16.009 Aussenpolitischer Bericht 2015 vom 13. Januar 2016

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Wir unterbreiten Ihnen den Aussenpolitischen Bericht 2015 und ersuchen Sie, davon Kenntnis zu nehmen.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

13. Januar 2016

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Johann N. Schneider-Ammann Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Übersicht Der Aussenpolitische Bericht 2015 gibt einen Gesamtüberblick über die Schweizer Aussenpolitik im Berichtsjahr. Er richtet sich in seiner Form und Ausgestaltung nach dem Beschluss des Bundesrates von 2011, der das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) beauftragt, dem Bundesrat in einem Bericht die aussenpolitischen Aktivitäten der Schweiz im jeweiligen Kalenderjahr darzulegen. Entsprechend dem Postulat der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates (06.3417), das eine Zusammenfassung aller periodisch erscheinenden Berichte zur Aussenpolitik fordert, umfasst dieser Bericht einen Anhang zu den Aktivitäten der Schweiz im Europarat.

In Erfüllung der Motion 10.3212 («Klare strategische Ausrichtung der Aussenpolitik») verabschiedete der Bundesrat im Februar 2012 den Bericht über die aussenpolitischen Schwerpunkte der Legislatur (Aussenpolitische Strategie 2012­2015). Der Bericht legt die folgenden strategischen Stossrichtungen fest: Beziehungen zu den Nachbarstaaten, Beziehungen zur Europäischen Union (EU), Stabilität in Europa und der Welt, strategische Partnerschaften ausserhalb Europas und globale Gouvernanz. Der Aussenpolitische Bericht 2015 orientiert sich in seiner Struktur wesentlich an diesen strategischen Stossrichtungen und zeigt auf, in welcher Weise sie im Berichtsjahr umgesetzt worden sind. Er enthält zudem ein einleitendes Kapitel, das die Aussenpolitik der Schweiz im Berichtsjahr zusammenfassend würdigt, sowie als diesjähriges Schwerpunktthema ein Kapitel zum Engagement der Schweiz für die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht. Das Unterkapitel «Asien und Pazifik» erfüllt das Postulat 14.3263 Aeschi («Die Schweiz im asiatischen Zeitalter»).

2015 steht für ein Jahr, in dem sich Krisen und Konflikte gehäuft und ihre Intensität und negativen Effekte zugenommen haben. Diese Krisen und Konflikte sind keine «zufälligen», isolierten Ereignisse, sondern Ausdruck einer Transitionsphase. Sie sind Teil der weltpolitischen Realität und haben immer mehr auch direkte Auswirkungen auf die Schweiz. Zusammen mit der Suche nach tragfähigen Lösungen in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU stellte das Engagement für Frieden und Sicherheit deshalb auch im Berichtsjahr eine Priorität der Schweizer Aussenpolitik dar.

Einleitung Die Einleitung in den
vorliegenden Bericht gibt erstens einen Überblick über die wichtigsten aktuellen weltpolitischen Entwicklungslinien. Zweitens stellt sie die Beiträge der Schweizer Aussenpolitik zur Lösungssuche im Syrienkonflikt, zur Bewältigung der Flüchtlingskrise sowie zur Bekämpfung des Terrorismus respektive zur Prävention von gewaltsamem Extremismus dar. Drittens resümiert die Einleitung die Umsetzung der Aussenpolitischen Strategie 2012­2015.

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Schwerpunkt: Engagement der Schweiz für die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht Die Förderung und die Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts sind Pfeiler der schweizerischen Aussenpolitik. Die Schweiz hat sich seit den Anfängen des humanitären Völkerrechts aktiv für die Entwicklung des völkerrechtlichen Schutzrahmens eingesetzt. Heute besteht die zentrale Herausforderung darin, die effektive Respektierung der bestehenden Regeln, auf die sich die Staatengemeinschaft geeinigt hat, sicherzustellen. Es geht somit darum, die Kluft zwischen den Rechtsvorschriften und der Realität zu verringern. Obwohl in dieser Hinsicht in den vergangenen Jahrzehnten unbestrittenermassen Fortschritte erzielt wurden, bleibt viel zu tun.

Schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen werden in verschiedenen Weltregionen begangen. Diese Menschenrechtsverletzungen mancher Staaten in ihrem Hoheitsgebiet werden bisweilen durch eine scheinbare politische Stabilität oder einen gewissen wirtschaftlichen Wohlstand verdeckt, können jedoch unvermittelt zum Auslöser innerer Unruhen werden, die sodann zu einem bewaffneten Konflikt eskalieren können. Beispielsweise die Kriege in Syrien, im Irak und im Südsudan sind geprägt von Verletzungen des humanitären Völkerrechts in einem erschreckenden Ausmass, unter denen die Zivilbevölkerung leidet. Zivilpersonen sind besonders gefährdet, wenn die Kämpfe in dicht besiedelten Gebieten stattfinden und die Kombattanten sich unter die Bevölkerung mischen. Zudem wird die Zivilbevölkerung unter Verletzung des Völkerrechts regelmässig zur Zielscheibe gemacht. Diese wiederholten Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts sowie gewaltsame Zerstörungen veranlassen immer mehr Menschen zur Flucht. Der weltweite Bedarf an humanitärer Hilfe erreichte 2015 ein seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht gekanntes Ausmass.

Das Engagement der Schweiz für die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht berücksichtigt diese Realitäten und ist eng verbunden mit den anderen Zielen der schweizerischen Aussenpolitik. Es hat eine transversale Dimension, da es zur Stabilität, zur Sicherheit und zum Wohlstand der Schweiz und ihres internationalen Umfelds beiträgt. Das Völkerrecht ist das Rückgrat des Schweizer Engagements für die Menschenrechte und für das humanitäre
Völkerrecht. Die Schweiz betrachtet das Völkerrecht als wesentliches legitimierendes und strukturierendes Element der internationalen Beziehungen.

Das Schwerpunktkapitel beschreibt kurz die wichtigsten aktuellen Trends in Bezug auf die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht, nämlich die Beschleunigung globaler Entwicklungen, gerade im technologischen Bereich, die wachsende Bedeutung nichtstaatlicher Akteure, die Komplexität moderner bewaffneter Konflikte sowie die Versuchung der identitären Abschottung. In ihrem Engagement für die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht berücksichtigt die Schweiz diese Trends und Herausforderungen und stützt sich auf ihr besonderes Profil und ihre besonderen Stärken. Im Schwerpunktkapitel werden diverse laufende Projekte und Initiativen vorgestellt, die sich um die folgenden drei strategischen Achsen gruppieren: 1) Wahrung der Allgemeingültigkeit und Angemessenheit des normativen Rah-

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mens für den Schutz, 2) Verbesserung der Einhaltung der bestehenden Regeln, 3) Einbezug aller massgeblichen Akteure.

Nachbarstaaten Der Empfang des französischen Präsidenten und der deutschen Bundeskanzlerin im Rahmen offizieller Staatsbesuche sowie der häufige Austausch mit Italien, Liechtenstein und Österreich im Jahr 2015 zeugen von der Wichtigkeit und der Intensität der Beziehungen der Schweiz zu ihren Nachbarländern. Diese Treffen dienten namentlich dazu, die Umsetzung des neuen Verfassungsartikels 121a näher zu erläutern und bei den Partnern der Schweiz Unterstützung bei der Suche nach Lösungen im Bereich der Zuwanderung zu finden. Auf bilateraler Ebene fanden weitere Gespräche über Steuerfragen mit Italien und Frankreich statt, wobei mit Frankreich bedeutende Fortschritte bei den Steuerfragen im Dossier Flughafen Basel-Mulhouse erzielt werden konnten. Mit Italien konnte eine umfassende Einigung in Steuerfragen unterzeichnet werden. Auch die Frage der Grenzgängerbesteuerung mit Italien konnte Ende Jahr geregelt werden. Des Weiteren haben die Schweiz und Liechtenstein im Januar 2015 die Verhandlungen über ein neues Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen. Im Hinblick auf den OSZE-Vorsitz Österreichs 2017 tauschte die Schweiz Fachwissen mit Österreich aus. Zudem hat sie im Rahmen der OSZE eine verstärkte Zusammenarbeit mit ihren deutschsprachigen Nachbarn vereinbart.

Durch die Teilnahme der Schweiz an der Weltausstellung in Mailand wurde im vergangenen Jahr zudem die Zusammenarbeit mit Italien massgeblich gestärkt.

Europapolitik Im Zusammenhang mit der Umsetzung von Artikel 121a BV konzentrierten sich die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU auf die Suche nach einer Lösung für den freien Personenverkehr, die es der Schweiz erlaubt, die Einwanderung besser zu steuern und gleichzeitig den bilateralen Weg beizubehalten und auszubauen. Die im Februar mit der Europäischen Kommission aufgenommenen Konsultationen über den freien Personenverkehr intensivierten sich in der zweiten Jahreshälfte, die Schweizer Verhandlungsstruktur wurde verstärkt, und die Verhandlungen über die institutionellen Fragen wurden wieder aufgenommen. Im Dezember entschied der Bundesrat über die Grundzüge der Botschaft über die Umsetzung von Art. 121a BV.

Er bestätigte, weiterhin in erster Linie eine Einigung mit
der EU über die Personenfreizügigkeit anstreben zu wollen. Mit einer solchen Lösung könnten die Rechtssicherheit garantiert und die Errungenschaften des bilateralen Weges beibehalten werden. Sie würde auch eine Ausweitung des Abkommens über die Personenfreizügigkeit auf Kroatien ermöglichen, ohne die die Schweiz nach 2016 nicht mehr am Forschungsrahmenprogramm «Horizon 2020» teilnehmen kann. Sollte mit der EU keine Einigung erzielt werden können, wird der Bundesrat dem Parlament die einseitige Einführung einer Schutzklausel für die Staatsangehörigen der EU/EFTALänder vorschlagen.

Die beispiellose Zuwanderung von Asylsuchenden in Europa hat die EU dazu bewogen, ein gemeinsames Vorgehen beim Empfang und bei der Verteilung der Flüchtlinge zu erarbeiten. Die Schweiz unterstützte diese Anstrengungen finanziell und personell durch die Bereitstellung von Personal im Rahmen ihrer Mitwirkung an

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den Operationen der Agentur FRONTEX und ihrer Unterstützung an die Erstaufnahmeländer Italien und Griechenland. Sie beteiligte sich zudem am ersten Umverteilungsprogramm der EU und stimmte grundsätzlich einer Teilnahme an einem zweiten Programm zu.

Stabilität in Europa und der Welt 2015 war ein schwieriges Jahr für den Frieden und die Stabilität auf der Welt. Der anhaltende Syrienkonflikt und die weitere Expansion der extremistischen Organisation «Islamischer Staat» in den ersten Monaten des Jahres auf irakischem und syrischem Staatsgebiet bewogen Millionen von Menschen zur Flucht. Auch andere Konflikte in der südlichen und östlichen Nachbarschaft Europas blieben ungelöst und trafen die Zivilbevölkerung hart. Die Schweiz unterstützte unter anderem die Friedensbemühungen der UNO in Syrien, Jemen und Libyen und engagierte sich im Rahmen der OSZE für eine politische Lösung in der Ukrainekrise und die Überwindung der Krise der europäischen Sicherheit. Die Nachfrage nach guten Diensten und Schweizer Expertise in der zivilen Förderung von Frieden war gross. Die Schweiz engagierte sich zudem stark in der Prävention von gewaltsamem Extremismus. Weitere Prioritäten waren die Förderung der Menschenrechte und die Stärkung des humanitären Völkerrechts.

In denjenigen Gebieten, in denen die Not der betroffenen Menschen besonders gross war, namentlich im Nahen und Mittleren Osten sowie in den Krisengebieten in Subsahara-Afrika, verstärkte die Schweiz ihre humanitäre Hilfe. Nach einem diesbezüglichen Entscheid des Bundesrats im September 2015 konnte die Schweiz noch vor Winterausbruch 25 Millionen Franken für Betroffene in Syrien und den Nachbarstaaten, fünf Millionen Franken für die humanitäre Krise im Irak sowie 19 Millionen Franken für das Horn von Afrika verpflichten. Die Finanzdelegation des Parlaments hatte die Dringlichkeit dieser Massnahme unterstützt. Insgesamt wendete die Schweiz seit 2011 203 Millionen Franken für Hilfe vor Ort für die Opfer des Syrienkonflikts auf.

Die Schweiz begrüsste die Verabschiedung der Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung durch die UNO im September. Darin sind weltweit relevante Schwerpunkte für die nachhaltige Entwicklung in den nächsten fünfzehn Jahren festgelegt.

Die Schweiz hat sich intensiv an der Ausarbeitung dieser ehrgeizigen Agenda und an der Festlegung der
Hauptzielsetzungen in den Bereichen Frieden und Rechtsstaat, Wasser, Gesundheit und Geschlechtergleichstellung beteiligt. Sie hat zudem dazu beigetragen, dass in dieser neuen Agenda Ziele zu so wichtigen Themen wie Migration, Reduktion der Katastrophenrisiken, Nachhaltigkeit in der Produktion und im Verbrauch erankert wurden. Die Schweiz spielte eine Pionierrolle während der Verhandlungen über die Ausarbeitung eines Mechanismus zur Überprüfung der Umsetzung der Agenda auf internationaler Ebene.

Strategische Partnerschaften und globale Themen Das Tauwetter zwischen den USA und Kuba bedeutete für die Schweiz das Ende ihres Mandats der Interessenvertretung in Washington und in Havanna. Mit diesem Ereignis begann für Kuba eine neue Ära, die die Schweiz auch künftig zu begleiten

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bereit ist. Mit Mexiko wurde eine «Gemeinsame Erklärung» unterzeichnet, die eine vertiefte bilaterale Zusammenarbeit mit diesem wichtigen G-20-Land ermöglichen wird. Global gesehen stellt der wirtschaftliche und soziale Aufschwung der AsienPazifik-Region erhebliche Handels-, Investitions- und Austauschmöglichkeiten dar; diese positive Entwicklung äusserte sich im Abschluss der Verhandlungen über die Transpazifische Partnerschaft (TPP) im Oktober. In Bezug auf Asien hielten die Schweiz und China im März ein Treffen des bilateralen Menschenrechtsdialogs ab, und im selben Monat führte eine tripartite Delegation Gespräche in China über Arbeits- und Beschäftigungsfragen. Im August fand in der Schweiz die erste Sitzung des Gemischten Ausschusses des Freihandelsabkommens Schweiz-China statt.

China lud die Schweiz im Rahmen seiner G20-Präsidentschaft, die es seit dem 1. Dezember 2015 innehat, zur Teilnahme an den Treffen der Finanzminister und Zentralbankgouverneure der G20 ein. In Afrika sowie in der übrigen Welt setzte sich die Schweiz für zahlreiche globale Themen ein (Demokratie, Menschenrechte, Friedensförderung, Entwicklung usw.).

Im vergangenen Jahr wurde die Schweiz in zwei wichtige UNO-Gremien berufen: Menschenrechtsrat (2016­2018) und Vizepräsidentschaft des ECOSOC-Ausschusses (2016). Diese Verpflichtungen und die Bedeutung des internationalen Genf für die Schweiz stärken die Umsetzung der schweizerischen Aussenpolitik. Die Schweiz engagierte sich dafür, dass der Waffenhandelsvertrag (ATT) von allen Staaten ratifiziert wird, und half mit, die institutionellen und prozeduralen Grundlagen zu schaffen, um den ATT weltweit wirksam umzusetzen. Sie bewarb sich erfolgreich um das Sekretariat des ATT, das in Genf angesiedelt wird. Grosse Zustimmung fand im Juni im Parlament die Botschaft, die die Rolle des Gaststaats Schweiz festigen und nachhaltig weiterentwickeln soll, namentlich durch das internationale Genf. Es sind besonders eine Verbesserung der Gebäude- und Technologieinfrastruktur und die Förderung eines engeren Austauschs zwischen den verschiedenen nationalen und internationalen Akteuren vorgesehen.

Unterstützung von Schweizer Staatsangehörigen im Ausland und konsularische Dienstleistungen Für Schweizerinnen und Schweizer im Ausland stellt das Vertretungsnetz gemeinsam mit der Konsularischen
Direktion des EDA ein umfassendes Dienstleistungsangebot im Sinne eines «Guichet unique» zur Verfügung. Dieses beinhaltet Präventions- und Betreuungsmassnahmen und ergänzt sich mit dem KrisenmanagementZentrum. In Umsetzung des «Guichet unique»-Gedankens wurde auf den 1. Januar 2015 die Sektion Sozialhilfe für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer vom Bundesamt für Justiz in die Konsularische Direktion transferiert. Mit der neuen Sektion bietet die Konsularische Direktion die Unterstützung für Touristen wie auch für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer neu einheitlich unter eigener Federführung an. Dank der Integration zweier Organisationseinheiten (Sicherheit und Geodienste) leistet das Krisenmanagement-Zentrum des EDA seit dem 1. Januar 2015 noch umfassendere Dienste in den Bereichen Prävention, Vorsorge und Management von Krisen. Neben einem besonders sorgfältigen Monitoring in mehreren Regionen und Ländern liegt der Arbeitsschwerpunkt auf Vorsorgemassnahmen, unter anderem für den Fall von Problemen im Zusammenhang mit Gross-

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veranstaltungen. Zudem hat das Krisenmanagement-Zentrum anlässlich mehrerer Krisen die Schweizer Massnahmen koordiniert (z. B. Ebola-Epidemie, Erdbeben in Nepal, Absturz der Maschine von Germanwings, Terroranschläge, Unruhen in Afrika usw.).

Information und Kommunikation Bei der Landeskommunikation werden die Stärken der Schweiz in den Vordergrund gestellt. Der Auftritt der Schweiz an der Expo in Mailand («Den Planeten ernähren.

Energie für das Leben») bildete 2015 einen Schwerpunkt. Täglich besuchten im Schnitt 11 400 Personen den Schweizer Pavillon. Die mit Lebensmitteln beschränkter Quantität gefüllten Türme des Pavillons regten die Besucherinnen und Besucher zum Nachdenken über ihr Konsumverhalten an. Die Schweiz präsentierte sich Italien und der Welt als offenes und solidarisches Land, das sich seiner Verantwortung im Ernährungsbereich bewusst ist. Auch über viele weitere Kanäle wurden dem Zielpublikum die kommunikativen Kernbotschaften vermittelt. Neben der zunehmenden Präsenz in den sozialen Netzwerken wurden zahlreiche Auftritte organisiert, zum Beispiel an den «Rencontres de la Photographie» in Arles und am Karneval von Rio. Häufig wurden die Aktivitäten in enger Zusammenarbeit mit dem Aussennetz durchgeführt. So unterstützte das EDA unter dem Motto «An Idea born in Switzerland» den Weltumrundungsversuch des Solarflugzeugs «Solar Impulse». Mit Anlässen in den Ländern, in denen das Solarflugzeug zwischenlandete, wurde dabei auf Schweizer Innovationen im Energiebereich aufmerksam gemacht.

