einflussnahme durch die EVU. Dies ist besonders dann der Fall, wenn ISB und EVU zum gleichen Unternehmen gehören oder Beteiligungen an aussenstehenden EVU bestehen. Die Position der TVS muss deshalb gestärkt werden. Sie muss das Geschäftsmodell vollumfänglich, das heisst ohne effektive oder potenzielle Erschwernisse, umsetzen können.

1.4.1.4

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Die künftige TVS wird das Personal der heutigen Trasse Schweiz AG übernehmen.

Da sich die TVS aus den Gebühren der ISB finanziert, entstehen für den Bund weder Personal- noch Sachaufwand. Die zusätzlichen Aufgaben wie das Inkasso und das Infrastrukturregister beanspruchen allerdings zusätzliche entsprechender Ressourcen.

1.4.2

Systemführerschaft

1.4.2.1

Ausgangslage

Systemführerschaften regeln die Wahrnehmung übergeordneter Aufgaben Gemäss Artikel 36 EBG kann ein Unternehmen übergeordnete Aufgaben des Infrastrukturbetriebs oder der Infrastrukturentwicklung für mehrere Unternehmen wahrnehmen. Darunter werden sogenannte Systemführerschaften verstanden.

Sie sollen Effizienz, Interoperabilität und kundenorientierte Innovationen fördern Die Innovation und Standards bestimmen die Funktionalität und Wirtschaftlichkeit einer Bahninfrastruktur und der Unternehmen des öffentlichen Verkehrs (öV) in wesentlichem Ausmass. Synergien sind, auch aus Kostengründen, zu nutzen; für gewisse Problemstellungen braucht es einheitliche Lösungen für alle Betroffenen oder sogar für die gesamte Branche. Dies trägt dazu bei, das System Bahn als Ganzes wirtschaftlich und kundenorientiert weiterzuentwickeln. In der Schweiz stellt dies eine besondere Herausforderung dar, da zahlreiche Unternehmen am Betrieb des Normalspurnetzes und der Schmalspurnetze beteiligt sind.

Heute gibt es wenige technische Systemführerschaften und unzureichende gesetzliche Regelungen Heute gibt es klar definierte Systemführerschaften. Dies gilt z.B. für Bahnstrom oder das European Train Control System (ETCS), wahrgenommen durch die SBB. Für die Zugbeeinflussung der Meter- und Spezialspurbahnen (ZBMS) hingegen tritt die Rhätische Bahn (RhB) als Systemführerin auf. Daneben bestehen brancheninterne Lösungen ohne klar definierten Auftrag, die zum Teil historisch gewachsen sind.

Dies führt zu unklaren Regeln der Zusammenarbeit und zu Effizienzverlusten durch mangelnde Kooperation. Der Begriff «übergeordnete Aufgaben» ist im EBG nicht 8683

BBl 2016

weiter präzisiert. Ebenso fehlen klare Kriterien und Voraussetzungen für eine Systemführerschaft. Der Prozess der Beauftragung, Finanzierung und Steuerung sowie die Rechte und Pflichten einer Systemführerin wurden bislang von Fall zu Fall vereinbart.

Zudem bezieht sich Artikel 36 EBG ausschliesslich auf die Infrastruktur, obwohl Systemführerschaften nicht nur in dieser Sparte eine höhere Effizienz ermöglichen.

Auch im Verkehrsbereich, namentlich im Vertriebs- und Tarifwesen, nehmen Systemführerschaften eine wichtige Koordinationsfunktion wahr. Eine gesetzliche Regelung dafür fehlt bislang gänzlich.

1.4.2.2

Anpassungen des Regelwerks

Die Expertengruppe EOBI kam zum Schluss, dass aufgrund von Grösseneffekten Potenziale für Effizienzsteigerungen bestehen. Diese könnten durch die verstärkte Koordination unter den ISB bzw. durch Systemführerschaften genutzt werden. Für solche Systemführerschaften sind in Zukunft klar definierte Aufträge zu vergeben.

Zudem gilt es, die mit Systemführerschaften verbundene Gefahr von Diskriminierungen zu reduzieren. Zu diesem Zweck werden folgende Änderungen an den bisherigen Regelungen vorgeschlagen: Systemführerschaften umfassend gesetzlich regeln Der Bundesrat will den rechtlichen Rahmen schaffen, um Systemführerschaften für den Bereich der Infrastruktur und für den gesamten öV definieren und in Auftrag geben zu können. Dazu schlägt er je einen gleichlautenden Artikel im EBG und im PBG vor. Das EBG regelt Systemführerschaften im Bereich Infrastruktur, das PBG diejenigen im Bereich Verkehr. Bereiche, die Infrastruktur und Verkehr gleichermassen betreffen, werden in der Regel der Infrastruktur zugeordnet.

Das BAV kann eine Systemführerschaft in Auftrag geben, wenn ein Effizienzsteigerungspotenzial besteht, die Interoperabilität verbessert wird oder einheitliche Lösungen im Interesse der Kundschaft des öffentlichen Verkehrs sind. In allen anderen Fällen sind weiterhin freiwillige Lösungen innerhalb der Branche möglich.

Transparenz durch vertragliche Regelung und Steuerung erhöhen Vertrag mit der Systemführerin regelt die Einzelheiten Bisher hat das BAV Systemführerschaften im Rahmen der LV bei den ISB bestellt und abgegolten. Dieses Vorgehen ist allerdings für Dritte nicht einsehbar. Es lässt sich auch nicht auf den Verkehrsbereich beziehungsweise den gesamten öffentlichen Verkehr ausweiten.

Systemführerschaften werden deshalb in Zukunft vertraglich geregelt. Auftraggeberin ist in jedem Fall das BAV. Systemführerin kann je nach Bereich eine ISB, ein EVU, ein anderes konzessioniertes Verkehrsunternehmen oder eine andere geeignete Organisation oder Unternehmung mit den erforderlichen Fachkompetenzen sein.

Aufträge für Systemführerschaften unterliegen nicht dem Beschaffungsrecht des Bundes (siehe Erläuterungen zu den Art. 37 EBG und 18a PBG). Der Kreis der 8684

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Anbieter bzw. Unternehmen, die als Auftragnehmer überhaupt in Frage kommen, ist beschränkt. Daher wird das BAV entscheiden, ob im jeweiligen konkreten Fall eine Direktvergabe oder ­ sofern es mehrere gleichwertige Anbieter gibt ­ ein Einladungsverfahren durchzuführen oder der Auftrag öffentlich auszuschreiben ist.

Der Systemführungsvertrag regelt den konkreten Auftrag, das Entgelt, die Steuerung, den Einbezug der betroffenen Unternehmen, die Rechte an Informatiksystemen und -applikationen, die Überprüfung der Aufgabenerfüllung sowie die Datensicherheit. Das BAV publiziert die Verträge, um möglichst hohe Transparenz zu gewährleisten.

Management Board trifft operative Entscheidungen Zur Steuerung der vertraglichen Vereinbarungen wird zur Systemführerschaft in der Regel ein Management Board geschaffen. In diesem werden wegweisende Entscheidungen unter Einbezug ausgewählter Branchenvertreter sowie des BAV als Auftraggeberin getroffen. Die Systemführungsverträge garantieren den Einbezug der betroffenen Unternehmen. Soweit erforderlich, regelt die Systemführerin mit allen betroffenen Unternehmen schriftlich die Aufgaben, die Mitsprache und die Kostenteilung. Die betroffenen Unternehmen sind zur Mitarbeit verpflichtet, werden im Gegenzug regelmässig informiert und in geeigneter Weise bei der weiteren Entwicklung einbezogen. Die Vertretungen des Management Boards werden in den Systemführungsverträgen festgehalten und von Fall zu Fall geregelt. In diesen Gremien gilt das Prinzip der Mehrheitsentscheide, um die Entscheidungsfähigkeit im Sinne des Auftrags sicherzustellen. Solche Management Boards sind bei einzelnen Systemführerschaften bereits heute vorhanden. Sofern dies als sinnvoll betrachtet wird, kann ein Management Board auch mehrere Systemführerschaften steuern. Allenfalls kann ein bestehendes Gremium die Aufgaben des Management Boards übernehmen. Die Systemführerin muss die diskriminierungsfreie Wahrnehmung der Aufgabe sicherstellen.

Steuerung erfolgt durch das BAV, Beschwerdeinstanz ist die RailCom Das BAV als Auftraggeberin ist verpflichtet, die Einhaltung der vertraglich festgehaltenen Vereinbarungen zu prüfen und zu steuern.

Die RailCom soll als Beschwerdeinstanz für Streitigkeiten zwischen der Systemführerin und einem beteiligten Unternehmen fungieren. Hingegen unterliegt die Übertragung
von Systemaufgaben durch das BAV nicht der Beschwerde.

Finanzierung transparent vertraglich geregelt Durch die Erweiterung der gesetzlichen Grundlage und die Systemführungsverträge wird die Finanzierung von Systemführerschaften vom üblichen Infrastrukturauftrag getrennt und transparent ausgewiesen.

Systemführerschaften im Infrastrukturbereich fallen unter das EBG. Die Leistungen der Systemführerin werden über den Bahninfrastrukturfonds (BIF) finanziert. Die Leistungen von Systemführerinnen im Verkehrsbereich können vom Bund abgegolten werden (Ergänzung Art. 28 PBG). Die Ausrichtung einer Bundesgarantie bei der Aufnahme von Fremdkapital oder die Gewährung eines Bundesdarlehens ist in Zukunft möglich (Art. 31 PBG; vgl. die Ausführungen dazu in Ziff. 2.8). Sollte eine 8685

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Systemaufgabe ausnahmsweise beide Sparten ­ Infrastruktur und Verkehr ­ betreffen, so wäre die Finanzierung aufzuteilen.

1.4.2.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Ergebnisse der Vernehmlassung: hohe Akzeptanz im Bereich Infrastruktur, geteiltes Echo für Systemführerschaften im Bereich Verkehr In der Vernehmlassung geniessen Systemführerschaften im Bereich der Infrastruktur hohe Akzeptanz, da sie dazu beitragen können, die Interoperabilität und die Effizienz der Systeme zu erhöhen. Die Rollen und Zuständigkeiten sind im Gesetz klar zu regeln. Systemführerschaften im Bereich des Verkehrs (z.B. Ticketing) lösen ein geteiltes Echo aus. Die verladende Wirtschaft und das Strassentransportgewerbe etwa erhoffen sich einen Effizienzgewinn und möchten Systemführerschaften im Güterverkehr zulassen. Für andere, so die Mehrheit der Kantone, sind die Folgekosten von Systemführerschaften im Personenverkehr zu wenig klar. In jedem Fall seien die Besteller des Regional- und Ortsverkehrs in die Gestaltung von Systemführerschaften einzubeziehen.

Konkretisierungen in verschiedenen Bereichen erhöhen Transparenz Mit den vorgeschlagenen Änderungen wird eine gesetzliche Lücke geschlossen.

Systemführerschaften werden die komplexe Bahnlandschaft der Schweiz auch in Zukunft prägen. Die übergeordnete Koordination von Systemaufgaben ist nicht nur für den Bereich der Infrastruktur, sondern für den gesamten öffentlichen Verkehr von zunehmender Bedeutung. Es ist deshalb legitim und sinnvoll, die bestehende Gesetzesgrundlage zu konkretisieren und eine analoge Regelung für den Verkehrsbereich zu schaffen.

Mit Systemführerschaften ist eine besondere und prägende Stellung verbunden. Dies birgt ein Diskriminierungspotenzial. Dieses lässt sich durch klare gesetzliche Grundlagen und die erhöhte Transparenz bei der Beauftragung, Finanzierung und Steuerung reduzieren. Gleichzeitig bieten die vorgesehenen Management Boards den betroffenen Unternehmen eine verstärkte Mitsprachemöglichkeit.

Die Neuregelung legt durch die Konkretisierung und die gesetzliche Erweiterung des Geltungsbereichs den Grundstein für neue Systemführerschaften. Am ursprünglichen Gedanken, Systemführerschaften zu vergeben, wird festgehalten. Die heute bewährten Systemführerschaften sollen in Form von Verträgen auf einer neuen gesetzlichen Basis weitergeführt werden.

1.4.2.4

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Mit der vorgeschlagenen Anpassung der Rechtsgrundlage ist mit geringfügigen Änderungen der Prozesse und administrativen Abläufe zu rechnen. Das BAV wird für die Ausarbeitung der Systemführungsverträge sowie für die Steuerung und die Überwachung der vertraglich zu erbringenden Leistungen verantwortlich sein. Da 8686

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die bisher bestehenden Systemführerschaften in den LV festgehalten sind, entsteht für das BAV ein überschaubarer Mehraufwand. Die RailCom wird als Beschwerdeinstanz im Falle nicht vertraglicher Streitigkeiten ebenfalls einen geringfügigen Mehraufwand zu verzeichnen haben. Die finanziellen und personellen Mehraufwände der Neuregelung werden unter Ziffer 3.1 detailliert aufgezeigt.

1.4.3

Mitwirkungsrechte im Bereich Infrastruktur

1.4.3.1

Ausgangslage

Heute keine nachweisbaren Diskriminierungen, aber ernstzunehmende Potenziale Seit der Öffnung der Netze lag der Fokus für die Gewährleistung des diskriminierungsfreien Netzzugangs bei einer transparenten Trassenvergabe. Da die Wettbewerbsintensität tief ist und Verkehr und Infrastruktur finanziell sowie organisatorisch getrennt sind, gibt es kaum konkrete, klar nachweisbare Benachteiligungen einzelner Verkehrsunternehmen in diesem Bereich. Die Expertengruppe EOBI ist jedoch der Ansicht, dass im heutigen Bahnsystem Diskriminierungspotenziale vorhanden sind. Dies betrifft die Trassenvergabe (vgl. Ziff. 1.4.1.1), aber auch die Netzentwicklung und Investitionsplanung, die Technologiestrategien, die Beurteilung der Netzauslastung beziehungsweise deren Stabilitätsrisiken sowie die Sicherheitsanforderungen. Es ist davon auszugehen, dass die Verkehrssparten innerhalb von integrierten Unternehmen einen Informationsvorsprung haben. Mit wachsendem Wettbewerb steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Diskriminierungspotenziale ausgenutzt werden. Der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung wird zudem umso wahrscheinlicher, je mehr Bereiche der integrierten Bahn dem Wettbewerb unterworfen sind.

EVU erhalten mehr Mitwirkungsrechte vor Entscheiden über Investitionen in die Infrastruktur Die EVU sind von allen Entscheiden über die Entwicklung der Infrastruktur direkt betroffen. Dies gilt neben der Trassenzuteilung insbesondere für die Investitionsentscheide. In diesem Bereich müssen die EVU einen besseren Zugang zu den Informationen der ISB erhalten.

Bei der langfristigen Entwicklung und den Vorhaben zum Ausbau der Infrastruktur können die EVU mitwirken. Dies geschieht im Rahmen des Strategischen Entwicklungsprogramms (STEP) in Planungsregionen unter der Leitung der Kantone und zusammen mit den ISB. Doch das Mitwirkungsrecht der EVU gilt es auch bei der kurz- bis mittelfristigen Fahrplan- und Investitionsplanung für den Substanzerhalt zu sichern. Heute gibt es diesbezüglich nur Koordinationstreffen einzelner Bahnen auf freiwilliger Basis. Für die Verhandlungen über die LV wird zwar vorausgesetzt, dass sich die ISB mit den betroffenen EVU abstimmen; überprüft wird dies aber nicht.

Diskriminierungen könnten entstehen, wenn eine ISB auf ihrer Infrastruktur zum Beispiel einen Spurwechsel entfernt oder verschiebt und dies auf jenen Typ von Rollmaterial ausrichtet, den die EVU ihres Unternehmens einsetzt. Fahren EVU 8687

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anderer Unternehmen nicht mit gleichem Rollmaterial, so könnten sie Schwierigkeiten erhalten, den Fahrplan einzuhalten. Um derartige Diskriminierungen zu vermeiden, will der Bundesrat neu auf Gesetzesstufe ein Informations- und Mitwirkungsrecht für die im Netzzugang tätigen EVU einführen. Die gleichen Rechte sind gemäss dem GüTG auch Anschliessern zu gewähren, da diese bei der Nutzung ihrer Anlagen direkt vom übergeordneten Schienennetz abhängig sind.

Konkret sollen diese Mitwirkungsrechte für die Fahrplanerstellung und bei Investitionsentscheiden der ISB gelten. Die Massnahme ist als Ergänzung zur unabhängigen TVS (vgl. Ziff. 1.4.1), zur Stärkung der Regulierungsbehörde (vgl. Ziff. 1.4.4) sowie zur klareren Definition der Rechte und Pflichten einer Systemführerin (vgl.

Ziff. 1.4.2) geplant. Die ISB werden damit verpflichtet, transparenter zu arbeiten und die Abstimmung mit den EVU zu stärken.

1.4.3.2

Die beantragte Neuregelung

Gesetzlich verankertes Informations- und Mitwirkungsrecht für EVU Das EBG wird um Artikel 37a ergänzt. Damit erhalten die EVU und Anschliesser bei der kurz- bis mittelfristigen Infrastrukturplanung ein gesetzlich verankertes Informations- und Mitwirkungsrecht.

Auch im Fahrplanverfahren soll ein Mitwirkungsrecht der EVU gesetzlich verankert werden. Artikel 13 Absatz 3 PBG wird entsprechend ergänzt.

Im Sinne der Reziprozität will der Bundesrat zudem im PBG neu explizit eine Pflicht der Besteller und Transportunternehmen festhalten, bei der Angebotsplanung neben der Nachfrage auch die bestehende Infrastruktur zu berücksichtigen. Damit soll vermieden werden, dass das Mitwirkungsrecht der EVU zu einseitigen Begehren mit teuren Infrastrukturlösungen führt.

ISB muss Entscheide begründen Die ISB sind nicht verpflichtet, alle Wünsche der EVU zu erfüllen. Sie bleiben unter Wahrung der Diskriminierungsfreiheit in ihren Entscheiden unabhängig, müssen diese aber genügend begründen.

RailCom ist Beschwerdeinstanz, wenn die Mitwirkung nicht erfolgt Fühlen sich EVU oder Anschliesser in Bezug auf die Informations- und Mitwirkungsrechte benachteiligt, können sie künftig die RailCom als Beschwerdeinstanz anrufen. Diese entscheidet einzig über Fragen zur Diskriminierungsfreiheit, wenn Beschwerdeführer ihr Recht auf Mitwirkung für verletzt halten. Die RailCom ist somit für die Durchsetzung des Mitwirkungsprozesses verantwortlich.

Die RailCom entscheidet jedoch nicht über inhaltliche bzw. materielle Fragen wie zum Beispiel eine Aus- oder Rückbaumassnahme (vgl. Ziff. 1.4.4.2). Sind EVU oder Anschliesser mit der Berücksichtigung ihrer Anträge durch die ISB nicht einverstanden, so haben sie sich an das BAV zu wenden; dieses entscheidet über materielle Differenzen.

8688

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1.4.3.3

Begründung und Bewertung der Vorschläge

Ergebnisse der Vernehmlassung: grundsätzlich breite Zustimmung, aber Verzögerungen von Investitionsentscheiden befürchtet Die Mitwirkung der EVU bei Investitionsentscheiden der ISB geniesst grundsätzlich eine breite Zustimmung und soll auf Gesetzesstufe präzise und verbindlich verankert werden. Umgekehrt wird befürchtet, dass Investitionen durch Mitwirkungsrechte ­ vor allem in Verbindung mit einem Beschwerderecht ­ unnötig verzögert werden.

Deshalb befürwortet zum Beispiel eine Mehrheit der Kantone statt Mitwirkungslediglich Informationsrechte. Mitwirkungs- oder Informationsrechte sollen jedoch, so eine verbreitete Auffassung, nicht nur für die EVU, sondern auch für Kantone sowie für Verlader im Güterverkehr vorgesehen werden.

Mitwirkungsrechte im kurz- und mittelfristigen Planungsprozess gewährleisten Die Gesetzgebung im Rahmen von FABI brachte ein neues Regime für die langfristige Planung von Infrastruktur und Verkehrsangeboten. In den verschiedenen Planungsregionen sollen alle direkt betroffenen Parteien, namentlich die EVU, mitwirken können. Seit der Totalrevision des GüTG bestehen neu die Instrumente der langfristigen NNK und der mittelfristigen NNP für die Trassenplanung im Schienenverkehr, in deren Prozesse die EVU ebenfalls eingebunden werden (vgl. Ziff.

1.4.1.2). Die EVU erhalten damit verlässliche Informationen über die langfristig verfügbaren Netzkapazitäten. Der Einbezug der EVU und Anschliesser in die Prozesse des Substanzerhalts, insbesondere über den Abschluss der LV, ist jedoch rechtlich nicht genügend sichergestellt. Aus diesem Grund soll im EBG ein gesetzliches Informations- und Mitwirkungsrecht bei der kurz- bis mittelfristigen Infrastrukturplanung verankert werden.

Bei der mittel- bis langfristigen Trassenzuteilung genügen die bestehenden Prozesse und die neu eingeführten Instrumente NNK und NNP. Im kurzfristigen Fahrplanund Trassenzuteilungsverfahren fehlt hingegen bisher auf Gesetzesebene eine explizite Verankerung des Informations- und Mitwirkungsrechts der EVU. Das PBG soll entsprechend ergänzt werden.

Die Ausweitung dieser Rechte auf die nicht direkt betroffenen Kunden und Besteller der Verkehrsangebote ist nicht erforderlich und würde zu beträchtlichem administrativem Aufwand führen. Namentlich Kantone und Verlader haben ein Interesse bekundet, mitzuwirken. Die
Verlader können indirekt über die EVU und Anschliesser einen Einfluss ausüben. Die Kantone sind einerseits bei der Entwicklung der Angebotskonzepte und andererseits in den meisten Fällen bei den konkreten Plangenehmigungen für die raumrelevanten Investitionsvorhaben direkt einbezogen.

8689

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1.4.3.4

Umsetzung des Informations- und Mitwirkungsrechts

Investitionspläne werden auf Internetplattform zugänglich gemacht Alle vier Jahre sind die EVU bei der Vorbereitung der LV anzuhören. Es können jedoch während der Laufzeit einer LV Entscheide fallen, die auf ein EVU einen wesentlichen Einfluss haben ­ beispielsweise Anpassungen am Investitionsplan.

Deshalb soll die TVS in Zukunft eine elektronische Plattform einrichten, auf der die mittelfristigen Investitionspläne der ISB aufgeschaltet werden (vgl. Ziff. 1.4.1.2).

Sie ist nur den betroffenen EVU, den Anschliessern und der RailCom zugänglich.

Die Zugriffsrechte auf diese Plattform werden fallweise erteilt und periodisch überprüft. Die EVU können somit zumindest im Normalspurbereich neben dem Infrastrukturregister und den Nutzungsbedingungen für das Schienennetz (Network Statements) jeweils den aktuellen mittelfristigen Investitionsplan der ISB abrufen.

Dieser gibt mindestens für die folgenden vier Jahre über Investitionen und gegebenenfalls Desinvestitionen Auskunft. Dank dem Informations- und Mitwirkungsrecht können sich die EVU und Anschliesser mit ihren Anliegen an die ISB wenden und eine fundierte Behandlung erwarten.

Das folgende Vorgehen ist vorgesehen: ­

Der aktuelle, von der Geschäftsleitung der ISB genehmigte Investitionsplan ist jeweils spätestens bis Ende März auf der Webseite der TVS aufgeschaltet und zugänglich gemacht.

­

Die betroffenen EVU und Anschliesser können sich binnen eines Monats mit ihren Anliegen bzw. Anträgen an die ISB wenden.

­

Die ISB muss diese Anliegen bis Ende Mai fundiert bearbeiten und die betroffenen EVU und Anschliesser informieren.

­

Ein EVU oder ein Anschliesser kann im Falle einer Nichtberücksichtigung seiner Anliegen bis Ende Juni eine Beschwerde an das BAV richten.

­

Das BAV muss die Beschwerde innerhalb von drei Monaten behandeln.

ISB legen Anforderungen und Detaillierung der Investitionspläne fest Die Branche (d.h. die ISB mit den EVU) legen die Minimalanforderungen an das Format der Investitionspläne fest, insbesondere den Detaillierungsgrad und die geografische Abgrenzung. Das BAV wird bei der Festlegung der Minimalanforderungen einbezogen. Die ISB ihrerseits muss jeweils im Rahmen ihrer jährlichen Berichterstattung zur LV melden, wie sie die EVU und Anschliesser in die Investitionsplanung einbezogen und summarisch über deren Anträge entschieden hat.

Entscheide mit grosser Tragweite für ein EVU oder einen Anschliesser muss die ISB begründen.

Im Fahrplanverfahren wird der Einbezug der EVU neu auf Gesetzesebene festgelegt.

Das stellt die Mitwirkungsmöglichkeit sicher. Die konkrete Umsetzung wird das BAV in einer Richtlinie regeln.

8690

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In beiden Fällen ist die RailCom gemäss neuem Artikel 40ater EBG Beschwerdeinstanz, wenn ein EVU sein Recht zur Mitwirkung verletzt sieht oder eine Diskriminierung feststellt (vgl. Ziff. 1.4.4.2).

Der Bundesrat kann auch hier, insbesondere für Schmalspur- sowie nicht interoperable Normalspurstrecken, Erleichterungen vorsehen.

