zu 13.075 Zusatzbotschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (Schaffung einer Berufungskammer am Bundesstrafgericht) vom 17. Juni 2016

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen in Ergänzung zur Botschaft vom 4. September 2013 zur Änderung des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (Erweiterung der Kognition bei Beschwerden in Strafsachen) die Zusatzbotschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (Schaffung einer Berufungskammer am Bundesstrafgericht) sowie einen Entwurf der Änderung des Strafbehördenorganisationsgesetzes (Vorlage 1) und einen Entwurf der Verordnung der Bundesversammlung über die Änderung der Richterverordnung und der Verordnung über die Richterstellen am Bundesstrafgericht (Vorlage 2), mit dem Antrag auf Zustimmung.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den Entwurf der Änderung des Bundesgesetzes über das Bundesgericht, den wir Ihnen mit der Botschaft vom 4. September 2013 vorgelegt haben, und den folgenden Vorstoss abzuschreiben: 2010

M 10.3138

Erweiterung der Kognition des Bundesgerichtes bei Beschwerden gegen Urteile der Strafkammer des Bundesstrafgerichtes (S 10.6.10, Janiak; N 17.12.10)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

17. Juni 2016

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Johann N. Schneider-Ammann Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2016-0797

6199

Übersicht Eine Motion von Ständerat Janiak beauftragte den Bundesrat, die Kognition des Bundesgerichts bei Beschwerden gegen Entscheide der Strafkammer des Bundesstrafgerichts dahingehend zu erweitern, dass Sachverhaltsfeststellungen uneingeschränkt überprüft werden können. Der Bundesrat hat die entsprechende Botschaft am 4. September 2013 verabschiedet. Das Parlament hat diese an den Bundesrat zurückgewiesen mit dem Auftrag, gesetzliche Grundlagen zu erarbeiten, um am Bundesstrafgericht eine Berufungsinstanz in Form einer eigenständigen Berufungskammer zu schaffen.

Ausgangslage Nach geltendem Recht können Entscheide der Strafkammer des Bundesstrafgerichts mit Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht angefochten werden. Dabei kann das Bundesgericht zwar die Rechtsanwendung überprüfen, ist aber grundsätzlich an den Sachverhalt gebunden, wie ihn die Vorinstanz festgestellt hat. Nur wenn diese Feststellung offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung beruht, kann das Bundesgericht sie berichtigen. Diese Regelung unterscheidet sich von jener der Strafprozessordnung (StPO), wonach Urteile erstinstanzlicher Gerichte sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht uneingeschränkt überprüft werden können.

Die von Ständerat Janiak eingereichte und vom Parlament überwiesene Motion «Erweiterung der Kognition des Bundesgerichtes bei Beschwerden gegen Urteile der Strafkammer des Bundesstrafgerichtes» (10.3138) beauftragte daher den Bundesrat, die Kognition des Bundesgerichts bei Beschwerden gegen Entscheide der Strafkammer des Bundesstrafgerichts dahingehend zu erweitern, dass Sachverhaltsfeststellungen uneingeschränkt überprüft werden können. Das Parlament hat die entsprechende Botschaft vom 4. September 2013 zur Änderung des Bundesgesetzes über das Bundesgericht an den Bundesrat zurückgewiesen mit dem Auftrag, gesetzliche Grundlagen zu erarbeiten, um am Bundesstrafgericht eine Berufungsinstanz in Form einer eigenständigen Berufungskammer zu schaffen.

Inhalt der Vorlage Mit der Vorlage 1 werden im Strafbehördenorganisationsgesetz vom 19. März 2010 die gesetzlichen Grundlagen für die Schaffung einer Berufungskammer am Bundesstrafgericht geschaffen. Überdies werden für alle Kammern des Bundesstrafgerichts Vizepräsidien eingeführt.

Die Vorlage 2 enthält Änderungen zu zwei Verordnungen
der Bundesversammlung: Einerseits geht es um die Richterverordnung vom 13. Dezember 2002 und andererseits um die Verordnung vom 13. Dezember 2013 über die Richterstellen am Bundesstrafgericht. Im Wesentlichen werden die Änderungen des Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010 in den beiden Verordnungen nachvollzogen.

6200

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Nach geltendem Recht können Entscheide der Strafkammer des Bundesstrafgerichts mit Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht angefochten werden. Dabei kann das Bundesgericht zwar die Rechtsanwendung überprüfen, ist aber grundsätzlich an den Sachverhalt gebunden, wie ihn die Vorinstanz festgestellt hat. Nur wenn diese Feststellung offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung beruht, kann das Bundesgericht sie berichtigen. Diese Regelung unterscheidet sich von jener der Strafprozessordnung1 (StPO), wonach Urteile erstinstanzlicher Gerichte sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht uneingeschränkt überprüft werden können.

Die von Ständerat Janiak eingereichte und vom Parlament überwiesene Motion «Erweiterung der Kognition des Bundesgerichtes bei Beschwerden gegen Urteile der Strafkammer des Bundesstrafgerichtes» (10.3138) beauftragte den Bundesrat, die Kognition des Bundesgerichts bei Beschwerden gegen Entscheide der Strafkammer des Bundesstrafgerichts dahingehend zu erweitern, dass Sachverhaltsfeststellungen uneingeschränkt überprüft werden können. Der Bundesrat hat in Erfüllung dieser Motion am 4. September 2013 die Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über das Bundesgericht verabschiedet.