Ressourcen und Aussennetz Das Schweizer Aussennetz mit seinen derzeit 170 Vertretungen im Ausland wird regelmässig an die Bedürfnisse der Schweiz und an die internationale Lage angepasst. Aufgrund der Sparvorgaben hat der Bundesrat entschieden, die Schweizer Botschaft in Paraguay zu schliessen. Die Schweiz war 2015 erstmals Gastgeberin der Toronto-Gruppe, einer informellen Plattform hochrangiger Vertreterinnen und Vertreter der Aussenministerien von 30 Ländern sowie des Auswärtigen Dienstes der EU. Dieses Forum ermöglichte einen Gedankenaustausch über die Ressourcen und die Organisation der Aussenpolitik und namentlich über Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit dem Privatsektor und wissenschaftlichen Institutionen. Im Aussennetz hat sich die Kooperation mit Partnern von innerhalb (z. B. SBFI, Swissnex)
wie von ausserhalb der Bundesverwaltung (z. B. «Switzerland Global Enterprise» zur Stärkung der «Swiss Business Hubs» in den Schweizer Vertretungen oder Pro Helvetia mit ihren Aussenstellen und kulturellen Austauschprogrammen) weiter intensiviert, mit dem Ziel, vermehrt Synergien zu nutzen. Zudem wurden im Berichtsjahr mehrere Projekte geprüft, die eine gemeinsame Nutzung von Gebäuden durch die diplomatischen oder konsularischen Dienste verschiedener Länder vorsehen.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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Schweizer Aussenpolitik 2015: Würdigung und Ausblick 1.1 Weltpolitische Entwicklungslinien 1.1.1 Verstärkte Rückwirkungen von Krisen im regionalen Umfeld auf Europa 1.1.2 Krisenbewältigung in einer multipolaren Welt 1.1.3 Fortschritte in der Gestaltung der Globalisierung: Agenda 2030 und Klimaabkommen 1.2 Der Syrienkonflikt und seine Folgewirkungen im Fokus der Schweizer Aussenpolitik 1.2.1 Komplexe Herausforderungen ­ stark geforderte Aussenpolitik 1.2.2 Beitrag zur Bewältigung der Flüchtlingskrise 1.2.3 Beitrag im Kampf gegen den Terrorismus 1.2.4 Beitrag an die Lösungssuche im Syrienkonflikt 1.3 Umsetzung der Aussenpolitischen Strategie 2012­2015 1.3.1 Vertiefte und lösungsorientierte Beziehungen zu den Nachbarn 1.3.2 Intensive Lösungssuche mit der EU 1.3.3 Umfassendes Engagement für Entwicklung, Frieden und Völkerrecht 1.3.4 Förderung des internationalen Genf und der globalen Gouvernanz Schwerpunktkapitel: Engagement der Schweiz für die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht 2.1 Einleitung 2.2 Das Fundament des Schweizer Engagements 2.2.1 Geschichtliche Wurzeln 2.2.2 Im Dienst des Friedens, der Sicherheit und des Wohlstands 2.2.3 Das Völkerrecht als Rückgrat des schweizerischen Engagements 2.2.4 Die Stärken der Schweiz 2.3 Herausforderungen und aktuelle Trends 2.3.1 Beschleunigte Entwicklung und rascher technologischer Wandel 2.3.2 Wachsende Bedeutung der nichtstaatlichen Akteure 2.3.3 Komplexität moderner bewaffneter Konflikte 2.3.4 Versuchung der identitären Abschottung 2.4 Schwerpunkte des Engagements der Schweiz 2.4.1 Die Allgemeingültigkeit und Angemessenheit des normativen Rahmens für den Schutz wahren

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2.4.2 2.4.3 3

Die Einhaltung der bestehenden Regeln verbessern Alle massgeblichen Akteure einbeziehen

Aussenpolitische Aktivitäten der Schweiz im Berichtsjahr 3.1 Nachbarstaaten 3.2 Europapolitik 3.2.1 Europäische Union 3.2.2 Beziehungen zu den Staaten Europas, des Kaukasus und Zentralasiens 3.3 Stabilität in Europa und der Welt 3.3.1 OSZE 3.3.2 Europarat 3.3.3 Internationale Sicherheit 3.3.4 Internationale Zusammenarbeit 3.3.5 Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit 3.3.6 Völkerrecht, humanitäres Völkerrecht, internationale Strafgerichtsbarkeit und Terrorismusbekämpfung 3.4 Strategische Partnerschaften und globale Themen 3.4.1 Bilaterale Beziehungen zu aussereuropäischen Staaten und Regionalorganisationen 3.4.2 UNO und internationales Genf 3.4.3 Nachhaltige Entwicklung 3.4.4 Sektorielle Aussenpolitiken 3.5 Unterstützung von Schweizer Staatsangehörigen im Ausland und konsularische Dienstleistungen 3.6 Information und Kommunikation 3.7 Ressourcen und Aussennetz

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Abkürzungsverzeichnis

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Anhang: Ergänzende Angaben zum Europarat

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Bericht 1

Schweizer Aussenpolitik 2015: Würdigung und Ausblick

1.1

Weltpolitische Entwicklungslinien

1.1.1

Verstärkte Rückwirkungen von Krisen im regionalen Umfeld auf Europa

Im Jahr 2015 setzten sich die krisenhaften Entwicklungen im regionalen Umfeld Europas und der Schweiz fort. In der südlichen Nachbarschaft Europas nahm die Instabilität weiter zu. Mehrere arabische Staaten waren im Berichtsjahr durch Gewaltkonflikte geprägt. Im Osten Europas konnte in der Ukrainekrise im Februar zwar eine Deeskalation der militärischen Lage eingeleitet werden. Der Waffenstillstand und der Friedensprozess bleiben aber fragil. Weder in der Ukrainekrise noch in der Krise der europäischen Sicherheit zeichnet sich eine baldige Lösung ab.

Bewaffnete Gewalt nimmt weiterhin stark zu. Seit 2008 hat sich die Zahl der Opfer von Gewaltkonflikten Schätzungen zufolge mehr als verdreifacht. 2014 forderten Gewaltkonflikte etwa 180 000 Menschenleben. Über 60 Millionen Menschen sind heute auf der Flucht ­ ein Höchststand seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Das humanitäre internationale System stösst zunehmend an seine Grenzen.

Besonders besorgniserregend ist die Lage in verschiedenen Teilen des Nahen und Mittleren Ostens. Der Gewaltkonflikt in Syrien hat nach Angaben der UNO mittlerweile mehr als 250 000 Opfer gefordert. Allein im Jahr 2015 haben mehr als eine Million Syrerinnen und Syrer das Land verlassen. Insgesamt sind in der Region um Syrien etwa 4,3 Millionen Menschen als syrische Flüchtlinge registriert, über die Hälfte davon Kinder. Zwischen 2011 und November 2015 haben gegen 800 000 Syrerinnen und Syrer ein Asylgesuch in Europa gestellt. Alleine in den ersten drei Quartalen 2015 erreichten rund 380 000 Menschen aus diesem Land Europa. In Syrien selbst benötigen 13,5 Millionen Menschen humanitäre Hilfe, 6,5 Millionen davon gelten als intern Vertriebene.

Auch in Libyen und Jemen halten Gewaltkonflikte an, die wie im Fall Syriens im Nachgang zum sogenannten Arabischen Frühling entstanden sind. Im Irak sind 2015 über 2100 Zivilisten durch bewaffnete Gewalt getötet worden, zudem zählt das Land 3,5 Millionen Vertriebene. Von Januar bis Oktober 2015 stellten 43 500 Irakerinnen und Iraker ein Asylgesuch in Europa. Der Irak und Jemen gehören zusammen mit Syrien und dem Südsudan zu denjenigen vier Staaten, für welche die UNO 2015 die höchste Nothilfestufe festsetzen musste. Im jahrzehntealten israelisch-palästinensischen Konflikt wiederum sind keine Fortschritte in Richtung einer verhandelten
Zweitstaatenlösung auszumachen, und das Risiko einer neuerlichen Gewalteskalation wächst.

Die Gemengelage von anhaltenden Gewaltkonflikten, fragiler Staatlichkeit, korrupter Regierungsführung und mangelnden wirtschaftlichen Perspektiven hat den Nährboden für eine Ausbreitung des dschihadistischen Terrorismus im südlichen Krisen602

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bogen um Europa bereitet. 2015 stand dabei der sogenannte Islamische Staat (IS) im Fokus. Dessen religiös und machtpolitisch inspiriertes Staatsbildungsprojekt über die syrisch-irakische Grenze hinweg stösst zwar in der internationalen Staatengemeinschaft auf wachsenden Widerstand. Eine Erosion der Machtbasis dieser mit äusserster Brutalität agierenden Terrormiliz liess sich im Berichtsjahr aber noch kaum erkennen.

Vielmehr muss eine Ausweitung des Aktionsradius von IS festgestellt werden, und die Anziehungskraft des IS für ausländische Kämpfer scheint ungebrochen. Im regionalen Umfeld verübte die Terrororganisation Anschläge mit vielen Opfern, unter anderem in Ägypten, Libyen, Tunesien, Jemen und im Libanon. In Libyen und anderswo versucht sie zudem, neue Operationsbasen aufzubauen. Ähnlich wie zum Beispiel Boko Haram in Westafrika, Al-Shabaab am Horn von Afrika und die Taliban in Afghanistan und Pakistan wird der IS immer mehr zu einer pan-regionalen Bedrohung von Nordafrika bis Südwestasien.

Aber auch Europa ist 2015 zum Anschlagsziel des dschihadistischen Terrorismus geworden. Nach den Anschlägen in Paris vom Januar, in Kopenhagen einen Monat später und dem vereitelten Anschlag in einem Hochgeschwindigkeitszug im August hat die terroristische Bedrohung mit den koordinierten Anschlägen in Paris im November eine neue Dimension erreicht. Der IS hat sich im Verlauf des Jahres zu einer global agierenden Terrororganisation weiterentwickelt, die sowohl den «nahen» als auch den «fernen» (überwiegend westlichen) Feind bekämpft. Tatsache ist, dass die Bedrohung durch den Terrorismus für die offenen Gesellschaften Europas zugenommen hat. Massnahmen wie die tagelange starke Einschränkung des öffentlichen Lebens in Brüssel im Zuge einer Terrorwarnung haben vor Augen geführt, wie sich das im Alltag niederschlagen kann.

Dass die Sicherheit im Mittelmeerraum und die Sicherheit Europas eng miteinander verknüpft sind, hielt bereits die KSZE-Schlussakte von Helsinki vor etwas mehr als vierzig Jahren fest. Noch selten zeigte sich diese gegenseitige Abhängigkeit aber so deutlich wie im Berichtsjahr. Die wachsende Instabilität in der südlichen Nachbarschaft manifestierte sich in Europa dabei nicht nur in Form des dschihadistischen Terrorismus. Auch die ausserordentlich stark erhöhte Migration Richtung Europa
lässt sich wesentlich auf abnehmende Stabilität und zunehmende Perspektivenlosigkeit im südlichen Krisenbogen zurückführen. Die Süd-Nord-Migration folgte zu Beginn des Jahres den Entwicklungen von 2014 mit einer hohen Zahl von Anlandungen in Italien via die zentrale Mittelmeerroute. Ab Mitte 2015 wurde die östliche Mittelmeerroute und in der Folge die Westbalkanroute aber deutlich mehr genutzt.

Hunderttausende Flüchtlinge und Migrantinnen und Migranten versuchten über die Türkei und den Balkan nach Europa zu gelangen. Die überwiegende Mehrheit dieser Menschen floh vor Krieg und Gewalt.

Auch bei der Flüchtlingskrise sind in erster Linie die Staaten südlich und östlich des Mittelmeers betroffen. Bei der Aufnahme von Flüchtlingen tragen sie die Hauptlast.

Aber auch Europa sieht sich angesichts der in diesem Ausmass nicht vorhersehbaren Migration mit enormen Herausforderungen konfrontiert. Das Ringen um eine solidarische Verteilung der Flüchtlinge und Migranten, eine verstärkte Überwachung der Schengen-Aussengrenzen und die Zukunft des Schengen- und des Dublin-Systems stellen die Europäische Union vor eine grosse Belastungsprobe.

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Der erhöhte Zustrom von Flüchtlingen trifft Europa dabei zu einem Zeitpunkt, in dem die EU bereits mit einer Reihe weiterer Herausforderungen stark gefordert ist.

Sowohl die Schulden- und Eurokrise im Innern als auch viele Krisenherde in der Nachbarschaft harren einer Lösung. Die politische Fragmentierung in Europa hat zugenommen, der Ausgang des britischen Referendums über den Verbleib in der EU bleibt ungewiss.

Allerdings hat die EU im Laufe der europäischen Einigung auch eine gewisse Krisenresilienz entwickelt. Krisen vermochte sie immer wieder zu bewältigen. Die zahlreichen ausserordentlichen Minister- und Gipfeltreffen in Brüssel im Berichtsjahr zeugen nicht nur von einer hohen Zahl und Komplexität derzeitiger Herausforderungen, sondern auch von einem anhaltenden Willen zum gemeinsamen Handeln.

Trotz aller Schwierigkeiten bleibt die EU der zentrale Anker von Stabilität und Wohlstand in Europa. Eine handlungsfähige EU ist dabei auch im Interesse der Schweiz. Die weitere Entwicklung der EU im Kontext der aktuellen Herausforderungen ist zwar offener denn je. Weitere Vertiefungsschritte sind ebenso denkbar wie flexiblere und differenzierte Integrationsmodelle. Klar ist jedoch, dass der Verbleib Grossbritanniens in der EU für Brüssel und viele Mitgliedstaaten eine Priorität darstellen wird.

1.1.2

Krisenbewältigung in einer multipolaren Welt

Wie schon 2014 stand auch das Berichtsjahr im Zeichen der Krisendiplomatie. Im weltpolitischen Fokus stand dabei zunehmend der Syrienkonflikt. Die intensivierten Bemühungen um eine politische Lösung des Konflikts lassen sich nicht zuletzt auf dessen verstärkte Rückwirkungen auf Europa zurückführen.

Gerade in Bezug auf Syrien zeigte sich dabei auch, wie anspruchsvoll und komplex Krisendiplomatie sein kann in einer Welt, die geprägt ist vom Aufstieg neuer Mächte, einer verstärkten Rückbesinnung auf Machtpolitik, einer Infragestellung von etablierten Ordnungen und Normen, einem globalen Führungsdefizit und einer Proliferation von nichtstaatlichen Gewaltakteuren.

Der Syrienkonflikt ist vieles in einem: ein Bürgerkrieg mit einer zersplitterten Opposition, ein geopolitisch, konfessionell und teilweise ethnisch geprägter Stellvertreterkrieg von Regionalmächten und ein Zankapfel von Grossmächten. Die Inhalte einer Friedenslösung für Syrien haben auch Rückwirkungen auf eine Neuordnung der Region.

Vor diesem Hintergrund ist die 2015 neu formierte Internationale Unterstützungsgruppe für Syrien, die alle relevanten regionalen und globalen Akteure zusammenbringt, als wichtiger Fortschritt zu werten. Die Erfolgschancen des von der UNO fazilitierten innersyrischen Verhandlungsprozesses, der gemäss Resolution 2254 des UNO-Sicherheitsrats vom 18. Dezember Anfang 2016 beginnen soll, werden unter anderem davon abhängen, ob die Schlüsselakteure im Syrienprozess ein gemeinsames Verständnis über die Zukunft von Präsident al-Assad entwickeln können. Abzuwarten bleibt zudem, ob es gelingen wird, ein umfassendes internationales Mandat

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gegen den IS zu schaffen, oder ob die militärische Bekämpfung des IS weiterhin mehreren Koalitionen mit rivalisierenden Interessen übertragen bleibt.

In der Ukrainekrise ist die Diplomatie im Vergleich zu Syrien wesentlich weiter. Mit dem «Normandie-Format» (Ukraine, Russland, Deutschland, Frankreich) sowie der 2014 unter Schweizer OSZE-Vorsitz eingesetzten «Trilateralen Kontaktgruppe» (Ukraine-Russland, OSZE) und der Special Monitoring Mission (SMM) besteht ein institutioneller Rahmen zur Krisenbewältigung. Auf der Basis des Minsker Massnahmenpakets vom Februar 2015 liess sich ab dem Sommer eine Deeskalation der Lage erzielen. Allerdings blieb der Waffenstillstand bis zum Jahresende fragil und verlief der politische Prozess langsamer als ursprünglich angedacht. Eine vollständige Umsetzung der Minsker Vereinbarungen wird von allen Seiten mehr politischen Willen und weitere Konzessionen erfordern.

Die Herausforderungen in der Ukrainekrise bleiben gross. Die Gespräche zwischen Kiew, Moskau und Brüssel über den ab 2016 gültigen Freihandel zwischen der Ukraine und der EU führten im Berichtsjahr zu keiner Einigung. Auch in der Frage nach dem künftigen sicherheitspolitischen Status der Ukraine (und weiterer postsowjetischer Staaten in der gemeinsamen Nachbarschaft der NATO und Russlands) zeichnet sich kein Konsens ab. Die Spannungen zwischen der Ukraine und Russland halten an, auch was die Zukunft der unter Bruch des Völkerrechts annektierten Krimhalbinsel angeht. Gleichzeitig ist die Situation in der Ukraine durch anhaltenden Reformdruck, finanzielle Schwierigkeiten und innenpolitische Polarisierung gekennzeichnet.

Auch die Krise der paneuropäischen Friedensordnung wird nur mittel- und langfristig zu überwinden sein. Der Mangel an Vertrauen zwischen Russland und dem Westen und die gravierenden Verletzungen der Helsinki-Prinzipien im Zuge der Ukrainekrise sind zu einer schweren Hypothek für die europäische Sicherheit geworden. Positiv zu werten ist, dass sich Russland und der Westen trotz dieser Differenzen bereit zeigen, in Bereichen von gemeinsamem Interesse zu kooperieren.

Die weiteren Wechselwirkungen zwischen der Ukraine- und der Syrienkrise bleiben dabei abzuwarten.

Dass Krisendiplomatie mit Geduld und Beharrlichkeit auch im heutigen polarisierten Umfeld Lösungen herbeiführen kann, zeigt die
Einigung im Streit um das iranische Nuklearprogramm im Juli 2015. Zehn Jahre nach den ersten Verhandlungen über dieses Programm verabschiedeten die UNO-Vetomächte sowie Deutschland und die EU mit dem Iran ein Abkommen, das gleichsam einen Meilenstein in den Bemühungen um nukleare Nonproliferation darstellt und neue Perspektiven für die regionale Sicherheit im Nahen und Mittleren Osten eröffnet.

Dennoch muss für das Berichtsjahr insgesamt konstatiert werden, dass Spannungen und Interessendivergenzen zwischen Grossmächten einer nachhaltigen Bewältigung von Krisen immer wieder im Wege standen. Dies zeigte sich auch darin, dass sich der UNO-Sicherheitsrat zwar in verschiedenen Dossiers auf wichtige Massnahmen einigen konnte, beispielsweise im Zusammenhang mit den friedenssichernden Missionen der UNO in Subsahara-Afrika oder zur Rolle von Frauen in Konflikten im Rahmen des 15-Jahre-Jubiläums der Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit. In weltpolitischen Brennpunkten wie in der Ukraine und in Syrien blieb

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er jedoch gespalten und wenig handlungsfähig, wobei zu hoffen bleibt, dass im Falle Syriens die erwähnte Resolution 2254, in der sich der Sicherheitsrat erstmals auf einen politischen Weg zur Konfliktlösung verständigen konnte, einen Wendepunkt darstellen wird.

1.1.3

Fortschritte in der Gestaltung der Globalisierung: Agenda 2030 und Klimaabkommen

Trotz der starken Beanspruchung durch Krisendiplomatie bleibt es eine zentrale Aufgabe der Aussenpolitik, auch kooperative Antworten auf die globalen Herausforderungen zu finden. Auch diese langfristiger ausgerichtete aussenpolitische Aufgabe ist anspruchsvoll in einer multipolaren Welt. Zeugnis davon lieferte etwa die im Berichtsjahr gescheiterte Überprüfungskonferenz des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen. Fortschritte in den multilateralen Bemühungen um Abrüstung und Nonproliferation sind derzeit nur schwer zu erzielen.

Dennoch liessen sich 2015 in der Gestaltung der Globalisierung wichtige Fortschritte erzielen. Im Zentrum stand dabei die Verabschiedung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung im Rahmen eines UNO-Gipfeltreffens in New York. Nach drei Jahren Vorbereitungs- und Verhandlungsprozess einigten sich die Staats- und Regierungschef auf einen zukunftsweisenden globalen Rahmen für nachhaltige Entwicklung. Mit ihrer universellen Gültigkeit und ihrem umfassenden Ansatz, der die drei Dimensionen Soziales, Wirtschaft und Umwelt integriert, stellt die auf siebzehn Ziele ausgerichtete Agenda 2030 einen bedeutenden Paradigmenwechsel dar. Ihre Bedeutung liegt auch darin, dass sie den Wechselwirkungen zwischen Entwicklung und Frieden Rechnung trägt, nichtstaatliche Akteure gebührend berücksichtigt und auf einem innovativen Finanzierungskonzept beruht.

In den letzten Jahren waren in der Armutsbekämpfung wichtige Erfolge zu verzeichnen. So verringerte sich die Anzahl Personen, die in extremer Armut leben, von 43 Prozent im Jahr 1990 auf 14 Prozent im Berichtsjahr. Im Rahmen der Millenniumsziele hat sich die Zahl der Kinder, die keine Schule besuchen, fast halbiert.

Auch im Gesundheitsbereich gab es teilweise erhebliche Fortschritte, etwa im Kampf gegen die Tuberkulose oder in der Verringerung der Kindersterblichkeit. Die Agenda 2030 stellt eine vielversprechende Basis dar, um die extreme Armut weiter zu reduzieren und eine nachhaltige Entwicklung sicherzustellen.

Auch in der internationalen Klimapolitik wurden 2015 Fortschritte erzielt. Nach jahrelangen Vorarbeiten einigten sich 195 Vertragsstaaten an der Klimakonferenz in Paris im Dezember auf ein neues Klimaregime für die Zeit nach 2020. Erstmals liessen sich dabei alle Staaten zu Reduktionszielen für Treibhausgasemissionen
bewegen. Auch wenn diese Ziele rechtlich nicht bindend sind und auch wenn weitergehende Massnahmen unabdingbar sein werden, um das gemeinsame Ziel einer Beschränkung der Klimaerwärmung auf deutlich weniger als 2 Grad Celsius zu erreichen, birgt das Abkommen von Paris für den Klimaschutz doch wichtige neue Perspektiven.

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1.2

Der Syrienkonflikt und seine Folgewirkungen im Fokus der Schweizer Aussenpolitik

1.2.1

Komplexe Herausforderungen ­ stark geforderte Aussenpolitik

Die krisenhaften internationalen Entwicklungen betreffen auch die Schweiz. Als stark globalisiertes Land mit einer exportorientierten Wirtschaft ist die Schweiz für ihre Sicherheit und ihren Wohlstand auf ein stabiles Umfeld und eine tragfähige und gerechte internationale Ordnung angewiesen. Dabei vermochte die Schweiz in den letzten Jahren immer wieder zu zeigen, dass sie auf der Basis ihrer eigenständigen und mitgestaltenden Aussenpolitik nützliche Beiträge zur Krisenbewältigung und zur Entwicklung gemeinsamer Antworten auf globale Herausforderungen machen kann. Gerade in Zeiten der Unsicherheit und Krisen ist es im Interesse der Schweiz, mit einem umfassenden und kreativen Engagement ihr Umfeld mitzugestalten und sicherer zu machen.

In der multipolaren Welt, die am Entstehen ist, gehört die Schweiz nicht zu einem der Machtzentren. Sie ist ein europäisches Land, das europäische Werte vertritt.