1.4.3.5

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Die ISB erhalten zusätzliche Aufgaben durch die Publikation der Investitionspläne und die Verpflichtung, die EVU und Anschliesser anzuhören. Der TVS bereitet das Aufschalten der Investitionspläne keinen nennenswerten Mehraufwand. Im Detail sind die finanziellen Auswirkungen in Ziffer 3.1 dargestellt.

1.4.4

Stärkung der Regulierungsbehörde (RailCom)

1.4.4.1

Ausgangslage

SKE überwacht den diskriminierungsfreien Netzzugang Die ISB sind in der Schweiz gemäss EBG verpflichtet, den diskriminierungsfreien Netzzugang zu gewährleisten. Gibt es diesbezüglich Streitigkeiten, so entscheidet die SKE auf Antrag der Parteien. Die SKE ist organisatorisch dem UVEK zugeordnet und wurde mit der Bahnreform 1 geschaffen, um einen Teil der Regulierungsfunktionen im schweizerischen Eisenbahnsystem wahrzunehmen (Sicherstellung des diskriminierungsfreien Netzzugangs im Personen- und im Güterverkehr). Mit dem zweiten Teilschritt der Bahnreform 2 erhielt die SKE das Recht, Untersuchungen auch von Amtes wegen einzuleiten und Sanktionen auszusprechen. Sie kann einem Verdacht nachgehen, dass der Netzzugang behindert oder nicht diskriminierungsfrei gewährt wird. Zudem überwacht sie die diskriminierungsfreie Trassenvergabe durch die Trasse Schweiz AG. Diese Neuerungen sind seit dem 1. Juli 2013 in Kraft. Im Rahmen der Totalrevision des GüTG verfügt sie seit dem 1. Juli 2016 über die Kompetenz, auch über Streitigkeiten beim Zugang zu Anlagen für den Gütertransport zu entscheiden.

Neben der SKE hat auch die Wettbewerbskommission (WEKO) gewisse Aufgaben im Verkehrsbereich: Ihre Hauptaufgaben sind die Bekämpfung von schädlichen Kartellen, die Aufsicht über marktbeherrschende Unternehmen, die Kontrolle bei Fusionen sowie die Verhinderung staatlicher Wettbewerbsbeschränkungen. Die WEKO wird im Eisenbahnwesen weiterhin dort zuständig sein, wo das Kartellrecht zur Anwendung kommt, wie zum Beispiel dann, wenn ein Monopolbetrieb seine starke Position für wettbewerbswidrige Preise missbraucht. Wie im Strommarkt ist aber der Netzzugang gemäss EBG eine spezialgesetzliche Regelung, welche die Anwendung des Kartellgesetzes ausschliesst. Die Überwachung der diskriminierungsfreien Trassenvergabe als typisches Phänomen für Netzwerkindustrien fällt in die Zuständigkeit der jeweils berufenen Spezialkommissionen (Eisenbahn SKE, Strommarkt ElCom, Telekommunikation ComCom etc.).

8691

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Eine ähnliche Abgrenzung wie zur WEKO besteht zum Preisüberwacher: Die Abgrenzung zwischen diesem und der WEKO ergibt sich aus Artikel 16 des Preisüberwachungsgesetzes vom 20. Dezember 198522 (PüG). Der Preisüberwacher ist dort zuständig, wo infolge fehlenden Wettbewerbs Preismissbrauch vorliegen kann (Art. 12 PüG). Im Eisenbahnbereich ist dies derzeit vor allem im Fernverkehr möglich, wo nur die SBB als Konzessionärin tätig ist. Die Abgrenzung zum Preisüberwacher ergibt sich dadurch, dass die Fahrpreise den Transportvertrag zwischen Unternehmen und Reisenden (Art. 19 ff. PBG) betreffen, während es im Bereich der SKE um das brancheninterne Verhältnis zwischen ISB und EVU geht.

Weitere Stärkung der SKE ist nötig Damit bei steigender Intensität des Wettbewerbs der diskriminierungsfreie Zugang zum Schienennetz und zu den Güterverkehrsanlagen gewährleistet werden kann, ist die SKE mit weiteren Kompetenzen und Ressourcen auszustatten.

1.4.4.2

Die beantragte Neuregelung

Regulierungsbehörde wird weiter gestärkt Durch zusätzliche Aufgaben der Regulierungsbehörde trägt die Vorlage zur Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs als wesentliches Element der Marktöffnung und des Wettbewerbs bei. Die geplanten Anpassungen basieren in weiten Teilen auf der von der EOBI durchgeführten Analyse der SKE.23 In formeller Hinsicht ersetzen die neuen Artikel 40a ff. EBG dieser Vorlage sämtliche bisherigen Bestimmungen zur SKE. Sie bilden neu ein in sich geschlossenes Ganzes.

SKE wird in RailCom umbenannt Die heutige Form der SKE als eigenständige Regulierungsbehörde mit organisatorischer Ansiedlung beim UVEK hat sich bewährt. Die Form soll daher beibehalten werden.

Im Rahmen der gängigen schweizerischen Praxis für Regulierungsbehörden (ElCom, ComCom, PostCom) soll die SKE in RailCom umbenannt werden.

Stärkung der RailCom durch einzelne neue Aufgaben und Sanktionsmöglichkeiten Zur Stärkung der RailCom werden verschiedene Massnahmen vorgeschlagen. So sind ihr zum einen verschiedene neue Aufgaben zuzuweisen, zum anderen soll sie in Zukunft leichteren Zugang zu Daten erhalten. Schliesslich soll sie fortan Verwaltungsmassnahmen treffen können. Diese Stärkung der RailCom soll unabhängig von einem institutionellen Modell der Bahnen erfolgen.

22 23

SR 942.20 Anhang 4: «Bericht Regulator» des Schlussberichts der Expertengruppe Organisation Bahninfrastruktur kann beim Bundesamt für Verkehr (BAV) kostenlos abgerufen werden unter www.bav.admin.ch > Themen > Bahnreform > Weitere Schritte der Bahnreform.

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Konkret soll die RailCom folgende Aufgaben, Kompetenzen und Funktionen übernehmen: a)

Verstärkte Überwachung und Beobachtung Die RailCom soll neu die Lieferung der Inkassodaten der ISB an die TVS überwachen. Zudem obliegt ihr die Aufsicht über die diskriminierungsfreie Unterhalts- und Erneuerungsplanung. Weiter soll sie den Eisenbahnmarkt beobachten und mit anderen Regulierungsbehörden Informationen austauschen. Seit dem 1. Juli 2016 überwacht sie bereits den Zugang zu den Anlagen für den Gütertransport.

b)

Systemführerschaften In Zukunft können Dritte mit einer Systemführerschaft beauftragt werden. In erster Linie wacht das BAV als Auftraggeberin über die Vertragseinhaltung.

Soweit dies nicht erfolgt oder nicht erfolgen kann, soll die RailCom angerufen werden können. Ihre Überprüfungsbefugnis beschränkt sich auf diejenigen Aspekte, die nicht im Rahmen des eigentlichen Auftrags, wie das Vertragsmanagement zwischen der Auftraggeberin und den Beauftragten, behandelt werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 40ater Abs. 1 Bst. e EBG).

c)

Mitwirkungsrechte der EVU bei Infrastrukturinvestitionen Gemäss geltendem Recht (Art. 48d Abs. 1 EBG) bezieht das BAV die betroffenen EVU bei der Planung der Ausbauschritte im Rahmen des Strategischen Entwicklungsprogramms (STEP) ein. Auf dieser langfristig orientierten Stufe besteht kein Anlass, die RailCom anzurufen, da die Planungsschritte nicht justiziabel sind.

Hingegen sollen die EVU neu die Möglichkeit erhalten, in der kurz- und mittelfristigen Investitionsplanung der ISB mitzuwirken (vgl. Ziff. 1.4.3.2 und 1.4.3.3). Dieses Recht wird in Artikel 37a EBG verankert.

Missachten die ISB die Mitwirkungsrechte der EVU in diskriminierender Weise, so können die EVU an die RailCom gelangen. Damit erhält die RailCom im Bereich des Netzzugangs eine weitere Kompetenz, ohne dass dadurch in die Planungshoheit des Bundes eingegriffen wird.

d)

Datenlieferung In Zukunft soll die RailCom leichteren Zugang zu Daten der Marktteilnehmer, namentlich der EVU, erhalten. Darauf ist die RailCom speziell mit Blick auf ihr aktives Eingreifen angewiesen. Auch Behörden von Bund und Kantonen werden zur Mitwirkung und Lieferung der nötigen Unterlagen und Daten verpflichtet (Art. 40aquater EBG).

e)

Verwaltungsmassnahmen Eine Regulierungsbehörde muss griffige Sanktionen aussprechen können.

Gerade in öffentlich-rechtlichen Bereichen wie im vorliegenden Fall sind Strafmassnahmen zur Abschreckung oder zur Sanktionierung unerwünschten Verhaltens oft ungeeignet. Die RailCom soll daher, analog der FINMA, in gewissem Ausmass Verwaltungssanktionen aussprechen können (Art. 40asexies EBG).

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Erhöhung der Ressourcen nötig Die SKE besteht heute aus einer Präsidentin oder einem Präsidenten, einer Vizepräsidentin oder einem Vizepräsidenten und weiteren fünf Mitgliedern. Sie wird vom Bundesrat auf Antrag des UVEK gewählt. Der Sitz der Kommission und ihr Sekretariat sind in Bern. Nach Anhörung der Kommission bestimmt das Präsidium die Leitung des Sekretariats. Der Stellenbestand der SKE wurde 2015 auf 410 Stellenprozente aufgestockt. Mit rund 800 000 Franken konnte der gesamte Personal- und Betriebsaufwand der SKE im Jahr 2015 gedeckt werden.24 Die RailCom wird weiterhin grossmehrheitlich über das Budget des UVEK finanziert und erhebt für Überwachungs- und Prüfungsaufgaben eine Gebühr.

Die zusätzlichen Anforderungen werden neue Qualifikationen erfordern. Für die neuen Aufgaben wird der Ressourcenbestand der RailCom um 100 Stellenprozente erhöht.

1.4.4.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Ergebnisse der Vernehmlassung: breite Zustimmung zur Stärkung und gegensätzliche Einschätzungen zum Ausbaubedarf In der Vernehmlassung hat die Umwandlung der heutigen SKE in die RailCom und deren Stärkung im Grundsatz breite Zustimmung gefunden. Rollen und Abgrenzungen, insbesondere zu anderen Bundesbehörden oder Aufsichtsorganen, sind klar zu definieren. Welche und wie viele zusätzliche Kompetenzen die RailCom erhalten soll, ist umstritten. Vor allem die verladende Wirtschaft und das Strassentransportgewerbe fordern zusätzliche, auch proaktive Überwachungskompetenzen der neuen RailCom. Demgegenüber befürchten andere Kreise übermässigen Aufwand und sprechen sich für eine möglichst weitgehende Selbstregulierung aus. Die Mehrheit der Kantone sieht kaum Bedarf für zusätzliche Kompetenzen oder dauernde Überwachungsaufgaben der RailCom. Vereinzelte Stimmen fordern hingegen, dass die Überwachung der Grundversorgung zu den Kompetenzen der RailCom gehört (analog ComCom und PostCom).

Regulierungsbehörde stärken Die Stärkung des Schienenverkehrs durch mehr Wettbewerb gelingt nur, wenn dieser Wettbewerb nicht behindert wird. Insbesondere ist gegen offene und verdeckte Diskriminierungen vorzugehen. Wie in jedem liberalisierten Markt muss daher eine Behörde darüber wachen, dass alle Beteiligten die Regeln einhalten. Wer benachteiligt wird, soll sich an diese Behörde wenden können: sei es durch eine Klage gegen ein wettbewerbswidriges beziehungsweise diskriminierendes Verhalten oder aber durch Beschwerde gegen einen Entscheid, der nach Auffassung des Beschwerdeführers seine Rechte verletzt. Die Behörde soll von Amtes wegen tätig werden können, wenn sie den Verdacht hat, dass der Markt beziehungsweise der 24

Tätigkeitsbericht 2015 der Schiedskommission im Eisenbahnverkehr (SKE).

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Wettbewerb in unzulässiger Weise beeinflusst wird. Die vorgeschlagene Lösung dient diesen Zielsetzungen am besten. Die Stärkung der SKE erfolgte bislang in mehreren Schritten, zuletzt im Rahmen der Revision des GüTG25. Mit dieser Vorlage erhält die neu als RailCom bezeichnete Kommission die nötigen Kompetenzen, um bei Bedarf schnell und effektiv handeln zu können.

1.4.4.4

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Mit der Stärkung der RailCom sind höhere Kosten verbunden. Die RailCom wird ­ wie die bisherige SKE ­ durch die allgemeine Bundeskasse zu finanzieren sein. Für die Einzelheiten wird auf Ziffer 1.4.4.2 verwiesen.

1.4.5

Erweiterung der Passagierrechte

1.4.5.1

Ausgangslage

Die Vorlage soll ausgehend von internationalen rechtlichen Anpassungen auch im Bereich der Passagierrechte Verbesserungen erzielen. Damit soll das Bahnsystem als Ganzes auch für die Fahrgäste spürbar attraktiver werden. Das schweizerische Transportsystem ist dabei an die internationalen Entwicklungen im Bereich der Passagierrechte anzupassen.

Der schweizerische öV überzeugt im internationalen Vergleich Die Umsetzung der vorgeschlagenen Gesetzesanpassungen zu den Passagierrechten soll im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1371/200726 und der Verordnung (EU) Nr. 181/201127 erfolgen. Der öffentliche Verkehr in der Schweiz ist eine Erfolgsgeschichte und setzt Massstäbe im internationalen Vergleich. Die Nachfrage im Binnenpersonenverkehr wächst seit mehreren Jahren stetig. Allein im Jahr 2012 wurden über 23 Milliarden Personenkilometer zurückgelegt, der grösste Teil davon (19,3 Milliarden oder 83 Prozent) mit der Bahn und davon wiederum zwei Drittel im Fernverkehr.

Passagierrechte in der EU weitergehend als in der Schweiz Trotz dieser Erfolge sind heute die Fahrgäste im Beförderungsvertrag zwischen Transportunternehmen und Fahrgast erfahrungsgemäss die schwächere Partei. Da es im öffentlichen Personenverkehr keinen Wettbewerb gibt, haben die Fahrgäste nicht die Möglichkeit, auf andere Anbieter auszuweichen.

25 26

27

AS 2016 1845, hier 1852 und 1856 f.

Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr, ABl. L 315/14 vom 3.12.2007, S. 14.

Verordnung (EU) Nr. 181/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004, ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 1.

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In diversen Bereichen garantiert die EU den Bahnpassagieren derzeit weitergehende Rechte als die Schweiz. Die Schweiz hat ein Interesse, die Rechtssituation der Passagiere im konzessionierten Verkehr zu verbessern und internationale Standards zu gewährleisten. Durch eine Annäherung des schweizerischen Rechts an die Vorschriften der EU und den Ausbau der Passagierrechte kann die Attraktivität des Eisenbahnverkehrs auf nationaler und internationaler Ebene gesteigert werden.

Passagierrechte auch im grenzüberschreitenden Busverkehr relevant Die Zahl der grenzüberschreitend tätigen Busunternehmen, die Reisen mit einem Halt in der Schweiz anbieten, hat in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen.

Derzeit gibt es über 100 Linien im EU-Verkehr sowie rund 80 Linien im Verkehr mit Drittstaaten mit Halt (inkl. Ausgangs- und Zielort) in der Schweiz. Zur allgemeinen Stärkung der Passagierrechte und im Sinne eines funktionierenden und fairen Wettbewerbs zwischen den verschiedenen Teilnehmern des öffentlichen Verkehrs sollen zusätzliche Passagierrechte nicht nur bei der Bahn, sondern auch im Verkehr mit Bussen, eingeführt werden.

EU hat Mindestanforderungen festgelegt Seit 2011 kennt die EU eine Regelung der Passagierrechte für alle Verkehrsträger, also Bahn-, Strassen-, Luft und Schiffsverkehr. Die Vorschriften haben zum Ziel, die Reisenden ins Zentrum der Verkehrspolitik zu stellen.

In der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 legt die EU Mindestanforderungen bei den Rechten von Personen mit eingeschränkter Mobilität, bei Haftungsfragen und Entschädigungs- sowie Hilfeleistung bei Unterbrechung der Reise fest. Für die Passagierrechte im Eisenbahnverkehr bestehen überdies internationale Regelungen, insbesondere das Übereinkommen vom 9. Mai 1980 über den Internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) und dessen Anhang A (Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen und Gepäck; CIV).

Innerhalb der EU ist der Markt für die Beförderung von Passagieren im internationalen Busverkehr liberalisiert. Anders als für den Eisenbahnverkehr bestehen keine internationalen Übereinkünfte, welche die Passagierrechte im internationalen Busverkehr regeln. Um die Attraktivität des Busverkehrs für die Passagiere zu erhöhen und die Wettbewerbsbedingungen zu vereinheitlichen,
verabschiedete die EU deshalb die Verordnung (EU) Nr. 181/2011. Diese Verordnung ist insgesamt vergleichbar mit der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007.

Passagierrechte in der Schweiz Die Schweiz hat das COTIF mit dem Anhang A über die einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen ratifiziert. Darin werden gewisse Haftungsfragen im internationalen Eisenbahnverkehr geregelt. Das PBG und die Verordnung vom 4. November 200928 über die Personenbeförderung (VPB) enthalten Bestimmungen zum Beförderungsvertrag, zur Haftung von EVU, zu verpassten Anschlüssen und zu Zugausfällen. Gemäss dem 28

SR 745.11

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schweizerischen Gesetz gelten diese Bestimmungen nicht nur für die Eisenbahn, sondern für alle Verkehrsarten.

Auf freiwilliger Basis kennen gewisse Unternehmen derzeit ein Bon-System bei Verspätungen oder Zugsausfällen. Dabei entschädigen sie sämtliche Passagiere eines Zuges, unabhängig von der zurückgelegten Strecke und vom Ticketpreis. Es wird einzig zwischen 1. und 2. Klasse unterschieden. Dieses System bringt den Vorteil mit sich, dass die Passagiere direkt und unkompliziert entschädigt werden und ihre Ansprüche nicht zuerst formell geltend machen müssen. Die Passagiere haben jedoch umgekehrt keinen Anspruch auf eine Entschädigung mittels eines Bons. Da die Bons den Passagieren persönlich ausgehändigt werden müssen, kommen bei hoher Belegung des Zugs vermutlich nicht alle Passagiere in den Genuss einer Entschädigung.

Regelungen für behindertengerechten öV sind umfassend Zahlreiche Rechtsgrundlagen29 regeln in der Schweiz die Rechte von Personen mit Behinderungen oder eingeschränkter Mobilität. Diese sind für den Eisenbahnverkehr bereits jetzt umfassender als in der EU.

Schweizerische Passagierrechte im internationalen Busverkehr unzureichend Der grenzüberschreitende bewilligungspflichtige Personenverkehr auf der Strasse (internationaler Busverkehr) fällt unter das PBG. Die Linien sind aber, im Gegensatz zum Eisenbahnverkehr, formell nicht konzessioniert, sondern bewilligt (Art. 8 PBG). Da mehrere schweizerische Vorschriften über die Passagierrechte ausschliesslich für den konzessionierten Verkehr anwendbar sind, gelten heute nur wenige Vorschriften betreffend die Passagierrechte im internationalen Busverkehr.

Im Interesse der Passagiere und aufgrund des internationalen Charakters dieses Verkehrsangebots besteht Handlungsbedarf.

Ähnlich präsentiert sich die Situation beim Transport von behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität. Das BehiG sieht für Privatpersonen ein Diskriminierungsverbot im Sinne von Artikel 8 Absatz 2 der Bundesverfassung 30 (BV) vor. Gleichzeitig verpflichtet es das Gemeinwesen oder die konzessionierten Unternehmen, ihre Leistungen behindertengerecht zu erbringen. Weil der internationale Busverkehr bewilligungs- und nicht konzessionspflichtig ist, sind die öV-relevanten Vorschriften des BehiG ­ abgesehen vom Diskriminierungsverbot ­ in diesem Bereich
nicht anwendbar. Eine Anpassung des schweizerischen Rechts auf Verordnungsebene an die massgebenden Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 181/2011 legt einen Mindeststandard für die Rechte von behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität im internationalen Busverkehr fest.

29

30

Behindertengleichstellungsgesetz vom 13. Dezember 2002 (BehiG, SR 151.3), Behindertengleichstellungsverordnung vom 19. November 2003 (SR 151.31), Verordnung vom 12. November 2003 über die behindertengerechte Gestaltung des öffentlichen Verkehrs (SR 151.34) und Verordnung des UVEK vom 22. Mai 2006 über die technischen Anforderungen an die behindertengerechte Gestaltung des öffentlichen Verkehrs (SR 151.342).

SR 101

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1.4.5.2

Die beantragte Neuregelung

Geltungsbereich für alle Verkehrsträger, aber differenziert Die vorgeschlagenen Änderungen betreffen das PBG und erstrecken sich auf alle unter dieses Gesetz fallenden Verkehrsträger. Bestimmungen, die ausschliesslich für Eisenbahnunternehmen gelten, sind entsprechend abgefasst. Grundsätzlich umfasst die neue Regelung alle Verkehre: internationale, nationale, regionale und lokale.

Dort, wo Detailregelungen wünschenswert erscheinen, sieht die Vorlage eine Delegationskompetenz zugunsten des Bundesrates vor.

Haftung von Eisenbahnunternehmen für Fahrgäste und deren Gepäck: Vorschüsse einführen Die Haftung der Unternehmen bei Unfällen ist in Artikel 51 PBG geregelt. Dieser verweist für die EVU auf das EBG und für die Strassenfahrzeuge auf das Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 195831 (SVG). Neu sollen die EVU bei Verletzung oder Tod eines Fahrgastes zu einem Vorschuss verpflichtet werden. Damit lassen sich die unmittelbaren Bedürfnisse des betroffenen Fahrgastes oder seiner nahen Angehörigen decken. Bei einem Todesfall muss zuerst abgeklärt werden, welche natürliche Person entschädigungsberechtigt ist. Wenn dies bekannt ist, hat das Unternehmen 15 Tage Zeit, um einen Vorschuss zu zahlen. Der Vorschuss stellt keine Anerkennung der Haftung dar. Er kann zurückgefordert werden, falls der Schaden durch Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Fahrgasts verursacht wurde. Dasselbe gilt, wenn die Person, die den Vorschuss erhalten hat, keinen Entschädigungsanspruch gehabt hätte. Den Minimalbetrag, den ein EVU bei einem Todesfall als Vorschuss zahlen muss, legt der Bundesrat auf Verordnungsstufe fest.

Schadenersatz bei verpassten Anschlüssen, Zugausfällen und Annullierung erweitern Gegenwärtig haftet ein Unternehmen mit einer Konzession für den Schaden, wenn der Fahrplan nicht eingehalten wird und die reisende Person deshalb den letzten Anschluss verpasst, der im Fahrplan vorgesehen ist. Dies bleibt auch in Zukunft so.

Die Bestimmung soll aber dahingehend erweitert werden, dass das Unternehmen auch für den Schaden haftet, wenn Reisende das vorgesehene Ziel nicht erreichen.

Gemäss geltendem Recht kann der Bundesrat bestimmen, dass das Unternehmen der reisenden Person auch bei anderen verpassten Anschlüssen die freie Rückfahrt oder die Weiterfahrt ohne Nachzahlung über einen andern Weg anbieten muss.

Weitergehende
Schadenersatzansprüche der Reisenden wegen Verspätung sollen ausgeschlossen werden. Die Bestimmung über Haftungsbefreiung des Unternehmens bleibt zudem unberührt.

Die Neuregelung im konzessionierten Verkehr soll bei Verspätungen die Möglichkeit bieten, die Weiterfahrt mit dem nächsten geeigneten Kurs ohne Nachzahlung fortsetzen zu können. Dies gilt neu unabhängig davon, ob ein Anschluss verpasst wurde. Gemäss geltendem Recht besteht diese Möglichkeit nur im Falle eines Anschlussbruches. Kann die Reise ihren Zweck aufgrund einer Verspätung nicht mehr 31

SR 741.01

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erfüllen, sollen die Reisenden die Wahl haben, die Reise unter Erstattung des Fahrpreises nicht anzutreten, unter Erstattung des Fahrpreises unverzüglich zurückzukehren oder unter anteiliger Erstattung des Fahrpreises auf die Weiterreise zu verzichten.

Anteilmässige Fahrpreisentschädigung bei grossen Verspätungen Besteht kein Anspruch auf Erstattung des Fahrpreises im erwähnten Sinne, sollen Reisende unter gewissen Voraussetzungen trotzdem beim Transportunternehmen eine Entschädigung verlangen können. Diese Entschädigung soll bei Verspätungen von über 60 Minuten mindestens 25 Prozent und bei Verspätungen von über 120 Minuten mindestens 50 Prozent des Fahrpreises betragen. Die Einzelheiten der Entschädigung wird der Bundesrat auf Verordnungsstufe regeln.

Der Bundesrat wird einen Mindestbetrag festlegen, unter dem kein Anspruch auf Entschädigung besteht und die Transportunternehmen keine Entschädigung leisten müssen. Damit wird die Entschädigung von Kleinbeträgen ausgeschlossen. Diese Lösung nimmt im Ergebnis die kurzen Strecken des Regional- und Ortsverkehrs von der Entschädigungspflicht aus. Reisende mit Dauerfahrausweisen haben im Fall von Verspätungen keinen Anspruch auf Entschädigung.

