16.048 Botschaft zur Änderung des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes (Umsetzung von Art. 123c BV) vom 3. Juni 2016

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes zur Umsetzung der Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen» (Art. 123c BV).

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

3. Juni 2016

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Johann N. Schneider-Ammann Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2015-2833

6115

Übersicht Der Bundesrat schlägt vor, die neue Verfassungsbestimmung «Massnahme nach Sexualdelikten an Kindern oder an zum Widerstand unfähigen oder urteilsunfähigen Personen» im Strafgesetzbuch und im Militärstrafgesetz basierend auf den Bestimmungen des bestehenden Tätigkeitsverbots, die am 1. Januar 2015 in Kraft getreten sind, umzusetzen. Das neue Tätigkeitsverbot soll sich dabei eng an den Wortlaut dieser Verfassungsbestimmung halten und damit dem darin anvisierten Automatismus betreffend Anordnung eines zwingend lebenslänglichen Verbots weitestgehend Rechnung tragen. Den bestehenden Verfassungsgrundsätzen soll Rechnung getragen werden mit einer eng formulierten Ausnahmebestimmung, wonach das Gericht für besonders leichte Fälle ausnahmsweise von einem Tätigkeitsverbot absehen kann, sowie mit Bestimmungen zum Vollzug des Tätigkeitsverbots.

Ausgangslage Volk und Stände haben am 18. Mai 2014 die Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen» angenommen. Die Bundesverfassung wurde mit Artikel 123c BV ergänzt, wonach Personen, die verurteilt werden, weil sie die sexuelle Unversehrtheit eines Kindes oder einer abhängigen Person beeinträchtigt haben, endgültig das Recht verlieren, eine berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit mit Minderjährigen oder Abhängigen auszuüben.

Inhalt der Vorlage Die Bestimmungen zur Anordnung des vorgeschlagenen Tätigkeitsverbots orientieren sich eng am Wortlaut von Artikel 123c BV. Das Tätigkeitsverbot wird vom Strafgericht ausgesprochen, das eine erwachsene Person wegen einer bestimmten Sexualstraftat an einer minderjährigen, schutzbedürftigen, zum Widerstand unfähigen oder urteilsunfähigen Person oder einer Person, die sich aufgrund einer körperlichen oder psychischen Abhängigkeit nicht zur Wehr setzen konnte, zu einer Strafe verurteilt oder gegen sie eine Massnahme anordnet. Die Deliktskataloge der Anlasstaten sind umfassend ausgestaltet und enthalten nebst Verbrechen und Vergehen auch Übertretungen gegen die sexuelle Integrität. Die Anordnung des Tätigkeitsverbots soll ­ grundsätzlich unabhängig von den Umständen des Einzelfalls und der Höhe der konkret ausgesprochenen Strafe ­ zwingend angeordnet werden und lebenslänglich dauern.

Die neue Verfassungsbestimmung steht im Konflikt mit anderen Verfassungsgrundsätzen (insb. dem Verhältnismässigkeitsprinzip)
und dem Völkerrecht, namentlich der Europäischen Menschenrechtskonvention. Um diesen Konflikt möglichst klein zu halten, schlägt der Entwurf eine Ausnahmebestimmung vor: In besonders leichten Fällen, in denen das Tätigkeitsverbot nicht notwendig erscheint, um den Täter vor weiteren einschlägigen Sexualstraftaten abzuhalten, soll das Gericht ausnahmsweise auf die Anordnung eines solchen Verbots verzichten können. Bei gewissen Anlass-

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taten und generell bei pädophilen Tätern soll der Verzicht auf die Anordnung jedoch ausgeschlossen sein.

Die Widersprüche zwischen Artikel 123c BV und den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Verfassung sollen im Rahmen des Vollzugs des vorgeschlagenen Verbots (zusätzlich) gemildert werden: Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Tätigkeitsverbot frühestens nach zehn Jahren des Vollzugs auf Gesuch des Verurteilten hin überprüft und inhaltlich oder zeitlich eingeschränkt oder aufgehoben werden. Bei pädophilen Straftätern ist diese Überprüfungsmöglichkeit jedoch ausgeschlossen.

Der Vollzug des Tätigkeitsverbots soll ­ wie im geltenden Recht ­ mittels Strafregisterauszug (insb. Sonderprivatauszug) und Bewährungshilfe stattfinden.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Chronologie der Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen» 1.2 Tätigkeitsverbot und Kontakt- und Rayonverbot gemäss geltendem Recht 1.3 Rahmenbedingungen für die Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmung auf Gesetzesstufe 1.3.1 Konkretisierungsbedürftige Rechtsnormen 1.3.2 Grundsätze zur Auslegung von neuen Verfassungsbestimmungen 1.3.3 Beschränkung von Grundrechten und Verhältnismässigkeit 1.3.4 Verhältnis von Völkerrecht und Volksinitiativen 1.3.5 Elemente von Artikel 123c BV 1.3.6 Vernehmlassungsvorlage des Bundesrates 1.3.7 Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens 1.4 Die beantragte Neuregelung 1.4.1 Einleitung 1.4.2 Kreis der betroffenen Täter 1.4.3 Anlasstaten 1.4.4 Konkretisierung des Begriffs «Verurteilung» 1.4.5 Geschützte Opfer 1.4.6 Ausschluss des Strafbefehlsverfahrens 1.4.7 Richterliches Ermessen 1.4.8 Verlust des Rechts auf Ausübung einer beruflichen oder ausserberuflichen Tätigkeit 1.4.9 Tätigkeit mit minderjährigen, besonders schutzbedürftigen, abhängigen, zum Widerstand unfähigen und urteilsunfähigen Personen 1.4.10 Vollzug des Tätigkeitsverbots 1.4.11 Zeitliche Geltung und Rückwirkungsverbot 1.4.12 Örtliche Geltung 1.4.13 Parallele Regelungen im Militärstrafgesetz 1.5 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.6 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

6120 6120

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 2.1 Strafgesetzbuch 2.2 Militärstrafgesetz

6158 6158 6175

2

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6120 6121 6123 6123 6124 6125 6126 6126 6132 6133 6134 6134 6134 6136 6138 6139 6142 6145 6147 6148 6149 6154 6154 6154 6155 6157

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3

Auswirkungen 3.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund 3.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

6175 6175 6176

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

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5

Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.1.1 Gesetzgebungskompetenz 5.1.2 Grundrechtskonformität 5.1.3 Unterstellung unter die Ausgabenbremse 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.2.1 Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundrechtsfreiheiten (EMRK) 5.2.2 Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UNO-Pakt I) 5.2.3 Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II) 5.2.4 Übereinkommen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (Kinderrechts-Konvention) 5.2.5 Übereinkommen des Europarates vom 25. Oktober 2007 zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (Lanzarote-Konvention)

6177 6177 6177 6177 6182 6182 6182 6184 6184 6184 6185

Verwendete Literatur

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Materialien

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Strafgesetzbuch und Militärstrafgesetz (Umsetzung von Art. 123c BV) (Entwurf)

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Chronologie der Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen»

Am 29. Oktober 2009 wurde die Unterschriftenliste zur eidgenössischen Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr Kindern arbeiten dürfen» bei der Bundeskanzlei eingereicht und von dieser anschliessend vorgeprüft.1 Die Initiative wurde am 20. April 2011 mit der notwendigen Anzahl Unterschriften eingereicht. Mit Verfügung vom 16. Mai 2011 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Initiative mit 111 681 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist.2 Die Initiative sah vor, dass Personen, die verurteilt werden, weil sie die sexuelle Unversehrtheit eines Kindes oder einer abhängigen Person beeinträchtigt haben, endgültig das Recht verlieren, eine berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit mit Minderjährigen oder Abhängigen auszuüben.

Die Initiative hatte die Form eines ausgearbeiteten Entwurfs. Der Bundesrat unterbreitete dazu einen indirekten Gegenvorschlag. Dieser sah unter anderem eine Ausdehnung des bestehenden Berufsverbots auf ausserberufliche Tätigkeiten und zwei schärfere Formen eines Tätigkeitsverbots für Straftaten gegen minderjährige oder besonders schutzbedürftige Personen vor. Diese Vorschläge wurden durch ein neues Kontakt- und Rayonverbot ergänzt. Bei den neuen Verboten sollten der verfassungsmässige Grundsatz der Verhältnismässigkeit und die Bestimmungen des Völkerrechts beachtet werden.3 Die eidgenössischen Räte haben die Bestimmungen des indirekten Gegenvorschlags als selbstständige Gesetzesvorlage ­ losgelöst von der Volksinitiative ­ beraten und in der Schlussabstimmung vom 13. Dezember 2013 angenommen.4 Die Gesetzesänderung ist am 1. Januar 2015 in Kraft getreten (vgl.

Ziff. 1.1.2).5 In der Abstimmung vom 18. Mai 2014 wurde die Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen» vom Volk mit 1 818 822 Ja gegen 1 044 704 Nein und von allen Ständen angenommen.6

1 2

3 4 5 6

BBl 2009 7021 Verfügung der Bundeskanzlei vom 16. Mai 2011 über das Zustandekommen der Eidgenössischen Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», BBl 2011 4435 Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», Ziff. 6.7.1.

BBl 2013 9683 AS 2014 2055 BBl 2014 6349

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Artikel 123c der Bundesverfassung7 (BV) ist im 10. Abschnitt «Zivilrecht, Strafrecht, Messwesen» eingeordnet und lautet wie folgt: 8 Art. 123c

Massnahme nach Sexualdelikten an Kindern oder an zum Widerstand unfähigen oder urteilsunfähigen Personen

Personen, die verurteilt werden, weil sie die sexuelle Unversehrtheit eines Kindes oder einer abhängigen Person beeinträchtigt haben, verlieren endgültig das Recht, eine berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit mit Minderjährigen oder Abhängigen auszuüben.

1.1.2

Tätigkeitsverbot und Kontakt- und Rayonverbot gemäss geltendem Recht

Wie oben unter Ziffer 1.1.1 erwähnt, sind am 1. Januar 2015 die neuen Bestimmungen zum Tätigkeitsverbot und zum Kontakt- und Rayonverbot in Kraft getreten (Art. 67 ff. des Strafgesetzbuchs9, StGB); diese werden nachfolgend kurz zusammengefasst:10 Allgemeines Tätigkeitsverbot (Art. 67 Abs. 1 StGB) Das bislang geltende Berufsverbot (Art. 67 Abs. 1 aStGB) wurde dahingehend angepasst, dass nicht nur berufliche, sondern auch organisierte ausserberufliche Tätigkeiten verboten werden können.

Voraussetzung für die Anordnung dieses Tätigkeitsverbots ist die Verurteilung des Täters wegen eines Verbrechens oder Vergehens zu einer Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe oder 180 Tagessätzen Geldstrafe. Spricht das Gericht den Täter wegen Schuldunfähigkeit frei (Art. 19 Abs. 1 StGB), so kann es dennoch ein Tätigkeitsverbot anordnen (Art. 19 Abs. 3 StGB). Dasselbe gilt, wenn das Gericht die Strafe aufgrund verminderter Schuldfähigkeit mildert, sodass die Strafgrenze nicht erreicht wird. Des Weiteren muss der Täter die Straftat in Ausübung der zu verbietenden Tätigkeit begangen haben, und es muss die Gefahr bestehen, dass er die Tätigkeit zur Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen missbraucht (negative Prognose).

Die Dauer des Verbots beträgt sechs Monate bis fünf Jahre; eine Verlängerung ist ausgeschlossen (Art. 67 Abs. 6 StGB).

Nach zwei Jahren des Vollzugs kann der Täter die zuständige Behörde um Überprüfung des Tätigkeitsverbots ersuchen (Art. 67c Abs. 5 Bst. a StGB). Unter gewissen Voraussetzungen kann das Tätigkeitsverbot während des Vollzugs erweitert oder ein zusätzliches Verbot angeordnet werden (Art. 67d Abs. 1 StGB). Auch eine nach-

7 8 9 10

SR 101 AS 2014 2771 SR 311.0 Zu den Einzelheiten vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», Ziff. 6.

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trägliche Anordnung des Verbots während des Vollzugs einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Massnahme ist nicht ausgeschlossen (Art. 67d Abs. 2 StGB).

Qualifiziertes Tätigkeitsverbot (Art. 67 Abs. 2­4 StGB) Zum Schutz von Minderjährigen und anderen besonders schutzbedürftigen Personen sieht Absatz 2 ein verschärftes Tätigkeitsverbot vor. Der besondere Schutz besteht darin, dass das Verbot auch aufgrund eines Verbrechens oder Vergehens gegen Minderjährige oder andere besonders schutzbedürftige Personen angeordnet werden kann, das nicht in Ausübung der zu verbietenden Tätigkeit begangen worden ist. Das Verbot ist zudem an keine Mindeststrafe gebunden (bei Straflosigkeit aufgrund von Schuldunfähigkeit vgl. oben). Allerdings muss die Gefahr bestehen, dass der Täter in Ausübung einer Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt mit dem erwähnten Opferkreis beinhaltet, weitere einschlägige Straftaten begeht (negative Prognose).

Die Dauer des Verbots beträgt ein bis zehn Jahre, wenn nötig lebenslänglich (Art. 67 Abs. 2 und 6 StGB). Nach Ablauf der Dauer eines befristeten Verbots kann das Gericht dieses um jeweils höchstens fünf Jahre verlängern, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 67 Abs. 6 StGB).

Ein befristetes Verbot kann nach der Hälfte der Verbotsdauer, jedoch frühestens nach drei Jahren des Vollzugs überprüft werden (Art. 67c Abs. 5 Bst. b StGB), ein lebenslängliches Verbot erst nach zehn Jahren des Vollzugs (Art. 67c Abs. 5 Bst. d StGB).

Handelt es sich bei der Anlasstat hingegen um eine Sexualstraftat, die an einer minderjährigen oder besonders schutzbedürftigen Person begangen wurde, so sehen die Absätze 3 und 4 ­ im Gegensatz zum Verbot nach den Absätzen 1 und 2 ­ ein zwingendes Tätigkeitsverbot vor.

Voraussetzung ist, dass die Anlasstat mit einer Mindeststrafe (sechs Monate Freiheitsstrafe oder 180 Tagessätze Geldstrafe) sanktioniert oder gegen den Täter eine Massnahme (i. S. v. Art. 59­61 oder 64 StGB) angeordnet wurde. Das Verbot kann auch aufgrund von Straftaten angeordnet werden, die nicht in Ausübung der zu verbietenden Tätigkeit begangen worden sind. Es wird zudem keine negative Prognose vorausgesetzt.

Die Dauer des zwingenden Tätigkeitsverbots beträgt zehn Jahre, wenn nötig lebenslänglich (Art. 67 Abs. 6 StGB). Nach Ablauf der Dauer eines befristeten Verbots kann
das Gericht dieses um jeweils höchstens fünf Jahre verlängern, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Art. 67 Abs. 6 StGB).

Ein befristetes Verbot kann nach fünf Jahren des Vollzugs überprüft werden (Art. 67c Abs. 5 Bst. c StGB), ein lebenslängliches Verbot erst nach zehn Jahren (Bst. d). Unter gewissen Voraussetzungen kann das Tätigkeitsverbot nach den Absätzen 2­4 während des Vollzugs erweitert oder ein zusätzliches Verbot angeordnet werden (Art. 67d Abs. 1 StGB). Auch eine nachträgliche Anordnung des Verbots während des Vollzugs einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Massnahme ist nicht ausgeschlossen; diese Möglichkeit ist jedoch auf das Tätigkeitsverbot nach Absatz 2 beschränkt (Art. 67d Abs. 2 StGB).

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Kontakt- und Rayonverbot (Art. 67b StGB) Zum Schutz einzelner konkreter möglicher Opfer insbesondere vor häuslicher Gewalt und zwanghafter Belästigung (sog. «Stalking») sieht Artikel 67b StGB ein Kontakt- und Rayonverbot vor. Dieses Verbot ist nicht ausschliesslich auf Taten ausgerichtet, die an minderjährigen oder an besonders schutzbedürftigen Personen begangen werden.

Das Kontakt- und Rayonverbot setzt voraus, dass der Täter ein Verbrechen oder Vergehen begangen hat. Es wird keine Mindeststrafe vorausgesetzt. Die Straftat muss gegen eine oder mehrere bestimmte, das heisst namentlich nennbare Personen oder gegen Personen einer bestimmten Gruppe begangen worden sein, damit ein entsprechendes Kontaktverbot kontrolliert und durchgesetzt werden kann. Voraussetzung für die Anordnung des Verbots ist zudem, dass die Gefahr besteht, dass der Täter bei einem Kontakt zu diesen Personen weitere Verbrechen oder Vergehen begehen wird (Art. 67b Abs. 1 StGB).

Mit dem Kontakt- und Rayonverbot kann dem Täter namentlich verboten werden, mit den oben genannten Personen Kontakt aufzunehmen (vgl. Art. 67b Abs. 2 Bst. a StGB), sich einer bestimmten Person zu nähern oder sich in einem bestimmten Umkreis ihrer Wohnung (Bst. b) oder an bestimmten Orten aufzuhalten (Bst. c).

Das Verbot kann für die Dauer von bis zu fünf Jahren verhängt (Art. 67b Abs. 1 StGB) und auf Antrag der zuständigen Behörde jeweils um höchstens fünf Jahre verlängert werden, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 67b Abs. 5 StGB).

Das Kontakt- und Rayonverbot kann nach zwei Jahren des Vollzugs überprüft werden (Art. 67c Abs. 5 Bst. a StGB). Auch das Kontakt- und Rayonverbot kann während des Vollzugs erweitert oder es kann ein zusätzliches Verbot angeordnet werden (Art. 67d Abs. 1 StGB); auch eine nachträgliche Anordnung des Verbots während des Vollzugs einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Massnahme ist möglich (Art. 67d Abs. 2 StGB).

1.2

Rahmenbedingungen für die Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmung auf Gesetzesstufe

1.2.1

Konkretisierungsbedürftige Rechtsnormen

Wie schon in der Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen» ausgeführt, enthält Artikel 123c BV unbestimmte Begriffe, deren genauer Anwendungsbereich nicht unmittelbar bestimmt werden kann. Artikel 123c BV enthält zudem keine Bestimmungen dazu, wie das Tätigkeitsverbot konkretisiert und in die Praxis umgesetzt werden soll.11 Er ist daher nicht direkt anwendbar, sondern muss vom Gesetzgeber auf Gesetzesstufe konkretisiert und ergänzt werden.

11

Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», Ziff. 3.1.2 und 4.3.

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Artikel 123c BV soll auf der Basis der geltenden, am 1. Januar 2015 in Kraft getretenen Bestimmungen zum Tätigkeitsverbot (Art. 67 ff. StGB; vgl. Ziff. 1.1.2) umgesetzt werden.

Die Bestimmungen zum Kontakt- und Rayonverbot (Art. 67b StGB) sollen hingegen nicht angepasst werden. Artikel 123c BV verlangt kein solches Verbot.12

1.2.2

Grundsätze zur Auslegung von neuen Verfassungsbestimmungen

Grundsätzlich ist bei der Auslegung der Verfassung ­ nicht anders als bei der Auslegung von Gesetzes- und Verordnungsnormen ­ vom Wortlaut einer Norm auszugehen (grammatikalisches Auslegungselement). Ist der Text unklar oder lässt er verschiedene Deutungen zu, muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden. Dabei sind weitere Auslegungselemente zu berücksichtigen, wie namentlich die Entstehungsgeschichte der Norm (historisches Auslegungselement) und ihr Zweck (teleologisches Auslegungselement). Wichtig ist zudem die Bedeutung, die der Norm im Kontext mit anderen Bestimmungen zukommt (systematisches Auslegungselement).

Bei der Gesetzes- wie bei der Verfassungsauslegung findet nicht ein bestimmtes Auslegungselement vorrangig oder sogar ausschliesslich Anwendung. Vielmehr werden die Auslegungselemente nebeneinander berücksichtigt. Es muss im Einzelfall abgewogen werden, welche Methode (bzw. Methodenkombination) geeignet ist, den Normsinn der auszulegenden Verfassungsbestimmung korrekt wiederzugeben (sog. Methodenpluralismus).13 Der Wille der Initiantinnen und Initianten einer neuen Verfassungsnorm ist nicht ausschlaggebend. Er kann aber etwa im Rahmen der historischen Auslegung berücksichtigt werden.14 Eine Besonderheit der Verfassungsauslegung besteht in der Offenheit der Rechtsnormen. So sind Gesetzgebungsaufträge in Aufgabennormen in ihrem Aussagegehalt oft relativ unbestimmt und halten nur einen ersten Konsens über Notwendigkeit, Bereich und Zweck einer Staatsaufgabe fest. Bei der Interpretation solcher Normen geht es denn häufig auch weniger um die Auslegung als um eine Konkretisierung.

Solange der Verfassungsgeber nicht selber einzelnen Verfassungsbestimmungen eine ausdrückliche Werthierarchie unterlegt, gilt zudem der Grundsatz der Gleichwertigkeit der Verfassungsnormen.15 Zwei Einschränkungen sind aber zu berücksichtigen: Soweit die Bundesverfassung zwingende Bestimmungen des Völkerrechts ausdrücklich wiedergibt, gehen diese Normen den «gewöhnlichen» Verfassungsnormen vor.16 Zudem kann sich nach Abwägung aller im Einzelfall relevanten Elemente der Vorrang einer Verfassungsnorm ergeben. Die für die Auslegung des Gesetzesrechts entwickelten Prinzipien, wonach das spätere Recht dem früheren («lex posterior derogat legi priori») und die speziellere der allgemeinen Norm vor12 13 14 15 16

Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», Ziff. 6.2.6.

Häfelin/Haller/Keller 2012, N. 130.

Bericht Verhältnis Völkerrecht und Landesrecht, Ziff. 8.7.1.2.

Tschannen 2011, § 4 N. 13, § 9 N. 5; Müller 2010 N. 7; Vgl. auch BGE 105 Ia 330, E. 3c.

Tschannen 2011, § 4 N. 16.

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gehe («lex specialis derogat legi generali»), dürfen bei der Verfassungsinterpretation jedoch nicht schematisch angewendet werden.17 Bei der Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmungen sind zusätzlich zu den allgemeinen Auslegungselementen zwei verfassungsspezifische Auslegungselemente zu berücksichtigen: ­

Die «harmonisierende Auslegung»18 (oder die Herstellung praktischer Konkordanz), wonach der Gesetzgeber gehalten ist, alle von der Sache berührten Verfassungsanliegen mit zu bedenken. Verfassungsnormen sind so zu interpretieren, dass Widersprüche innerhalb der Verfassung nach Möglichkeit vermieden werden.

­

Die völkerrechtskonforme Auslegung: Das Völkerrecht ist zu «beachten» (Art. 5 Abs. 4 BV). Darauf basiert die Verpflichtung aller Staatsorgane, im Rahmen ihrer rechtsetzenden oder rechtsanwendenden Tätigkeit die Verfassungsnormen (soweit nötig und möglich) völkerrechtskonform auszulegen.

1.2.3

Beschränkung von Grundrechten und Verhältnismässigkeit

Einschränkungen von Grundrechten bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, müssen durch ein öffentliches Interesse oder den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt und verhältnismässig sein (Art. 36 Abs. 1­3 BV). Dies bedeutet, dass der Eingriff für die Verwirklichung des öffentlichen Interesses oder den Schutz der Grundrechte Dritter geeignet, erforderlich und auch zumutbar sein muss.

Dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz kommt bei der Konkretisierung von Verfassungsnormen eine besondere Bedeutung zu. Neben seiner Funktion als Voraussetzung für die Beschränkung von Grundrechten ist er durch die Bundesverfassung ausdrücklich in Artikel 5 Absatz 2 als «Grundsatz rechtsstaatlichen Handelns» gewährleistet. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit staatlicher Massnahmen durchzieht als Leitgedanke die gesamte Verfassungs- und Rechtsordnung; im Strafrecht ist er insbesondere bei der Anordnung von Massnahmen zu beachten, und bei der Verhängung von Strafen ist er im Verschuldensprinzip angelegt.

In Übereinstimmung mit der Lehre erblickt das Bundesgericht im Grundsatz der Verhältnismässigkeit ein Grundprinzip, das in allen Gebieten des öffentlichen Rechts massgebend sein soll, also das gesamte Verwaltungsrecht beherrscht und sowohl in der Rechtsanwendung als auch in der Rechtsetzung gilt.19 Einig sind sich Lehre und Praxis auch in der Funktion des Verhältnismässigkeitsprinzips. «Der Verhältnismässigkeitsgrundsatz ist zum Schutz der Bürger gegen übermässige Bindungen [...] aufgestellt.»20 Da der Grundsatz das gesamte Staatshandeln leitet,

17 18 19 20

Tschannen 2011, § 4 N. 16.

Rhinow/Schefer 2009, N. 524, 529; Hangartner 2011, S. 473.

BGE 96 I 234 E. 5 BGE 102 Ia 234 E. 5c. Vgl. auch Botschaft neue Bundesverfassung, BBl 1997 I 1, hier 131.

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kommt er auch bei der Verfassungsinterpretation zur Anwendung (im Rahmen der harmonisierenden und der völkerrechtskonformen Auslegung).

1.2.4

Verhältnis von Völkerrecht und Volksinitiativen 21

Volksinitiativen, die gegen die zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts verstossen, sind ungültig und dem Volk nicht zur Abstimmung zu unterbreiten. Volksinitiativen, die gegen übriges Völkerrecht verstossen, sind hingegen gültig und müssen von den Behörden umgesetzt werden, wenn sie von Volk und Ständen angenommen worden sind (Art. 139 Abs. 3, 193 Abs. 4, 194 Abs. 2 und 195 BV).

Völkerrechtswidriges Verfassungsrecht sollte eine zeitlich begrenzte Ausnahme darstellen; dies gebieten die Verfassung (Art. 5 Abs. 4 BV), die aussenpolitischen Interessen der Schweiz und die Bedeutung des Völkerrechts für ein friedliches Zusammenleben der Staaten. Wird eine gegen nicht zwingendes Völkerrecht verstossende Volksinitiative angenommen, werden sich Gesetzgeber und Behörden bemühen, diese völkerrechtskonform umzusetzen. Dabei ist es nicht immer leicht, sowohl den Willen des Verfassungsgebers als auch die völkerrechtlichen Verpflichtungen voll zu berücksichtigen, sodass allenfalls eine Neuaushandlung oder Kündigung des Vertrags oder eine Verletzung der internationalen Verpflichtungen der Schweiz in Betracht zu ziehen ist.

Probleme ergeben sich bei unkündbaren Verträgen oder Verpflichtungen, welche die Schweiz aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht auflösen will. In diesen Fällen könnte es zu einer dauerhaften Verletzung des Völkerrechts kommen. Wenn der betreffende Vertrag einen Kontrollmechanismus vorsieht, setzt sich die Schweiz der Gefahr aus, durch ein internationales Organ verurteilt zu werden. Im Falle der Konvention vom 4. November 195022 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) muss ein Urteil des Gerichtshofs, das eine Verletzung der EMRK feststellt, umgesetzt werden; die Umsetzung wird durch das Ministerkomitee des Europarats überwacht. Nach der ständigen Praxis des Ministerkomitees hat sich die Umsetzung nicht auf die Lösung des Einzelfalls zu beschränken. Der Staat muss auch allgemeine Massnahmen ergreifen, um eine gleichartige Verletzung der EMRK zu vermeiden.

1.2.5

Elemente von Artikel 123c BV

Voraussetzungen Die in Artikel 123c BV vorgesehene Rechtsfolge (zwingend lebenslängliches Tätigkeitsverbot mit Minderjährigen oder Abhängigen) soll bei einer Verurteilung wegen einer Straftat, welche die sexuelle Unversehrtheit eines Kindes, einer abhängigen Person oder einer Person, die zum Widerstand unfähig oder urteilsunfähig ist, beeinträchtigt hat, eintreten.

21 22

Bericht Verhältnis Völkerrecht und Landesrecht, Ziff. 8.7 und 9.6.

SR 0.101

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Kreis der erfassten Täter Im Titel der Initiative sowie in deren Begründung23 wird der Begriff «Pädophile» zur Bezeichnung der erfassten Täter verwendet.

Pädophilie ist eine klinisch anerkannte psychische Störung. Grundlage für eine Diagnoseerstellung im konkreten Fall bilden die folgenden beiden internationalen Klassifikationssysteme: ­

die «Internationale und statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsstörungen» (IDC-10) der Weltgesundheitsorganisation WHO;

­

das amerikanische «Diagnostische und statistische Manual psychischer Störungen» (DSM-5).