Doch die Aussenpolitik der Schweiz ist eigenständig. Diese aussenpolitische Unabhängigkeit ist in der heutigen Welt anspruchsvoll, sie birgt aber auch Chancen. Dank ihr kann die Schweiz Brücken bauen, wo andere blockiert sind, mit vielfältigen Partnern zusammenarbeiten und eigene Initiativen entwickeln. Das der Universalität verpflichtete Aussennetz der Schweiz mit weltweit über 170 Vertretungen bildet eine gute Basis dafür.

Die besondere Rolle der Schweiz in der Aussenpolitik ist dadurch geprägt, dass die Schweiz keinem Block angehört, keine koloniale Vergangenheit hat und als glaubwürdig und zuverlässig wahrgenommen wird. Dabei ist die Schweiz kein Kleinstaat, sondern eine mittelgrosse Macht, die durchaus etwas bewegen kann. Sie gehört zu den zwanzig grössten Volkswirtschaften der Welt und liegt in Europa auf Rang sieben. Sie ist zum Beispiel führend in Sachen Innovation, nicht nur in der Technologie und der Wirtschaft, sondern auch in der Aussenpolitik.

Im Berichtsjahr war auch die Schweiz aussenpolitisch an vielen Stellen gefordert.

Im Zentrum standen dabei ihr Engagement für Frieden und Sicherheit sowie die Gestaltung der Beziehungen zur EU. Nachfolgend werden die hauptsächlichen Entwicklungslinien der Schweizer Aussenpolitik gemäss den Achsen der Aussenpolitischen Strategie des Bundesrats für die Jahre 2012­20151 dargelegt.

Zunächst soll aber gezeigt werden, welche Beiträge die Schweiz an die
Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Syrienkonflikt und dessen Rückwirkungen auf Europa und unser Land leistet. Auch für die Schweiz wurde dieser Themenkomplex im Laufe des Berichtsjahrs zunehmend zentral. Sowohl bei der Flüchtlingskrise als auch der Terrorbedrohung handelt es sich dabei um vielschichtige Herausforderungen, die nur im Zusammenspiel von innen- und aussenpolitischen Massnahmen und nur im internationalen Verbund wirksam angegangen werden können. Einfache und rasche Lösungen gibt es in beiden Fällen nicht, 1

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genauso wenig wie für eine politische Lösung des Syrienkonflikts. Umso bemühter war die Schweizer Aussenpolitik, zur Problembewältigung in diesen drei Themenfeldern mit umfassenden und teilweise innovativen Massnahmen beizutragen.

1.2.2

Beitrag zur Bewältigung der Flüchtlingskrise

Bei der Flüchtlingskrise handelt es sich um eine vielschichtige Herausforderung, deren Zeitpunkt und Grössenordnung kaum antizipierbar waren und deren weitere Entwicklung nur schwer absehbar ist. Innerhalb dieser schwierigen Rahmenbedingungen reagierte die Schweizer Aussenpolitik rasch und umfassend, wobei sie sowohl bei den Symptomen als auch bei den Ursachen ansetzte. Der Leitgedanke der aussenpolitischen Antwort der Schweiz ist dabei die Kooperation. Im Verbund und mit langem Atem wird die Flüchtlingskrise am besten zu bewältigen sein.

Die aussenpolitische Antwort der Schweiz lässt sich in vier Bereiche unterteilen.

Erstens beteiligt sie sich an den Bemühungen um eine bessere und gemeinschaftliche Steuerung der Migration Richtung Europa auf der Basis von Solidarität und gemeinsamer Verantwortung. So nimmt die Schweiz am «Resettlement»-Programm der EU teil, wobei sie 519 Schutzbedürftige direkt aus Syrien und der Region aufnimmt. Dies wird im Rahmen des Entscheids des Bundesrats vom 6. März 2015 umgesetzt, wonach die Schweiz 3000 schutzbedürftige Opfern des Syrienkonflikts Zuflucht bietet. Zudem entschied der Bundesrat am 18. September 2015, dass die Schweiz am ersten EU-Umverteilungsprogramm («Relocation») für schutzbedürftige Personen teilnimmt und bis zu 1500 registrierte Asylsuchende von Griechenland und Italien übernimmt. Eine Teilnahme am zweiten Umverteilungsprogramm wurde im Grundsatz beschlossen, unter Voraussetzung einer Rücksprache mit den Kantonen.

Die Wirksamkeit einer kooperativen europäischen Migrationsgouvernanz hängt davon ab, dass die Dublin- und Schengen-Vereinbarungen eingehalten und wo nötig angepasst sowie die europäischen Aussengrenzen besser kontrolliert werden. Die Schweiz unterstützt deshalb Staaten an den Schengen-Aussengrenzen in deren Bemühungen, bei der Erstaufnahme ihren Verpflichtungen nachzukommen. Sie beteiligt sich an Aufnahme- und Registrierungszentren («Hotspots»), die von der Grenzschutzagentur Frontex, dem Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO), der Einheit für justizielle Zusammenarbeit der EU und der europäischen Polizeiagentur Europol unterstützt werden.

Zweitens sprach der Bundesrat im September 2015 weitere humanitäre Hilfe, um die Not von Schutzbedürftigen in den Krisenregionen zu mindern, was auch den Druck für eine Migration nach
Europa verringert. Noch vor Winterausbruch konnte die Schweiz 25 Millionen Franken für Betroffene in Syrien und den Nachbarstaaten, fünf Millionen Franken für die humanitäre Krise im Irak sowie 19 Millionen Franken für das Horn von Afrika verpflichten. Die Finanzdelegation des Parlaments hatte die Dringlichkeit dieser Massnahme unterstützt. Insgesamt wendete die Schweiz seit 2011 203 Millionen Franken für Hilfe vor Ort für die Opfer des Syrienkonflikts auf.

Für 2016 wurden weitere 20 Millionen Franken gesprochen, sieben Millionen davon für den Syrienkonflikt.

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Die Schweiz warb ferner für eine grössere finanzielle Unterstützung der angesichts der enormen Bedürfnisse stark unterfinanzierten internationalen humanitären Organisationen. Zudem führte sie mit Syrien und Iran den trilateralen humanitären Dialog fort, der auf einen besseren Zugang humanitärer Akteure zu den Schutzbedürftigen im Syrienkonflikt zielt.

Drittens hat die Schweiz ihr migrationsaussenpolitisches Engagement intensiviert.

Im Rahmen der Migrationsaussenpolitik beteiligt sie sich an Dialogprozessen, in denen die betroffenen Staaten gemeinsam Strategien und Massnahmen entwickeln, so etwa am Khartum-Prozess für das Horn von Afrika und am europäisch-afrikanischen Rabat-Prozess. Am europäisch-afrikanischen Migrationsgipfel in Malta am 12. November 2015 kündigte die Schweiz ihre Teilnahme an einem neuen EU Trust Fund für Afrika an, der auf eine Verbesserung der Migrationssituation im Mittelmeerraum zielt.

Darüber hinaus verfügt die Schweiz über ein breites Instrumentarium an bilateralen migrationsaussenpolitischen Programmen und Projekten. Dabei geht es um vielfältige Themen wie Rückübernahme, Rückkehrhilfe, Bekämpfung des Menschenhandels oder die Stärkung von Kapazitäten nationaler Behörden und zivilgesellschaftlicher Akteure im Migrationsbereich. Als Beispiel für den letzten Punkt sei erwähnt, dass die Schweiz seit zwei Jahren die Türkei im Aufbau einer Migrationsbehörde unterstützt.

Ein weiterer Aspekt der Schweizer Migrationsaussenpolitik sind die Aktivitäten zum Schutz von Migranten in ihren Herkunftsregionen («Protection in the Region»). So unterstützt die Schweiz Erstaufnahmeländer wie die Nachbarstaaten Syriens und Staaten am Horn von Afrika in der Stärkung von Schutz- und Aufnahmekapazitäten.

Mittels eines effizienten Asylsystems und verbesserten Lebensbedingungen der Migranten (Schutz, Versorgung, wirtschaftliche Integration) soll der Druck für eine Weiterreise nach Europa verringert werden. In diesem Zusammenhang stockte die Schweiz 2015 beispielsweise ihre Hilfe für Äthiopien auf, wo über 700 000 Flüchtlinge leben, davon viele aus Somalia und Eritrea.

Ein innovatives Instrument der Migrationsaussenpolitik sind die bilateralen Migrationspartnerschaften. Eine unabhängige Evaluation hat im Berichtsjahr bestätigt, dass sich dieses Instrument bewährt. Die Schweiz hat mit diesem
ganzheitlichen Ansatz eines ausgewogenen Gebens und Nehmens gute Erfahrungen gemacht. Derzeit bestehen Partnerschaften mit Bosnien-Herzegowina, Serbien, Kosovo, Nigeria und Tunesien. Bei den drei Partnern im Westbalkan beispielsweise vermochte die Schweiz als Reaktion auf die Migration auf der Westbalkanroute dank den bestehenden Netzwerken rasch und unbürokratisch Unterstützung zu leisten, zum Beispiel beim Aufbau von Empfangszentren. Ebenfalls unterstützte sie relevante Aktivitäten des UNHCR und von NGO in diesen Staaten. Aber auch in anderen Staaten auf der Migrationsroute Richtung Europa, wie Kroatien, Slowenien und Griechenland, leistete die Schweiz im Rahmen ihrer Migrationsaussenpolitik und ihrer humanitären Hilfe 2015 Beiträge, um den Strom an Flüchtlingen besser bewältigen zu können.

Der vierte Ansatzpunkt der Schweizer Aussenpolitik betreffend Flüchtlingskrise zielt auf die Bekämpfung der Fluchtursachen. Über ihre migrationsaussenpolitischen Aspekte hinaus sind Friedensförderung und Entwicklungszusammenarbeit zentrale

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mittel- und langfristige Massnahmen, um die erzwungene Migration nach Europa zu verringern. Das Engagement der Schweiz zur Lösung des Syrienkonflikts wird weiter unten in diesem Kapitel dargestellt. Auch die Aktivitäten der Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz werden in diesem Bericht noch vertieft erläutert.

Festzuhalten bleibt hier, dass die Schweiz mit ihrem umfassenden Engagement für Frieden und Sicherheit, Menschenrechte, gute Regierungsführung, die Minderung politischer und gesellschaftlicher Spannungen sowie eine nachhaltige und inklusive wirtschaftliche, soziale und umweltverträgliche Entwicklung auch einen wesentlichen Beitrag an die internationalen Bemühungen leistet, den Migrationsdruck von Süden nach Norden abzuschwächen.

1.2.3

Beitrag im Kampf gegen den Terrorismus

Analog zur Flüchtlingskrise lässt sich das Engagement der Schweiz für Frieden und Entwicklung auch als struktureller Beitrag zur Bekämpfung des Terrorismus verstehen. Ähnlich wie im Migrationsbereich hat die Schweiz aber auch aussenpolitische Aktivitäten entwickelt, die spezifisch auf die Terrorismusthematik ausgerichtet sind.

Diese Aktivitäten gewannen im Berichtsjahr aufgrund der wachsenden Gefahr durch den dschihadistischen Terrorismus weiter an Bedeutung.

Zu einer aussenpolitischen Priorität der Schweiz hat sich dabei die Prävention von gewalttätigem Extremismus entwickelt. Dass neben Repressions- und Schutzmassnahmen die Prävention von essenzieller Bedeutung ist, um Terrorismus nachhaltig zu bekämpfen, ist bereits in der Globalen Anti-Terrorismus-Strategie der UNO von 2006 festgehalten. Im Zusammenhang mit dem Aufstieg des IS und dem Phänomen der sogenannten Foreign Terrorist Fighters ­ darunter auch etwa 5000 vor allem junge Leute aus Europa ­ sind die Prävention und damit auch Fragen von Sozial-, Integrations-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik in den internationalen Fokus gerückt. Es wurde erkannt, dass die Anziehungskraft des IS nicht nur in einem kruden Heilsversprechen und im militärischen Erfolg liegt, sondern auch in politischen, gesellschaftlichen, religiösen und wirtschaftlichen Missständen. Dabei geht es bei der Prävention von gewalttätigem Extremismus vor allem darum, die Widerstandsfähigkeit von Individuen und Gemeinschaften gegen eine gewaltbereite Radikalisierung zu stärken. Diese Aufgabe ist ebenso komplex, wie es die Gründe für die Radikalisierung selber sind. Angestrebt werden die Bekämpfung der Ursachen von gewalttätigem Extremismus und die Eröffnung alternativer Zukunftsperspektiven.

Die Schweiz hat sich 2015 an der internationalen Diskussion über die Prävention von gewaltsamem Extremismus umfassend eingebracht. So hat sie etwa am White House Summit on Countering Violent Extremism im Februar und an dessen Nachfolgekonferenzen teilgenommen. Auch hat sie angeboten, im Frühjahr 2016 in Genf eine internationale Konferenz zur Umsetzung des Aktionsplans der UNO zur Prävention von gewalttätigem Extremismus durchzuführen.

Wie die UNO erarbeitet auch die Schweiz für ihre Aussenpolitik einen EDAAktionsplan zur Prävention von gewalttätigem Extremismus. Dabei geht es insbesondere darum, spezifische Stärken der Schweiz auch in diesem Themenbereich fruchtbar zur Anwendung zu bringen. Beispielsweise haben seit 2012 im Rahmen 610

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der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit um die 50 000 junge Menschen in achtzehn Staaten von einer Berufsbildung profitiert. Solche Fördermassnahmen sollen künftig auch spezifisch in Kontexten ergriffen werden, in denen ein erhöhtes Risiko einer gewaltbereiten Radikalisierung herrscht. Die Schweiz wird 2016 ein internationales Treffen zur Frage organisieren, wie mit Berufsbildung die Widerstandsfähigkeit gegenüber gewalttätigem Extremismus gestärkt werden kann.

Hohe Bedeutung misst die Schweiz dem Global Community Engagement and Resilience Fund (GCERF) bei. Dieses 2014 gegründete und in Genf ansässige Finanzierungsinstrument zielt auf die Förderung lokaler Projekte zur Vorbeugung einer gewaltbereiten Radikalisierung, wobei neben der Zivilgesellschaft auch der Privatsektor einbezogen wird. Für die Pilotländer Bangladesch, Mali und Nigeria wurden in einer ersten Finanzierungsrunde insgesamt knapp fünfzehn Millionen Dollar für drei Jahre zur Verfügung gestellt, erste Projekte werden ab Frühjahr 2016 umgesetzt.

Als eine zweite Gruppe von Partnerländern wurden Kenia, Kosovo und Myanmar identifiziert.

Ein zweiter aussenpolitischer Fokus der Schweiz neben der Prävention gilt der Einhaltung des Völkerrechts und insbesondere der Grund- und Menschenrechte in der Terrorbekämpfung. Zum Beispiel engagiert sich die Schweiz seit Jahren für fairere und transparentere Prozeduren bei gezielten Sanktionen gegen natürliche Personen und Organisationen, die auf der Liste des Al-Kaida/Taliban-Sanktionsregimes figurieren. 2015 lancierte sie zudem eine Initiative zum Jugendstrafrecht im Kontext der Terrorbekämpfung, die darauf abzielt, den entsprechenden Bedürfnissen von Jugendlichen als Opfer, Täter und Zeugen besser gerecht zu werden.

Weiter hat das EDA verschiedene Dienstleistungen wie beispielsweise die Reisehinweise erbracht, damit sich die Bürgerinnen und Bürger über terroristische und andere Risiken informieren können. Zudem wurde das Krisenmanagement-Zentrum gestärkt, um beispielsweise Entführungen von Schweizer Staatsangehörigen durch Terroristen oder Terroranschläge mit Schweizer Opfern möglichst gut bewältigen zu können.

Mit dem Auslandschweizergesetz vom 26. September 2014, das am 1. November 2015 in Kraft trat2, steht dem EDA neu eine einheitliche Rechtsgrundlage zur Verfügung, um den strategischen
Vorgaben des Bundesrats entsprechend Schweizer Staatsangehörige zu unterstützen, die im Ausland wohnen oder reisen. Schweizerinnen und Schweizer im Ausland haben heute im EDA rund um die Uhr eine zentrale Anlaufstelle für alle ihre Anliegen.

Wie beim Migrationsthema stehen auch die Beiträge der Schweizer Aussenpolitik an die Terrorbekämpfung im Zeichen der Kooperation. Die Schweiz orientiert sich an der Strategie der UNO zur Bekämpfung des Terrorismus und beteiligt sich auch in anderen internationalen Gremien wie der OSZE, dem Europarat und dem Global Counter Terrorism Forum (GCTF) intensiv am Informationsaustausch und der Entwicklung von Normen und gemeinsamen Massnahmen. Gleichzeitig legt der Bundesrat im Kampf gegen den Terrorismus grossen Wert auf ein koordiniertes Vorgehen im Innern und eine Verzahnung der innen- und aussenpolitischen Mass2

AS 2015 3857; SR 195.1

611

BBl 2016

nahmen. Mit der von ihm im September 2015 verabschiedeten Strategie der Schweiz zur Bekämpfung des Terrorismus hat er hierfür eine adäquate Basis geschaffen.

1.2.4

Beitrag an die Lösungssuche im Syrienkonflikt

Sowohl bei der Flüchtlingskrise als auch beim Kampf gegen den Terrorismus figurierte im Berichtsjahr die Lösung der Gewaltkonflikte in der südlichen Nachbarschaft Europas weit oben auf der internationalen Agenda. Im Zentrum der Aufmerksamkeit bei diesen Bemühungen um Ursachenbekämpfung stand der Syrienkonflikt.

Aber auch in Libyen und Jemen rang die Diplomatie um einen Waffenstillstand und eine politische Lösung, wobei im Falle Libyens mit der Unterzeichnung eines von der UNO vermittelten Friedensabkommens im Dezember ein wichtiger Schritt gemacht werden konnte. Die Schweiz beteiligte sich in allen drei Fällen an den Friedensbemühungen. Sie unterstützte insbesondere die UNO und stellte das internationale Genf als Standort für Dialog und Verhandlungen zur Verfügung. Im Falle Jemens stellte die Schweiz für das Büro des UNO-Sondergesandten Ismail Ould Scheich Ahmed eine Expertin zur Verfügung. Zudem fanden in der Schweiz im Juni und im Dezember 2015 Friedensgespräche zwischen den Konfliktparteien statt. In Libyen unterstützte die Schweiz die UNO finanziell. Verschiedene Dialogrunden zur Beendigung des Konflikts fanden in Genf statt.

Der Schwerpunkt auch der Schweizer Diplomatie lag aber auf dem Syrienkonflikt.

Das Engagement der Schweiz für eine politische Lösung dieses Konflikts geht dabei bis auf dessen Anfänge zurück. So stellt die Schweiz dem Büro des UNO-Sondergesandten (seit 2014 Staffan de Mistura) seit 2012 einen Experten zur Verfügung.

Weitere Fachexpertise wird der UNO immer wieder situativ und nach Bedarf zur Verfügung gestellt. Die Schweiz unterstützte die UNO zudem in der Durchführung der internationalen Syrienkonferenzen in Genf 2012 und in Montreux 2014 sowie der Gespräche zwischen syrischen Konfliktparteien in Genf im Frühjahr 2014. Das Genfer Communiqué von 2012 ist bis heute eine zentrale Grundlage der Friedensbemühungen.

Im Berichtsjahr unterstützte die Schweiz finanziell und logistisch die «Genfer Konsultationen», im Rahmen derer der UNO-Sondergesandte für Syrien mit über 350 Personen aus dem Kontext des Syrienkonflikts Gespräche führte über Wege zu einer Neubelebung der Friedensgespräche. Sie setzte sich auch mit Nachdruck für die daran anschliessenden Bemühungen de Misturas ein, einen innersyrischen Verhandlungsprozess zu lancieren. Die Schweiz hat sich bereit erklärt,
für die für Anfang 2016 vorgesehenen, UNO-fazilitierten Verhandlungen zwischen den syrischen Parteien Mediationsexpertise und logistische Unterstützung zur Verfügung zu stellen.

Der Departmentsvorsteher des EDA setzte sich zudem vor dem UNO-Sicherheitsrat im Oktober 2015 und in anderen Kontexten für die Bildung einer internationalen Kontaktgruppe zu Syrien ein. Zudem rief die Schweiz den Sicherheitsrat in der UNO-Generalversammlung und dem UNO-Menschenrechtsrat erneut dazu auf, die Urheber von Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen. Die Schweiz betrachtet den Kampf 612

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gegen Straflosigkeit in Syrien als eine wichtige Voraussetzung für einen nachhaltigen Frieden.

1.3

Umsetzung der Aussenpolitischen Strategie 2012­2015

Die Umsetzung der Aussenpolitischen Strategie des Bundesrates für die Jahre 2012­ 2015 wurde im Berichtsjahr planmässig vorangetrieben. Diese Strategie hat sich auch im letzten Jahr der vergangenen Legislatur als Kompass bewährt, wobei den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU ein besonders hoher Stellenwert zukam. Nachfolgend werden wesentliche Entwicklungslinien gemäss den vom Bundesrat identifizierten vier strategischen Schwerpunkten erläutert. Die einzelnen Themen werden im Rechenschaftsteil des vorliegenden Berichts vertieft.