Weiter soll das konzessionierte Unternehmen den Passagieren künftig ab einer Verspätung von sechzig Minuten bei Bedarf Hilfe leisten. Die Details der Hilfeleistung legt der Bundesrat auf Verordnungsstufe fest. Die Bestimmungen orientieren sich am Inhalt von Artikel 18 der Verordnung (EG) 181/2007.

Die geplante Neuregelung stellt sicher, dass alle betroffenen Passagiere eine Entschädigung einfordern können. Diese ist von der Höhe des bezahlten Ticketpreises abhängig. Je nach Ticketpreis fällt die Entschädigung künftig höher aus als mit dem bisherigen Bon-System.

Fahrgastrechte beim bewilligten internationalen Busverkehr Die Regelungen für Verspätungen, verpasste Anschlüsse und Zugausfälle gelten auch in Zukunft nur für konzessionierte Transportunternehmen und somit nicht für Buslinien, welche ausschliesslich grenzüberschreitende Reisende befördern. Solche Linien sind gemäss Artikel 8 PBG nicht konzessioniert, sondern bewilligt. Die Details der Fahrgastrechte bei Annullierung oder Verspätung im internationalen Busverkehr legt der Bundesrat auf Verordnungsstufe fest (vgl. Ziff. 1.4.5.4).

Mitnahme von Fahrrädern
nach Möglichkeit sicherstellen Die Mitnahme von Fahrrädern fällt derzeit weder unter Artikel 23 PBG (Handgepäck) noch unter Abschnitt 5 (Transport von Reisegepäck). Die Transportunternehmen, die dem PBG unterliegen, sollen verpflichtet werden, in den Fahrzeugen geeignete Voraussetzungen für den Transport von Fahrrädern zu schaffen; dies jedoch nur, wenn die Fahrräder leicht zu handhaben sind, dies den Verkehr nicht beeinträchtigt und die Fahrzeuge dafür geeignet sind.

8699

BBl 2016

Informationspflicht im Störungsfall gesetzlich verankern Derzeit enthalten weder das PBG noch die VPB ausführliche Bestimmungen zur Pflicht der Transportunternehmen, die Fahrgäste zu informieren. Für die bewilligungspflichtige grenzüberschreitende Personenbeförderung (internationaler Busverkehr) legt Artikel 52 VPB gewisse Mindestanforderungen fest. Die Informationspflicht im Falle von Verspätungen und Ausfällen soll in Zukunft für die Unternehmen eine Grundregel darstellen und auf Gesetzesstufe verankert werden. Darunter fällt auch die Pflicht, über die Passagierrechte zu informieren. Dies garantiert, dass die Passagiere ihre Rechte kennen und ihre Ansprüche geltend machen können.

Beschwerdestelle der Transportunternehmen wird Pflicht Heute müssen die Transportunternehmen keine Beschwerdestelle haben. Die neue Vorschrift sieht vor, dass sämtliche Transportunternehmen über eine Kontaktstelle verfügen, an die sich der Fahrgast wenden kann (Beschwerdestelle). Diese Stelle nimmt Beschwerden über die Verletzung der Passagierrechte entgegen. Die Reisenden sollen sich zuerst an die Beschwerdestelle des Unternehmens wenden, bevor ein Fall von der sogenannten Durchsetzungsstelle (dies ist bereits nach geltendem Recht das BAV, vgl. unten) behandelt wird. Ein Austausch zwischen Fahrgast und betroffenem Unternehmen kann in vielen Fällen bereits zu einer Einigung führen.

Zudem ist der Passagier nicht Partei, wenn er sich an die Durchsetzungsstelle wendet, sondern einzig Anzeiger.

Sanktionsmöglichkeiten sichern die Passagierrechte ab Gemäss Artikel 52 PBG untersteht die Personenbeförderung im öffentlichen Verkehr der Aufsicht des BAV. Als Aufsichtsbehörde ist das BAV befugt, Beschlüsse und Anordnungen von Organen oder Dienststellen der Unternehmen aufzuheben oder deren Durchführung zu verhindern, wenn diese gegen das PBG verstossen (Durchsetzungsstelle). Das BAV wird auch inskünftig als Durchsetzungsstelle die Umsetzung der Passagierrechte überwachen. Die EU-Mitgliedstaaten haben bereits derartige Stellen eingerichtet, die jeweils für die Durchsetzung der Passagierrechte in den verschiedenen Ländern zuständig sind. Im Bereich der Luftfahrt existieren ähnliche EU-Bestimmungen. Dort nimmt das Bundesamt für Zivilluftfahrt, gestützt auf Artikel 3 Absatz 2 des Luftfahrtgesetzes vom 21. Dezember 194832, die Funktion
der Durchsetzungsstelle wahr.

Das BAV soll Sanktionen für Verstösse gegen die Passagierrechte aussprechen können. Diese Sanktionen, die sich an die Transportunternehmen richten, müssen wirksam, verhältnismässig und abschreckend sein. Artikel 57 Absatz 1 Buchstabe a PBG sieht vor, dass mit Busse bestraft wird, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer Verfügung des BAV zuwiderhandelt. Um gestützt auf das PBG gegen ein Transportunternehmen strafrechtlich vorgehen zu können, muss dieses nach einer Verfehlung zuerst mit einer Verfügung darauf hingewiesen werden; gleichzeitig sind weitere Verfehlungen unter Strafandrohung zu stellen. Diese Verfügung ist wiederum anfechtbar. Wird die Verfügung rechtskräftig, kann bei weiteren Verfehlungen ein Strafverfahren eingeleitet werden.

32

SR 748.0

8700

BBl 2016

1.4.5.3

Begründung der Anpassung und geprüfte Alternativen

Ergebnisse der Vernehmlassung: umstritten und teilweise unklar Der Ausbau der Passagierrechte bzw. die Stärkung der Position der Reisenden findet bei einer Minderheit, unter anderem bei politischen Parteien, Konsumentenschutzund Tourismus-Organisationen, ausdrückliche Zustimmung. Andere Kreise halten Passagierrechte zwar für sinnvoll, deren Ausbau auf Bundesebene aber nicht für notwendig, da die Branche heute z.B. bei Verspätungen bereits eine kulante, unbürokratische Praxis kenne. Aus Sicht der Kantone ist noch allzu viel unklar, sodass die Frage der Passagierrechte von der Vorlage abzukoppeln und separat anzugehen sei. Auf Ablehnung stossen neue Passagierrechte insbesondere bei der verladenden Wirtschaft, da für den Güterverkehr keine vergleichbaren Rechte vorgesehen sind. Breite Kreise fordern, dass in jedem Fall der Regional- und der Ortsverkehr auf Stufe Gesetz von allfälligen neuen Passagierrechten auszunehmen sind. Hohe Akzeptanz geniesst hingegen der Vorschlag, im grenzüberschreitenden Busverkehr erweiterte Passagierrechte einzuführen.

Geprüfte Alternativen und vorgenommene Anpassungen Durch die vorgeschlagene Neuregelung sollen die Rechte der Passagiere im konzessionierten Verkehr und diejenigen im bewilligungspflichtigen Verkehr, die unter das PBG fallen, gestärkt werden. Geprüft wurden Anpassungen des PBG, des EBG, des BehiG sowie diverse Anpassungen auf Verordnungsstufe. Die Anpassung des PBG und der Verordnung über die Personenbeförderung erwies sich als geeignetes Instrument, um die bestehenden Passagierrechte zu stärken.

Aufgrund der Rückmeldungen aus der Vernehmlassung hat der Bundesrat die Umsetzungsschwierigkeiten erkannt und verschiedene Alternativen geprüft. Untersucht wurden eine generelle Einschränkung der Passagierrechte auf den Eisenbahnverkehr, die Vereinheitlichung der Vorschriften für den Bahn- und den Busbereich sowie die Einführung von Ausnahmeregelungen für den Regional- und den Ortsverkehr. Mit der vorgeschlagenen Regelung, welche umfassend für das schweizerische öVSystem gilt, ist der Bundesrat überzeugt, eine kundengerechte, praktikable und angemessene Lösung zur Stärkung der Passagierrechte zu präsentieren.

Gemäss Botschaft zur Bahnreform 2 sollten die gesetzlichen Rahmenbedingungen für alle Unternehmen angeglichen werden.33 Deswegen sind die Verkehrsunternehmen
im PBG möglichst einheitlich zu behandeln. Aufgrund des unterschiedlichen Charakters von konzessioniertem Verkehr und bewilligtem grenzüberschreitenden Busverkehr sollen jedoch abweichende Bestimmungen auf Verordnungsebene eingeführt werden, die den Passagierbedürfnissen gerecht werden. Damit wird eine den EU-Vorschriften grundsätzlich entsprechende, jedoch auf die Schweizer Bedürfnisse angepasste Regelung geschaffen.

33

BBl 2005 2418, hier 2427 und 2467

8701

BBl 2016

1.4.5.4

Umsetzung der Passagierrechte in Verordnungen

Details der Umsetzung erfolgen auf Verordnungsstufe Die Einzelheiten bezüglich der Passagierrechte werden auf Verordnungsstufe geregelt. Im Vordergrund stehen die praktischen Bedürfnisse von Fahrgästen nach Unfällen, die Rechte von behinderten Menschen und von Personen mit eingeschränkter Mobilität, die Fortsetzung der Fahrt, die Weiterreise mit geänderter Streckenführung sowie die Fahrpreiserstattung und Hilfeleistung bei Annullierung oder Verzögerung der Abfahrt.

Artikel 8 Absatz 2 PBG ermöglicht dem Bundesrat, abweichende Bestimmungen für den internationalen Busverkehr zu erlassen. Der Bundesrat passt die VPB entsprechend an. Die Neuregelungen sollen gleichzeitig mit dem angepassten PBG in Kraft treten.

1.4.5.5

Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Sowohl die Transportunternehmen als auch das BAV erhalten durch die Umsetzung der Passagierrechte gewisse zusätzliche Aufgaben. Aufgrund der Vorschriften über die Beförderung von Personen mit eingeschränkter Mobilität oder einer Behinderung werden auch die grenzüberschreitend tätigen Busunternehmen dazu verpflichtet, ihre Dienstleistungen anzupassen. Dadurch entstehen bei diesen geringe Zusatzkosten und ein Mehraufwand.

1.4.6

Weitere Gesetzesanpassungen

Nebst der Stärkung der Passagierrechte beinhaltet diese Vorlage weitere Gesetzesanpassungen in Einzelbereichen. Folgende Verbesserungen und Bereinigungen aktueller Gesetzesartikel sollen mit der Organisation der Bahninfrastruktur umgesetzt werden: Bereich

Massnahmen

Gesetzesartikel

Klarstellung des Geltungsbereichs im Seilbahngesetz vom 23. Juni 200634 (SebG) Gegenstand und Geltungs- Anpassung Geltungsbereich bereich EBG Enteignung Präzisierung Entzug und Widerruf, Vereinheitlichung von Inhalt und Voraussetzungen Terminologie zwischen den Verkehrsträgern (im EBG bisher nur Widerruf)

Art. 3 BehiG

Geltungsbereich BehiG

34

SR 743.01

8702

Art. 1 Abs. 2 EBG Art. 3 Abs. 1 EBG Art. 8, 8b, 8f, 18y EBG Art. 17a SebG Art. 9 Abs. 3 PBG

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Bereich

Massnahmen

Gesetzesartikel

Öffentlichkeit

Information der Öffentlichkeit von Amtes wegen sowie Einschränkung der Geltung des Öffentlichkeitsgesetzes vom 17. Dezember 200435 (BGÖ)

Änderung einer Eisenbahnanlage Festlegung einer Baulinie Bauvorhaben in Umsteigeknoten

Zuständigkeit des BAV anpassen

Art. 14 EBG Art. 24d SebG Art. 11a TrG Art. 15a PBG Art. 15b BSG Art. 18 Abs. 1bis EBG

Kürzung der Abgeltung Gewinnverwendung

Genauigkeit der Pläne Regelung der Kostenaufteilung zwischen den beteiligten Gemeinwesen und Transportunternehmen Gründe für Kürzung ergänzen

Eisenbahnunternehmen

Möglichkeit, zweckgebundene Reserven aus Infrastrukturgewinn zu bilden Entbindung vom ärztlichen Berufsgeheimnis Ersatz des Begriffs «Forschungsaufträge» durch «Forschung» Regelung zur Finanzierung der Infrastrukturkosten Bewilligung durch das BAV von Seilbahnen und Nebenanlagen, die eine kantonale Bewilligung benötigen Verweis anpassen

Bedingt rückzahlbare Darlehen

Anpassung an Art. 51b Abs. 3 EBG gemäss FABI

Abklärung der Tauglichkeit Bahninfrastrukturfinanzierung Seilbahnfinanzierung Bewilligung von Seilbahnen und Nebenanlagen

35 36

Art. 18q Abs. 2 EBG Art. 35a EBG Art. 40 Abs. 1 Bst. a EBG Art. 52 EBG Art. 33a PBG Art. 67 EBG Art. 82a EBG Art. 2, 4 BIFG Art. 16 Abs. 2 SebG Art. 18a, SebG Art. 3 Abs. 2bis und 2ter SebG Art. 2 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 20. März 199836 über die Schweizerischen Bundesbahnen SBBG Art. 31 Abs. 4 PBG

SR 152.3 SR 742.31

8703

BBl 2016

Die im Folgenden dargestellten Neuerungen sind besonders hervorzuheben:

1.4.6.1

Öffentlichkeit

Information der Öffentlichkeit gewährleisten und sicherheitsrelevante Informationen klar regeln Einerseits soll die Pflicht zur Information der Öffentlichkeit durch die Aufsichtsbehörde auf Gesetzesstufe verankert werden.

Andererseits soll der Anwendungsbereich des BGÖ dort eingeschränkt werden, wo sich der öffentliche Zugang zu sicherheitsrelevanten Informationen nachteilig auf die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs auswirken könnte.

1.4.6.2

Enteignung

Rechtliche Grundlage den Organisationsstrukturen der Unternehmen anpassen Die Unternehmensstrukturen im Bereich der Eisenbahn sind nicht einheitlich: Neben den integrierten Bahnen gibt es Holdings mit Tochtergesellschaften. Denkbar sind eigenständige Ersteller-, Infrastruktur- oder Verkehrsunternehmen. Das Enteignungsrecht für Eisenbahnanlagen muss unabhängig von künftigen Strukturen und den Konzessionsverhältnissen weiterhin umfassend gewährleistet bleiben. Dies bedingt eine Anpassung von Artikel 3 EBG.

1.4.6.3

Finanzierungsregeln für Bauvorhaben in Bahnhöfen mit Umsteigebeziehungen präzisieren

Die Präzisierung der Regeln zur Zusammenarbeit in Bahnhöfen und Knoten ist geboten. Nötig wird dies aufgrund der Attraktivität des öV, der steigenden Passagierfrequenzen und der immer grösseren Zahl von Bahnhöfen, die von mehreren Transportunternehmen gemeinsam genutzt werden. Durch die Neuregelung werden konkrete Kriterien für das Vorgehen aufgestellt, beispielsweise für die Finanzierung der Planung oder beim anschliessenden Bau. Für den Kostenteiler werden klare Grundsätze (Territorialitätsprinzip, besondere Verhältnisse usw.) vorgegeben; die Absprache zwischen den Beteiligten hat jedoch weiterhin Vorrang. Die Gepflogenheit, Vereinbarungen abzuschliessen, wird neu zur Verpflichtung. Damit wird die Verantwortung für die Finanzierung inklusive der Abgrenzung zum BIF von Beginn weg klar geregelt.

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1.5

Geprüfte und verworfene Varianten

Ergebnisse der Vernehmlassung: Forderungen reichen von «nichts ändern» bis «Infrastruktur und Verkehr komplett trennen» Die Grundsatzfrage, ob die Schweiz in Zukunft ein integriertes Bahnsystem haben soll, wird in der Vernehmlassung kontrovers beurteilt. Mehrere Kantone, politische Parteien und die öV-nahen Kreise begrüssen die Beibehaltung der integrierten Bahn ausdrücklich und weisen auf die im internationalen Vergleich sehr guten Leistungen des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz hin. Demgegenüber würden mehrere bürgerliche Parteien, wirtschaftsnahe Organisationen und das Strassentransportgewerbe einem Holdingmodell oder gar einer Trennung von Infrastruktur und Verkehr den Vorzug geben, um mehr Wettbewerb zu schaffen und die Kosten spürbar zu senken. Auf weitgehende Ablehnung stösst die Einführung einer Abgabe, um die sicherheitstechnische Aufsicht durch das BAV zu finanzieren; dabei handle es sich, so die Argumentation, um eine allgemeine Staatsaufgabe.

Weitgehende, aber nicht vollständige Umsetzung der EOBI-Empfehlungen In ihrem am 2. Mai 2013 publizierten Schlussbericht37 gelangt die EOBI zum Schluss, dass bei der Organisation der Bahninfrastruktur in diversen Bereichen Handlungsbedarf besteht. Die Experten haben verschiedene Möglichkeiten und Lösungsvorschläge zur künftigen Organisation der Bahninfrastruktur erarbeitet. Der Bundesrat hat deren Vor- und Nachteile anschliessend analysiert.

Unter anderem hat die EOBI mehrere Varianten im Hinblick auf eine Stärkung der TVS geprüft und beschrieben. Die Ergebnisse sind in einem separaten Bericht festgehalten, der als Anhang 5 des Schlussberichts publiziert wurde. Im Wesentlichen folgt der Bundesrat den Empfehlungen der Expertengruppe, da weitgehende Einigkeit über die Aufgaben sowie die Ausgestaltung der TVS als unabhängige Anstalt des Bundes besteht.

Die Expertengruppe äusserte sich auch zur Systemführerschaft und empfahl, alle relevanten, infrastrukturnahen Systemführerschaften durch das BAV zu bezeichnen, klar zu regeln, die Prozesse zu definieren und dafür Aufträge zu erteilen. Die EOBI hat im Rahmen der Analyse der SKE (neu RailCom) verschiedene Varianten für eine Regulierungsbehörde aufgezeigt. Einen separaten Bericht dazu hat sie als Anhang 4 des Schlussberichts veröffentlicht. Das in dieser Vorlage vorgeschlagene Modell hat sich als
zweckmässig erwiesen. Im Wesentlichen wird den Empfehlungen der EOBI gefolgt, da weitgehende Einigkeit über die Stärkung und die Aufgaben der RailCom besteht.

Nicht in die Kompetenz der RailCom sollen verschiedene Prüfungsaufgaben fallen.

So soll die Kommission weder die Nutzungsbedingungen für das Schienennetz (Network Statements) noch die Rahmenvereinbarungen für Trassen (Framework Agreements) vor deren Erlass beziehungsweise Abschluss prüfen. Mit einer formellen oder auch nur informellen Prüfung würde die RailCom ihr Einverständnis mit 37

Der Schlussbericht der Expertengruppe Organisation Bahninfrastruktur kann beim Bundesamt für Verkehr (BAV) abgerufen werden unter www.bav.admin.ch > Themen > Bahnreform > Weitere Schritte der Bahnreform.

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diesen Instrumenten zum Ausdruck bringen. Die Möglichkeit, später als richterliche Instanz mit der gebotenen Unabhängigkeit über die diskriminierungsfreie Anwendung dieser Instrumente zu befinden, wäre nicht mehr gegeben.

Die EOBI hat sich zudem mit diversen Unternehmensmodellen und der Frage der Trennung von Infrastruktur und Verkehr auseinandergesetzt. Die vertikale Trennung birgt nach Meinung der EOBI viele Risiken. Die EOBI sieht in der integrierten Führung von Verkehr und Infrastruktur Vorteile für das hochgradig vernetzte und stark ausgelastete Bahnsystem der Schweiz. Deshalb erachtet sie ein Holdingmodell als Chance, die funktional integriert geführten Unternehmen als tragende Säulen des Schweizer Bahnsystems aufrechtzuerhalten. Sie erachtet die Überführung von SBB und BLS in eine Holdingstruktur als strategisch wichtigen Schritt für die weitere Entwicklung. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass sich das Ziel, die Diskriminierungspotenziale zu senken, im aktuellen Wettbewerbsumfeld mit weniger weitgehenden Massnahmen erreichen lässt. Er schlägt deshalb ein verstärktes Mitwirkungsrecht der EVU anstelle eines Holdingmodells vor.

Die Vorlage beruht somit in weiten Teilen auf den Grundlagen der EOBI. Die geprüften und verworfenen Varianten sind im Schlussbericht der EOBI ausführlich dargelegt und begründet. Zusätzliche Varianten wurden in der Erarbeitung der Vorlage aufgrund der Ausführlichkeit des Schlussberichts und dessen Anhängen nicht geprüft.

Ausnahmeregelung bei Passagierrechten im Regional- und Ortsverkehr Für die Einführung erweiterter Passagierrechte im Eisenbahnverkehr wurden ebenfalls unterschiedliche Varianten geprüft, insbesondere was die Ausnahmeregelung für den Regional- und den Ortsverkehr betrifft.

1.6

Vergleich mit dem europäischen Recht

1.6.1

Grundlegendes zur EU-Kompatibilität

Rechtliche Harmonisierung mit der EU stärkt das Transitland Schweiz Die Schweiz ist aufgrund ihrer Lage und ihrer Schieneninfrastruktur ein wichtiger Teil des europäischen Eisenbahnnetzes. Um die schweizerische Verkehrspolitik umsetzen zu können, braucht es neben einem qualitativ hochstehenden Eisenbahnnetz eine enge Zusammenarbeit mit den europäischen Nachbarstaaten. Als wichtiges Transitland im internationalen Güter- und Personenverkehr arbeitet die Schweiz aktiv bei der Ausgestaltung des europäischen Schienennetzes mit.

Vor diesem Hintergrund liegt es im Interesse der Schweiz, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen im Landverkehr in der Schweiz und der EU weitgehend gleichwertig sind.

Äquivalenz mit EU-Recht sicherstellen Gemäss Artikel 52 Absatz 6 LVA wendet die Schweiz das Prinzip der gleichwertigen Rechtsvorschriften (Äquivalenz) an. Sie verabschiedet ihre eigenen Rechtsvor-

8706

BBl 2016

schriften aufgrund der Entwicklung des Rechts der EU. Die gleichwertigen Rechtsvorschriften sind im Anhang 1 des LVA aufgeführt.

1.6.2

Erstes EU-Eisenbahnpaket und «Recast»

Der sogenannte «Recast» (Richtlinie 2012/34/EU)38 ist eine Neufassung der Richtlinie 91/440/EWG39, der Richtlinie 95/18/EG40 sowie der Richtlinie 2001/14/EG bzw.

des ersten EU-Eisenbahnpakets41, welches u.a. diese Richtlinien abänderte.

Trassenvergabe soll unabhängig sein Für die Trassenvergabe massgebendes EU-Recht ist die Richtlinie 2012/34/EU, die noch nicht in den Anhang des LVA integriert wurde. In Artikel 38 dieser Richtlinie ist vorgesehen, dass der sogenannte «Infrastrukturbetreiber» die Zuweisung der Fahrwegkapazität vornimmt, wenn er rechtlich, organisatorisch oder in seinen Entscheidungen vom Eisenbahnunternehmen unabhängig ist. Ist dies nicht der Fall, so wird die Trassenvergabe gemäss Artikel 7 Absatz 2 von einer entgelterhebenden Stelle und einer Zuweisungsstelle wahrgenommen, die rechtlich, organisatorisch und in ihren Entscheidungen von Eisenbahnunternehmen unabhängig sind.

Gemäss Richtlinie 2012/34/EU müssen Entscheidungen über die Trassenzuweisung durch eine unabhängige Stelle vorgenommen werden. Dazu gehören auch die Bestimmung und Beurteilung der Verfügbarkeit und Zuweisung von einzelnen Trassen sowie die Einkassierung der Entgelte für die Trassenbenützung. Die als unabhängige Anstalt des Bundes organisierte TVS entspricht den Unabhängigkeitsansprüchen der EU. Ihr wird zudem das Inkasso der Trassenpreise übertragen.

Weiter ist im EU-Recht vorgesehen, dass Entscheidungen über die Trassenpreise von einer unabhängigen Stelle getroffen werden. Diese Voraussetzung ist bereits erfüllt. Bereits jetzt legt der Bundesrat in der Eisenbahn-Netzzugangsverordnung die Grundsätze der Trassenpreise fest. Gestützt darauf gestaltet das BAV die Preise für das Schweizer Schienennetz.

Organisation der Bahninfrastruktur muss Unabhängigkeit in wesentlichen Funktionen gewährleisten Im bestehenden europäischen Recht sind integrierte Bahnunternehmen zugelassen.

Die Richtlinie 2012/34/EU schreibt den europäischen EVU nicht vor, welches Governance-Modell zu wählen ist. Vielmehr muss die Unabhängigkeit bei wesentlichen Funktionen der ISB sowie bei den Trassenpreisen und der Trassenvergabe 38

39 40 41

Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (Neufassung), ABl. L 343 vom 14.12.2012, S. 32.

Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft, ABl. L 237 vom 24.8.1991 S. 25.

Richtlinie 95/18/EG des Rates vom 19. Juni 1995 über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen, ABl. L 143 vom 27.6.1995, S. 70.

Das erste EU-Eisenbahnpaket umfasst die Richtlinien 2001/12/EG, 2001/13/EG und 2001/14/EG und wurde am 15. März 2001 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

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erfüllt sein. Getrennte Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzen müssen für die Verkehrsleistungen und den Betrieb der Eisenbahninfrastruktur ausgewiesen werden. Dabei dürfen keine öffentlichen Gelder, die einem dieser Bereiche zufliessen, auf den anderen übertragen werden.