Gemäss ICD-10 wird die Pädophilie als «Sexuelle Präferenz für Kinder, Jungen oder Mädchen oder Kinder beiderlei Geschlechts, die sich meist in der Vorpubertät oder in einem frühen Stadium der Pubertät befinden», definiert.24 Es reicht für eine Diagnose nach diesen Kriterien aus, dass der Betroffene Gedanken hinsichtlich sexueller Handlungen mit Kindern hegt, ohne dass er diese tatsächlich ausleben müsste.25 Das DSM-5 definiert die diagnostischen Kriterien für Pädophilie wie folgt: A.

Über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten wiederkehrende intensive sexuell erregende Phantasien, sexuell dranghafte Bedürfnisse oder Verhaltensweisen, die sexuelle Handlungen mit einem präpubertären Kind oder Kindern (in der Regel 13 Jahre oder jünger) beinhalten.

B.

Die Person hat die sexuell dranghaften Bedürfnisse ausgelebt oder die sexuell dranghaften Bedürfnisse oder Fantasien verursachen deutliches Leiden oder zwischenmenschliche Schwierigkeiten.

C.

Die Person ist mindestens 16 Jahre alt und mindestens 5 Jahre älter als das Kind oder die Kinder nach Kriterium A.26

In der Sachüberschrift und im Normtext von Artikel 123c BV wird der Begriff «Pädophile» nicht erwähnt. Die Formulierung ist breiter gefasst. Es ist generell von Personen die Rede, die eine Straftat an einem Kind, an einer zum Widerstand unfähigen, urteilsunfähigen oder abhängigen Person begangen haben.

Aus Artikel 123c BV geht nicht hervor, ob zum Kreis der erfassten Täter ­ nebst erwachsenen ­ auch minderjährige Personen gehören sollen.

23 24

25 26

Erläuterungen des Bundesrates zur Volksabstimmung, S. 21 (Argumente des Initiativkomitees).

Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (10. Revision), Kapitel V (F), Psychische und Verhaltensstörungen; abrufbar unter folgender Internetadresse des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentationen und Informationen (DIMDI): www.dimdi.de > Klassifikationen, Terminologien, Standards > Quicklinks > ICD-10-WHO 2016 > Kapitel V > F60-F69 > F65.4 (Stand: 21. Dezember 2015).

Muggli 2014, S. 15; Heer/Habermeyer, 2013, Art. 59 N. 36a ff.

Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen DSM-5, 2015, S. 959 ff.

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Anlasstaten Zur Bezeichnung der Handlungen, die zu einem Tätigkeitsverbot führen sollen, wird in der Sachüberschrift von Artikel 123c BV der Begriff «Sexualdelikte an Kindern oder an zum Widerstand unfähigen oder urteilsunfähigen Personen» verwendet. Im Normtext ist die Rede von einer Verurteilung von Personen, die «die sexuelle Unversehrtheit eines Kindes oder einer abhängigen Person beeinträchtigt haben».

Da nur eine Verurteilung zur Anordnung eines Tätigkeitsverbots führen kann, muss das betreffende Verhalten die Tatbestandsmerkmale einer strafbaren Handlung erfüllen.

Das StGB verwendet die Begriffe «Sexualdelikt» und «Beeinträchtigung der sexuellen Unversehrtheit» nicht, sondern fasst im Fünften Titel des Zweiten Buches die strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität zusammen (Art. 187 ff. StGB).

Darunter fallen einerseits Handlungen, die gegen die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers gerichtet sind, indem ihm Sexualkontakte gegen seinen Willen oder in Ausnützung eines Mangels an Urteils- oder Widerstandsfähigkeit aufgezwungen werden oder wenn das Opfer sich die Konfrontation mit sexualbezogenen Vorgängen oder Darstellungen aufdrängen lassen muss. Andererseits richten sich auch Handlungen gegen die sexuelle Integrität, welche die ungestörte sexuelle Entwicklung unmündiger Personen gefährden, zum Beispiel indem das Opfer zu anderen als altersspezifischen Formen sexueller Betätigung veranlasst oder in sie einbezogen wird.27 Verurteilen Auf Deutsch bedeutet «verurteilen» «durch Gerichtsbeschluss mit einer bestimmten Strafe belegen».28 Gemäss den Definitionen in französischsprachigen Wörterbüchern bedeutet «verurteilen (condamner)» «frapper d'une peine, faire subir une punition (à qqn), par un jugement»29 oder «prononcer une peine par jugement contre la personne jugée coupable»30. Auf Italienisch schliesslich ist «verurteilen (condannare)» ein «detto dell'autorità giudiziaria, imporre una pena o una sanzione a un imputato riconisciuto colpevole»31. Der Begriff der Verurteilung ist somit in allen drei Sprachen eng mit jenem der Strafe verbunden.

Eine Verurteilung setzt nicht nur voraus, dass jemand für schuldig erklärt wird, sondern auch das Verhängen einer Strafe. Diese Definition ist enger gefasst als die juristische Definition der Verurteilung, wonach die Verurteilung in der Schuldigerklärung einer Person durch eine Gerichtsbehörde verstanden wird, unabhängig davon, ob eine Strafe verhängt worden ist.32

27 28 29 30 31 32

Stratenwerth/Jenny/Bommer 2010, vor § 7 N. 2.

Deutsches Universalwörterbuch, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2001.

Le Nouveau Petit Robert: dictionnaire alphabétique et analogique de la langue française, Paris 2008.

Le Petit Larousse illustré en couleurs, Paris 2006.

Dizionario della Lingua Italiana, Milano 2003.

S. dazu Gruber 2013, Art. 366 N. 18 (mit Verweis auf die Botschaft des Bundesrates vom 21. Sept. 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht, BBl 1999 1979).

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Die Möglichkeit, eine Person ohne Bestrafung zu verurteilen, ist namentlich in den Artikeln 52­54, 187 Absatz 3, 188 Ziffer 2, 192 Absatz 2 und 193 Absatz 2 StGB vorgesehen.

In Bezug auf Artikel 123c BV lässt sich nicht eindeutig bestimmen, welche Definition von Verurteilung gemeint ist.

Geschützte Opfer Die Opfer werden im Titel der Initiative als «Kinder» bezeichnet, in der Sachüberschrift von Artikel 123c BV als «Kinder» und «zum Widerstand unfähige oder urteilsunfähige Personen» und im Normtext als «Kinder» und «abhängige Personen». Demnach ist von vier Kategorien von Opfern die Rede:

33 34 35 36 37

­

Kinder (enfants, fanciulli): Der Inhalt des Begriffs «Kind» unterscheidet sich je nach rechtlichem Zusammenhang und entspricht nicht unbedingt jenem des Minderjährigen. Gemäss Artikel 1 des Übereinkommens vom 20. November 198933 über die Rechte des Kindes ist ein Kind «jeder Mensch, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht nicht früher eintritt». Die Schweiz hat dieses Abkommen ratifiziert und diesbezüglich keinen Vorbehalt angebracht. Auch Artikel 3 Buchstabe a des Übereinkommens des Europarats vom 25. Oktober 200734 zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (Lanzarote-Konvention) definiert den Begriff «Kind» als eine Person unter 18 Jahren. Dieses Abkommen gilt in der Schweiz seit dem 1. Juli 2014 und enthält ebenfalls keinen Vorbehalt bezüglich dieses Begriffs. In Artikel 11 BV, in welchem der Schutz der Kinder und Jugendlichen verankert ist, wird keine genauere Definition geliefert. Nach herrschender Lehre geht es vermutlich vor allem um den Schutz der Minderjährigen.35

­

Zum Widerstand unfähige Personen (personnes incapables de résistance, persone inette a resistere): Eine Person kann in zahlreichen Situationen widerstandsunfähig sein. Dieser Zustand kann dauernd, vorübergehend, chronisch oder situationsbedingt sein wie zum Beispiel während schweren psychischen Defekten (hochgradige Intoxikation durch Alkohol oder Drogen), bei körperlicher Invalidität, während einer Fesselung, in einer besonderen Lage (z. B. gynäkologische Untersuchung in einem Behandlungsstuhl, Behandlung beim Zahnarzt, auf dem Bauch auf einem Massagetisch liegend36), infolge Drohung oder Gewaltanwendung.

­

Urteilsunfähige Personen (personnes incapables de discernement, persone incapaci di discernimento): Die Urteilsfähigkeit ist ein für alle Rechtsgebiete wichtiger juristischer Begriff. Gestützt auf Artikel 16 des Zivilgesetzbuchs37 (ZGB) (Urteilsfähigkeit) geht die Rechtsprechung davon aus, dass die SR 0.107 SR 0.311.40 Aubert/Mahon 2003, Art. 11 N. 3.

BGE 133 IV 49 E. 7; BGE 103 IV 165.

SR 210

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Urteilsfähigkeit zwei Elemente enthält: einerseits eine intellektuelle Komponente, nämlich die Fähigkeit, Sinn und Wirkungen einer bestimmten Handlung zu erkennen; andererseits ein Charakterelement, nämlich die Fähigkeit, gemäss der vernünftigen Erkenntnis nach seinem freien Willen zu handeln.

Die Urteilsfähigkeit ist aber auch relativ zu verstehen; sie ist in Bezug auf eine bestimmte Handlung zu beurteilen. Im Zusammenhang mit den strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität bedeutet dies, dass in jedem konkreten Fall bestimmt werden muss, ob das Opfer psychisch in der Lage war, sich zu wehren oder den Beziehungen zuzustimmen.

­

Abhängige (personnes dépendantes, persone dipendenti): Der Begriff der abhängigen Person ist äusserst weit. Er geht über die körperliche oder geistige Unfähigkeit, sich zu wehren, hinaus und umfasst zahlreiche Situationen.

Die Abhängigkeit kann mit einem hierarchischen Verhältnis, einem Vertrauensverhältnis, Furcht oder finanziellen Problemen zusammenhängen. Ein solches Verhältnis kann bei der Arbeit, bei einer Therapie oder in einer Beziehung mit einem bestimmten Machtgefälle (z. B. mit einem Lehrer, Polizisten, Gefängniswärter) entstehen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Täter eine Situation ausgenutzt oder herbeigeführt haben muss, in der er eine bestimmte Macht über das Opfer ausüben konnte.

Rechtsfolgen Die Rechtsfolge, die bei Erfüllung der Voraussetzungen (vgl. oben) eintreten soll, ist der endgültige Verlust des Rechts, eine berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit mit einem geschützten Opfer auszuüben, was die Verhängung eines entsprechenden Verbots durch das Gericht bedeutet.

Endgültiger Verlust des Rechts auf Ausübung einer Tätigkeit Die betreffende Stelle von Artikel 123c BV wirft drei sehr unterschiedliche Fragen auf: 1.

Muss das Gericht zwingend ein Verbot erlassen, sobald es jemanden verurteilt?

2.

Muss das Verbot systematisch als lebenslängliches Verbot verhängt werden?

3.

Bedeutet der endgültige Verlust des Rechts auf Ausübung einer Tätigkeit, dass der zu verbietende Beruf bewilligungspflichtig sein muss?

Geht man vom Wortlaut von Artikel 123c BV aus, so steht der zwingende Charakter des Tätigkeitsverbots ausser Zweifel. Bei Verurteilung einer Person durch das Gericht muss in jedem Fall ein solches angeordnet werden. Der Ermessensspielraum des Gerichts soll ausgeschaltet werden.

Der Begriff «endgültig» ist ebenfalls eindeutig: Sind die Voraussetzungen erfüllt, ist ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot zu verhängen.

Die dritte und letzte Frage ist schwieriger zu beantworten. Zu sagen, dass die verurteilte Person das Recht auf die Ausübung einer Tätigkeit verlieren muss, könnte so verstanden werden, dass sie vorher eine Bewilligung für die Ausübung eines Berufs oder einer Tätigkeit erhalten haben muss und ihr diese entzogen werden soll, wenn 6130

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sie eine Straftat begangen hat. Diese Auslegung wäre jedoch zu eng und könnte die Initiative ihrer Substanz berauben. Die betreffende Stelle von Artikel 123c BV liesse sich aber auch so auslegen, dass der Täter das Recht auf die Ausübung einer Tätigkeit allgemein verlieren soll, unabhängig davon ob die Tat nun in Ausübung seines Berufs begangen wurde oder nicht und ob der Beruf bewilligungspflichtig ist oder nicht. Dieser Schluss liegt umso näher, als das Verbot auch ehrenamtliche Tätigkeiten erfassen soll, die grundsätzlich keiner Bewilligung bedürfen.

Berufliche und ehrenamtliche Tätigkeit In seiner Begründung der Initiative liefert das Initiativkomitee einige Beispiele von beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeiten mit Kindern: Tätigkeiten an Schulen, in Behinderteninstitutionen oder in Sportvereinen.38 Diesen Tätigkeiten gemein ist, dass sie in einem organisierten Rahmen stattfinden.

Tätigkeit mit minderjährigen oder abhängigen Personen Gemäss dem deutschen Wortlaut von Artikel 123c BV müssen die zu verbietenden Tätigkeiten «mit» Minderjährigen oder Abhängigen ausgeübt werden. Daraus kann geschlossen werden, dass die Tätigkeit von ihrer Art her einen direkten Kontakt mit diesen Personen und möglicherweise die Entwicklung eines Vertrauensverhältnisses voraussetzt. Darunter fallen insbesondere Tätigkeiten als Lehrerin oder Lehrer, Betreuerin oder Betreuer sowie als Trainerin oder Trainer in Sportvereinen, Schulen oder Kinderkrippen. Nicht zwingend darunter fallen jedoch hauswirtschaftliche Tätigkeiten in solchen Institutionen (z. B. Hauswartin oder Hauswart, Sekretärin oder Sekretär, Köchin oder Koch, Reinigungspersonal); hier wird die spezifische Tätigkeit oft nicht direkt «mit» den betroffenen Personen ausgeübt. Für die Aufgabenerfüllung ist der direkte Kontakt zu ihnen in vielen Fällen auch nicht notwendig.

Die französische Fassung von Artikel 123c BV weicht von der deutschen Fassung insofern leicht ab, als darin der Begriff «en contact avec des mineurs ou des personnes dépendantes» (Tätigkeiten «in» Kontakt mit minderjährigen oder abhängigen Personen) verwendet wird. Diese Formulierung ist weiter, da eine Tätigkeit «in» Kontakt mit minderjährigen oder abhängigen Personen nicht nur bei Tätigkeiten, die direkt mit den betroffenen Personen ausgeübt werden, vorliegt, sondern bei allen Tätigkeiten,
die wiederholt in Einrichtungen ausgeübt werden, die Dienstleistungen anbieten, die sich direkt und spezifisch an minderjährige oder abhängige Personen richten. Damit fallen darunter beispielsweise auch hauswirtschaftliche Tätigkeiten (vgl. oben) in solchen Institutionen.

Die Begriffe «in Kontakt mit» in der französischen Fassung beziehungsweise «mit» in der deutschen Fassung liefern keine Informationen zu Häufigkeit, Dauer und Intensität der Kontakte.

38

Erläuterungen zur Volksabstimmung, S. 21 (Argumente des Initiativkomitees).

6131

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1.2.6

Vernehmlassungsvorlage des Bundesrates

Am 13. Mai 2015 beauftragte der Bundesrat das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement, ein Vernehmlassungsverfahren über den Vorentwurf und den erläuternden Bericht zur Änderung des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes (Umsetzung von Art. 123c BV) durchzuführen.39 Die Vernehmlassung dauerte bis zum 3. September 2015.

Der Vorentwurf sah vor, dass die Bestimmungen zur Anordnung des Tätigkeitsverbots sich eng am Wortlaut von Artikel 123c BV orientieren.

Er schlug vor, dass das Tätigkeitsverbot vom Strafgericht ausgesprochen wird, das eine erwachsene Person wegen einer bestimmten Sexualstraftat an einer minderjährigen, schutzbedürftigen, zum Widerstand unfähigen oder urteilsunfähigen Person oder einer Person, die sich aufgrund einer körperlichen oder psychischen Abhängigkeit nicht zur Wehr setzen konnte, zu einer Strafe verurteilt oder gegen sie eine Massnahme anordnet.

Die Deliktskataloge der Anlasstaten waren umfassend ausgestaltet und enthielten nebst Verbrechen und Vergehen auch Übertretungen gegen die sexuelle Integrität.

Das Tätigkeitsverbot sollte ­ grundsätzlich unabhängig von den Umständen des Einzelfalls und der Höhe der konkret ausgesprochenen Strafe ­ zwingend angeordnet werden und lebenslänglich dauern.

Artikel 123c BV steht im Konflikt mit anderen Verfassungsgrundsätzen (insb. dem Verhältnismässigkeitsprinzip) und dem Völkerrecht, namentlich der EMRK. Um diesen Konflikt möglichst klein zu halten, wurde als Variante 1 eine Härtefallbestimmung vorgeschlagen: In besonders leichten Fällen, in denen das Tätigkeitsverbot offensichtlich weder notwendig noch zumutbar ist, sollte das Gericht ausnahmsweise auf die Anordnung eines solchen Verbots verzichten können. Bei gewissen Anlasstaten sollte der Verzicht auf die Anordnung jedoch ausgeschlossen sein. Variante 2 verzichtete demgegenüber bei allen Anlasstaten auf eine solche Härtefallbestimmung.

Der Vorentwurf sah ebenfalls vor, dass die Widersprüche zwischen Artikel 123c BV und den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Verfassung im Rahmen des Vollzugs des vorgeschlagenen Verbots gemildert werden sollen: Unter bestimmten Voraussetzungen sollte das Tätigkeitsverbot in der Regel nach einer gewissen Dauer des Vollzugs auf Gesuch des Verurteilten hin überprüft und inhaltlich oder zeitlich eingeschränkt oder aufgehoben werden können. Bei
pädophilen Straftätern im Sinne der Psychiatrie war diese Überprüfungsmöglichkeit jedoch ausgeschlossen.

Der Vollzug des Tätigkeitsverbots sollte ­ wie im geltenden Recht ­ mittels Strafregisterauszug (insb. Sonderprivatauszug) und zwingender Bewährungshilfe stattfinden.

39

Der Vorentwurf und der erläuternde Bericht sind abrufbar unter: www.bundesrecht.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2015 > EJPD.

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1.2.7

Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Für die Details der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens sei auf den Ergebnisbericht verwiesen (Vernehmlassungsbericht).40 Im Rahmen der Vernehmlassung sind 75 Stellungnahmen eingegangen. Sie teilen sich wie folgt auf: ­

Kantone: 26;

­

Politische Parteien: 5;

­

Gesamtschweizerische Dachverbände der Gemeinden, Städte und der Wirtschaft: 3;

­

Interessierte Organisationen und Institutionen: 41.

Vereinzelt wurde ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet.

Eine deutlich überwiegende Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst die vom Bundesrat favorisierte Variante 1, die eine Härtefallbestimmung enthält, welche es dem Gericht in gewissen Fällen erlaubt, von der Anordnung eines lebenslänglichen Tätigkeitsverbots abzusehen; dies insbesondere aus rechtsstaatlichen Gründen (Verhältnismässigkeitsprinzip, Völkerrecht). Eine deutliche Minderheit spricht sich demgegenüber für Variante 2 aus, die auf eine solche Härtefallbestimmung verzichtet. Auf die Anordnung eines lebenslänglichen Tätigkeitsverbots solle nur in Fällen von sogenannter Jugendliebe verzichtet werden können.

Die Möglichkeit, das lebenslängliche Tätigkeitsverbot bei bestimmten Sexualstraftaten nach einer gewissen Dauer des Vollzugs durch die zuständigen Behörden überprüfen lassen zu können, wird von zahlreichen Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst. Eine Minderheit lehnt diese Möglichkeit explizit ab, dies sei nicht mit dem Wortlaut von Artikel 123c BV zu vereinbaren.

Die Mehrzahl der Vernehmlassungsteilnehmenden bringt Vorbehalte zu einzelnen Bestimmungen des Vorentwurfs an; so zum Beispiel zur Ausgestaltung der Deliktskataloge, zum Ausschluss der Anordnung des Tätigkeitsverbots im Strafbefehlsverfahren sowie zum Sonderprivatauszug und zur zwingenden Bewährungshilfe.

Ferner wird von verschiedenen Seiten gefordert, dass die Prävention und die Aufklärung gestärkt werden.

Auf die wesentlichen Vorbehalte und Änderungsvorschläge wird nachfolgend unter Ziffer 1.3 (beantragte Neuregelung) und unter Ziffer 2 (Erläuterungen zu einzelnen Artikeln) eingegangen.

40

Abrufbar unter www.bundesrecht.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2015 > EJPD.

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1.3

Die beantragte Neuregelung

1.3.1

Einleitung

Artikel 123c BV soll, wie oben unter Ziffer 1.2.1 erwähnt, auf der Basis der Bestimmungen zum Tätigkeitsverbot des geltenden Rechts (Art. 67 ff. StGB) umgesetzt werden. Die Umsetzung orientiert sich vorab am Wortlaut der neuen Verfassungsbestimmung. Zugleich soll ­ soweit möglich ­ auch den grundrechtlichen Vorgaben der Verfassung Rechnung getragen werden, die durch die Annahme der Initiative nicht ausser Kraft gesetzt wurden. Ferner sollen die internationalen Menschenrechtsgarantien beachtet werden. Die Annahme der Initiative drängt die Tragweite dieser rechtsstaatlichen Prinzipien zwar zurück, sie beraubt sie aber nicht jeden Gehalts. In diesem Zusammenhang hält der Entwurf ­ zwecks Herstellung praktischer Konkordanz und aufgrund des klaren Vernehmlassungsergebnisses ­ insbesondere an der Ausnahmebestimmung (vgl. Ziff. 1.3.7 und Erläuterungen zu Art. 67 E-StGB) sowie an der nachträglichen Überprüfungsmöglichkeit fest (vgl.

Ziff. 1.3.10 und Erläuterungen zu Art. 67c E-StGB). Die Ausnahmebestimmung soll allerdings präzisiert und die nachträgliche Überprüfungsmöglichkeit soll strenger ausgestaltet werden.

1.3.2

Kreis der betroffenen Täter

Wie unter Ziffer 1.2.5 erwähnt, wird zwar im Titel der Initiative und in deren Begründung der Begriff «Pädophile» verwendet. Im Normtext von Artikel 123c BV ist der Kreis der Täter jedoch weiter gefasst.

Aus diesen Gründen sah der Vorentwurf vor, dass das zwingend lebenslängliche Tätigkeitsverbot nicht nur für pädophile Täter (zum Begriff vgl. Ziff. 1.2.5), sondern grundsätzlich für alle Täter gelten soll, die wegen einer Sexualstraftat an einem geschützten Opfer verurteilt werden (zu den geschützten Opfer vgl. Ziff. 1.3.5).

Von einzelnen Vernehmlassungsteilnehmenden wurde der vorgeschlagene, weite Täterkreis kritisiert. Es wurde angeregt, den Täterkreis auf pädophile Straftäter zu beschränken. Zum einen, weil der Verfassungstext und der Titel der Initiative beziehungsweise die Begründung der Initiantinnen und Initianten widersprüchlich seien.

Zum anderen sei eine einschneidende Massnahme wie das zwingend lebenslange Tätigkeitsverbot aus Gründen der Verhältnismässigkeit nur zurückhaltend anzuordnen.41 Der Entwurf hält indessen aus folgenden Gründen am weiteren Täterkreis fest: Der Verfassungstext spricht explizit von «Personen, die verurteilt werden, [...].». Zudem beschränken sich der Verfassungstext sowie die Sachüberschrift nicht auf Sexualstraftaten gegen minderjährige Personen, sondern nennen auch Personen, die abhängig, zum Widerstand unfähig oder urteilsunfähig sind. Darunter fallen auch Erwachsene, die gemäss Definition nicht im Fokus von pädophilen Straftätern stehen.

Schliesslich lassen auch die Voten der Vertreterinnen und Vertreter des Initiativkomitees im Rahmen der parlamentarischen Debatten den Schluss zu, dass nicht nur 41

Vernehmlassungsbericht, S. 9.

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pädophile Straftäter, sondern auch «Pädokriminelle» und ganz allgemein Sexualstraftäter zum Täterkreis zählen sollen.42 Als «Pädokriminelle» gelten alle Täter, die Sexualstraftaten an Kindern begehen, also nicht nur pädophile Täter. Nicht jeder pädokriminelle Täter ist per se pädophil im Sinne der internationalen Klassifikationen.43 Der Entwurf sieht jedoch vor, dass das zwingend lebenslange Tätigkeitsverbot nur für erwachsene Täter gelten soll. Minderjährige Personen sollen mit Blick auf die Eingriffsintensität der vorgeschlagenen Massnahme nicht zum Kreis der betroffenen Täter gehören.

Artikel 123c BV setzt nämlich voraus, dass der Täter, der eine Sexualstraftat an einem geschützten Opfer begangen hat, endgültig daran gehindert werden muss, eine berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit mit den betreffenden Personen auszuüben.

Diese Annahme ist bei minderjährigen Tätern jedoch zu nuancieren. Sie befinden sich noch in voller persönlicher und körperlicher Entwicklung, und es ist nicht ausgeschlossen, dass eine geeignete und frühe Behandlung einen Rückfall erfolgreich verhindern kann. Ausserdem passt der Fall minderjähriger Täter eindeutig nicht in den Rahmen der Initiative, wonach der Täter seine Machtposition bei einer solchen Tätigkeit ausnützt. Denn die meisten Jugendlichen unter 18 Jahren stehen noch nicht im Berufsleben oder haben bei ihrer beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeit zumindest noch sehr selten eine leitende Position inne.

Zu erwähnen ist schliesslich, dass das Jugendstrafrecht den Schwerpunkt klar auf die Möglichkeiten zur Resozialisierung der jugendlichen Täter legt und sich im Wesentlichen auf flexible, zeitlich begrenzte Lösungen abstützt, die dem Gericht die Möglichkeit bieten, der Persönlichkeit des Täters Rechnung zu tragen. Aus diesen Gründen erscheint es sachgerecht, im Jugendstrafgesetz vom 20. Juni 200344 (JStG) auf das zwingend lebenslängliche Tätigkeitsverbot zu verzichten.

Sollte jedoch die Gefahr bestehen, dass ein minderjähriger Täter eine berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit zur Begehung von Sexualstraftaten an einem geschützten Opfer missbraucht, so kann das fakultative Tätigkeitsverbot gemäss Artikel 16a JStG zur Anwendung kommen.

Diese Lösung wird auch gestützt vom Beschluss des Parlaments aus dem Jahr 2012, Artikel 123b BV (Unverjährbarkeit der
Strafverfolgung und der Strafe bei sexuellen und bei pornografischen Straftaten an Kindern vor der Pubertät) nicht auf minderjährige Täter anzuwenden, obwohl der Wortlaut der Bestimmung keine entsprechende Einschränkung enthält.45 Im Rahmen der Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmungen über die Ausschaffung straffälliger Ausländerinnen und Ausländer (Art. 121 Abs. 3­6 BV) wurde ebenfalls darauf verzichtet, für minderjährige Täter eine obligatorische Landesverweisung vorzusehen.46

42 43 44 45 46

Vgl. z. B. Votum NR Rickli AB 2013 N 445 f.; Votum NR Freysinger AB 2013 N 448 f.; Votum NR Guhl AB 2013 N 448.

Muggli 2014, S. 13; Heer/Habermeyer 2013, Art. 59 N. 36b.

SR 311.1 AB 2012 N 1239 und AB 2012 S 640 Botschaft Umsetzung Ausschaffungsinitiative, Ziff. 1.2.18.

6135

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Eine Vielzahl von Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsste den Verzicht des zwingend lebenslänglichen Tätigkeitsverbots im Bereich des Jugendstrafrechts. 47

1.3.3

Anlasstaten

Mit Blick auf den Wortlaut von Artikel 123c BV soll grundsätzlich jede Sexualstraftat (vgl. Ziff. 1.2.5) als Anlasstat für die Anordnung des zwingend lebenslänglichen Tätigkeitsverbots gelten, deren Opfer zum Kreis der geschützten Personen gehört.