1.3.1

Vertiefte und lösungsorientierte Beziehungen zu den Nachbarn

Die Priorität, die der Bundesrat den Beziehungen mit den Nachbarstaaten beimisst, manifestierte sich auch 2015 in einer hohen Frequenz hochrangiger bilateraler Begegnungen. Die offiziellen bilateralen Kontakte auf Stufe Bundesrat und Staatssekretäre machten im Berichtsjahr über die Hälfte aller Begegnungen mit europäischen Staaten und etwa einen Viertel aller Kontakte weltweit aus.

Die Beziehungen mit Liechtenstein sind ausgezeichnet und vielschichtig. Einmal mehr trafen alle Bundesratsmitglieder im Laufe des Jahres mit Vertretern der liechtensteinischen Regierung zusammen. Bei den übrigen vier Nachbarn ist erfreulich, dass mit Ausnahme des italienischen Präsidenten und des französischen Ministerpräsidenten Treffen mit allen Staats- und Regierungschef der vier Staaten stattfanden.

Erstmals seit siebzehn Jahren kam im April mit François Hollande der französische Präsident auf einen Staatsbesuch in die Schweiz. Hervorgehoben sei auch der erste offizielle Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel seit 2008, der im September 2015 stattfand. Beide Besuche zeugen davon, dass nach einigen Jahren relativer Anspannung im Laufe der Legislatur eine Entkrampfung der bilateralen Beziehungen gelungen ist.

Die Beziehungen der Schweiz zu allen ihren Nachbarstaaten sind heute durch eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit geprägt. Zwar liessen sich noch nicht alle Problembereiche überall einer Lösung zuführen. Aber die Beziehungen sind durchwegs lösungsorientiert und konstruktiv. In ihrer Qualität und Intensität entsprechen sie heute wieder der äusserst engen gegenseitigen Verflechtung unserer Länder.

Betreffend Fiskalthemen liess sich im Berichtsjahr eine Einigung mit Italien in Steuerfragen erzielen. Mit Deutschland wurde eine Verständigung zur Umsetzung des Marktzugangsabkommens erzielt, die den Marktzugang für grenzüberschreitend erbrachte Finanzdienstleistungen erleichtert. Analoge Verhandlungen über Marktzugang mit Italien laufen. Die Frage der Grenzgängerbesteuerung mit Italien konnte Ende Jahr geregelt werden.

613

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Wesentliche Fortschritte bei grenznachbarschaftlichen Fragen liessen sich 2015 betreffend EuroAirport Basel-Mülhausen erzielen. Nach wie vor ausstehend ist die Ratifizierung des Staatsvertrags über Anflugverfahren beim Flughafen Zürich durch Deutschland. Genau beobachtet werden muss zudem der Verzug im Ausbau des Nordanschlusses zum Gotthardbasistunnel, der am 1. Juni 2016 eröffnet werden wird. Eine Erfolgsgeschichte war wiederum der Auftritt der Schweiz an der Expo Mailand 2015. Der Schweizer Pavillon, in dem sich die Schweiz als innovatives und gleichzeitig traditions- und verantwortungsbewusstes Land darstellte, verzeichnete rund 2,1 Millionen Besucherinnen und Besucher und diente als Plattform, um die bilateralen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kontakte zwischen der Schweiz und Italien weiter zu vertiefen.

In den letzten Jahren stark zugenommen hat die bilaterale und regionale Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten im Bereich Frieden und Sicherheit. Mit Deutschland wurde die sehr enge und vertrauensvolle Kooperation hinsichtlich der Ukrainekrise und der Krise der europäischen Sicherheit im Rahmen der OSZE-Troika-Mitgliedschaft der beiden Staaten fortgeführt. Auch mit Österreich, das 2017 von Deutschland den Vorsitz der OSZE übernimmt, hat sich eine enge Zusammenarbeit in OSZE-Fragen entwickelt. Zusammen mit Liechtenstein wollen die Schweiz, Deutschland und Österreich künftig zudem im Rahmen der Treffen der deutschsprachigen Aussenminister eng zu OSZE-Fragen zusammenarbeiten.

Mit Frankreich hat sich besonders in Kampf gegen Ebola und den Klimawandel eine enge Kooperation entwickelt. Im Falle Italiens hat die Migrationszusammenarbeit an Bedeutung gewonnen. Erwähnt sei an dieser Stelle auch, dass Österreich mit der Unterzeichnung eines neuen Abkommens im Dezember 2015 zum wichtigsten Partner der Schweiz in konsularischen Fragen geworden ist.

Ein zentrales Thema mit den Nachbarstaaten stellen schliesslich die offenen Fragen in den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU dar. Über diese Fragen führt der Bundesrat mit Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich einen besonders intensiven Dialog. Die Konvergenz der Interessen an einer gemeinsamen zukunftsträchtigen Lösung ist mit diesen Staaten gross. Ein Drittel des gesamten Aussenhandels der Schweiz und knapp zwei
Drittel unseres Aussenhandels mit der EU betrifft die Nachbarstaaten. Alleine das Handelsvolumen zwischen der Schweiz und BadenWürttemberg ist gleich gross wie dasjenige zwischen der Schweiz und den USA.

Die Schweiz figuriert ihrerseits bei allen Nachbarstaaten unter den zehn wichtigsten Handelspartnern. Eng sind auch die menschlichen Bande. Über 750 000 Staatsangehörige aus den Nachbarstaaten leben und arbeiten in der Schweiz, weitere 290 000 arbeiten bei uns als Grenzgänger.

Eine Lösung in der Frage der Personenfreizügigkeit und die Konsolidierung und Erneuerung des bilateralen Wegs sind nicht nur aussenpolitische Kernanliegen der Schweiz, sondern auch im Interesse unserer Nachbarstaaten. Der Bundesrat wird 2016 weiterhin eine enge Zusammenarbeit mit allen Mitgliedstaaten der EU in diesen Fragen anstreben, insbesondere auch mit den Nachbarstaaten.

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1.3.2

Intensive Lösungssuche mit der EU

Die bilateralen Abkommen mit der EU sind für die Schweiz von grosser Bedeutung.

Sie sind ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Schweizer Wirtschaft und bilden einen massgeschneiderten rechtlichen Rahmen, der den engen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU sowie der geografischen Lage der Schweiz im Zentrum Europas Rechnung trägt. Der bilaterale Weg ermöglicht es der Schweiz, ihren Wohlstand zu sichern und ihre Unabhängigkeit zu wahren. Diesbezüglich schneidet er nach Einschätzung des Bundesrats im Vergleich zu Alternativen wie einem umfassenden Freihandelsabkommen, einem EWR- oder einem EU-Beitritt deutlich besser ab. Er ist zudem seit Jahren die einzige mehrheitsfähige europapolitische Option und wurde von der Bevölkerung direktdemokratisch mehrfach bestätigt.

Die längerfristige Tragfähigkeit des bilateralen Wegs gilt es jedoch immer wieder zu sichern. So liegt es im beidseitigen Interesse, das umfassende Vertragswerk zwischen der Schweiz und der EU zu konsolidieren und einheitliche Mechanismen für die Rechtsauslegung und -anpassung für den Marktzugangsbereich festzulegen. Die Schweiz sieht sich ohne institutionelle Vereinbarung nicht in der Lage, die bestehenden Abkommen an Rechtsentwicklungen anzupassen sowie neue Marktzugangsabkommen dort abzuschliessen, wo es in ihrem Interesse ist. Eine weitere Unsicherheit hinsichtlich der künftigen Gestaltung des bilateralen Wegs kam im Februar 2014 mit dem neuen Artikel 121a der Bundesverfassung3 (BV) hinzu, der eine verstärkte Steuerung der Zuwanderung durch den Bundesrat vorsieht.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen erwies sich die hohe Gewichtung, die der Bundesrat der Europafrage in seiner Aussenpolitischen Strategie 2012­2015 beimass, als wichtig und richtig. Seit Sommer 2014 verfolgt der Bundesrat dabei das strategische Ziel, die Migration besser zu steuern und den bilateralen Weg zu konsolidieren und zu erneuern. Die Umsetzung dieses Ziels wird auch in den kommenden Jahren eine Kernpriorität der Schweizer Aussenpolitik sein, zusammen mit der verstärkten Förderung von Frieden und Sicherheit.

Im Berichtsjahr waren die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU Gegenstand von mehr als 70 Treffen von Bundesräten und Staatssekretären mit Vertretern der EU-Institutionen und EU-Mitgliedstaaten. Im Vordergrund stand dabei die Suche nach einer
Lösung, um das Personenfreizügigkeitsabkommen4 (FZA) mit dem neuen Verfassungsartikel zur Zuwanderung in Einklang zu bringen. Der Bundesrat verabschiedete im Februar ein Verhandlungsmandat zur Anpassung des FZA. Die EU hielt jedoch an ihrer im Juli 2014 kommunizierten Haltung fest, wonach sie Verhandlungen zu einer Revision des FZA ablehnt. Sie bestätigte aber ihre Bereitschaft, über Anwendungsfragen zum FZA zu diskutieren. In diesem Zusammenhang einigten sich Bundespräsidentin Sommaruga und EU-Kommissionspräsident Juncker auf Konsultationen, in denen ausgelotet werden sollte, ob es einen für beide Seiten gangbaren Weg gibt, den Verfassungsauftrag von Artikel 121a BV bei gleichzeitiger Wahrung des bilateralen Weges umzusetzen.

3 4

SR 101 Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit, SR 0.142.112.681

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In zahlreichen Gesprächen wurden verschiedene Optionen und Modelle diskutiert.

Parallel dazu wurde die Lösungssuche auf politischer Ebene intensiv vorangetrieben, insbesondere mit den EU-Institutionen und mit den Nachbarstaaten. Die Gespräche waren konstruktiv und von gutem Willen geprägt. Allerdings bleibt die Aufgabe schwierig. Sie ist durch die Flüchtlingskrise sowie durch die Aufnahme von Verhandlungen zwischen der EU und Grossbritannien im Hinblick auf das Referendum zu dessen Verbleib in der EU weiter verkompliziert worden.

Um die zeitlichen Vorgaben des neuen Verfassungsartikels 121a einhalten zu können, wird der Bundesrat dem Parlament bis März 2016 eine entsprechende Botschaft unterbreiten. Mit Blick darauf fällte der Bundesrat im Dezember 2015 eine Reihe von Entscheiden. Neben Massnahmen zur besseren Ausschöpfung des inländischen Potenzials an Arbeitskräften sowie zur Bekämpfung von Missbräuchen auf dem Arbeitsmarkt entschied der Bundesrat insbesondere, die Zuwanderung von Personen, die unter das FZA fallen, mittels einer Schutzklausel zu steuern. Dabei bestätigte er seinen Willen, mit der EU eine einvernehmliche Lösung zu finden. Aus Sicht der Schweiz lassen die bisherigen Konsultationen mit der EU den Schluss zu, dass eine gemeinsame Auslegung der allgemeinen Schutzklausel des FZA möglich ist, die es erlauben würde, Artikel 121a BV umzusetzen.

Eine einvernehmliche Lösung mit der EU über die Personenfreizügigkeit würde die Rechtssicherheit wiederherstellen, den bilateralen Weg stabilisieren und die Ausgangslage für die weiteren offenen Verhandlungsdossiers erheblich verbessern. Sie würde es ermöglichen, das Protokoll III zur Erweiterung des FZA auf Kroatien zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Dies wiederum ist eine Voraussetzung für eine weitere umfassende Beteiligung der Schweiz am europäischen Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020. Eine solche Beteiligung ist im Interesse der Schweiz und der EU.

Für den Fall, dass keine einvernehmliche Lösung mit der EU erzielt werden kann, entschied der Bundesrat, in der Botschaft und dem Gesetzesentwurf zur Anpassung des Ausländergesetzes eine einseitige Schutzklausel für die EU-/EFTA-Staatsangehörigen vorzuschlagen. Eine solche Lösung ist verfassungskonform, würde aber das FZA verletzen, wenn die Schweiz die Schutzklausel aktiviert und
entsprechende Massnahmen ergreift. Dieses Szenario wäre mit weniger Rechtssicherheit und einer unwägbaren Zukunft für das FZA und die übrigen «Bilateralen I» verbunden, könnte einseitige Massnahmen von Seiten der EU provozieren und würde die Konsolidierung und Erneuerung des bilateralen Wegs erschweren. Die Lösungssuche mit der EU wird somit in den ersten Monaten des Jahres 2016 intensiv vorangetrieben.

Der Bundesrat strebt zusätzlich die Fortsetzung der Gespräche und Verhandlungen in den anderen Dossiers mit der EU an. Er entschied im Sommer, die Verhandlungsstruktur durch die Ernennung eines Chefunterhändlers zu stärken. Ab Herbst kam es zu weiteren Verhandlungsrunden über ein institutionelles Rahmenabkommen.

Ein institutionelles Abkommen verhindert die Erosion bestehender Abkommen, schützt die Marktteilnehmer vor Diskriminierungen und ermöglicht den Abschluss neuer Markzugangsabkommen. Es stärkt die Rechtssicherheit für die Schweizer Wirtschaft. Für die Konsolidierung und Erneuerung des bilateralen Wegs und damit

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für dessen längerfristige Tragfähigkeit ist der angestrebte institutionelle Rahmen zentral.

Von drei gemeinsam mit der EU identifizierten Optionen für eine institutionelle Lösung verhandelt der Bundesrat mit der EU über diejenige mit der für die Schweiz besten Souveränitätsbilanz. In den bisherigen Verhandlungsrunden konnte eine Einigung zu wesentlichen Punkten erzielt werden. So soll die Überwachung der bilateralen Abkommen Sache der Behörden der beiden Parteien bleiben. Die Schweiz wird sich keinem supranationalen Überwachungsorgan unterstellen (wie dies beim Andocken der Schweiz an die EWR-Institutionen der Fall wäre). Neues relevantes EU-Recht soll künftig dynamisch übernommen werden, unter Wahrung eines eigenständigen Entscheids der Schweiz. Eine automatische Übernahme bleibt ausgeschlossen. Die verfassungsmässige Ordnung und die demokratischen Institutionen der Schweiz werden nicht angetastet. Zudem werden Schweizer Vertreter an der Ausarbeitung neuer relevanter Rechtsakte beteiligt sein. Ein solches «Decisionshaping» ist wichtig für die Schweiz, da sie damit ihre Anliegen früh in den Prozess einbringen kann.

Weiter verhandelt wird über die konkrete Ausgestaltung der Streitbeilegung. Der Bundesrat wird darauf beharren, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf Anfrage der EU oder der Schweiz zwar EU-Recht verbindlich interpretiert, der Streit auf dieser Basis aber anschliessend im Gemischten Ausschuss politisch geregelt wird. Als EU-Nichtmitglied wird die Schweiz die Möglichkeit behalten, eine Interpretation des EuGH nicht anzuwenden ­ wobei die Ausgleichsmassnahmen für solche Fälle ebenfalls noch Gegenstand der Verhandlungen ist.

Insgesamt lässt sich bilanzieren, dass 2015 in der Europafrage mit den neu besetzten EU-Gremien in Brüssel wie auch mit vielen Hauptstädten eine Atmosphäre des guten Willen erzeugt und konstruktive und lösungsorientierte Gespräche geführt werden konnten. Die aussen- und innenpolitische Umsetzung des neuen Verfassungsartikels zur Zuwanderung konnte konkretisiert und in einen europapolitischen Gesamtkontext eingebettet werden. Manche Unwägbarkeiten bleiben. Der Bundesrat wird sich dabei auch künftig mit höchster Priorität dafür einsetzen, dass der Verfassungsartikel rechtzeitig umgesetzt wird und die Schweiz gleichzeitig den bewährten bilateralen Weg mit der EU konsolidieren und erneuern kann.

1.3.3

Umfassendes Engagement für Entwicklung, Frieden und Völkerrecht

Der in der Aussenpolitischen Strategie 2012­2015 festgeschriebenen Priorität, durch die Förderung von Entwicklung, Frieden und Sicherheit sowie Völkerrecht zu einem stabilen regionalen und globalen Umfeld beizutragen, wurde im Berichtsjahr umfassend Rechnung getragen.

Auf multilateraler Ebene war die Mitgestaltung der Agenda 2030 ein prioritäres Thema der Schweiz. Mit der universellen Gültigkeit und den konkreten und ambitionierten Zielsetzungen der Agenda wurde zentralen Anliegen des Bundesrats Rechnung getragen. Die von der Schweiz geforderten Einzelziele in den Bereichen Gesundheit, Frieden und inklusive Gesellschaften, Wasser sowie Geschlechter617

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gleichstellung liessen sich realisieren und konnten von der Verhandlungsdelegation wesentlich mitgeprägt werden.

Die Schweiz war auch massgeblich an der Ausarbeitung eines neuen internationalen Rahmenwerks betreffend Prävention und Minderung von Katastrophenrisiken beteiligt, das im März im Rahmen einer UNO-Weltkonferenz zu diesem Thema in Japan unterzeichnet wurde. Zum Klimaabkommen von Paris hat sie ebenfalls in vielfältiger Weise beigetragen. So hat sie zum Beispiel beim Aufbau und der Kapitalisierung des neuen Grünen Klimafonds (Green Climate Fund) mitgewirkt. Mit der NansenInitiative hat sie zudem zusammen mit Norwegen im Rahmen eines globalen Konsultationsprozesses zu einer Schutzagenda für Menschen beigetragen, die als Folge des Klimawandels ihre Heimat verlassen müssen. Diese Schutzagenda wurde im Oktober in Genf präsentiert.

Neben dem Thema Klimawandel verfügt die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) über weitere Globalprogramme in den Bereichen Ernährungssicherheit, Migration und Entwicklung, Gesundheit und Wasser. Diese thematisch ausgerichteten Globalprogramme sind ein innovatives Instrument, um im internationalen Politikdialog und mit Projekten zu einer entwicklungsfördernden Gestaltung der Globalisierung beizutragen. So engagierte sich die Schweiz im Berichtsjahr beispielsweise dafür, dass Wasser nicht Konflikte mitverursacht, sondern als Treiber von Kooperation genutzt wird. Hierzu veröffentlichte sie nicht nur Aktionslinien zum Themenfeld Wasser und Sicherheit, sondern lancierte in Genf auch ein hochrangiges globales Panel zu Wasser und Frieden. Dieses Panel soll innert zweier Jahre Vorschläge unterbreiten zur Schaffung von Instrumenten und einer Gouvernanz-Struktur zur Verhinderung von Wasserkonflikten auf globaler und regionaler Ebene.

Der Zusammenhang zwischen Entwicklung und Frieden tritt generell immer deutlicher zutage. Es gibt keine Entwicklung ohne Frieden und keinen Frieden ohne Entwicklung. Die Schweiz gehörte dabei zu den ersten Geberländern, die sich mit den negativen Folgen von bewaffneter Gewalt und Fragilität auf die Entwicklung befasste. Heute lebt fast die Hälfte der Armen weltweit in fragilen Kontexten ­ also in Staaten, die nicht fähig oder nicht willens sind, grundlegende Funktionen in den Bereichen Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und soziale
Grundversorgung zu erbringen.

Laut Schätzungen der OECD könnte dieser Anteil in den nächsten fünfzehn Jahren auf zwei Drittel aller Armen steigen.

Die Schweiz reagiert auf diese Entwicklung, indem sie ihr Engagement in fragilen und konfliktbetroffenen Kontexten verstärkt. Heute sind bereits die Hälfte der Entwicklungspartner der Schweiz fragile Staaten. Mit ihrem Engagement trägt die Schweiz dazu bei, die Ursachen der Fragilität zu bekämpfen und die Krisenresistenz der betroffenen Staaten zu erhöhen. Entwicklungszusammenarbeit zielt hier auch auf Friedensentwicklung, Konfliktprävention und die Förderung von Menschenrechten.

Der verstärkten Wechselwirkung von Entwicklung und Frieden trägt der Bundesrat zudem Rechnung, indem er dem Parlament 2016 eine Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit 2017­2020 vorlegen wird, die erstmals auch die Massnahmen zur Förderung des Friedens und der menschliche Sicherheit beinhalten wird.

618

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In der Förderung von Frieden und Sicherheit stellte die OSZE auch im Jahr nach dem Vorsitz einen wichtigen Handlungsrahmen für die Schweiz dar. Als Mitglied der Troika blieb die Schweiz in die Steuerung der OSZE eingebunden. In der Ukrainekrise engagierte sie sich im Berichtsjahr weiterhin stark. Einerseits beteiligte sie sich umfassend am Krisenmanagement der OSZE. So stellte sie bis zum Sommer die Sondergesandte des OSZE-Vorsitzenden für die «Trilaterale Kontaktgruppe».

Schweizer fungieren zudem als Koordinator der Arbeitsgruppe humanitäre Fragen, als Chef der Grenzbeobachtungsmission und als stellevertretender Chef der Beobachtermission. Auch stellte die Schweiz für letztere Mission jeweils etwa ein Dutzend Monitore zur Verfügung.

Andererseits verstärkte die Schweiz mit ihrer neuen Kooperationsstrategie für die Ukraine 2015­2018 auch ihr bilaterales Engagement. Zudem war die Schweiz das einzige Land, das direkte humanitäre Hilfe beidseits der Kontaktlinie leistete. Die mit Schweizer Fahnen kenntlich gemachten drei Konvois, die im Laufe des Jahres in die östlichen Regionen der Ukraine fuhren, wurden zu einem Symbol für die Glaubwürdigkeit der Schweizer Aussenpolitik und die Unparteilichkeit ihrer humanitären Hilfe.