Die Schweiz hat mit der Bahnreform 1 die rechnerische und organisatorische Trennung von Infrastruktur und Verkehr eingeführt. Mit einer unabhängigen Trassenvergabe und einer gestärkten Schiedskommission findet eine Anpassung des schweizerischen Rechts an das geltende EU-Recht statt. Im Rahmen des Vorschlags für ein viertes Eisenbahnpaket42 will die EU strengere Unabhängigkeitsvorschriften («Chinesische Mauern») für integrierte EVU definieren. ISB müssten organisatorisch und in ihren Entscheiden von EVU unabhängig sein (vgl. Ziff. 5.2).

Unabhängige Regulierungsstelle überwacht diskriminierungsfreien Netzzugang Jeder Mitgliedstaat muss gemäss EU-Vorschriften für den Eisenbahnsektor eine einzige nationale Regulierungsstelle einrichten. Mit der Richtlinie 2012/34/EU wird die Regulierungsbehörde in ihrer Rolle und Unabhängigkeit gestärkt, um einen diskriminierungsfreien Zugang zu Eisenbahnverkehrsleistungen und eine reibungslose Erbringung zu gewährleisten. So soll die Regulierungsbehörde auch die Befugnis haben, Sanktionen zu verhängen und Prüfungen anzuordnen. Zudem soll die Zusammenarbeit zwischen diesen Stellen in länderübergreifenden Fragen gestärkt werden. Ferner wurde die Zuständigkeit der Regulierungsstelle auf die wesentlichen Einrichtungen (Essential Facilities) ausgeweitet. Im Eisenbahnbereich entspricht dies derjenigen Infrastruktur, die in Artikel 62 Absatz 1 EBG umschrieben ist.

In der Richtlinie 2012/34/EU wird die Bedeutung der Unabhängigkeit der Regulierungsstelle noch stärker betont als bisher. Nebst den heutigen Aufgaben soll die Regulierungsstelle auch die Aufsicht über den Wettbewerb wahrnehmen. Sie soll aktiv die Gewährung des Netzzugangs, die Regelung des Entgelts etc. auf ihre Diskriminierungsfreiheit prüfen und auch das Recht erhalten, Sanktionen (z.B.

Bussen) auszusprechen. Sie wird berechtigt, bei den ISB und Netzbenutzern alle Dokumente und Auskünfte einzufordern, die für ihre Untersuchung notwendig sind.

Als Regulierungsstelle soll sie keiner Kontrolle durch eine andere Verwaltungsinstanz mehr
unterliegen, aber enger mit der nationalen Sicherheits- und Genehmigungsbehörde zusammenarbeiten. Die Regulierungsbehörde soll die Netzbenutzer regelmässig konsultieren, um deren Meinung über den Eisenbahnmarkt zu kennen.

Weiter soll sie ihre Entscheide veröffentlichen.

42

Der Vorschlag für ein viertes Eisenbahnpaket umfasst die Vorschläge COM (2013) 26, COM (2013) 27/2, COM (2013) 28/2, COM (2013) 29/2, COM (2013) 30 und COM (2013) 31 und wurde am 30. Januar 2013 veröffentlicht.

8708

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1.6.3

Zweites und drittes EU-Eisenbahnpaket sowie Passagierrechte im internationalen Busverkehr

Zweites Eisenbahnpaket: Bestimmungen zu Interoperabilität und Sicherheit bereits grösstenteils umgesetzt Im Jahr 2004 hat die EU das zweite Eisenbahnpaket verabschiedet. Die Bestimmungen zu Interoperabilität und Sicherheit wurden mit dem zweiten Schritt der Bahnreform 2 bereits zu einem grossen Teil ins schweizerische Recht integriert.

Mit dem zweiten Eisenbahnpaket hat die EU zudem die Europäische Eisenbahnagentur (ERA) geschaffen (Verordnung (EG) Nr. 881/200443). Am 25. Mai 2015 hat der Bundesrat ein Mandat zur Aufnahme von Verhandlungen über eine Teilnahme der Schweiz an der ERA verabschiedet. Mit einem Beitritt zur ERA könnte die Schweiz ihre Interessen in das Gesetzgebungsverfahren zur Regulierung des europäischen Eisenbahnwesens einbringen. Zudem würde die Zulassung der Fahrzeuge der schweizerischen Rollmaterialhersteller einfacher und kostengünstiger.

Passagierrechte sind Bestandteil des dritten Eisenbahnpakets Dem 2007 beschlossenen dritten Eisenbahnpaket gehört unter anderem die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr an. Vergleichbare Vorschriften hat die EU am 16. Februar 2011 mit der Verordnung (EU) Nr. 181/2011 für den Kraftomnibusverkehr beschlossen. Mit der Einführung erweiterter Passagierrechte im Rahmen dieser Vorlage will der Bundesrat die schweizerischen Bestimmungen an diejenigen der EU anpassen. Dies erleichtert und vereinheitlicht den grenzüberschreitenden Personenverkehr auf der Schiene und der Strasse. Für den Streckenabschnitt ausserhalb der Schweiz sind Transportunternehmen aufgrund von COTIF/CIV und EU-Verordnungen bereits heute dazu verpflichtet, gewisse internationale Vorschriften einzuhalten. Bei der Angleichung des schweizerischen Rechts an die EU-Vorschriften im Busverkehr werden nur die internationalen Regelungen einbezogen; die Vorschriften der Verordnung (EU) Nr.

181/2011, welche die nationalen Linienverkehre sowie Gelegenheitsverkehre betreffen, werden nicht berücksichtigt. Diese Einschränkung auf den internationalen Verkehr ist bei der Übernahme von EU-Vorschriften aufgrund des Geltungsbereichs des LVA zulässig. Gemäss Artikel 2 Absatz 1 LVA gilt «[dieses] Abkommen [...]

für den bilateralen Güter- und Personenverkehr auf der Strasse zwischen den Vertragsparteien, für den Transit durch das Gebiet der Vertragsparteien [...] sowie für den Güter- und Personenverkehr im Dreiländerverkehr und die grosse Kabotage für die Schweiz».

43

Verordnung (EG) NR. 881/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Errichtung einer Europäischen Eisenbahnagentur (Agenturverordnung), ABl. L 164 vom 30.4.2004, S. 1.

8709

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EU hat weitere Öffnung des Schienenmarktes vorgesehen Weiter beinhalten das zweite und das dritte Eisenbahnpaket Rechtsvorschriften zur Öffnung des Schienenmarktes. Die Richtlinie 2004/51/EG44 des zweiten Eisenbahnpakets liberalisiert den Schienengüterverkehr komplett, inklusive nationale Kabotage. Aufgrund der Richtlinie 2007/58/EG45 des dritten Eisenbahnpakets können ausländische EVU grenzüberschreitenden Personenverkehr auf der Schiene inklusive nationale Kabotage anbieten, wenn der Hauptzweck des Verkehrsangebots grenzüberschreitend ist. Die Bestimmungen zur Liberalisierung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs auf der Schiene finden sich ebenso in der Richtlinie 2012/34/EU. Die Übernahme der Richtlinien 2004/51/EG und 2007/58/EG ist nicht Gegenstand dieser Vorlage. Die Schweiz hat sich bisher nicht zu einer weitergehenden Marktöffnung im Schienenverkehr geäussert.

Die Bestimmungen der Richtlinie 2007/59/EG46 des dritten Eisenbahnpakets über die Zertifizierung von Triebfahrzeugführern wurden hingegen bereits ins schweizerische Recht integriert.

1.6.4

Viertes EU-Eisenbahnpaket

EU-Kommission legte 2013 mit dem vierten Eisenbahnpaket weitgehende Massnahmen für einen einheitlichen europäischen Eisenbahnraum vor Am 30. Januar 2013 legte die Europäische Kommission das vierte Eisenbahnpaket vor. Ziel ist es, noch bestehende Hindernisse auszuräumen, die der Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums im Wege stehen. Die EU-Kommission sieht mit dem vierten Eisenbahnpaket weitreichende Massnahmen vor, um die Innovationsbereitschaft der europäischen Eisenbahnen zu fördern. So will die Kommission die Märkte für den inländischen Personenverkehr in der EU für den Wettbewerb öffnen und substanzielle technische und strukturelle Reformen verwirklichen. Das vierte Eisenbahnpaket besteht aus einem «technischen Pfeiler» und einem «Marktpfeiler» (politischer Teil). Letzterer enthält vor allem politisch umstrittene Regelungen zur Marktöffnung und zur Organisation der Bahninfrastruktur.

Der technische Teil mit vereinfachten, EU-weiten Verfahren ist seit Juni 2016 in Kraft Das Europäische Parlament veränderte den Entwurf der EU-Kommission substanziell. Auch der Europäische Rat legte im Oktober 2015 einen Gegenvorschlag vor.

44

45

46

Richtlinie 2004/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG des Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft, ABl. L 164 vom 30.4.2004, S. 164.

Richtlinie 2007/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG des Rates zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft sowie der Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur, ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 44.

Richtlinie 2007/59/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Zertifizierung von Triebfahrzeugführern, die Lokomotiven und Züge im Eisenbahnsystem in der Gemeinschaft führen, ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 51.

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Das Europäische Parlament stimmte dem technischen Teil des vierten Eisenbahnpakets am 28. April 2016 zu, ebenso der Europäische Rat. Im Zentrum dieses Teils stehen die Interoperabilität des Eisenbahnsystems in der EU, die Sicherheit der Eisenbahn und die Aufgaben der europäischen Eisenbahnagentur. Der «technische Pfeiler» sieht eine Straffung der Vielzahl nationaler Vorschriften vor und soll dazu dienen, die Verfahren für Hersteller und Eisenbahnunternehmen zu vereinfachen.

Unternehmen sollen keine mehrfachen Anträge mehr stellen müssen, wenn sie grenzüberschreitende Verkehrsdienste aufnehmen wollen. Die neuen Bestimmungen umfassen auch einheitliche Zulassungsverfahren für Schienenfahrzeuge in Europa.

Die drei zugehörigen Richtlinien wurden am 26. Mai 2016 publiziert und traten im Juni 2016 in Kraft. Daran schliesst sich eine dreijährige Einführungsfrist für die Mitgliedsstaaten der EU an.

Der politische Teil zur Marktöffnung und Governance ist noch nicht bereinigt, aber weitere Schritte zur Marktöffnung sind absehbar Am 19. April 2016 erzielten Vertreter des Europäischen Parlaments und des Ministerrats eine grundsätzliche Einigung über den politischen Teil des vierten Eisenbahnpakets. Im Zentrum dieses Teils stehen die neuen Bestimmungen zur Liberalisierung des Personenverkehrs auf der Schiene in den EU-Mitgliedstaaten. Ab 2020 sollen alle Eisenbahnunternehmen in der EU das Recht erhalten, kommerzielle Dienstleistungen im Schienenverkehr in der gesamten EU anbieten zu können. Das Paket umfasst auch Regelungen zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge.

Ab 2023 soll die zuständige Behörde solche Aufträge durch öffentliche Ausschreibungen vergeben, die allen Eisenbahnunternehmen in der EU offenstehen. Direktvergaben sollen aber unter bestimmten Bedingungen möglich bleiben. So sollen die Behörden den grösstmöglichen Ertrag aus öffentlichen Mitteln erzielen können.

Zugleich soll für die Bürgerinnen und Bürger ein optimaler Umfang an öffentlichen Verkehrsdienstleistungen aufrechterhalten werden. Zudem sollen die neuen Bestimmungen die Unparteilichkeit der ISB absichern. Neue Marktteilnehmer, die Zugang zum Netz beantragen, sollen ohne Diskriminierung behandelt werden. Des Weiteren sind Vorschriften zur finanziellen Transparenz vorgesehen. Es soll verhindert werden, dass zwischen staatlich
finanzierten ISB und im freien Markt miteinander konkurrierenden EVU wettbewerbsverzerrende Quersubventionen fliessen. Die genaue Ausgestaltung der Regelungen ist noch offen; ein Beschluss über diesen umstritteneren Teil zur Marktöffnung ist noch nicht erfolgt.

1.6.5

Fazit EU-Kompatibilität

Vorgeschlagene Neuregelungen äquivalent zu Bestimmungen der EU, ausser bei Marktöffnung Die Vorschläge des Bundesrates zur Organisation der Bahninfrastruktur gehen in die gleiche Richtung wie die Vorschriften, die für die EU-Mitgliedsstaaten bereits in Kraft sind. Die Vorlage entspricht den Bestimmungen des ersten Eisenbahnpakets sowie den Bestimmungen der Richtlinie 2012/34/EU, ausser in Bezug auf die Vorgaben zur Öffnung des grenzüberschreitenden Verkehrs auf der Schiene. Die Rechte der Passagiere in der EU sind durch die beiden EU-Verordnungen heute weitgehend 8711

BBl 2016

geschützt. Mit der Erweiterung der Passagierrechte erhalten Fahrgäste in der Schweiz gleichwertige Rechte.

Die mit OBI vorgeschlagenen rechtlichen Anpassungen bilden die Basis für die Übernahme der ersten drei Eisenbahnpakete und des Recasts. Dieser Schritt ermöglicht eine spätere Weiterentwicklung des schweizerischen Eisenbahnsystems. Nach der Verabschiedung der vorliegenden Gesetzesanpassungen könnten folgende EURechtsakte neu in den Anhang 1 des LVA übernommen werden: ­

Verordnung (EG) Nr. 1371/2007,

­

Verordnung (EU) Nr. 181/2011.

1.7

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit dieser Vorlage werden die Forderungen des nachstehenden parlamentarischen Vorstosses erfüllt: 2008

P

08.3763

Bahnlandschaft Schweiz: Konsolidierung durch die SBB (N 17.11.08, Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates)

Der Bundesrat beantragt daher, diesen parlamentarischen Vorstoss als erfüllt abzuschreiben.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

2.1

Behindertengleichstellungsgesetz vom 13. Dezember 200247

Art. 3

Geltungsbereich

Gemäss Artikel 9 Absatz 4 SebG findet das BehiG Anwendung auf den Bau von Seilbahnen mit Bundeskonzession.

Gemäss Artikel 3 Buchstabe b Ziffer 3 BehiG findet das Gesetz auf öffentlich zugängliche Einrichtungen des öffentlichen Verkehrs und Fahrzeuge Anwendung, die dem PBG unterstehen. Ausgenommen sind gemäss Ziffer 7 die Skilifte sowie Sesselbahnen und Gondelbahnen mit weniger als neun Plätzen pro Transporteinheit.

Zwischen den beiden Regelungen besteht insoweit ein Widerspruch, als Sesselbahnen und Gondelbahnen mit weniger als neun Plätzen pro Transporteinheit eine Konzession des Bundes benötigen, wenn sie mehr als acht Personen je Fahrtrichtung transportieren dürfen.

Nach Sinn und Zweck des BehiG sollen nur diejenigen Seilbahnen vom Geltungsbereich ausgenommen werden, die sich aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine behindertengerechte Ausgestaltung eignen. Dazu gehören alle Skilifte und Sessel47

SR 151.3

8712

BBl 2016

bahnen sowie alle Gondelbahnen, deren Gondeln zu klein sind, um einen Rollstuhl aufzunehmen. Folglich ist hier die Grösse der einzelnen Gondel und nicht die Kapazität pro Fahrtrichtung massgebend.

Mit der vorliegenden Revision soll deshalb klargestellt werden, dass das BehiG auf alle Luft- und Standseilbahnen Anwendung findet. Ausgenommen sind alle Skilifte und Luftseilbahnen mit weniger als neun Plätzen pro Transporteinheit. Auf Standseilbahnen findet des BehiG unabhängig von ihrer Grösse Anwendung.

Die Aufhebung von Buchstabe b Ziffer 2 bezweckt keine inhaltliche Änderung.

Einrichtungen der SBB unterstehen wie diejenigen anderer Bahnunternehmen dann dem BehiG, wenn sie dem EBG oder dem PBG unterstehen.

Der Verweis auf das PBG wird durch den Verweis auf das SebG nicht entbehrlich, da das PBG auch den Busverkehr regelt.

2.2

Verwaltungsgerichtsgesetz vom 17. Juni 200548

Art. 33 Bst. b Ziff. 7 Die Abberufung eines Verwaltungsratsmitglieds und die Genehmigung der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der Geschäftsführerin oder dem Geschäftsführer durch den Bundesrat müssen aufgrund der Rechtsweggarantie von eidgenössischen Instanzen für die Verwaltungsrechtspflege gerichtlich überprüft werden können.

Dazu muss Artikel 33 Buchstabe b VGG ergänzt werden, jedenfalls solange diese Norm noch einzelne Fälle aufzählt und nicht mit einer Generalklausel alle Anstalten erfasst.

2.3

Eisenbahngesetz vom 20. Dezember 195749

Art. 1 Abs. 2 Dem Geltungsbereich des EBG unterstehen auch Anlagen, auf denen keine Personen oder Güter befördert werden, die aber zur Durchführung solcher Beförderungen erforderlich sind. Zu nennen sind hier insbesondere Betriebsgelände oder Anlagen zur Instandhaltung von Eisenbahnen. Die Öffnung für den Netzzugang ist die Rechtsfolge des Umstands, dass es sich um eine konzessionsbedürftige Eisenbahninfrastruktur handelt. Sie ist damit kein geeignetes Kriterium zur Abgrenzung des Geltungsbereichs. Absatz 2 wird in diesem Sinn angepasst.

Art. 3 Abs. 1 Das Enteignungsrecht muss für Eisenbahnen umfassend zur Verfügung stehen. Das bedeutet nicht, dass immer enteignet werden muss und kann. Enteignungen sind 48 49

SR 173.32 SR 742.101

8713

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heute selten nötig; sie finden nur subsidiär Anwendung. Die Beschränkung des geltenden Rechts auf konzessionierte Eisenbahnen im öffentlichen Interesse ist aber zu eng; die gewählte Formulierung trägt dem Rechnung. Sie ist zudem auf die Umschreibung in Artikel 18 (Plangenehmigungsverfahren) abgestimmt.

Art. 8

Entzug, Widerruf und Erlöschen der Konzession

Die Begriffe «Entzug» und «Widerruf» sollen neu einheitlich verwendet werden.

Wie in Artikel 9 Absätze 3­5 PBG, wo die Differenzierung bereits vorgenommen wurde, handelt es sich beim Entzug um eine Rechtsfolge rechtswidrigen Handelns; der Entzug ist daher entschädigungslos zulässig. Der Widerruf hingegen erfolgt aufgrund eines überwiegenden öffentlichen Interesses trotz rechtmässigen Handelns des Konzessionsinhabers, weshalb der Widerruf eine Entschädigungspflicht auslöst.

Gleichzeitig wird klargestellt, dass der Entzug einer Konzession auch dann zulässig ist, wenn der Inhaber die Voraussetzungen für die Erteilung nicht mehr erfüllt.

Art. 8b

Entzug der Sicherheitsgenehmigung

Im Sinne einer einheitlichen Terminologie (vgl. Erläuterungen zu Art. 8) handelt es sich hier um die Regelung eines Entzugs.

Art. 8f

Entzug der Netzzugangsbewilligung und der Sicherheitsbescheinigung

Im Sinne einer einheitlichen Terminologie (vgl. Erläuterungen zu Art. 8) handelt es sich hier um die Regelung eines Entzugs.

Art. 9b Abs. 5 Wettbewerb auf der Schiene kann auch darin bestehen, dass ein am Verkehr interessierter Dritter (Verlader, Spediteur, Logistiker usw.) Trassen bestellt und dann diesen Verkehr ausschreibt. Die SKE musste sich bereits mit solchen Fällen befassen. Zu Problemen kommt es, wenn mehrere Unternehmen, die sich für ein und denselben Verkehr bewerben wollen, dieselben Trassen bestellen (sogenannte Mehrfachbestellungen). Nach den geltenden Regeln kann dies zu einem virtuellen Trassenkonflikt führen, der in Realität gar keiner ist, weil die fraglichen Trassen für den ausgeschriebenen Verkehr nur von einem Unternehmen gefahren werden. Durch Ergänzung von Absatz 5 soll das BAV die Kompetenz erhalten, entsprechende Regeln für das Vorgehen bei Mehrfachbestellungen aufzustellen. Diese können in einer Sperrfrist oder ähnlichen Instrumenten bestehen. Für die Gesetzesebene wäre eine solche Regelung zu detailliert, mit der NZV-BAV hat das Amt ein geeignetes Instrumentarium zur Hand, diese sachgerecht zu treffen.

Art. 9c

Trassenpreis

Die Bestimmung zum Trassenpreis wird mit der Totalrevision des GüTG verschoben (neu Art. 9c statt 9b); sie trägt den Randtitel «Recht auf Entgelt». Inhaltlich wird die Bestimmung beibehalten, sprachlich jedoch in verschiedenen Punkten angepasst.

8714

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Der neue Titel «Trassenpreis» entspricht dem Umstand, dass es um die umfassende Regelung des Entgelts geht, das die ISB für die Benützung ihres Fahrwegs von den EVU erheben dürfen.

Art. 9d

Rechtsform und -persönlichkeit

Die Trassenvergabe erfolgt heute durch die Trasse Schweiz AG im Auftrag der ISB.

Neu erhält die TVS einen direkten gesetzlichen Auftrag. Als selbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts gehört die neue TVS zur dezentralen Bundesverwaltung wie beispielsweise das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum oder Swissmedic.

Sie ist sowohl in der Organisation als auch in der Betriebsführung unabhängig. Sie kann Rechte und Pflichten begründen (z.B. Eigentum erwerben oder sich vertraglich gegenüber Dritten verpflichten). Die TVS führt eine eigene Rechnung. Diese soll in die konsolidierte Rechnung des Bundes einbezogen werden (vgl. Art. 55 Abs. 1 Bst. c des Finanzhaushaltgesetzes vom 7. Oktober 200550 [FHG]). Dies gewährleistet eine möglichst umfassende Übersicht über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Bundes.

Der Sitz der Anstalt (Bern) wird direkt im Gesetz festgelegt, wie es etwa das Finanzmarktaufsichtsgesetz vom 22. Juni 200751 (FINMAG) vorsieht.

Wesentlich für die TVS ist die Unabhängigkeit ihres Verwaltungsrates. Das Gesetz stellt dazu Mindestanforderungen auf (Abs. 2; vgl. Ziff. 1.4.1.2).

Die TVS wird nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt. Damit wird sichergestellt, dass die Mittel sparsam eingesetzt werden und Kosten und Nutzen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen (Abs. 3). Die TVS kann zur Deckung ihres Aufwands Gebühren erheben (vgl. Art. 9o Abs. 1 Bst. a).

Art. 9e

Ziele

Diese Bestimmung nennt die Ziele und damit Sinn und Zweck der neuen Anstalt. Im Zentrum stehen der diskriminierungsfreie Netzzugang und die optimale Nutzung der knappen Schienenkapazitäten.

Art. 9f

Aufgaben und Zuständigkeiten

Der bisherige privatrechtliche Auftrag an die TVS wird durch einen gesetzlichen abgelöst; das Gesetz nennt abschliessend die Aufgaben der TVS (Abs. 1). Erwähnenswert ist die neue Aufgabe gemäss Absatz 1 Buchstabe d: Nach geltendem Recht (Art. 15f EBV) führt das BAV ein Register mit den erforderlichen Informationen für das Befahren der Infrastruktur. Es entspricht den Anforderungen des massgeblichen Durchführungsbeschlusses der EU (Infrastrukturregister52). Diese Bestimmung stützt sich auf Artikel 23l EBG (Datenbearbeitung). Neu soll dieses Register durch die TVS geführt werden (vgl. Erläuterungen zu Art. 9u).

50 51 52

SR 611.0 SR 956.1 Derzeit Durchführungsbeschluss 2014/880/EU der Kommission vom 26. November 2014 zu gemeinsamen Spezifikationen für das Eisenbahn-Infrastrukturregister und zur Aufhebung des Durchführungsbeschlusses 2011/633/EU der Kommission.

8715

BBl 2016

Für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben muss die TVS gewisse Rechte gegenüber den Eisenbahnunternehmen haben. Absatz 2 schafft die Rechtsgrundlage für deren Durchsetzung. Um ihren gesetzlichen Auftrag und ihre Aufgaben erfüllen zu können, braucht die TVS insbesondere Einsicht in sämtliche relevanten Unterlagen.

Ebenso kann sie Auskünfte einholen, sei es bei EVU oder ISB. Im Unterschied zur RailCom (vgl. Art. 40aquater Abs. 2 EBG) ist für die TVS jedoch keine Vorschrift erforderlich, die auch die Amtsstellen des Bundes und der Kantone über deren normale Mitwirkungspflichten hinaus verpflichten würde, der TVS Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Es rechtfertigt sich nicht, diese Pflicht auf Drittbesteller von Trassen im Sinn von Artikel 9a Absatz 4 auszudehnen: Zum einen sind diese regelmässig weder Teil des Eisenbahnmarktes noch in diesem Bereich sachkundig. Sie sind lediglich «interessiert an der Durchführung des Eisenbahnverkehrs». Zum anderen werden diese in ihrem eigenen Interesse, die fraglichen Trassen zugeteilt zu erhalten, alle zu diesem Zweck notwendigen Informationen liefern, da sie andernfalls die Folgen selber zu tragen hätten. Hingegen können Trassenbestellungen durch Dritte tatsächlich zu mindestens virtuellen Konflikten führen, weshalb Artikel 9b Absatz 5 ergänzt wird (Erläuterung siehe dort).