Das Parlament ist auf das Geschäft eingetreten. Der Ständerat hat aber am 10. Dezember 2014 und der Nationalrat am 5. Mai 2015 die Vorlage an den Bundesrat zurückgewiesen mit dem Auftrag, gesetzliche Grundlagen zu erarbeiten, um am Bundesstrafgericht eine Berufungsinstanz in Form einer eigenständigen Berufungskammer zu schaffen.

1.2

Die beantragte Neuregelung

Die Vorlage 1 sieht im Wesentlichen die Schaffung einer Berufungskammer am Bundesstrafgericht vor. Diese Kammer befasst sich ausschliesslich mit Berufungen und Revisionsgesuchen; die Befugnisse der Beschwerdekammer werden ihr nicht übertragen (vgl. Art. 20 Abs. 2 StPO). Die Berufungskammer ist Teil des Bundesstrafgerichts und wird von einem Kammerpräsidenten oder einer Kammerpräsidentin geleitet, der oder die vom Gesamtgericht gewählt wird. Das Gesamtgericht wird von einem Präsidenten oder einer Präsidentin sowie einem Vizepräsidenten oder einer Vizepräsidentin geleitet, welche von der Vereinigten Bundesversammlung auf Vorschlag des Gesamtgerichts gewählt werden. Der Präsident oder die Präsidentin des Gesamtgerichts vertritt sämtliche Kammern und damit auch die erste und zweite Instanz nach aussen.

1

SR 312.0

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Hinsichtlich der Zusammensetzung der Berufungskammer bieten die sehr geringen Fallzahlen ­ es werden etwa 11 Berufungsverfahren pro Jahr erwartet ­ und die drei Verfahrenssprachen besondere Schwierigkeiten. Es ist daher vorgesehen, zwei ordentliche Richter oder Richterinnen in Teilzeitpensum zu beschäftigen und etwa drei Aushilfen aus der Beschwerdekammer sowie zehn nebenamtliche Richter und Richterinnen beizuziehen. Letztere sind vorzugsweise an einem kantonalen, erstoder zweitinstanzlichen Strafgericht tätig. Die zwei ordentlichen und die zehn nebenamtlichen Richter und Richterinnen werden von der Vereinigten Bundesversammlung eigens für die Berufungskammer gewählt.

Weiter werden für alle Kammern des Bundesstrafgerichts Vizepräsidien geschaffen.

Das geltende Recht sieht als Stellvertretung den Richter oder die Richterin vor, der oder die an Dienst- oder Lebensjahren am ältesten ist. Diese Regelung ist auf gelegentliche Aushilfe ausgerichtet und wenig geeignet für eine permanente Stellvertretung und für eine Entlastung des Kammerpräsidenten oder der Kammerpräsidentin durch Delegation von Aufgaben.

Die Vorlage 2 enthält Änderungen der Richterverordnung vom 13. Dezember 2002 2 und der Verordnung der Bundesversammlung vom 13. Dezember 20133 über die Richterstellen am Bundesstrafgericht, die sich aus der Vorlage 1 ergeben.

1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

1.3.1

Behandlung in den eidgenössischen Räten

Die vorberatende Kommission des Erstrates beauftragte im Rahmen der parlamentarischen Beratungen das Bundesamt für Justiz, einen Alternativvorschlag auszuarbeiten, um am Bundesstrafgericht eine Berufungsinstanz einzurichten. Damit nahm die Kommission einen Vorschlag auf, den das Bundesgericht und das Bundesstrafgericht gemacht hatten und der in der Botschaft vom 4. September 2013 4 wiedergegeben wurde. Der Ständerat hat am 10. Dezember 2014 diesem Alternativvorschlag zur Schaffung einer Berufungskammer am Bundesstrafgericht einstimmig den Vorzug gegeben und das Geschäft mit einem entsprechenden Auftrag an den Bundesrat zurückgewiesen. Der Nationalrat ist am 5. Mai 2015 dem Ständerat sehr knapp ­ mit einer Stimme Unterschied ­ gefolgt. Die Minderheit hat eine Rückweisung an den Bundesrat abgelehnt. Sie wollte den vom Bundesrat am 4. September 2013 überwiesenen Entwurf im Detail beraten. Aufgrund der Rückweisung wird der Entwurf vom 4. September 2013 mit dieser Zusatzbotschaft zur Abschreibung beantragt.

2 3 4

SR 173.711.2 SR 173.713.150 BBl 2013 7109, hier 7117

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1.3.2

Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

Vorteile Die Vorlage 1 setzt das Prinzip der «double instance» um und steht somit im Einklang mit der StPO und dem Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 20055 (BGG).

Damit wird ein altes Anliegen erfüllt. Bereits in der Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts6 wurde ausgeführt, auch der Bund müsse eine Berufungsinstanz vorsehen. Wenn der Bundesgesetzgeber den Kantonen ein zweistufiges Gerichtsmodell mit einem vollkommenen Rechtsmittel vorschreibe, so tue er dies mit guten Gründen. Gerade bei komplexen Verfahren, wie sie vor allem am Bundesstrafgericht zu bewältigen sind, brauche es einen ausgebauten Rechtsschutz.

Darüber hinaus ist auch von Vorteil, dass die neu zu schaffende Berufungskammer die bestehende Infrastruktur des Bundesstrafgerichts (z. B. Gerichtssäle, Bibliothek) mitbenutzen und dessen bestehenden Dienste (z. B. Buchhaltung, Informatik, Personalwesen) in Anspruch nehmen kann.