Es handelt sich demnach um folgende Sexualstraftatbestände: ­

Sexuelle Handlungen mit Kindern (Art. 187 StGB),

­

Sexuelle Handlungen mit Abhängigen (Art. 188 StGB),

­

Sexuelle Nötigung (Art. 189 StGB),

­

Vergewaltigung (Art. 190 StGB),

­

Schändung (Art. 191 StGB),

­

Sexuelle Handlungen mit Anstaltspfleglingen, Gefangenen, Beschuldigten (Art. 192 StGB),

­

Ausnützung der Notlage (Art. 193 StGB),

­

Exhibitionismus (Art. 194 StGB),

­

Förderung der Prostitution (Art. 195 StGB),

­

Sexuelle Handlungen mit Minderjährigen gegen Entgelt (Art. 196 StGB),

­

Pornografie (Art. 197 StGB) und

­

Sexuelle Belästigungen (Art. 198 StGB).

Der Menschenhandel soll ebenfalls als Anlasstat gelten, sofern er «zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung» (Art. 182 Abs. 1 StGB) betrieben wird. Dieser Straftatbestand stellt zwar kein eigentliches Sexualdelikt dar, weil nicht nur die sexuelle Selbstbestimmung, sondern auch allgemein die persönliche Freiheit und Selbstbestimmung des Opfers geschützt werden. Er wird jedoch aufgrund der offenen Umschreibung in Artikel 123c BV (Beeinträchtigung der sexuellen Unversehrtheit) aufgenommen. Dafür spricht auch der Umstand, dass der Handel mit Frauen und Kindern zwecks sexueller Ausbeutung bis zur Revision des Sexualstrafrechts, die im Jahre 1992 in Kraft getreten ist, als Frauen- und Kinderhandel (Art. 202 aStGB) unter den Sexualstraftaten eingereiht war.

Das vorgeschlagene Tätigkeitsverbot soll ­ anders als das qualifizierte Tätigkeitsverbot des geltenden Rechts (vgl. insb. Art. 67 Abs. 3 und 4 StGB) ­ unabhängig von der Höhe der im Einzelfall ausgesprochenen Strafe angeordnet werden. Es soll zudem ­ wie bereits im geltenden Recht ­ nicht relevant sein, ob die Tat in Ausübung eines Berufs, einer ehrenamtlichen Tätigkeit oder im rein privaten Rahmen verübt wurde.

47

Vernehmlassungsbericht, S. 7 f.

6136

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Da alle oben erwähnten Sexualstraftaten als Anlasstaten gelten, führen ­ im Vergleich zu beispielsweise sexueller Nötigung (Art. 189 StGB), Vergewaltigung (Art. 190 StGB) oder Schändung (Art. 191 StGB) ­ auch weniger schwer wiegende Straftaten wie namentlich Exhibitionismus (Art. 194 StGB) oder sexuelle Belästigungen (Art. 198 StGB) grundsätzlich zwingend zu einem lebenslänglichen Tätigkeitsverbot; dies ungeachtet der Tatsache, dass es sich bei diesen beiden Straftatbeständen um Antragsdelikte handelt.48 Als Antragsdelikte gestaltet der Gesetzgeber jene Straftaten aus, bei denen die (staatlichen oder privaten) Interessen auf Strafverfolgung relativ gering sind ­ insbesondere also leichte(re) Straftaten. Zu beachten ist zudem, dass die Verfolgung eines Antragsdelikts die Persönlichkeitsrechte des Verletzten oftmals so schwer tangiert, dass dieser eine Strafverfolgung lieber vermeiden möchte. Bei einem Antragsdelikt soll das Strafverfahren nicht gegen den Willen der antragsberechtigten, verletzten Person durchgeführt werden.49 Beim Exhibitionismus (Art. 194 StGB) und bei sexuellen Belästigungen (Art. 198 StGB) hängt die Anordnung eines Tätigkeitsverbots letztlich vom Willen der betroffenen Person ab. Dieser Umstand lässt sich aufgrund von Artikel 123c BV, der die Anlasstat als «Beeinträchtigung der sexuellen Unversehrtheit» umschreibt, jedoch kaum vermeiden. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Strafverfolgungsbehörden in über 90% aller Fälle (also auch bei den meisten Offizialdelikten) nur über Hinweise aus der Bevölkerung von einer Straftat erfahren.50 Somit hängt ein Tätigkeitsverbot oder generell die Strafverfolgung auch bei den anderen Sexualstraftaten meistens vom Willen einer Person ab, Anzeige zu erstatten oder der Behörde Hinweise zu geben.

Einige Vernehmlassungsteilnehmende kritisierten, dass Antragsdelikte und Übertretungen ein zwingend lebenslängliches Tätigkeitsverbot nach sich ziehen würden; dies sei unverhältnismässig. Zudem sei problematisch, dass es bei Antragsdelikten letztlich vom Willen des Opfers abhänge, ob ein solches Verbot ausgesprochen werde. Einzelne Vernehmlassungsteilnehmende begrüssten hingegen die Ausgestaltung der Deliktskataloge.51 Der Bundesrat ist sich bewusst, dass es mit Blick auf das Verhältnismässigkeitsprinzip problematisch ist, wenn weniger schwerwiegende
Sexualdelikte als Anlasstaten für ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot gelten. Er ist jedoch der Auffassung, dass auch solche Sexualstraftaten, nicht nur mit Blick auf den Wortlaut von Artikel 123c BV (vgl. oben), sondern auch aus nachfolgenden Überlegungen als Anlasstaten beibehalten werden sollen.

Es sind zahlreiche Fälle denkbar, bei denen ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot zum Schutz des Opferkreises auch bei solchen Straftaten angezeigt erscheint. So wäre es beispielsweise stossend, wenn gegen eine Lehrperson, die wiederholt minderjährige Schüler oder Schülerinnen einer Berufsschule sexuell belästigt, kein lebenslängliches Tätigkeitsverbot angeordnet werden könnte. Ein fakultatives Tätigkeitsverbot wäre in einem solchen Fall nicht möglich, weil es sich beim Straftatbe48 49 50 51

Im Anwendungsbereich des MStG werden Exhibitionismus (Art. 159 MStG) und sexuelle Belästigungen (Art. 159a MStG) hingegen von Amtes wegen verfolgt (Offizialdelikte).

Zur Definition des Antragsrechts vgl. Riedo 2013, Art. 30 N. 4.

Riedo 2013, vor Art. 30 N. 5.

Vernehmlassungsbericht, S. 10.

6137

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stand «Sexuelle Belästigungen» (Art. 198 StGB) um eine Übertretung handelt und damit die Voraussetzungen für ein solches Verbot nicht erfüllt wären (vgl. Art. 67 Abs. 2 StGB).

Um gravierende Verletzungen des Verhältnismässigkeitsprinzips zu vermeiden, gibt Artikel 67 Absatz 4ter E-StGB dem Gericht die Möglichkeit, in besonders leichten Fällen ausnahmsweise auf die Anordnung eines lebenslangen Tätigkeitsverbots zu verzichten, wenn dieses nicht notwendig erscheint, um den Täter vor weiteren einschlägigen Sexualstraftaten abzuhalten, die Anlass für ein solches Verbot sind (vgl.

Ziff. 1.3.7 und Erläuterungen zu Art. 67 E-StGB).

Schliesslich ist zu erwähnen, dass beim Exhibitionismus das Strafverfahren eingestellt werden kann, wenn sich der Täter einer ärztlichen Behandlung unterzieht (vgl.

Art. 194 Abs. 2 StGB). Es ist davon auszugehen, dass in der Praxis das Strafverfahren nach einer erfolgreichen Therapiephase definitiv eingestellt wird,52 so dass ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot mangels Verurteilung nicht in Betracht kommt.

1.3.4

Konkretisierung des Begriffs «Verurteilung»

Der Entwurf sieht vor, dass das lebenslängliche Tätigkeitsverbot nur angeordnet werden soll, wenn das Gericht den Täter wegen einer Anlasstat zu einer Strafe verurteilt oder gegen ihn eine Massnahme anordnet. Sieht das Gericht trotz Verurteilung von einer Sanktion ab (z. B. gestützt auf Art. 187 Ziff. 3 StGB), so soll kein lebenslängliches Tätigkeitsverbot angeordnet werden können. Es bleibt dem Gericht in solchen Fällen jedoch unbenommen, ein (fakultatives) Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absatz 2 StGB zu verhängen.

Mit Blick auf den Zweck der Initiative (Vermeidung der Wiederholung von bestimmten Sexualstraftaten) könnte zwar auch angenommen werden, dass eine Verurteilung ohne Strafe für die Anordnung eines lebenslänglichen Tätigkeitsverbots genügt. Eine solche Lösung wäre jedoch unverhältnismässig und ergibt sich auch nicht zwingend aus Artikel 123c BV. Die Anordnung eines lebenslänglichen Tätigkeitsverbots soll möglichst nur in solchen Fällen in Betracht kommen, in denen das Gericht die Sexualstraftat als so gravierend einstuft, dass es den Täter überhaupt bestraft.

Sexualstraftaten gegen die geschützten Opfer (vgl. Ziff. 1.3.5) können aber auch von Tätern begangen werden, die zum Beispiel aufgrund einer schweren psychischen Störung schuldunfähig sind und daher nicht bestraft werden dürfen (Art. 19 Abs. 1 StGB); allerdings kann gegen sie eine Massnahme angeordnet werden (Art. 19 Abs. 3 StGB). Der Vorentwurf sah vor, dass bei schuldunfähigen Tätern das zwingend lebenslängliche Tätigkeitsverbot ausgeschlossen sein soll, jedoch ein fakultatives Tätigkeitsverbot (z. B. gestützt auf Art. 67 Abs. 2 StGB) ausgesprochen werden kann.

52

Meng 2013, Art. 194 N. 19.

6138

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In der Vernehmlassung wurde von einzelnen Teilnehmenden gefordert, das zwingend lebenslängliche Tätigkeitsverbot auch auf schuldunfähige Täter auszudehnen.

Beim Tätigkeitsverbot handle es sich um eine rein spezialpräventive Massnahme.

Die Gefahr, die von schuldunfähigen Personen ausgehe, sei nicht kleiner als jene, die von ganz oder zumindest teilweise schuldfähigen Personen ausgehe. 53 Der Entwurf trägt diesem Einwand Rechnung und sieht neu vor, dass das lebenslängliche Tätigkeitsverbot auch bei Schuldunfähigkeit anzuordnen ist.

Diese Lösung erscheint nicht nur aus spezialpräventiven Überlegungen sachgerecht.

Vielmehr erscheint sie auch folgerichtig, da bereits das geltende zwingende Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absatz 3 und 4 StGB gegen schuldunfähige Täter verhängt werden kann.54 Dies bedeutet allerdings eine sehr weite verfassungsrechtliche Auslegung des Begriffs «Verurteilung» (vgl. Ziff. 1.2.5). Vorausgesetzt wird deshalb, dass gegen den Täter aufgrund seiner Gefährlichkeit für die öffentliche Sicherheit zumindest eine stationäre oder ambulante Massnahme (Art. 59­61, Art. 63 StGB) oder eine Verwahrung (Art. 64 StGB) angeordnet wird. Wird keine dieser Massnahmen angeordnet, ist die Anordnung eines zwingend lebenslänglichen Tätigkeitsverbotes bei schuldunfähigen Tätern ausgeschlossen. Ein (fakultatives) Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absatz 2 StGB bleibt jedoch möglich.

Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht, wie bei den (teilweise) schuldfähigen Tätern, auch bei schuldunfähigen Tätern in Fällen nach Artikel 67 Absatz 4ter E-StGB von der Anordnung eines lebenslänglichen Tätigkeitsverbots absehen kann (vgl. Ziff. 1.3.4 und Erläuterungen zu Art. 67 E-StGB).

1.3.5

Geschützte Opfer

Ausgehend von den in Artikel 123c BV genannten Personen, sollen mit dem vorgeschlagenen Tätigkeitsverbot folgende Opferkreise geschützt werden: ­

Minderjährige Personen: Geschützt werden sollen alle Minderjährigen, und nicht nur Kinder unter 16 Jahren. Es ist davon auszugehen, dass unter dem in Artikel 123c BV verwendeten Begriff «Kinder» auch Minderjährige zu verstehen sind (vgl. Ziff. 1.2.5). Der Umstand, dass Artikel 123c BV Tätigkeiten mit Minderjährigen verbietet, bestätigt diese Annahme.

Einzelne Vernehmlassungsteilnehmende kritisierten die Auslegung des Begriffs «Kind». Es wurde insbesondere geltend gemacht, unter diesen Begriff falle nur eine Person unter 16 Jahren. Nicht alle Sexualstraftaten zum Nachteil von Minderjährigen sollten als Anlasstaten gelten; dies auch mit Blick auf die Zielrichtung der Initiative. Pädophile hätten ein primäres sexuelles Interesse an Kindern, welche die Pubertät noch nicht erreicht hätten.55

53 54 55

Vernehmlassungsbericht, S. 9.

Art. 19 Abs. 3 StGB; Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», Ziff. 6.4.1.

Vernehmlassungsbericht, S. 10 f.

6139

BBl 2016

Der Bundesrat hält indes an der weiten Auslegung des Begriffs fest. Diese Auslegung entspricht bereits dem Tätigkeitsverbot des geltenden Rechts (Art. 67 Abs. 2 und 3 StGB; vgl. Ziff. 1.1.2). Auch das UNOÜbereinkommen über die Rechte des Kindes und die Lanzarote-Konvention schützen Kinder bis zum 18. Lebensjahr (vgl. Ziff. 1.2.5). Zudem will Artikel 123c BV explizit nicht nur Kinder unter 16 Jahren, sondern auch abhängige Personen vor Sexualstraftaten schützen. Darunter sind zum Beispiel Minderjährige von mehr als 16 Jahren zu verstehen, die noch zur Schule gehen oder am Anfang ihrer Berufsausbildung stehen und aufgrund dieses Abhängigkeitsverhältnisses vor entsprechenden Sexualstraftaten geschützt werden sollten (vgl. auch Art. 188 StGB; sexuelle Handlungen mit Abhängigen).56 ­

Besonders schutzbedürftige Personen: Beim Tätigkeitsverbot des geltenden Rechts (vgl. Art. 67 ff. StGB) zählen ­ nebst den minderjährigen ­ auch «besonders schutzbedürftige Personen» zu den geschützten Opfern. Darunter werden Personen verstanden, die aufgrund ihres Alters, einer Krankheit oder einer langfristigen körperlichen, psychischen oder geistigen Beeinträchtigung bei alltäglichen Verrichtungen oder ihrer Lebensführung auf fremde Hilfe angewiesen sind (zu den Einzelheiten vgl. Erläuterungen zu Art. 67a E-StGB). Gerade weil diese Personen auf fremde Hilfe angewiesen sind und zum Teil kein selbstbestimmtes Leben führen können, sind sie besonders gefährdet, Opfer bestimmter Straftaten zu werden.57 Keine besondere Schutzbedürftigkeit in diesem Sinne liegt demgegenüber vor, wenn die Beeinträchtigung nur aufgrund einer vorübergehenden Schwächung durch Alkohol, Drogen oder anderen Ursachen geschaffen wurde.

­

Abhängige, zum Widerstand unfähige und urteilsunfähige Personen: Wie unter Ziffer 1.2.5 erwähnt, sind Straftaten an Personen, die schon vor der Straftat zum Widerstand unfähig, urteilsunfähig oder abhängig sind, meistens nicht mit einer spezifischen beruflichen oder organisierten ausserberuflichen Tätigkeit des Täters verbunden.

Ein Abhängigkeitsverhältnis kann zum Beispiel zwischen dem Lernenden und seinem Betreuer oder seiner Betreuerin oder auch allgemein zwischen der angestellten und der vorgesetzten Person oder zwischen dem Psychotherapeuten und dem Patienten bestehen58; ebenso bei Anstaltspfleglingen, Anstaltsinsassen, Gefangenen, Verhafteten oder Beschuldigten59. Ein Abhängigkeitsverhältnis ist auch denkbar zwischen einem seine Machtstellung ausnutzenden Amtsträger (z. B. Bauvorstand, Entscheidungsträger betr. Subventionen, Sozial-vorstand, etc.) und dem Gesuchsteller oder der Gesuchstellerin.60

56 57 58 59 60

Göksu, 2015, Art. 123c N. 11 ff.

Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», Ziff. 6.4.1.

Maier, Art. 188 N. 7 und Art. 193 N. 7 ff. mit Hinweisen auf BGE 124 IV 13 und BGE 131 IV 114.

Art. 192 StGB.

Maier 2013, Art. 193 N. 6.

6140

BBl 2016

Widerstandsunfähig ist beispielsweise eine unter Narkose stehende Person.

Auch kann je nach Umständen ein Patient oder eine Patientin auf der Behandlungsliege während der Physiotherapie61, Akupunkturbehandlung62, Rückenmassage63, Sportmassage64 oder eine Patientin auf dem gynäkologischen Behandlungsstuhl65 widerstandsunfähig sein.

Ein Tätigkeitsverbot, das jede Situation mit einer solchen Person vermeiden will, wäre uferlos. Wie die obigen Beispiele zeigen, kann sich bei fast allen beruflichen oder organisierten ausserberuflichen Tätigkeiten potentiell ein Kontakt zu abhängigen, zum Widerstand unfähigen oder urteilsunfähigen Personen ergeben. Dies hätte zur Folge, dass ein Verbot verhängt werden müsste, das beinahe zu einem absoluten Tätigkeitsverbot in allen Berufen und organsierten Freizeitaktivitäten führen würde. Es ist offensichtlich, dass eine solche Lösung unverhältnismässig wäre.

Viele der Straftaten an diesen Personen werden bereits durch die Opferkreise «Minderjährige» und «besonders schutzbedürftige Personen» erfasst. Sofern es sich beim Opfer nicht um eine minderjährige oder besonders schutzbedürftige Person handelt, muss das zwingend lebenslängliche Verbot auf gewisse Tätigkeiten beschränkt werden, die typischerweise häufig auch an zum Widerstand unfähigen, urteilsunfähigen oder abhängigen Personen ausgeübt werden oder bei welchen solche Situationen geschaffen werden. Dies dürfte insbesondere bei Tätigkeiten im Gesundheitsbereich gegeben sein. Zu denken ist zum Beispiel an die oben erwähnten Verhältnisse zwischen dem Psychotherapeuten und seinem Patienten, dem Patienten oder der Patientin beim Physiotherapeuten (Behandlungsliege),66 der Patientin und ihrem Gynäkologen (Behandlungsstuhl).67 Demzufolge erscheint ein spezielles Verbot in diesem Tätigkeitsbereich zum Schutz von zum Widerstand unfähigen, urteilsunfähigen oder abhängigen Personen vor Sexualdelikten beziehungsweise deren Wiederholung sachgerecht.

Im Bereich der Lernendenbetreuung sowie im strafrechtlichen Massnahmenvollzug kann es ebenfalls häufig zu einem Abhängigkeitsverhältnis kommen. Lernende sind oftmals ­ zumindest in den ersten Lehrjahren ­ noch minderjährig, so dass in diesen Fällen ein Tätigkeitsverbot zum Schutz von Minderjährigen zum Tragen kommt. Personen, welche sich im Vollzug einer therapeutischen Massnahme
nach Artikel 59­61 StGB oder einer Verwahrung nach Artikel 64 StGB befinden, leiden in der Regel an einer langfristigen psychischen Beeinträchtigung und benötigen für eine normkonforme Lebensführung Unterstützung. Sie stellen damit besonders schutzbedürftige Personen im oben erwähnten Sinn dar. Aus diesen Gründen wird

61 62 63 64 65 66 67

BGE 133 IV 49; Urteil des Bundesgerichts vom 2. Dez. 2008, 6B.527/2008.

Urteil des Bundesgerichts vom 19. Febr. 2008, 6B_453/2007.

Urteil des Bundesgerichts vom 8. Nov. 2012, 6B_118/2012.

Urteil des Bundesgerichts vom 6. Dez. 2010, 6B_436/2010.

Urteil des Bundesgerichts vom 3. Okt. 2005, 6S.448/2004.

BGE 133 IV 49; Urteil des Bundesgerichts vom 2. Dez. 2008, 6B.527/2008.

Urteil des Bundesgerichts vom 3. Okt. 2005, 6S.448/2004.

6141

BBl 2016

in diesen beiden Bereichen auf ein solches spezielles Tätigkeitsverbot verzichtet.

Einzelne Vernehmlassungsteilnehmende kritisierten, dass der Schutz dieser Opfer über das hinausgehe, was zur Umsetzung von Artikel 123c BV nötig sei. Der unpräzise Verfassungstext solle nicht Anlass dazu geben, jede möglicherweise gemeinte Opfergruppe zu schützen. Es wurde angeregt, auf Artikel 67 Absatz 4bis VE-StGB zu verzichten. Das allgemeine Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absatz 1 StGB sei ausreichend.68 Der Bundesrat ist ­ mit Blick auf Artikel 123c BV ­ jedoch der Auffassung, dass diesen Personen ebenfalls ein besonderer Schutz vor Sexualstraftätern zukommen soll. Massgebend dafür ist, dass der Täter eine Situation ausgenutzt oder herbeigeführt haben muss, in der er eine bestimmte Macht über das Opfer ausüben konnte. Der Täter erscheint deshalb als gefährlich, so dass ein zwingend lebenslanges Tätigkeitsverbot zur Vermeidung von Wiederholungstaten gerechtfertigt erscheint. Um eine Uferlosigkeit des Tätigkeitsverbots zu vermeiden, wird das Tätigkeitsverbot ­ wie oben erwähnt ­ auf Tätigkeiten im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt beschränkt. Gerade in diesem Bereich erscheint ein spezielles Verbot zu Schutz der betroffenen Personen sachgerecht.

Schliesslich steht für Fälle, die nicht unter Artikel 67 Absatz 3, 4 oder 4 bis E-StGB fallen, das allgemeine Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absatz 1 StGB zur Verfügung.

1.3.6

Ausschluss des Strafbefehlsverfahrens

Der Vorentwurf sah vor, dass ein zwingend lebenslängliches Tätigkeitsverbot ­ wie bereits das Tätigkeitsverbot des geltenden Rechts ­ nur von einem Strafgericht im ordentlichen Verfahren soll angeordnet werden können (vgl. Art. 352 Abs. 2 Strafprozessordnung, StPO69). Das Strafbefehlsverfahren (bzw. das Strafmandatsverfahren im Anwendungsbereich des Militärstrafprozesses; Militärstrafprozess, MStP70) war somit in solchen Fällen ausgeschlossen. Dies aus folgenden Gründen:71 Im Anwendungsbereich des StGB kann die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl erlassen, wenn eine Strafe von bis zu sechs Monaten (oder das Äquivalent in Geldstrafe oder gemeinnütziger Arbeit) auszufällen ist. Der Fall muss zudem in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einfach und klar sein (Art. 352 Abs. 1 StPO). Das Strafbefehlsverfahren ist ein rasches und einfaches Verfahren.

Nur unter diesen Voraussetzungen erscheint es gerechtfertigt, dass die beschuldigte Person auf eine Beurteilung durch ein unabhängiges Gericht in einer öffentlichen

68 69 70 71

Vernehmlassungsbericht, S. 11.

SR 312.0 SR 322.1 Die nachfolgenden Überlegungen gelten auch für das Strafmandatsverfahren gemäss Art. 119 MStP.

6142

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Verhandlung verzichten kann, indem sie den Strafbefehl akzeptiert und auf eine Einsprache verzichtet.

Einerseits verursacht das Strafbefehlsverfahren wesentlich weniger Aufwand als ein Gerichtsverfahren. Dies gilt nicht nur für die Strafbehörden; auch für den Beschuldigten ist das Strafbefehlsverfahren in der Regel mit erheblich tieferem Zeitaufwand und mit deutlich weniger Kosten verbunden.72 Eine kurze Verfahrensdauer trägt nicht nur zur Wirksamkeit des Entscheides bei, sondern auch zu dessen Akzeptanz. 73 Andererseits weist das Strafbefehlsverfahren auch gewisse rechtsstaatliche Schwachstellen auf: So kann aufgrund der Schriftlichkeit des Verfahrens anders als im ordentlichen Verfahren keine Kontrolle der Rechtsprechung durch die Öffentlichkeit erfolgen. In der Phase des Strafbefehlsverfahrens besteht kein Anspruch auf Verteidigung; und Strafbefehle werden allein in der Verfahrenssprache ausgestellt, ungeachtet davon, ob die beschuldigte Person diese Sprache überhaupt versteht.

Schliesslich brauchen Strafbefehle hinsichtlich der Sanktion nicht begründet zu werden, und eine Einvernahme der beschuldigten Person ist ebenso nicht erforderlich.

Diese Schwachstellen haben zur Folge, dass im Strafbefehlsverfahren nur relativ geringfügige Sanktionen ausgesprochen werden können.

Wie oben erwähnt ist deshalb im geltenden Recht die Anordnung eines Tätigkeitsverbots oder Kontakt- und Rayonverbots (Art. 67 ff. StGB) im Strafbefehlsverfahren ausgeschlossen. Das normale Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absatz 1 StGB und die zwingenden Tätigkeitsverbote nach Artikel 67 Absatz 3 und 4 StGB sind bereits durch die vorausgesetzte Mindeststrafe vom Strafbefehlsverfahren ausgenommen.

Aber auch ein Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absatz 2 StGB und ein Kontakt- und Rayonverbot (Art. 67b StGB) können nicht im Strafbefehlsverfahren verhängt werden. Diese Verbote, die zehn Jahre oder wenn nötig lebenslänglich dauern (Art.

67 Abs. 2 und 6 StGB) beziehungsweise die bis zu fünf Jahre dauern und wenn nötig jeweils um bis zu fünf Jahre verlängert werden können (Art. 67b Abs. 1 und 5 StGB), stellen keine geringfügigen Sanktionen mehr dar. Zudem hängt die Anordnung dieser Verbote teilweise von der negativen Zukunftsprognose des Täters ab.

Auch muss bei diesen nicht zwingenden Verboten beurteilt werden, ob die Anordnung
von Bewährungshilfe zur Durchsetzung des Verbots sinnvoll ist (Art. 67 Abs. 7 StGB). Dies sind Aufgaben, bei denen ein rasches und schriftliches Verfahren kaum geeignet ist. Überdies sind viele dieser Fälle weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht einfach und klar.

Ein zwingend lebenslängliches Verbot stellt ebenfalls keine geringfügige Sanktion mehr dar; dies gilt umso mehr, als das Verbot in den allermeisten Fällen zusätzlich noch mit einer Strafe von bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe (oder das Äquivalent in Geldstrafe oder gemeinnütziger Arbeit) verknüpft werden kann. Auch sieht der Entwurf vor, dass das Gericht in gewissen besonders leichten Fällen ausnahmsweise auf die Anordnung eines lebenslänglichen Tätigkeitsverbots verzichten kann (vgl.

Ziff. 1.3.7). Hierzu scheint ein rasches und schriftliches Verfahren, das zudem rechtsstaatliche Schwächen aufweist, kaum geeignet.

72 73

Hansjakob 2014, S. 163.

Hansjakob 2014, S. 163.

6143

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Diese Regelung bringt zudem für die Opfer entscheidende Verbesserungen: sie können sich am Verfahren beteiligen und ihre Zivilforderungen beurteilen lassen.

Aus diesen Gründen hält der Entwurf am Ausschluss des Strafbefehls- beziehungsweise Strafmandatsverfahrens gemäss geltendem Recht fest; auch wenn von etlichen Vernehmlassungsteilnehmenden aus Kosten- und Effizienzgründen angeregt wurde, vom Ausschluss des Strafbefehlsverfahrens ganz oder teilweise abzusehen.74 Durch den Ausschluss des Strafbefehlsverfahren wird den ordentlichen Gerichten und den Staatsanwaltschaften zwar ein gewisser Mehraufwand entstehen. Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass eine beachtliche Anzahl der Fälle aufgrund der Strafhöhe oder wegen fehlender Einfachheit und Klarheit bereits heute nicht im Strafbefehlsverfahren beurteilt werden können. Hinzukommt, dass nicht alle Strafverfahren wegen einer Straftat gegen die sexuelle Integrität (Art. 187­197 StGB) vom Ausschluss betroffen sein werden. Denn nicht in sämtlichen Fällen richtete sich die Straftat gegen ein minderjähriges, besonders schutzbedürftiges, zum Widerstand unfähiges, abhängiges oder urteilsunfähiges Opfer (vgl. Ziff. 3.2).

Zudem bleibt das abgekürzte Verfahren nach Artikel 358 ff. StPO, welches ebenfalls der Prozessökonomie dient, in solchen Fällen nach wie vor möglich.

Vor diesem Hintergrund ist der Bundesrat der Ansicht, dass die oben erwähnten Gründe, welche für einen Ausschluss des Strafbefehlsverfahrens sprechen, überwiegen.