Die TVS soll weiterhin eine möglichst schlanke und effiziente Organisationseinheit bilden. Die Erarbeitung des Fahrplans ist jedoch ein aufwendiger und iterativer Prozess. Für die Erfüllung dieser Aufgabe soll die TVS deshalb Dritte, namentlich Infrastrukturbetreiberinnen, beiziehen können. Das Gesetz behält diese Möglichkeit ausdrücklich vor (Abs. 3). Diese Aufgabenerfüllung steht nicht im Widerspruch zu den Vorgaben der EU zur Fahrplanerstellung.

Die Grundsätze des Einbezugs regelt der Bundesrat auf Verordnungsstufe (vgl.

Erläuterungen zu Art. 9v). Es liegt nahe, dass hier ­ wie bisher ­ vor allem die Division Infrastruktur der SBB in Betracht kommt. Dabei steht die Erstellung des Fahrplans im Vordergrund. Die TVS bleibt jedoch in jedem Fall verantwortlich für die von Dritten ausgeführten Aufgaben. Wie jedes Auftragsverhältnis kann auch dieser Auftrag jederzeit gekündigt werden; die massgebliche Bestimmung des OR (Art. 404 OR) stellt zwingendes Recht dar. Es erübrigt sich daher, an dieser Stelle
die Kündigungsmöglichkeit zu regeln. Die TVS kann auf das beauftragte Unternehmen Einfluss nehmen, sollten die Aufträge nicht im Sinne des Gesetzes umgesetzt werden.

Zudem enthält Absatz 4 zwei Besonderheiten: Einerseits wird festgelegt, dass der Beizug Dritter für solche Aufgaben keinen Auftrag im Sinne des öffentlichen Beschaffungsrechts darstellt, da hier regelmässig nur ein einziger Anbieter in Betracht kommen wird. Andererseits soll dieser Beizug nicht mittels Beschwerde angefochten werden können, denn er eignet sich von seiner Natur her nicht für ein Justizverfahren. Beschwerte Dritte im eigentlichen Sinn kann es hier auch nicht geben, denn die Beauftragten handeln für die TVS mit den gleichen Rechten und insbesondere Pflichten. Sollte es in diesem Rahmen zu Diskriminierungen kommen, so können Beschwerte an die RailCom gelangen, nicht aber beim Beizug an sich. Im Verfahren vor der RailCom wird sich die TVS das Handeln der Beauftragten als ihr eigenes anrechnen lassen müssen. Dies ist Gewähr genug, dass sie im Rahmen des Vertragsmanagements auf korrekte Aufgabenerfüllung durch die Beauftragten hinwirken wird.

8716

BBl 2016

Grundsätzlich ist die TVS für das gesamte Eisenbahnnetz zuständig. Der Bundesrat kann jedoch bestimmen, für welche Strecken die TVS nicht zuständig sein soll (Abs. 5). Damit kann er gemäss den Empfehlungen der EOBI die Zuständigkeit auf Normalspurnetze beschränken und bei Bedarf einzelne nicht interoperable Normalspurstrecken vom Zuständigkeitsbereich ausnehmen.

Art. 9h

Verwaltungsrat: Zusammensetzung, Wahl und Organisation

Der Verwaltungsrat ist für die strategische Führung der TVS verantwortlich; das Tagesgeschäft ist Sache der Geschäftsleitung. Mit der Grösse von fünf bis sieben Mitgliedern ist gewährleistet, dass er seine Geschäfte effizient bearbeiten kann. Die Absätze 1 bis 5 umschreiben die Grundsätze und die Zuständigkeiten des Bundesrates bezüglich Wahl und Abberufung des Verwaltungsrates. Mit Ausnahme von Artikel 6a ist das Bundespersonalgesetz vom 24. März 200053 (BPG) für die Mitglieder des Verwaltungsrats nicht anwendbar. Das Honorar und die weiteren Vertragsbedingungen richten sich nach Artikel 6a BPG und dem darauf basierenden Vollzugsrecht, namentlich der Kaderlohnverordnung vom 19. Dezember 2003 54 (Art. 1 Bst. a Kaderlohnverordnung). Demnach sind bei der Festlegung der Anstellungsbedingungen insbesondere das unternehmerische Risiko, die Unternehmensgrösse sowie die Entlöhnung und die weiteren Vertragsbedingungen in der betreffenden Branche und beim Bund zu berücksichtigen. Diese Verordnung enthält zudem Bestimmungen über die ausgewogene Vertretung der Landessprachen im Verwaltungsrat sowie zu den Nebenbeschäftigungen.

Die Mitglieder des Verwaltungsrates müssen wirtschaftlich unabhängig sein (Abs. 5). Sie dürfen weder ein eidgenössisches noch ein kantonales Amt ausüben, welches ihre Unabhängigkeit beeinträchtigen könnte. Nicht unabhängig wäre beispielsweise eine Person, die im Auftragsverhältnis als Beraterin oder Berater für ein EVU tätig ist. Der Verwaltungsrat ist gegenüber dem Bundesrat verantwortlich dafür, dass die Interessenbindungen, die seine Mitglieder nach ihrer Wahl eingegangen sind, mit ihrer Funktion in der TVS vereinbar sind (Abs. 7). Der Verwaltungsrat muss die Interessenbindungen seiner Mitglieder laufend überwachen und beurteilen.

Ist eine Interessenbindung nicht vereinbar mit dem Mandat und hält das Mitglied trotzdem daran fest, so muss der Verwaltungsrat dem Bundesrat die Abberufung des betreffenden Mitglieds beantragen.

In Absatz 6 werden die Mitglieder des Verwaltungsrates, entsprechend dem 6.

Leitsatz des Corporate-Governance-Berichts55, generell verpflichtet, ihre Aufgaben und Pflichten mit aller Sorgfalt zu erfüllen und die Interessen der TVS in guten Treuen zu wahren. Die Schweigepflicht endet nicht mit dem Ende der Zugehörigkeit zum Verwaltungsrat TVS, sondern gilt darüber hinaus.

53 54 55

SR 172.220.1 SR 172.220.12 Bericht des Bundesrates vom 13. September 2006 zur Auslagerung und Steuerung von Bundesaufgaben; BBl 2006 8233

8717

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Art. 9i

Verwaltungsrat: Aufgaben

Dieser Artikel listet die Aufgaben des Verwaltungsrates abschliessend auf. Die TVS gehört zu den Anstalten, die nach Artikel 8 Absatz 5 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 199756 (RVOG) über strategische Ziele geführt werden. Der Verwaltungsrat der Anstalt ist verantwortlich für die innerbetriebliche Umsetzung der strategischen Ziele. Er muss die Methoden und Kriterien im Voraus festlegen, nach denen er die innerbetriebliche Umsetzung der strategischen Ziele beurteilen will. Damit verfügt der Bundesrat über die nötigen Informationen, um die Erreichung der strategischen Ziele im Rahmen seiner Aufsicht überprüfen zu können.

Art. 9j

Geschäftsleitung

Die Geschäftsleitung ist das operative Organ und für die Geschäftsführung verantwortlich. Sie erfüllt alle Aufgaben, welche gemäss Gesetz nicht dem Verwaltungsrat vorbehalten sind. Die Geschäftsleitung ist insbesondere für den Erlass der mit der Tätigkeit der TVS notwendigen Verfügungen zuständig, sofern der Verwaltungsrat im Organisationsreglement nichts anderes vorsieht. Überdies ist die Geschäftsleitung verpflichtet, die Entscheidungsgrundlagen des Verwaltungsrats vorzubereiten und ihm regelmässig oder bei besonderen Ereignissen Bericht zu erstatten.

Die Aufzählung der Aufgaben der Geschäftsleitung ist nicht abschliessend. Gemäss Absatz 2 Buchstabe f nimmt sie all jene Aufgaben wahr, die das vorliegende Gesetz nicht einem anderen Organ zuweist. Diese Regelung vermeidet negative Kompetenzkonflikte zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung.

Art. 9k

Revisionsstelle

Die Überprüfung der Buchführung samt Erfolgsrechnung und Bilanz erfolgt durch eine vom Bundesrat gewählte Revisionsstelle. Im Unterschied zum Finanzbereich bestehen vorliegend bei der Revision keine potenziellen Interessenskonflikte mit Privatunternehmen aus der Revisionsbranche. Die Einsetzung eines Unternehmens aus der Privatwirtschaft ist daher möglich. Die Revisionsstelle erstattet dem Verwaltungsrat und dem Bundesrat Bericht und hat umfassende Kompetenzen. Dem Bundesrat ist dabei der aussagekräftige und umfassende Prüfbericht zu übergeben und nicht nur die Zusammenfassung, wie sie bei einer Aktiengesellschaft den Aktionären für die Generalversammlung ausgehändigt wird. Abweichend vom Aktienrecht soll bei den Anstalten nicht nur die Jahresrechnung, sondern auch ein Teil des Lageberichts revidiert werden (zum Lagebericht vgl. Art. 961c OR). Die Revisionsstelle muss den Lagebericht hinsichtlich der folgenden drei Punkte prüfen und darüber Bericht erstatten: allfällige Widersprüche gegenüber der Jahresrechnung, die Durchführung eines adäquaten Risikomanagements und allfällige Widersprüche im Bereich der Personalberichterstattung. Damit wird der Revisionsstelle im Gesetz eine Zusatzaufgabe zugewiesen (vgl. zur analogen Möglichkeit bei den Aktiengesellschaften Art. 627 Ziff. 13 OR).

56

SR 172.010

8718

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Art. 9l

Anstellungsverhältnisse

Gemäss Leitsatz 29 im Anhang des Zusatzberichts des Bundesrates vom 25. März 2009 zum Corporate-Governance-Bericht ­ Umsetzung der Beratungsergebnisse des Nationalrats57 haben verselbstständigte Einheiten, die Aufgaben der Wirtschaftsund Sicherheitsaufsicht wahrnehmen, ein öffentlich-rechtliches Personalstatut im Rahmen des BPG. Folgerichtig untersteht das bisher privatrechtlich angestellte Personal gemäss Absatz 1 neu dem BPG und erhält öffentlich-rechtliche Arbeitsverträge.

Mit der Gründung der neuen Anstalt wird die TVS Arbeitgeberin (Abs. 2). Die TVS erhält den gleichen Status wie die Arbeitgeber, denen der Bundesrat nach Artikel 3 Absatz 2 BPG Arbeitgeberstatus verleiht und die nach Artikel 37 Absatz 3 bis BPG Ausführungsbestimmungen erlassen dürfen, die vom Bundesrat zu genehmigen sind.

Dieser kann die Personalverordnung im Genehmigungsverfahren nicht ändern, sondern ihr nur gesamthaft die Genehmigung verweigern und sie zur Anpassung an den Verwaltungsrat zurückweisen. Die Genehmigung hat somit konstitutiven Charakter. Der Genehmigungsvorbehalt des Bundesrates dient der personal- und finanzpolitischen Steuerung.

Die Kompetenz des Verwaltungsrates, unter Berücksichtigung des BPG und der Rahmenverordnung vom 20. Dezember 200058 zum Bundespersonalgesetz personalrechtliche Ausführungsbestimmungen zu erlassen, reicht so weit, als diese nicht in die ausschliessliche Kompetenz des Bundesrates fällt.59 Einen wichtigen Themenbereich der Personalverordnung bilden, nebst Entlöhnung und Nebenleistungen, heute insbesondere die Verhaltenspflichten (wie Treuepflicht, Nebenbeschäftigung, öffentliche Ämter, Vorteilsannahmeverbot, Eigengeschäfte). Der Verwaltungsrat kann sich allerdings in der Personalverordnung darauf beschränken, die erforderliche Mindestregelung zu erlassen und im Übrigen die bundespersonalrechtlichen Ausführungsbestimmungen (z.B. die Bestimmungen der BPV60, der VBPV61 und der BPDV62) als sinngemäss anwendbar zu erklären. Zur Mindestregelung gehört eine Regelung in jenen Fällen, in denen die bundespersonalrechtlichen Ausführungsbestimmungen Zuständigkeiten des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) oder des UVEK begründen.

Art. 9m

Personalinformationssystem

Heute bildet Artikel 27a BPG nur für das EFD die gesetzliche Grundlage, damit es im Personalinformationssystem der Bundesverwaltung die Personendaten verwalten darf. Für die übrigen dem BPG unterstellten Arbeitgeber, deren Personendaten nicht durch das EFD im Personalinformationssystem der Bundesverwaltung verwaltet werden, muss daher dafür eine gesetzliche Grundlage im jeweiligen Organisationserlass geschaffen werden.

57 58 59 60 61 62

BBl 2009 2659 SR 172.220.11 Vgl. auch Erläuterungen zu Art. 37 BPG in BBl 2011 6703 6725.

SR 172.220.111.3 SR 172.220.111.31 SR 172.220.111.4

8719

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Art. 9n

Pensionskasse

Die berufliche Vorsorge des Personals richtet sich nach dem BPG und der Gesetzgebung über die Pensionskasse des Bundes.

Gemäss Zusatzbericht des Bundesrates vom 25. März 2009 zum CorporateGovernance-Bericht soll das Vorsorgestatut dem gleichen Rechtskreis zugeordnet werden wie das Personalstatut, also dem öffentlichen Recht. Das Personal der TVS untersteht gemäss Artikel 9l Absatz 1 dem BPG und wird daher gemäss Absatz 1 bei PUBLICA nach den Bestimmungen der Artikel 32a­32m BPG versichert.

Gemäss Artikel 32a Absatz 2 BPG versichern Verwaltungseinheiten der dezentralen Bundesverwaltung mit eigener Rechtspersönlichkeit und eigener Rechnung, die gestützt auf ein Spezialgesetz eigene personalrechtliche Arbeitgeberbefugnisse und die Kompetenz zum Erlass eines eigenen Personalstatuts haben, ihre Angestellten bei PUBLICA. Nach Artikel 32b Absatz 2 BPG ist die TVS Arbeitgeberin in vorsorgerechtlicher Hinsicht.

Nach der beim Verfassen dieser Botschaft geltenden Rechtslage bilden die dezentralisierten Verwaltungseinheiten zusammen mit ihren Angestellten und den zugeordneten Rentenbeziehenden ein eigenes Vorsorgewerk (Art. 32b Abs. 2 BPG i. V. m.

Art. 32d Abs. 1 BPG). Das Personal der TVS ist bereits heute bei der PUBLICA in einem eigenen Vorsorgewerk versichert. Da die Risikofähigkeit in Anbetracht der geringen Grösse der Anstalt längerfristig nicht gesichert ist, wird vorgeschlagen, dass die TVS mit dem Rechtswechsel ihre Versicherten als eigene Arbeitgeberin im Vorsorgewerk Bund versichert. Gemäss Artikel 32d Absatz 3 BPG wird PUBLICA der TVS getrennt Rechnung stellen.

Im Anhang zum Entwurf des Ausgleichsfondsgesetzes 63 ist eine Änderung von Artikel 32 BPG vorgesehen, damit der Bundesrat künftig die Möglichkeit hat, das Entstehen von Kleinstvorsorgewerken zu verhindern, deren Risikofähigkeit z.B.

angesichts der Grösse nicht gegeben ist. Da sich im Zeitpunkt der Verabschiedung der vorliegenden Botschaft durch den Bundesrat die skizzierte Änderung von Artikel 32d BPG noch in der parlamentarischen Beratung befindet, wird hier unmittelbar in Artikel 9n angeordnet, dass die TVS zum Vorsorgewerk Bund gehört.

Art. 9o

Finanzierung

Finanziert wird die TVS grundsätzlich durch Gebühren, die von den ISB zu entrichten sind (Abs. 1 Bst. a). Soweit dadurch bei den ISB die ungedeckten Kosten steigen, werden sie über die Leistungsvereinbarung gemäss Artikel 51 abgegolten. Dies entspricht im Wesentlichen der heutigen Lösung. Der Bundesrat regelt die Gebühren auf Verordnungsstufe.

Darüber hinaus erhält die TVS Abgeltungen für diejenigen Leistungen, die sie im Interesse des Gesamtsystems erbringt und die nicht über Gebühren an die ISB verrechnet werden können (Abs. 1 Bst. b). Diese dem Bereich Infrastruktur zuzurechnenden Abgeltungen werden durch den BIF getragen (vgl. Erläuterungen in Ziff. 2.4).

63

BBl 2016 311, hier 353

8720

BBl 2016

Mit den Vorgaben in den Absätzen 2 und 3 wird die nötige Transparenz erzielt und für die Gebühren und Abgeltungen sowie für deren Höhe eine ausreichende Rechtsgrundlage geschaffen.

Art. 9r

Tresorerie

Die TVS schliesst sich für die Verwaltung ihrer liquiden Mittel der zentralen Tresorerie des Bundes an. Die EFV kann im Rahmen der Tresorerie Vorschüsse und Darlehen gewähren. Grundsätzlich sichert sie die ständige Zahlungsbereitschaft der TVS (Art. 60 Abs. 1 FHG). Abgewickelt werden solche Darlehen über ein Kontokorrent der TVS beim Bund. Sie entrichtet für das Darlehen marktgerechte Zinsen.

Im Gegenzug wird sie ihre überschüssigen Gelder beim Bund zu Marktzinsen anlegen. Die TVS wird mit der EFV diesbezüglich eine Vereinbarung abschliessen.

Art. 9s

Steuern

Die TVS wird von sämtlichen direkten Steuern von Bund, Kantonen und Gemeinden befreit. Die Mittel der im öffentlichen Interesse tätigen Behörde sollen nicht durch die Entrichtung von Steuern geschmälert werden. Die TVS unterliegt den indirekten Bundessteuern und -abgaben (Mehrwertsteuer, Verrechnungssteuer und Stempelabgabe). Da die TVS in der Regel hoheitliche Tätigkeiten ausübt, sind die erhobenen Gebühren von der Mehrwertsteuer befreit (Art. 18 Abs. 2 Bst. l des Mehrwertsteuergesetzes vom 12. Juni 200964).

Art. 9t

Aufsicht

Der Bundesrat übt unter Wahrung der fachlichen und organisatorischen Unabhängigkeit der TVS die administrative Aufsicht über diese aus. Die Präzisierung ist wichtig, weil die TVS fachlich unabhängig sein soll, auch hinsichtlich allfälliger Weisungen des Bundesrates. Die Aufsichtskompetenz richtet sich nach Artikel 8 Absatz 4 RVOG und geht weniger weit als bei der zentralen Bundesverwaltung. Sie beschränkt sich auf die dem Bundesrat gesetzlich eingeräumten Befugnisse wie die Wahl des Verwaltungsrates (vgl. Ziff. 1.4.1.2) oder die Genehmigung der Personalverordnung sowie die Festsetzung der Gebühren und Abgeltungen des Bundes.

Gleichzeitig mit der Genehmigung des Geschäftsberichts soll der Bundesrat auch über die Entlastung des Verwaltungsrats beschliessen. Die Aufzählung in Absatz 2 ist nicht abschliessend.

In der Praxis wird die Aufsicht vom Departement mit dem engsten Sachbezug wahrgenommen, vorliegend demnach vom UVEK. Dieses unterbreitet dem Bundesrat die Anträge, welche die TVS betreffen.

Art. 9u

Infrastrukturregister

Neu soll das Infrastrukturregister durch die TVS geführt werden (Art. 9f Abs. 1 Bst. d). Um den interessierten EVU und Dritten jederzeit Auskunft über geplante kurz- und mittelfristige Investitionen geben zu können, soll die TVS auch die aktuel64

SR 641.20

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BBl 2016

len Investitionspläne der ISB zentral publizieren. Diese Bestimmung regelt die für die Registerführung unerlässliche Mitwirkungspflicht der ISB; sie müssen die für den Netzzugang erforderlichen Angaben in das Infrastrukturregister eintragen (Abs. 1). Weil die Registerführung eine erhebliche technische Komponente mit hohem Detaillierungsgrad aufweist, rechtfertigt sich keine einlässliche Regelung auf Gesetzesstufe. Auch eine Verordnung des Bundesrates oder des Departements wäre keine sachgerechte Lösung. Die TVS soll daher, nach Anhörung des BAV, die weiteren Einzelheiten regeln können (Abs. 2).

Art. 9v

Regelungen des Bundesrates

Der Bundesrat erhält die Kompetenz, die Aufgaben und Zuständigkeiten der TVS auf Verordnungsstufe im Einzelnen zu regeln. In der Netzzugangsverordnung oder einer eigenen Verordnung wird demzufolge festzulegen beziehungsweise näher zu bestimmen sein, dass die TVS: ­

die Bestimmungen für die Trassenbestellungen festlegt und publiziert;

­

das Koordinationsverfahren bei Trassenbestellkonflikten leitet;

­

die Trassenbestellungen entgegennimmt und Trassen zuteilt;

­

Strecken für überlastet erklärt sowie Kapazitätsanalysen vornimmt;

­

Ansprechpartner ist für Fragen der Trassenbestellung und -zuteilung sämtlicher Netzbenutzer und Dritter;

­

frühzeitig in die Baustellen- und Intervallplanung der ISB einzubeziehen ist und diese begleitet;

­

für die Erarbeitung und Publikation der nationalen Trassenkataloge verantwortlich ist und den Organisationen der Güterverkehrskorridore die Katalogtrassen zur Verfügung stellt, die für den grenzüberschreitenden Güterverkehr reserviert sind.

Art. 9w

Verfahren und Rechtsschutz

Die TVS nimmt eine Bundesaufgabe wahr. Ihre Handlungen sind dem öffentlichen Recht unterstellt, insbesondere dem Verwaltungsverfahrensgesetz vom 20. Dezember 196865 (VwVG). Die Entscheide der TVS im Einzelfall gelten als Verfügung (Art. 5 VwVG). Beschwerdeinstanz gegen Verfügungen der TVS betreffend den Netzzugang ist die RailCom. Allfälligen Beschwerden ist die aufschiebende Wirkung von Gesetzes wegen entzogen; es soll vermieden werden, dass eine einzelne Beschwerde beispielsweise den Fahrplanprozess behindert. Im Einzelfall soll aber die aufschiebende Wirkung gewährt werden können, jedoch nur, wenn die RailCom dies von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei anordnet (Abs. 1 und 2).

Einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedarf das Recht der TVS, selber Rechtsmittel ergreifen zu können, soweit sie von Verfügungen oder Entscheiden betroffen ist (Abs. 3). Sie muss sich somit nicht in jedem Einzelfall durch das zu65

SR 172.021

8722

BBl 2016

ständige Departement ermächtigen lassen. Eine ähnliche Regelung gilt auch für die RailCom (vgl. Art. 40aocties Abs. 3).

Art. 14

Information über die Aufsichtstätigkeit

Laut Absatz 1 ist das BAV grundsätzlich verpflichtet, die Öffentlichkeit über seine Aufsichtstätigkeit zu informieren. Dies ist bereits heute so, wurde aber bisher nur auf Verordnungsstufe geregelt. Als Beispiel sei der jährlich veröffentlichte Sicherheitsbericht des BAV genannt.

Mit der Bestimmung in Absatz 2 wird in Anwendung von Artikel 4 BGÖ der Anwendungsbereich des Öffentlichkeitsprinzips eingeschränkt. Es geht darum, sicherzustellen, dass das BAV von den beaufsichtigten Unternehmen weiterhin die sicherheitsrelevanten Informationen erhält, die es benötigt, um die Sicherheit im öffentlichen Verkehr aufrechtzuerhalten.

Das BAV hat als Aufsichtsbehörde ein Interesse daran, ein möglichst umfassendes und unverfälschtes Bild von Fehlhandlungen und Gefahren zu erhalten. Nur dann kann es die Gefahren erkennen und geeignete Massnahmen ergreifen, um solchen Risiken entgegenzuwirken.

Folglich darf für die Unternehmen kein Anreiz bestehen, sicherheitsrelevante Informationen zurückzuhalten. Muss ein Unternehmen befürchten, wegen der Meldung kritischer Situationen in der Öffentlichkeit als besonders gefährlich dargestellt zu werden, so wird es auf die Meldung verzichten. Dies gilt insbesondere dann, wenn zwar rechtlich eine Verpflichtung, praktisch aber keine Gefahr besteht, dass der Verstoss gegen die Meldepflicht entdeckt wird. Eine gesetzliche Meldepflicht alleine stellt deshalb nicht sicher, dass das BAV alle sicherheitsrelevanten Informationen erhält.

Der Geltungsbereich des BGÖ ist daher so weit einzuschränken, wie dies im Interesse der grösstmöglichen Sicherheit im öffentlichen Verkehr erforderlich ist.

Nicht eingeschränkt werden soll der Zugang zu Meldungen über Unfälle, da hier ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an Informationen besteht.

Ebenso wenig eingeschränkt wird der Zugang zu amtlichen Dokumenten, die weder die technische noch die betriebliche Sicherheit betreffen, beispielsweise Dokumenten über Abgeltungen der öffentlichen Hand.

