zu 12.057 Zusatzbotschaft zur Genehmigung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen (Weiterentwicklung des Schengen- und des Dublin/Eurodac-Besitzstands) vom 6. Juli 2016

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Zusatzbotschaft zur Botschaft vom 23. Mai 2012 zur Genehmigung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen (Weiterentwicklung des Schengen- und des Dublin/Eurodac-Besitzstands) unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, einen neuen Entwurf für einen Bundesbeschluss über die Genehmigung dieses Notenaustausches. Gleichzeitig beantragen wir Ihnen die Abschreibung des Bundesbeschlussentwurfs, den wir Ihnen mit der erwähnten Botschaft vom 23. Mai 2012 unterbreitet haben.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

6. Juli 2016

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Johann N. Schneider-Ammann Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2014-2841

6503

Übersicht Die Botschaft des Bundesrates vom 23. Mai 2012 bezweckte zum einen die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Be-triebsmanagement von IT-Grosssystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts («eu-LISA»). Zum anderen hatte sie zum Ziel, an den Bundesrat die Kompetenz zu delegieren, eine Zusatzvereinbarung zwischen der Schweiz und der Europäischen Union abzuschliessen, in der die Modalitäten der Beteiligung der Schweiz an der Agentur genauer festgelegt werden sollen. Der Abschluss dieser Vereinbarung ist notwendig, um die Modalitäten der Vollbeteiligung der assoziierten Staaten an der Agentur zu definieren. Da das Parlament das Geschäft an den Bundesrat zurückgewiesen hat mit dem Auftrag abzuklären, welche Auswirkungen der Abschluss der Zusatzvereinbarung auf die Schweiz hat, soll mit dieser Botschaft der Inhalt der Vereinbarung gemäss dem derzeitigen Verhandlungsstand detailliert aufgezeigt werden. Damit wird der Auftrag des Parlaments erfüllt und dieses kann zur Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung von «eu-LISA» Stellung nehmen. Der Bundesrat beantragt jedoch keine Kompetenzdelegation im Hinblick auf den Abschluss der Vereinbarung, weshalb diese nach der Unterzeichnung noch dem Parlament vorgelegt werden muss.

Ausgangslage Der Bundesrat verabschiedete am 23. Mai 2012 die Botschaft und den Entwurf für einen Bundesbeschluss zur Genehmigung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, der Agentur «eu-LISA» (früher IT-Agentur genannt).

Mit der Botschaft wurde einerseits die Übernahme der Verordnung (EU) Nr.

1077/2011 beantragt, andererseits eine Kompetenzdelegation an den Bundesrat im Hinblick auf den Abschluss einer Zusatzvereinbarung zwischen der Schweiz und der Europäischen Union, in der die Modalitäten der Beteiligung der Schweiz an der Agentur genauer festgelegt werden sollen. Diese Vereinbarung ist notwendig, um festzulegen, welche Rechte und Pflichten die assoziierten Staaten im Rahmen ihrer Beteiligung an der
Agentur haben.

In der Sommer- bzw. in der Herbstsession 2012 hat das Parlament beschlossen, die Vorlage an den Bundesrat zurückzuweisen mit dem Auftrag abzuklären, welche Auswirkungen die Übernahme der Verordnung und der Abschluss einer Zusatzvereinbarung auf die Schweiz haben. Die parlamentarische Beratung wurde somit eingestellt.

Da die Frist für die Übernahme der Verordnung am 8. November 2013 abgelaufen ist und die Verhandlungen über den Inhalt der Vereinbarung mittlerweile abgeschlossen sind, beantragt der Bundesrat mit der vorliegenden Zusatzbotschaft, die

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Verordnung in Kenntnis des aktuellen Vereinbarungsentwurfs zu übernehmen und das ursprünglich vorgesehene Verfahren anzupassen. Diese Verfahrensänderung ist neben den Problemen mit dem Fristablauf auf den EU-Entscheid vom Februar 2014 zurückzuführen, aus internen institutionellen Gründen die Praxis zu ändern und nicht länger zuzulassen, dass die Schweiz die Frist für die Übernahme einer Weiterentwicklung bis zum Abschluss einer Zusatzvereinbarung verlängert. Schliesslich ist die beantragte Änderung auch eine Reaktion auf die entstandene Blockierung des Abschluss- und Annahmeverfahrens für die Zusatzvereinbarung. Die vorliegende Botschaft soll somit detailliert aufzeigen, welche finanziellen und technischen Auswirkungen die Übernahme der Weiterentwicklung in Anbetracht des aktuellen Vereinbarungsentwurfs hat. Damit wird der Auftrag des Parlaments erfüllt, «zuerst die finanziellen, technischen und weiteren Auswirkungen auf die Schweiz abzuklären», wodurch dem Parlament ermöglicht wird, in voller Kenntnis der Sachlage zur Übernahme der Verordnung Stellung zu nehmen.