Die Schweiz setzt sich auch dafür ein, eine Diskussion anzustossen, wie die Krise der europäischen Sicherheit überwunden werden kann. Das von ihr zusammen mit ihren Troika-Partnern Serbien und Deutschland initiierte Panel of Eminent Persons on European Security as a Common Project lieferte hierzu in zwei öffentlichen Berichten eine Reihe wichtiger Ansätze und Ideen. Am Ministerrat der OSZE in Belgrad im Dezember 2015 plädierte die Schweiz dafür, den vom Panel angestossenen Dialog über die Zukunft der europäischen Sicherheit in den kommenden Jahren auf Ministerstufe fortzuführen. Sie legte zugleich eigene inhaltliche Ideen dar, unter anderem zur Förderung von Sicherheit durch mehr wirtschaftliche Konnektivität im OSZE-Raum und zur Stärkung der Handlungsfähigkeit der OSZE durch einen Ausbau ihrer Kapazitäten für Friedensoperationen.

Weitere Kernanliegen der Schweiz betrafen die bessere Umsetzung der Verpflichtungen im Bereich der menschlichen Dimension der OSZE sowie die Förderung von kooperativen Antworten auf transnationale Herausforderungen. Beispielsweise beteiligte sich die
Schweiz an der Entwicklung von Transparenzmassnahmen und Verhaltensnormen im Cyber-Bereich. An den OSZE-Jahreskonferenzen mit den asiatischen und mediterranen Partnerstaaten in Südkorea und in Jordanien wiederum unterbreitete die Schweiz jeweils Vorschläge, wie Elemente kooperativer Sicherheit auch für Regionen ausserhalb des OSZE-Raums einen Sicherheitsgewinn mit sich bringen könnten.

Auf eine während des OSZE-Vorsitzes ausgesprochene Einladung der Schweiz ging das Gipfeltreffen zum Konflikt um Nagorno-Karabach zurück, das Armenien und Aserbaidschan am 19. Dezember 2015 in Bern abhielten. Die Schweiz engagiert sich seit Langem für eine Lösung der Konflikte im Südkaukasus und stellt seit 2014 auch den Sonderbeauftragten der OSZE für diese Region.

Auch ausserhalb des OSZE-Raums hat sich die Schweiz 2015 in zahlreichen Kontexten für Frieden und Sicherheit eingesetzt. Im Nahen und Mittleren Osten hat sie sich nicht nur an der Lösungssuche in Syrien, Jemen und Libyen beteiligt sondern

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BBl 2016

beispielsweise auch Bemühungen um innerpalästinensische Versöhnung unterstützt, die eine Voraussetzung für eine Zweistaatenlösung mit Israel ist. In Afrika trug die Schweiz zum Beispiel in Burundi an die Bemühungen um eine Lösung der politischen Krise bei. Mit Somalia führte sie einen Austausch im Bereich Föderalismus.

In Asien führte die Schweiz ihr Engagement für die Friedensförderung in Myanmar und Sri Lanka fort. Eine wichtige Rolle spielte sie auch im Friedensprozess zwischen der philippinischen Regierung und der nationalen islamischen Befreiungsfront der Moros. Auf Wunsch der beiden Partien hat sie dort seit 2014 den Vorsitz der Kommission für Transitionsjustiz und Versöhnung inne. In Lateinamerika leistet die Schweiz ebenfalls punktuell zivile Friedensförderung. So unterstützte sie auch im Berichtsjahr den Verhandlungsprozess in Kolumbien.

Das in den letzten 15 Jahren entwickelte Instrumentarium der Schweiz zur Förderung von Frieden und Sicherheit ist innovativ und entspricht den Erfordernissen zur Bewältigung der heutigen komplexen Konflikte. Die internationale Nachfrage nach Beiträgen der Schweiz ist entsprechend gross. Im Bereich der Mediation war die Schweiz im Berichtsjahr in mehr als 20 verschiedene Kontexte involviert. Ein Ausbau der Mediationskapazitäten ist im Gang.

Längerfristig auf tiefem Niveau bleiben dürfte hingegen die Anzahl Schutzmachtmandate der Schweiz. Ein Abbruch diplomatischer Beziehungen kommt in den heutigen Konfliktkonstellationen nur noch selten vor. Mit der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Kuba ging im Berichtsjahr das älteste Schutzmachtmandat der Schweiz zu Ende. Heute nimmt die Schweiz noch vier Mandate wahr: für Iran in Ägypten, zwischen Georgien und Russland sowie für die USA in Iran. Dabei beruht einzig die Interessenvertretung der USA in Iran auf einem umfassenden Mandat.

Das umfassende Engagement der Schweiz für Menschenrechte und für das humanitäre Völkerrecht wird im nachfolgenden Schwerpunktkapitel dieses Berichts dargelegt. Hingewiesen sei an dieser Stelle auf den Abschluss des während vier Jahren zusammen mit dem IKRK geführten Konsultationsprozesses zur besseren Umsetzung des humanitären Völkerrechts. Trotz mehrjährigen intensiven Vorbereitungen gelang es an der Rotkreuz- und Rothalbmondkonferenz in Genf im Dezember
2015 nicht, eine Resolution zur Schaffung einer Versammlung aller Vertragsstaaten der Genfer Konventionen zu verabschieden und damit eine wichtige institutionelle Lücke zu schliessen. Dennoch konnte man sich auf ein Verhandlungsmandat verständigen, das es erlaubt, die Frage weiter zu verfolgen. Die Schweiz wird diese Verhandlungen zusammen mit dem IKRK unterstützen und sich weiterhin für die Schaffung einer Versammlung einsetzen. In einer vermehrt von Machtpolitik und Gewaltkonflikten geprägten Welt ist das Engagement für Völkerrecht wichtiger denn je.

Ein aussenpolitisch und völkerrechtlich wichtiges Signal setzte die Schweiz mit dem neuen Bundesgesetz vom 18. Dezember 20155 über die Sperrung und Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen. Dieses Gesetz erhöht die Rechtssicherheit, die Voraussehbarkeit und die Transparenz in diesen Fragen und stärkt damit die Reputation des Schweizer Fi5

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BBl 2016

nanzplatzes. Gleichzeitig wird damit ein Zeichen gegen die Straflosigkeit gesetzt.

Basierend auf ihrer breiten Erfahrung will die Schweiz Impulse zur Entwicklung internationaler Normen in diesem Bereich geben.

1.3.4

Förderung des internationalen Genf und der globalen Gouvernanz

Seiner Aussenpolitischen Strategie 2012­2015 entsprechend hat der Bundesrat auch im Berichtsjahr die Rolle der Schweiz als Gaststaat gefördert, insbesondere über das internationale Genf. Dank der im Vergleich mit anderen Standorten einmaligen Konzentration von Akteuren, Organisationen und Kompetenzen in Genf kann die Schweiz aktiv zur Bewältigung der zahlreichen Herausforderungen beitragen, die einer koordinierten Reaktion bedürfen.

Um im verschärften internationalen Wettbewerb weiterhin zu bestehen, hat der Bundesrat Massnahmen getroffen, damit das internationale Genf als Zentrum der globalen Gouvernanz die Interessen und Vorteile der Schweiz weiterhin wirkungsvoll geltend machen kann. Die mit der entsprechenden Botschaft6 vorgeschlagenen Massnahmen wurden im Juni vom Parlament gutgeheissen.7 Vorgesehen sind vor allem die Verbesserung von Infrastrukturen sowie die Förderung einer besseren Interaktion der internationalen und nationalen Akteure. In diesem Zusammenhang stellten Bund, Kanton und Stadt Genf im September zinslose Bau- und Renovationsdarlehen in der Höhe von 400 Millionen Franken für die Totalsanierung des «Palais des Nations» in Genf in Aussicht. Die UNO-Generalversammlung hat am 23. Dezember das entsprechende Renovationsprojekt, den Strategic Heritage Plan, bewilligt.

Zur Stärkung der Schweiz als Sitz- und Gaststaat trägt bei, dass es gelungen ist, das Sekretariat des Vertrags vom 2. April 20138 über den Waffenhandel (ATT) in Genf anzusiedeln. Die Schweiz hat sich von Beginn weg stark gemacht für diesen Vertrag. Nachdem sie im Juni in Genf eine Vorbereitungskonferenz für die erste Vertragsstaatenkonferenz organisiert hatte, setzte sie sich anlässlich dieser ersten Vertragsstaatenkonferenz in Mexiko im August bei der Wahl des Standorts des Sekretariats durch.

Auch im Berichtsjahr war die Schweiz Standort wichtiger politischer Verhandlungen, Konsultationen und Dialoge. Neben den bereits erwähnten Treffen im Rahmen der UNO-Friedensbemühungen in Jemen, Libyen und Syrien und dem armenischaserbaidschanischen Gipfel in Bern sind auch die achttägigen ministeriellen Verhandlungen zum iranischen Atomprogramm in Lausanne zu nennen, die Anfang April in einer wegweisenden Grundsatzvereinbarung resultierten. Insgesamt fanden in der Schweiz seit 2008 über ein Dutzend hochrangige Gesprächsrunden zu diesem Dossier statt.

6 7 8

BBl 2014 9229 BBl 2015 5383 SR 0.518.61

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BBl 2016

In der UNO engagiert sich die Schweiz weiterhin umfassend. In der UNOKommission für Friedenskonsolidierung ist sie Vorsitzende der Burundi-Konfiguration und Mitglied der Konfiguration für die Zentralafrikanische Republik. Mit dem Ziel einer Stärkung der Handlungsfähigkeit leitet sie eine Gruppe von 27 Staaten, die eine Verbesserung der Arbeitsmethoden des Sicherheitsrats anstrebt. Auch setzt sie sich für Reformen des Planungs- und Budgetprozesses der UNO ein. Mit Blick auf eine wirksamere Konfliktprävention wirbt sie zudem für bessere Rahmenbedingungen der sogenannten politischen Sondermissionen der UNO.

2015 beteiligte sich die Schweiz an der globalen Überprüfung der Umsetzungsfortschritte der UNO-Sicherheitsratsresolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit.

Dabei setzt sie mit einer internationale Konferenz im «Maison de la Paix» einen Akzent zugunsten der Bedeutung des Schweizer UNO-Standorts für die Friedensund Sicherheitspolitik aus der Perspektive der Resolution 1325.

Für die Jahre 2016­2018 wurde die Schweiz zum dritten Mal in den UNOMenschenrechtsrats gewählt. Auch im Berichtsjahr trieb sie zudem die Planungen ihrer Kandidatur als nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrats für die Jahre 2023/24 voran. Zu dieser Kandidatur unterbreitete der Bundesrat dem Parlament einen Bericht.

Auf Einladung der chinesischen G20-Präsidentschaft wird die Schweiz 2016 zum zweiten Mal nach 2013 im Finanzsegment der G20 vertreten sein. Sie erhält damit die Gelegenheit, an den Treffen der Finanzminister und der Zentralbankgouverneure und an Sitzungen der Arbeitsgruppen des Finanzsegments teilzunehmen. Der Einbezug der Schweiz unterstreicht die wichtige Rolle, die ihr auf internationaler Ebene im Finanzbereich zugemessen wird.

Wie in der Aussenpolitischen Strategie 2012­2015 vorgegeben, setzt sich die Schweiz nicht nur für wirksame globale Gouvernanz ein, sondern verstärkt auch ihre eigenen Beziehungen weltweit. Mit der Stärkung und Diversifizierung strategischer Partnerschaften trägt sie den globalen Machtverschiebungen Rechnung.

Mit den USA, ihrem zweitwichtigsten Handelspartner nach der EU, unterhält die Schweiz sehr enge Beziehungen. Zu den zahlreichen Themen intensiver Zusammenarbeit zählen unter anderem die Interessenwahrung im Iran, die Prävention von gewaltsamem Extremismus und die Berufsbildung. Mit
den BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) konnten die Beziehungen in der vergangenen Legislatur intensiviert werden. Die Kontakte mit Russland fokussierten dabei in den vergangenen zwei Jahren auf die Lösungssuche betreffend die Ukrainekrise, die Krise der europäischen Sicherheit und den Syrienkonflikt.

Besondere Bedeutung misst die Schweiz den Wachstumsmärkten in Asien bei. Der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank beabsichtigt sie als Gründungsmitglied beizutreten.9 Neben ihren engen Beziehungen zu China, ihrem weltweit drittgrössten Handelspartner, sowie zu Japan und Südkorea strebt sie auch einen Ausbau ihrer Beziehungen zur ASEAN-Region an. Hatte die Schweiz in den vergangenen Jahren bereits institutionelle Beziehungen zu Regionalorganisationen in Afrika und Latein-

9

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Bundesbeschluss vom 18. Dezember 2015, BBl 2015 9617

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amerika aufgebaut, so hat sie im Berichtsjahr eine Annäherung an die ASEAN aufgegleist.

Eine starke globale Präsenz der Schweiz wird auch in der aussenpolitischen Strategie des Bundesrats für die neue Legislatur eine Priorität darstellen. Diese Strategie wird im Zeichen der Kontinuität stehen, aber auch dem sich wandelnden Umfeld Rechnung tragen. Der Bundesrat wird die neue aussenpolitische Strategie im Rahmen der Legislaturplanung 2015­2019 im ersten Quartal 2016 vorlegen.

2

Schwerpunktkapitel: Engagement der Schweiz für die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht

2.1

Einleitung

Die Förderung und der Schutz der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts gehören zu den Grundlagen der Schweizer Aussenpolitik. Die Schweiz hat sich aktiv für die Entwicklung eines völkerrechtlichen Schutzrahmens und, sofern erforderlich, für seine Anpassung an die Entwicklung der Gesellschaften und der bewaffneten Konflikte eingesetzt. Seit der Annahme der ersten Genfer Konvention 1864 wurde das humanitäre Völkerrecht beträchtlich weiterentwickelt und schrittweise den neuen Kampfmethoden und Waffen sowie auch der Notwendigkeit angepasst, die Zivilbevölkerung und alle Personen, die nicht oder nicht mehr an Feindseligkeiten teilnehmen, besser zu schützen. Auch bei den Menschenrechten sind seit der Annahme der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 1948 erhebliche Fortschritte zu verzeichnen. Innerhalb weniger Jahrzehnte haben die Staaten ein dichtes Netzwerk von weltweiten und regionalen Abkommen zum Schutz der Menschenrechte verabschiedet und verschiedene internationale Mechanismen eingerichtet. Mittlerweile haben sich die Regeln des humanitären Völkerrechts und die internationalen Menschenrechtsnormen im Grossen und Ganzen als angemessen und ausreichend erwiesen.

Die dringendste Aufgabe ist zurzeit nicht die Entwicklung neuer Regeln, sondern die effektive Umsetzung der bestehenden Regeln. Es geht mit anderen Worten darum, die Kluft zwischen den Rechtsvorschriften und der Realität zu verringern. Um das zu erreichen, bleibt noch viel zu tun. Tag für Tag gibt es schwerwiegende Rückschläge mit destabilisierenden Folgen. Die Menschenrechtsverletzungen mancher Staaten in ihrem Hoheitsgebiet werden bisweilen durch eine scheinbare politische Stabilität oder einen gewissen wirtschaftlichen Wohlstand verdeckt, können jedoch unvermittelt zum Auslöser innerer Unruhen werden, die sodann zu einem bewaffneten Konflikt eskalieren können. In Ländern mit solchen Konflikten sind nicht nur gravierende Rückschritte bei der Achtung der Menschenrechte zu beklagen, sondern dort kommt es häufig auch zu schweren und wiederholten Verstössen gegen das humanitäre Völkerrecht. Die Konflikte in Syrien, im Irak und im Jemen sind besonders verheerend. Andere Länder wie beispielsweise Afghanistan, Südsudan, die Zentralafrikanische Republik, Somalia, Libyen oder die Demokratische Republik Kongo versinken in langwierigen bewaffneten Konflikten.

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In den meisten bewaffneten Konflikten der heutigen Zeit wird die Zivilbevölkerung durch die Auswirkungen der Feindseligkeiten direkt oder indirekt schwer in Mitleidenschaft gezogen. Zivilpersonen sind besonders gefährdet, wenn die Kämpfe in dicht besiedelten Gebieten stattfinden und die Kombattanten sich unter die Bevölkerung mischen. Zudem wird die Zivilbevölkerung unter Verletzung des Völkerrechts regelmässig zur Zielscheibe gemacht. Allzu häufig wenden die Kämpfer Methoden an oder setzen Waffen ein, mit denen sie weder den Grundsatz der Unterscheidung zwischen Zivilpersonen und zivilen Gütern einerseits und militärischen Objekten andererseits noch den Grundsatz der Verhältnismässigkeit noch die ausdrücklichen Verbote bestimmter Waffen einhalten.

Diese wiederholten Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts sowie gewaltsame Zerstörungen veranlassen immer mehr Menschen zur Flucht. Der weltweite Bedarf an humanitärer Hilfe erreichte 2015 ein nie gekanntes Ausmass. Laut Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge wurde mehr als die Hälfte der syrischen Bevölkerung durch den Konflikt vertrieben: nahezu acht Millionen im Inneren des Landes, mehr als drei Millionen ins Ausland. In der Region des Tschadsees leben schätzungsweise zwei bis drei Millionen Vertriebene im Norden Nigerias, in Kamerun, Tschad und Niger. Weltweit gibt es Ende 2015 nahezu 60 Millionen Vertriebene, so viele wie nie zuvor seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Die Leiden der Zivilbevölkerung, die Vertreibungen und die Migrationsbewegungen sind eine direkte Folge von schweren Verstössen gegen das Völkerrecht. Sie machen deutlich, dass mehr getan werden muss, um zu gewährleisten, dass die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht weltweit mehr geachtet werden.

2.2

Das Fundament des Schweizer Engagements

Das Engagement der Schweiz für die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht wurzelt in einer langen geschichtlichen Tradition. Dieses Engagement ist wichtig nicht nur wegen der Werte, die es zu schützen sucht, sondern auch wegen seiner transversalen Dimension: Es trägt bei zur Stabilität, zur Sicherheit und zum Wohlstand der Schweiz und ihres internationalen Umfeldes. Die Schweiz stützt ihr diesbezügliches Engagement auf das Völkerrecht und auf ihre spezifischen Stärken.

2.2.1

Geschichtliche Wurzeln

Das humanitäre Engagement der Schweiz auf internationaler Ebene hat eine lange geschichtliche Tradition. Henry Dunant war Schweizer Bürger, in der Schweiz entstand die internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, hier befand sich die Wiege des humanitären Völkerrechts. Die Schweiz leistet seit Langem Hilfe für Konfliktopfer und setzt sich für ihren Schutz ein, und zwar in ihrer Eigenschaft als Vertragsstaat der Genfer Abkommen sowie durch ihre humanitäre Arbeit und durch die Unterstützung für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und zahlreiche andere in- und ausländische humanitäre Organisationen. Das internationa624

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le Engagement der Schweiz für die Menschenrechte datiert aus jüngerer Zeit, ist jedoch ebenfalls eng verbunden mit der Geschichte unseres Landes und den Prinzipien, die sein politisches und gesellschaftliches Gefüge im Laufe der Jahrhunderte prägten: Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten, Achtung der Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Föderalismus, friedliche Koexistenz und gegenseitiger Respekt von Bevölkerungsgruppen verschiedener Religionen, Sprachen, Ethnien und Kulturen.

Dass die Schweiz heute einschlägig profiliert ist, liegt auch an der Rolle, die Genf in der Geschichte des humanitären Völkerrechts und der Förderung der Menschenrechte gespielt hat. Begonnen hatte alles 1863 in Genf mit der Gründung des Internationalen Komitees der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege, des heutigen IKRK, doch der Aufstieg des internationalen Genf beschleunigte sich nach dem Ersten Weltkrieg mit der Gründung des Völkerbundes und der Internationalen Arbeitsorganisation und nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Gründung des Flüchtlingshilfswerks der UNO. Heute ist Genf die internationale Hauptstadt der Menschenrechte und der humanitären Hilfe.

2.2.2

Im Dienst des Friedens, der Sicherheit und des Wohlstands

Die Bundesverfassung von 1999 enthält einen Katalog von Grundrechten, der stark von den aus den internationalen Menschenrechtsverträgen, namentlich der Europäischen Menschenrechtskonvention10, abgeleiteten Garantien geprägt ist. Zudem bekräftigt sie die wachsende Bedeutung der Förderung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in der Schweizer Aussenpolitik und verknüpft sie mit den anderen Hauptzielen dieser Politik11. Sie anerkennt zudem die transversale Bedeutung dieses Engagements und seinen Beitrag zum Frieden, zur Sicherheit und zum Wohlstand der Schweiz und ihres internationalen Umfeldes.

Die Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit ist erfahrungsgemäss ein wichtiger Massstab für gutes Funktionieren der Institutionen eines Landes sowie für seine Stabilität und seinen Wohlstand. Die aktive Förderung von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit trägt auch zur Verwirklichung anderer aussenpolitischer Ziele bei, namentlich zur Verringerung von Armut und Migrationsströmen und zur Prävention von Konflikten, gewalttätigem Extremismus und Terrorismus. Diese transversale Dimension ist auch bei der Förderung der Frauenrechte und der Gleichberechtigung festzustellen ­ beides Faktoren, die für die wirtschaftliche Entwicklung wichtig sind und deren Schutz ebenfalls ein friedenspolitisches Instrument ist. Ein weiterer integraler Bestandteil der Friedenspolitik ist angemessener Schutz der ethnischen, sprachlichen und religiösen Minderheiten, und zwar entweder durch ein allgemeines Diskriminierungsverbot und die in demokratischen Gesellschaften üblichen Schutzmechanismen, oder durch die Zuerkennung von Sonderrechten für 10

11

Bericht des Bundesrates vom 19. Nov. 2014 in Erfüllung des Postulats Stöckli 13.4187 vom 12. Dez. 2013 «40 Jahre EMRK-Beitritt der Schweiz: Erfahrungen und Perspektiven», BBl 2015 357, 388 Vgl. insb. die Art. 2 und 54 Abs. 2 BV

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Minderheiten. Friedenspolitik trägt zur Stabilität eines Landes und zur Prävention von inneren Konflikten und Konflikten zwischen Nachbarländern bei.