Überdies bedeutet die Einschränkung des Geltungsbereichs des BGÖ nicht, dass das BAV entsprechende Dokumente nicht veröffentlichen darf. Besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse, kann das BAV solche Informationen gestützt auf Artikel 19 Absatz 1bis des Bundesgesetzes vom 19. Juni 199266 über den Datenschutz (DSG) von Amtes wegen veröffentlichen.
Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass der heute im BGÖ befindliche Ausnahmekatalog die vorgeschlagene Bestimmung nicht entbehrlich macht, da es nicht um die Beeinträchtigung der zielkonformen Durchführung konkreter behördlicher Massnahmen geht (Art. 7 Abs. 1 Bst. b BGÖ). Das BAV kann nämlich keine behördli66

SR 235.1

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chen Massnahmen treffen (oder konkret benennen), solange es nicht über die nötigen Informationen verfügt, um als Aufsichtsbehörde risikoorientiert Massnahmen zu planen und zu treffen.

Die sektorielle Regelung von Ausnahmen zum BGÖ ist aus formalrechtlichen und gesetzgebungstechnischen Überlegungen nicht optimal. Sobald der Ausnahmekatalog im BGÖ so erweitert wird, dass die Ausübung behördlicher Aufsichtstätigkeit wirksam geschützt wird, können diese Bestimmungen gestrichen werden.

Art. 18 Abs. 1bis Heute fällt die Änderung einer Eisenbahnanlage nicht in die Zuständigkeit des BAV, wenn die Änderung nicht dem Bau oder Betrieb der Eisenbahn dient. Das BAV sollte aber zuständig sein, wenn die Bauten oder Anlagen nach der Änderung überwiegend dem Bau oder Betrieb einer Eisenbahn zugutekommen. So hängt die Zuständigkeit nicht davon ab, ob der nicht dem Bahnbetrieb dienende Umbau gleichzeitig mit der Eisenbahnanlage oder nachträglich realisiert wird. Zu denken ist etwa an den nachträglichen Einbau bahnfremder Kabelanlagen in den Bahnkörper. Damit wird eine ganzheitliche Beurteilung durch das BAV gewährleistet, insbesondere bei Fragen betreffend die Sicherheit des Bahnbetriebs oder der Bahnbenutzerinnen und -benutzer.

Art. 18n Abs. 1 erster Satz Hier erfolgt eine sprachliche Vereinheitlichung; neu ist nur noch von «Eisenbahnanlagen» und nicht mehr von «Eisenbahnbauten und -anlagen» die Rede.

Art. 18q Abs. 1 erster Satz und Abs. 2 Die Festlegung einer Baulinie ist eine Verfügung. Die Verfügung setzt keine genehmigten Pläne voraus, sondern stellt selbst eine Genehmigung der Baulinie dar.

Dies wiederum setzt voraus, dass die Baulinie aus Plänen mit ausreichender Genauigkeit hervorgeht. Damit die Genauigkeit der Pläne ausreichend ist, müssen diese mindestens parzellengenau sein. Denn nur so lässt sich feststellen, welche Parzellen von der Baulinie betroffen sind. Auch hier ist neu nur noch von «Eisenbahnanlagen» die Rede.

Art. 18y

Entzug der Betriebsbewilligung oder der Typenzulassung

Bislang waren die Voraussetzungen des Entzugs einer Betriebsbewilligung oder einer Typenzulassung nicht gesetzlich geregelt. Der Artikel kodifiziert einerseits die weitgehend unbestrittenen Entzugsvoraussetzungen (Abs. 1 Bst. a sowie Abs. 2).

Andererseits regelt er Fälle, in denen Vorschriften nach der Erteilung einer Betriebsbewilligung geändert werden: Wenn das Bewilligungsobjekt nicht mehr den neusten Vorschriften entspricht, kann die Bewilligung nicht allein deswegen entzogen werden, sondern es muss zusätzlich ein Sicherheitsrisiko gegeben sein (Abs. 1 Bst. b). Hier ist abzuwägen zwischen Bestandesschutz und Sicherheit.

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Art. 35a

Bahnhöfe mit Umsteigebeziehungen

In Absatz 1 wird neu die Pflicht verankert, die Kostenaufteilung zwischen den Beteiligten für den Bau und den Betrieb von Bahnhöfen mit Umsteigebeziehungen schriftlich zu vereinbaren. In solchen Bahnhöfen bestehen jeweils Angebote mit unterschiedlicher Erschliessungsfunktion oder mehrerer Eisenbahnunternehmen oder verschiedener Verkehrsträger. Zu den Beteiligten zählen einerseits die Eisenbahnen und weitere Transportunternehmen aller Verkehrsträger (Busse, Schiffe und Seilbahnen). Andererseits sind die betroffenen Gemeinwesen gemeint, also Gemeinden und Kantone und gegebenenfalls auch der Bund. Inhaltlich geht es in erster Linie um die Finanzierung der Publikumsanlagen. Wo es um den Umstieg ohne Einbezug einer Eisenbahn geht (also etwa zwischen Schiff und Bus), finden die Artikel 35 und 35a keine direkte Anwendung.

Absatz 2 regelt die Grundsätze der Kostenaufteilung: Nach dem Territorialitätsprinzip trägt in erster Linie jedes Gemeinwesen und jedes Transportunternehmen die auf seinem Grund und Boden anfallenden Kosten (Bst. a). Dabei sind die Interessen der Gemeinwesen und Transportunternehmen «angemessen» zu berücksichtigen; das bedeutet, dass je nach Interessenlage auch höhere oder tiefere Beiträge anfallen können, als bei reiner Anwendung des Territorialitätsprinzips resultieren würden (Bst. b).

Besondere Verhältnisse liegen z.B. vor bei asymmetrischem Personenfluss, bei der Nutzung von Bahnhofsunterführungen als Verbindungen zwischen Stadtquartieren oder Ortsteilen oder wenn Busstationen auf Grund und Boden eines Bahnunternehmens oder gar eines Dritten stehen. Hier wäre die Anwendung des Territorialitätsprinzips unbillig.

Zudem soll nach Absatz 3 das Prinzip der Vorteilsanrechnung Anwendung finden.

Dieses hat sich auch aus Artikel 27 EBG bezüglich der Kostenaufteilung bei Kreuzungen zwischen Bahn und Strasse bewährt: Wer aus der Massnahme besondere Vorteile zieht, soll diese entsprechend abgelten (Abs. 3). Darunter fallen namentlich materielle Vorteile wie die längere Lebensdauer oder qualitativ bessere Bauteile. Es kann sich aber auch um immaterielle Vorteile wie z.B. wesentlich bessere Erschliessung kommerzieller Flächen oder eine zusätzlich gewonnene Verbindung von Stadtquartieren oder Ortsteilen handeln.

Art. 36

Wahrnehmung übergeordneter Aufgaben ohne Auftrag des BAV

Das geltende Recht kennt bereits eine Bestimmung über die Wahrnehmung übergeordneter Aufgaben. Im Rahmen der einlässlicheren Regelung der Systemführerschaft wird diese Bestimmung beibehalten, jedoch ist die Sachüberschrift anzupassen. Inhaltlich geht es um diejenigen übergeordneten Aufgaben, die ohne Auftrag des BAV wahrgenommen werden.

Art. 37

Wahrnehmung übergeordneter Aufgaben im Auftrag des BAV

Diese Bestimmung ist neu. Die Sachüberschrift weist auf diejenigen Aufgaben hin, die einen Auftrag des BAV voraussetzen. Eine Ausschreibung der Aufträge ist nicht vorgeschrieben, jedoch möglich.

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Die Systemführerschaft wird grundsätzlich gleichlautend im EBG und im PBG geregelt (vgl. auch Ausführungen zu den Art. 18a und 28 PBG). Das EBG ist im Zuge der letzten Revisionen mehr und mehr zu einem eigentlichen EisenbahnInfrastrukturgesetz umgestaltet worden. Unter das EBG fallen somit primär diejenigen Systemführerschaften, welche die Infrastruktur betreffen. Es handelt sich vor allem um technische Systemaufgaben, wie sie bereits aus den bisherigen LV zwischen Bund und SBB bekannt sind. Als Beispiele zu nennen sind etwa der Bahnstrom, das Zugbeeinflussungssystem ETCS (European Train Control System) oder der Mobilfunkstandard GSM-R (Global System for Mobile Communications ­ Railway). Daneben gibt es Systemführerschaften, die Verkehr und Infrastruktur gleichermassen betreffen und deren technische Führung auf Seite der Infrastruktur liegt (z.B. die Fahrplanpublikation).

Absatz 1 umschreibt die Voraussetzungen, unter denen das BAV übergeordnete Aufgaben an ISB oder Dritte übertragen kann. Durch solche Aufträge sollen Effizienz oder Interoperabilität verbessert beziehungsweise der Nutzen für die Kundschaft erhöht werden können. Einer höheren Effizienz dienen erfahrungsgemäss insbesondere eisenbahnspezifische, technische Systemführerschaften. Das kann Zugsicherungs- oder -fernsteuersysteme betreffen, den Bahnstrombereich oder Fragen zum Zusammenspiel im System Strasse-Schiene. Oft werden hier ISB den Auftrag erhalten. Denkbar sind aber auch Aufträge an Dritte (z.B. im Bereich Telecom).

Die Übertragung von Systemaufgaben setzt einen klaren Auftrag voraus (Systemführungsvertrag). Absatz 2 umschreibt den Mindestinhalt solcher Verträge; diese sind in schriftlicher Form abzuschliessen. Die Schriftlichkeit dient der Transparenz und der Nachvollziehbarkeit. Die Rechtsnatur dieser Verträge ist gemischt; sie können sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Elemente enthalten.

Die Regelung einer Vergütung ist selbstverständlich (Bst. a), ebenfalls zu regeln wird die interne Weiterfakturierung sein (Bst. d). Buchstabe b betrifft die Art und Weise der Zusammenarbeit mit und zwischen den Beteiligten. Regelmässig wird hier ein Management Board oder ein vergleichbares Gremium zu bilden sein, weshalb das Gesetz in einem offenen Sinn von «Ausschüssen» spricht. Das Management Board ist zuständig für
alle operativen Entscheide in der bestehenden Systemführerschaft, während die strategischen Vorgaben durch das BAV als Auftraggeberin im Vertrag mit der Systemführerin festgelegt werden. Für jede Systemaufgabe ist festzulegen, wie das Management Board zweckmässig besetzt wird, welche Entscheide ihm zukommen und wie diese gefällt werden. Das Management Board (der Ausschuss) stellt die nötigen Anträge. In jedem Fall sind die Mitwirkungsrechte der von der Systemaufgabe betroffenen Unternehmen zu wahren.

Im Zentrum stehen bei den Systemaufgaben oft urheber- und datenschutzrechtliche Fragen, vor allem im Zusammenhang mit Informatiksystemen. Diese werden jeweils näher zu regeln sein (Bst. c), namentlich auch unter Wahrung der einschlägigen Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse.

Nach Absatz 3 ist der Vertrag öffentlich, dies vor allem aus Gründen der Transparenz und damit die Betroffenen ihre Rechte wahren können. Indirekt dient dies auch dem Anliegen, die Mitwirkung zu stärken (vgl. Ziff. 1.4.3).

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Absatz 4 regelt die Finanzierung. Die beauftragten Systemführerinnen sollen den Bezügern ihre Leistungen teilweise verrechnen können, insbesondere sehr spezifische Arbeiten für ein bestimmtes Unternehmen. Ein Beispiel ist die Datenerfassung, wenn das Unternehmen seine Daten nicht auf eine Schnittstelle liefern kann. Eine Weiterbelastung der vollen Kosten ist nicht opportun, da diese zumindest zu einem erheblichen Teil durch die Vergütung für die Systemführerschaft gedeckt werden.

Dadurch erübrigt es sich, nach Kostenschlüsseln für Fixkosten (z.B. zentrale EDVSysteme) zu suchen, die immer ein gewisses Konfliktpotenzial bergen. Die ungedeckten Kosten können, da es um die Infrastruktur geht, aus dem BIF finanziert werden. Im Ergebnis entspricht dies der heutigen Regelung, wonach die Systemaufgaben im Rahmen der LV auf die SBB und die RhB übertragen worden sind. Aus Gründen der Transparenz ist eine separate Verrechnung vorzuziehen, weil zum einen die Systemaufgaben nicht zwingend mit dem eigentlichen Kerngeschäft der ISB verbunden sein müssen. Zum anderen können in gewissen Fällen auch Dritte zum Zuge kommen, mit denen gar keine LV nach Artikel 51 EBG besteht. Die Regelung der Finanzierung weicht also von derjenigen im PBG ab, da es sich hierbei um Systemführerschaften im Infrastrukturbereich handelt.

Damit die Systemführerschaft funktioniert, bedarf es klarer schriftlicher Regelungen zwischen den Beteiligten. Zudem ist eine Gesetzesgrundlage nötig, welche die betroffenen Unternehmen zur Mitarbeit verpflichtet (Abs. 5). Im Gegenzug haben sie das Recht, mitzuwirken und einbezogen zu werden. Dies trägt einem zentralen Anliegen der Vorlage Rechnung. Wie im gesamten Netzzugang soll auch hier der Grundsatz der diskriminierungsfreien Behandlung aller Beteiligten gelten (Abs. 6).

Die Übertragung von Systemaufgaben an Dritte ist keine herkömmliche Beschaffung von Bau-, Sach- oder Dienstleistungen im Sinne des Beschaffungsrechts. Hier geht es darum, das Eisenbahnsystem durch das Zusammenfassen von Aufgaben effizienter, innovativer und kostengünstiger zu machen. Weil in der Regel die ISB und nicht private Wirtschaftsunternehmen die Beauftragen sein werden, machen Ausschreibungen keinen Sinn. Ähnlich ist es bei den Konzessionen gemäss EBG und PBG und bei der Übertragung von Aufgaben der Trassenvergabestelle
an Dritte.

Absatz 7 stellt dies klar und regelt zugleich, dass die Aufgabenübertragung nicht mittels Beschwerde angefochten werden kann. Das BAV kann Dritte gesetzlich dazu verpflichten, Aufgaben als Systemführerin wahrzunehmen. In solchen Fällen wird der Leistungserbringer (nötigenfalls) hoheitlich zur Abgabe seiner Leistung gezwungen, und das dafür gegebenenfalls geschuldete Entgelt wird nicht ausgehandelt, sondern öffentlich-rechtlich und einseitig festgelegt. Somit geht es um eine Abgeltung im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 199067 und nicht um einen öffentlichen Auftrag im Sinne des Beschaffungsrechts. Ein solches Geschäft tangiert die Bestimmungen des BöB/WTOBeschaffungsrechts nicht. Es ist namentlich mit dem WTO-Übereinkommen vom 15. April 199468 über das öffentliche Beschaffungswesen sowie mit dem Abkommen vom 21. Juni 199969 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der

67 68 69

SR 616.1 SR 0.632.231.422 SR 0.172.052.68

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Europäischen Gemeinschaft über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens vereinbar.

Hingegen soll im Falle von Streitigkeiten zwischen den Beteiligten die RailCom entscheiden (Art. 40ater Abs. 1 Bst. e EBG), die zudem diesen Bereich überwacht (Art. 40ater Abs. 2 Bst. e EBG).

Art. 37a

Mitwirkungsrecht

Die EVU und Anschliesser haben ein Informations- und Mitwirkungsrecht. Dieses ist auf Gesetzesstufe verankert. Die ISB sind gemäss Artikel 9u Absatz 2 verpflichtet, ihre Investitionspläne offenzulegen und den EVU und Anschliessern das Recht auf Mitsprache einzuräumen. Die Gesetzgebung enthält weitere Bestimmungen zur Mitwirkung in den Artikeln 9u Absatz 2 und 48d EBG sowie in Artikel 13 PBG.

Absatz 1 regelt den Einbezug bei der Planung, Absatz 2 alle weiteren Fälle. Darunter fällt namentlich die Erstellung des Fahrplans für den Güterverkehr.

Art. 40 Abs. 1 Bst. d Wie in den Erläuterungen zu Artikel 35a dargelegt, ist das BAV zuständig für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Umsteigeplattformen.

12a. Abschnitt: Kommission für den Eisenbahnverkehr Der Bundesrat will die Schiedskommission im Eisenbahnverkehr (SKE) analog den vergleichbaren schweizerischen Regulierungsbehörden (ComCom, ElCom etc.) neu mit RailCom bezeichnen. Dieser Ausdruck wird in der Folge im Erlass durchgehend verwendet.

Art. 40a

Organisation

Die Bestimmung wird an die gestiegenen Anforderungen und zusätzlichen Aufgaben der RailCom angepasst. Materiell bleiben die Vorgaben im Wesentlichen dieselben wie bisher. Wichtig bleibt die Unabhängigkeit der RailCom. Deshalb macht Absatz 3 klare Vorgaben für die Mitglieder der Kommission.

Das Geschäftsreglement legt weitere Einzelheiten fest, wie beispielsweise die Besetzung für den Entscheid, die Instruktion oder die Stellvertretung. So kann die RailCom im Geschäftsreglement unter anderem festlegen, bis zu welchem Quorum sie im Falle sachlich begründeter Abwesenheiten (Ausstand, plötzliche oder längere Krankheit usw.) entscheidungsfähig bleibt. Ohne derartige Abwesenheiten wäre es jedoch unzulässig, verfahrensabschliessende Verfügungen in Teilbesetzung der RailCom zu belassen, da die RailCom aus einer vom Bundesrat bestimmten Anzahl von fünf bis sieben Mitgliedern besteht. Es wäre aufgrund der zu erwartenden geringen Fallzahlen ausserdem nicht sachgerecht, ein Kammersystem einzuführen.

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Art. 40abis

Fachsekretariat

Das Sekretariat wird wie bisher vom Präsidenten oder der Präsidentin bestellt.

Art. 40ater

Aufgaben

Diese zentrale Bestimmung regelt die Aufgaben der RailCom im Bereich des Netzzugangs. Sie unterscheidet zwischen der Zuständigkeit als Streitschlichtungsbehörde (Abs. 1), Überwachungsaufgaben (Abs. 2) und weiteren Tätigkeiten (Abs. 3).

Die herkömmlichen Zuständigkeiten umfassen Streitigkeiten betreffend die Gewährung des Netzzugangs, die NZV und die Berechnung des Entgelts für die Benützung der Infrastruktur (Bst. a­c). Dazu ist die Kommission mit der Totalrevision des GüTG neu für Anlagen für den Güterumschlag zuständig geworden (Bst. d).

Neu kommen Entscheidungskompetenzen bezüglich der Systemaufgaben (Bst. e) und der Verletzung von Mitwirkungsrechten hinzu (Bst. f). In erster Linie wacht das BAV als Auftraggeberin darüber, dass die beauftragten Systemführerinnen ihre Aufgabe korrekt, termingerecht und auftragsgemäss erfüllen. Kommt es jedoch zwischen Systemführerin und betroffenen Unternehmen zu einem Streit, so ist die RailCom zuständig. Dies ist zum einen eine sachlogische Aufgabe für die Regulierungsbehörde, zum anderen entspricht es dem Ziel, die RailCom weiter zu stärken.

Dadurch können Diskriminierungen oder andere Missbräuche bei der Übertragung einer oder mehrerer Systemaufgaben auf ein und denselben Beauftragten wirksam vermieden werden.

Bezüglich der Mitwirkungsrechte (Art. 37a) ist die RailCom nicht befugt, inhaltliche Entscheidungen zu treffen. Sie ist jedoch zuständig, wenn dieses Recht gar nicht oder nicht ordnungsgemäss eingeräumt worden ist, indem etwa bestimmte Interessierte nicht angehört wurden. Soweit das BAV als Auftraggeberin im Rahmen des Auftragsmanagements auf die Auftragnehmer keinen Einfluss nimmt oder nehmen kann, können EVU, die eine Diskriminierung geltend machen, an die RailCom gelangen. Dies kann auch Streitigkeiten betreffen, die zu einer Diskriminierung im Netzzugang führen, beispielsweise über den Rückbau von Infrastruktur oder die Art und Weise sowie den Zeitplan der Umsetzung der Investitionsvorhaben. Nicht zuständig ist die RailCom für Entscheidungen, die das BAV im Rahmen der Planung gemäss Artikel 48d EBG trifft. Diese dienen der Vorbereitung der Entscheide von Bundesrat und Parlament und sind nicht justiziabel. Nach ergänztem Artikel 13 Absatz 3 PBG können die EVU neu auch im Fahrplanverfahren mitwirken. Allerdings unterliegt dieses Recht nicht der
Kontrolle der RailCom, weshalb diese hier auch nicht sinngemäss für die Mitwirkung zuständig ist.

Die RailCom übernimmt ferner verschiedene Überwachungsaufgaben, die in Absatz 2 aufgelistet werden. Die dort festgehaltenen Bestimmungen (Bst. a­e) sind selbsterklärend. Unter Buchstabe d fallen diejenigen Anlagen, die im Rahmen des Netzzugangs gemeinsam benützt werden müssen. Dies ist der grösste Teil der Infrastruktur; er ist in Artikel 62 Absatz 1 umschrieben.

Die RailCom übernimmt weiter Tätigkeiten ausserhalb des eigentlichen Netzzugangs, namentlich die Marktüberwachung (Abs. 3). Dafür braucht sie genügende Kenntnisse über die Entwicklung des Markts. Sie kann von Amtes wegen Untersu8729

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chungen durchführen, wenn der Zugang zum Eisenbahnnetz sowie insbesondere die Wahrnehmung von Systemaufgaben nach Artikel 37 EBG und die Mitwirkungsrechte betroffen sind. Die Untersuchungen können sich gegen verschiedene Beteiligte richten: TVS, Eisenbahnunternehmen, Dritte gemäss Artikel 9a und Artikel 9f Absatz 4 EBG sowie gegen Betreiber von Anlagen für den Güterumschlag, soweit diese dem freien Netzzugang unterstellt sind. Weil auch dem BAV gewisse Aufgaben im Rahmen der Marktüberwachung zukommen, ist eine enge Abstimmung erforderlich, um Doppelspurigkeiten zu vermeiden.

Die Koordination und der Informationsaustausch mit den Regulierungsbehörden anderer (europäischer) Staaten drängen sich auf, um dem Ziel eines möglichst einheitlichen Schienenverkehrsmarktes näher zu kommen (Abs. 5). Dies ist vor allem eine Klarstellung. Aus ihr darf nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dem BAV kämen weniger weitgehende Befugnisse zu. Dieses kann einen solchen Austausch im Rahmen seiner Rechte und Pflichten gemäss Artikel 16 ohnehin pflegen.

Absatz 6 hält explizit fest, dass der Netzzugang eine spezialgesetzliche Regelung ist, wo die Anwendung des Kartellgesetzes keinen Sinn ergibt.

Art. 40aquater

Bereitstellung von Daten und Auskunftspflicht

Für ihre Aufsichtstätigkeiten ist die RailCom auf ungehinderten Zugang zu den relevanten Daten angewiesen (Abs. 1). Die Bestimmung entspricht Artikel 16 Abs. 1 EBG.

Die zuständigen Behörden müssen die Auskünfte geheim halten, sofern diese Geschäfts- oder Fabrikationsgeheimnisse betreffen (vgl. Art. 7 Abs. 1 Bst. g BGÖ).

Absatz 2 ergänzt die Auskunftspflicht nach Absatz 1. Auch für die Behörden des Bundes und der Kantone besteht eine Mitwirkungspflicht bei Abklärungen durch die RailCom und das BAV. Das BAV ist als Datenherrin über die Daten für Verkehrsstatistik ermächtigt, diese der RailCom weiterzuleiten. Das BAV wird im Rahmen der Erhebung der Daten dafür besorgt sein, dass die Eisenbahnunternehmen ihre Einwilligungserklärung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Bundesstatistikgesetz vom 9. Oktober 199270 zur Weitergabe der Daten an die RailCom geben können und so selber keinen doppelten Aufwand betreiben müssen. Die Tragweite der Bearbeitung richtet sich nach Artikel 3 Buchstabe 2 DSG.

Art. 40aquinquies

Verfahrensgrundsätze

Diese Bestimmungen regeln das Verfahren vor der RailCom im Einzelnen. Die bisherige Regelung im Geschäftsreglement der SKE genügt rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht; aufgrund des Legalitätsprinzips sind diese Bestimmungen in einem formellen Gesetz festzuhalten. Das Verfahren richtet sich nach dem VwVG und bezüglich der Einzel- und Instruktionsrichter sinngemäss nach den einschlägigen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsgesetzes. Dies gilt sowohl dort, wo die RailCom von Amtes wegen tätig wird, als auch bei den übrigen Verfahren. Zu unterscheiden sind das Beschwerde- und das Klageverfahren. Im Beschwerdefall 70

SR 431.01

8730

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liegt ein konkreter Anfechtungsgegenstand in Form einer Verfügung vor. Ist dies nicht der Fall und vermutet ein Marktteilnehmer eine Diskriminierung, für welche die RailCom zuständig ist, so kann er mittels Klage an diese gelangen (Klageverfahren). Das Beschwerdeverfahren wird die Regel, das Klageverfahren die Ausnahme sein.

Die RailCom wird von Amtes wegen oder auf Beschwerde oder Klage hin tätig.

Absatz 4 regelt den formellen Beginn der jeweiligen Verfahren.

Art. 40asexies

Verwaltungssanktionen

Die Verwaltungssanktionen unterscheiden sich in mehrerlei Hinsicht von den Strafbestimmungen. Adressat ist das Unternehmen und nicht eine bestimmte Person.

Vorsatz ist nicht erforderlich. Die Sanktionen werden für bisheriges verwaltungsrechtswidriges Verhalten ausgesprochen. Folglich können erneut Verwaltungssanktionen ausgesprochen werden, wenn das rechtswidrige Verhalten nach Verfügung der ersten Verwaltungssanktion fortgesetzt wird.