Auch ein teilweiser Verzicht auf den Ausschluss des Strafbefehlsverfahrens, indem ­ wie in der Vernehmlassung vereinzelt vorgeschlagen75 ­ in Fällen nach Artikel 67 Absatz 4ter E-StGB auch die Staatsanwaltschaft im Rahmen des Strafbefehlsverfahrens befugt sein solle, von einem Tätigkeitsverbot abzusehen, erscheint nicht sachgerecht. Denn gerade in diesen Fällen, bei welchen den Gerichten ein gewisses Ermessen zugestanden wird und insbesondere Fragen der Rückfallgefahr zu prüfen sind, erscheint das Strafbefehlsverfahren aus den bereits oben genannten Gründen kaum geeignet.

Der generelle Ausschluss des Strafbefehlsverfahrens hat zur Folge, dass Sexualdelikte, die in den Anwendungsbereich von Artikel 67 Absatz 3, 4 und 4bis E-StGB oder Artikel 50 Absatz 3, 4 und 4bis E-MStG fallen, auch dann nicht im Strafbefehlsbeziehungsweise
Strafmandatsverfahren erledigt werden können, wenn die jeweiligen Strafgrenzen, die für diese Verfahren gelten, nicht erreicht werden. Auch wenn die Staatsanwaltschaft in Ausnahmefällen ein Absehen von einem zwingenden, lebenslänglichen Tätigkeitsverbot im Sinne von Artikel 67 Absatz 4 ter E-StGB erwägt, ist das Strafbefehlsverfahren ausgeschlossen. Solche Sexualdelikte sind in jedem Fall von einem ordentlichen Gericht zu beurteilen.

74 75

Vernehmlassungsbericht, S. 6 f.

Vernehmlassungsbericht, S. 6.

6144

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1.3.7

Richterliches Ermessen

Liest man Artikel 123c BV isoliert und ohne Rücksicht auf den Kontext der gesamten Verfassung, kann man zum Schluss kommen, dass jede Verurteilung wegen einer Sexualstraftat, deren Opfer zum Kreis der geschützten Personen gehört (vgl.

Ziff. 1.3.2), zur Anordnung eines zwingend lebenslänglichen Tätigkeitsverbots führen muss. Berücksichtigt man aber bei der Umsetzung der angenommenen Volksinitiative die nach wie vor geltenden rechtsstaatlichen Garantien der BV, bewegt man sich in einem rechtlichen Spannungsfeld, das differenzierte Lösungen verlangt.

Bei einem lebenslänglichen Tätigkeitsverbot handelt es sich um einen Grundrechtseingriff (vgl. Ziff. 5.1.2). Ein solcher ist nur rechtmässig, wenn er sich auf eine gesetzliche Grundlage stützen kann, im öffentlichen Interesse oder zum Schutze von Grundrechten Dritter ausgesprochen wird und verhältnismässig ist (Art. 36 Abs. 2 und 3 BV). Diese Garantien von elementarer Bedeutung sind durch die Annahme der Initiative nicht ausser Kraft gesetzt worden, sondern haben nach wie vor Geltung. Angenommene, formulierte Volksinitiativen auf Teilrevision sind im Kontext der geltenden BV auszulegen, da die Initiantinnen und Initianten eine Teilrevision der Verfassung anstrebten und Volk und Stände nur über eine solche befanden.76 Bei der Auslegung der Verfassung ist grundsätzlich von der Gleichrangigkeit aller Verfassungsnormen auszugehen (vgl. Ziff. 1.2.2). Die Verfassung selbst sieht keine explizite interne Normenhierarchie vor, welche bestimmten Verfassungsnormen im Verhältnis zu anderen den Vorzug geben würde. Hier unterscheidet sich die BV beispielsweise vom deutschen Grundgesetz, das in Artikel 79 Absatz 3 bestimmte Normen als unantastbar erklärt und somit aus dem übrigen Verfassungsrecht heraushebt.

Stehen mehrere Verfassungsbestimmungen zueinander in einem Spannungsverhältnis, müssen sie ­ wie unter Ziffer 1.2.2 dargelegt ­ auf dem Wege der harmonisierenden Auslegung miteinander zu praktischer Konkordanz gebracht werden. Gleichrangigkeit der Verfassungsnormen heisst dabei bloss, dass die eine Norm nicht a priori einer anderen übergeordnet ist, hat aber nicht zur Konsequenz, dass im Harmonisierungsprozess der Bedeutung der einzelnen Bestimmungen für die konkrete Fragestellung nicht Rechnung getragen werden dürfte.

Im konkreten Fall bedeutet dies, dass
Artikel 123c BV zwar die Voraussetzungen für die Beschränkung von Grundrechten in Artikel 36 BV zurückdrängen darf. Artikel 36 BV darf aber ­ angesichts seiner Tragweite für den Rechtsstaat ­ nicht jeder Wirksamkeit beraubt werden.77 Der Entwurf hält deshalb an der im Vorentwurf (Variante 1) vorgeschlagenen Ausnahmebestimmung fest. Wie unter Ziffer 1.2.7 bereits erwähnt, spricht sich auch eine deutliche Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden aus rechtsstaatlichen Gründen für eine solche Bestimmung aus. Die Ausnahmebestimmung wurde aber überarbeitet und präzisiert (vgl. Erläuterungen zu Art. 67 E-StGB).

76 77

Reich 2008, S. 510.

Moser 1986, S. 14 f.

6145

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Die Voraussetzungen, um auf die Anordnung zu verzichten, sind eng ausgestaltet.

Die Ausnahmebestimmung kommt nicht bei allen, sondern nur bei gewissen Anlasstaten zur Anwendung. Darüber hinaus wird kumulativ verlangt, dass es sich um einen besonders leichten Fall einer Anlasstat handelt und die Anordnung eines Tätigkeitsverbotes nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer einschlägiger Straftaten abzuhalten. Bei Anlasstaten, die von ihrer Art oder ihrer abstrakten Strafdrohung am schwersten wiegen, vermutet das Gesetz unwiderlegbar, dass es keine besonders leichten Fälle gibt (vgl. Art. 67 Abs. 4ter E-StGB; Erläuterungen zu Art. 67 E-StGB). Zudem wird in der überarbeiteten Ausnahmebestimmung mit Blick auf den Zweck der Initiative ausdrücklich festgehalten, dass, wenn der Täter pädophil gemäss den international anerkannten Klassifikationskriterien ist, nicht von der Anordnung eines zwingend lebenslänglichen Tätigkeitsverbotes abgesehen werden darf ­ und zwar unabhängig von der Art und Schwere der Anlasstat. Das Gesetz vermutet insofern, dass in diesen Fällen die Anordnung eines Tätigkeitsverbotes immer notwendig erscheint.

Die Ausnahmebestimmung soll zum Beispiel in Fällen von einvernehmlicher Jugendliebe zwischen einer jungen erwachsenen und einer 15-jährigen Person zur Anwendung kommen, bei welchen nicht zu befürchten ist, dass der Täter eine Tätigkeit zur Begehung weiterer einschlägiger Straftaten missbraucht, das heisst keine Wiederholungsgefahr besteht.

Insofern kann mit dieser Ausnahmebestimmung auch der Intention der Initiantinnen und Initianten Rechnung getragen werden. Diese haben sich im Vorfeld zur Abstimmung dahingehend geäussert, dass sogenannte Jugendlieben nicht von einem zwingend lebenslänglichen Tätigkeitsverbot erfasst werden sollen und die Volksinitiative auf pädophile Straftäter ziele.78 Zwar fordert eine Minderheit der Vernehmlassungsteilnehmenden, dass ausschliesslich Fälle von Jugendlieben unter diese Ausnahmebestimmung fallen sollen (vgl.

Ziff. 1.2.7). Das Prinzip der Rechtsgleichtheit gebietet jedoch, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt wird. Aus Gründen der Rechtsgleichheit wäre es somit stossend, nur sogenannte Jugendlieben als «besonders leichte Fälle» von einem lebenslänglichen Tätigkeitsverbot auszunehmen, während andere
ähnlich besonders leichte Fälle, die ebenfalls keinerlei Bezug zu Pädophilie aufweisen, zwingend ein solches Verbot zur Folge hätten. Bei ähnlich besonders leichten Fällen soll deshalb ebenfalls die Ausnahmebestimmung zur Anwendung gelangen können, wenn die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind (Beispiele solcher Fälle unten, Erläuterungen zu Art. 67 E-StGB).

Auch die EMRK verlangt bei der Beschränkung des hier zur Diskussion stehenden Artikels 8 (Schutz des Privatlebens) eine Verhältnismässigkeitsprüfung. Die vorgeschlagene Ausnahmebestimmung für besonders leichte Fälle geht zwar in diese Richtung, vermag aber das Risiko nicht gänzlich zu beseitigen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einem konkreten Fall eine Konventionsverletzung feststellen würde (vgl. Ziff. 5.2.1).

78

Erläuterungen zur Volksabstimmung, S. 21 (Argumente des Initiativkomitees).

6146

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1.3.8

Verlust des Rechts auf Ausübung einer beruflichen oder ausserberuflichen Tätigkeit

Bei einer Verurteilung zu einer Sexualstraftat an einem geschützten Opfer soll das Gericht grundsätzlich in jedem Fall ein lebenslanges Tätigkeitsverbot anordnen.

Das Verbot soll auf berufliche und organisierte ausserberufliche Tätigkeiten beschränkt werden.

Als berufliche Tätigkeiten gelten Tätigkeiten in Ausübung eines Haupt- oder Nebenberufs oder -gewerbes oder eines Handelsgeschäfts. 79 Der Begriff ist eher weit zu verstehen. In Frage kommen selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeiten. Die Erwerbstätigkeit kann namentlich im Rahmen eines Arbeitsvertrages oder eines Auftragsverhältnisses ausgeführt werden. Indizien zur Qualifikation als berufliche Tätigkeit können Zeit und Mittel sein, die dafür aufgewendet werden, aber auch die Häufigkeit innerhalb eines bestimmten Zeitraums und die angestrebten und erzielten Einkünfte.80 Als organisierte ausserberufliche Tätigkeiten gelten ehrenamtliche Tätigkeiten, vorausgesetzt sie finden in einem bestimmten, organisierten Rahmen statt. Dieser organisierte Rahmen liegt insbesondere bei Vereinen, Stiftungen, Gesellschaften des Aktienrechts, öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Institutionen vor. Ausserberuflich ist eine Tätigkeit, wenn sie nicht oder nicht primär zu Erwerbszwecken ausgeübt wird. In Frage kommen zum Beispiel freiwillige Tätigkeiten in einem Sportverein, im Rahmen von Jugend und Sport, der Schule, der Kirche oder der Krankenpflege.81 Daraus folgt, dass die Betreuung minderjähriger oder besonders schutzbedürftiger Personen im streng privaten Rahmen (z. B. durch Verwandte oder Freunde) nicht in den Geltungsbereich des vorgeschlagenen Tätigkeitsverbots fallen soll. Hierfür soll auch kein Sonderprivatauszug verlangt werden können. In diesen Fällen sind die Eltern für die Wahl der Personen, denen sie ihre Kinder anvertrauen, verantwortlich.

Werden diese Betreuungsleistungen jedoch im Rahmen eines Berufs erbracht, so fallen sie unter den Geltungsbereich des vorgeschlagenen Tätigkeitsverbots, und die Erziehungsberechtigten können als Arbeitgeber einen Sonderprivatauszug verlangen. Was die Eltern selbst angeht, ist klar, dass die Ausübung der elterlichen Sorge keine berufliche oder ausserberufliche Tätigkeit darstellt und von Artikel 123c BV nicht betroffen ist. Ist das Wohl des Kindes gefährdet, so trifft die Kindesschutzbehörde ­
nachdem sie von den Strafbehörden über eine Verurteilung informiert worden ist (vgl. Art. 75 Abs. 2 StPO) ­ gestützt auf die Artikel 307 ff. ZGB die geeigneten Kindesschutzmassnahmen.

79 80 81

Niggli/Maeder 2013, Art. 67 N. 37.

Botschaft Umsetzung Ausschaffungsinitiative, Ziff. 6.4.1; BGE 119 IV 129, 132 zum Begriff des berufsmässigen Handelns.

Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», Ziff. 6.2.1 und 6.4.1.

6147

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1.3.9

Tätigkeit mit minderjährigen, besonders schutzbedürftigen, abhängigen, zum Widerstand unfähigen und urteilsunfähigen Personen

Der Entwurf sieht vor, dass das Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absatz 3 und 4 E-StGB zum Schutz von Minderjährigen oder besonders schutzbedürftigen Personen auf Tätigkeiten mit regelmässigem Kontakt zu diesen Personen(gruppen) beschränkt werden soll. Es wird auf die weitere Formulierung, die in der französischen Fassung von Artikel 123c BV verwendet wird, abgestellt (vgl. Ziff. 1.2.5). Dies erscheint zum Schutz der Minderjährigen und besonders schutzbedürftigen Personen erforderlich. Denn es gibt zahlreiche Tätigkeiten, die von ihrer Art her zwar nicht direkt mit oder an diesen Personen ausgeübt werden, aber dennoch mit regelmässigen Begegnungen von Minderjährigen oder besonders schutzbedürftigen Personen verbunden sind und die Möglichkeiten bieten, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.

Unter Tätigkeiten «mit Kontakt zu» minderjährigen und anderen besonders schutzbedürftigen Personen sind einerseits Tätigkeiten zu verstehen, die von ihrer Art her einen direkten Kontakt mit diesen Personen umfassen und möglicherweise die Entwicklung eines Vertrauensverhältnisses beinhalten. Darunter fallen insbesondere Tätigkeiten als Lehrer, Betreuer, Trainer, Pfleger, usw. Zum anderen sind darunter aber auch alle anderen Tätigkeiten zu verstehen, die wiederholt in Einrichtungen ausgeübt werden, die Dienstleistungen anbieten, die sich direkt und spezifisch an minderjährige oder besonders schutzbedürftige Personen richten. Damit werden auch hauswirtschaftliche Tätigkeiten (Hauswart, Sekretär, Koch, Reinigungspersonal) in solchen Institutionen erfasst (z. B. in Sportvereinen, Schulen, Kinderkrippen, Internaten, Ferienlagern, Pflegeheimen, Sondereinrichtungen für körperlich oder geistig behinderte Personen, geriatrischen oder pädiatrischen Kliniken, usw.), es sei denn, der Kontakt zu diesen Personengruppen sei örtlich oder zeitlich ausgeschlossen.

Unter «regelmässig» können sowohl kurzzeitige oder sporadische Verhältnisse über einen längeren Zeitraum als auch intensive Verhältnisse über einen kurzen Zeitraum fallen. Eine einmalige Tätigkeit genügt hingegen nicht.

Aufgrund des Vernehmlassungsergebnisses82 werden einzelne Definitionen von Tätigkeiten mit regelmässigem Kontakt mit Minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen präzisiert. Dies erfolgt einerseits, um Unklarheiten zu beseitigen,
andererseits auch damit für die betroffenen Personen die Stellensuche nicht mehr als notwendig erschwert wird (vgl. Erläuterungen zu Art. 67a E-StGB).

Das Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absatz 4bis E-StGB zum Schutz von abhängigen, zum Widerstand unfähigen und urteilsunfähigen Personen soll auf Tätigkeiten im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt beschränkt werden (vgl. Ziff.

1.3.5 und Erläuterungen zu Art. 67 E-StGB). Unter das Verbot nach Artikel 67 Absatz 4bis E-StGB fallen damit nicht sämtliche Tätigkeiten im Gesundheitsbereich, sondern eben nur Tätigkeiten in diesem Bereich, die an beziehungsweise mit Patienten ausgeübt werden. Die im Vorentwurf verwendete Formulierung «Heil- und Pflegetätigkeiten» erwies sich als ungenau, weshalb von dieser Abstand genommen 82

Vernehmlassungsbericht, S. 14 f.

6148

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wird. Insbesondere wären damit Tätigkeiten in der Forschung oder der Wissenschaft ausgeschlossen gewesen, obwohl es in der Forschung häufig zu direktem Kontakt zu Patientinnen und Patienten kommen kann, beispielsweise bei Kontrolluntersuchungen.

Die Verbote nach Artikel 67 Absatz 3, 4 und 4 bis E-StGB sollen immer alle beruflichen und organisierten ausserberuflichen Tätigkeiten mit minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen respektive alle beruflichen und organisierten ausserberuflichen Tätigkeiten im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt umfassen.

1.3.10

Vollzug des Tätigkeitsverbots

Das zwingend lebenslängliche Tätigkeitsverbot soll weitestgehend wie dasjenige des geltenden Rechts vollzogen werden.83 Strafregisterauszug Der Vollzug erfolgt somit einerseits mittels Auszug aus dem Strafregister. Hierfür steht der normale Privatauszug (Art. 371 StGB) sowie der neue Sonderprivatauszug (Art. 371a StGB) zur Verfügung. Letzterer enthält nach dem geltenden Recht nur Urteile, in denen ein Tätigkeitsverbot zum Schutz von Minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen angeordnet wurde. Neu soll der Sonderprivatauszug auch Urteile enthalten, in denen ein Verbot für Tätigkeiten im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt angeordnet wurde (Art. 371a E-StGB). Dementsprechend sollen neu nicht nur Personen, die sich für eine berufliche oder ausserberufliche Tätigkeit mit regelmässigem Kontakt mit minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen bewerben oder eine solche Tätigkeit ausüben, einen sie betreffenden Sonderprivatauszug verlangen können, sondern auch Personen, die sich für eine Tätigkeit im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt bewerben oder eine solche Tätigkeit ausüben.

Nach dem geltenden Recht ist für die Ausstellung eines Sonderprivatauszuges eine schriftliche Bestätigung des Arbeitgebers oder der Organisation notwendig. In dieser wird bestätigt, dass der Antragsteller eine Tätigkeit ausübt, für welche ein Sonderprivatauszug angefordert werden kann oder dass er sich für eine solche Tätigkeit bewirbt. Diese Regelung hat nun aber zur Folge, dass nur Arbeitgeber und Organisationen, bei welchen organisierte ausserberufliche Tätigkeiten ausgeführt werden, von den betreffenden Personen einen Sonderprivatauszug verlangen können. Bewilligungs- und Aufsichtsbehörden können hingegen keinen Sonderprivatauszug verlangen, da ihnen in diesem Zusammenhang nicht die Eigenschaft des Arbeitgebers zukommt. Ebenfalls stellen sie keine Organisation dar, bei welcher organisierte ausserberufliche Tätigkeiten mit regelmässigem Kontakt zu Minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen ausgeübt werden. Diese Lücke ist zu schliessen. Neu sollen auch Bewilligungsbehörden von den betreffenden Personen 83

Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», Ziff. 6.2.7, 6.2.8 und 6.4.1.

6149

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einen Sonderprivatauszug verlangen können, indem die «Arbeitgeberbestätigung» auf diese Fälle ausgeweitet wird (vgl. Erläuterungen zu Strafregister [Art. 371a E-StGB]).

Im Vernehmlassungsverfahren wurde von einigen Vernehmlassungsteilnehmenden die Einführung einer gesetzlichen Pflicht zur Einholung eines Sonderprivatauszuges verlangt, währendem andere den Verzicht auf ein solches Obligatorium ausdrücklich begrüssten.84 Im Vorentwurf und Bericht zur Änderung der Bundesverfassung, des Strafgesetzbuches, des Militärstrafgesetzes und des Jugendstrafgesetzes (Tätigkeitsverbot und Kontakt- und Rayonverbot)85 wurde bereits die Einführung eines solchen Obligatoriums vorgeschlagen. Dieser Vorschlag, dass der Sonderprivatauszug von Personen, die eine Tätigkeit mit Minderjährigen oder besonders schutzbedürftigen Personen ausüben wollen, obligatorisch einzuholen ist, wurde jedoch vor allem von den direkt betroffenen ausserberuflichen Organisationen abgelehnt.86 Deshalb wurde im Entwurf zum Bundesgesetz über das Tätigkeitsverbot und das Kontakt- und Rayonverbot (Änderung des Strafgesetzbuchs, des Militärstrafgesetzes und des Jugendstrafgesetzes) vom ursprünglich vorgesehenen Obligatorium Abstand genommen. 87 Damit eine allgemeine Pflicht zur Einholung eines Strafregisterauszuges eingeführt werden könnte, müsste zudem zuerst eine entsprechende Verfassungsgrundlage geschaffen werden.88 Insofern wurde die Einführung einer solchen Pflicht bereits geprüft, jedoch wieder verworfen. Da sich die Situation seither nicht wesentlich verändert hat, hält der Bundesrat am Verzicht auf die Einführung einer generellen Pflicht zur Einholung eines Sonderprivatauszuges fest.

Dieser Verzicht bedeutet jedoch nicht, dass Bund, Kantone und Gemeinden für gewisse Tätigkeiten im Rahmen ihrer Bewilligungs- oder Aufsichtsgesetzgebung nicht eine Pflicht zur Einholung eines Sonderprivatauszuges vorsehen können.

Gleiches gilt für die Festlegung der Anstellungsvoraussetzungen für bestimmte Tätigkeiten.

Bewährungshilfe Andererseits soll die Überwachung und Betreuung durch die bestehenden Bewährungshilfestrukturen erfolgen. Bereits im geltenden Recht erfolgt die Überwachung und Betreuung bei Tätigkeitsverboten und Kontakt- und Rayonverboten durch die Bewährungshilfe. Auch zuvor waren die Bewährungshilfestrukturen schon für die Kontrolle
der Weisungen (und der in diesem Rahmen möglichen Tätigkeits-, Kontakt- und Rayonverbote) zuständig. Die Überwachung und Betreuung durch die Bewährungshilfe erscheint insbesondere unter dem Aspekt, dass selbständige berufliche oder organisierte ausserberufliche Tätigkeiten regelmässig nicht durch einen 84 85 86 87 88

Vernehmlassungsbericht, S. 19 ff.

Bericht Tätigkeitsverbot und Kontakt- und Rayonverbot, Ziff. 1.2.2.7 f. und 2.5.1.

Vernehmlassungsbericht Tätigkeitsverbot und Kontakt- und Rayonverbot, S. 18 ff.

Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», Ziff. 6.2.8.

Bericht Tätigkeitsverbot und Kontakt- und Rayonverbot, Ziff. 2.1.

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Auszug aus dem Strafregister kontrolliert werden können, angezeigt. Zudem kann eine Unterstützung durch eine Bezugsperson sinnvoll sein, wenn der Verurteilte sich aufgrund der Verbote beruflich und in seiner Freizeit neu orientieren muss.

Der Vorentwurf sah vor, dass die Anordnung der Bewährungshilfe in jedem Fall zwingend sein soll. In der Vernehmlassung lehnten etliche Vernehmlassungsteilnehmende die Aufgabenzuteilung an die Bewährungshilfe ab oder vertraten die Auffassung, dass die Anordnung einer Bewährungshilfe nur fakultativ sein soll. Es wurde darauf hingewiesen, dass die zwingende Anordnung von Bewährungshilfe zu erheblichen Mehrkosten beziehungsweise Mehraufwand bei den kantonalen Bewährungshilfen führen würde. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass die Vollzugs- und Bewährungsdienste nur über begrenzte Möglichkeiten zur Überwachung der lebenslangen Tätigkeitsverbote verfügten.89 Auch die Schweizerische Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Bewährungshilfe (SKLB) wies im Vernehmlassungsverfahren auf die begrenzten Möglichkeiten der Bewährungshilfe zur Überwachung der Tätigkeitsverbote hin. Als Kontrollinstrument stehe lediglich das Gespräch mit den Betroffenen beziehungsweise Fragen nach den Tätigkeiten zur Verfügung. Der gesetzliche Auftrag der Bewährungshilfe liege zudem nicht in der Überwachung, sondern darin, die betreuten Personen mittels geeigneter Sozial- und Fachhilfe vor Rückfälligkeit zu bewahren und bei der sozialen Integration zu unterstützen. Der Bewährungshilfe fehle das nötige Instrumentarium, um Tätigkeitsverbote wirksam zu kontrollieren.90 Von der ursprünglich vorgesehenen Bestimmung, wonach bei Tätigkeitsverboten nach Artikel 67 Absatz 3, 4 und 4bis E-StGB in jedem Fall zwingend Bewährungshilfe anzuordnen ist, wird deshalb aufgrund des Vernehmlassungsergebnisses Abstand genommen. Die Anordnung von Bewährungshilfe ist nicht in allen Fällen sinnvoll und notwendig. Zudem würde die zwingende Anordnung von Bewährungshilfe bei den Kantonen zu einem grossen Mehraufwand führen. 91 Die Anordnung von Bewährungshilfe soll bei Tätigkeitsverboten nach Artikel 67 Absatz 3, 4 und 4bis E-StGB aber die Regel sein (vgl. Erläuterungen zu Art. 67 E-StGB).

Die Dauer der Bewährungshilfe entspricht grundsätzlich der Dauer des Verbotes. Ist die mit dem Tätigkeitsverbot verbundene Bewährungshilfe
jedoch nicht mehr erforderlich, so kann das zuständige Gericht oder die Vollzugsbehörde die Bewährungshilfe aufheben (Art. 67c Abs. 7 StGB).

Verzicht auf Eintragung der Tätigkeitsverbote in RIPOL In der Vernehmlassung verlangten einzelne Vernehmlassungsteilnehmende, dass als weiteres Vollzugsinstrument die Tätigkeitsverbote und Kontakt- und Rayonverbote ins Fahndungssystem RIPOL eingetragen werden sollen. Dies ermögliche, dass die Polizei vom Verbot Kenntnis habe und bei Bedarf entsprechend intervenieren könne, was für eine wirksame Kontrolle unabdingbar sei.92 89 90 91 92

Vernehmlassungsbericht, S. 12 ff.

Vernehmlassungsbericht, S. 13 ff.

Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», Ziff. 6.4.1 (Art. 67 [Tätigkeitsverbot, Voraussetzungen]).

Vernehmlassungsbericht, S. 22.

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Eine Ausschreibung der Tätigkeitsverbote und Kontakt- und Rayonverbote im Fahndungssystem RIPOL würde eine Änderung des Bundesgesetzes über die polizeilichen Informationssysteme des Bundes (BPI)93 sowie der Verordnung über das automatisierte Polizeifahndungssystem (RIPOL-Verordnung)94 bedingen. Um zu gewährleisten, dass die von der Polizei abgerufenen Daten den aktuellen Stand der Verbote wiedergeben, wäre zudem ein aufwendiges Meldeverfahren oder ein automatischer Abgleich mit dem Strafregister-Informationssystem VOSTRA vorzusehen.

Am 20. Juni 2014 hat der Bundesrat die Botschaft95 und den Entwurf96 zu einem neuen Bundesgesetz über das Strafregister-Informationssystem VOSTRA (Strafregistergesetz, StReG) verabschiedet. Dieser Entwurf, der zurzeit vom Parlament beraten wird, sieht vor, dass die kantonalen Polizeistellen einen Online-Zugang zum Strafregister-Informationssystem VOSTRA erhalten. Dieser Online-Zugang wird es den Polizeistellen künftig ermöglichen, einfach und verlässlich abzuklären, ob gegen eine bestimmte Person ein Tätigkeitsverbot oder Kontakt- und Rayonverbot besteht.

Die vorgesehenen Online-Zugangsrechte schliessen einen mobilen Zugang mit ein.

Der Entwurf des Strafregistergesetzes sieht für die Polizeibehörden somit bereits den gewünschten Online-Zugang zu den für sie relevanten Informationen (Urteil mit Tätigkeitsverboten oder Kontakt- und Rayonverboten) vor. Es ist entsprechend bereits vorgesehen, dass ein weiteres ergänzendes Vollzugsinstrument geschaffen werden soll. Deshalb kann im vorliegenden Entwurf auf eine Änderung des BPI verzichtet werden.

Es werden allerdings so oder so nur punktuelle Kontrollen durch die Polizeiorgane möglich sein; systematische Kontrollen sind ausgeschlossen. Denn es müssen spezifische Umstände vorliegen, damit die Polizeiorgane Identitätskontrollen vornehmen dürfen. Die Kontrolle darf nicht anlassfrei erfolgen. Erforderlich können Identitätskontrollen etwa bei einer begründeten Annahme sein, die Person sei zur Fahndung ausgeschrieben oder bei Vorliegen eines objektiven Anfangsverdachts einer Widerhandlung.97 Möglichkeit der nachträglichen Überprüfung Zur Berücksichtigung des in der BV verankerten Verhältnismässigkeitsprinzips (vgl.