Das humanitäre Völkerrecht hat eine andere Aufgabe: Es soll aus humanitären Gründen die Auswirkungen bewaffneter Konflikte eindämmen, indem es den Konfliktparteien Verhaltensregeln vorschreibt und die Personen schützt, die nicht oder nicht mehr an Feindseligkeiten teilnehmen. Damit trägt das humanitäre Völkerrecht auf seine Weise gleichfalls zur internationalen Stabilität und Sicherheit bei. Wenn die Parteien eines bewaffneten Konflikts das humanitäre Völkerrecht einhalten, kann dies dazu beitragen, eine Eskalation des Konflikts zu vermeiden, die Einleitung (und den Abschluss) eines Friedensprozesses zu erleichtern und die Versöhnung sowie den Wiederaufbau zu beschleunigen. Umgekehrt besteht bei Verstössen gegen das humanitäre Völkerrecht die Gefahr, dass der Konflikt sich noch verschärft und seine Folgen auch ausserhalb der Kampfzonen und jenseits der Grenzen spürbar werden.

Täglich zeigt sich, dass Staaten, die die Grundfreiheiten nicht achten und das humanitäre Völkerrecht nicht einhalten, eine Gefahr nicht nur für die eigene Bevölkerung sind, sondern auch für die Nachbarländer und die gesamte Region, wenn nicht sogar für die ganze Welt. Mangelnde Achtung der Menschenrechte kann ­ manchmal sehr schnell und kaum vorhersehbar ­ umschlagen und zum Katalysator innerer Unruhen oder eines bewaffneten Konflikts werden. Ein geografisch zunächst begrenzter Konflikt kann sich ausweiten zu einem grossräumigen bewaffneten Konflikt mit Auswirkungen in der ganzen Region und darüber hinaus. Die internationale Sicherheit hängt mit anderen Worten weitgehend von der menschlichen Sicherheit ab.

Diese enge Verknüpfung von Frieden und Sicherheit, Entwicklung, Menschenrechten und humanitären Angelegenheiten wird in der neuen aussenpolitischen Strategie 2016­2019 angemessen berücksichtigt. Das Gleiche gilt für die Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2017­2020, die dem Parlament Anfang 2017 unterbreitet wird und die erstmals alle Facetten der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz behandelt. Die Wechselbeziehung zwischen diesen verschiedenen Dimensionen wird auch im «Bericht über die Menschenrechtsaussenpolitik der Schweiz: Bilanz 2011­2014 und
Perspektiven» gebührend berücksichtigt und ist die Grundlage der Menschenrechtsstrategie des EDA, die derzeit fertiggestellt wird und deren strategische Schwerpunkte den in diesem Kapitel vorgestellten entsprechen.

2.2.3

Das Völkerrecht als Rückgrat des schweizerischen Engagements

Die Schweiz hat das Völkerrecht immer als strukturierendes und wesentliches Element der internationalen Beziehungen und als Bollwerk gegen das Faustrecht betrachtet. Das Eintreten für eine weltweit bessere Einhaltung des Völkerrechts ist ein strategischer Imperativ für ein Land wie die Schweiz, die sich nicht darauf verlassen kann, dass allein die Machtverhältnisse ihre Unabhängigkeit, ihren Wohlstand und ihre Sicherheit garantieren. Selbst wenn das Völkerrecht nicht genügend eingehalten wird, bietet es immerhin einen für die Organisation der internationalen Gemeinschaft unerlässlichen rechtlichen Rahmen.

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Die Bedeutung des Völkerrechts zeigt sich vor allem im Bereich Menschenrechte und Humanitäres. Von Anfang an war die Schweiz an den wichtigsten Entwicklungen des einschlägigen Völkerrechts beteiligt. 1864 präsidierte General Dufour die diplomatische Konferenz, die die erste Genfer Konvention zum Schutz der Verwundeten der Armeen im Felde verabschiedete. In der Schweiz fanden die grossen diplomatischen Konferenzen statt, die zu den Genfer Abkommen von 1949 (Genfer Konventionen) und ihren Zusatzprotokollen von 1977 führten, als deren Depositarstaat die Schweiz fungiert. Des Weiteren nahm die Schweiz aktiv an der Ausarbeitung der wichtigsten Menschenrechtsschutzabkommen auf regionaler Ebene (insbesondere im Rahmen des Europarats) und auf Weltebene teil. Zudem spielte sie eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der internationalen Institutionen in diesem Bereich, namentlich bei der Einsetzung des Menschenrechtsrates der UNO.

Das Völkerrecht ist das Rückgrat des Engagements der Schweiz für die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht. Die Schweiz nutzt das Völkerrecht bei ihren bilateralen und multilateralen Initiativen. Sie beruft sich auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Staaten und setzt das Völkerrecht als weltweit anerkannte Sprache zur Legitimation und Gestaltung ihrer einschlägigen Initiativen ein.

In vielen Bereichen ­ darunter auch den Menschenrechten ­ ist die Existenz des Völkerrechts von Vorteil für die Schweiz. Durch den Beitritt der Schweiz zur Europäischen Menschenrechtskonvention12 und anderen internationalen Abkommen wurden die Grundrechte der Einwohnerinnen und Einwohner des Landes in mehreren wichtigen Bereichen nach und nach ergänzt. In die Bundesverfassung von 1999 wurden mehrere völkerrechtliche Elemente aufgenommen, und sie wird auch weiterhin durch neue, von der Schweiz ratifizierte Abkommen ergänzt und bereichert, so beispielsweise kürzlich durch das Übereinkommen vom 13. Dezember 200613 zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen.

2.2.4

Die Stärken der Schweiz

Bei ihrem Engagement für die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht kann die Schweiz ihr besonderes Profil und ihre besonderen Stärken nutzen. Diese Stärken sind die humanitäre Tradition der Schweiz, die Tradition der guten Dienste und der Vermittlung, die traditionelle Rolle Genfs im Bereich des humanitären Völkerrechts, der Friedensförderung und der Menschenrechte sowie die ausgewiesene Expertise der Schweiz in diesen Fragen. Im Hinblick auf die Menschenrechte trägt es zur Glaubwürdigkeit der Schweiz bei, dass sie für mustergültige Institutionen steht, für demokratische Kultur, Rechtsstaatlichkeit, Dialogfähigkeit, Kompromissbereitschaft und für die Respektierung von Unterschieden. Es ist jedoch dafür Sorge zu tragen, dass diese Glaubwürdigkeit erhalten bleibt, wobei die Kohärenz zwischen Innen- und Aussenpolitik sowie zwischen den verschiedenen Bereichen der Aussenpolitik gewahrt werden muss. Auch die anderen Stärken der Schweiz auf internationaler Ebene ­ Neutralität, keine Kolonialvergangenheit, keine versteckte 12 13

Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, SR 0.101 SR 0.109

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politische Agenda ­ verleihen der Schweiz ein besonderes, im derzeitigen internationalen Kontext sehr geschätztes und gesuchtes Profil.

2.3

Herausforderungen und aktuelle Trends

Innerhalb von wenigen Generationen wurden bei der Bekräftigung und der Anerkennung der Universalität der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts beachtliche Fortschritte erzielt. In einem international schwierigen Umfeld mit teilweise widersprüchlichen Entwicklungen lassen sich jedoch auch eine Fragilisierung bestimmter Fortschritte sowie offensichtliche Rückschritte feststellen.

Nachfolgend werden vier Trends mit Auswirkungen auf die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht kurz beschrieben: 1) beschleunigte Entwicklung, auch im technologischen Bereich; 2) wachsende Bedeutung der nichtstaatlichen Akteure; 3) Komplexität moderner bewaffneter Konflikte; 4) Versuchung der identitären Abschottung.

2.3.1

Beschleunigte Entwicklung und rascher technologischer Wandel

Eine globalisierte und hypervernetzte Welt führt zu einer Beschleunigung der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Entwicklung. Die Informationen zirkulieren viel schneller und beeinflussen so die Abfolge der Ereignisse und die Art, wie sie gelesen werden. Der «Arabische Frühling» zeigt auf exemplarische Weise, wie ein lokales Ereignis infolge der unmittelbaren Verbreitung und möglichen Skalierung durch die modernen Medien und die sozialen Netzwerke rasch grosse Auswirkungen haben kann, zuerst auf nationaler Ebene, dann in anderen Ländern und Kontexten.

Diese beschleunigte Entwicklung und die Nutzung der neuen Technologien wirken sich sowohl positiv als auch negativ auf die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht aus. Im Zeitalter der sozialen Medien kann sich die Zivilgesellschaft leichter und spontaner mobilisieren, um ihre Forderungen auf nationaler Ebene und bei internationalen Institutionen vorzubringen. Es ist auch einfacher, Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts anzuprangern, zu dokumentieren und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Doch diese Technologien stellen auch eine Herausforderung dar, wie die Massenüberwachung und die elektronische Speicherung von Personendaten zeigen. Das Internet und die sozialen Medien können auch missbräuchlich verwendet werden, zum Beispiel als Propagandakanal oder als Mittel zur Druckausübung und Destabilisierung. In gewissen bewaffneten Konflikten sind die kriegsführenden Parteien zu Informationsproduzenten geworden, ähnlich den Medienschaffenden. Dies erhöht die Gefahr einer Manipulation von Informationen. Eine bewaffnete Gruppe wie der «Islamische Staat» beispielsweise setzt die sozialen Netzwerke besonders aktiv zu Rekrutierungs- und Propagandazwecken ein und schreckt nicht davor zurück, schwerwiegende Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu inszenieren.

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2.3.2

Wachsende Bedeutung der nichtstaatlichen Akteure

Die zunehmende Bedeutung der verschiedenen nichtstaatlichen Akteure (Privatsektor, Vertreter der Zivilgesellschaft, kriminelle Organisationen, bewaffnete Gruppen usw.) hat Auswirkungen auf den tatsächlichen Genuss der Menschenrechte und die Umsetzung des humanitären Völkerrechts. Zwar tragen die Staaten politisch und rechtlich nach wie vor die primäre Verantwortung für den Schutz ihrer Bevölkerung, doch in der Praxis wird dieses Monopol durch den Einfluss dieser verschiedenen nichtstaatlichen Akteure relativiert.

Die Existenz einer unabhängigen Zivilgesellschaft ist eine zentrale Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie, in der Schweiz und in der übrigen Welt. Eine aktive und entschlossene Zivilgesellschaft, deren Mitglieder untereinander vernetzt sind, ist unerlässlich, um das Handeln einer Regierung zu beobachten und von ihr Rechenschaft zu fordern. Doch diese kritische Haltung wird von bestimmten Staaten immer häufiger als Bedrohung wahrgenommen. In zahlreichen Ländern sind die Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft Repression verschiedener Art ausgesetzt, wie Einschüchterung, Verhaftung, Verschwindenlassen oder gar summarische Hinrichtung. Die Zivilgesellschaft ist auch mit verschiedenen Massnahmen konfrontiert, durch die ihre Handlungsfreiheit auf verstecktere Weise eingeschränkt wird. So werden oft administrative oder rechtliche Tricks eingesetzt, um die Eintragung einer Organisation oder deren Finanzierung aus dem Ausland zu verhindern oder um die Kommunikation über die öffentlichen Kanäle oder die Ausübung von Lobbying-Tätigkeiten zu verbieten.

In einer Welt, in der gewisse multinationale Konzerne Umsätze erzielen, die über dem Bruttoinlandprodukt einiger der modernsten Volkswirtschaften liegen, ist auch die Rolle des Privatsektors zu berücksichtigen. Viele Unternehmen sind sich bewusst, dass sie sich an die Rechtsnormen der Länder, in denen sie tätig sind ­ einschliesslich jener im Sozial- und Umweltbereich ­ zu halten haben. Doch in bestimmten sensiblen Bereichen, wie dem Bergbau, dem Handel mit Rohstoffen und privaten Sicherheitsdiensten, sind besondere Vorsichtsmassnahmen angezeigt.

Ausserdem sind einige multinationale Unternehmen in Ländern mit schwachen oder repressiven Regierungen oder in Regionen tätig, die von bewaffneten Konflikten betroffen sind. Sie müssen
daher der Gefahr, in Menschenrechtsverletzungen oder Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht verwickelt zu werden, besonders Rechnung tragen.

Die Bedeutung der nichtstaatlichen Akteure zeigt sich auch in den gegenwärtigen bewaffneten Konflikten. Heute stehen sich in Kriegen nur noch selten zwei reguläre Armeen auf dem Schlachtfeld gegenüber. An den meisten modernen bewaffneten Konflikten sind eine oder mehrere nichtstaatliche bewaffnete Gruppen beteiligt, und die Konflikte finden in Form von asymmetrischen oder hybriden Kriegen statt.

Ausserdem zeigt sich insbesondere in Ländern, in denen die staatlichen Strukturen geschwächt oder nicht mehr vorhanden sind, eine Tendenz zur Privatisierung der Kriege. So zählen in Somalia, Afghanistan, der Demokratischen Republik Kongo und in der Sahelzone neben den «klassischen» Rebellengruppen immer häufiger auch Warlords, bewaffnete Milizen, terroristische Gruppen oder mafiaartige Organisationen zu den Kriegsführern. Die bewaffneten Gruppen profitieren vom Krieg 629

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durch die Ausbeutung natürlicher Ressourcen, Drogenhandel, Menschenhandel, Geiselnahmen oder Diebstahl und Plünderungen. Im Irak und in Afghanistan beispielsweise haben die privaten Militär- und Sicherheitsfirmen in den vergangenen zehn Jahren einen regelrechten Boom erfahren. Mitunter nehmen sie militärische Kernaufgaben wahr, etwa wenn sie den Auftrag erhalten, komplexe Waffensysteme zu bedienen, Inhaftierte zu verhören oder militärische Konvois zu begleiten. Obwohl völkerrechtlich nicht verboten, werfen die Tätigkeiten dieser Firmen verschiedene Fragen in Zusammenhang mit dem anwendbaren Recht und dem Ausmass der jeweiligen Verantwortlichkeiten der privaten Firmen und der Staaten auf.

Die Zunahme der Terroranschläge überall auf der Welt ist ein weiteres Beispiel für die wachsende Bedeutung der nichtstaatlichen Akteure und die damit einhergehenden Herausforderungen. Diese terroristischen Gruppen gefährden die Grundfreiheiten und das Fundament unserer Demokratien und begehen oft schwerwiegende Verletzungen des humanitären Völkerrechts, wenn sie in bewaffnete Konflikte involviert sind. Zwingen sie die Staaten, die Massnahmen zum Schutz ihrer Bevölkerung zu verstärken, so kann dies in unseren demokratischen Gesellschaften zu einem schmerzhaften Dilemma zwischen den Sicherheitsbedürfnissen und dem Schutz der Grundrechte14 führen. Zudem haben die im Namen der Terrorismusbekämpfung getroffenen Massnahmen zuweilen besorgniserregende Rückschritte bei der Einhaltung der Menschenrechte oder des humanitären Völkerrechts zur Folge, wie aussergerichtliche Hinrichtungen, Verschwindenlassen, willkürliche Verhaftungen, Folter und unmenschliche und erniedrigende Behandlung. Solche Verstösse bilden wiederum einen Nährboden für Instabilität und Radikalisierung, die dem Terrorismus Vorschub leisten.

2.3.3

Komplexität moderner bewaffneter Konflikte

Die Welt ist heute nicht unbedingt unsicherer als am Ende des Kalten Kriegs, und die Zahl der bewaffneten Konflikte scheint in den vergangenen zehn Jahren zurückgegangen zu sein.15 Im gleichen Zeitraum sind jedoch die bewaffneten Konflikte deutlich blutiger geworden, und sie sind schwieriger zu verstehen und zu lösen als früher.

Die zunehmende Komplexität der heutigen Konflikte zeigt sich auf verschiedenen Ebenen: 14

15

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Ausdruck dieses Dilemmas sind insbesondere die am 11. Juli 2002 vom Ministerkomitee des Europarats verabschiedeten Leitlinien für Menschenrechte und Terrorismusbekämpfung und die am 2. März 2005 vom Ministerkomitee des Europarats verabschiedeten Leitlinien zum Schutz der Opfer von Terrorakten.

Zur Entwicklung der Anzahl bewaffneter Konflikte siehe die Erhebungen, die von der Akademie für humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte in Genf in ihrem Projekt Rules of Law in Armed Conflicts (RULAC) und vom Internationalen Institut für Strategische Studien in London (Armed Conflict Database ­ Monitoring Conflicts Worldwide) durchgeführt wurden. Dieses Institut registrierte im Jahr 2014 weltweit 42 bewaffnete Konflikte, das sind 21 weniger als 2008. Trotz dieses Rückgangs forderten die bewaffneten Konflikte 2014 180 000 Opfer, dreimal mehr als 2008. Dieser deutliche Anstieg geht insbesondere auf den Syrienkonflikt, der 2014 70 000 Menschenleben forderte, und das neuerliche Aufflammen der Gewalt in Afghanistan zurück.

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Auf der Ebene der Akteure, da an den meisten der heutigen bewaffneten Konflikte Regierungsstreitkräfte, eine oder mehrere nichtstaatliche bewaffnete Gruppen und oft Drittstaaten beteiligt sind. In gewissen Konflikten, wie in Syrien oder rund um den Tschadsee, stehen mehrere Dutzend, wenn nicht Hunderte von bewaffneten Gruppen im Einsatz. Die Fragmentierung der bewaffneten Gruppen, ihre relative Selbstständigkeit, das Fehlen von klaren Befehlsketten, über die eine gewisse Disziplin durchgesetzt werden könnte, behindern zudem die Umsetzung des humanitären Völkerrechts und die Arbeit der humanitären Organisationen vor Ort. Diese Zersplitterung macht Diskussionen und Verhandlungen mit Dutzenden verschiedener Akteure erforderlich und erhöht das Sicherheitsrisiko und die Zugangsprobleme, mit denen die betroffenen Bevölkerungen und die humanitären Akteure konfrontiert sind.

­

Auf der Ebene der konfliktauslösenden Faktoren, da die Vervielfachung der Akteure unausweichlich mit einer Diversifizierung der Kriegsmotive und -ziele einhergeht. Häufig lassen sich eine Verflechtung politischer, wirtschaftlicher und sozialer Motive, ethnische oder religiöse Rivalitäten, ein Wettbewerb um den Zugang zu natürlichen Ressourcen, kriminelle Beweggründe und Motive der persönlichen Bereicherung beobachten. Dazu kommen die Interessen von Drittländern, denn heute sind die meisten bewaffneten Konflikte Teil regionaler oder geostrategischer Rivalitäten.

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Auf der Ebene des anwendbaren Rechts, da die internationalen Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht in bewaffneten Konflikten oft gleichzeitig gelten. Jedes der beiden Regelwerke hat seine Eigenheiten, sie stehen aber in einer Wechselwirkung zueinander und ergänzen sich im Hinblick auf das gemeinsame Ziel, das Leben, die Gesundheit und die Würde des Menschen zu schützen.16

Die Vielfalt der in die Konflikte involvierten Akteure und ihre unterschiedlichen Beweggründe tragen zu einer Verlängerung der Konflikte bei. Gewisse bewaffnete Konflikte dauern mit wechselnd intensiven Phasen über mehrere Jahrzehnte an, und eine berechtigte Hoffnung auf ein baldiges Ende besteht nicht. Andere Konflikte sind «eingefroren», ohne jedoch gelöst worden zu sein, und können jederzeit wieder aufflammen. Zudem ist die Grenze zwischen Krieg und Frieden oft unscharf, so in Besatzungssituationen ­ wie es in weiten Gebieten des Westjordanlands, auf den Golanhöhen oder bei der Krim der Fall ist.

Diese steigende Komplexität und die geostrategischen Rivalitäten zwischen den grossen Mächten und den aufstrebenden Regionalmächten erschweren die Versuche der internationalen Gemeinschaft, den aktuellen bewaffneten Konflikten ein Ende zu setzen. Der Sicherheitsrat ist durch die Meinungsverschiedenheiten zwischen den 16

Zu den Wechselwirkungen zwischen Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht und zu den aktuellen Herausforderungen des humanitären Völkerrechts siehe den letzten IKRK-Bericht vom Okt. 2015 «Le droit international humanitaire et les défis des conflits armés contemporains» (vorgestellt an der 32. Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondkonferenz; Doc. 32IC/15/11). Siehe auch den Bericht des Bundesrates vom 17. Sept. 2010 in Erfüllung des Postulats 08.3445 der Ausserpolitischen Kommission des Ständerats.

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ständigen Mitgliedern zu oft blockiert, so auch in der Syrienfrage. Auch bei einer positiven Entwicklung bleiben die Friedensprozesse fragil und können durch gezielte Gewaltakte rasch zunichte gemacht werden.