Art. 40asepties

Finanzierung

Finanziert wird die RailCom wie die bestehende SKE hauptsächlich durch den Bund. Die neuen Aufgaben werden voraussichtlich keine grosse Anzahl an zusätzlichen Verfahren auslösen. Eine vollständige Finanzierung über Gebühren steht somit ausser Frage (vgl. Ziff. 1.4.4.3). Wird die RailCom aber in Beschwerde- oder in Klageverfahren tätig, so soll sie dafür Gebühren erheben (Absätze 1 und 2). Diese Vorgabe ist für die gesamte Verwaltungs- und Gerichtstätigkeit üblich. Die Gebühren sollen dem Zeitaufwand entsprechen und somit dem Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip genügen. Die Einzelheiten regelt gemäss Absatz 3 der Bundesrat; diese auf Artikel 46a RVOG gestützte Delegation hat sich vielerorts in der Schweizer Gesetzgebung bewährt, so etwa bei der Gebührenverordnung BAV vom 25. November 199871.

Art. 40aocties

Rechtsschutz

Gegen Entscheide der RailCom soll weiterhin ­ wie schon bei der bestehenden SKE ­ die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig sein (Abs. 1).

Beschwerden haben grundsätzlich aufschiebende Wirkung, wenn es nicht anders geregelt ist (Art. 55 Abs. 1 und 5 VwVG). Bei der Trassenvergabe besteht das Risiko, dass die Trasse im Falle einer aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde ungenutzt verfällt. Denn das Verfahren wird bis zu einem rechtskräftigen Entscheid oft so viel Zeit in Anspruch nehmen, dass der strittige Konflikt in der Vergangenheit liegt. Die Beschwerde soll daher gemäss Artikel 9w Absatz 2 keine aufschiebende Wirkung haben. Somit kann das Unternehmen, das die Trasse zugeteilt erhalten hat, diese fahren. Wenn es ausnahmsweise die Verhältnisse rechtfertigen, kann die Beschwerdeinstanz die aufschiebende Wirkung auf Antrag hin oder von Amtes wegen erteilen (siehe auch Erläuterungen zu Art. 9w Abs. 2). Die gleiche Regelung 71

SR 742.102

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wie für Beschwerden gegen Entscheide der Trassenvergabestelle soll auch für solche der RailCom gelten (Abs. 2).

Gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts kann die RailCom selbstständig Beschwerde an das Bundesgericht führen (Abs. 3). Sie muss dies nicht über das UVEK erwirken, dem sie organisatorisch zugeordnet ist. Diese Unabhängigkeit der RailCom ist politisch gewollt und für die Durchsetzung ihrer Ziele unabdingbar.

Art. 52 Abs. 2 und 3 Nicht nur unwirtschaftliches Verhalten berechtigt zur Minderung der Abgeltung, sondern auch Schlechterfüllung. Eine entsprechende Regelung war in Artikel 22 Absatz 4 der Verordnung vom 4. November 200972 über die Konzessionierung und Finanzierung der Eisenbahninfrastruktur (KFEV) enthalten und soll aus Gründen der Stufengerechtigkeit im EBG verankert werden.

Nicht um einen Fall von Kürzung der vereinbarten Abgeltung handelt es sich hingegen, wenn das BAV der Auffassung ist, dass die Kosten der Planrechnung höher ausfallen als erforderlich. Wenn das Amt sich deshalb nicht mit dem Eisenbahnunternehmen über den Abschluss einer Abgeltungsvereinbarung einigen kann, entscheidet das UVEK gestützt auf Artikel 51a Absatz 1 EBG.

Art. 67 zweiter Satz Artikel 67 betrifft die Verwendung der Gewinne, welche entstehen, wenn die ISB mehr Erträge erwirtschaftet oder weniger Aufwand verursacht, als in der Planrechnung vorgesehen war. Die Bestimmung betrifft also nicht die Frage, wann in die Planrechnung Rückstellungen vorgesehen werden dürfen, welche den Abgeltungsbedarf erhöhen.

Die ISB sollen in Zukunft die Möglichkeit erhalten, mehr als eine Spezialreserve für die Sparte Infrastruktur zu äufnen. Die jeweiligen Spezialreserven sind mit einer Zweckbindung versehen. So dürfte das Unternehmen beispielsweise auf eine Reserve zur Absicherung der Pensionskasse für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zugreifen, wenn in der Infrastruktur aus irgendeinem anderen Grund ein grosser Verlust entsteht. Dies kann dazu führen, dass wegen der gebundenen Reserve in der Sparte Infrastruktur ein Verlustvortrag entsteht.

Erfordert hingegen die Pensionskasse einen ausserordentlichen Aufwand, so darf die Spezialreserve in der erforderlichen Höhe aufgelöst werden, auch wenn im betreffenden Jahr kein Verlust entstünde.

Art. 80a

Abklärung der Tauglichkeit

Die Regelung entspricht jener in Artikel 15d Absatz 3 SVG.

Dabei geht es namentlich um Alkohol- und um Betäubungsmittelabhängigkeit sowie um psychische Störungen, die zur Dienstunfähigkeit führen. Ebenso behandelt der 72

AS 2009 5981, aufgehoben am 1. Januar 2016 mit Inkrafttreten der Verordnung über die Konzessionierung, Planung und Finanzierung der Bahninfrastruktur (KPFV; SR 742.120)

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Artikel generell Meldungen von Ärztinnen und Ärzten über Krankheiten, welche die Ausübung einer sicherheitsrelevanten Tätigkeit ausschliessen könnten.

Diese Tatbestände begründen einen Anfangsverdacht auf fehlende Diensttauglichkeit und führen zur Anordnung einer Tauglichkeitsuntersuchung. Dabei wird im Regelfall der Ausweis vorsorglich abgenommen, bis die Abklärungen durchgeführt worden sind.

Bei der Weitergabe von Daten ist das Verhältnismässigkeitsprinzip zu beachten: Medizinische respektive Gesundheitsdaten sollten wenn möglich nur einer ärztlichen Stelle bekanntgegeben werden. Dem BAV und dem Arbeitgeber sind nur diejenigen Informationen weiterzugeben, die diese benötigen, um die zur Gewährleistung der Sicherheit erforderlichen Massnahmen zu treffen (Abs. 2). Welche Daten bekanntgegeben werden dürfen, ist deshalb auf Verordnungsstufe zu präzisieren.

Übergangsbestimmungen Für die Trassenvergabe besteht heute eine privatrechtliche AG. Diese befindet sich zu gleichen Teilen im Besitz dreier Eisenbahnunternehmen und des VöV (vgl.

Ziff. 1.4.1.1). Die Übergangsbestimmungen sollen eine geordnete Aufnahme der Tätigkeit der neuen TVS sicherstellen. Zu beachten sind insbesondere die massgebenden Bestimmungen des OR (Art. 333­333b betreffend den Übergang des Arbeitsverhältnisses, Art. 738 betreffend die Folgen der Auflösung einer Gesellschaft und Art. 751 betreffend die Übernahme durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft). Nur eingeschränkt anwendbar ist das Fusionsgesetz vom 3. Oktober 200373.

Die aufgelöste Gesellschaft tritt in Liquidation, unter Vorbehalt der Fälle der Fusion, der Aufspaltung und der Übertragung ihres Vermögens auf eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (Art. 738 OR). Wird das Vermögen einer Aktiengesellschaft vom Bund übernommen, so kann mit Zustimmung der Generalversammlung vereinbart werden, dass die Liquidation unterbleiben soll. Der Beschluss der Generalversammlung ist nach den Vorschriften über die Auflösung zu fassen und beim Handelsregisteramt anzumelden. Mit der Eintragung dieses Beschlusses ist der Übergang des Vermögens der Gesellschaft mit Einschluss der Schulden vollzogen, und es ist die Firma der Gesellschaft zu löschen (Art. 751 OR).

Absatz 4 regelt den Übergang des Personals. Die Angestellten der Trasse Schweiz AG unterstehen bis zur Gründung der neuen
Anstalt den arbeitsrechtlichen Bestimmungen des OR, insbesondere Artikel 333 OR. Da die Arbeitsverhältnisse nach Artikel 333 OR mit allen Rechten und Pflichten auf die neue Anstalt übergehen, nehmen die Angestellten sämtliche bei der Trasse Schweiz AG bestandenen Dienstjahre mit. Der Übergang des Arbeitsverhältnisses bedeutet nicht, dass die Arbeitsbedingungen keiner Änderung seitens der TVS zugänglich sind. Die Arbeitsverhältnisse unterstehen mit dem Übergang per sofort den bundespersonalrechtlichen Bestimmungen und können im Rahmen dieser Gesetzgebung auch geändert werden, da das OR keine Garantien vorschreibt, sofern wie vorliegend kein Gesamtarbeitsvertrag besteht. So besteht nach dem Übergang insbesondere kein Anspruch auf Weiterführung der Funktion und der organisatorischen Einordnung.

73

SR 221.301

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Nach Absatz 5 ist die Trassenvergabestelle in vorsorgerechtlicher Hinsicht Arbeitgeberin (Art. 32b Abs. 2 BPG). In Anlehnung an Artikel 32f Absatz 1 BPG wird festgehalten, dass die Anstalt auch für die Bezügerinnen und Bezüger von Alters-, Hinterlassenen- oder Invalidenrenten die Arbeitgeberpflichten der Vorläuferorganisation übernimmt. Absatz 6 regelt den Fall, dass die Arbeitsunfähigkeit vor dem Inkrafttreten der Vorlage eingetreten ist, die Invalidenrente jedoch erst nach dem Inkrafttreten zu laufen beginnt.

2.4

Bahninfrastrukturfondsgesetz vom 21. Juni 201374

Im BIFG sind die Entnahmekategorien abschliessend aufgezählt. Da mit den Abgeltungen für die nicht durch Gebühren finanzierbaren Leistungen der TVS und mit der Finanzierung der ungedeckten Kosten der Systemführerschaften weitere solche Kategorien geschaffen werden, sind die einschlägigen Bestimmungen anzupassen.

Art. 2 Abs. 2 Bst. b Ziff. 4 und 5 sowie Abs. 4 erster Satz Hier sind neu auch die Abgeltungen für die TVS gemäss Artikel 9o Absatz 1 Buchstabe b EBG sowie die Vergütung für die Übertragung von Systemaufgaben gemäss Artikel 37 EBG zu nennen. In Absatz 4 der gleichen Bestimmung ist der ­ zu eng gefasste ­ Begriff «Forschungsaufträge» durch den sachgerechteren (und offeneren) Begriff «Forschung» zu ersetzen. Denn es geht nicht nur um eigentliche Aufträge, sondern es sollen namentlich auch Forschungsprojekte Dritter in diesem Bereich unterstützt werden können.

Art. 4 Abs. 1 Bst. a und c­e sowie Abs. 2 Auch hier sind neu die Abgeltungen für die TVS gemäss Artikel 9o Absatz 1 Buchstabe b EBG sowie die Vergütung für die Übertragung von Systemaufgaben gemäss Artikel 37 EBG zu nennen und der Begriff «Forschungsaufträge» durch «Forschung» zu ersetzen.

Art. 6

Verpflichtungskredite

Hier wird nur der Verweis auf das EBG angepasst.

2.5

Bundesgesetz vom 20. März 199875 über die Schweizerischen Bundesbahnen

Art. 2 Abs. 3 Der Begriff des Eisenbahnunternehmens wird seit dem 1. Juli 2013 in Artikel 2 des EBG definiert. Der Verweis ist entsprechend anzupassen.

74 75

SR 742.140 SR 742.31

8734

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2.6

Seilbahngesetz vom 23. Juni 200676

Art. 3 Abs. 2bis und 2ter Entscheidet das BAV auf Antrag des Kantons über den Bau einer an sich durch den Kanton zu bewilligenden Seilbahn oder Nebenanlage, so richtet sich das Verfahren nach Bundesrecht. Materiell kommt neben der Seilbahnverordnung vom 21. Dezember 200677 auch das kantonale und interkantonale Recht zur Anwendung.

Gemeinsam mit Seilbahnanlagen werden oft Nebenanlagen erstellt. Darunter fallen insbesondere Parkplätze, Beschneiungsanlagen, deren Zuleitungen und Wasserfassungen, Pisten, Pistenausbauten, Skibrücken, Spielplätze, andere Freizeitanlagen sowie selbstständige Gastronomiebetriebe. Solche Anlagen dienen nicht oder nicht überwiegend dem Betrieb der Seilbahnen (Art. 10 SebG). Im Falle gleichzeitiger Errichtung können solche Anlagen auf Antrag der zuständigen kantonalen Baubewilligungsbehörde durch das BAV bewilligt werden.

Hingegen stellen die für den Bau oder Betrieb der Seilbahn erforderliche Infrastrukturen ­ ob definitiver oder nur temporärer Natur ­ keine Nebenanlagen dar. Sie sind vielmehr Teil der Seilbahnanlage selbst. Zu nennen sind Rückbauten von zu ersetzenden Anlagen, Stromversorgungsanlagen (wie Trafostationen und Zuleitungen), temporäre Baustellenseilbahnen, aber auch Strassenverlegungen, die für den Bau einer Stütze oder Station erforderlich sind. Gleiches gilt für die Erstellung von Zufahrten zu den Stationen und für Geländemodulationen in Form von Ablagerungen oder Pistenanpassungen durch Aushubmaterial, welches beim Bau der Seilbahnanlage anfällt.

Art. 16

Anwendbares Recht

Absatz 2 tritt an die Stelle von Artikel 18a Buchstabe b. Er hält an dessen Regelung fest, wonach die Finanzierung der Seilbahninfrastruktur sinngemäss nach den Bestimmungen des EBG erfolgt. Die Bestimmung konkretisiert, dass nur abgeltungsberechtigte Seilbahnen Investitionsbeiträge erhalten. Weiter legt sie fest, dass die Beiträge mittels A-Fonds-perdu-Beiträgen finanziert werden. Da bei Seilbahnen nicht dieselbe Trennung zwischen Infrastruktur und darauf eingesetzten Fahrzeugen besteht, hat der Bundesrat festzulegen, welcher Anteil an den Gesamtinvestitionen in die Seilbahn als Investition in die Infrastruktur anzusehen ist.

Art. 17a

Entzug

Die Voraussetzungen für den Entzug der Betriebsbewilligung werden neu auch im Seilbahngesetz kodifiziert. Sie entsprechen den Regelungen in Artikel 18y EBG.

76 77

SR 743.01 SR 743.011

8735

BBl 2016

Art. 18a

Anwendbares Recht

Bislang war in Artikel 18a Buchstabe b geregelt, dass das EBG sinngemäss für die Finanzierung der Seilbahninfrastruktur gilt. Die Finanzierung von Investitionen in Seilbahnen soll weiterhin entsprechend der Eisenbahninfrastrukturfinanzierung erfolgen. Da dies den Bau und nicht den Betrieb einer Seilbahn betrifft, wird die entsprechende Regelung neu im entsprechenden Abschnitt in Artikel 16 verankert.

Art. 24e

Information über die Aufsichtstätigkeit

Die Vorschrift entspricht Artikel 14 EBG.

2.7

Trolleybus-Gesetz vom 29. März 195078

Art. 7

Aufsichtsbehörde

Die Zuständigkeit des BAV ergibt sich heute aus Artikel 3 der TrolleybusVerordnung vom 6. Juli 195179. Sie wird hiermit gesetzlich verankert.

Art. 8

Besondere Befugnisse des BAV

Die Aufsichtsbefugnisse entsprechen denjenigen in Artikel 12 EBG und in Artikel 52 PBG.

Art. 11a Abs. 1 Die Bestimmungen des EBG und der Gesetzgebung über die Arbeitszeit sollen, soweit anwendbar, ebenso auf Trolleybusunternehmen angewendet werden.

Art. 11b

Sorgfaltspflicht

Die Regelung entspricht Artikel 18 SebG.

2.8

Personenbeförderungsgesetz vom 20. März 200980

Das PBG regelt die gesamte Personenbeförderung unabhängig vom Transportmittel.

Es gilt für den gesamten öffentlichen Verkehr, umfasst auch Busse, Seilbahnen und Schiffe und geht damit weit über den sachlichen Geltungsbereich des EBG hinaus.

Es rechtfertigt sich daher, den Grundtatbestand für die Systemführerschaften auch in diesem Gesetz zu verankern.

78 79 80

SR 744.21 SR 744.211 SR 745.1

8736

BBl 2016

Art. 9 Abs. 3 Es wird klargestellt, dass die Konzession entzogen werden kann, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung nicht mehr erfüllt sind.

Art. 13 Abs. 3 zweiter Satz Auf Gesetzesstufe wird neu geregelt, dass die EVU im Fahrplanverfahren angehört werden müssen. Dies war bislang nur für die Kantone vorgesehen. Darüber hinausgehende Mitwirkungsmöglichkeiten im Fahrplanverfahren sollen jedoch nicht geschaffen werden.

Art. 15a

Informationspflicht

Mit dieser Bestimmung wird eine grundsätzliche Informationspflicht für die Unternehmen eingeführt. Gewisse Aspekte einer solchen Informationspflicht sind bereits in verschiedenen Verordnungen enthalten: Es sind dies die Pflicht nach Artikel 12 Absatz 3 der Fahrplanverordnung vom 4. November 200981, die Öffentlichkeit über Betriebsunterbrechungen wegen unvorhergesehener Ereignisse zu orientieren. Dazu kommt die Pflicht nach Artikel 80 Absatz 2 EBV, die Reisenden über besondere Vorkommnisse zu informieren. Die bestehenden Bestimmungen beschränken sich jedoch allein auf die Information in ausserordentlichen Situationen. Neu müssen die Unternehmen hingegen auch vor und während der Fahrt Informationen erteilen (Art. 8 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007). Verspätungen sind den Fahrgästen durch die Unternehmen ebenso mitzuteilen (Art. 18 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 und Art. 20 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 181/2011) wie die Erläuterung ihrer Rechte (Art. 29 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 und Art. 25 der Verordnung (EU) Nr. 181/2011). Diese Informationsund Auskunftspflichten zulasten der Unternehmen sind im neuen Artikel vereint.

Die Modalitäten der neuen Informationspflicht werden in Anlehnung an die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 (und insbesondere an ihren Anhang II hinsichtlich der anzugebenden Mindestinformationen) in den Ausführungsbestimmungen festgelegt.

Art. 18 Abs. 1 Bst. c Die meisten Unternehmen verfügen bereits über ein Verfahren zur Bearbeitung von Beschwerden, auch wenn dies nur selten öffentlich kommuniziert wird. Mit der gesetzlichen Verankerung dieser Pflicht sollen alle Transportunternehmen die Bearbeitung von Fahrgastbeschwerden verbessern. Zudem wird eine Übereinstimmung mit den Fahrgastrechten der Europäischen Union hergestellt. Den Unternehmen entstehen nur geringe Kosten. Die Ausführungsbestimmungen werden unter Berücksichtigung der Regelungen in Artikel 27 der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 und Artikel 26 der Verordnung (EU) Nr. 181/2011 zu verfassen sein. Sie regeln die Anforderungen an das Verfahren.

81

SR 745.13

8737

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Art. 18a

Wahrnehmung übergeordneter Aufgaben im Auftrag des BAV

Die Bestimmung ergänzt den neuen Artikel 37 EBG für den Bereich der Personenbeförderung und lehnt sich in Inhalt und Aufbau weitgehend an diesen an (siehe Erläuterungen dort). Auch hier sollen Systemaufgaben dann übertragen werden können, wenn die Effizienz oder die Interoperabilität verbessert oder bessere Lösungen für die Kundschaft gefunden werden sollen. In der zunehmend komplexen Tarifwelt des öffentlichen Verkehrs sind darunter zum Beispiel neue einheitliche Ticketing- oder Vertriebssysteme denkbar.

Die Bestellung von Regionalverkehrsleistungen gemäss Artikel 28 Absatz 1 PBG ist eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Kantonen. Deshalb sollen Letztere ihre Meinung einbringen können, wenn sie von der Übertragung von Systemaufgaben betroffen sind (Abs. 2).

Für die Finanzierung (Abs. 5) soll das BAV Abgeltungen nach Artikel 28 Absatz 3, der entsprechend ergänzt wird, ausrichten können. Auch Finanzhilfen nach Artikel 31 sollen möglich sein. Darunter fallen je nachdem Bundesgarantien oder Darlehen. Es wird im Einzelfall darauf abzustellen sein, welche Systemaufgabe betroffen ist und wem sie dient. In Betracht kommt gegebenenfalls eine gemischte Finanzierung, die mehrere der genannten Elemente kombiniert. Zum Beispiel könnte in einem Distributionssystem eine Abgabe auf den verkauften Fahrausweisen erhoben werden, während der Bund gewisse zentrale Informationssysteme direkt finanziert.

Die Übertragung von Systemaufgaben auf eine Systemführerin soll auf Basis einer Vereinbarung geschehen. Das setzt zum einen das grundsätzliche Einverständnis beider Seiten (BAV als Auftraggeberin, Systemführerin als Beauftragte) voraus.

Zum anderen muss Einigkeit über die Einzelheiten des Auftrags bestehen. Kann diese Einigkeit nicht erzielt werden, so entscheidet gemäss Absatz 8 das UVEK.

Diese Regelung entspricht sinngemäss derjenigen, wie sie Artikel 51a Absatz 1 EBG für die LV kennt. Hier wie dort wäre es rechtsstaatlich bedenklich, wenn das BAV als einer der beteiligten Vertragspartner gleichzeitig als Schiedsgericht fungieren würde. Absatz 6 unterscheidet sich hinsichtlich der Mitarbeit der Unternehmen leicht von Artikel 37 Absatz 5 EBG: Während sie dort allgemein gilt, besteht sie hier nur im Rahmen der Verpflichtungen aus Gesetz und Konzession. Neben dem konzessionierten Verkehr gibt es andere Unternehmen,
beispielsweise im touristischen Bereich. Ihnen können nicht dieselben Verpflichtungen auferlegt werden wie den konzessionierten Unternehmen. Zudem ist es im Rahmen der Konzession grundsätzlich möglich, Auflagen bezüglich Systemaufgaben zu machen. Diese Möglichkeit fällt bei nicht konzessionierten Unternehmen weg.

Art. 21

Verspätung: Anspruch auf Weiterfahrt

Gegenwärtig beschränkt sich die Haftung von konzessionierten Unternehmen nach Artikel 21 PBG auf den Schaden, der entsteht, wenn der Fahrplan nicht eingehalten wird und die reisende Person deshalb den letzten im Fahrplan vorgesehenen Anschluss verpasst. Der Artikel verleiht dem Bundesrat die Befugnis, rechtliche Konsequenzen auch für Situationen einzuführen, in denen die reisende Person andere als die letzten im Fahrplan vorgesehenen Anschlüsse verpasst. Der Bundesrat hat von diesem Recht Gebrauch gemacht (Art. 61 VPB).

8738

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Artikel 21 verankert auf Gesetzesstufe den Anspruch, die Reise mit dem nächsten geeigneten Kurs ohne Nachzahlung fortsetzen zu können. Im Unterschied zum geltenden Recht (Art. 61 Abs. 1 VPB) wird dafür kein Anschlussbruch mehr vorausgesetzt: Eine Verspätung oder das Ausfallen eines Kurses im konzessionierten Verkehr reichen aus.

Damit wird die Situation der Passagiere gleich in zweifacher Hinsicht verbessert: Einerseits wird die derzeitige Regelung aufrechterhalten und neu direkt im Gesetz verankert (siehe dazu Art. 21a unten), andererseits werden die Rechte der Reisenden auf den Fall ausgeweitet, in dem die Reise auch ohne einen Anschlussbruch aufgrund einer Verspätung oder eines Kursausfalls ihren Zweck nicht mehr erfüllen kann.

Art. 21a

Verspätung: Fahrpreiserstattung

Bei einer grösseren Verspätung oder einem Kursausfall haben die Reisenden nun die Wahl zwischen drei Möglichkeiten: entweder von der Reise unter vollständiger Erstattung des Fahrpreises zurückzutreten (Art. 21a Bst. a) oder ohne Nachzahlung zum Ausgangspunkt der Reise zurückzukehren und den vollen Fahrpreis zurückerstattet zu erhalten (Art. 21a Bst. b) oder unter anteiliger Erstattung des Fahrpreises auf die Weiterreise zu verzichten (Art. 21a Bst. c). Die reisende Person behält diesen Anspruch auch dann, wenn sie zunächst ihren Anspruch auf Weiterfahrt (Art. 21) geltend macht.

Die reisende Person muss glaubhaft darlegen können, dass die Reise ihren Zweck wegen einer Verspätung oder eines Kursausfalls nicht mehr erfüllen kann. Im öffentlichen Verkehr stellt eine Verspätung von wenigen Minuten sicherlich keine mangelhafte Erfüllung des Beförderungsvertrags dar.

Art. 21b

Verspätung: Fahrpreisentschädigung

Artikel 21b führt die Möglichkeit für die Reisenden ein, im Falle einer gewissen Verspätung eine Entschädigung zu erhalten. Diese Entschädigung ist Teil der Rechtsfolgen für das Unternehmen bei Nichteinhaltung des Beförderungsvertrags.

Sie wird auf der Grundlage des tatsächlich bezahlten Fahrpreises bestimmt.