Ziff. 1.2.3, sowie Ziff. 5.1.2) und der völkerrechtlichen Verpflichtungen (vgl.

Ziff. 5.2) soll die verurteilte
Person in gewissen Fällen die Möglichkeit erhalten, nach einer bestimmten Dauer des Vollzugs, ihren Fall neu prüfen zu lassen, sprich bei der zuständigen Behörde um eine inhaltliche oder zeitliche Einschränkung oder um die Aufhebung des Verbots zu ersuchen.

Das Strafgesetzbuch sieht auch bei verschiedenen anderen, an sich lebenslänglichen Strafen und Massnahmen, gewisse Überprüfungsmöglichkeiten vor. So ist beispielsweise bei der lebenslänglichen Freiheitsstrafe eine bedingte Entlassung mög93 94 95 96 97

SR 361 SR 361.0 BBl 2014 5713 BBl 2014 5873 Mohler 2012, S. 197 f.; vgl. BGE 137 I 167, 136 I 101, 124 I 85 und 109 Ia 146.

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lich; dies frühestens nach 15 Jahren, wenn die Voraussetzungen vorliegen (vgl.

Art. 86 Abs. 5 i.V.m. Art. 86 Abs. 1 StGB). Ausnahmsweise, wenn ausserordentliche, in der Person des Gefangenen liegende Umstände es rechtfertigen, ist eine bedingte Entlassung auch schon frühestens nach zehn Jahren möglich (Art. 86 Abs. 5 i.V.m. Art. 86 Abs. 4 StGB). Auch bei der lebenslänglichen Verwahrung nach Artikel 64 Absatz 1bis StGB ist unter bestimmten Umständen eine Prüfung der Entlassung und eine bedingte Entlassung vorgesehen (Art. 64c StGB).

Das Aufrechterhalten eines Tätigkeitsverbots über eine gewisse Zeitdauer hinaus, obwohl vom Täter keine Gefahr mehr ausgeht, dass er eine Tätigkeit zur Begehung weiterer Sexualstraftaten missbrauchen könnte, erscheint nicht sachgerecht 98 und wäre mit dem Verhältnismässigkeitsprinzip nicht vereinbar. Auch für die Bewährungshilfe, die bei den Tätigkeitsverboten nach Artikel 67 Absatz 3, 4 und 4bis E-StGB in der Regel anzuordnen ist, würde dies zu einem unverhältnismässig grossen Aufwand führen und der Vollzug der Verbote könnte nicht mehr befriedigend sichergestellt werden.

Der Vorentwurf sah vor, dass die Zeitdauer, nach welcher frühestens um eine Überprüfung ersucht werden kann, abgestuft nach Unrechtsgehalt der begangenen Straftatbestände festgelegt werden soll. Zwar haben zahlreiche Vernehmlassungsteilnehmende die nachträgliche Überprüfungsmöglichkeit begrüsst und teilweise auch kürzere Fristen angeregt.99 Andererseits wurde die Überprüfungsmöglichkeit von einer Minderheit der Vernehmlassungsteilnehmenden explizit abgelehnt, weil sie sich nicht mit dem Wortlaut von Artikel 123c BV vereinbaren lasse. Einzelne Teilnehmenden regten zudem an, die Anzahl der unterschiedlichen Fristen zu beschränken. Damit könne die Komplexität der Bestimmung reduziert werden. 100 Aus diesen Gründen wurde die Bestimmung überarbeitet und die unterschiedlichen Fristen auf eine einheitliche Frist reduziert. Die Zeitdauer, nach welcher frühestens um eine Überprüfung ersucht werden kann, soll bei allen lebenslänglichen Tätigkeitsverboten ­ wie im geltenden Recht ­ auf zehn Jahre festgelegt werden (vgl.

Erläuterungen zu Art. 67c E-StGB).

Ist der Täter pädophil (zum Begriff vgl. Ziff. 1.2.5), soll die Überprüfungsmöglichkeit ausgeschlossen sein. Das Verbot soll in einem solchen Fall immer
lebenslänglich dauern. Der Entwurf übernimmt diesbezüglich die im Vorentwurf vorgeschlagene Lösung (zu den Einzelheiten vgl. Erläuterungen zu Art. 67c E-StGB).

Zahlreiche Vernehmlassungsteilnehmende haben diesen Ausschluss der nachträglichen Überprüfungsmöglichkeiten bei pädophilen Straftätern begrüsst (zur inhaltlichen Kritik, vgl. Erläuterungen zu Art. 67c E-StGB).101 Der Bundesrat schlägt somit bei der nachträglichen Überprüfungsmöglichkeit eine strengere Regelung als im Vorentwurf vor. Er orientiert sich damit am Wortlaut der neuen Verfassungsbestimmung.

98 99 100 101

Vgl. Göksu, 2015, Art. 123c N. 23.

Vernehmlassungsbericht, S. 8 und 16 ff.

Vernehmlassungsbericht, S. 8 und 16 ff.

Vernehmlassungsbericht, S. 8 und 16 ff.

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1.3.11

Zeitliche Geltung und Rückwirkungsverbot

Aufgrund des Rückwirkungsverbots nach Artikel 2 Absatz 1 StGB kann das vorgeschlagene Tätigkeitsverbot durch den Strafrichter erst dann angeordnet werden, wenn der Täter nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung eine verbotsrelevante Tat begangen hat. Das Rückwirkungsverbot gilt grundsätzlich auch für Massnahmen.

Eine Ausnahme vom Rückwirkungsverbot gilt, wenn das Gesetz zwischen Tat und Urteil ändert. Nach Artikel 2 Absatz 2 StGB gilt in diesem Fall der Grundsatz des milderen Rechts (lex mitior): Das neue Recht ist auf Taten anwendbar, die vor dessen Inkrafttreten begangen wurden, sofern es für den Betroffenen milder ist als das Recht zur Zeit der Tat. In der Lehre ist zwar umstritten, inwieweit der Grundsatz des milderen Rechts auch für Massnahmen gilt. Dieser Aspekt dürfte jedoch im vorliegenden Zusammenhang unerheblich sein, da das vorgeschlagene Tätigkeitsverbot eine Verschärfung gegenüber dem bisherigen Recht darstellt (vgl. Ziff. 1.4).

1.3.12

Örtliche Geltung

Artikel 123c BV äussert sich nicht dazu, ob die Verurteilung von einem Schweizer Gericht ausgehen muss oder ob auch ausländische Urteile berücksichtigt werden sollen. Die Prüfung, welche Schweizerinnen und Schweizer wegen einer relevanten Straftat im Ausland verurteilt wurden, wäre aufwändig, schwierig und im Ergebnis willkürlich, da nie alle erfasst werden können; dies weil den Schweizer Behörden nicht alle Auslandsurteile gemeldet werden. Deshalb soll das vorgeschlagene Tätigkeitsverbot ausschliesslich im Rahmen eines in der Schweiz ausgefällten Strafurteils angeordnet werden, wie dies beim Tätigkeitsverbot des geltenden Rechts auch der Fall ist.

Wird dem Schweizerischen Strafregister jedoch ein ausländisches Urteil, das ein Tätigkeitsverbot enthält, mitgeteilt, so wird dieses bereits nach den bestehenden Regelungen ins Strafregister aufgenommen, wenn es nach unserem Recht eintragungspflichtig ist.102 Diese Urteile erscheinen dann ebenfalls im Privat- beziehungsweise Sonderprivatauszug.103

1.3.13

Parallele Regelungen im Militärstrafgesetz

Obwohl dem vorgeschlagenen Tätigkeitsverbot im militärischen Alltag eine eher geringe Bedeutung zukommen dürfte, soll dieses in das Militärstrafgesetz (MStG 104) aufgenommen werden, wie dies bereits für das geltende Tätigkeitsverbot (Art. 50 ff.

MStG) der Fall ist.

102 103 104

Art. 3 Abs. 1 Bst. e VOSTRA-V (SR 331).

Art. 4 Abs. 1 Bst. f i.V.m. Art. 25 Abs. 2 Ziff. 11 oder 25d VOSTRA-V.

SR 321.0

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1.4

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Der Entwurf übernimmt aufgrund des Vernehmlassungsergebnisses weitestgehend das im Vorentwurf vorgeschlagene Tätigkeitsverbot.

Vorgesehen wird ein grundsätzlich zwingend lebenslängliches Tätigkeitsverbot im StGB und MStG, das für alle erwachsenen Täter gilt, die wegen einer Sexualstraftat an einem geschützten Opfer zu einer Strafe verurteilt werden oder gegen die eine Massnahme angeordnet wird. Im JStG wird auf ein solches Verbot hingegen verzichtet.

Die Deliktskataloge, welche die Anlasstaten enthalten, umfassen ­ anders als das qualifizierte Tätigkeitsverbot nach geltendem Recht (vgl. Art. 67 Abs. 3 und 4 StGB) ­ nebst Verbrechen und Vergehen auch Übertretungen. Dies hat zur Folge, dass auch weniger schwere Delikte grundsätzlich zu einem lebenslänglichen Tätigkeitsverbot führen.

Verurteilt das Gericht einen Täter wegen einer Sexualstraftat an einem besonders geschützten Opfer, so muss es das Tätigkeitsverbot grundsätzlich unabhängig von der Höhe der im Einzelfall ausgesprochenen Strafe zwingend lebenslänglich anordnen.

Die vom Bundesrat vorgeschlagene und nach der Vernehmlassung überarbeitete Ausnahmebestimmung sieht jedoch vor, dass das Gericht ausnahmsweise in besonders leichten Fällen gewisser Sexualstraftaten von einem zwingend lebenslänglichen Tätigkeitsverbot absehen kann, sofern die Anordnung des Verbots nicht notwendig erscheint, den Täter vor der Begehung weiterer einschlägiger Straftaten abzuhalten.

Bei den aufgrund ihrer Art oder ihrer Strafdrohung schwersten Sexualstraftaten vermutet das Gesetz unwiderlegbar, dass es keine besonders leichten Fälle gibt.

Auch wenn der Täter pädophil im Sinne der international anerkannten Klassifikationskriterien ist, ist die Anwendung der Ausnahmebestimmung ausgeschlossen. Mit der Ausnahmebestimmung wird auch dem von den Initiantinnen und Initianten im Vorfeld der Abstimmung geäusserten Anliegen entsprochen, wonach sogenannte Jugendlieben nicht zu einem zwingenden Tätigkeitsverbot führen sollen und die Volksinitiative vorwiegend auf pädophile Straftäter ziele.105 Aus Gründen der Rechtgleichheit ist die Ausnahmebestimmung aber nicht nur auf die Fälle der sogenannten Jugendliebe zu beschränken, sondern soll auch bei anderen ähnlich besonders leichten Fällen zur Anwendung gelangen können, wenn die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind und keinerlei
Bezug zu Pädophilie vorliegt.

Die Ausnahmebestimmung schliesst Widersprüche zu fundamentalen rechtsstaatlichen Grundsätzen und zum Völkerrecht nicht völlig aus, sondern mildert diese nur bis zu einem gewissen Grad. Sie vermag das Risiko, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einem konkreten Fall eine Konventionsverletzung feststellen würde, nicht gänzlich zu beseitigen.

Um diese Widersprüche weiter zu mildern, räumt der Entwurf dem Täter in bestimmten Fällen die Möglichkeit ein, sein Tätigkeitsverbot nach einer gewissen 105

Erläuterungen zur Volksabstimmung, S. 21 (Argumente des Initiativkomitees).

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Dauer des Vollzugs neu prüfen zu lassen, insbesondere um die Aufhebung des Verbots zu ersuchen. Die Zeitdauer bis frühestens eine Überprüfung möglich ist, wurde gegenüber dem Vorentwurf allerdings vereinheitlicht und verschärft. Eine Überprüfung des Verbots soll grundsätzlich in allen Fällen frühestens nach zehn Jahren möglich sein. Bei pädophilen Straftätern ist diese Überprüfungsmöglichkeit ausgeschlossen.

In Bezug auf das am 1. Januar 2015 in Kraft getretene Tätigkeitsverbot, mithin den indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», stellen die vorgeschlagenen Bestimmungen insofern eine Verschärfung dar, als einerseits der Katalog der Delikte, die die Anordnung eines zwingenden Tätigkeitsverbotes zur Folge haben, ausgeweitet wird und für die Anordnung des zwingenden Tätigkeitsverbotes keine Mindeststrafe mehr vorausgesetzt wird. Die vorgeschlagene Ausnahmebestimmung führt in Bezug auf das Absehen von einem Verbot nicht zu ähnlichen Ergebnissen wie das Erfordernis der Mindeststrafe von sechs Monaten Freiheitsstrafe oder 180 Tagessätzen Geldstrafe gemäss geltendem Recht; dies weil die Ausnahmebestimmung nur unter sehr eng formulierten Voraussetzungen in besonders leichten Fällen zur Anwendung kommt. Andererseits sieht der Entwurf auch betreffend die Dauer des zwingenden Tätigkeitsverbots eine Verschärfung vor, da die zwingenden Verbote stets lebenslänglich anzuordnen sind.

Bei pädophilen Straftätern, auf welche die Volksinitiative gemäss den Äusserungen der Initiantinnen und Initianten gezielt habe106, haben die vorgeschlagenen Bestimmungen eine besonders weitgehende Verschärfung zur Folge. Denn bei pädophilen Straftätern ist die Anordnung des Tätigkeitsverbots immer zwingend ­ die Anwendung der Ausnahmebestimmung ist in jedem Fall ausgeschlossen ­ und auch eine Überprüfung des Verbots nach einer gewissen Dauer des Vollzugs ist gänzlich ausgeschlossen.

Schliesslich wird ein zusätzliches Verbot von beruflichen und organisierten ausserberuflichen Tätigkeiten im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt vorgeschlagen.

Der Vollzug des lebenslänglichen Tätigkeitsverbotes soll wie das Tätigkeitsverbot des geltenden Rechts mittels Strafregisterauszug und Bewährungshilfe stattfinden.

Eine vollständige Überwachung des Verurteilten durch
die Begleitperson der Bewährungshilfe wird nicht möglich sein. Hinzu kommt, dass für Tätigkeiten mit regelmässigem Kontakt zu minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen beziehungsweise für Tätigkeiten im Gesundheitsbereich kein allgemeines Obligatorium zur Einholung eines Strafregisterauszuges vorgesehen ist.

Bund, Kantone und Gemeinden haben jedoch die Möglichkeit eine solche Pflicht im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz für einzelne Bereiche und Tätigkeiten vorzusehen. Im Übrigen wird das Einholen eines Strafregisterauszuges in die Verantwortung der Arbeitgeber, Vereine und anderen Organisationen gestellt.107 106 107

Erläuterungen zur Volksabstimmung, S. 21 (Argumente des Initiativkomitees).

Zum Verzicht auf eine Pflicht zur Einholung des Sonderprivatauszuges: vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», Ziff. 6.1.2 und 6.2.8.

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Der Entwurf des Strafregistergesetzes108, der zurzeit vom Parlament beraten wird, sieht zudem vor, dass die kantonalen Polizeistellen einen Online-Zugang zum Strafregister-Informationssystem VOSTRA erhalten. Damit wird es den Polizeistellen künftig möglich sein, einfach und verlässlich abzuklären, ob gegen eine bestimmte Person ein Tätigkeitsverbot oder ein Kontakt- und Rayonverbot besteht. Insofern soll ein weiteres ergänzendes Vollzugsinstrument geschaffen werden.

Dennoch stellt auch das vorgeschlagene Tätigkeitsverbot kein Allheilmittel gegen rückfällige Sexualstraftäter dar. Es darf nicht vergessen werden, dass das vorgeschlagene Tätigkeitsverbot, auch wenn es sehr streng ausgestaltet ist, erst zum Zuge kommt, wenn alle präventiven Massnahmen (wie z. B. Sensibilisierung, Ausbildung und Kontrolle) versagt haben und der Täter bereits eine Sexualstraftat begangen hat.

Sexualstraftaten von Personen, die noch nie einschlägig verurteilt wurden, sowie Missbräuche im Rahmen der Familie und der näheren Verwandtschaft können mit dem vorgeschlagenen Tätigkeitsverbot nicht verhindert werden. Andererseits steht das Tätigkeitsverbot auch nicht als alleinige Massnahme zur Verfügung. In schweren Fällen wird gegen den Täter eine Freiheitsstrafe oder eine therapeutische Massnahme (Art. 56 ff. StGB) verhängt, allenfalls muss er verwahrt werden (Art. 64 ff.

StGB).

1.5

Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Im Rahmen der Erarbeitung des erläuternden Berichts vom Januar 2011 zum Tätigkeits- und Kontakt- und Rayonverbot wurde bereits eine sehr umfassende rechtsvergleichende Untersuchung durchgeführt.109 Das Resultat dieses Rechtsvergleichs wurde im erläuternden Bericht zum Tätigkeitsverbot und Kontakt- und Rayonverbot und zusammengefasst in der Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen» dargestellt.110 Auf die Details der Regelungen muss hier nicht erneut eingegangen werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle untersuchten Staaten (Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Belgien, Vereinigtes Königreich, Schweden, Kanada) eine Form des Verbots von beruflichen oder ausserberuflichen Tätigkeiten mit Minderjährigen oder schutzbedürftigen Erwachsenen kennen. Dabei ist zu erwähnen, dass obligatorische Verbote eher die Ausnahme bilden. In der Regel wird der zuständigen Behörde ein gewisser Ermessensspielraum eingeräumt oder kann diese das Verbot von einer negativen Prognose abhängig machen. Die Verbote in anderen Rechtsordnungen können ein bis fünf Jahre (Deutschland, Frankreich, Österreich), bis zehn Jahre (Schweden), ein bis zwanzig Jahre (Belgien) oder unbefristet lange dauern (Deutschland, Frankreich, Österreich, Italien, Vereinigtes Königreich, Kanada). In Frankreich und Italien ist

108 109 110

BBl 2014 5873 Bericht Tätigkeitsverbot und Kontakt- und Rayonverbot, S. 25.

Bericht Tätigkeitsverbot und Kontakt- und Rayonverbot, S. 25­31; Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», Ziff. 2.6.

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ausserdem kein ausdrücklicher Mechanismus zur periodischen Überprüfung des Nutzens der Massnahme vorgesehen.111

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

2.1

Strafgesetzbuch

Art. 67 (Tätigkeitsverbot, Voraussetzungen) Abs. 2bis Diese Bestimmung entspricht weitestgehend dem Absatz 6 des geltenden Rechts.

Die inhaltliche Änderung ist rein redaktioneller Natur. Da sich der Anwendungsbereich ­ anders als im geltenden Recht ­ jedoch nur noch auf das fakultative Tätigkeitsverbot gemäss Absatz 2 bezieht, wird die Bestimmung neu unmittelbar danach eingefügt.

Abs. 3 und 4 Das Tätigkeitsverbot zum Schutz von minderjährigen Opfern vor Sexualstraftätern wird in Absatz 3, dasjenige zum Schutz von volljährigen, besonders schutzbedürftigen Opfern in Absatz 4 geregelt.

Die Einleitungssätze der Absätze 3 und 4 setzen für die Anordnung eines Tätigkeitsverbotes voraus, dass der Täter wegen einer der in den Buchstaben a­d respektive a und b aufgezählten Straftatbestände zu einer Strafe verurteilt oder gegen ihn eine Massnahme angeordnet wird. Es ist keine Mindeststrafe erforderlich. Neu soll auch die Anordnung zu einer ambulanten Behandlung (Art. 63 StGB) genügen.

Wird der Täter jedoch weder zu einer Strafe noch zu einer Massnahme verurteilt, kann kein Tätigkeitsverbot nach Absatz 3 oder 4 angeordnet werden. Dabei handelt es sich insbesondere um Fälle von sogenannter Jugendliebe nach Artikel 187 Ziffer 3 StGB. Die Möglichkeit, eine Person ohne Bestrafung zu verurteilen, ist zudem in den Artikeln 52­54, 188 Absatz 2, 192 Absatz 2 und 193 Absatz 2 StGB vorgesehen. In diesen Fällen kann jedoch ein Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absatz 2 StGB angeordnet werden, wenn die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind.

Das Verbot setzt keine negative Prognose voraus. Nicht relevant ist schliesslich, ob das Delikt in Ausübung der zu verbietenden beruflichen oder organisierten ausserberuflichen Tätigkeit begangen wurde. Vielmehr muss das Verbot zwingend auch dann angeordnet werden, wenn die Tat im privaten Rahmen oder in Ausübung einer anderen als der zu verbietenden Tätigkeiten begangen wurde.

Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, so muss das Gericht das lebenslängliche Tätigkeitsverbot anordnen (zur Ausnahme vgl. Abs. 4 ter).

Das Tätigkeitsverbot umfasst jede berufliche und organisierte ausserberufliche Tätigkeiten mit regelmässigem Kontakt zu den jeweiligen Personen beziehungsweise 111

Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», Ziff. 2.6.

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der jeweiligen Personengruppe. Die Begriffe «berufliche Tätigkeit» und «organisierte ausserberufliche Tätigkeit» werden in Artikel 67a Absatz 1 StGB definiert (vgl.

Erläuterungen zu Art. 67a E-StGB). Diese Begriffsdefinitionen entsprechen dem geltenden Recht. Wann eine Tätigkeit mit einen regelmässigem Kontakt zu minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen vorliegt, wird in Artikel 67a Absatz 5 E-StGB präzisiert (vgl. Erläuterungen zu Art. 67a E-StGB). In Artikel 67a Absatz 6 E-StGB findet sich zudem eine Legaldefinition des Begriffs «besonders schutzbedürftig» (vgl. Erläuterungen zu Art. 67a E-StGB). Mit dem oben verwendeten Begriff «jede» wird ausgedrückt, dass es keine geografischen Einschränkungen des Tätigkeitsverbots gibt. Das Verbot gilt für die ganze Schweiz.

Abs. 4bis In Absatz 4bis wird zum Schutz von abhängigen, zum Widerstand unfähigen oder urteilsunfähigen Person ein spezielles Tätigkeitsverbot für Tätigkeiten im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt geschaffen (vgl. Ziff. 1.3.9).

Für die Anordnung eines solchen Verbots setzt Absatz 4 bis voraus, dass der Täter wegen einer der in den Buchstaben a und b aufgezählten Straftatbestände zu einer Strafe verurteilt oder gegen ihn eine Massnahme angeordnet worden ist. Wie beim Tätigkeitsverbot nach den Absätzen 3 und 4 ist keine Mindeststrafe erforderlich.

Der Deliktskatalog in Absatz 4bis ist identisch mit jenem von Absatz 4. Die geschützte Person muss zur Zeit der Tat zum Täter in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, zum Widerstand unfähig oder urteilsunfähig sein. Dieser Zustand muss nicht dauerhaft sein, er kann auch nur für kurze Dauer während der Tat bestehen (z. B. auf dem gynäkologischen Behandlungsstuhl beim Gynäkologen112; vgl. Ziff. 1.2.5 und 1.3.5).

Das Verbot setzt keine negative Prognose voraus. Die Anordnung setzt auch nicht voraus, dass das Delikt in Ausübung einer beruflichen oder organisierten ausserberuflichen Tätigkeit im Gesundheitsbereich begangen wurde. Vielmehr muss das Verbot zwingend auch dann angeordnet werden, wenn die Tat im privaten Rahmen oder in Ausübung einer anderen als der zu verbietenden Tätigkeiten begangen wurde.

Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, so muss das Gericht das lebenslängliche Tätigkeitsverbot in jedem Fall anordnen (zur Ausnahme vgl. Abs. 4 ter).
Das Verbot umfasst sämtliche Tätigkeiten im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt. Darunter fallen vor allem die Gesundheitsberufe nach dem Entwurf zum Gesundheitsberufegesetz113, das heisst insbesondere Tätigkeiten als Pflegefachfrau und Pflegefachmann, Physiotherapeutin und Physiotherapeut, Ergotherapeutin und Ergotherapeut, Hebamme, Ernährungsberaterin und Ernährungsberater, Optometristin und Optometrist sowie Osteopathin und Osteopath. Weiter fallen darunter auch die Berufe nach dem Medizinalberufegesetz 114 und dem Psychologieberufegesetz115, das heisst insbesondere Tätigkeiten als Arzt oder Ärztin, Zahnarzt 112 113 114 115

Urteil des Bundesgerichts vom 3. Okt. 2005, 6S.448/2004.

BBl 2015 8781 SR 811.11 SR 935.81

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oder Zahnärztin, Chiropraktiker oder Chiropraktikerin und als Psychologe oder Psychologin. Die Berufe werden grundsätzlich nicht als Ganzes verboten. Eine berufliche Tätigkeit in diesem Bereich ohne direkten Patientenkontakt ist vom Verbot nicht betroffen.

Abs. 4ter Wie unter Ziffer 1.2.7 erwähnt, wurde die Ausnahmebestimmung von einer deutlich überwiegenden Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden begrüsst; einige davon brachten jedoch inhaltliche Kritik vor.116 Aus diesen Gründen wurde die Ausnahmebestimmung überarbeitet und präzisiert. In materieller Hinsicht entspricht sie jedoch weitestgehend derjenigen des Vorentwurfs.

Art. 67 Abs. 4ter VE-StGB

Art. 67 Abs. 4ter E-StGB

Das Gericht kann in leichten Fällen von der Anordnung eines Tätigkeitsverbotes nach den Absätzen 3­4bis absehen, wenn ein solches Verbot offensichtlich weder notwendig noch zumutbar ist. Bei Menschenhandel (Art. 182), sexueller Nötigung (Art.

189), Vergewaltigung (Art. 190), Schändung (Art. 191 oder Förderung der Prostitution (Art. 195) darf von einem Tätigkeitsverbot nicht abgesehen werden.

Das Gericht kann in besonders leichten Fällen ausnahmsweise von der Anordnung eines Tätigkeitsverbotes nach den Absätzen 3­4bis absehen, wenn ein solches Verbot nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten, die Anlass für das Verbot sind. Von der Anordnung eines Tätigkeitsverbotes darf nicht abgesehen werden: a. bei Menschenhandel (Art. 182), sexueller Nötigung (Art. 189), Vergewaltigung (Art. 190), Schändung (Art. 191 oder Förderung der Prostitution (Art. 195); oder b. wenn der Täter pädophil gemäss international anerkannter Klassifikationskriterien ist.

Die Voraussetzungen für das Absehen von einem zwingend lebenslänglichen Tätigkeitsverbot (Art. 67 Abs. 3, 4 oder 4bis E-StGB) sind nach wie vor eng ausgestaltet.

Es muss sich kumulativ um einen besonders leichten Fall einer bestimmten Sexualstraftat handeln, und das Tätigkeitsverbot darf nicht notwendig erscheinen, um den Täter vor der Begehung weiterer einschlägiger Sexualstraftaten am geschützten Personenkreis abzuhalten. Mit der neu aufgenommenen Wendung «ausnahmsweise» soll verdeutlicht werden, dass das zwingend lebenslängliche Tätigkeitsverbot die Regel sein soll.

116

Zu den Einzelheiten vgl. Vernehmlassungsbericht, S. 11 f.

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Wie oben (Ziff. 1.3.7) erwähnt, soll mit dieser Ausnahmebestimmung insbesondere auch der Intention der Initiantinnen und Initianten Rechnung getragen werden. Diese haben sich im Vorfeld zur Abstimmung dahingehend geäussert, dass sogenannte Jugendlieben nicht von einem zwingend lebenslänglichen Tätigkeitsverbot erfasst werden sollen und die Volksinitiative auf pädophile Straftäter ziele. 117 Die Rechtgleichheit gebietet jedoch, dass eine solche Ausnahmebestimmung nicht nur auf diese Fälle beschränkt ist, sondern auch bei anderen ähnlich besonders leichten Fällen, die keinerlei Bezug zu Pädophilie aufweisen, zur Anwendung gelangen kann, wenn die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind.

Mit der überarbeiteten Formulierung muss ein besonders leichter Fall vorliegen.