Inhalt der Vorlage Wie in der Botschaft vom 23. Mai 2012 festgehalten, bezweckt der zu genehmigende Notenaustausch die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung von «eu-LISA». Der Bundesrat beantragt jedoch keine Kompetenzdelegation im Hinblick auf den Abschluss der Vereinbarung, wie dies im Bundesbeschluss von 2012 vorgesehen war, was bedeutet, dass die Vereinbarung nach der Unterzeichnung noch dem Parlament unterbreitet werden muss.

Die Tragweite des Bundesbeschlusses, der dem Parlament mit dieser Botschaft unterbreitet wird, ist somit insofern beschränkt, als mit dessen Annahme zwar die formelle Übernahme des Grunderlasses als neue Weiterentwicklung ermöglicht wird, dieser aber erst effektiv umgesetzt werden kann, nachdem die Zusatzvereinbarung vom Parlament genehmigt wurde.

Die Zusatzvereinbarung, die erforderlich ist, um die Modalitäten der Beteiligung der Schweiz an «eu-LISA» festzulegen, enthält Bestimmungen über den Umfang der Stimm- und Mitspracherechte der Vertreterinnen und Vertreter der Schweiz in den Agenturorganen, aber auch über den Berechnungsschlüssel für die finanziellen Beiträge der Schweiz an die Agentur, das Recht von Schweizer Staatsangehörigen, für die Agentur zu arbeiten, die Rechtsstellung und
die Haftung der Agentur, das Ausmass der Zuständigkeit des EU-Gerichtshofs über die Agentur, deren Vorrechte und Immunitäten, die Betrugsbekämpfung, das Inkrafttreten sowie die Geltungsdauer und die Ausserkraftsetzung der Vereinbarung.

6505

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Botschaft 1

Ausgangslage

1.1

Stand der Dinge und Inhalt des abgeänderten Vorschlags

Die Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 25. Oktober 20111 bezweckte die Errichtung einer Agentur, die für das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zuständig ist (SIS II, VIS, Eurodac). Die Agentur nahm ihre Arbeit am 1. Dezember 2012 auf. Seit dem Herbst 2012 heisst sie offiziell «eu-LISA» (European Union - Large-scale Information Systems Agency).

Für die Schweiz stellt die Verordnung eine Weiterentwicklung des Schengen/Dublin-Besitzstandes im Sinne des jeweiligen Assoziierungsabkommens dar.

Diese Weiterentwicklung muss nach dem ordentlichen, in den Abkommen vorgesehenen Verfahren übernommen werden. Die Schweiz hatte ab der Notifikation des Rates höchstens zwei Jahre, d. h. bis zum 8. November 2013, Zeit, ihre internen Übernahmeverfahren abzuschliessen. Gemäss der damals geltenden und von allen Parteien gebilligten Praxis konnte die Schweiz die Frist für die Übernahme der Schengen-Weiterentwicklungen bis zum Abschluss einer Zusatzvereinbarung verlängern, wenn im Rahmen einer Weiterentwicklung eine solche Vereinbarung vorgesehen war.

Die Botschaft und der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Notenaustauschs wurden vom Bundesrat an seiner Sitzung vom 23. Mai 20122 verabschiedet. Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates (APK-N) beschloss dann aber an ihrer Sitzung vom 2. Juli 2012, die Vorlage an den Bundesrat zurückzuweisen mit dem Auftrag abzuklären, welche Auswirkungen die Übernahme der Verordnung und der Abschluss einer Zusatzvereinbarung auf die Schweiz haben. Gemäss Kommissionsantrag wurde der Bundesrat beauftragt, «zuerst die finanziellen, technischen und weiteren Auswirkungen auf die Schweiz abzuklären bzw. auszuhandeln». Der Nationalrat folgte dem Antrag seiner Kommission am 10. September 2012. Die Aussenpolitische Kommission des Ständerates (APK-S) wiederum sprach sich am 11. Oktober 2012 für eine Rückweisung aus, der Ständerat schliesslich am 11. Dezember 2012. Da es den assoziierten Staaten gemäss anerkannter Praxis erlaubt war, eine Schengen- oder Dublin-Weiterentwicklung gleichzeitig mit der Annahme der Zusatzvereinbarung zu übernehmen, d. h. die Übernahmefrist bis zum Abschluss einer Zusatzvereinbarung zu verlängern, konnte davon ausgegangen werden, dass die EU auch eine
Verlängerung der Frist zur Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 akzeptiert.

In der Zwischenzeit hat die EU jedoch verlauten lassen, dass sie aus internen institutionellen Gründen diese Praxis nicht länger akzeptieren kann. So verlangte sie im 1 2

ABl. L 286 vom 1.11.2011, S. 1 BBl 2012 5875

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Februar 2014 vom Bundesrat eine Erklärung dafür, warum die Schweiz die Frist von höchstens zwei Jahren für die Übernahme der Verordnung nicht eingehalten hat.