Nachteile und Schwierigkeiten Da die erste und zweite Instanz am Bundesstrafgericht in Bellinzona angesiedelt sein sollen, können Bedenken hinsichtlich der richterlichen Unabhängigkeit geweckt werden. Die Mitglieder der Berufungskammer müssen mit ihrem Urteil die Qualität der Arbeit ihrer erstinstanzlich tätigen Richterkollegen und -kolleginnen qualifizieren. Damit besteht die Gefahr der Beeinflussung. Diesbezüglich ist aber anzumerken, dass sich in mehreren Kantonen die erste und zweite Instanz ebenfalls im gleichen Gebäude befinden und dies zu keinen besonderen Schwierigkeiten geführt hat. Überdies ist die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts nach geltendem Recht Beschwerdeinstanz gegen sämtliche Entscheide der Strafkammer des Bundesstrafgerichts, die weder ein Urteil sind noch verfahrensleitenden Charakter haben. Dieser interne Rechtsmittelzug wurde bisher nicht beanstandet.

Die nebenamtlichen Richter und Richterinnen werden regelmässig eingesetzt, weil die Berufungskammer immer in Dreierbesetzung urteilt und der Spruchkörper in der Regel nicht ausschliesslich mit ordentlichen Richtern und Richterinnen besetzt werden kann. Entsprechend bilden in einem Revisionsverfahren hauptsächlich nebenamtliche Richter und Richterinnen den Spruchkörper, ausser ein ordentlicher Richter oder eine ordentliche Richterin ist im konkreten Fall noch nicht vorbefasst und auch der Verfahrenssprache mächtig.
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die nebenamtlichen Richter und Richterinnen mit unterschiedlichen kantonalen Rechtspraktiken vertraut sind.

Eine einheitliche Rechtsprechung kann sich daher nur langsam und mit Erschwernissen bilden. Würden jedoch tatsächlich Differenzen zwischen Urteilen der Berufungskammer auftreten, so wäre letztlich das Bundesgericht für eine einheitliche Rechtsanwendung besorgt.

5 6

SR 173.110 BBl 2006 1085, hier 1126 und 1382

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Es ist nicht auszuschliessen, dass sich die Rekrutierung von nebenamtlichen Richtern und Richterinnen schwierig gestalten wird, insbesondere wenn es um erst- oder zweitinstanzliche Strafrichter und -richterinnen aus den Kantonen geht, weil kantonale Gerichte in der Regel chronisch überlastet sind. Zudem erfordert die Tätigkeit am Bundesstrafgericht bei grösseren Verfahren auch längere Abwesenheiten von der hauptberuflichen Tätigkeit.

Die erste und zweite Instanz sind unter gleicher administrativer Leitung und unter gleichem Präsidium, was in der Schweiz wohl einzigartig ist; somit wird der Präsident oder die Präsidentin beide Instanzen nach aussen vertreten.

1.4

Verzicht auf erneute Vernehmlassung

Die Frage des Rechtsmittels gegen Urteile der Strafkammer des Bundesstrafgerichts war in den letzten Jahren zweimal Gegenstand einer Vernehmlassung: Bei den Arbeiten zum Strafbehördenorganisationsgesetz vom 19. März 2010 7 (StBOG) hat der Bundesrat eine neue Bestimmung im BGG vorgeschlagen, welche das Bundesgericht als Berufungsinstanz mit voller Kognition gegen Urteile des Bundesstrafgerichts vorsah.8 In der Vernehmlassung im Jahr 2007 stiess dieser Vorschlag teilweise auf Ablehnung.9 Der Bundesrat hat sich daher ­ im Einvernehmen mit dem Bundesgericht ­ in der Botschaft zum StBOG für die Beibehaltung des Status quo ausgesprochen mit der Begründung, dass die mit dem BGG angestrebte Entlastung des Bundesgerichts gefährdet wäre, weil mit einer systemwidrigen Sachverhaltskontrolle das Bundesgericht innert Kürze erneut überlastet wäre und in der Erfüllung seiner Kernaufgaben beeinträchtigt werden könnte. Gleichzeitig hat der Bundesrat darauf hingewiesen, dass der Status quo die Möglichkeit offen lasse, zu einem späteren Zeitpunkt ein eigenständiges, dreisprachiges Berufungsgericht oder eine dreisprachige Berufungskammer zu schaffen, falls die Fallzahlen bei der Strafkammer des Bundesstrafgerichts weiter steigen sollten und damit die Berufungsinstanz ausgelastet werden könnte.10 Das Parlament hat sich im Jahr 2010 nach einigem Ringen ebenfalls für die Beibehaltung des Status quo ausgesprochen.

Fast zeitgleich mit der Verabschiedung des StBOG hat Ständerat Janiak die Motion «Erweiterung der Kognition des Bundesgerichtes bei Beschwerden gegen Urteile der Strafkammer des Bundesstrafgerichtes» (10.3138) eingereicht, welche in der Folge vom Parlament an den Bundesrat überwiesen wurde. Die Motion enthielt einen ausformulierten Vorschlag, wie sie umgesetzt werden konnte. Im Vorentwurf hat der Bundesrat diesen ausformulierten Umsetzungsvorschlag weitestgehend übernommen, da er in sich stimmig war und für die aufgezeigte Problematik einen korrekten 7 8

9

10

SR 173.71 Der Vorentwurf und dessen Begleitbericht sind abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Verfahren > 2007 > Eidgenössisches Justizund Polizeidepartement.

Die Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens über den Vorentwurf und den Begleitbericht ist abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Verfahren > 2007 > Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement.

BBl 2008 8125, hier 8146

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Lösungsansatz bot. In der Vernehmlassung im Jahr 2012 wurde diese Lösung grossmehrheitlich begrüsst, vom Bundesgericht und Bundesstrafgericht aber abgelehnt. In der Botschaft vom 4. September 2013 wurden zwei vom Bundesgericht im Einvernehmen mit dem Bundesstrafgericht erarbeitete Lösungsvorschläge wiedergegeben. Die erste Variante, welche von beiden Gerichten bevorzugt wurde, sah die Einbettung eines Berufungsgerichts in das Bundesstrafgericht und die zweite Variante die Einbettung eines Berufungsgerichts in das Bundesverwaltungsgericht vor.