Damit soll verdeutlicht werden, dass nur Fälle in den Anwendungsbereich der Ausnahmebestimmung fallen können, die in objektiver und subjektiver Hinsicht eigentlichen Bagatellcharakter aufweisen. Es ist ein strenger Massstab anzulegen. 118 Die Bestimmung soll nur zurückhaltend angewendet werden. Als besonders leichte Fälle von Sexualstraftaten können in objektiver Hinsicht zum Beispiel sexuelle Belästigungen (Art. 198 StGB; Strafdrohung: Busse) oder der Exhibitionismus (Art. 194 StGB; Strafdrohung: Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen; wenn es im konkreten Fall beispielsweise eine bedingte Strafe von wenigen Tagessätzen gibt) in Betracht kommen; dies aufgrund ihrer geringen abstrakten Strafdrohung. Aber auch ein anderes Sexualdelikt, das einer höheren Strafdrohung unterliegt, kann im konkreten Fall als eine besonders leichte Sexualstraftat gewertet werden (z. B. sexuelle Handlungen mit Kind; Strafdrohung: Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe; wenn es im konkreten Fall beispielsweise eine bedingte Strafe von wenigen Tagessätzen gibt). Dies insbesondere dann, wenn das Gericht unter Gesamtwürdigung der Tat- und Täterkomponenten (z. B. die Schwere der Verletzung, die Verwerflichkeit des Handelns, die Beziehung zwischen dem Täter und dem Opfer, das Vorleben und die Verhältnisse des Täters) das Verschulden des Täters als besonders gering einstuft und deshalb eine milde Strafe ausspricht (vgl. Art. 47 StGB).

Nicht notwendig erscheint ein Tätigkeitsverbot dann, wenn dem Täter eine gute Prognose gestellt werden kann, weil Anhaltspunkte
für eine Wiederholungsgefahr fehlen. Die Frage, ob ein Verbot nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Sexualstraftaten abzuhalten, muss vom Gericht ­ wie bei der Frage des bedingten Strafvollzugs (vgl. Art. 42 Abs. 1 StGB) ­ aufgrund einer Gesamtwürdigung beantwortet werden.119 Es sind alle nach dem Stand der Prognoseforschung massgeblichen Umstände zu berücksichtigen. In die Beurteilung miteinzubeziehen sind neben den Tatumständen das Vorleben und der Leumund sowie alle weiteren Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die Aussichten auf Bewährung zulassen. Für eine Einschätzung des Rückfallrisikos ist ein möglichst vollständiges Bild der Täterpersönlichkeit unabdingbar (falls nötig, auch mittels eines psychiatrischen Gutachtens).120

117 118

Erläuterungen zur Volksabstimmung, S. 21 (Argumente des Initiativkomitees).

Zu besonders leichten Fällen nach Art. 251 Ziff. 2 StGB; vgl. BGE 128 IV 271, 114 IV 127.

119 Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches, Ziff. 213.142.

120 Schneider/Garré 2013, Art. 42 N. 46.

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Auf das Kriterium «offensichtlich» wurde ­ wie im Rahmen der Vernehmlassung vereinzelt beantragt121 ­ verzichtet. Dies weil Prognosen über menschliches Verhalten notgedrungen mit einem erheblichen Unsicherheitsfaktor belastet sind.122 Sind die Voraussetzungen erfüllt, so liegt der ausnahmsweise Verzicht auf die Anordnung eines lebenslänglichen Tätigkeitsverbots im Ermessen des Gerichts.

Das Gericht könnte deshalb zum Beispiel in folgenden Fällen auf ein solches Verbot verzichten:

121 122

­

Eine 20-jährige Person hat im Rahmen einer Liebesbeziehung mit einer 15-jährigen Person einvernehmlich sexuelle Kontakte (z. B. Zungenküsse; erfüllter Straftatbestand: sexuelle Handlungen mit Kindern i. S. v. Art. 187 Abs. 1 StGB).

­

Eine Kioskverkäuferin verkauft einem Minderjährigen ein «Sexheftli» (erfüllter Straftatbestand: Pornografie i. S. v. Art. 197 Abs. 1 StGB).

­

Wird in einer «WhatsApp-Gruppe» von mehreren fünfzehn- bis achtzehnjährigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein Kurzvideo mit pornografischem Inhalt geteilt, das von anderen, unter sechzehn Jahren alten Schulkollegen selbst gedreht wurde, so ist bei sämtlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen dieser «WhatsApp-Gruppe» der Straftatbestand der Pornografie im Sinne von Artikel 197 Absatz 5 StGB erfüllt; dies sofern diese das Video auf ihrem Mobiltelefon belassen und nicht unverzüglich löschen (Besitz von Vorführungen mit kinderpornografischem Inhalt). Solche und ähnliche Fälle werden immer wieder publik. Denn selbst wenn das fragliche Video dem Jugendlichen oder jungen Erwachsenen ohne seinen Willen per «WhatsApp» zugesandt wird und damit temporär auf seinem Mobiltelefon gespeichert wird, wird das Video durch den Verzicht auf die Löschung weiter aufbewahrt, und es besteht die Gefahr, dass es in der Folge sowohl von ihm als von Dritten erneut zur Kenntnis genommen werden könnte. Fordert ein Jugendlicher oder junger Erwachsener eine Drittperson auf, ihm dieses Kurzvideo weiterzuleiten ­ im Wissen darum, dass es sich um ein Video mit kinderpornografischem Inhalt handelt ­, so macht er sich selbst dann strafbar, wenn er das Video nach Erhalt unverzüglich löscht. Zu denken ist in diesem Zusammenhang auch an den sogenannten «Ice-TeaFall» vom Dezember 2012, über welchen zahlreiche Medien berichteten.

Der Ex-Freund einer unter 16 Jahre alten Jugendlichen hatte auf Facebook ein Video gepostet, das den Intimbereich der jungen Frau zeigte, die sich mit einer Ice-Tea-Flasche befriedigte. Das Video hatten sich noch am selben Tag über 15 000 Personen angeschaut. Auch nachdem das Video gelöscht wurde, kursierten Kopien im Internet. Das Video wurde rege geteilt und über Mobiltelefone ausgetauscht. Einige Jugendliche, die das Video auf ihrem Handy gespeichert hatten, wurden wegen Pornografie im Sinne von Artikel 197 Absatz 3 erster Satz StGB (Besitz von Vorführungen mit kinderporno-

Vernehmlassungsbericht, S. 11.

Schneider/Garré 2013, Art. 42 N. 51. Trechsel/Pieth 2013, Art. 42 N. 8.

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grafischem Inhalt) verurteilt.123 Bei einem volljährigen jungen Erwachsenen könnte das Gericht in solchen oder ähnlichen Fällen mit der Ausnahmebestimmung auf die Anordnung eines zwingend lebenslangen Tätigkeitsverbots verzichten.

­

Als weiteres Beispiel, bei dem das Gericht in Anwendung der Ausnahmebestimmung auf die Anordnung eines zwingend lebenslangen Tätigkeitsverbotes verzichten könnte, kann ein Fall aus dem Jahr 2014 genannt werden: Damals wurde eine Frau, die von ihrem Ehemann vor der minderjährigen Babysitterin demonstrativ begrapscht wurde, mit einem Strafbefehl wegen sexuellen Handlungen mit Kindern (Art. 187 Abs. 1 StGB) verurteilt, weil sie dies zuliess und sich nicht wehrte. Die Frau habe durch pflichtwidriges Untätigbleiben ein Kind unter 16 Jahren in eine sexuelle Handlung einbezogen.124

Die Ausnahmebestimmung soll vermeiden, dass es zu stossenden Verletzungen des Verhältnismässigkeitsprinzips kommt, weil das Gericht in besonders leichten Fällen, bei denen vom Täter keine Wiederholungsgefahr für einschlägige Sexualstraftaten ausgeht und die keinerlei Bezug zu Pädophilie aufweisen, zwingend ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot anordnen müsste.

Bei Menschenhandel (Art. 182 StGB), sexueller Nötigung (Art. 189 StGB), Vergewaltigung (Art. 190 StGB), Schändung (Art. 191) oder Förderung der Prostitution (Art. 195 StGB) handelt es sich von ihrer Art her oder aufgrund ihrer abstrakten Strafdrohung um schwerste Verbrechen. Aus diesem Grund geht das Gesetz von der unwiderlegbaren Vermutung aus, dass es bei diesen Straftaten keine besonders leichten Fälle gibt. Wird der Täter wegen einem dieser Sexualdelikte zu einer Strafe verurteilt oder gegen ihn eine Massnahme angeordnet, so muss das Gericht ungeachtet der Umstände des Einzelfalles zwingend ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot anordnen.

Zudem soll mit dem neu hinzugefügten Buchstaben b sichergestellt werden, dass bei pädophilen Tätern die Ausnahmebestimmung ­ ungeachtet der Art und Schwere der Anlasstat ­ nicht zur Anwendung gelangen kann. Buchstabe b hält deshalb ausdrücklich fest, dass von der Anordnung eines Tätigkeitsverbotes nicht abgesehen werden darf, wenn der Täter pädophil gemäss den international anerkannten Klassifikationskriterien ist. Es wird somit die unwiderlegbare Vermutung aufgestellt, dass bei pädophilen Straftätern die Anordnung eines Tätigkeitsverbotes immer notwendig ist. Damit wird dem heutigen Stand der Wissenschaft Rechnung getragen, dass Pädophilie nicht heilbar ist (vgl. Ziff. 1.2.5).

Vereinzelt wurde in der Vernehmlassung geltend gemacht, man solle für den Ausschluss des Verzichts auf die Anordnung des Verbots nicht an Straftaten, sondern an das Alter des Opfers und den Altersunterschied zum Täter anknüpfen. Damit könne 123

Monica Müller: Junge Frau mit privatem Sexvideo gemobbt; in Tages-Anzeiger vom 7. Dez. 2012; Christian Lüscher: «Praktisch jeder hatte das Video auf seinem Smartphone»; in Basler Zeitung vom 5. April 2013; Marco Lüssi: Elf Strafverfahren wegen «Ice-Tea-Sexvideo»; in 20 Minuten vom 5. April 2013.

124 Attila Szenogrady: Strafbefehl, Mutter wird wegen Sexspielen vor Babysitterin verurteilt; in Limmatalerzeitung vom 17. April 2014.

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insbesondere erreicht werden, dass die von der Initiative anvisierten Fälle von Pädophilie vom Verzicht ausgeschlossen würden.125 Für den Bundesrat stellt das alleinige Abstellen auf das Alter des Opfers und den Altersunterschied zum Täter jedoch keine Alternative dar. Denn das Abstellen auf die Straftat stellt sicher, dass nicht nur bei pädophilen, sondern bei allen Tätern, die schwerste Sexualstraftaten begangen haben, das Gericht nicht auf die Anordnung eines Tätigkeitsverbots verzichten darf.

Mehrere Vernehmlassungsteilnehmende machten zudem geltend, dass die Ausnahmebestimmung aus Gründen der Verhältnismässigkeit auch auf die in Buchstabe a genannten Verbrechen ausgedehnt werden sollte; es seien selbst bei solchen Straftaten im Einzelfall leichte Fälle denkbar.126 Der Bundesrat ist sich dessen bewusst.

Er ist jedoch der Auffassung, dass eine Ausdehnung der Ausnahmebestimmung auf schwerste Sexualstraftaten kaum noch mit der Intention der Initiative zu vereinbaren wäre. Der Entwurf sieht deshalb von einer solchen Ausweitung der Ausnahmebestimmung ab.

Abs. 5 Viele Täter werden im selben Urteil wegen mehrerer Delikte zu einer Strafe verurteilt oder es wird gegen sie wegen mehrerer Delikte eine Massnahme angeordnet.

Für die Anordnung des Tätigkeitsverbots ist es jedoch notwendig, dass festgelegt wird, welche Strafe oder welche Massnahme auf eine Straftat fällt, die ein solches Verbot nach sich zieht. Zwar setzt das vorgeschlagene Tätigkeitsverbot nach den Absätzen 3, 4 und 4bis keine Mindeststrafe voraus, hingegen die Verurteilung zu einer Strafe oder die Anordnung einer Massnahme nach den Artikeln 59­61, 63 oder 64 StGB.

Der dritte Satz von Absatz 5, wonach die Strafanteile für mehrere einschlägige Straftaten addiert werden, ist neu nur noch für Tätigkeitsverbote nach Artikel 67 Absatz 1 StGB von Bedeutung. Für die Anordnung dieses allgemeinen Tätigkeitsverbots (Art. 67 Abs. 1 StGB) wird nämlich anders als beim Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absatz 2 StGB und den neu vorschlagenen Tätigkeitsverboten nach den Absätzen 3, 4 und 4bis die Verurteilung zu einer Mindeststrafe in Form einer Freiheitsstrafe von über sechs Monaten oder Geldstrafe von über 180 Tagessätzen vorausgesetzt.

Abs. 6 Die Anordnung von Bewährungshilfe ist für die zwingend lebenslänglichen Tätigkeitsverbote aufgrund einer
Sexualstraftat an minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen sowie für die zwingend lebenslänglichen Verbote für Tätigkeiten im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt zwar nicht obligatorisch ausgestaltet, sie soll aber in diesen Fällen die Regel sein (vgl. Ziff. 1.3.10).

Die Regelung lehnt sich damit an Artikel 87 Absatz 2 StGB an, wonach die Anordnung von Bewährungshilfe während der Probezeit nach der bedingten Entlassung aus einer Freiheitsstrafe ebenfalls die Regel ist.

125 126

Vernehmlassungsbericht, S. 12.

Vernehmlassungsbericht, S. 12.

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Von der Anordnung von Bewährungshilfe soll namentlich dann abgesehen werden können, wenn Betreuungsleistungen nicht erforderlich oder diese anderweitig gesichert sind und neben den weiteren Vollzugsinstrumenten eine zusätzliche Kontrolle nicht notwendig erscheint.

Die Dauer der Bewährungshilfe entspricht grundsätzlich der Dauer des Verbots. Ist die mit dem Tätigkeitsverbot verbundene Bewährungshilfe jedoch nicht mehr erforderlich, so kann das zuständige Gericht oder die Vollzugsbehörde die Bewährungshilfe gemäss Artikel 67c Absatz 7 StGB aufheben.

Art. 67a (Inhalt und Umfang) Absatz 4 wird mit dem Verbot von Tätigkeiten im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt ergänzt. Wie das Tätigkeitsverbot zum Schutz von minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen umfasst auch das Verbot nach Artikel 67 Absatz 4bis E-StGB immer die gesamte Tätigkeit. Das heisst, das Verbot umfasst bei einer im Tatzeitpunkt als Gynäkologe tätigen Person nicht nur diese spezifische Tätigkeit, sondern eben alle Tätigkeiten im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt (vgl. Ziff. 1.3.9).

Abs. 5 Diese Bestimmung definiert, wann eine Tätigkeit mit regelmässigem Kontakt zu minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen vorliegt. Dies ist gegenwärtig in Artikel 25e der VOSTRA-Verordnung vom 29. September 2006127 geregelt.Die Definition regelt nicht nur, für welche Tätigkeiten gemäss Artikel 371a StGB ein Sonderprivatauszug verlangt werden darf, sondern sie umschreibt generell den Umfang der Verbote nach Artikel 67 Absätze 3 und 4 E-StGB. Deshalb soll die Bestimmung neu auf Gesetzesstufe überführt werden.

Unter Tätigkeiten im Sinne von Absatz 5 Buchstabe a, die direkt und spezifisch gegenüber Minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen ausgeübt werden, sind Tätigkeiten zu verstehen, die sich unabdingbar direkt an diese adressieren und zwingend mit oder an ihnen ausgeführt werden. Dies ist beispielsweise der Fall beim Transport von Schulkindern durch einen offiziellen Schulbus, nicht jedoch, wenn Schulkinder für den Schulweg den öffentlichen Ortsoder Stadtbus benutzen. Letztere Tätigkeit wird nicht spezifisch gegenüber Minderjährigen ausgeübt.

In Absatz 5 Buchstabe a Ziffern 1­9 werden die Tätigkeiten, die sich direkt und spezifisch an minderjährige oder
andere schutzbedürftige Personen richten, in nicht abschliessender Weise aufgezählt. Diese Tätigkeiten implizieren ihrer Natur nach einen regelmässigen Kontakt. Der Kontakt zu minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen ist hier permanent gegeben und für die Aufgabenerfüllung unabdingbar.

An der Aufzählung der Tätigkeiten in Absatz 5 Buchstabe a Ziffern 1­9 wird trotz vereinzelter Kritik im Vernehmlassungsverfahren festgehalten. 128 Denn eine solche 127 128

SR 331.0 Vernehmlassungsbericht, S. 15.

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Umschreibung des Umfangs der Verbote erscheint aus Gründen der Rechtssicherheit geboten. Die Aufzählung soll weiterhin nicht abschliessend ausgestaltet sein, sodass auch ähnliche, nicht genannte Tätigkeiten darunter subsumiert werden können.

Unter der in Ziffer 7 genannten Tätigkeit der Verpflegung sind vorrangig die Abgabe von Mahlzeiten beispielsweise in einer Schulkantine und der Verkauf von Zwischenverpflegungen an einem Schulkiosk gemeint, nicht jedoch Tätigkeiten in der Küche eines Spitals oder Heimes ohne Kontakt mit Patientinnen, Patienten oder Bewohnern. Bei Letzteren sind die oben erwähnten allgemeinen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Die Formulierung von Ziffer 9 «Verkauf oder Verleih oder direkte Vermittlung von spezifisch für die Bedürfnisse von Minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen bestimmten Objekten» ist wie bereits in Artikel 25e der VOSTRA-Verordnung mit dem Zusatz «sofern dies die Haupttätigkeit der Privatperson darstellt» zu ergänzen. Damit soll deutlich werden, dass die allgemeine Verkaufstätigkeit in einem grösseren Supermarkt, die regelmässig auch spezifisch für die Bedürfnisse von Minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen bestimmte Objekte führen, grundsätzlich nicht darunter fällt. Vielmehr zielt Ziffer 9 auf Verkaufs-, Verleih- oder Vermittlungstätigkeiten in Ludotheken, spezialisierten Spielwaren- oder Kleidergeschäften etc.

Richtet sich die Tätigkeit nicht direkt und spezifisch an minderjährige oder andere besonders schutzbedürftige Personen, liegt gemäss Buchstabe b dann eine Tätigkeit mit regelmässigem Kontakt zu minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen vor, wenn diese vor allem oder wiederholt in Einrichtungen ausgeübt wird, die Dienstleistungen nach Buchstabe a anbieten (vgl. Ziff. 1.3.9).

Es handelt sich hier also um Tätigkeiten, bei welchen der direkte Kontakt zu minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen zur Aufgabenerfüllung nicht direkt notwendig ist, wie beispielsweise Reinigungs- und Unterhaltsarbeiten, Sekretariats- oder Institutionsleitungsaufgaben. Vorausgesetzt ist, dass diese anderen Tätigkeiten in Einrichtungen ausgeübt werden, die Dienstleistungen nach Buchstabe a anbieten ­ oder anders gesagt: deren Angebot sich direkt und spezifisch an minderjährige oder
andere besonders schutzbedürftige Personen richtet. Darunter fallen beispielsweise Einrichtungen wie Schulen, Kindertagesstätten, Kinderkleidergeschäfte, Ludotheken, Jugendzentren oder geriatrische Kliniken. Keine solche Einrichtung liegt hingegen beispielsweise bei einem Lebensmittelgeschäft vor, das häufig auch von Schulkindern nach Schulschluss besucht wird. Denn hier richtet sich das Angebot nicht spezifisch an minderjährige Personen, sondern an die Allgemeinheit.

Wird eine Tätigkeit im Sinne von Buchstabe b vor allem, das heisst zu mehr als 50 Prozent der Gesamtzeit der konkreten Einzeltätigkeit, oder wiederholt, das heisst mindestens zweimal, in einer der erwähnten Einrichtungen ausgeübt, ist aufgrund der permanenten Anwesenheit von minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen ein regelmässiger Kontakt während und ausserhalb der Aufgabenerfüllung meist unumgänglich. Der Kontakt kann unter solchen Rahmenbedingungen bewusst gesucht und einfach hergestellt werden. Diese Tätigkeiten fallen somit ebenfalls unter das Tätigkeitsverbot im Sinne von Artikel 67 Absätze 3 und 4 6166

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E-StGB. Daraus folgt, dass zum Beispiel eine Person, der ein vollständiges Tätigkeitsverbot mit minderjährigen Personen im Sinne von Artikel 67 Absatz 3 E-StGB auferlegt wurde und die bei einem auf die Gartenpflege spezialisiertes Unternehmen tätig ist, das mit einer Kindertagesstätte einen Vertrag zur wöchentlichen Umgebungspflege abgeschlossen hat, nicht mit der regelmässigen Ausführung dieser Aufgabe betraut werden kann.

Nicht vom Tätigkeitsverbot umfasst sind demgegenüber Tätigkeiten für einen externen Handwerksbetrieb, in dessen Rahmen beispielsweise in einer Schule ein einmaliger Reparaturauftrag ausgeführt wird.

Der zweite Satz von Buchstabe b enthält schliesslich eine Ausnahmeklausel. Danach fallen die Tätigkeiten nach Buchstabe b dann nicht unter die Verbote nach Artikel 67 Absatz 3 und 4 E-StGB, wenn örtlich oder zeitlich sichergestellt ist, dass ein Kontakt zu minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen ausgeschlossen ist. Dies ist zum Beispiel der Fall bei einer Person, die ausschliesslich ausserhalb der Öffnungszeiten einer Kindertagesstätte oder eines Jugendzentrums deren Räumlichkeiten reinigt, oder bei einer Person, die zwar in einer Einrichtung tätig ist, die Dienstleistungen nach Buchstabe a anbietet, diese Tätigkeit jedoch dauerhaft in abgetrennten Räumen ohne Zugang zum Hauptgebäude ausübt. Für solche Tätigkeiten kann somit auch kein Sonderprivatauszug verlangt werden.

In der Vernehmlassung wurde eingewendet, die Bestimmung sei so anzupassen, dass es genüge, wenn kein unbewachter Kontakt stattfinden könne. Artikel 123c BV sieht allerdings eine solche Einschränkung auf unbewachte Tätigkeiten für das Verbot nicht vor. Ausserdem wäre bei einer solchen Voraussetzung unklar und schwierig kontrollierbar, wann zum Schutz der betroffenen Personen eine ausreichende Überwachung vorliegt. Es würde sich die Frage stellen, ob ein bewachter Kontakt bereits vorliegt, wenn in den fraglichen Räumen eine Überwachungskamera installiert ist oder wenn eine beliebige weitere Person im Raum anwesend ist oder nur wenn sämtliche Arbeiten in enger Begleitung einer weiterer Personen erledigt werden. Auf eine solche Ausdehnung der Ausnahmeklausel im zweiten Satz von Buchstabe b wird deshalb verzichtet.

Abs. 6 Der Begriff «besonders schutzbedürftige Personen» erweist sich als
auslegungsbedürftig, weshalb es sich rechtfertigt, diesen zu definieren. Die Definition des Begriffs ist gegenwärtig ebenfalls in der VOSTRA-Verordnung geregelt (Art. 25e VOSTRA-Verordnung). Sie soll neu in Artikel 67a E-StGB überführt werden.

Als «besonders schutzbedürftige Personen» sollen Personen gelten, die aufgrund ihres Alters oder einer physischen, psychischen oder geistigen Beeinträchtigung ihr Leben nicht ohne fremde Hilfe führen können. Gerade weil sie auf fremde Hilfe angewiesen sind und zum Teil kein eigenbestimmtes Leben führen können, sind sie besonders gefährdet, Opfer bestimmter Straftaten zu werden.129 Die Formulierung in Absatz 6 macht deutlich, dass eine Hilfsbedürftigkeit bestehen muss, und zwar entweder in Bezug auf notwendige, alltägliche Verrichtungen (Haus129

Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», Ziff. 6.4.1.

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haltsführung, Körperpflege, Nahrungsaufnahme, Inanspruchnahme von Dienstleistungen usw.) oder allgemein bei der Lebensführung (hinsichtlich der Lebensgestaltung, z. B. Organisation, Kommunikation usw.). Die Person muss auf Unterstützung Dritter angewiesen sein, das heisst nicht mehr in der Lage sein, diese Aufgaben selbst zu bewältigen.

Die Legaldefinition stellt somit auf die eigentliche Hilfs- und Schutzbedürftigkeit der Person ab. Wie aus dem Wortlaut der Bestimmung hervorgeht, wird hingegen nicht vorausgesetzt, dass die betroffene Person effektiv Hilfe in Anspruch nimmt.

Die Hilfsbedürftigkeit muss ihren Ursprung in altersbedingten Beeinträchtigungen, einer Krankheit oder einer längerfristigen körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigung der Person haben. Unter körperliche, geistige und psychische Beeinträchtigungen fallen auch sensorische Beeinträchtigungen. Mit der Formulierung «körperliche, geistige oder psychische Beeinträchtigung» wird, wie im Vernehmlassungsverfahren angeregt, die gleiche Terminologie wie in Artikel 8 Absatz 2 BV und in Artikel 2 Absatz 1 Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) 130 verwendet.

Unter besonders schutzbedürftigen Personen sind solche zu verstehen, die ähnlich wie Minderjährige in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu denjenigen stehen, die sich um sie kümmern. Diese sollen nicht von Tätern betreut werden, die einschlägig vorbestraft sind und bei denen eine Rückfallgefahr besteht.

Keine besondere Schutzbedürftigkeit im Sinne von Artikel 67 Absatz 4 E-StGB liegt demgegenüber vor, wenn sie nur aufgrund einer vorübergehenden Schwächung durch Alkohol, Drogen oder andere Ursachen geschaffen wurde.

Art. 67c (Vollzug) Abs. 5 Bst. c­d Die Aufhebung von Buchstabe c folgt aus der Änderung des qualifizierten Tätigkeitsverbots nach geltendem Recht (Art. 67 Abs. 3 und 4 StGB) zum zwingend lebenslänglichen Tätigkeitsverbot (Art. 67 Abs. 3 und 4 E-StGB). Sie ist damit rein redaktioneller Natur.

Die verurteilte Person soll auch bei einem Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absatz 3, 4 oder 4bis E-StGB in gewissen Fällen die Möglichkeit erhalten, nach einer gewissen Dauer des Vollzugs ihren Fall neu prüfen zu lassen, sprich bei der zuständigen Behörde um eine inhaltliche oder zeitliche Einschränkung oder um die Aufhebung des Verbots zu ersuchen
(vgl. Ziff. 1.3.10). Die Voraussetzungen sind in Buchstabe d geregelt. Die Überprüfung erfolgt nicht von Amtes wegen, sondern nur auf Gesuch des Täters hin.

Der Vorentwurf sah vor, dass die Zeitdauer, nach welcher frühestens um eine Überprüfung ersucht werden kann, abgestuft nach Unrechtsgehalt der begangenen Straftatbestände festgelegt werden soll. Die vorgeschlagenen Fristen zur Überprüfung betrugen: 130

SR 151.3

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­

drei Jahre, wenn das Tätigkeitsverbot aufgrund einer Verurteilung wegen Exhibitionismus (Art. 194 StGB), Pornografie im Sinne von Artikel 197 Absatz 2 Satz 1 StGB oder sexueller Belästigungen (Art. 198 StGB) angeordnet wurde;

­

zehn Jahre, wenn das Tätigkeitsverbot aufgrund einer Verurteilung wegen einer der genannten Sexualstraftaten (weitestgehend Vergehen) erfolgte und der Täter zu einer Strafe von bis zu 6 Monaten Freiheitsstrafe oder 180 Tagessätzen Geldstrafe verurteilt wurde;

­

fünfzehn Jahre in den anderen Fällen.

Einzelne Vernehmlassungsteilnehmende erachteten diese Fristen als adäquat, andere hingegen aus Gründen der Verhältnismässigkeit als zu streng. 131 Von einer Minderheit der Vernehmlassungsteilnehmenden wurde die Überprüfungsmöglichkeit ganz abgelehnt, weil sich diese nicht mit dem Wortlaut von Artikel 123c BV vereinbaren lasse. Vereinzelt wurde zudem angeregt, die Anzahl der unterschiedlichen Fristen zu beschränken, um die Komplexität der Bestimmung zu reduzieren.132 Bereits unter Ziffer 1.3.10 wurde erwähnt, dass der Bundesrat bei der Möglichkeit der nachträglichen Überprüfung eine strengere Regelung vorschlägt, die gleichzeitig die Anzahl unterschiedlicher Fristen reduziert. Durch die strengere Ausgestaltung der Überprüfungsfrist soll sich die Bestimmung noch näher am Wortlaut der neuen Verfassungsbestimmung orientieren. Zudem soll die Komplexität der Bestimmung reduziert werden.