Aus einem Briefwechsel zwischen der Vorsteherin des EJPD und der zuständigen EU-Kommissarin geht hervor, dass die Paraphierung der Vereinbarung, obwohl sie recht kurzfristig möglich wäre, für die EU erst erfolgen kann, wenn alle assoziierten Staaten das gemäss deren verfassungsrechtlichen Voraussetzungen erforderliche parlamentarische Verfahren abgeschlossen und die Annahme der Verordnung bestätigt haben. Die Kommission bescheinigte den assoziierten Staaten deshalb mit Schreiben vom 21. April 2016, dass sie nicht beabsichtigt, den Wortlaut der Vereinbarung zu ändern. Auf diese Weise will sie den nationalen Parlamenten ermöglichen, die nationalen Übernahmeverfahren in voller Kenntnis der Sachlage abzuschliessen.

Gleichzeitig erinnerte die Kommission mit Nachdruck daran, dass die Zusatzvereinbarung nach der Paraphierung noch dem Gerichtshof (EuGH) unterbreitet wird.

Dieser wird dann darüber befinden, ob die Bestimmungen dieser Vereinbarung mit den EU-Verträgen vereinbar sind. Sollte der Gerichtshof zu Schluss kommen, dass dem nicht so ist, wären erneute Verhandlungen erforderlich.

Angesichts dieser neuen Ausgangslage hat der Bundesrat beschlossen, das ursprünglich vorgesehene Verfahren anzupassen. Er beantragt nun dem Parlament, die Verordnung in Kenntnis des aktuellen Vereinbarungsentwurfs zu übernehmen, verzichtet aber auf eine Kompetenzdelegation im Hinblick auf den Abschluss der Zusatzvereinbarung, wie dies im Bundesbeschluss von 2012 vorgesehen war. Somit muss der definitive Wortlaut der Vereinbarung nach der Unterzeichnung noch dem Parlament unterbreitet werden, wodurch dessen Rechte gesichert sind. Zudem wird auf diese Weise verhindert, dass dem Parlament ein neuer Antrag unterbreitet werden muss, sollten nach der Paraphierung noch Änderungen an der Vereinbarung vorgenommen werden. Schliesslich kann mit diesem neuen Vorgehen auch die Blockierung in den Verhandlungen über die Zusatzvereinbarung aufgehoben werden.

Ziel der vorliegenden Zusatzbotschaft ist es also, den eidgenössischen Räten den aktuellen Inhalt der Zusatzvereinbarung, wie er aus den Verhandlungen hervorgeht, zu unterbreiten, und ihnen einen geänderten Bundesbeschlussentwurf vorzulegen, der einzig die Genehmigung des Notenaustauschs betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zum Gegenstand hat.

1.2

Tragweite der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011

In Bezug auf den Inhalt der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 wird auf die Botschaft des Bundesrates vom 23. Mai 2012 verwiesen. Es ist zu betonen, dass die Beteiligung der Schweiz an den betreffenden IT-Systemen von Schengen/Dublin bis zur Übernahme der Verordnung provisorisch und gestützt auf bestehende Rechtsgrundlagen sichergestellt ist.

Der Abschluss einer Zusatzvereinbarung ist erforderlich, damit die Schweiz voll und ganz in der Agentur mitwirken kann, die für den Betrieb der IT-Systeme zuständig ist, an welchen sich die Schweiz seit ihrer Assoziierung an Schengen und Dublin 6507

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beteiligt. Die Vereinbarung legt die Modalitäten der Beteiligung der Schweiz an «eu-LISA» fest und ist somit notwendig, um die aus den Schengen- und DublinAssoziierungsabkommen resultierenden Rechte der Schweiz bestmöglich sicherzustellen. Ohne diese Vereinbarung gäbe es keine Rechtsgrundlage, um u. a. den Vertreterinnen und Vertretern der Schweiz den Einsitz als vollwertige Mitglieder in den Organen der Agentur zu ermöglichen.

Die Rechtsfolgen der alleinigen Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 sind somit sehr beschränkt. So verpflichtet die Übernahme beispielsweise nicht zu Beitragszahlungen an die Agentur, da die Höhe dieser Beiträge in der Zusatzvereinbarung und nicht in der Verordnung festgelegt wird. Andererseits kann eine Mitwirkung der Vertreterinnen und Vertreter der Schweiz als Beobachterinnen und Beobachter in den Organen der Agentur erst gewährleistet werden, wenn die Schweiz die Verordnung übernommen hat. Die Schweizer Beteiligung erfolgt heute auf informeller Grundlage und ist langfristig nicht gesichert. Mit dem Beobachterstatus kann der Informationsfluss zwischen der Agentur und den zuständigen Schweizer Behörden gewährleistet und deren Arbeit erleichtert werden, bis die umfassende Mitwirkung nach dem Inkrafttreten der Zusatzvereinbarung möglich ist.

1.3

Stand der Verhandlungen und provisorische Beurteilung des Vereinbarungsentwurfs

Der Bundesrat hielt im von ihm erteilten Verhandlungsmandat Folgendes fest: ­

möglichst umfassende Stimm- und Mitspracherechte;

­

Beitragsberechnung gemäss Berechnungsschlüssel des Schengener Assoziierungsabkommens (SAA)3;

­

vergleichbare Beteiligungsmodalitäten der Schweiz wie in der Frontex-, Aussengrenzenfonds- oder Komitologie-Vereinbarung.