In der Folge hat das Parlament die von ihm mit der Motion Janiak in Auftrag gegebene Gesetzesvorlage verworfen. Gleichzeitig hat es dem Bundesrat den Auftrag für die Ausarbeitung einer neuen Vorlage erteilt, mit der eine Berufungskammer am Bundesstrafgericht errichtet werden soll.

Die Erfahrungen mit den beiden Vorlagen haben gezeigt, dass die Frage des Rechtsmittels gegen Urteile der Strafkammer des Bundesstrafgerichts ­ unabhängig vom Ausgang der Vernehmlassungsverfahren ­ nur im Einvernehmen mit den betroffenen Gerichten gelöst werden kann. Das Parlament hat den von den Gerichten favorisierten Lösungsvorschlag für die Einbettung eines Berufungsgerichts in das Bundesstrafgericht aufgenommen und den Bundesrat mit der Ausarbeitung einer Vorlage beauftragt. Unter diesen Umständen ist nicht damit zu rechnen, dass ein weiteres Vernehmlassungsverfahren neue Erkenntnisse bringen würde, zumal keine weiteren Varianten ersichtlich sind, die sich grundlegend von den bisherigen unterscheiden und sich administrativ und wirtschaftlich sinnvoll umsetzen lassen. Der Verzicht auf eine Vernehmlassung rechtfertigt sich auch, weil die Vorlage das Rechtsmittelverfahren in Fällen der Bundesgerichtsbarkeit und die Organisation des Bundesstrafgerichts betrifft.11

1.5

Parlamentarische Initiative der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates «Strafbehördenorganisationsgesetz.

Änderung der Artikel 36 und 56» (12.426)

Die parlamentarische Initiative der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates «Strafbehördenorganisationsgesetz. Änderung der Artikel 36 und 56» (12.426) verlangt zum einen, dass die Strafkammer in besonderen Fällen im Rahmen von Artikel 36 Absatz 2 StBOG in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen urteilen kann. Zum anderen soll das Gericht für die Kammern Vizepräsidenten oder -präsidentinnen wählen können. Beide Kommissionen für Rechtsfragen haben diesem Vorstoss Folge gegeben.

Das zweite Anliegen der parlamentarischen Initiative wird mit dieser Vorlage umgesetzt (vgl. Erläuterungen zu Art. 56 E-StBOG). Hingegen sieht der Bundesrat davon ab, auch das erste Anliegen der parlamentarischen Initiative aufzunehmen, insbesondere weil sich die Ausgangslage mit dieser Vorlage wesentlich ändert. Eines der zentralen Elemente für einen Wechsel des Spruchkörpers war, dass die Strafkammer als Einzelgericht einzige Tatsacheninstanz in Fällen der Bundesgerichtsbarkeit ist.

11

Vgl. Art. 3a des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 2005, SR 172.061.

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Mit dieser Vorlage soll eine Berufungskammer geschaffen werden, welche die Entscheide der Strafkammer mit voller Kognition überprüfen kann. Aufgrund der laufenden Gesetzgebungsarbeiten zur Frage des Rechtsmittels gegen Entscheide der Strafkammer des Bundesstrafgerichts hat die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates ihre Arbeiten zur parlamentarischen Initiative sistiert.

1.6

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Der Bundesrat beantragt die Abschreibung der Motion Janiak (10.3138 «Erweiterung der Kognition des Bundesgerichtes bei Beschwerden gegen Urteile der Strafkammer des Bundesstrafgerichtes»). Die Botschaft vom 4. September 2013 zur Änderung des Bundesgesetzes über das Bundesgericht wurde in Erfüllung dieser Motion dem Parlament unterbreitet. Entsprechend wurde bereits dort die Abschreibung dieser Motion beantragt.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

2.1

Strafbehördenorganisationsgesetz vom 19. März 2010 (Vorlage 1)

Art. 33 Bst. c Nebst den beiden bestehenden Straf- und Beschwerdekammern soll eine Berufungskammer geschaffen werden.

Art. 38a

Zuständigkeiten

Die Berufungskammer wird über Berufungen und Revisionsgesuche entscheiden müssen (Art. 21 Abs. 1 StPO), insbesondere auch über Revisionsgesuche gegen Strafbefehle der Bundesanwaltschaft, für welche im geltenden Recht die Zuständigkeit nicht geregelt ist.12 Das Revisionsverfahren richtet sich nach den Bestimmungen der StPO (Art. 39 Abs. 1 StBOG i. V. m. Art. 410 ff. StPO). Eine Ausnahme bildet die Revision von Entscheiden der Beschwerdekammer nach Artikel 37 Absatz 2 StBOG. In diesen Verfahren kommen die Revisionsbestimmungen des BGG sinngemäss zur Anwendung (Art. 40 Abs. 1 StBOG).

Art. 38b

Besetzung

Die Berufungskammer entscheidet in der Besetzung mit drei Richtern oder Richterinnen. Ausnahmsweise kann die Verfahrensleitung einen Entscheid treffen, soweit das Gesetz dies vorsieht.

