zu 13.418/13.419/13.420/13.421/13.422 Parlamentarische Initiativen Gleichstellung der eingetragenen Partnerschaft und der Ehe im Einbürgerungsverfahren Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 5. November 2015 Stellungnahme des Bundesrates vom 18. Dezember 2015

Sehr geehrter Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren Zum Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates vom 5. November 20151 betreffend die parlamentarischen Initiativen 13.418­13.422 «Gleichstellung der eingetragenen Partnerschaft und der Ehe im Einbürgerungsverfahren» nehmen wir nach Artikel 112 Absatz 3 des Parlamentsgesetzes nachfolgend Stellung.

Wir versichern Sie, sehr geehrter Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

18. Dezember 2015

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Simonetta Sommaruga Die Bundeskanzlerin: Corina Casanova

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Ausgangslage

Grundlage für den Bericht der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates (SPK-N) bilden fünf gleichlautende parlamentarische Initiativen der Grünliberalen Fraktion, der Fraktion der Bürgerlich-Demokratischen Partei, der Grünen Fraktion, der Sozialdemokratischen Fraktion sowie von Nationalrätin Doris Fiala (RL, ZH).

Die Initiativen wurden in der Frühjahrssession 2013 eingereicht.

Die Initianten weisen darauf hin, dass ausländische Personen in einer eingetragenen Partnerschaft im Rahmen des Einbürgerungsverfahrens im Vergleich zu ausländischen Ehepartnerinnen und Ehepartnern benachteiligt werden. Während sich Ehepartnerinnen und Ehepartner von Schweizern bzw. Schweizerinnen erleichtert einbürgern lassen können, steht bei einer eingetragenen Partnerschaft nur der Weg über die ordentliche Einbürgerung offen. Die Initianten fordern daher von der Bundesversammlung, die rechtlichen Grundlagen so anzupassen, dass im Einbürgerungsverfahren die Gleichstellung der eingetragenen Partnerschaft mit der Ehe sichergestellt ist.

Am 30. August 2013 gab die SPK-N den parlamentarischen Initiativen Folge. Am 27. Januar 2014 folgte ihr die Staatspolitische Kommission des Ständerates (SPK-S).

Am 26. März 2015 stimmte die SPK-N der Vorlage des Kommissionssekretariates und der Verwaltung zur Umsetzung der parlamentarischen Initiativen zu und schickte diese bis zum 6. Juli 20152 in die Vernehmlassung. Die Vorlage, die den Vernehmlassungsteilnehmenden unterbreitet wurde, enthielt einen Vorentwurf 1 mit den Verfassungsänderungen. Dabei wird vorgeschlagen, Artikel 38 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV)3 zu ergänzen und dem Bund die Kompetenz zu erteilen, neben der Einbürgerung infolge Abstammung, Heirat und Adoption auch den Erwerb und Verlust der Bürgerrechte aufgrund der Eintragung der Partnerschaft einheitlich zu regeln. Ergänzend dazu wurden den Vernehmlassungsteilnehmenden zwei Minderheitsvorschläge unterbreitet, die im Hinblick auf allfällige, zukünftige Entwicklungen des Familienrechts eine offenere Formulierung von Artikel 38 Absatz 1 BV vorsehen. Eine weitere Verfassungsänderung im Vorentwurf 1 steht in keinem direkten Zusammenhang mit den parlamentarischen Initiativen (in Art. 38 Abs. 2 BV soll der Begriff «Mindestvorschriften» durch «Grundsätze» ersetzt werden). Der Vorentwurf 2 schliesslich enthält die
notwendigen Änderungen im Bundesgesetz vom 20. Juni 20144 über das Schweizer Bürgerrecht, die sich aus dem Vorentwurf 1 ergeben.

In der Vernehmlassung ist das Grundanliegen der Vorlage ­ die Gleichstellung der eingetragenen Partnerschaft mit der Ehe im Einbürgerungsverfahren ­ fast aus2

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Der Vernehmlassungsentwurf kann unter der folgenden Adresse eingesehen werden: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > PK.

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schliesslich auf Zustimmung gestossen. Von den insgesamt 46 Vernehmlassungsteilnehmenden lehnten lediglich drei die Vorlage grundsätzlich ab.