Wie erwartet konzentrierte sich die Diskussion zum einen auf den Umfang der Stimmrechte der Vertreterinnen und Vertreter der Schweiz in den Organen der Agentur, zum anderen auf die Festlegung des Berechnungsschlüssels für die Beiträge der Schweiz an das Budget der Agentur. Die anderen Punkte der Vereinbarung hingegen gaben nur zu wenig Diskussionen Anlass, sei dies, weil sich die Parteien einig waren, oder weil es sich um klassische Fragen handelt, für die Standardlösungen bestehen, oder aber weil die Fragen lediglich von untergeordneter Bedeutung sind.

Der Wortlaut der Zusatzvereinbarung, auf den sich die Verhandlungsführerinnen und -führer einigen konnten, räumt den assoziierten Staaten mehr Mitspracherechte ein, als die Kommission ursprünglich beabsichtigt hatte. Diese Rechte gehen auch weiter als normalerweise in Assoziierungsabkommen vorgesehen («decision shaping rights»), da sie auch formelle Stimmrechte («decision making rights») für gewisse abschliessend aufgezählte Belange beinhalten. Das Ergebnis der Verhandlungen als solches entspricht somit den Erwartungen und dem Verhandlungsmandat. Selbstver3

SR 0.362.31

6508

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ständlich ist für die assoziierten Staaten kein Stimmrecht vorgesehen bei Fragen im Zusammenhang mit den Institutionen, den Verfahren, der Rechtsstellung und den Finanzen der EU.

In Bezug auf die finanziellen Beiträge steht die vorgeschlagene Lösung im Einklang mit dem Verhandlungsmandat, da sie sich im Wesentlichen am Berechnungsschlüssel des SAA orientiert und den Berechnungsschlüssel von Dublin/Eurodac gemäss dem Dublin-Assoziierungsabkommen (DAA)4 nur für die Berechnung des Beitrags für den operativen Aufwand von «Eurodac» verwendet. In Anbetracht der vorhersehbaren Budgetentwicklung der Agentur werden die Beiträge der Schweiz allerdings grundsätzlich höher sein als ursprünglich vorgesehen. Hinzu kommt, dass sich die Schweiz wie die anderen assoziierten Staaten künftig auch an den Verwaltungskosten für den Betrieb der betreffenden IT-Systeme beteiligen muss. Davon war sie vor der Inbetriebnahme der Agentur «befreit», da damals noch die Kommission dafür verantwortlich war.

Der aktuelle Inhalt der Vereinbarung ist insgesamt ausgewogen. So gewährleistet die Vereinbarung Mitspracherechte, die verständlicherweise eingeschränkter sind als jene der EU-Mitgliedstaaten, aber doch umfassender als jene, die den assoziierten Staaten durch ihre jeweiligen Schengen- und Dublin-Assoziierungsabkommen zugesichert werden. Die finanziellen Beiträge der Schweiz für ihre Mitwirkung an der Agentur werden aufgrund der Beteiligung an den Verwaltungskosten und der geplanten Budgeterhöhung insgesamt etwas höher sein als ursprünglich vorgesehen.

Laut der Vereinbarung wird jedoch ­ wie im Verhandlungsmandat vorgesehen ­ hauptsächlich der Berechnungsschlüssel des SAA angewendet, der vorteilhafter ist als jener des DAA. Ansonsten sind die vorgeschlagenen Regelungen ähnlich wie jene für die Beteiligung der Schweiz an anderen EU-Agenturen.

Die Verhandlungen sind im Prinzip abgeschlossen. Dies bestätigt auch die Kommission in ihrem Schreiben vom 21. April 2016. Trotzdem bleibt eine gewisse Unsicherheit bestehen, weil der EuGH noch Stellung nehmen wird zur Frage, ob die Bestimmungen über das Stimmrecht der assoziierten Staaten mit den EU-Verträgen vereinbar sind. Sollte die allgemeine Ausgewogenheit der Vereinbarung durch das Urteil in Frage gestellt werden, so müsste die Vereinbarung mit der EU neu ausgehandelt werden. Auf jeden Fall wird einzig der endgültige Wortlaut der Vereinbarung nach Vorliegen des EuGH-Urteils dem Parlament zur Genehmigung unterbreitet.

4

SR 0.142.392.68

6509

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2

Inhalt des Vereinbarungsentwurfs

2.1

Mitwirkungspracherechte

2.1.1

Grundsatz der Mitsprache

Die Agentur «eu-LISA» ist eine Einrichtung der EU, worin grundsätzlich nur die EU-Mitgliedstaaten Einsitz nehmen können. Die Vereinbarung sieht allerdings vor, dass sich die Schweiz vollumfänglich an den Tätigkeiten der Agentur beteiligt, entsprechend den Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 und der Vereinbarung.