12

BGE 141 IV 298 E. 1.5

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Art. 38c

Unmöglichkeit einer gültigen Verhandlung wegen Ausstands

Der Ausstand richtet sich nach Artikel 59 StPO. Dort ist der Fall nicht geregelt, bei dem der Ausstand der gesamten Berufungskammer des Bundesstrafgerichts oder von so vielen Richtern und Richterinnen der Berufungskammer verlangt wird, dass keine gültige Verhandlung stattfinden kann. Für diesen Fall wird die Regelung von Artikel 37 Absatz 3 BGG sinngemäss übernommen. Die vorliegende Bestimmung ergänzt die Ausstandsvorschriften der StPO.

Art. 41 Abs. 2 und 2bis In der Berufungskammer sind zwei ordentliche Richter und Richterinnen im Teilzeitpensum tätig (vgl. Ziff. 2.2.2). Zusätzlich helfen etwa drei Beschwerderichter oder -richterinnen in der Berufungskammer aus (vgl. Erläuterungen zu Art. 55 Abs. 3).

Die Situation bezüglich der nebenamtlichen Richter und Richterinnen bei den Straf- und Beschwerdekammern einerseits und der Berufungskammer andererseits unterscheidet sich erheblich. Während bei den Straf- und Beschwerdekammern die Fallzahlen genügen, um eine ausreichende Anzahl von ordentlichen Richtern und Richterinnen einzusetzen, und nur ausnahmsweise auf nebenamtliche Richter oder Richterinnen zurückgegriffen werden muss, ist das Verhältnis von ordentlichen und nebenamtlichen Richtern und Richterinnen in der Berufungskammer umgekehrt. Es ist davon auszugehen, dass die Fallzahlen in der Berufungskammer tief sein werden.

Entsprechend ist eine Auslastung von mehreren ordentlichen Richtern und Richterinnen nicht möglich. Aus diesem Grund müssen in nahezu sämtlichen Berufungsfällen nebenamtliche Richter und Richterinnen eingesetzt werden. Zudem muss auf drei Verfahrenssprachen Rücksicht genommen werden. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Mitglieder der Berufungskammer nicht im gleichen Fall als Revisionsrichter und -richterinnen tätig sein können (Art. 21 Abs. 3 StPO).

Werden die zwei neuen Stellen mit den 16 bestehenden Vollzeitstellen für ordentliche Richter und Richterinnen addiert, könnten in Anwendung von Absatz 2 bis zu 9 nebenamtliche Richter und Richterinnen ernannt werden. Gegenwärtig sind für die Straf- und Beschwerdekammern höchstens drei nebenamtliche Richter und Richterinnen tätig (vgl. Art. 1 Bst. b der Verordnung vom 13. Dezember 2013 über die Richterstellen am Bundesstrafgericht). Würde die geltende Regelung beibehalten, wären mit sechs zusätzlichen nebenamtlichen Richtern
und Richterinnen die gesetzlichen Möglichkeiten bereits ausgeschöpft. Indessen reichen sechs neue nebenamtliche Richter und Richterinnen nicht aus, um die Aufgaben der Berufungskammer wahrzunehmen. Somit kann die Höchstzahl der nebenamtlichen Richter und Richterinnen der Berufungskammer nicht im Verhältnis zu den ordentlichen Richtern und Richterinnen angegeben werden, sondern sie ist in absoluten Zahlen im Gesetz auszuweisen (Abs. 2bis). Gleich wie bei den ordentlichen Richtern und Richterinnen ist im Gesetz die Höchstzahl der Stellen zu regeln. In der Verordnung vom 13. Dezember 2013 über die Richterstellen am Bundesstrafgericht wird die konkrete Anzahl der nebenamtlichen Richter und Richterinnen festgelegt, welche im gegenwärtigen Zeitpunkt benötigt werden (vgl. Ziff. 2.2.2).

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Art. 42 Abs. 1bis Die Vereinigte Bundesversammlung wählt die Mitglieder des Bundesstrafgerichts, wobei die Berufungsrichter und -richterinnen eigens in die Berufungskammer gewählt werden. Diese Lösung hat den Vorteil, dass die Berufungskammer ­ anders als die Straf- und Beschwerdekammern ­ nicht alle zwei Jahre vom Gesamtgericht neu besetzt werden muss, was aus verschiedenen Gründen problematisch sein könnte (Prestigegründe, Animositäten unter Richtern und Richterinnen zweier Instanzen, Kontinuität der Rechtsprechung oder Dauer des Präsidiums).

Zusätzlich wird die Möglichkeit geschaffen, dass Mitglieder der Beschwerdekammer in der Berufungskammer aushelfen (vgl. Erläuterungen zu Art. 55 Abs. 3). Es wird aber darauf verzichtet, diese Richter und Richterinnen durch die Vereinigte Bundesversammlung in die Berufungskammer wählen zu lassen. Möglicherweise würde eine solche Wahl diesen zwar mehr Legitimität verleihen. Demgegenüber wäre diese Lösung aber etwas umständlich. Zudem wird die Beschwerdekammer alle zwei Jahre vom Gesamtgericht neu bestellt, wobei in der Vergangenheit kaum Wechsel zu verzeichnen waren.

Art. 53 Abs. 2 Bst. e und f Die Berufungskammer muss nicht durch das Gesamtgericht bestellt werden, da die Mitglieder direkt in diese Kammer gewählt werden. Dies ist auch in Artikel 55 Absatz 1 zu berücksichtigen. Indessen wird die Wahl des Präsidenten oder der Präsidentin sowie des Vizepräsidenten oder der Vizepräsidentin der Berufungskammer dem Gesamtgericht überlassen (Bst. e). Mit Bezug auf die Straf- und Beschwerdekammern ergeben sich keine Änderungen.