Die Einführung eines Mindestbetrags, unter dem keine Entschädigung geschuldet ist (Art. 21b Abs. 3), erfolgt im Interesse der Transportunternehmen: Eine unbegrenzte Entschädigungspflicht gegenüber den Reisenden bei Verspätungen würde den Verwaltungsaufwand (Behandlung der Anträge) derart aufblähen, dass er in keinem Verhältnis zum Interesse der Reisenden am Empfang einer Entschädigung in allen Fällen stehen würde. Weil diese Massnahme nur Kleinbeträge betrifft, ist sie eine annehmbare Einschränkung der Passagierrechte. Die Ansprüche auf Entschädigung dürfen nicht kumuliert werden, um den Mindestbetrag zu erreichen: Jede einzelne Forderung auf Entschädigung muss diesen Mindestbetrag erreichen. Andernfalls lässt sich der Verwaltungsaufwand der Transportunternehmen nicht verringern. Der Mindestbetrag soll bei höchstens etwa 10 Franken liegen.

Nur Inhaberinnen und Inhaber eines Einzelfahrausweises, dessen Preis leicht bestimmt werden kann (Billett für einfache Fahrt oder Retourfahrt, Billett zum ganzen 8739

BBl 2016

oder halben Preis, Tageskarte usw.), haben Anspruch auf Entschädigung. Wer mit einem Fahrausweis reist, der innerhalb eines bestimmten Zeitraums für eine unbeschränkte Anzahl Fahrten gültig ist (Generalabonnement, Monatsabonnement usw.), hat hingegen keinen Anspruch auf Entschädigung. Fahrkarten gelten dann als solche Dauerfahrkarten, wenn sie während mindestens einer Woche zu unbeschränkten Fahrten berechtigen.82 Das Wegfallen des Anspruchs ist durch die Inanspruchnahme eines Vorzugstarifs gegenüber den anderen Reisenden gerechtfertigt. Zudem wäre die Gewährung einer Entschädigung an Inhaberinnen und Inhaber von Abonnementen mit grossen Schwierigkeiten bei der Umsetzung verbunden, insbesondere bei der Beweisführung (befand sich die Person tatsächlich im verspäteten Zug?) und der Berechnung der Höhe der Entschädigung.

Art. 21c

Verspätung: Unterstützung

Mit dieser Bestimmung wird die Pflicht der konzessionierten Transportunternehmen zur Hilfeleistung bei Verspätungen von über 60 Minuten gesetzlich verankert. Die Einzelheiten der Hilfeleistung werden in den Ausführungsbestimmungen definiert.

Die Modalitäten werden sich an Artikel 18 Absatz 2 der Verordnung (EG) 1371/2007 orientieren.

Art. 21d

Verspätung: Haftung

Das Unternehmen haftet nach wie vor für den Schaden, der entsteht, wenn es den Fahrplan nicht einhält und die reisende Person deshalb den letzten im Fahrplan vorgesehenen Anschluss verpasst. Es haftet auch dann, wenn das letzte im Fahrplan vorgesehene Reiseziel nicht vor der nächtlichen Unterbrechung des Betriebs erreicht werden kann.

Die geltenden Bestimmungen über die Haftungsbefreiung des Unternehmens bleiben unberührt. Die Neuregelung wirkt sich auch nicht auf die Haftung für indirekte Schäden aus (Abs. 1). Wie bisher kann die reisende Person, die wegen einer Verspätung beispielsweise einen Flug verpasst, keinen Rückgriff auf das Transportunternehmen aufgrund des PBG nehmen. Auch entgangener Gewinn, beispielsweise wegen einer verpassten Sitzung, wird nicht entschädigt. Beim direkten Schaden beschränkt sich die Haftung des Unternehmens wie bisher auf die Erstattung der tatsächlichen Auslagen der reisenden Person, jedoch höchstens auf die Kosten einer Übernachtung mit Frühstück. Diese Haftung bleibt auch dann weiter bestehen, wenn die reisende Person Leistungen nach den Artikeln 21­21c erhalten hat.

Art. 23a

Fahrräder

Die Mitnahme von Fahrrädern ist derzeit gesetzlich nicht geregelt. Die dem PBG unterstellten Transportunternehmen werden durch den neuen Artikel 23a verpflichtet, geeignete Voraussetzungen für den Transport von Fahrrädern in den Fahrzeugen zu schaffen, sofern die Fahrräder leicht zu handhaben sind, der Verkehr nicht beein82

Die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. Oktober 2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr verwendet in Artikel 17 den unbestimmteren Begriff «Zeitfahrkarte».

8740

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trächtigt wird und die Fahrzeuge dafür geeignet sind. Für den Transport begleiteter Fahrräder darf ein Fahrpreis erhoben werden.

Art. 28 Abs. 3 zweiter Satz Das PBG enthält bereits eine Bestimmung, wonach der Bund die ungedeckten Kosten zentraler Leistungen im Zusammenhang mit dem Verkehrsangebot abgelten kann, wenn diese allen Unternehmen dienen oder offenstehen. Diese Bestimmung wird ergänzt, um auch für die Finanzierung der an Dritte übertragenen Systemaufgaben eine klare Rechtsgrundlage zu haben.

Art. 31 Abs. 4 Die Regelung entspricht dem Wesen nach Artikel 51b Absatz 3 EBG. Hauptanlass für die Darlehensumwandlung im Verkehrsbereich wird aber sein, in schwierigen Situationen zu einer Bilanzsanierung beitragen zu können, zum Beispiel wenn die Pensionskasse in finanziellen Schwierigkeiten ist. Hingegen liegt es nicht in der Absicht des Bundes, sich in Zukunft stärker am Aktienkapital der Verkehrsunternehmen zu beteiligen.

Art. 31a Abs. 3 erster Einleitungssatz Neu wird auf Gesetzesstufe explizit festgehalten, dass bei der Planung des Verkehrsangebots neben der Nachfrage auch die bestehende Infrastruktur zu berücksichtigen ist. Somit wird der Grundsatz bekräftigt, dass das bestehende Netz optimal auszunutzen ist. Zudem wird kein Steuergeld unnötig für teure Investitionen eingesetzt, wenn die bestehende Infrastruktur bereits ein angemessenes Verkehrsangebot ermöglicht.

Art. 33a

Massnahmen zur Zielerreichung, Kürzung der Abgeltung

Diese Bestimmung wird analog zu Artikel 52 EBG formuliert. Die heute bestehende Formulierung ist insoweit korrekturbedürftig, als es sich um eine Sanktionierung der Schlechterfüllung einer laufenden Abgeltungsvereinbarung handelt und nicht darum, im Bestellverfahren eine niedrigere als die beantragte Abgeltung festzulegen.

Art. 44a

Vorschuss bei Tod oder Verletzung

Werden Fahrgäste getötet oder verletzt, so haben sie selbst oder die entschädigungsberechtigten Personen nach geltendem Recht keinen Anspruch auf die Zahlung eines Vorschusses. Damit die schweizerische Gesetzgebung mit dem europäischen Recht übereinstimmt, ist die Einführung dieser Bestimmung erforderlich. Artikel 44a führt die Vorschusspflicht zulasten des Unternehmens ein. Sein Geltungsbereich beschränkt sich jedoch ausdrücklich auf die Eisenbahnunternehmen. Damit trägt die Bestimmung der Tatsache Rechnung, dass es sich um einen Sondermechanismus handelt. Diese Lösung beruht auf der Unterscheidung der Haftungsbestimmungen in Artikel 51, die für Eisenbahnunternehmen und Motorfahrzeuge gilt. Die Einführung eines besonderen Verfahrens für die dem PBG unterstellten Motorfahrzeuge schien 8741

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nicht opportun, weil auch die europäische Regelung keine Pflicht für diese Unternehmen vorsieht. Die Vorschusspflicht bezieht sich nur auf den Verletzungs- bzw.

Todesfall einer mit der Eisenbahn reisenden Person. Dabei handelt es sich um Pflichten aus dem Transportvertrag und somit um Fälle vertraglicher Haftung.

Art. 52b

Information über die Aufsichtstätigkeit

Die Regelung entspricht Artikel 14 EBG (siehe Erläuterungen dort).

Art. 54 Abs. 1 erster Satz Hier handelt es sich um eine rein redaktionelle Anpassung.

2.9

Bundesgesetz vom 3. Oktober 197583 über die Binnenschifffahrt

Vorbemerkung zu Art. 15a und Art. 15b Art. 15a und Art. 15b BSG der vorliegenden Vorlage sollen kumulativ zu Art. 15a und Art. 15b der Vorlage 16.054 (Botschaft zur Teilrevision des Bundesgesetzes über die Binnenschifffahrt, BBl 2016 6435) gelten; und zwar in der Reihenfolge Aufsichtsbehörde (Art. 15a), Nachprüfungen (Art. 15b), Umbauten und Änderungen (Art. 15c) und Information über die Aufsichtstätigkeit (Art. 15d).

Art. 15a

Aufsichtsbehörde

Die Regelung entspricht inhaltlich Artikel 3 der Schiffbauverordnung vom 14. März 199484. Sie ist aufgrund ihrer Bedeutung auf Gesetzesstufe zu verankern.

Art. 15b

Information über die Aufsichtstätigkeit

Die Regelung entspricht Artikel 14 EBG (siehe Erläuterungen dort).

3

Auswirkungen

Die heutige Marktsituation im Schienenverkehr mit wenigen dominierenden Marktakteuren birgt diverse Diskriminierungspotenziale. Die fortschreitende Liberalisierung des Güter- und des Personenverkehrs wird diese Diskriminierungspotenziale weiter verschärfen. Um Wettbewerbsverzerrungen und Zusatzkosten zu vermeiden, braucht es klare Regeln zum Zusammenspiel zwischen Bahnunternehmen und Infrastrukturbetreiberinnen. Vermehrt gilt es Synergien zu nutzen, um Effizienzsteigerungen zu erwirken, die Interoperabilität sicherzustellen sowie die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden zu berücksichtigen. Gleichzeitig sollen verstärkte regulato83 84

SR 747.201 SR 747.201.7

8742

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rische Massnahmen Diskriminierungspotenziale reduzieren und Diskriminierungen weiterhin verhindern.

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Aufgaben des Bundes und Personalbedarf erhöhen sich geringfügig Die Aufgaben des Bundes erhöhen sich in geringem Masse, bedingt durch die regulatorischen Anpassungen bei der RailCom, der Ausgestaltung der TVS als Anstalt des Bundes, den Passagierrechten sowie den Systemführerschaften. Das BAV ist als Aufsichtsbehörde für die Durchsetzung und Wahrung der Passagierrechte verantwortlich. Deshalb ist mit einem leicht steigenden Personalbedarf von 100 Stellenprozenten zu rechnen.

Die Stärkung der Regulierungsbehörde führt ebenfalls zu einem zusätzlichen Bedarf an Ressourcen. Die SKE beziffert die einmaligen Kosten auf 60 000 Franken. Auch bei der SKE ist mit einer zusätzlichen Vollzeitstelle zu rechnen.

Die vorgesehene Ausgestaltung der TVS führt zu einmaligen Kosten von rund 230 000 Franken für die Gründung der Anstalt und Entwicklungen von Informatikapplikationen. Die erhöhten wiederkehrenden Kosten der TVS betragen rund 500 000 Franken, insbesondere für das von den SBB transferierte Personal im Bereich Inkasso.

Die finanziellen und personellen Auswirkungen der zusätzlichen BAV-Kompetenzen bezüglich Systemführerschaften sind bescheiden. Sie sind abhängig von der Anzahl der beauftragten Systemführerschaften und werden amtsintern mittels einer Priorisierung von Aufgaben kompensiert.

Weitere finanzielle Auswirkungen sind nicht zu erwarten.

3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Auswirkungen gesamthaft neutral bis positiv Neu werden Systemführerschaften im Infrastrukturbereich über den BIF finanziert.

Dies hat insofern Auswirkungen auf die Kantone, als der BIF unter anderem durch Kantonsgelder gespeist wird und dadurch weniger Geld für andere Vorhaben verfügbar ist. Die Kosten für Systemführerschaften im Infrastrukturbereich lassen sich heute nicht quantifizieren, sind aber gering und sollten durch die Synergie- und Effizienzgewinne überkompensiert werden.

Vertragliche Regelungen über die Beziehungen einzelner Transportunternehmen in den Bahnhöfen mit Umsteigebeziehungen bestehen schon heute. Die zunehmende Komplexität, die wachsenden Kosten und auch der Kostendruck seitens der Besteller (Bund, Kantone, Gemeinden) machen aber einlässlichere Regeln als bisher nötig.

Die gesetzliche Verpflichtung zu vertraglichen Regelungen verursacht zwar einen gewissen Mehraufwand. Diesem steht aber als Nutzen eine höhere Planungs- und Finanzierungssicherheit gegenüber.

8743

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Die Kantone sind weiter gefordert, im Rahmen der Aufgabenteilung mit den Gemeinden Regelungen für die Finanzierung von Busstationen aufzustellen, soweit solche noch nicht vorhanden sind.

Es sind keine weiteren Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete zu erwarten.

3.3

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Bahn stärken durch Effizienz, Nutzen von Synergien und Transparenz Hauptziel aller Bemühungen zur Bahnreform in der Schweiz (und in Europa) war es, die Bahn als Verkehrsträger aufzuwerten. Sie soll wettbewerbsfähiger und effizienter werden und wieder einen grösseren Anteil der Gesamtverkehrsleistung erbringen.

Solange die Infrastrukturbetreiberinnen gleichzeitig Eisenbahnverkehrsunternehmen sind, können fremde Netzbenutzer benachteiligt werden. In einem Umfeld, in dem der Wettbewerb zunimmt (beispielsweise im Güterverkehr), stärkt die Vorlage den Wettbewerb. Die zusätzlichen Vorschriften und besonders die verstärkten Mitwirkungsrechte sorgen für mehr Transparenz. Die stärkere Regulierung im Bereich der Systemführerschaften, die Reduzierung diverser Diskriminierungspotenziale und die verstärkten Kompetenzen der Regulierungsbehörden bilden die Grundlagen einer weiterführenden Marktöffnung und Stärkung der Bahn als Verkehrsträger.

Auswirkungen auf Transportunternehmen sind nicht tiefgreifend Von dieser Vorlage sind Auswirkungen auf alle im Bahnmarkt tätigen Unternehmen zu erwarten. Im Zuge der Bahnreform 1 wurden die SBB 1999 aus der Bundesverwaltung ausgegliedert und als eigenständiges Unternehmen (spezialgesetzliche Aktiengesellschaft im Eigentum des Bundes) aufgestellt. Organisatorisch und rechnerisch wurden die Bereiche Infrastruktur und Verkehr getrennt. Diese Struktur hat sich bisher grundsätzlich bewährt. Deshalb will der Bundesrat in der Schweiz auch in Zukunft am System der funktional integrierten Unternehmen festhalten.

Die Regelungen der Vorlage wirken sich in erster Linie auf administrative Abläufe sowie formelle Zuständigkeiten aus. Die Rechte der im Markt tätigen Unternehmen werden gestärkt. Insbesondere bei der Benutzung unternehmensfremder Netze erhalten die Unternehmen, die eine Diskriminierung durch die Netzbetreiberin feststellen, zusätzliche Instrumente. Dies ist speziell im Hinblick auf den bereits liberalisierten Güterverkehr und auf den sich verstärkenden Wettbewerb von Bedeutung. Insbesondere gibt es mehr Transparenz durch die Publikation von Verträgen zur Systemführerschaft oder von Investitionsplänen. Somit wird es für betroffene Kreise einfacher, Einfluss zu nehmen. Die Mitwirkungsrechte sollen auf dem Schienennetz nicht nur Diskriminierungen, sondern auch Fehlinvestitionen
und Mehrkosten verhindern, die sich auch bei integrierten Unternehmen wegen fehlender Koordination zwischen Infrastruktur und Verkehr ergeben können. Durch die Vorlage sind keine tiefgreifenden, strukturellen oder organisatorischen Änderungen in den einzelnen Unternehmen zu erwarten.

8744

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Passagierrechte verursachen moderate Mehrkosten Die gesetzlich verankerten Passagierrechte werden bei den Transportunternehmen im Bereich IT-Systeme sowie für von Prozess- und Kommunikationsmassnahmen einmalige Kosten von insgesamt rund 100 000 bis 200 000 Franken auslösen. Für die wiederkehrenden Kosten ­ insbesondere die erhöhten Rückerstattungsansprüche von Fahrgästen aufgrund von grösseren Verspätungen auf langen Reisen ­ wird eine Erhöhung von jährlich 500 000 Franken geschätzt.

3.4

Auswirkungen auf die Gesellschaft

Bei der Stärkung der Passagierrechte sowohl im Eisenbahn- als auch im internationalen Busverkehr steht der Nutzen für die Kundinnen und Kunden im Vordergrund.

Das Abstimmen der schweizerischen Gesetzgebung auf internationale Standards sorgt bei den öV-Nutzerinnen und -Nutzern für Rechtssicherheit. Dies steigert die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs.

3.5

Auswirkungen auf die Umwelt

Es sind keine Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten.

3.6

Andere Auswirkungen

Es sind keine weiteren Auswirkungen zu erwarten.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 27. Januar 201685 zur Legislaturplanung 2015­ 2019 und im Bundesbeschluss vom 14. Juni 201686 über die Legislaturplanung 2015­2019 unter Ziel 7 (Die Schweiz sorgt für bedürfnisgerechte, zuverlässige und solid finanzierte Verkehrs- und Kommunikationsinfrastrukturen) angekündigt.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungs- und Gesetzmässigkeit

Die Vorlage betrifft hauptsächlich das EBG. Dieses hat seine Verfassungsgrundlage in Artikel 87 BV. Acht weitere Gesetze werden ebenfalls angepasst. Die Vorlage ist verfassungs- und gesetzmässig.

85 86

BBl 2016 1105, hier 1171 und 1221 BBl 2016 5183, hier 5186

8745

BBl 2016

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen

Rechtliches Bindeglied Schweiz ­ EU ist das Landverkehrsabkommen (LVA) Rechtliches Bindeglied zwischen den Eisenbahnlandschaften in der Schweiz und in der EU ist das LVA. Das LVA beruht auf dem Grundsatz der Äquivalenz der Gesetzgebungen der Vertragsparteien. Die Schweiz hat sich verpflichtet, die schweizerische Gesetzgebung mit dem im Bereich des LVA relevanten EU-Recht, das in Anhang 1 des Abkommens aufgeführt ist, in Einklang zu bringen (Art. 52 Abs. 6 LVA, siehe auch Übertitel Anhang 1 LVA: «... wendet die Schweiz Rechtsvorschriften an, die den nachstehend genannten (EU-)Rechtsvorschriften gleichwertig sind»). Das LVA beinhaltet nicht die Verpflichtung zu einer integralen Übernahme des relevanten neuen EU-Rechts im Eisenbahnbereich. Ziel des Abkommens ist jedoch eine weitestmögliche Angleichung der Regeln, die in diesem Bereich in der Schweiz und in der EU gelten, um das gute Funktionieren des Abkommens auch für die Zukunft zu gewährleisten (vgl. insb. Art. 52 Abs. 4 LVA).

Die Schweiz hat bisher Teile der ersten drei EU-Eisenbahnpakete übernommen Der Eisenbahn-Binnenmarkt wurde in der EU in den letzten Jahren im Rahmen der sogenannten Bahnpakete reformiert. Die Schweiz hat bis anhin gewisse Teile der ersten beiden Bahnpakete übernommen. Einige Themen der ersten beiden Bahnpakete blieben bisher jedoch ausgeklammert; so wurden insbesondere Fragen bezüglich der Unabhängigkeit der Trassenvergabestelle und der Organisationsstruktur von Eisenbahnunternehmen sowie ein allfälliger Beitritt der Schweiz zur EU-Eisenbahnagentur (ERA) noch nicht abschliessend behandelt. Vom dritten Bahnpaket, das u.a.

die Passagierrechte betrifft, wurden bisher erst die Bestimmungen zur Zertifizierung von Triebfahrzeugführern berücksichtigt.

Die Vorschläge orientieren sich an den Richtlinien des ersten Eisenbahnpakets der EU, abgeändert durch deren am 21. November 2012 verabschiedete Neufassung (Recast), sowie an der Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 des dritten Eisenbahnpakets.

Zudem wird die Verordnung (EU) Nr. 181/2011 für den grenzüberschreitenden Kraftomnibusverkehr inhaltlich vollständig ins schweizerische Recht übertragen (vgl. Ziff. 1.6.5).

EU entwickelt ihr Recht derzeit mit dem vierten Eisenbahnpaket weiter Die Europäische Kommission hat am 30. Januar 2013 den Vorschlag für ein viertes Eisenbahnpaket
veröffentlicht. Dieser sieht eine weitgehende Marktöffnung im nationalen Personenverkehr sowie eine stärkere institutionelle Trennung von Infrastruktur und Verkehr vor. Dieses Vorhaben sorgte bisher in verschiedenen Mitgliedstaaten für Diskussionen. Vor allem hinsichtlich der strikten Trennung von Infrastruktur und Verkehr besteht bislang kein Konsens. Das Europäische Parlament und der Europäische Rat haben zum vierten Eisenbahnpaket bis zur Verabschiedung dieser Botschaft noch keinen Beschluss gefasst. Dessen Inhalte und der aktuelle Stand der Beratung wurden unter Ziffer 1.6.4 näher erläutert.

8746

BBl 2016

Die Schweiz übernimmt bestehende EU-Gesetzgebung äquivalent, soweit dies vertretbar ist Das bewährte Schweizer Eisenbahnsystem, basierend auf integrierten Unternehmen, soll beibehalten und vor allem im Bereich Infrastruktur transparent, effizient und entwicklungsfähig ausgestaltet werden. Soweit die bestehende EU-Gesetzgebung diesem Ansatz entspricht, soll sie übernommen werden.

5.3

Erlassform

Die Vorlage umfasst mehrere Erlasse auf Gesetzesstufe. Es werden ausnahmslos bestehende Gesetze geändert, zwischen denen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht, sodass sich ihre Zusammenfassung in einem Mantelerlass anbietet. Dieser Mantelerlass unter dem Sammeltitel «Bundesgesetz über die Organisation der Bahninfrastruktur» untersteht als Ganzes dem fakultativen Referendum. Die Änderungen der einzelnen darin zusammengefassten Gesetze werden auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens in den betroffenen Gesetzen vorgenommen und damit wirksam.

5.4

Einhaltung der Subventionsgesetzgebung

Die Vorlage hat nur am Rande neue Subventionstatbestände zum Inhalt. Ein Teil der Kosten der TVS (Wahrnehmung übergeordneter Aufgaben) kann nicht über Gebühren der Infrastrukturbetreiberinnen gedeckt werden, sondern geht zulasten der allgemeinen Bundeskasse. Ungedeckte Kosten bei der Übertragung von Systemaufgaben auf Dritte (Systemführerschaft) gehen, soweit die Infrastruktur betroffen ist, zulasten des BIF. Im Verkehrsbereich erfolgt die Finanzierung hingegen aus der allgemeinen Bundeskasse.

5.5

Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Gemäss Artikel 48 Absatz 2 RVOG bedarf die Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen auf Gruppen und Ämter einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage. Der Entwurf enthält folgende Rechtsetzungsdelegationen an den Bundesrat: ­

Eisenbahngesetz: Artikel 9c Absatz 6 (Grundsätze für Trassenpreise), 9f Absatz 5 (Ausnahme von Teilen des Netzes von der Zuständigkeit der TVS), 9o Absatz 2 (Gebühren der TVS), 9v (u.a. Präzisierung der Aufgaben der TVS, Informationspflichten der Eisenbahnverkehrsunternehmen und der Infrastrukturbetreiberinnen, Rechnungslegungsvorschriften) und 40asepties Absatz 3 (Gebühren RailCom);

­

Seilbahngesetz: Artikel 16 Absatz 3 (Infrastrukturkosten);

­

Personenbeförderungsgesetz: Artikel 21b Absatz 5 (Fahrpreisentschädigung) und 21c Absatz 2 (Unterstützungspflicht) sowie Artikel 44a Absatz 3 (Vorschusspflicht).

8747

BBl 2016

Für die Begründung dieser Delegationen wird auf die Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen verwiesen.

Im Übrigen enthält der Entwurf in den Artikeln 9m Absatz 3 EBG (Personeninformationssystem) und 9u Absatz 2 EBG (Infrastrukturregister) Delegationen an die TVS für den Erlass von Ausführungsbestimmungen zur Datenbearbeitung bzw. Personaladministration. Für Artikel 9m Absatz 3 rechtfertigt sich die Delegation an die TVS damit, dass es um spezifische Ausführungsbestimmungen mit hohem Detaillierungsgrad geht, die teilweise von bloss interner Tragweite oder bloss technischer Natur sind. Für Artikel 9u Absatz 2 wird auf die Erläuterungen verwiesen.

5.6

Datenschutz

Die Vorlage enthält in Artikel 40ater EBG eine Rechtsgrundlage für die RailCom, damit diese Daten mit den Regulierungsbehörden anderer Staaten austauschen kann.

Darüber hinaus enthält Artikel 40aquater EBG die Rechtsgrundlage für die Datenbearbeitung, die für die Überwachung des Eisenbahnmarktes durch die RailCom (Art. 40ater Abs. 2 EBG) erforderlich ist. Schliesslich bestehen Regelungen über die Daten, welche die TVS zur Führung des Infrastrukturregisters bearbeiten muss (Art. 9u EBG), sowie Übergangsbestimmungen zur Übergabe von Daten an die TVS. Die Regelungen entsprechen den Grundsätzen des Datenschutzes, da sie verhältnismässig sind und keine Bearbeitung besonders schützenswerter Personendaten vorsehen.

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