2.1.2

Im Verwaltungsrat

Obwohl die Schweiz kein EU-Mitglied ist, wird sie wie die Mitgliedstaaten über eine Vertreterin bzw. einen Vertreter im Verwaltungsrat verfügen. Diese Person darf generell und uneingeschränkt als vollwertiges Mitglied (und nicht nur als Beobachterin) an allen Sitzungen des Verwaltungsrates teilnehmen. Ihr steht offiziell eine Stellvertreterin oder ein Stellvertreter zur Seite.

Zudem wird sie für gewisse Fragen, die in die Kompetenz des Verwaltungsrates fallen und abschliessend aufgezählt sind, über formelle Stimmrechte verfügen.

Damit sind die in der Vereinbarung vorgesehenen Mitspracherechte weitergehend als jene in den Assoziierungsabkommen. Die Fragen, über welche die Vertreterin bzw. der Vertreter der Schweiz formell abstimmen darf, sind technischer und operativer Natur; bei normativen, institutionellen, verfahrenstechnischen und finanziellen Fragen hat die Schweiz hingegen verständlicherweise kein Stimmrecht.

Ferner sieht die Vereinbarung ausdrücklich vor, dass die Schweiz auch dann bei den abschliessend aufgezählten Fragen ein Stimmrecht hat, wenn im grösseren und institutionellen Rahmen der Jahres- und Mehrjahresprogramme der Agentur über diese Fragen Beschluss gefasst wird.

Im Übrigen soll die Vertreterin bzw. der Vertreter der Schweiz zu sämtlichen Fragen, bei denen die Schweiz kein Stimmrecht besitzt, eine formelle Stellungnahme abgeben können.

Allgemein ist schliesslich festzuhalten, dass der Verwaltungsrat bei der Beschlussfassung in der Praxis grundsätzlich einen Konsens anstrebt, um zu verhindern, dass systematisch eine formelle Abstimmung durchgeführt wird. Somit kommt der Meinung der Schweiz auch in diesen Fällen de facto die gleiche Bedeutung zu wie jener der EU-Mitglieder.

6510

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2.1.3

In den Beratergruppen

Die Schweiz wird auch in jeder der Beratergruppen, die für die IT-Systeme zuständig sind, an denen sie sich tatsächlich beteiligt, über Vertreterinnen und Vertreter verfügen. Gegenwärtig handelt es sich dabei um die Beratergruppen für das SIS, das VIS und Eurodac.

Bei den Stellungnahmen, die diese Beratergruppen zuhanden des Verwaltungsrates abgeben können, werden die Vertreterinnen und Vertreter der Schweiz die gleichen Stimmrechte haben wie deren Vertreterin bzw. Vertreter im Verwaltungsrat. Ausserdem werden sie auch zu sämtlichen Fragen eine Stellungnahme abgeben können, bei denen sie nicht an der formellen Abstimmung teilnehmen dürfen. In Beratergruppen, die normalerweise auf der Grundlage eines Konsenses arbeiten und Stellung nehmen, ist es durchaus sinnvoll, diese Möglichkeit einzuräumen.

2.2

Finanzielle Beiträge

Der Vereinbarungsentwurf, der durch einen Anhang ergänzt und präzisiert wird, legt fest, wie die Beträge der assoziierten Staaten berechnet werden. Zunächst hält er den Grundsatz fest, wonach jeder assoziierte Staat nur einen finanziellen Beitrag leistet zu den IT-Systemen, an denen er sich tatsächlich beteiligt.

Was das SIS II und das VIS anbelangt, sieht der Vereinbarungsentwurf vor, dass die Schweiz entsprechend dem Verhältnis ihres BIP zum BIP aller an der Agentur teilnehmenden Staaten einen jährlichen Beitrag an die Einnahmen der Agentur leistet. Diese Berechnungsformel ist im Anhang verankert und steht im Einklang mit Artikel 11 Absatz 3 SAA. In Bezug auf Eurodac wiederum sieht der Entwurf vor, dass die Schweiz im Einklang mit Artikel 8 Absatz 1 DAA jährlich einen Beitrag gemäss der im Anhang I festgehaltenen Formel entrichtet.

Die im Entwurf für den Anhang verankerte Berechnungsformel unterscheidet zwischen den technischen und operativen Kosten («3. Titel») einerseits und den Verwaltungskosten («1. und 2. Titel») andererseits. Sie kann wie folgt zusammengefasst werden: Bei den operativen Kosten wird zwischen zwei Kategorien unterschieden, nämlich zwischen den durch Schengen begründenden Systemen SIS II und VIS, für die der übliche, im SAA verankerte und auf dem BIP basierende Berechnungsschlüssel angewendet wird, und dem durch Dublin begründeten Eurodac-System, für welches der übliche, im DAA verankerte Berechnungsschlüssel (fester Prozentsatz) Verwendung findet. Bei den Verwaltungskosten der Agentur soll für die gesamten Kosten, d. h. ohne zu unterscheiden, ob sie im Zusammenhang mit dem SIS II, dem VIS oder Eurodac stehen, nur der vorteilhaftere, auf dem BIP basierende SchengenBerechnungsschlüssel verwendet werden. Zudem ist vorgesehen, dass der Berechnungsschlüssel für die Verwaltungskosten überprüft und entsprechend angepasst werden muss, wenn die Agentur mit dem Betrieb neuer IT-Systeme betraut wird, an denen sich die Schweiz nicht beteiligt.