Buchstabe f präzisiert, dass nur die nebenamtlichen Richter und Richterinnen der Straf- und Beschwerdekammern vom Gesamtgericht zugeteilt werden können, nicht aber diejenigen der Berufungskammer, da sie eigens in die Berufungskammer gewählt werden.

Art. 55 Abs. 1 und 3 Zu den Änderungen betreffend Absatz 1 vergleiche die Erläuterungen zu Artikel 53 Absatz 2 Buchstabe e.

Nur die Mitglieder der Straf- und Beschwerdekammern sind zur Mitwirkung in diesen Kammern verpflichtet (Abs. 3), nicht aber die Mitglieder der Berufungskammer. Darüber hinaus sollen Richter und Richterinnen der Beschwerdekammer in der Berufungskammer aushelfen. Damit soll die Abhängigkeit von nebenamtlichen Richtern und Richterinnen reduziert werden, wobei zu beachten ist,
dass die Richter und Richterinnen der Beschwerdekammer im gleichen Fall nicht vorbefasst sein dürfen (Art. 21 Abs. 2 und 56 Bst. b StPO), was ihre Verfügbarkeit schmälert. Nach Einschätzung des Bundesstrafgerichts sollen etwa drei Beschwerderichter und -richterinnen in der Berufungskammer aushelfen.

Damit sind im Einzelfall Aushilfen ­ wie heute zwischen Straf- und Beschwerdekammern üblich ­ weiterhin möglich. Die dreisprachige Strafkammer ist in ihrer

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aktuellen Grösse für die Behandlung von Fällen in französischer oder italienischer Sprache regelmässig auf solche Aushilfen angewiesen.

Art. 56

Kammervorsitz

Die Kammern sollen neu auch über Vizepräsidenten oder Vizepräsidentinnen verfügen, welche ebenfalls das Gesamtgericht wählt (Abs. 1). Daraus ergeben sich Anpassungen für den Fall einer Verhinderung (Abs. 2). Damit wird ein Anliegen der parlamentarischen Initiative der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates «Strafbehördenorganisationsgesetz. Änderung der Artikel 36 und 56» (12.426) aufgenommen, welcher von beiden Kommissionen für Rechtsfragen Folge gegeben wurde.

Die Führung und Arbeitsorganisation von Kammern mit bis zu neun Richtern und Richterinnen und ebenso vielen Gerichtsschreibern und Gerichtsschreiberinnen ist anspruchsvoll und zeitintensiv. Eine Führungstätigkeit des Kammerpräsidenten oder der Kammerpräsidentin, die über das bloss administrative Zuteilen und die Sicherstellung der Kohärenz innerhalb der Kammer hinausgeht, ist aber für eine beförderliche Erledigung der Geschäfte wesentlich. Das geltende Recht sieht als Stellvertretung den Richter oder die Richterin vor, der oder die an Dienst- oder Lebensjahren am ältesten ist. Die Regelung ist auf gelegentliche Aushilfe ausgerichtet und für eine permanente Stellvertretung und für eine Entlastung des Kammerpräsidenten oder der Kammerpräsidentin durch Delegation von Aufgaben wenig geeignet. In der Literatur wird denn auch bezweifelt, ob die geltende Stellvertreterregelung bei Überlastung zur Anwendung kommen kann.13 Weiter hat die geltende Stellvertreterregelung zur Folge, dass nicht immer diejenige Person bestimmt ist, die auch in besonderem Masse für eine derartige organisatorische Führungsfunktion geeignet ist. Die durch Zufall bestimmte Stellvertretung entspricht keiner sachgerechten Führungsstruktur.

Es ist daher zweckmässig, für eine Optimierung der organisatorischen und betrieblichen Arbeit in den Kammern dauerhafte Stellvertretungen zu schaffen. Die vorgeschlagene Regelung entspricht derjenigen für das Gesamtgericht (vgl. Art. 52 Abs. 4 StBOG).

Bundesgerichtsgesetz vom 17. Juni 2005 Art. 80 Abs. 1 Mit der Schaffung der Berufungskammer am Bundesstrafgericht besteht im Bund und in den Kantonen der gleiche Rechtsschutz, da auch in Fällen der Bundesgerichtsbarkeit das Prinzip der «double instance» gilt.

Art. 119a Die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts wird auch über Revisionen entscheiden. Somit entfällt diese Zuständigkeit des Bundesgerichts.

13

Vgl. Michel Féraud in: Niggli/Uebersax/Wiprächtiger (Hrsg.), Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 2. A., Basel 2011, N 4 zu Art. 19 BGG.

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Strafgesetzbuch Art. 374 Abs. 2 und 381 Bst. a In beiden Bestimmungen wird die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts eingefügt.

Strafprozessordnung Art. 59 Abs. 1 Bst. d Es wird präzisiert, dass es sich um den Ausstand des gesamten Berufungsgerichts eines Kantons handeln muss. Im Falle eines Ausstandsbegehrens gegen die gesamte Berufungskammer des Bundesstrafgerichts wird im StBOG eine separate Bestimmung vorgesehen (vgl. Art. 38c E-StBOG).

2.2

Verordnung der Bundesversammlung über die Änderung der Richterverordnung und der Verordnung über die Richterstellen am Bundesstrafgericht (Vorlage 2)

Die vorstehenden Änderungen des StBOG (vgl. Ziff. 2.1) bedingen Anpassungen in der Richterverordnung und in der Verordnung über die Richterstellen am Bundesstrafgericht. Da die Verordnungen der Bundesversammlung nicht dem Referendum unterliegen, werden die Verordnungsänderungen in einen separaten Entwurf (Mantelerlass) aufgenommen. Die Bundesversammlung hat die beiden Verordnungen gestützt auf die Delegationsnormen in den Artikeln 41 Absatz 3 und 46 Absatz 3 StBOG erlassen.