2.3.4

Versuchung der identitären Abschottung

Die Globalisierung und die Leichtigkeit, mit der Informationen und Ideen verbreitet werden, führen zu einer engeren Verflechtung der verschiedenen Teile der Welt.

Andererseits bewirkt diese rasche Globalisierung eine Spaltung, indem die Kluft zwischen Arm und Reich in zahlreichen Ländern immer grösser wird. Zudem lösen die Neupositionierung der USA, Russlands und Chinas und der Ausbruch neuer Konflikte international Verunsicherung aus. Dies leistet einer identitären Auseinandersetzung und Abschottung Vorschub, die dazu führen können, dass die universelle Gültigkeit der Bestimmungen zum Schutz der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in Frage gestellt werden.

Die Auswirkungen der Globalisierung zeigen sich auch beim Konzept der Universalität der Menschenrechte, wo seit einigen Jahren eine Kehrtwende zu beobachten ist.

Weiter lassen sich bei der Umsetzung der Menschenrechte in bestimmten Kontexten zunehmend Spannungen erkennen. Die alte Diskussion, ob den bürgerlichen und politischen Rechten oder den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten Priorität zukommt, ist trotz der wiederholten Bekräftigung der Unteilbarkeit der Menschenrechte noch nicht ganz vom Tisch. Gewisse Staaten verweisen im Zusammenhang mit der Umsetzung der Menschenrechte zudem auf traditionelle Werte, die höher zu werten seien als die Menschenrechte, oder andere (politische, soziale, religiöse oder kulturelle) Identitätsmerkmale. Diese neue Form von Relativismus kann zum Beispiel dazu dienen, die Diskriminierung der Frau zu rechtfertigen, die Grundfreiheiten homosexueller Personen zu beeinträchtigen oder bestimmte grausame oder erniedrigende Methoden der Todesstrafe zu legitimieren. Die häufig geltend gemachten kulturellen und religiösen Unterschiede sind ein Hindernis für den Schutz der Rechte der Frauen, insbesondere in den Bereichen sexuelle und reproduktive Gesundheit, Landbesitz und Erbrecht oder im Kampf gegen die verschiedenen Formen von Gewalt, wie Früh- und Zwangsehen.

Der Relativismus wirkt sich auch auf das humanitäre Völkerrecht aus. Dies zeigt sich insbesondere in den Versuchen, dem humanitären Völkerrecht aus angeblich religiösen und kulturellen Gründen seine Sachdienlichkeit abzusprechen, obgleich die humanitären Regeln und Grundsätze tief in den wichtigsten Kulturen und Religionen der Welt
verwurzelt sind. Die augenfällige Missachtung der geltenden Regeln in bestimmten Kontexten trägt ebenfalls zu dieser Relativierungstendenz bei. Sie kann dazu führen, dass die Wirksamkeit und die Sachdienlichkeit dieser Regeln angezweifelt, ihre universelle Gültigkeit und ihr konkreter Geltungsbereich relativiert oder normative Neuerungen oder Änderungen gefordert werden, unter dem Vorwand, das Völkerrecht trage den heutigen Gegebenheiten nicht mehr genügend Rechnung. Diesen Bestrebungen ist entgegenzuhalten, dass nicht der normative Rahmen unzureichend oder unangemessen ist, sondern seine Umsetzung. Es kann nicht genügend daran erinnert werden, dass die beiden völkerrechtlichen Regel-

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werke universell akzeptiert sind und auf grundlegenden Prinzipien der Menschlichkeit und der Achtung der Menschenwürde beruhen und nicht an eine bestimmte Kultur oder Ideologie gebunden sind.

Doch die Gesellschaften weisen trotz der Globalisierung nach wie vor unterschiedliche ideologische und religiöse Bezugspunkte und Weltanschauungen auf. Dies erfordert von allen, die sich für die Förderung der Menschenrechte und die humanitäre Hilfe engagieren (Staaten, internationale Organisationen und NGO), den besonderen Befindlichkeiten der Länder, in denen sie tätig sind, Rechnung zu tragen, ohne die universelle Gültigkeit der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in Frage zu stellen. Zu diesem Zweck muss deutlicher auf die gemeinsamen Nenner hingewiesen und der Dialog mit den Regierungsbehörden und den verschiedenen Bereichen der Zivilgesellschaft gestärkt werden.

Die Menschenrechte sind in gewisser Weise auch Opfer ihres Erfolgs. Heute gibt es kaum eine politische Krisensituation, in der nicht auf die Menschenrechte verwiesen wird, entweder bei der Erklärung der Gründe für die Krise oder bei der Formulierung der Vorschläge zu deren Lösung. Diese Entwicklung ist positiv, da sie zu einem besseren Einbezug der Menschenrechte in die globale Gouvernanz beiträgt.

Leider geht sie seit einigen Jahren mit einer zunehmenden Politisierung der Menschenrechtsdiskussionen einher. In den multilateralen Gremien beschuldigt man sich gegenseitig, die Menschenrechte nur selektiv zu berücksichtigen und sie zu politischen, wirtschaftlichen oder geopolitischen Zwecken zu instrumentalisieren. Bei gewissen Themen bestehen insbesondere zwischen den demokratischen und autokratischen Staaten und zwischen den westlichen Ländern und bestimmten Entwicklungsländern regelrechte Gräben, die tendenziell noch grösser werden.

2.4

Schwerpunkte des Engagements der Schweiz

Die Schweiz trägt diesen Herausforderungen und aktuellen Tendenzen bei der Festlegung der Schwerpunkte ihres Engagements und ihrer Prioritäten Rechnung.

Die Ziele und Prioritäten der Schweiz werden in verschiedenen Strategiepapieren festgelegt, namentlich in der Aussenpolitischen Strategie 2016­2019, in der Strategie zum Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten 2013­2017 und in der Menschenrechtsstrategie des EDA 2016­2019. Die Schweiz zieht Initiativen vor, bei denen sie aufgrund ihrer Erfahrung einen substanziellen Beitrag leisten, konkrete Wirkungen erzielen und einen echten Mehrwert erbringen kann. Somit trägt sie ihren besonderen Stärken in diesem Bereich Rechnung (siehe oben), dank denen sie als Vorreiterin für neue Ideen und als Brückenbauerin zwischen verschiedenen Akteuren agieren und dabei ihren Werten und Interessen treu bleiben kann. Die Schweiz achtet auch darauf, dass sich ihr Engagement mit dem anderer Akteure ergänzt, etwa indem Synergien genutzt oder Aufgaben aufgeteilt werden. Es braucht eine gewisse Kontinuität des Engagements in den strategischen und thematischen Schwerpunkten. Doch dürfen diese Prioritäten die Schweiz nicht daran hindern, bei Notsituationen rasch zu reagieren und ihre besonderen Fähigkeiten, wo nötig und sinnvoll, auch in andern Bereichen einzusetzen.

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2.4.1

Die Allgemeingültigkeit und Angemessenheit des normativen Rahmens für den Schutz wahren

Im aktuellen, von raschem Wandel gekennzeichneten Kontext muss die Schweiz in erster Linie dafür sorgen, dass der Rahmen für den Schutz angemessen und kohärent bleibt, und dort, wo das Völkerrecht infrage gestellt wird, die universellen Errungenschaften verteidigen.

Die Allgemeingültigkeit der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts wahren Die Allgemeingültigkeit der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts ist eine bedeutende Errungenschaft, die von der Schweiz mit aktivem Engagement gewahrt und gefördert wird.

Die Schweiz setzt sich tatkräftig für die weltweite Ratifikation der wichtigsten bestehenden Verträge zum Schutz der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts ein und engagiert sich für die Kodifizierung des Völkergewohnheitsrechts. Sie unterstützt Aktivitäten zur Bekanntmachung des Inhalts der vorhandenen vertragsund gewohnheitsrechtlichen Bestimmungen und ihres universellen Charakters.

Beispiele: ­

Die Schweiz fordert die Staaten regelmässig auf, den wichtigsten allgemeinen und regionalen Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte, den Zusatzprotokollen zu den Genfer Abkommen, dem Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs und anderen Verträgen über das Verbot bestimmter Arten von Waffen beizutreten, sofern sie dies noch nicht getan haben. Zudem beteiligt sie sich an der Initiative zur weltweiten Ratifikation des UNO-Übereinkommens gegen Folter bis 2024 und zur Verbesserung der Umsetzung dieses Übereinkommens und des dazugehörigen Fakultativprotokolls.

­

Die Schweiz fördert aktiv die Verbreitung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts bei nichtstaatlichen Akteuren, auch bei bewaffneten Gruppen. Sie unterstützt verschiedene Initiativen, die der Erläuterung des Inhalts des Völkerrechts in diesen beiden Bereichen und seiner praktischen Konsequenzen für nichtstaatliche Akteure dienen.

Dafür sorgen, dass der rechtliche Rahmen für den Schutz weiter angemessen und kohärent ist Die Schweiz tritt dafür ein, dass der normative Rahmen für den Schutz aktuellen wie künftigen Anforderungen entspricht. Wo das Völkerrecht Lücken aufweist, unterstützt sie die Bemühungen um seine Kodifizierung oder Weiterentwicklung. Erweist sich die Annahme eines neuen internationalen Übereinkommens als unrealistisch, da es möglicherweise keinen wahren Zusatznutzen hinsichtlich des Schutzes erbringt oder eher der Klärung des Rechtsrahmens dient, unterstützt die Schweiz freiwillige Initiativen zur Ausarbeitung und Durchführung nicht rechtsverbindlicher Übereinkünfte. Mit diesem Ansatz ist es möglich, die erforderlichen normativen Leitlinien vorzugeben und die Umsetzung des Völkerrechts zu erleichtern, indem aus prakti-

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scher Sicht beleuchtet wird, wie die Staaten mit einer konkreten Frage in ihren nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten umgehen sollten.

Die Schweiz ist ferner bestrebt, den negativen Folgen der zunehmenden Fragmentierung des Völkerrechts entgegenzuwirken, und hinterfragt kritisch die Entwicklungen, die eine Schwächung bewährter Grundsätze bewirken oder Konflikte zwischen den verschiedenen Rechtsordnungen auslösen. Darüber hinaus bemüht sie sich um die Vermeidung oder Begrenzung von Kompetenzstreitigkeiten zwischen internationalen Institutionen, die zu Divergenzen bei der Auslegung und Anwendung der internationalen Normen führen können.

Beispiele: ­

Im April 2015 ratifizierte die Schweiz den Vertrag über den Waffenhandel, der die Einführung eines Systems zur Kontrolle des Transfers (von konventionellen Waffen, Munition, Teilen und Komponenten) auf der Grundlage genauer Kriterien und unter Berücksichtigung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts vorsieht. Laut dem Vertrag ist ein Transfer zudem verboten, wenn er Anlass zu Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verletzungen anderer internationaler Verpflichtungen oder Verstösse gegen Embargobeschlüsse des UNO-Sicherheitsrates geben kann.

Die Schweiz hatte aktiv an der Ausarbeitung des Vertrags mitgewirkt und bei seiner Ratifikation eine interpretative Erklärung formuliert, in der die darin enthaltenen humanitären Bestimmungen hervorgehoben werden. An der ersten Konferenz der Vertragsstaaten im August 2015 erwirkte die Schweiz die Ansiedlung des Sekretariats des Vertrages in Genf. Sie engagiert sich nun für die wirksame Umsetzung des Vertrages und ist bei der raschen Ansiedlung des Sekretariats behilflich.

­

In den vergangenen zehn Jahren wurde das «klassische» Konzept der Annahme eines neuen internationalen Übereinkommens ferner bei zwei wichtigen Themen bevorzugt: den Rechten der Menschen mit Behinderungen und dem Kampf gegen das Verschwindenlassen. Die Schweiz beteiligte sich aktiv an der Ausarbeitung dieser beiden Übereinkommen und trat dem Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im April 2014 bei. Die Ratifikation des Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen wurde vom Parlament im Dezember 2015 beschlossen.

­

Ein weniger konventioneller, eher auf dem «Soft Law» beruhender Ansatz wurde bezüglich der gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen verfolgt. Die Schweiz unterstützte die Ausarbeitung der Leitprinzipien der UNO für Wirtschaft- und Menschenrechte und der Leitsätze der OECD für multinationale Unternehmen und setzt sich für ihre Umsetzung ein. Darüber hinaus engagierte sie sich in Multi-Stakeholder-Initiativen, die spezifischere Themen betrafen. So setzte die Schweiz in Zusammenarbeit mit dem IKRK einen Prozess in Gang, der 2008 in die Verabschiedung des MontreuxDokuments über private Militär- und Sicherheitsunternehmen mündete. Dieses Dokument enthält Ausführungen zum anwendbaren Völkerrecht für private Militär- und Sicherheitsfirmen und eine Zusammenstellung bewährter

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Verfahren, auf die sich die Staaten stützen können, um geeignete nationale Massnahmen zur Wahrnehmung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen zu treffen. Im Dezember 2014 begründeten die Schweiz und das IKRK gemeinsam mit 52 weiteren Ländern das Montreux-Dokument-Forum, das eine Plattform für den Austausch und die Koordination der nationalen Regulierungsmassnahmen in diesem Bereich bietet. Zudem bekräftigte die Schweiz ihr diesbezügliches Engagement auf nationaler Ebene mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 27. September 201317 über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen (BPS) am 1. September 2015. Eines der Ziele des neuen Gesetzes ist die Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts (Art. 1 Bst. d BPS).

­

Die Schweiz beteiligt sich aktiv am Kampf gegen den Terrorismus, der für den Schutz der Bevölkerung und die Verteidigung der Grundrechte der menschlichen Person unerlässlich ist. Gemäss der Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung (vom Bundesrat am 18. Sept. 2015 verabschiedet) erfolgt der Kampf gegen den Terrorismus im Rahmen der Verfassung und des Völkerrechts unter besonderer Berücksichtigung der Grund- und Menschenrechte. International gilt die Schweiz als verlässliche, umsichtige und dem Völkerrecht verpflichtete Akteurin. Die Schweiz trägt aktiv zur Stärkung des normativen Rahmens der internationalen Terrorismusbekämpfung bei und unterstützt internationale Organisationen sowie andere Staaten beim Kapazitätsaufbau für eine wirkungsvolle und rechtsstaatlich legitimierte Terrorismusbekämpfung, die die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht einhält und fördert. Die Schweiz legt ein besonderes Augenmerk auf die Verhütung des gewaltsamen Extremismus und tritt dafür ein, dass die auf internationaler Ebene neu angenommenen Bestimmungen zur Terrorismusbekämpfung nicht im Widerspruch zu den Menschenrechten oder dem humanitären Völkerrecht stehen. So setzte sie sich gemeinsam mit anderen Partnerländern nachdrücklich für eine bessere Einhaltung der Verfahrensgarantien für Personen oder Einrichtungen ein, gegen die der Sicherheitsrat gezielte Sanktionen verhängt hat.

­

Die Schweiz bringt sich in die laufenden Überlegungen zu den Herausforderungen ein, die durch den Einsatz neuer Technologien für die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht entstehen. Sie beteiligt sich namentlich an der internationalen Debatte zu den Themen Cyberkrieg, autonome Waffensysteme, Massenüberwachung und elektronische Speicherung personenbezogener Daten.

­

Die Schweiz unterstützte die Überarbeitung der UNO-Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen und trug zum Konsens bei, der sich 2015 über diese nun als «Nelson-Mandela-Regeln» bezeichneten Grundsätze herausbildete. Sie setzte sich dafür ein, bei der Revision dieses Regelwerks von 1955 die bisherigen Fortschritte beim Schutz der Menschenrechte, etwa bei der Bekämpfung von Folter und anderer unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung, zu berücksichtigen.

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SR 935.41

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In Zusammenarbeit mit dem IKRK, dem UNO-Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) und der Organisation «Conflict Dynamics International» (CDI) erstellte die Schweiz ein Handbuch zum normativen Rahmen für den humanitären Zugang. Zudem verfasste sie gemeinsam mit dem OCHA und der CDI-Leitlinien für die Akteure vor Ort.

Diese beiden Veröffentlichungen dienen als Referenzwerke für die Ausbildung der Mitarbeitenden humanitärer Organisationen.

Kampf gegen Relativismus und missbräuchliche Instrumentalisierung Die Schweiz geht gegen die Infragestellung oder Schwächung universeller Normen und Versuche eines kulturellen Relativismus vor. Sie bekämpft aktiv Bestrebungen, bestimmte Menschenrechte oder das humanitäre Völkerrecht unter Berufung auf vorgeblich höhere «traditionelle Werte» oder andere Besonderheiten der Identität, egal welcher Art, anzutasten. Dazu stützt sie sich auf die bestehenden Regeln von universeller Tragweite.

Allgemein engagiert sich die Schweiz für einen konstruktiven Verlauf der multilateralen Debatte, die von einer wachsenden Polarisierung geprägt ist. Sie tritt dafür ein, Spannungen zu entschärfen, und bemüht sich, Brücken zu bauen und Positionen einander anzunähern, wobei sie ihren Werten und den Erfordernissen des Völkerrechts treu bleibt. Ebenso ist sie bestrebt, bei bestimmten Themen überregionale Bündnisse anzubahnen, wenn sich dies als möglich erweist.

Beispiele: ­

Die Schweiz setzt sich aktiv dafür ein, die Todesstrafe vollständig abzuschaffen oder zumindest ein weltweites Moratorium für Hinrichtungen bis 2025 zu erreichen. Dabei macht sie sich universelle und regionale Übereinkünfte zur Abschaffung der Todesstrafe zunutze und greift auch auf die Rechtsakte zurück, die ihre Anwendung auf die schwersten Verbrechen beschränken und Hinrichtungen von Minderjährigen untersagen. Zudem stützt sich die Schweiz auf die internationale Bewegung zur Abschaffung der Todesstrafe sowie darauf, dass die Todesstrafe bislang von etwa 160 Ländern de jure oder de facto abgeschafft wurde. Im September 2015 brachte die Schweiz gemeinsam mit anderen Ländern eine anschliessend vom Menschenrechtsrat verabschiedete Resolution ein, die auf die Missachtung der Menschenrechte der zu Tode Verurteilten und ihrer Angehörigen bei der Anwendung der Todesstrafe aufmerksam macht.

­

Bei der Förderung der Rechte der Frauen und der Gleichstellung der Geschlechter orientiert sich die Schweiz am UNO-Übereinkommen über die Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau und an anderen einschlägigen internationalen Rechtsinstrumenten, um den von einigen Ländern angeführten Argumenten ideologischer, kultureller oder religiöser Art zu begegnen. In den Vordergrund ihres bilateralen und multilateralen Engagements stellt die Schweiz die politische und wirtschaftliche Eigenständigkeit der Frauen, ihre gleichberechtigte Teilhabe an Entscheidungsprozessen, die Bekämpfung aller Formen von Gewalt (darunter Früh- und Zwangsehen) sowie den Schutz der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und der reproduktiven Rechte. Zudem plädiert die Schweiz für einen besseren Schutz 637

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von Frauen in bewaffneten Konflikten, unter anderem auch im Hinblick auf das Risiko sexueller Gewalt. Sie unterstützt Initiativen zur Förderung der Teilhabe von Frauen an Friedensprozessen und am Wiederaufbau nach einem Konflikt.

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Die Schweiz setzt sich dafür ein, die Allgemeingültigkeit der humanitären Grundsätze und Regeln besser bekannt zu machen und ihre Wurzeln in den verschiedenen Kulturen und Religionen der Welt herauszustellen. Sie bemüht sich, ein besseres Verständnis der Grundsätze der Unparteilichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit zu fördern, die der humanitären Hilfe für die betroffene Bevölkerung einen politikfreien Raum zusichern sollen. 2015 wirkte die Schweiz darauf hin, die Bekräftigung der Grundprinzipien des humanitären Engagements zu einem Schwerpunkt der 32. Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondkonferenz zu machen. Auch am Weltgipfel für humanitäre Hilfe, der im Mai 2016 in Istanbul stattfindet, wird sie sich für dieses Anliegen einsetzen.

­

Die Schweiz organisiert oder finanziert internationale Kurse mit dem Ziel, das humanitäre Völkerrecht besser bekannt zu machen, namentlich bei Befehlshabern und juristischen Beratern der Streitkräfte. Dabei arbeitet sie insbesondere mit dem IKRK, dem Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik und dem Internationalen Institut für humanitäres Recht in San Remo zusammen.

2.4.2

Die Einhaltung der bestehenden Regeln verbessern

Der internationale Regulierungsrahmen zum Schutz der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts erfüllt insgesamt seinen Zweck und deckt die wichtigsten Bedürfnisse ab. Die grösste Herausforderung besteht heute in der effizienten Umsetzung der geltenden Regeln, d. h. in der Verminderung der Kluft zwischen Recht und Wirklichkeit.

Die nationalen Institutionen stärken Die Schweiz engagiert sich auf nationaler und lokaler Ebene für die Stärkung der institutionellen Architektur zum Schutz der Menschenrechte und des Rechtsstaates.

Sie unterstützt den Ausbau der Kapazitäten bestehender staatlicher Einrichtungen und die Schaffung unabhängiger Institutionen. Im Allgemeinen fördert sie die Entwicklung von Mitwirkungs-, Gouvernanz- und Kontroll-Mechanismen, die zu einer Verbesserung der Menschenrechtssituation beitragen können. Dieser Einsatz erfolgt in Zusammenarbeit mit verschiedenen andern nationalen und lokalen Akteuren (Regierungsstellen, Justizorganen, Parlamenten, Zivilgesellschaft usw.).