Ferner sieht der Vereinbarungsentwurf vor, dass rückwirkend ab dem 1. Dezember 2012, d. h. ab dem Zeitpunkt, an dem die Agentur ihren Betrieb aufgenommen hat, Beiträge bezahlt werden müssen, da die Schweiz bereits von der Arbeit und 6511

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den operativen Leistungen der Agentur profitiert. Diese Rückwirkung betrifft die Beträge nach dem 1. und 2. Titel, da die Kosten nach dem 3. Titel der Schweiz bereits in Rechnung gestellt werden und auf Grundlage der Assoziierungsabkommen jährlich bezahlt werden.

Sollte ein neues IT-System, das eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands im Sinne des SAA darstellt, entwickelt und durch die Agentur betrieben werden, so verpflichtet sich die Schweiz, für dieses neue System einen jährlichen Beitrag entsprechend dem Verhältnis ihres BIP zum BIP aller an der Agentur teilnehmenden Staaten zu zahlen. Diese Berechnungsformel ist im Anhang verankert und steht im Einklang mit Artikel 11 Absatz 3 SAA. Sollte die Agentur jedoch mit dem Betrieb eines Systems betraut werden, an welchem sich die Schweiz nicht beteiligt, so würde der Beitrag der Schweiz an die Verwaltungskosten proportional reduziert.

Schliesslich hält der Vereinbarungsentwurf ausdrücklich fest, dass ­ sofern die Schweiz bereits über ein anderes Finanzinstrument der EU einen finanziellen Beitrag zur Weiterentwicklung oder zum Betriebsmanagement eines IT-Systems geleistet hat ­ die gemäss der Vereinbarung zu zahlenden Beiträge entsprechend angepasst werden.

2.3

Weitere Aspekte

Die weiteren Bestimmungen der Zusatzvereinbarung befassen sich mit den für solche Vereinbarungen üblichen Fragen (Rechtspersönlichkeit der Agentur; Vorrechte und Immunitäten; Recht von Schweizer Staatsangehörigen, für die Agentur zu arbeiten, Konfliktlösungsklausel usw.). Sie sehen Regelungen vor, die weitgehend die gleichen sind wie jene anderer solcher Vereinbarungen zwischen der Schweiz und der EU, namentlich im Rahmen der Schengen-Assoziierung.

3

Auswirkungen für den Bund

3.1

Finanzielle Auswirkungen

Die Kostenschätzung in der Botschaft vom 23. Mai 2012, die noch vor der Inbetriebnahme der Agentur erstellt wurde, kann nun auf der Grundlage des zwischenzeitlich verabschiedeten und veröffentlichten Budgets bzw. der Finanzplanung der EU und der Agentur präzisiert werden.

Allerdings handelt es sich immer noch um geschätzte Zahlen, denn das Verhältnis des Schweizer BIP zu dem aller teilnehmenden Staaten ändert ständig und muss jährlich bestimmt werden. Desgleichen ist der Wechselkurs zwischen Schweizerfranken und Euro erheblichen Schwankungen unterworfen. Und schliesslich kommt es im Zuge der bisweilen recht deutlichen Anpassungen der jährlichen Budgetmittel für die Agentur zu regelmässigen Bereinigungen der jeweils eingestellten Beträge.

Die anfangs 2014 vorgenommenen Kostenschätzungen, die in den Voranschlag

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2015 des Bundes5 eingeflossen sind, konnten entsprechend nach unten korrigiert werden, weil namentlich im Laufe des Jahres die Budgetmittel für die Agentur auf der Grundlage neuer Daten angepasst wurden.

Gemäss Berechnungsschlüssel im Vereinbarungsentwurf ist für die Budgetjahre 2012­2020 mit Beiträgen von insgesamt rund 26,5 Millionen Schweizer Franken zu rechnen, die sich in etwa wie folgt verteilen: Dez. 2012 Budget eu-LISA

2013

2014

2015

2016

2017

2018

2019

2020

2 283 974 26 663 647 64 910 715 67 559 100 80 022 000 82 267 949 85 700 000 87 414 000 89 163 000

Beitrag CH () (4%)

91 358

1 066 545

2 596 428

2'702'364

3 200 880

3 290 718

3 428 000

3 496 560

3 566 520

Beitrag CH (CHF)