2.2.1

Richterverordnung vom 13. Dezember 2002

Vorbemerkung zur Lohnfrage Nach Artikel 5 Absatz 1 der Richterverordnung werden die Richter und Richterinnen in der Lohnklasse 33 nach Artikel 36 der Bundespersonalverordnung vom 3. Juli 200114 eingereiht. Diese Regelung gilt für die Richter und Richterinnen der Strafund Beschwerdekammern gleichermassen, dies obwohl die Beschwerdekammer teilweise als Beschwerdeinstanz gegen Entscheide der Strafkammer fungiert (vgl.

Ziff. 1.3.2) und in den Kantonen die Beschwerdeinstanz Teil des Kantons- oder Obergerichts bildet. Es scheint daher angezeigt, die Richter und Richterinnen der Berufungskammer gleich zu entlöhnen wie die übrigen Richter und Richterinnen des Bundesstrafgerichts. Die gleiche Einstufung hat zur Folge, dass die Richter und 14

SR 172.220.111.3

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Richterinnen der Berufungskammer nach Ablauf der sechsjährigen Amtsperiode in eine andere Kammer gewählt werden können, ohne dass sich dies lohnmässig auswirkt. Das Bundesstrafgericht, welches in die Vorarbeiten einbezogen wurde, hat gegen die Einreihung der Richter und Richterinnen der Berufungskammer in die Lohnklasse 33 keine Einwände erhoben.

Art. 3

Amtsdauer

Mit dem Inkrafttreten des StBOG wurde das Strafgerichtsgesetz vom 4. Oktober 200215 aufgehoben und das StBOG ist an dessen Stelle getreten. Diese Bestimmung wurde versehentlich bisher nicht angepasst.

Art. 6 Abs. 4 Gleichzeitig mit der Schaffung der Kammervizepräsidien am Bundesstrafgericht (vgl. Erläuterungen zu Art. 56 E-StBOG) ist die Entschädigung für diese Funktion zu regeln. Die Stellung der Vizepräsidenten und Vizepräsidentinnen der Kammern des Bundesstrafgerichts entspricht in etwa der Stellung der Kammerpräsidenten und Kammerpräsidentinnen des Bundesverwaltungsgerichts. Es rechtfertigt sich daher, die gleiche Entschädigung von 5000 Franken zu gewähren.

2.2.2

Art. 1

Verordnung der Bundesversammlung vom 13. Dezember 2013 über die Richterstellen am Bundesstrafgericht Stellen

Mit der Ausweitung der Spruchkompetenzen verbunden ist die Schaffung von neuen Richterstellen. Zur Bedarfsabklärung wurde das Bundesstrafgericht einbezogen. Es bestehen diesbezüglich zwei Möglichkeiten: Entweder wird zusätzlich ein ordentlicher Richter oder eine ordentliche Richterin im Vollzeitpensum oder es werden zwei ordentliche Richter oder Richterinnen im Teilzeitpensum gewählt (Bst. c). Die zweite Variante hat den Vorteil, dass die Abhängigkeit von nebenamtlichen Richtern und Richterinnen nicht ganz so hoch und die sprachliche Repräsentation bei den ordentlichen Richtern und Richterinnen besser gewährleistet ist. Weiter ergeben sich in organisatorischer Hinsicht weniger Schwierigkeiten (z. B. bei Verhinderungen).

Da in der Verordnung nur ganze Zahlen verwendet werden, wird die Zahl von zwei Richterstellen aufgenommen. So kann rasch auf die Entwicklung der Fallzahlen reagiert werden. Es besteht derzeit nicht die Absicht, diese Limite auszuschöpfen.

Für die Festsetzung der genauen Pensen der ersten ordentlichen Richter und Richterinnen der Berufungskammer und für eine allfällige spätere Erhöhung der Stellenprozente bis auf zwei Vollzeitstellen muss das Bundesstrafgericht der Gerichtskommission der Vereinigten Bundesversammlung ein Gesuch unterbreiten. Wird diesem entsprochen, schreibt die Gerichtskommission die Stellen aus. Das Bundesstrafge15

AS 2003 2133

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richt kann im Übrigen nicht eigenmächtig über eine allfällige Erhöhung der Arbeitspensen von bereits am Gericht tätigen Richtern und Richterinnen entscheiden. Es kann der Änderung eines Beschäftigungsgrades eines Richters oder einer Richterin nur dann zustimmen, wenn die Summe der Stellenprozente des Gerichts insgesamt nicht verändert wird (Art. 46 Abs. 2 StBOG).

Zusätzlich werden bis zu zehn nebenamtliche Richter und Richterinnen in die Berufungskammer gewählt (Bst. d). Die relativ hohe Zahl lässt sich damit begründen, dass in einem Fall mit Berufungs- und Revisionsverfahren sechs Richter und Richterinnen eingesetzt werden müssen. Berücksichtigt man die drei Amtssprachen, müssten theoretisch 18 Richter und Richterinnen zur Verfügung stehen. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen am Bundesstrafgericht ist nur mit wenigen Berufungs- und Revisionsverfahren zu rechnen (etwa 11 Berufungsverfahren mit etwa doppelt so vielen Beschuldigten). Trotz der Aushilfen aus der Beschwerdekammer (vgl. Erläuterungen zu Art. 55 E-StBOG) ist daher die Schaffung eines grossen Pools von nebenamtlichen Richtern und Richterinnen unumgänglich. Mit diesem soll nicht nur die Ausstandsproblematik umgangen, sondern auch die sprachliche Repräsentation gewährleistet werden. Ebenfalls soll damit auf die Verfügbarkeit der nebenamtlichen Richter und Richterinnen in ihren hauptberuflichen Tätigkeiten Rücksicht genommen werden. Hinsichtlich der Zahl der zu wählenden nebenamtlichen Richter und Richterinnen muss das Bundesstrafgericht bei der Gerichtskommission ebenfalls ein Gesuch stellen. Ob und in welchem Verfahren sie eingesetzt werden, entscheidet der Kammerpräsident oder die Kammerpräsidentin.