Um eine Überprüfung eines Tätigkeitsverbotes nach Artikel 67 Absatz 3, 4 oder 4bis E-StGB soll einheitlich frühestens nach zehn Jahren ersucht werden können. Bereits beim geltenden lebenslänglichen Tätigkeitsverbot ist eine Überprüfung frühestens nach dieser Zeitdauer möglich (Art. 67c Abs. 5 Bst. d StGB).

Vereinzelt wurde in der Vernehmlassung vorgeschlagen, bei den Tätigkeitsverboten, die aufgrund einer Verurteilung wegen Exhibitionismus (Art. 194 StGB), Pornografie im Sinne von Artikel 197 Absatz 2 erster Satz StGB oder sexueller Belästigungen (Art. 198 StGB) angeordnet wurde, eine automatische Aufhebung des Verbots vorzusehen (anstatt auf Gesuch des Täters hin).133 Dies kommt für den Bundesrat indessen nicht in Betracht. Zum einen entspricht die Überprüfung auf Gesuch des Täters hin bereits geltendem Recht (vgl. Art. 67c Abs. 5 StGB), und es besteht kein Anlass, diese Bestimmung bereits wieder zu revidieren. Zum anderen erscheint es nicht sachgerecht, ein solches Verbot automatisch und unabhängig von der Beurteilung einer allfälligen Rückfallgefahr erlöschen zu lassen. Schliesslich liesse sich ein solcher Automatismus kaum mit einer wortgetreuen Umsetzung von Artikel 123c BV vereinbaren.

Abs. 6bis Wie unter Ziffer 1.3.10 dargelegt, behält der Entwurf die Regelung bei, wonach die zuständige Behörde das Verbot bei pädophilen Straftätern nicht aufheben darf.

131 132 133

Zu den Kritiken im Detail vgl. Vernehmlassungsbericht, S. 16 f.

Vernehmlassungsbericht, S. 8 und 16 ff.

Vernehmlassungsbericht, S. 17.

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Damit wird einerseits dem heutigen Stand der Wissenschaft Rechnung getragen, dass Pädophilie nicht heilbar ist, und andererseits werden die Angaben der Initiantinnen und Initianten berücksichtigt, dass Artikel 123c BV primär auf pädophile Straftäter abziele.134 Die Bestimmung des Vorentwurfs wurde jedoch auf Anregung vereinzelter Vernehmlassungsteilnehmenden präzisiert.135 Die Wendung «pädophil im Sinne der Psychiatrie» wurde gestrichen, weil sie zu undifferenziert und somit wenig klärend ist. Stattdessen wird klargestellt, dass für die Diagnose der Pädophilie die international anerkannten Klassifikationskriterien massgebend sein sollen (zur Definition vgl.

Ziff. 1.2.5).

Bezüglich der Kritik einzelner Vernehmlassungsteilnehmenden, dass aus dem Vorentwurf nicht klar hervorgehe, zu welchem Zeitpunkt die Diagnose der Pädophilie vorliegen müsse,136 kann Folgendes festgehalten werden: Aus der systematischen Einreihung von Absatz 6bis in Artikel 67c E-StGB (vgl. Marginalie zu Art. 67c StGB: Vollzug der Verbote) ergibt sich, dass die Diagnose zum Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs um Überprüfung vorliegen beziehungsweise gestellt werden muss. Gemäss Artikel 67c Absatz 6 StGB (vgl. Erläuterungen zu Abs. 5) prüft die Behörde, ob eine negative Prognose vorliegt. Sofern die Diagnose der Pädophilie bereits während eines Strafverfahrens (z. B. im Rahmen der Prüfung, ob eine freiheitsentziehende Massnahme angeordnet werden soll; vgl. Art. 56 Abs. 3 StGB) oder im Verlauf einer solchen Massnahme (z. B. anlässlich der Beurteilung, ob der Täter aus einer stationären Massnahme bedingt zu entlassen ist) aufgrund eines psychiatrischen Gutachtens gestellt wurde, kann sich die zuständige Behörde für die Beurteilung ihres Entscheids auf ein solches stützen.

Wurde noch kein psychiatrisches Gutachten erstellt und besteht Anlass zur Annahme, dass der Täter pädophil sein könnte, so ist ein Gutachten zu erstellen. Auf die Einholung eines Gutachtens kann jedoch in denjenigen Fällen verzichtet werden, in denen ein Bezug zu Pädophilie von Vornherein klar ausgeschlossen werden kann.

Es ist dem Bundesrat bewusst, dass irrtumsfreie Diagnosen der Pädophilie ­ wie ein Vernehmlassungsteilnehmender geltend gemacht hat137 ­ kaum möglich sind. Allerdings darf die zuständige Behörde ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot ­ unabhängig
von der Diagnose der Pädophilie ­ nicht aufheben, solange vom Täter eine Rückfallgefahr ausgeht (vgl. Art. 67c Abs. 6 StGB).

Abs. 7bis Nach Artikel 67 Absatz 7 erster Satz E-StGB und Artikel 67b Absatz 4 StGB kann das Gericht für die Dauer des Tätigkeitsverbotes und des Kontakt- und Rayonverbotes Bewährungshilfe anordnen. Wenn es ein zwingend lebenslängliches Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absatz 3, 4 oder 4bis E-StGB verhängt, ordnet es in der Regel Bewährungshilfe an (Art. 67 Abs. 6 zweiter Satz E-StGB). Verzichtet das Gericht beim Verhängen des Tätigkeitsverbots oder des Kontakt- und Rayonverbots auf die 134 135 136 137

Erläuterungen zur Volksabstimmung, S. 21 (Argumente des Initiativkomitees).

Vernehmlassungsbericht, S. 18.

Vernehmlassungsbericht, S. 17 f.

Vernehmlassungsbericht, S. 18.

6170

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Anordnung von Bewährungshilfe, kann das Gericht oder die Vollzugsbehörde die Bewährungshilfe später neu anordnen, wenn der Verurteilte ein Tätigkeitsverbot oder Kontakt- und Rayonverbot missachtet. Ebenfalls kann die Vollzugsbehörde bei der bedingten Entlassung aus einer Freiheitsstrafe (Art. 87 Abs. 2 StGB) oder aus einer Massnahme (Art. 62 Abs. 3 und 64a Abs. 1 StGB) für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe anordnen. Diese Bewährungshilfe kann von der Vollzugsbehörde im Zusammenhang mit dem Vollzug eines Tätigkeitsverbots oder Kontakt- und Rayonverbots angeordnet werden, das nach der bedingten Entlassung zum Vollzug kommt. Absatz 7bis soll neu sicherstellen, dass die Vollzugsbehörde in diesen Fällen die Bewährungshilfe nicht nur für die Dauer der Probezeit, sondern für die gesamte Dauer des Tätigkeitsverbotes oder Kontakt- und Rayonverbotes anordnen kann.

Strafregister Art. 369 Abs. 4quater, 4quinquies und 6 Bst. a Einleitend zu den neuen Absätzen 4quater und 4quinquies ist Folgendes zu bemerken: Das aktuelle Strafregisterrecht kennt zwei Berechnungsarten, um die Entfernungsfrist für ein Urteil zu berechnen. Zum einen die Berechnung nach Artikel 369 StGB und zum anderen die Berechnung nach Artikel 369a StGB. Für die Entfernung relevant ist letztlich aber nur die längere Frist (vgl. zweiter Satz von Art. 369a StGB). Die Entfernungsfrist ergibt sich also aus einem Vergleich beider Berechnungsarten.

Der Grund für diese kompliziert anmutende Doppelspurigkeit ist, dass die beiden Berechnungsarten jeweils eine unterschiedliche Funktion erfüllen: ­

Die Berechnung nach Artikel 369a StGB soll sicherstellen, dass Urteile, die ein Tätigkeits- oder Kontakt- und Rayonverbot enthalten, das während seiner effektiven Dauer im Sonderprivatauszug erscheinen soll, nicht vor dem Ablauf des Verbots aus dem Strafregister entfernt wird.

­

Die Berechnung nach Artikel 369 StGB braucht es, damit ein lange dauerndes Tätigkeits- oder Kontakt- und Rayonverbot nicht zu einer ungewollten Verlängerung der Erscheinungsdauer eines Urteils im Privatauszug führt.

Für bestimmte Berechnungen der Erscheinungsdauer eines Urteils im Privatauszug werden die Fristen nach Artikel 369 StGB als Referenzfristen gebraucht. So bestimmt Artikel 371 Absatz 4 StGB, dass ein Urteil, das eine Massnahme enthält, dann nicht mehr im Privatauszug erscheint, wenn die Hälfte der für die Entfernung nach Artikel 369 StGB massgebenden Dauer abgelaufen ist (zur Ausnahme vgl. Art. 371 Abs. 5 StGB).

Das Regelungskonzept gemäss Artikel 369 StGB weist jedoch eine Lücke auf, die durch die neuen Absätze 4quater und 4quinquies geschlossen werden soll. Enthält ein Urteil nämlich als einzige Sanktion eines der neuen, seit dem 1. Januar 2015 geltenden Verbote, so findet sich in Artikel 369 StGB aktuell keine Referenzfrist, die in Anwendung von Artikel 371 Absatz 4 StGB zur Berechnung der Erscheinungsdauer im Privatauszug herangezogen werden könnte.

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Aus den vorstehend genannten Gründen sind folgende Änderungen nötig: ­

Im neuen Absatz 4quater wird eine Entfernungsfrist für Urteile vorgesehen, die ein Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absatz 2, 2bis, 3­4bis oder nach Artikel 67b StGB oder nach Artikel 50 Absatz 2, 2bis, 3­4bis oder 50b MStG allein ­ das heisst ohne andere Sanktion (z. B. eine Strafe) ­ enthalten. Solche Urteile sollen von Amtes wegen nach zehn Jahren aus dem Strafregister entfernt werden.

­

Für Jugendurteile, die ein Tätigkeitsverbot nach Artikel 16a JStG allein enthalten, bestimmt der neue Absatz 4quinquies, dass diese nach sieben Jahren von Amtes wegen entfernt werden.

Diese Fristen sind gegenwärtig in Artikel 25a der VOSTRA-Verordnung geregelt; aus rechtstaatlichen Gründen (Legalitätsprinzip) ist es jedoch angezeigt, diese Bestimmungen neu auf Gesetzesstufe zu verankern.

Die alleinige Anordnung solcher Verbote dürfte eher selten vorkommen. Es wird in Kauf genommen, dass selbst bei einem lebenslänglichen Verbot dieses nach zehn respektive nach sieben Jahren aus dem Strafregister entfernt wird sowie nach fünf respektive dreieinhalb Jahren nicht mehr im Privatauszug erscheint. Dies, weil in einem solchen Fall kein besonders schweres Verschulden zugrunde liegt (sonst wäre ja auch eine andere Sanktion ausgesprochen worden, die eine andere Fristberechnung nach sich gezogen hätte) und ein beispielsweise länger dauerndes oder sogar lebenslängliches Erscheinen im Privatauszug nicht angemessen erscheint. Die betroffene Person soll sich mittels Privatauszug ohne Nachteile für eine Tätigkeit bewerben können, wo es nicht um den Schutz von beispielsweise Minderjährigen oder besonders schutzbedürftigen Personen geht.

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass solche Urteile während der gesamten Dauer des Tätigkeitsverbots im Sonderprivatauszug erscheinen und auch für zugangsberechtigte Behörden ersichtlich bleiben (vgl. Art. 371a Abs. 4 i. V. m. Art. 369a StGB).

Die Bestimmung in Absatz 6 Buchstabe a wird dahingehend ergänzt, dass auch die in Artikel 369 Absätze 4quater und 4quinquies E-StGB definierten Fristen ab Rechtskraft des Urteils (vgl. Art. 437 StPO) zu laufen beginnen.

Mit der neuen Formulierung «rechtskräftig» anstelle von «rechtlich vollstreckbar» soll klargestellt werden, dass der Fristenlauf mit dem Eintritt der formellen Rechtskraft des Urteils beginnt, was auch schon im geltenden Recht der Fall ist. 138 Die Neuformulierung hat keine materielle Änderung zur Folge.

Art. 369a erster Satz Die Änderung in Artikel 369a StGB ist rein redaktioneller Natur.

138

Gruber 2013, Art. 369 StGB N. 25.

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Art. 371a Abs. 1, Abs. 2 Einleitungssatz und 3 Bst. a Der geltende Artikel 371a StGB sieht vor, dass die Person, die eine berufliche oder organisierte ausserberufliche Tätigkeit mit minderjährigen oder besonders schutzbedürftigen Personen ausübt oder ausüben will, einen sie betreffenden Sonderprivatauszug aus dem Strafregister einholen kann.

Der neue Absatz 1 von Artikel 371a StGB sieht vor, dass auch diejenige Person, die eine berufliche oder organisierte ausserberufliche Tätigkeit im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt ausübt oder ausüben will, einen sie betreffenden Sonderprivatauszug einholen kann.

Entsprechend enthält der Sonderprivatauszug gemäss Absatz 3 Buchstabe a neu nicht nur alle Urteile gegen Erwachsene, die ein Tätigkeitsverbot oder ein Kontaktund Rayonverbot enthalten, das zum Schutz von Minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen erlassen wurde, sondern auch alle Urteile, die ein Tätigkeitsverbot gemäss Artikel 67 Absatz 4bis E-StGB für den Gesundheitsbereich enthalten.

Die Einholung eines Sonderprivatauszuges wird wie bisher auf eine freiwillige Basis gestellt (zur Begründung vgl. Ziff. 1.3.10). Es liegt damit einerseits in der Verantwortung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, der Vereine und anderen Organisationen, ob sie von ihren Mitarbeitenden oder Mitgliedern, die mit minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen arbeiten oder eine Tätigkeit im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt ausüben, einen Strafregisterauszug einholen.139 Andererseits können Bund, Kantone und Gemeinden für gewisse Tätigkeiten im Rahmen ihrer Bewilligungs- oder Aufsichtsgesetzgebung eine Pflicht zur Einholung eines Sonderprivatauszugs vorsehen. Gleiches gilt für die Festlegung der Anstellungsvoraussetzungen für bestimmte Tätigkeiten.

Ersucht eine Person bei einer Behörde um eine Bewilligung zur Ausübung einer bewilligungspflichtigen Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt mit Minderjährigen oder mit anderen besonders schutzbedürftigen Personen umfasst, oder einer Tätigkeit im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt, soll zudem neu auch diese Bewilligungsbehörde einen Sonderprivatauszug von ihr verlangen können. Sie sollen sowohl bei der Ausstellung von Bewilligungen als auch im Rahmen ihrer Aufsichtsfunktion dazu berechtigt
sein. Aufgrund der engen Formulierung im geltenden Absatz 2 Einleitungssatz ist dies nicht möglich (zur Begründung vgl. Ziff.

1.3.10). Absatz 2 ist deshalb insofern anzupassen, als dass neben Arbeitgebern und Organisationen auch Bewilligungsbehörden die in diesem Absatz geregelte und zum Bezug des Sonderprivatauszuges notwendige Bestätigung ausfüllen können.

Der inhaltlich eingeschränkte Sonderprivatauszug hat einerseits den Vorteil, dass Bewerber nicht in jedem Fall ihr ganzes strafrechtliches Vorleben offenlegen müssen (z. B. Vorstrafen wegen Verkehrsdelikten oder Ladendiebstahl), sondern nur allfällige Verbote, die für Tätigkeiten mit minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen oder für Tätigkeiten im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt besonders relevant sein können. Es steht den Arbeitgebern und 139

Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», Ziff. 6.2.8.

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Freizeitorganisationen allerdings frei, neben dem Sonderprivatauszug auch den normalen Privatauszug zu verlangen.140 Der Sonderprivatauszug soll wie bisher die Urteile während der gesamten Dauer des Tätigkeitsverbots enthalten (Art. 371a Abs. 4 StGB). Er wurde allein deshalb geschaffen, um die Einhaltung der Verbote zum Schutz von Minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen sowie von Patientinnen und Patienten in Gesundheitsbereich zu gewährleisten.

Im Vernehmlassungsverfahren wurde von wenigen Teilnehmenden kritisiert, dass die Tätigkeitsverbote demgegenüber im Privatauszug nach einer gewissen Dauer nicht mehr ersichtlich seien. Diese Kritik verkennt, dass der Privatauszug ­ im Gegensatz zum Sonderprivatauszug ­ nicht zweckgebunden ist und folglich auch für Anstellungen verwendet werden darf, bei denen es weder um den Schutz von Minderjährigen und besonders schutzbedürftigen Personen noch um den Schutz von Patienten im Gesundheitsbereich geht. Jemand, der sich ausserhalb des Anwendungsbereichs dieser Verbote um eine Stelle bewirbt, soll durch die langen (neu gar lebenslänglichen) Verbote keine zusätzlichen Nachteile haben. Die Fristen im Privatauszug werden daher ganz bewusst unabhängig von der effektiven Dauer eines Verbots berechnet. Entscheidend für die Dauer des Erscheinens im Privatauszug ist vielmehr die Höhe der ausgesprochenen anderen Sanktionen, die besser Auskunft über die effektive Schwere des Delikts geben. Dem Gesetzgeber war es ein Anliegen, die Wiedereingliederung von verurteilten Personen in den «normalen» Arbeitsprozess nicht zu behindern. Der Sonderprivatauszug hat demgegenüber eine ganz andere Funktion. Es soll die Ausübungen von Tätigkeiten verhindern, die Gegenstand der einschlägigen Verbote sind. Der Grund für die Schaffung des Sonderprivatauszuges war gewissermassen gerade die Tatsache, dass eine Verlängerung der Fristen im Privatauszug vermieden werden sollte. An diesem Konzept ist festzuhalten.

Im Übrigen sollen auch der Bestellprozess und der Umfang des Sonderprivatauszuges unverändert bleiben. Einige Vernehmlassungsteilnehmer kritisierten im Vernehmlassungsverfahren zwar den administrativen Prozess beim Bestellen des Sonderprivatauszuges als umständlich oder machten auf in der Praxis bestehende Unsicherheiten aufmerksam, wann ein Sonderprivatauszug
zu bestellen ist. Schliesslich wurde angeregt, dass es wichtig sei, dass der Sonderprivatauszug genügend verständlich ausgestaltet sei, was bei einigen Formulierungen wie z. B. «besonders schutzbedürftige Personen» nicht der Fall sei. Der Bundesrat ist sich bewusst, dass die Gewährleistung der zweckbezogenen Verwendung des Sonderprivatauszuges nicht ohne einen gewissen Aufwand möglich ist. Es braucht auch eine gewisse Einarbeitungszeit, um die Bedeutung der verwendeten Begriffe und die Funktion des Privat- und des Sonderprivatauszuges als Informationsmittel zu verstehen. Für viele Begriffe finden sich im Gesetz zwar Legaldefinitionen, doch der Zugang dazu ist für Laien in der Tat nicht immer einfach. Deshalb wurde versucht, die betroffenen Arbeitgeber und Organisationen im Internet-Bestellprozess so gut wie möglich zu leiten; etwa mit Hilfe von Online-Bestellformularen, die genaue Handlungsanwei140

Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», Ziff. 6.2.8.

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sungen zum Bestellprozess beinhalten. Auf der Homepage des Bundesamtes für Justiz finden sich auch diverse wichtige Zusatzinformationen zur Funktion und zum Inhalt der Auszüge sowie E-Mail-Adressen und Telefonnummern von Sachbearbeitern, die Fragen beantworten können. Zu beachten ist, dass auch Interessenorganisationen auf Arbeitgeberseite viel zur Sensibilisierung für dieses Thema beitragen, indem sie ihre Mitglieder entsprechend informieren. Für die Betroffenen ist es somit möglich mit vernünftigem Aufwand an die nötigen Informationen zu gelangen.

Insgesamt sind die Erfahrungen, die mit dem Sonderprivatauszug seit dessen Einführung gemacht werden konnten, positiv.

2.2

Militärstrafgesetz

Die Änderungen der Artikel 50, 50a und 50c E-MStG entsprechen den Artikeln 67, 67a und 67c E-StGB. Es wird deshalb auf die Erläuterungen zu den Änderungen des StGB verwiesen (vgl. Ziff. 2).

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen auf den Bund

In Bezug auf die Personalkosten und die weiteren finanziellen Auswirkungen ist zwischen der Umprogrammierung des Systems VOSTRA und den Betriebskosten zu unterscheiden.

Die Umprogrammierung von VOSTRA dürfte zwischen 30 000 und 55 000 Franken kosten. Diese Kosten sind bereits eingestellt. Die Arbeiten werden soweit möglich zusammen mit den Arbeiten erledigt werden, die aufgrund des neuen Strafregisterrechts erforderlich werden.

Bezüglich der Betriebskosten ist mit mehr Gesuchen um Strafregisterauszüge zu rechnen, auch wenn im Entwurf ­ wie bereits im geltenden Recht ­ keine allgemeine Pflicht zur Einholung eines Auszugs vorgesehen ist. Dies insbesondere, weil der geschützte Personenkreis im Vergleich zum geltenden Recht etwas erweitert werden soll (vgl. Ziff. 1.3.5). Momentan ist es noch schwer abzuschätzen, wie sich die Anzahl der Gesuche um Sonderprivatauszüge entwickeln wird. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich dieser Mehraufwand in Grenzen halten wird.

Es ist jedoch festzuhalten, dass die jährlichen Einnahmen aufgrund des vorliegenden Entwurfs auch steigen dürften. Damit könnten die Kosten für die Umprogrammierung von VOSTRA voraussichtlich gedeckt werden.

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3.2

Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Die unmittelbaren finanziellen und personellen Auswirkungen auf die Kantone und Gemeinden lassen sich nur schwer abschätzen.

Die Kantone und Gemeinden werden im Straf- und Massnahmenvollzug sehr wahrscheinlich zusätzliche Kosten zu tragen haben. Zwar gibt es seit dem 1. Januar 2015 bereits ein obligatorisches Tätigkeitsverbot (Art. 67 Abs. 3 und 4 StGB), bei dem zwingend Bewährungshilfe angeordnet werden muss (vgl. Art. 67 Abs. 7 StGB).

Dieses Verbot kann auch lebenslänglich angeordnet werden (vgl. Art. 67 Abs. 6 StGB), was eine entsprechend lang dauernde Bewährungshilfe nach sich zieht. In der Regel dürften die Gerichte jedoch befristete Tätigkeitsverbote aussprechen, die gegebenenfalls verlängert werden können (vgl. Art. 67 Abs. 3, 4 und 6 StGB). 141 Das obligatorische Tätigkeitsverbot nach geltendem Recht soll nun dahingehend verschärft werden, dass dieses neu in jedem Fall lebenslänglich angeordnet werden muss (Art. 67 Abs. 3, 4 und 4bis E-StGB). Bei diesen lebenslänglichen Tätigkeitsverboten soll in der Regel Bewährungshilfe angeordnet werden. Allerdings wird die lebenslängliche Dauer des angeordneten Tätigkeitsverbots dadurch relativiert, dass unter Umständen die Möglichkeit besteht, die Verbote nach einer gewissen Dauer des Vollzugs nachträglich aufzuheben. Zudem kann gemäss Artikel 67c Absatz 6 StGB die Bewährungshilfe aufgehoben werden, wenn sie nicht mehr erforderlich ist.

Hinzu kommt jedoch, dass das obligatorische Tätigkeitsverbot auch dahingehend verschärft werden soll, als der Katalog der Sexualstraftaten, die ein Tätigkeitsverbot zur Folge haben, ausgeweitet wird. Zusätzlich wird keine Mindeststrafe mehr vorausgesetzt, und es soll ein weiteres zwingendes Verbot für Tätigkeiten im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt eingeführt werden. Entsprechend ist mit deutlich mehr Fällen zu rechnen, bei denen in der Regel auch Bewährungshilfe anzuordnen ist. In welchem Ausmass die Revision Mehrkosten zur Folge haben könnte, ist jedoch nur schwer abzuschätzen.

Zum anderen wird für die ordentlichen Gerichte ein gewisser Mehraufwand entstehen, weil Sexualdelikte gegen den geschützten Personenkreis aufgrund des zwingend lebenslänglichen Tätigkeitsverbotes vom Strafbefehlsverfahren ausgenommen werden sollen (vgl. Ziff. 1.3.6). Um wie viele Fälle es sich dabei jährlich handeln dürfte,
lässt sich nicht genau sagen. Dies weil sich aus den verfügbaren statistischen Daten des Bundesamtes für Statistik keine aussagekräftigen Schlüsse ziehen lassen.

Zwar kann gesagt werden, wie viele Verurteilungen jährlich wegen dieser Sexualdelikte erfolgt sind. Gemäss den Daten des Bundesamtes für Statistik wurden im Jahr 2014 1021 Erwachsene wegen eines Vergehens oder Verbrechens gegen die sexuelle Integrität (Art. 187­197 StGB) sowie 15 Erwachsene wegen Menschenhandel (Art. 182 StGB) verurteilt.142 Nicht ersichtlich sind hingegen die Anzahl verurteilter Erwachsener wegen sexueller Belästigungen (Art. 198 StGB), da es sich bei diesem 141

Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», Ziff. 6.5.2.

142 Die Statistik ist abrufbar unter: www.bfs.admin.ch > Themen > Kriminalität, Strafrecht > Jugend- und Erwachsenenurteile > Verurteilte > Tabelle «Erwachsene und Jugendliche: Verurteilungen und Verurteilte für ein Vergehen oder Verbrechen nach den Artikeln des Strafgesetzbuches (StGB) nach Jahr».

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Straftatbestand um eine Übertretung handelt (diese Urteile werden in der Regel nicht im Strafregister eingetragen). Nicht alle diese Strafverfahren sind jedoch vom Ausschluss des Strafbefehlsverfahrens betroffen. Denn nicht in sämtlichen Fällen richtete sich die Straftat gegen ein minderjähriges, besonders schutzbedürftiges, zum Widerstand unfähiges, abhängiges oder urteilsunfähiges Opfer. Zudem ist das Strafbefehlsverfahren sowohl in Fällen mit einer Strafe von über sechs Monaten als auch in Fällen, die in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht einfach und klar sind, ohnehin und damit bereits heute ausgeschlossen (Art. 352 Abs. 1 StGB).

In wie vielen Fällen das betroffene Opfer beispielsweise minderjährig, besonders schutzbedürftig, zum Widerstand unfähig, abhängig oder urteilsunfähig war, ist nicht bekannt. Auch ist nicht bekannt, ob zum Beispiel eine Strafe unter sechs Monaten Freiheitsstrafe wegen eines Sexualdelikts effektiv im Strafbefehls- oder in einem ordentlichen Verfahren ausgesprochen wurde.

Auch die Einholung von Strafregisterauszügen für Personen im öffentlichen Dienst, die eine Tätigkeit mit Personen ausüben, die in den geschützten Personenkreis fallen (vgl. Erläuterungen zu Strafregister), wird zu einem gewissen Mehraufwand führen (beispielsweise für Spitäler und Schulen).

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 27. Januar 2016143 zur Legislaturplanung 2015­2019 und im zugehörigen Bundesbeschluss vom 14. Juni 2016144 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

5.1.1

Gesetzgebungskompetenz

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 123 BV, der dem Bund die Kompetenz für die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafrechts und des Strafprozessrechts gibt.

5.1.2

Grundrechtskonformität

Allgemeines Wie bereits in der Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen» ausgeführt, steht die neue Verfassungsbestimmung von Artikel 123c BV im Widerspruch zu verschiedenen verfassungsmässigen Garantien

143 144

BBl 2016 1105, hier 1226 BBl 2016 5183, hier 5189

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wie die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 Abs. 2 BV), die persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) oder die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 15 BV).145 Grundrechtseinschränkungen sind mit der Verfassung vereinbar, wenn sie sich auf eine gesetzliche Grundlage stützen, einem überwiegenden öffentlichen Interesse entsprechen, verhältnismässig sind und den Kerngehalt des Grundrechts wahren (Art. 36 BV).

Das vorgeschlagene Tätigkeitsverbot wird ­ auf der Basis der bereits geltenden Regelungen (vgl. Art. 67 ff. StGB und Art. 50 ff. MStG; vgl. Ziff. 1.1.2) ­ in einem Gesetz im formellen Sinn geregelt. Es kann davon ausgegangen werden, dass dieses einem überwiegenden öffentlichen Interesse entspricht. Ferner kann festgehalten werden, dass der Kerngehalt der betroffenen Grundrechte durch das vorgeschlagene Tätigkeitsverbot nicht verletzt wird.146 Schliesslich wird das Verbot durch ein Gericht in einem ordentlichen Strafverfahren verhängt. Zu prüfen bleibt daher der Grundsatz der Verhältnismässigkeit.