109 630

1 279 855

3 115 714

3 242 837

3 520 968

3 619 790

3 770 800

3 846 216

3 923 172

Zur Erstellung obenstehender Tabelle wurde mit einem mittleren Wechselkurs von 1,20 Schweizer Franken pro Euro bis 2015 und von 1,10 Schweizer Franken pro Euro ab 2016 gerechnet. Für den gesamten Zeitraum von 2012­2020 wurde ein relatives Durchschnitts-BIP von schätzungsweise 4 % angenommen; dabei wurde nicht unterschieden zwischen dem Berechnungsschlüssel SIS und VIS einerseits (der je nach Verhältnis des BIP der Schweiz zum BIP aller teilnehmenden Staaten variiert) und jenem von Eurodac andererseits (der gemäss Art. 8 Abs. 1 DAA bei 7,286 % liegt)6. Die endgültige Höhe des Schweizer Beitrags hängt freilich auch davon ab, wie hoch der Budgetanteil sein wird, den Eurodac von der Agentur zugewiesen bekommt. Dieser Anteil ist bislang zwar eher bescheiden ausgefallen, kann sich aber noch entwickeln. Im Übrigen wurden die Beträge, welche die Schweiz gegenwärtig bereits direkt der Kommission zur Beteiligung an den Kosten ihrer übriggebliebenen Tätigkeiten im Zusammenhang mit den drei erwähnten Systemen überweist, bei der Schätzung der Beträge für «eu-LISA» selbstverständlich nicht eingerechnet.

Die Zahlen für Dezember 2012, 2013 und 2014 entsprechen den tatsächlichen Zahlungen, die die Agentur gemäss ihrer Rechenlegung geleistet hat. Nicht enthalten sind darin allerdings die Beiträge, die von der Schweiz bis zur Inbetriebnahme des SIS II am 9. April 2013 für das SIS I geleistet wurden; desgleichen sind die Beiträge für das SIS II erst ab diesem Datum ausgewiesen. Wie oben erwähnt ist ausserdem zu berücksichtigen, dass sich die Schweiz an sämtlichen Kosten der Agentur, also auch den Verwaltungskosten für den Betrieb der betreffenden Informationssysteme, beteiligen muss, wie dies auch für Frontex und EASO der Fall ist.

5

6

Die finanziellen Mittel, die aufgrund der höheren Schätzungen von Anfang 2014 budgetiert wurden, sind zweckgebunden und dienen ausschliesslich für Kosten der Agentur eu-LISA.

Es handelt sich um eine Hochrechnung der wahrscheinlichen BIP-Entwicklung für die Jahre 2015­2020. Zum Vergleich: Das relative BIP der Schweiz lag 2008 bei 2,5262 %, 2009 bei 2,8494 %, 2010 bei 2,88 %, 2012 bei 3,5589 %, 2013 bei 3,5087 % und 2014 bei 3,5103 %.

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Die für die folgenden Jahre angegebenen Beträge entsprechen den für die Agentur budgetierten Krediten. Die für diese Jahre tatsächlich geleisteten Zahlungen können jedoch von den ursprünglich budgetierten Beträgen nach oben oder unten abweichen. So war beispielsweise für 2013 ein Gesamtkredit von 39,8 Millionen Euro budgetiert, während sich die tatsächlich geleisteten Zahlungen gemäss Schlussrechnung lediglich auf gut 26,6 Millionen Euro beliefen. Der ursprünglich für 2015 budgetierte Betrag belief sich auf 72,8 Millionen Euro und wurde schliesslich auf 67,5 Millionen Euro nach unten korrigiert. In solchen Fällen wird die Schweiz selbstverständlich ihren Anteil am tatsächlich von der Agentur aufgewandten Betrag für das betreffende Jahr zahlen und nicht den budgetierten Betrag.

Nicht berücksichtigt wurden überdies etwaige künftige Beiträge, die eventuell zu leisten wären, wenn die Agentur mit dem Betrieb neuer Informatiksysteme wie z. B.

dem System «Smart Borders» betraut würde. Denn es ist noch zu früh, um mit Sicherheit zu sagen, wann der Betrieb dieses Systems «eu-LISA» anvertraut wird und ab wann die Schweiz die entsprechenden Rechnungen erhält.

Der Vereinbarungsentwurf sieht vor, dass die Schweiz sich rückwirkend an den Kosten der Agentur beteiligt, und zwar ab der Aufnahme der Tätigkeit durch die Agentur, d. h. dem 1. Dezember 2012, soweit die assoziierten Staaten seit der Errichtung von «eu-LISA» deren Leistungen beanspruchen. Die ab 2012 geschuldeten und noch nicht bezahlten Beträge (d. h. nach dem 1. und 2. Titel; siehe Ziff. 2.2 oben) sind per 2018 fällig und zahlbar, sofern die Zusatzvereinbarung vor Ende 2018 in Kraft tritt. Daraus folgt, dass die tatsächlich zu leistenden Zahlungen 2018 höher ausfallen werden als im Durchschnitt, da in diesem Jahr rückwirkend die für die Jahre 2012­2017 geschuldeten, aber von der Schweiz noch nicht geleisteten Beiträge, entrichtet werden. In der Folge sind sämtliche Beiträge jährlich geschuldet.