Die SPK-N nahm an ihrer Sitzung vom 5. November 2015 Kenntnis vom Vernehmlassungsergebnis und verabschiedete die Vorlage ohne Änderungen.

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Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat unterstützt das Grundanliegen der parlamentarischen Initiativen und die von der SPK-N beantragte Verfassungs- und Gesetzesrevision. Die nach geltendem Recht bestehende Ungleichbehandlung ausländischer Personen in eingetragener Partnerschaft gegenüber ausländischen Ehepartnerinnen und Ehepartnern im Einbürgerungsverfahren soll damit beseitigt werden. Nachdem die eingetragene Partnerschaft in vielen anderen Bereichen, insbesondere im Erbrecht, im Sozialversicherungsrecht, in der beruflichen Vorsorge oder im Ausländer- und Asylrecht der Ehe gleichgestellt ist, ist es angezeigt, nun auch die vollständige Gleichbehandlung im Bürgerrecht herbeizuführen. Zwar sehen das geltende Bürgerrechtsgesetz5 und das verabschiedete, aber noch nicht in Kraft getretene Bürgerrechtsgesetz vom 20. Juni 20146 für ausländische Personen in eingetragener Partnerschaft im Rahmen des ordentlichen Einbürgerungsverfahrens eine kürzere Wohnsitzdauer vor. Eine vollständige Gleichstellung kann jedoch nur dadurch erreicht werden, wenn das Bürgerrechtsgesetz zukünftig einen Anspruch auf erleichterte Einbürgerung nach dreijährigem Bestehen der eingetragenen Partnerschaft und insgesamt fünf Jahren Aufenthalt in der Schweiz vorsieht.

Für die Erteilung der Kompetenz an den Bund, den Erwerb und Verlust der Bürgerrechte durch Eintragung der Partnerschaft zu regeln, bedarf es einer Verfassungsänderung. Der Bundesrat hat diese Auffassung bereits in der Botschaft vom 29. November 2002 zum Partnerschaftsgesetz7 vertreten. Er führte damals insbesondere aus, dass der in Artikel 38 Absatz 1 BV enthaltene Begriff «Heirat» nicht einfach durch teleologische Auslegung auf die eingetragene Partnerschaft übertragen werden könne. Zu diesem Schluss gelangte auch die SPK-N, nachdem diese Frage anlässlich der Vorprüfung und der Erarbeitung des Vorentwurfs ausführlich, insbesondere auf der Grundlage zweier Rechtsgutachten, erörtert worden war. Die grosse Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden vertrat ebenfalls die Meinung, dass sich die Regelungskompetenz nicht unter die geltende Verfassungsbestimmung in Artikel 38 Absatz 1 BV subsumieren lasse. Bei der konkreten Ausgestaltung der Verfassungsbestimmung ist der Bundesrat der Meinung, dass sowohl der Vorschlag der Mehrheit als auch die Anträge der Minderheit das Ziel der fünf parlamentarischen
Initiativen erfüllen, ist es doch das Ziel dieser Initiativen, die nötige Kompetenz zu schaffen, damit der Bund die stossende Ungleichbehandlung von Eheleuten und eingetragenen Partnern im Einbürgerungsverfahren beseitigen kann. Der Bundesrat ist allerdings der Meinung, dass der Minderheitsantrag Schenker als offene Formulierung von Artikel 38 Absatz 1 BV im Hinblick auf den Einbezug zukünfti5 6 7

SR 141.0 Vgl. Fussnote 4 BBl 2003 1192

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ger Entwicklungen im Bereich des Familienrechts die elegantere und klarere redaktionelle Formulierung der Verfassungsnorm darstellt. Dabei ist unter anderem auf den Bericht des Bundesrates betreffend die «Modernisierung des Familienrechts» vom 20. März 20158 zu verweisen. Darin schlägt der Bundesrat insbesondere vor, die Einführung einer gesetzlich geregelten Partnerschaft mit geringerer Bindungswirkung als die Ehe zu prüfen. Zudem haben sowohl die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates wie des Nationalrates der parlamentarischen Initiative 13.468 «Ehe für alle» der Grünliberalen Fraktion stattgegeben. Diese sieht vor, alle rechtlich geregelten Lebensgemeinschaften für alle Paare zu öffnen, ungeachtet ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung. Sowohl die Wahl einer konservativen als auch einer offeneren Formulierung würde in keiner Art und Weise eine politische Entscheidung in Bezug auf die dahinter stehenden materiellen Fragen beinhalten.