Demnach wird die Berufungskammer bis zu 15 Mitglieder umfassen, wobei von drei Aushilfen aus der Beschwerdekammer ausgegangen wird. Damit sollte die Berufungskammer ihre Aufgaben wahrnehmen können.

Für die Straf- und Beschwerdekammern ergeben sich keine materiellen Änderungen (Bst. a und b). Es wird lediglich präzisiert, dass die Zahlen für die Straf- und Beschwerdekammern gesamthaft gelten.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

3.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Die Taggelder, Stundenpauschalen und Vergütungen für Dienstreisen der nebenamtlichen Richter und Richterinnen werden nach den entsprechenden Bestimmungen für die nebenamtlichen Richter und Richterinnen des Bundesgerichts ausgerichtet. 16 Diese beziehen keinen Basislohn, sondern werden nach Aufwand entschädigt. Für die Teilnahme an Gerichtssitzungen erhalten sie ein Taggeld, das für Selbstständigerwerbende 1300 Franken, für die übrigen Richter und Richterinnen 1000 Franken beträgt. Der Zeitaufwand für Instruktion, Aktenstudium und schriftliche Be16

Verordnung der Bundesversammlung vom 13. Dezember 2013 über die Taggelder und Vergütungen der nebenamtlichen Richter und Richterinnen am Bundesstrafgericht, SR 173.713.152.

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richterstattung wird mit einer Stundenpauschale von 180 Franken für Selbstständigerwerbende bzw. 110 Franken für die übrigen nebenamtlichen Richter und Richterinnen entschädigt. Die Entschädigung für alle nebenamtlichen Richter und Richterinnen der Berufungskammer entspricht maximal dem Gehalt eines Vollzeitpensums eines ordentlichen Richters oder einer ordentlichen Richterin.

Mit der Einführung der Vizepräsidien in den drei Kammern des Bundesstrafgerichts sind jährliche Zulagen von gesamthaft 15 000 Franken verbunden.

Der Entwurf führt zudem zu einer Erhöhung der Personalkosten, welche im folgenden Abschnitt dargestellt werden. Für die neuen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stehen am Standort des Bundesstrafgerichts hinreichend Arbeitsplätze zur Verfügung. Ebenfalls kann der bestehende Gerichtssaal benutzt werden.

3.1.2

Personelle Auswirkungen

Der Entwurf hat Auswirkungen auf den Personalbestand am Bundesstrafgericht. Zur Bewältigung der neuen Aufgabe müssen folgende Stellen geschaffen werden: ­

150 Stellenprozente für Richter und Richterinnen: Den Entscheid über die Festsetzung der Stellenprozente trifft die Gerichtskommission (vgl. Ziff.

2.2.2).

­

200 Stellenprozente für Gerichtsschreiber und Gerichtsschreiberinnen: Sie wirken bei der Instruktion der Fälle und bei der Entscheidfindung mit. Weiter erarbeiten sie unter der Verantwortung eines Richters oder einer Richterin Referate und redigieren die Entscheide der Berufungskammer. Sie erfüllen weitere Aufgaben, die ihnen das Reglement überträgt (Art. 59 StBOG).

Da auf der bestehenden Infrastruktur und den bestehenden Personalressourcen aufgebaut werden kann, lässt sich der bei den Querschnittsfunktionen (Kanzlei, Informatik, Logistik und Sicherheit) anfallende Mehraufwand voraussichtlich intern kompensieren.

3.2

Auswirkungen auf die Kantone

Die Vorlage hat keine Auswirkungen auf die Kantone.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 27. Januar 201617 zur Legislaturplanung 2015­2019 nicht angekündigt.

17

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Sie wird in Erfüllung des Auftrages, welcher das Parlament dem Bundesrat im Zusammenhang mit der Rückweisung eines ersten Entwurfs erteilt hat (vgl.

Ziff. 1.1), dem Parlament unterbreitet.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Das StBOG stützt sich auf Artikel 123 Absatz 1 der Bundesverfassung18 (BV), der dem Bund die Zuständigkeit zur Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafrechts und des Strafprozessrechts zuspricht. Grundlagen bilden weiter die Artikel 173 Absatz 2 und 191a Absätze 1 und 3 BV. Der Entwurf zur Änderung des StBOG (Vorlage 1) ist somit verfassungskonform.

5.2

Erlassform

Die vorgeschlagenen Änderungen der Richterverordnung und der Verordnung der Bundesversammlung über die Richterstellen am Bundesstrafgericht (Vorlage 2) werden in einem Mantelerlass zusammengefasst. Dieser separate Erlass ist notwendig, weil Änderungen von Verordnungen der Bundesversammlung ­ anders als Änderungen von Bundesgesetzen ­ nicht dem Referendum unterstehen. In diesem Mantelerlass werden die im StBOG vorgenommenen Änderungen lediglich nachvollzogen.

5.3

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage untersteht nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV, da sie weder Subventionsbestimmungen noch die Grundlage für die Schaffung eines Verpflichtungskredits oder Zahlungsrahmens enthält.

18

SR 101

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