Die erforderlichen Mittel wurden ordnungsgemäss in das Budget 2017 und in den integrierten Aufgaben- und Finanzplan 2018­2020 aufgenommen.

3.2

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage untersteht nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b der Bundesverfassung (BV)7, da sie weder Subventionsbestimmungen noch die Grundlage für die Schaffung eines Verpflichtungskredites oder Zahlungsrahmens enthält.

3.3

Auswirkungen auf den Personalbestand

Die Auswirkungen auf den Personalbestand wurden bereits in der Botschaft vom 23. Mai 20128 thematisiert. Gemäss Artikel 13 Absatz 5 der Verordnung zur Errichtung von «eu-LISA» entsendet die Schweiz eine Vertreterin oder einen Vertreter und eine Stellvertreterin oder einen Stellvertreter in den Verwaltungsrat der Agentur. Sie 7 8

SR 101 BBl 2012 5875

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entsendet auch jeweils ein Mitglied in die Beratergruppen der IT-Systeme, an denen sie beteiligt ist (Art. 19 Abs. 2 Abschn. 3 der Verordnung).

Was die Beratergruppen anbelangt, haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zuständigen Verwaltungseinheiten des Bundes schon heute Einsitz in den entsprechenden Arbeitsgruppen der EU (SIS, VIS, Eurodac). Sie werden ihre Funktion in der neuen Struktur weiterhin wahrnehmen und die Schweiz in den Beratergruppen vertreten. Somit müssen keine neuen Stellen geschaffen werden.

Die Funktion der Vertreterin oder des Vertreters der Schweiz im Verwaltungsrat der Agentur ist hingegen neu. In der Verwaltungseinheit, die eine Vertretung nach Tallinn entsenden wird, d. h. im Generalsekretariat des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (GS-EJPD), ist daher eine zusätzliche halbe Stelle vorzusehen.

Die Schweizer Vertretung im Verwaltungsrat übernimmt alle Aufgaben und Pflichten, welche die einschlägigen Rechtsakte des EU-Rechts den Vertreterinnen und Vertretern der Mitgliedstaaten zuweisen. In der Schweiz ist sie dafür zuständig, zu allen Fragen im Zusammenhang mit der Agentur Stellungnahmen zu koordinieren und zu erarbeiten, die mit den Verantwortlichen des Programms Schengen/Dublin II (PSD II), mit den Leitungen der Informatikprojekte beim fedpol und beim SEM sowie mit dem internen Informatik-Leistungserbringer (ISC-EJPD) abgesprochen werden. Nach dem derzeitigen Kenntnisstand entspricht diese neue Funktion einer halben Stelle. Dieser zusätzliche Personalbedarf kann innerhalb des EJPD kompensiert werden.

4

Rechtliche Aspekte

4.1

Verfassungsmässigkeit

Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der Europäischen Union betreffend die Übernahme der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 beruht auf Artikel 54 Absatz 1 BV, wonach auswärtige Angelegenheiten Sache des Bundes sind. Gemäss Artikel 184 Absatz 2 BV ist der Bundesrat für die Unterzeichnung und Ratifizierung von völkerrechtlichen Verträgen zuständig. Artikel 166 Absatz 2 BV schliesslich räumt der Bundesversammlung die Kompetenz ein, völkerrechtliche Verträge zu genehmigen.

4.2

Erlassform

Gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d BV unterliegen völkerrechtliche Verträge, die unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen oder wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert, dem fakultativen Referendum.

Der vorliegende Notenaustausch kann zu den in den Artikeln 7 und 17 SAA sowie 4 und 16 DAA vorgesehenen Bedingungen gekündigt werden. Die Übernahme der Verordnung ist unter keinen Umständen mit dem Beitritt zu einer internationalen Organisation verbunden.

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BBl 2016

Gemäss Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 der BV untersteht ein völkerrechtlicher Vertrag dem fakultativen Referendum, wenn er wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthält oder dessen Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert. Gemäss Artikel 22 Absatz 4 des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 20029 über die Bundesversammlung (ParlG) sind unter rechtsetzenden Normen jene Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten schliesslich Bestimmungen, die im innerstaatlichen Recht auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssen.

Im vorliegenden Fall enthält die durch den Notenaustausch übernommene europäische Verordnung wichtige rechtsetzende Bestimmungen, da sie insbesondere die Finanzierung der Agentur durch die Europäische Union und die assoziierten Staaten sowie die Stimmrechte der teilnehmenden Staaten und der assoziierten Staaten innerhalb der Organe der Agentur regelt. Wenn diese Bestimmungen im Landesrecht erlassen werden müssten, so würde dies auf Stufe Gesetz erfolgen. Demzufolge muss der Bundesbeschluss über die Genehmigung gestützt auf Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV dem fakultativen Referendum unterstellt werden.

Die Bundesversammlung genehmigt völkerrechtliche Verträge, die dem Referendum unterliegen, in der Form eines Bundesbeschlusses (Art. 24 Abs. 3 ParlG).

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SR 171.10

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