Insbesondere würde mit diesem Entscheid weder über eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften noch über die Einführung eines Pacte civile de solidarité entschieden. Vielmehr geht es bei der Umsetzung dieser Initiativen ausschliesslich um die Frage, in welchen Bereichen der Bund Einbürgerungsvoraussetzungen erlassen darf. Von einer gewissen Bedeutung ist allerdings die Tatsache, dass gerade die abschliessende Aufzählung der Institutionen im geltenden Artikel 38 Absatz 1 BV zur heutigen unbefriedigenden Situation geführt hat. Mit der Formulierung der Kommissionsmehrheit entstünde die Gefahr, dass sich in absehbarer Zeit erneut die Notwendigkeit einer Verfassungsrevision ergeben könnte, weil allfällige neugeschaffene Institutionen erwähnt werden müssten. Will man diese Unsicherheiten vermeiden, sollte dem Minderheitsantrag Schenker der Vorzug gegeben werden.

Damit wäre gewährleistet, dass auch künftige, heute noch nicht absehbare Entwicklungen von der Verfassung abgedeckt wären und der Verfassungsgeber nicht erneut bemüht werden müsste. Dies, obschon es aus juristischer Sicht möglich wäre, den verfassungsmässigen Begriff der eingetragenen Partnerschaft weit auszulegen, um damit auch ein zukünftiges Pacte civil de solidarité darunter zu subsumieren. Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen im Bürgerrechtsgesetz entsprechen dem
Auftrag der parlamentarischen Initiativen. Mit dem Verweis auf die eingetragene Partnerschaft in Artikel 21 Absatz 5 wird sichergestellt, dass bei der eingetragenen Partnerschaft der Bund für das Einbürgerungsverfahren zuständig ist und die gleichen Verfahrensbestimmungen zur Anwendung gelangen, wie dies bei der erleichterten Einbürgerung von ausländischen Ehepartnerinnen und Ehepartnern von Schweizerinnen und Schweizern der Fall ist. Zudem ist der SPK-N darin zuzustimmen, dass gleichzeitig Artikel 10 BüG aufzuheben ist, der eine kürzere Wohnsitzfrist bei eingetragener Partnerschaft im Rahmen des ordentlichen Einbürgerungsverfahrens vorsieht.

Die SPK-N schlägt zudem vor, in Artikel 38 Absatz 2 BV den Begriff der «Mindestvorschriften» durch jenen der «Grundsätze» zu ersetzen. Diese weitgehend unbestrittene Anpassung wird auch im Rahmen der Umsetzung der parlamentarischen Initiative Marra 08.432 «Die Schweiz muss ihre Kinder anerkennen» vorgeschlagen. Die erneute Aufnahme des Änderungsvorschlags wird damit begründet, 8

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Der Bericht kann unter der folgenden Adresse eingesehen werden: www.ejpd > Aktuell («Medienmitteilungen» ankreuzen und in den Feldern «von» und «bis» das Datum «25.03.2015» einsetzen) > Bundesrat plädiert für modernes Familienrecht.

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dass noch nicht feststehe, ob die parlamentarische Initiative Marra umgesetzt werden könne. Wie der Bundesrat bereits in seiner Stellungnahme vom 21. Juni 2014 9 ausgeführt hat, begrüsst er im Sinne der Klarheit diesen Vorschlag der SPK-N.

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Antrag des Bundesrates

Der Bundesrat beantragt Eintreten auf die Vorlage und Zustimmung zu den übrigen Anträgen der Kommission, mit Ausnahme des Mehrheitsantrages zu Artikel 38 Absatz 1 BV. Diesbezüglich unterstützt er den Minderheitsantrag Schenker: Art. 38 Abs. 1 Minderheit (Schenker Silvia, Amarelle, Gilli, Glättli, Heim, Masshardt, Naef, Tschümperlin) Der Bund regelt Erwerb und Verlust der Bürgerrechte aufgrund von Zivilstandsbeziehungen, wie die Abstammung, die Heirat und die Adoption. Er regelt zudem den Verlust des Schweizer Bürgerrechts aus anderen Gründen sowie die Wiedereinbürgerung.

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