Die Verhältnismässigkeit umfasst die Eignung, die Erforderlichkeit und die Verhältnismässigkeit im engeren Sinn (Zumutbarkeit). Die staatliche Massnahme muss sich eignen und notwendig sein, um das im öffentlichen Interesse verfolgte Ziel herbeizuführen. Hierzu darf keine gleich geeignete, aber mildere Massnahme zur Verfügung stehen. Die Massnahme darf nicht über das Notwendige hinausgehen. Schliesslich ist eine Abwägung der Interessen vorzunehmen. Dabei ist zu prüfen, ob das gesteckte Ziel und die dazu erforderliche Beschränkung des Grundrechts in einem angemessenen Verhältnis stehen. Eine Anordnung ist unverhältnismässig, wenn deren negative Wirkungen im konkreten Fall schwerer ins Gewicht fallen als das öffentliche Interesse daran, dass die Anordnung getroffen wird.147 Dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit kommt bei der Ausgestaltung des Tätigkeitsverbots eine wichtige Bedeutung zu. Für die therapeutischen Massnahmen und die Verwahrung, die unabhängig vom Verschulden des Täters möglich sind, wurde der Grundsatz der Verhältnismässigkeit im revidierten AT-StGB148 ausdrücklich genannt (Art. 56 Abs. 2 StGB) und in verschiedenen Bestimmungen konkretisiert (u. a. Art. 56 Abs. 1 und 6, 56a, 57 Abs. 1, 59 Abs. 1, 60 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 StGB).

Beim Tätigkeitsverbot handelt es sich um eine sogenannte
«andere Massnahme».

Wie die oben genannten Massnahmen ist für die Verhängung und die Dauer des Verbots nicht in erster Linie das Verschulden des Täters massgebend, sondern die besondere Gefahr, die von ihm ausgeht und der das Verbot begegnen soll. Das Verhältnismässigkeitsprinzip ist daher vom Gericht bei der Verhängung dieses Verbots und von den Vollzugsbehörden bei dessen Überprüfung und Aufhebung zu berücksichtigen.

Das in Umsetzung von Artikel 123c BV vorgeschlagene Tätigkeitsverbot orientiert sich eng am Wortlaut der Verfassungsnorm (und dem darin angelegten Automatis145

Zu den Einzelheiten vgl. Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», Ziff. 6.7.1.

146 Müller/Schefer 2008, S. 85 ff., 89 ff., 267 ff., und 1078 f.

147 Häfelin/Haller/Keller 2012, N. 320 ff.; Schweizer 2008, Art. 36 N. 22 ff.

148 Allgemeiner Teil des Strafgesetzbuchs (Art. 1­110 StGB).

6178

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mus), misst den Grundsätzen der Gleichwertigkeit der Verfassungsnormen und der harmonisierenden Auslegung (vgl. Ziff. 1.2.2) aber ebenfalls Gewicht zu. Dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 und Art. 36 Abs. 3 BV) wird bei der Ausgestaltung des vorgeschlagenen Tätigkeitsverbots jedoch nur bis zu einem gewissen Grad Rechnung getragen (vgl. nachfolgend). Zwar ist davon auszugehen, dass das Tätigkeitsverbot geeignet ist, um das im öffentlichen Interesse liegende Ziel (Schutz bestimmter Personen vor Sexualstraftätern) zu erreichen. Allerdings kann das vorgeschlagene Tätigkeitsverbot im Widerspruch zu den Erfordernissen der Notwendigkeit und der Zumutbarkeit stehen.

Zusammenhang zwischen begangener Straftat und Tätigkeitsverbot Aus dem Grundrecht der Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 Abs. 2 BV) lässt sich ableiten, dass die begangene Straftat einen engen Zusammenhang zur in Frage stehenden Tätigkeit aufweisen muss. Ein Tätigkeitsverbot, das in keinem Zusammenhang zur begangenen Straftat steht, würde eine unverhältnismässige Einschränkung der beruflichen Tätigkeit bedeuten.

Bezüglich des Verbots ausserberuflicher Tätigkeiten ist es nicht auszuschliessen, dass es gewisse Formen der Freizeitgestaltung gibt, welche die elementaren Persönlichkeitsentfaltung tangieren (Grundrecht der persönlichen Freiheit, Art. 10 Abs. 2 BV).

Weiter sind Konstellationen bei der Ausübung einer ehrenamtlichen kirchlichen Tätigkeit denkbar, bei denen die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 15 BV) tangiert ist. Deshalb muss auch hier ein enger Zusammenhang zwischen der Straftat und dem Verbot bestehen.

Das vorgeschlagene Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absätze 3, 4 und 4bis E-StGB trägt diesem Aspekt Rechnung.

Der Zusammenhang zwischen Straftat und Verbot besteht über die Art der Taten (Sexualstraftat) und die Art der Opfer (minderjährige, andere besonders schutzbedürftige Personen oder zum Widerstand unfähige, urteilsunfähige oder abhängige Personen). Es werden ­ wie im bereits geltenden Recht (Art. 67 Abs. 3 und 4 StGB) ­ nur Tätigkeiten verboten, die Gelegenheit zu weiteren einschlägigen Taten gegenüber diesen Opfern geben könnten.

Umfang des Tätigkeitsverbots Beim Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absätze 3 und 4 E-StGB umfasst das Verbot nicht sämtliche beruflichen oder organisierten ausserberuflichen
Tätigkeiten, sondern nur diejenigen mit einem regelmässigen Kontakt zu minderjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen. Beim Verbot nach Artikel 67 Absatz 4 bis E-STGB umfasst es sämtliche beruflichen oder organisierten ausserberuflichen Tätigkeiten im Gesundheitsbereich mit direktem Patientenkontakt.

Nur wo ein Beruf ausschliesslich in diesem Rahmen ausgeübt werden kann, wird mit dem Verbot faktisch ein Beruf als Ganzes untersagt (bspw. Primarlehrer oder Kleinkinderzieherin). In den anderen Fällen wird der betroffenen Person nicht ein Beruf als Ganzer verboten. So wird einem Arzt bei einem Verbot nach Artikel 67 Absatz 4bis E-StGB zwar untersagt, praktizierend tätig zu sein. Eine berufliche

6179

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Tätigkeit beispielsweise in der medizinischen Wissenschaft oder im Labor ohne direkten Patientenkontakt wird vom Verbot hingegen nicht umfasst.

Auch Betätigungen im Rahmen der Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie Freizeitbeschäftigungen im Rahmen der persönlichen Freiheit werden nicht als Ganzes untersagt. So werden einerseits nur einzelne Tätigkeiten respektive Tätigkeiten mit bestimmten Personen untersagt. Andererseits betrifft das Verbot nur organisierte ausserberufliche Tätigkeiten. Tätigkeiten im streng privaten Rahmen werden vom Verbot nicht erfasst.

Zwingende Anordnung der Tätigkeitsverbote Hat der Täter ein Sexualdelikt an einem geschützten Opfer begangen und wurde er deshalb zu einer Strafe verurteilt oder wurde gegen ihn eine Massnahme angeordnet (Art. 59­61, 63 oder 64 StGB), so ist ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot im Sinne von Artikel 67 Absatz 3, 4 oder 4bis E-StGB grundsätzlich die zwingende Folge dieser Sanktion.

Für besonders leichte Fälle schlägt Artikel 67 Absatz 4ter E-StGB eine Ausnahmebestimmung vor, die es dem Gericht bei bestimmten Sexualdelikten erlaubt, im Einzelfall zu prüfen, ob das Tätigkeitsverbot notwendig erscheint, den Täter von der Begehung weiterer einschlägiger Sexualstraftaten abzuhalten. Diesfalls soll das Gericht ausnahmsweise auf die Anordnung eines Verbots verzichten können (vgl. Ziff. 1.3.7 und Erläuterungen zu Art. 67 E-StGB). Ein Verzicht auf eine solche Ausnahmebestimmung würde in der Praxis dazu führen, dass das vorgeschlagene Tätigkeitsverbot im Einzelfall eine unverhältnismässige Massnahme darstellen dürfte. Dies wäre zum Beispiel dann zu bejahen, wo der Täter ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot erhält, aber keine gravierende Sexualstraftat (z. B. Exhibitionismus, Art. 194 StGB; sexuelle Belästigungen, Art. 198 StGB) begangen hat. Aber auch mit der Ausnahmebestimmung kann die vorgeschlagene Umsetzung von Artikel 123c BV zur Folge haben, dass das zwingend lebenslängliche Tätigkeitsverbot in Einzelfällen eine unverhältnismässige Massnahme darstellen dürfte. Denn die Voraussetzungen der Ausnahmebestimmung sind sehr eng ausgestaltet.

Dem Verhältnismässigkeitsprinzip wird jedoch auch insofern Rechnung getragen, als dass vorgeschlagen wird, den Kreis der betroffenen Täter auf erwachsene Personen zu beschränken. Im Jugendstrafrecht soll auf die
Einführung eines zwingend lebenslänglichen Tätigkeitsverbots verzichtet werden (vgl. Ziff. 1.3.2).

Fehlende Mindeststrafe Anders als beim geltenden Tätigkeitsverbot nach Artikel 67 Absätze 3 und 4 StGB muss das Gericht grundsätzlich unabhängig von der Höhe der im Einzelfall ausgesprochenen Strafe zwingend ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot aussprechen. Der Schwere der Straftat kann das Gericht ­ soweit die Voraussetzungen der Ausnahmebestimmung nicht erfüllt sind ­ keine Rechnung tragen. Dies kann zur Folge haben, dass das Tätigkeitsverbot ­ insbesondere unter dem Aspekt der Zumutbarkeit ­ bei milden Strafen eine unverhältnismässige Massnahme darstellen dürfte (vgl. oben).

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Dem Verhältnismässigkeitsprinzip wird allerdings insofern Rechnung getragen, als das Gericht kein lebenslängliches Tätigkeitsverbot aussprechen darf, wenn es von einer Sanktion absieht (z. B. gestützt auf Art. 187 Abs. 3 StGB, sog. Jugendliebe; Art. 52­54 StGB; vgl. Ziff. 1.3.4).

Zudem wird dem Verhältnismassigkeitsprinzip auch mit der vorgeschlagenen Ausnahmebestimmung Rechnung getragen werden.

Lebenslängliche Dauer des Tätigkeitsverbots Das Gericht muss das Tätigkeitsverbot grundsätzlich zwingend lebenslänglich aussprechen. Dies ungeachtet der Schwere der Straftat und der Prognose, die dem Täter im Einzelfall gestellt werden kann. Damit werden die Tätigkeitsverbote hinsichtlich der Dauer wohl in vielen Fällen eine unverhältnismässige Massnahme darstellen. Eine Massnahme sollte nämlich nur so lange andauern, wie die Gefahr besteht, dass der Täter eine Tätigkeit zur Begehung weiterer Sexualstraftaten missbraucht. An diesem Aspekt vermag auch die vorgeschlagene Ausnahmebestimmung nur wenig zu ändern.

Diesem Aspekt wird zwar bei der Ausgestaltung des Vollzugs der Verbote ­ zumindest teilweise ­ Rechnung getragen. In vielen Fällen wird jedoch bereits zum Zeitpunkt des Urteils zu erwarten sein, dass ein lebenslängliches Verbot zur Abwendung der vom Täter ausgehenden Gefahr nicht notwendig ist.

Nachträgliche Überprüfungsmöglichkeit des Tätigkeitsverbots Gestützt auf Artikel 5 Ziffer 4 EMRK muss zwar eine periodische Überprüfung nur bei freiheitsentziehenden Sanktionen vorgesehen werden.149 Entsprechend dem Verhältnismässigkeitsprinzip erfolgt die Überprüfung nach geltendem StGB jedoch nicht nur bei freiheitsentziehenden Sanktionen, sondern (im Rahmen einer periodischen, formellen Verlängerung) auch bei der ambulanten Behandlung, der Verlängerung der Probezeit, der Weisungen und der Bewährungshilfe. In Analogie dazu müsste auch beim Tätigkeitsverbot die Möglichkeit einer Überprüfung bestehen.

Für das geltende allgemeine Tätigkeitsverbot (Art. 67 Abs. 1 StGB, Art. 50 Abs. 1 MStG) und das Kontakt- und Rayonverbot (Art. 67b StGB, Art. 50b MStG) bestehen heute die gleichen Überprüfungsmöglichkeiten, wie sie für das alte Berufsverbot galten (Art. 67c Abs. 4 und 5 Bst. a StGB, Art. 50c Abs. 4 und 5 Bst. a MStG; vgl.

Ziff. 1.1.2).

Für das geltende qualifizierte Verbot zum Schutz von minderjährigen oder
besonders schutzbedürftigen Personen gelten entsprechend längere Fristen (Art. 67c Abs. 5 Bst. b­d StGB, Art. 50c Abs. 5 Bst. b­d MStG; vgl. Ziff. 1.1.2).

Der Entwurf sieht für das vorgeschlagene Tätigkeitsverbot in gewissen Fällen ebenfalls Überprüfungsmöglichkeiten vor (vgl. Ziff. 1.3.10 und Erläuterungen zu Art. 67c E-StGB). Damit soll dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit im Rahmen des Vollzuges in einem gewissen Umfang Rechnung getragen werden.

149

Ein Anspruch auf wiederholte gerichtliche Haftprüfung besteht immer dann, wenn der Freiheitsentzug auch von persönlichen Eigenschaften ­ wie Geisteskrankheit, Alkoholismus oder Drogensucht ­ oder sonstigen veränderbaren Umständen abhängig ist.

6181

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Die vorgesehene Überprüfungsmöglichkeit vermag aber nicht gänzlich verhindern, dass das vorgeschlagene Verbot in bestimmten Fällen keine verhältnismässige Massnahme darstellen dürfte. Dies einerseits weil das Gericht das Verbot ­ mit Ausnahme der eng begrenzten Fälle, bei welchen die Voraussetzungen der Ausnahmebestimmung erfüllt sind ­ im Vorfeld zwingend lebenslänglich anordnen muss und den Umständen des Einzelfalles dadurch keine Rechnung tragen kann (zu den Beispielen vgl. oben). Andererseits weil der Täter frühestens nach zehn Jahren um eine Überprüfung des Verbots ersuchen kann. Diese lange Zeitdauer kann insbesondere in Fällen, in denen das Tätigkeitsverbot aufgrund einer Verurteilung wegen einer abstrakt leichten Anlasstat (Exhibitionismus [Art. 194 StGB], Pornografie im Sinne von Art. 197 Abs. 2 erster Satz StGB und sexuellen Belästigungen [Art. 198 StGB]) angeordnet wurde, dazu führen, dass eine Massnahme aufrechterhalten wird, die nicht mehr verhältnismässig ist. Denn diese drei Straftatbestände weisen aufgrund ihrer Strafdrohungen einen relativ geringen Unrechtsgehalt auf. Gleiches ist bei einer Verurteilung wegen eines Vergehens möglich, das nur mit einer milden Strafe bestraft wurde.

5.1.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage untersteht nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV, da sie weder Subventionsbestimmungen noch die Grundlage für die Schaffung eines Verpflichtungskredites oder Zahlungsrahmens enthält.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

5.2.1

Konvention vom 4. November 1950150 zum Schutze der Menschenrechte und Grundrechtsfreiheiten (EMRK)

Nach Artikel 6 EMRK hat jedermann den Anspruch, dass er Streitigkeiten über zivilrechtliche Angelegenheiten durch ein Gericht beurteilen lassen kann. Ein Tätigkeitsverbot (Berufsverbot) betrifft nach ständiger Rechtsprechung ein zivilrechtliches Recht;151 für die Anwendbarkeit des zivilrechtlichen Teils von Artikel 6 EMRK genügt die Möglichkeit, dass im betreffenden Verfahren ein Berufsverbot verhängt werden kann.152 Der Vorentwurf sieht vor, dass Tätigkeitsverbote vom urteilenden Strafgericht ausgesprochen werden müssen.

Insofern ist den Anforderungen von Artikel 6 EMRK Genüge getan, ohne dass näher zu prüfen wäre, ob die Bestimmung auch auf Verbote ausserberuflicher Tätigkeiten anwendbar wäre. Berufliche Tätigkeiten einer Person sind zwar deren Privatleben

150 151 152

SR 0.101 U. a. Urteil des EGMR vom 28. Juni 1978, Fall König, A./28.

U. a. Urteil des EGMR vom 15. Dez. 2005, Hurter c. Schweiz, Nr. 53146/99.

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(Art. 8 EMRK153) zuzurechnen,154 die Konvention garantiert aber kein Recht auf eine berufliche Tätigkeit.

Ein Eingriff in das Privatleben kann vorliegen, wenn einer Person berufliche Tätigkeiten auch im Privatleben in erheblichem Umfang verboten werden. 155 Eingriffe in das Recht auf Privatleben sind nur zulässig, wenn sie auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage beruhen, eines der in Artikel 8 Absatz 2 EMRK angeführten Schrankenziele (für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) verfolgen und notwendig in der demokratischen Gesellschaft sind, um den angestrebten Eingriffszweck zu erreichen. Diese Umschreibung setzt ein dringendes soziales Bedürfnis zur Ergreifung gerade der gewählten Massnahme voraus, um ein anerkanntes Ziel zu erreichen. Sie verankert somit den Grundsatz der Verhältnismässigkeit. In diesem Zusammenhang misst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) der einschneidenden Wirkung einer Einschränkung, der Schwere einer Sanktion oder dem endgültigen Charakter einer Verpflichtung eine grosse Bedeutung zu.156 Dieses Konzept der Einschränkung der genannten Garantien entspricht dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit, wie ihn das schweizerische Verfassungsrecht kennt.

Zu den beiden erstgenannten Kriterien (gesetzliche Grundlage, in der Schrankenklausel erwähnten Ziele) können vorliegend Ausführungen entfallen.

Der Entwurf sieht bei der Anordnung des Tätigkeitsverbots weitestgehend einen schematischen Automatismus vor. Sind die Voraussetzungen erfüllt, so muss das Verbot grundsätzlich in jedem Fall lebenslänglich angeordnet werden. Es wird jedoch eine Ausnahmebestimmung vorgeschlagen, die es dem Gericht bei gewissen Sexualstraftaten erlauben würde auf die Anordnung des Verbots zu verzichten (vgl.

Art. 67 Abs. 4ter E-StGB). Trotzdem ist es absehbar, dass der weitgehend schematische Automatismus bei der Anordnung in bestimmten Fällen über das hinausgeht, was ­ in den Worten des EGMR ­ «in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist», und vom EGMR als Verstoss gegen Artikel 8 EMRK gewertet würde. Dieses Risiko wird zwar leicht reduziert, indem der Täter die Möglichkeit erhält,
nach einer gewissen Dauer des Vollzugs die Beschränkung oder Aufhebung des Tätigkeitsverbots zu beantragen; es sei denn, er sei pädophil. Dennoch wären die Regelungen des Entwurfs nicht vollständig einer konventionskonformen Anwendung zugänglich, da die automatische Anordnung eines lebenslänglichen Verbots ­ trotz der Überprüfungsmöglichkeiten während des Vollzugs ­ in bestimmten Fällen als unverhältnismässig angesehen werden dürfte. Zudem könnte auch die lange Zeitdauer bis eine

153

Nach Artikel 8 EMRK hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.

154 Urteil des EGMR vom 16. Dez. 1992, Niemitz c. Deutschland, A/251-B.

155 Meyer-Ludwig, Handkommentar EMRK, 2. Aufl., 2006, ad Art. 8. N. 9; Urteile des EGMR vom 27. Juli 2004, Sidabras u.a. c. Litauen, Nr. 55480/00 und 59330/00, ACEDH 2004-VII.

156 Auer/Malinverni/Hottelier 2006, S. 115; vgl. auch Urteil des EGMR Vogt gegen Deutschland vom 26. Sept. 1995, § 54 ff., Urteil des EGMR gegen die Schweiz vom 22. Mai 2008, § 85 f.

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Überprüfung des Verbotes möglich ist, in bestimmten Fällen als unverhältnismässig angesehen werden.

5.2.2

Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966157 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UNO-Pakt I)

Das Recht auf Arbeit, wie es in Artikel 6 des UNO-Paktes I vorgesehen ist, bekräftigt die Verpflichtung der Vertragsstaaten, jedem Individuum das Recht auf eine frei gewählte oder angenommene Arbeit zu garantieren, namentlich das Recht, nicht unrechtmässig daran gehindert zu werden.158 Das Recht gilt nicht absolut. Es kann gemäss Artikel 4 des UNO-Paktes I eingeschränkt werden, soweit ein Gesetz dies erlaubt und der Eingriff notwendig ist, um «das allgemeine Wohl in einer demokratischen Gesellschaft zu fördern». 159 Aus den bereits genannten Gründen (vgl. Ziff. 5.2.1) dürfte das in dieser Vorlage vorgesehene Tätigkeitsverbot in bestimmten Fällen nicht mit dem Pakt vereinbar sein.

5.2.3

Internationaler Pakt vom 16. Dezember 1966160 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II)

Die betroffenen Bestimmungen des UNO-Paktes II (Art. 14, 17 und 26) decken sich weitgehend mit denjenigen der EMRK (vgl. Ziff. 5.2.1).

5.2.4

Übereinkommen vom 20. November 1989 161 über die Rechte des Kindes (Kinderrechts-Konvention)

Gemäss Artikel 19 der Kinderrechts-Konvention verpflichtet sich die Schweiz, Massnahmen zu treffen, um Kinder unter anderem vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Schadenszufügung oder Misshandlung, vor schlechter Behandlung oder Ausbeutung einschliesslich sexuellen Missbrauchs zu schützen, solange es sich in der Obhut der Eltern oder eines Elternteils, eines Vormunds oder anderen gesetzlichen Vertreters oder einer anderen Person befindet, die das Kind betreut. Nach Artikel 34 der Konvention verpflichtet sie sich, das Kind vor allen Formen sexueller Ausbeutung und sexuellen Missbrauchs zu schützen.

Die in dieser Vorlage vorgeschlagenen Neuerungen stellen Massnahmen im Rahmen dieser Verpflichtungen dar.

157 158

SR 0.103.1 Comité des Droits économiques, sociaux et culturels, Le droit au travail, Observation générale no 18, adoptée le 24 nov. 2005, § 4.

159 Kälin/Künzli 2013, S. 506.

160 SR 0.103.2 161 SR 0.107

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5.2.5

Übereinkommen des Europarates vom 25. Oktober 2007162 zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (Lanzarote-Konvention)

Die Lanzarote-Konvention ist für die Schweiz am 1. Juli 2014 in Kraft getreten.

Nach Artikel 5 Absatz 3 des Übereinkommens triftt jede Vertragspartei «im Einklang mit dem innerstaatlichen Recht die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Massnahmen, um sicherzustellen, dass durch die Voraussetzungen für den Zugang zu Berufen, deren Ausübung mit regelmässigen Kontakten zu Kindern einhergeht, gewährleistet wird, dass die Bewerber für diese Berufe nicht wegen Handlungen sexueller Ausbeutung oder sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt worden sind».

Diese Verpflichtung wurde bereits massgebend durch das Bundesgesetz vom 13. Dezember 2013 über das Tätigkeitsverbot und das Kontakt- und Rayonverbot, das am 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist, umgesetzt.

162

SR 0.311.40

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Verwendete Literatur Aubert Jean-François/Mahon Pascal, 2003, Petit commentaire de la Constitution fédérale, Zürich; Basel; Genf: Schulthess, 2003.

Auer Andreas/Malinverni Giorgio/Hottelier Michel, 2006, Droit consitutionnel suisse, Volume II, Les droits fondamentaux, 2. Auflage, Bern: Stämpfli, 2006.

Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5®, 2015, Deutsche Ausgabe herausgegeben von Peter Falkai/Hans-Ulrich Wittchen et al., Göttingen; Bern; Wien; Paris; Oxford; Prag; Toronto; Boston; Amsterdam; Kopenhagen; Stockholm; Florenz; Helsinki: Hofgrefe, 2015.

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Müller Jörg Paul/Schefer Markus, 2008, Grundrechte in der Schweiz im Rahmen der Bundesverfassung, der EMRK und der UNO-Pakte, 4. Auflage, Bern: Stämpfli, 2008.

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Reich Johannes, 2008, Verletzt die «Ausschaffungsinitiative» zwingende Bestimmungen des Völkerrechts?, ZSR 127, 2008, I.

Rhinow René/Schefer Markus, 2009, Schweizerisches Verfassungsrecht, 2. Auflage, Basel: Helbing Lichtenhahn, 2009.

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Stratenwerth Günter/Jenny Guido/Bommer Felix, 2010, Schweizerisches Strafrecht Besonderer Teil I: Straftaten gegen Individualinteressen, 7. Auflage, Bern: Stämpfli, 2010.

Trechsel Stefan/Pieth Mark 2012 in: S. Trechsel/M. Pieth (Hrsg.), Schweizerisches Strafgesetzbuch ­ Praxiskommentar, 2. Auflage, Zürich: Dike, 2012.

Tschannen Pierre, 2011, Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 3. Auflage, Bern: Stämpfli, 2011.

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Materialien Bericht Tätigkeitsverbot und Kontakt- und Rayonverbot: Bericht des Bundesrates vom Januar 2011 zur Änderung der Bundesverfassung, des Strafgesetzbuches, des Militärstrafgesetzes und des Jugendstrafgesetzes (Tätigkeitsverbot und Kontakt- und Rayonverbot). Abrufbar unter: www.bj.admin.ch > Sicherheit > Laufende Rechtsetzungsprojekte > Berufsverbot.

Bericht Verhältnis Völkerrecht und Landesrecht: Das Verhältnis von Völkerrecht und Landesrecht, Bericht des Bundesrates vom 5. März 2010 in Erfüllung des Postulats 07.3764 der Kommission für Rechtsfragen des Ständerates vom 16. Oktober 2007 und des Postulats 08.3765 der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 20. November 2008, BBl 2010 2263.

Botschaft Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches: Botschaft des Bundesrates vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches (Allgemeine Bestimmungen, Einführung und Anwendung des Gesetzes) und des Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht, BBl 1999 1979.

Botschaft Lanzarote-Konvention: Botschaft des Bundesrates vom 4. Juli 2012 zur Genehmigung des Übereinkommens des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (Lanzarote-Konvention) sowie zu seiner Umsetzung (Änderung des Strafgesetzbuches), BBl 2012 7571.

Botschaft neue Bundesverfassung: Botschaft vom 20. November 1996 über eine neue Bundesverfassung, BBl 1997 I 1.

Botschaft Umsetzung Ausschaffungsinitiative: Botschaft des Bundesrates vom 26. Juni 2013 zur Änderung des Strafgesetzbuchs und des Militärstrafgesetzes (Umsetzung von Art. 121 Abs. 3­6 BV über die Ausschaffung krimineller Ausländerinnen und Ausländer), BBl 2013 5975.

Botschaft zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen»: Botschaft vom 10. Oktober 2012 zur Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen» sowie zum Bundesgesetz über das Tätigkeitsverbot und das Kontakt- und Rayonverbot (Änderung des Strafgesetzbuchs, des Militärstrafgesetzes und des Jugendstrafgesetzes) als indirektem Gegenvorschlag, BBl 2012 8819.

Erläuterungen des Bundesrates zur Volksabstimmung: Volksabstimmung vom 18. Mai 2014, Erläuterungen des Bundesrates, Bundesratsbeschluss über die medizinische Grundversorgung (direkter Gegenentwurf zur
zurückgezogenen Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin»)», Volksinitiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen», Volksinitiative «Für den Schutz fairer Löhne (Mindestlohn-Initiative)», Bundesgesetz über den Fonds zur Beschaffung des Kampfflugzeugs Gripen; abrufbar unter: www.parlament.ch > Wahlen und Abstimmungen > Volksabstimmungen > Volksabstimmungen 2014 > 18.05.2014 > Erläuterungen des Bundesrates.

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Vernehmlassungsbericht Tätigkeitsverbot und Kontakt- und Rayonverbot: Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens über den Bericht und den Vorentwurf zur Änderung der Bundesverfassung, des Strafgesetzbuches, des Militärstrafgesetzes und des Jugendstrafgesetzes (Tätigkeitsverbot und Kontakt- und Rayonverbot) vom November 2011. Abrufbar unter: www.bundesrecht.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2011 > EJPD.

Vernehmlassungsbericht: Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens über den Bericht und den Vorentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuchs und Militärstrafgesetzes (Umsetzung von Art. 123c BV) vom Februar 2016; abrufbar unter: www.bundesrecht.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2015 > EJPD.

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