Beim humanitären Völkerrecht unterstützt die Schweiz auch den Ausbau nationaler Kapazitäten, namentlich indem sie Ausbildungskurse finanziert, mit andern Ländern den Dialog über gesetzgeberische und regulatorische Umsetzungsmassnahmen pflegt und die Kontakte zwischen den nationalen Kommissionen für humanitäres Völkerrecht fördert.

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Beispiele: ­

Die Schweiz setzt sich in zahlreichen Ländern für die Stärkung der nationalen Institutionen zum Schutz der Menschenrechte ein. Sie unterstützt zum Beispiel in Bolivien und Pakistan Projekte zur Beschleunigung von hängigen Gerichtsverfahren und zur Verbesserung des Zugangs der Bevölkerung abgelegener Regionen zum Justizsystem. In Tansania engagierte sie sich für die Medien und die Meinungsfreiheit sowie für eine Stärkung der Wahlaufsichtsbehörden. In Mazedonien und Serbien legte sie das Schwergewicht auf die Stärkung der parlamentarischen Strukturen auf nationaler und regionaler Ebene. In Myanmar unterstützte die Schweiz 2015 den Transitionsprozess und die Durchführung von Wahlen.

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Die Schweiz fördert die Schaffung von nationalen Kommissionen für humanitäres Völkerrecht. Sie bereitet zusammen mit dem IKRK ein Treffen mit allen nationalen Kommissionen Ende 2016 in Genf vor. Ziel ist es, den Erfahrungsaustausch und die Kontakte zwischen diesen nationalen Kommissionen zu fördern.

­

In der Schweiz sorgt seit 2009 eine Kommission für humanitäres Völkerrecht für den Informationsaustausch und die Koordination der Aktivitäten. Zu den ordentlichen Sitzungen der Kommission werden Vertreterinnen und Vertreter des Schweizerischen Roten Kreuzes und des IKRK eingeladen. Im Bereich Menschenrechte gibt es seit 2009 das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte, das als Pilotprojekt dient. Sein Mandat wurde 2015 um fünf Jahre verlängert, und es werden zurzeit verschiedene Optionen für eine dauerhafte Regelung geprüft.

Die internationalen und regionalen Institutionen stärken Die Schweiz setzt sich für eine Stärkung der Rolle der multilateralen Institutionen bei der Umsetzung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts auf internationaler und regionaler Ebene ein.

Auf internationaler Ebene spielte die Schweiz eine wichtige Rolle bei der Schaffung des UNO-Menschenrechtsrats, der 2006 die Menschenrechtskommission abgelöst hat. Sie setzt sich weiterhin ein für eine Effizienzsteigerung der Verfahren und Instrumente dieses Rats und für den Ausbau der Interventionskapazitäten des UNOSystems vor Ort, namentlich mittels regionaler und nationaler UNO-Büros. Die Schweiz verfolgt auch die Arbeiten anderer UNO-Organe und -Institutionen, deren Mandat nicht ausschliesslich Menschenrechtsfragen umfasst, die aber in dieser Frage eine wichtige Rolle spielen (Sicherheitsrat, Wirtschafts- und Sozialrat einschliesslich der Kommission für die Stellung der Frau, UNO-Sonderorganisationen usw.).

Auf regionaler Ebene setzt sich die Schweiz in den Organisationen, denen sie angehört, für eine verstärkte Tätigkeit im Bereich der Förderung und Umsetzung der Menschenrechte ein, beispielsweise im Europarat, beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Sie ergreift Initiativen zur Verstärkung der Arbeit dieser Institutionen vor Ort, namentlich in Bereichen, in denen diese eine strategisch wichtige 639

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Stellung haben und die UNO-Organisationen gut ergänzen. In prioritären Tätigkeitsbereichen baut die Schweiz auch gezielt Kooperationen mit regionalen Organisationen anderer Kontinente auf, bei denen sie nicht Mitglied ist.

Im Bereich des humanitären Völkerrechts nimmt die Schweiz die Aufgaben als Depositarstaat der Genfer Konventionen und ihrer Zusatzprotokolle wahr. In dieser Funktion und als Vertragsstaat der Genfer Konventionen kommt der Schweiz eine besondere Rolle bei der Förderung des humanitären Völkerrechts zu. Sie unterstützt auch aktiv das IKRK, die internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung sowie Nichtregierungsorganisationen und akademische Einrichtungen, die in diesem Bereich tätig sind, wie die Akademie für humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte in Genf und die drei Zentren für Sicherheitspolitik (GCSP), für humanitäre Minenräumung (GICHD) und für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte (DCAF).

Generell unterstützt die Schweiz einen umfassenden und angemessenen Einbezug der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in den verschiedenen multilateralen Institutionen. Für dieses Ziel setzt sie sich namentlich in den Organisationen ein, bei denen sie zu den Hauptgeldgebern gehört (UN Women, UNOBevölkerungsfonds, Entwicklungsprogramm der UNO, UNO-Kinderhilfswerk, UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge).

Beispiele: ­

Im Hinblick auf eine bessere Einhaltung des humanitären Völkerrechts führte die Schweiz gemeinsam mit dem IKRK Konsultationen bei Staaten und anderen Akteuren durch. Dabei zeigte sich, dass die vorhandenen Mechanismen zur Umsetzung des humanitären Völkerrechts angesichts der Art und Komplexität der heutigen bewaffneten Konflikte nicht ausreichen. Zudem fehlt in den Genfer Konventionen eine Konferenz der Vertragsstaaten oder ein ähnliches institutionelles Forum, wo die Staaten über Probleme bei der Anwendung und über aktuelle Herausforderungen diskutieren können. Die Schweiz setzt sich dafür ein, dass diese Lücke geschlossen wird. Die 32. Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondkonferenz beschloss im Dezember 2015, einen zwischenstaatlichen Prozess unter Führung der Schweiz und des IKRK zu lancieren, bei dem die Aufgaben und Modalitäten eines neuen Staatenforums zur Förderung des humanitären Völkerrechts ausgehandelt werden sollen.

­

Die Schweiz wird ab 2016 wiederum für drei Jahre im Menschenrechtsrat Einsitz nehmen, nachdem sie dieses Mandat bereits zweimal (2006­2009, 2010­2013) innehatte. Dort wird sich die Schweiz vor allem für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe, das Verbot der Folter, die Stärkung der Rolle der Zivilgesellschaft, den Schutz von Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten, die Respektierung der Menschenrechte bei friedlichen Demonstrationen, die Förderung der Rechte der Frauen und Kinder sowie für die verstärkte strafrechtliche Verfolgung schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen einsetzen. Die Schweiz wird sich für einen glaubwürdigen und handlungsfähigen Menschenrechtsrat stark machen, der auf besorgniser-

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regende Situationen reagieren kann und mit seinen Aktivitäten zur Konfliktprävention beiträgt.

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Bei der Erarbeitung der Agenda 2030 setzte sich die Schweiz mit Erfolg dafür ein, dass die Förderung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit in den neuen Zielen für eine nachhaltige Entwicklung verankert werden. Sie hat erreicht, dass dem Zugang aller zu Wasser und sanitären Einrichtungen sowie dem nachhaltigen Umgang mit Wasserressourcen ein eigenes Ziel (Ziel 6) gewidmet wurde. Sie hat sich für die Aufnahme des Zugangs zur Justiz und der Förderung der Rechtsstaatlichkeit in die Ziele der nachhaltigen Entwicklung eingesetzt (Ziel 16). Schliesslich hat sie darauf geachtet, dass der Geschlechtergleichstellung angemessen Rechnung getragen wird, sowohl in Form eines eigenen Ziels (Ziel 5) als auch als Transversalthema.

Schutz der verletzlichsten Gruppen In ihrem internationalen und bilateralen Engagement richtet die Schweiz ein besonderes Augenmerk auf den Schutz der verwundbarsten Bevölkerungsgruppen. Dabei achtet sie jedoch darauf, dass bei der Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse dieser Gruppen die grundlegenden Prinzipien nicht verletzt werden, namentlich das Prinzip der Gleichbehandlung bei der Beanspruchung der Menschenrechte, oder aber das Prinzip der Unparteilichkeit von humanitären Massnahmen, welche sich an den Bedürfnissen orientieren müssen und nicht an der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe.

Die Schweiz achtet besonders auf die Rechte der Angehörigen von ethnischen, sprachlichen oder religiösen Minderheiten. Sie setzt sich dafür ein, dass Angehörige von Minderheiten nicht diskriminiert oder in ihren Rechten und Freiheiten eingeschränkt werden, und sorgt dafür, dass die Allgemeingültigkeit der Menschenrechte nicht durch eine einförmige Anwendung, welche die besonderen Bedürfnisse der Minderheiten vernachlässigen würde, pervertiert wird. Die aktuelle Lage im Nahen Osten zeigt, dass ethnische und religiöse Minderheiten besonders verletzlich sind, wenn ein bewaffneter Konflikt ausbricht. Die Schweiz lanciert Initiativen oder beteiligt sich an Initiativen, die eine bessere Einhaltung des humanitären Völkerrechts gewährleisten und gegen die Straflosigkeit von Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit, unter denen vor allem Minderheiten leiden, vorgehen wollen.

Beispiele: ­

Die Schweiz war das erste Land, das 2009 eine Strategie zum Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten erarbeitet hat. Die Strategie wurde 2013 überarbeitet und umfasst Massnahmen, welche die Schweiz in den folgenden drei Schwerpunktbereichen ergriffen hat: Förderung der Einhaltung des Rechtsrahmens, operative Tätigkeit zugunsten der Menschen, die geschützt werden sollen, und Verstärkung des multilateralen Engagements.

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Die Schweiz unterstützt Projekte, welche sicherstellen sollen, dass Kindersoldaten wiedereingegliedert werden und bessere Zukunftschancen erhalten.

Sie hat 2014 einen Aktionsplan zur verbesserten Einhaltung der bestehenden 641

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Schutzregeln, zur Verstärkung der multilateralen Tätigkeit in diesem Bereich und zur Entwicklung von Partnerschaften vor Ort verabschiedet.

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Bezüglich des Schutzes von Minderheiten lässt die Schweiz andere Länder an ihren Erfahrungen teilhaben und engagiert sich für Angehörige besonders gefährdeter Minderheiten wie etwa religiöser Minderheiten im Nahen Osten und der Roma auf dem Balkan. Der Einsatz der Schweiz für die Verbesserung der Lebens- und Wohnsituation der Roma in Serbien wurde 2015 von «UN Habitat» ausgezeichnet. In der Schweiz wurden konkrete Massnahmen ergriffen, um das Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten umzusetzen. Die Schweiz hat die sprachlichen Minderheiten, die Angehörigen der jüdischen Gemeinschaft und die Fahrenden, die in der Schweiz meistens Jenische und Sinti/Manouche sind, als nationale Minderheiten im Sinn des Rahmenübereinkommens anerkannt.

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Die Schweiz und Norwegen haben 2012 die Nansen-Initiative zum besseren Schutz von Menschen, die infolge von klimabedingten Naturkatastrophen ins Ausland fliehen müssen, lanciert. Im Rahmen einer Reihe von regionalen Konsultationen wurde eine Schutzagenda erarbeitet, die an einem globalen Treffen im Oktober 2015 in Genf von mehr als hundert Regierungen unterstützt wurde.

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Die Schweiz beteiligt sich an dem vom IKRK 2012 lancierten multilateralen Prozess zur Stärkung des rechtlichen Schutzrahmens für Inhaftierte in bewaffneten Konflikten.

Konsequent auf Verstösse reagieren Die Schweiz bemüht sich, wo es angebracht ist, konsequent und nicht selektiv auf Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu reagieren.

Sie behandelt die verschiedenen Verletzungen mit gleicher Besorgnis, unabhängig davon, wo und von wem sie begangen wurden.

Bezüglich Menschenrechte führt die Schweiz regelmässig eine Prüfung der Lage in jedem Land durch und achtet dabei besonders auf Entwicklungen bei Gesetzgebung und Praxis, die den Menschenrechten stark widersprechen könnten. Bei ihren Interventionen in den multilateralen Gremien sowie bei andern Staaten weist sie auf die Defizite bei der Umsetzung hin und stützt sich dabei auf die internationalen und die von den betreffenden Staaten eingegangenen Verpflichtungen. Die Schweiz gibt ihren politischen Interventionen und allfälligen Beanstandungen von Versäumnissen in der Regel ein menschliches Antlitz, indem sie Einzelfälle aufzeigt, sei es vertraulich gegenüber dem betroffenen Staat, sei es öffentlich, zum Beispiel im Rahmen multilateraler Gremien.

Beim humanitären Völkerrecht stützt sich das Engagement der Schweiz auf den ersten Artikel aller vier Genfer Konventionen, der vorsieht, dass sich die Hohen Vertragsparteien verpflichten, die Konventionen unter allen Umständen einzuhalten und ihre Einhaltung durchzusetzen. Die Schweiz prangert schwere und wiederholte Verletzungen des humanitären Völkerrechts öffentlich an. Sie appelliert an die verschiedenen Konfliktparteien und leitet diplomatische Schritte ein, wenn dies angezeigt ist.

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Beispiele: ­

Bei jeder Sitzung des Menschenrechtsrats meldet sich die Schweiz unter Traktandum 4 («Menschenrechtssituationen, mit denen sich der Rat befassen muss») zu Wort, um auf dringende Situationen oder besonders schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen in bestimmten Ländern hinzuweisen. Die Schweiz bemüht sich, bei den Ländern, die sie in diesem Zusammenhang zitiert, ein Gleichgewicht zwischen den Regionen einzuhalten.

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Die Schweiz prangert die schweren oder wiederholten Verletzungen des humanitären Völkerrechts öffentlich an und ruft die beteiligten Parteien von bewaffneten Konflikten regelmässig auf, das humanitäre Völkerrecht besser einzuhalten.

Die Überwachung verstärken und die Urheber der Verletzungen zu einer Berichterstattung verpflichten Auf globaler und regionaler Ebene engagiert sich die Schweiz für eine Stärkung der Überwachungsgremien und -mechanismen. Sie unterstützt namentlich die Organe der UNO-Abkommen und die Ausschüsse des Europarats, die die Umsetzung spezieller Verpflichtungen überwachen.

Das Engagement der Schweiz im Bereich der Strafjustiz und der Bekämpfung der Straflosigkeit ist ein wichtiger Teil ihres Einsatzes zugunsten der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts. Die Schweiz engagiert sich für die Stärkung und Effizienz der internationalen Gerichte, namentlich des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs und des Internationalen Strafgerichtshofs. Über die Bemühungen im Bereich der Strafverfolgung hinaus fördert die Schweiz Initiativen zur Sachverhaltsermittlung und zur Entschädigung der Opfer, vor allem im Rahmen der Übergangsjustiz. Sie engagiert sich bei den Partnerländern dafür, gesetzliche und institutionelle Reformen zu fördern und zu begleiten, die in Richtung einer Stärkung der Mechanismen der Rechenschaftspflicht, des Zugangs zur Justiz und der Berichterstattung gehen.

Beispiele: ­

Die Schweiz macht sich stark für ein besseres Funktionieren des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und die Durchführung von Reformen zum Erhalt der Wirksamkeit eines Mechanismus, dank dem Einzelpersonen in den Mitgliedsländern des Europarats einen internationalen Schutz geniessen, der bis heute einmalig ist. Sie unterstützt auch die Reformen zur Effizienzsteigerung der Expertenausschüsse für die UNO-Abkommen und hat zur Unterstützung von deren Arbeit zusammen mit der Akademie für humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte in Genf 2015 eine elektronische Plattform lanciert.

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Die Sachverhaltsermittlung ist ein wichtiger Aspekt bei der Umsetzung. Die Schweiz führt das Sekretariat der Internationalen Humanitären Ermittlungskommission, die mit dem ersten Zusatzprotokoll von 1977 zu den Genfer Konventionen geschaffen wurde. Sie unterstützt wenn nötig die Schaffung von internationalen Ad-hoc-Untersuchungskommissionen, die den Sachverhalt bei angezeigten Verletzungen der Menschenrechte oder des humanitä643

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ren Völkerrechts abklären. In Zusammenarbeit mit der Harvard-Universität wurde ein Handbuch bewährter Vorgehensweisen und Methoden der internationalen Untersuchungskommissionen erarbeitet und den interessierten Institutionen zur Verfügung gestellt (UNO, Afrikanische Union, OSZE, Organisation Amerikanischer Staaten).

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Die Schweiz engagiert sich ganz besonders für die internationale Strafgerichtsbarkeit. Sie fördert aktiv die Anerkennung der Rechtsprechung dieser internationalen Gerichte, indem sie etwa zum Beitritt zum Römer Statut aufruft. Sie hat sich ausserdem dafür eingesetzt, dass dem Internationalen Strafgerichtshof Situationen unterbreitet werden, über die Hinweise über schwere Menschenrechtsverletzungen vorliegen (Syrien, Irak, Nordkorea).

Gleichzeitig setzt sie sich für ein besseres Funktionieren des Internationalen Strafgerichtshofs ein. An einer 2014 auf Einladung der Schweiz in Glion durchgeführten Konferenz wurden konkrete Indikatoren entwickelt. Diese Empfehlungen und Indikatoren wurden im November 2015 im Rahmen der Versammlung der Vertragsstaaten des Römer Statuts diskutiert und werden jetzt angewendet.

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Die Schweiz unterstützt Projekte und Initiativen im Zusammenhang mit der Vergangenheitsarbeit und der Vorbeugung künftiger Massengräueltaten, insbesondere in Ländern, in denen ein Konflikt oder ein autoritäres Regime herrschte, wie zum Beispiel in den Philippinen oder in Kolumbien.

Genf als Zentrum der internationalen Zusammenarbeit stärken Heute ist Genf eine eigentliche internationale Hauptstadt der Menschenrechte und der humanitären Angelegenheiten. Im humanitären Bereich beherbergt Genf insbesondere das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge, das IKRK und die internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften. Die Menschenrechtsplattform seinerseits formiert sich um das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte, den Menschenrechtsrat sowie die verschiedenen Sachverständigenausschüsse, die durch die internationalen Verträge zum Schutz der Menschenrechte eingesetzt wurden. Dieser Pfeiler des internationalen Genf profitiert sehr stark vom Austausch mit den akademischen Institutionen und von zahlreichen Nichtregierungsorganisationen, die in Genf präsent oder aktiv sind.

Die Schweiz unterstützt die strategischen Aktivitäten des Zentrums für Menschenrechte/humanitäre Angelegenheiten und erleichtert den themenübergreifenden Austausch mit andern Bereichen des internationalen Genf wie etwa dem der Gesundheit. Sie unterstützt auch die Zusammenarbeit mit den akademischen Einrichtungen, den Nichtregierungsorganisationen und dem Privatsektor, um Genf als führenden Thinktank für die Gouvernanz der Menschenrechte und der humanitären Angelegenheiten zu stärken.

Beispiele: ­

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Die Schweiz tritt für eine Erhöhung und Umstrukturierung der Ressourcen der Institutionen ein, die im Bereich der Gouvernanz der Menschenrechte und der humanitären Angelegenheiten eine zentrale Rolle spielen, nament-

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lich des Hochkommissariats für Menschenrechte, des Hochkommissariats für Flüchtlinge und von UN Women.

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Die Schweiz arbeitet eng mit den akademischen Institutionen und den drei Genfer Zentren für Sicherheitspolitik (GCSP), für humanitäre Minenräumung (GICHD) und für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte (DCAF) zusammen, um das internationale Genf zu einem Kompetenzzentrum für Fragen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts zu machen.

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Die Schweiz unterstützt die Durchführung der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Konferenz, an der alle vier Jahre die Vertragsstaaten der Genfer Konventionen und die verschiedenen Einheiten der Bewegung (nationale Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, IKRK und Internationale Föderation) zusammenkommen. Die Schweiz beherbergte im Dezember 2015 die 32. Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Konferenz in Genf und stellte einen Kommissär zur Verfügung, um deren ordnungsgemässen Ablauf zu gewährleisten und die Arbeiten voranzutreiben. Im Oktober 2015 konnte die Schweiz in Genf auch die globalen Konsultationen im Hinblick auf den Weltgipfel für humanitäre Hilfe vom Mai 2016 in Istanbul beherbergen und gemeinsam mit der UNO organisieren.

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Zusammen mit «Terre des hommes» organisierte die Schweiz im Januar 2015 den ersten Weltkongress zum Jugendstrafrecht, an dem über 60 staatliche Delegationen teilnahmen und an dem konkrete Empfehlungen zur Verbesserung des Schutzes der Kinder im Rahmen der Strafjustiz verabschiedet wurden.

2.4.3

Alle massgeblichen Akteure einbeziehen

Getreu dem Grundsatz der Universalität, der ihre internationalen Beziehungen prägt, ist die Schweiz bereit, mit allen Staaten einen Dialog über die Mittel zur Stärkung der Menschenrechte und zur Achtung des humanitären Völkerrechts zu führen.

Zudem engagiert sie sich für neue Formen der Zusammenarbeit, die die Einbindung aller betroffenen Akteure ermöglichen.

Einen Dialog mit den Staaten führen Souveräne Staaten als tragende Elemente der internationalen Gemeinschaft spielen bei der Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts nach wie vor eine zentrale Rolle.

Je nach ihren Interessen und Zielen sucht die Schweiz aktiv das Gespräch mit anderen Staaten. Insbesondere ist sie bestrebt, die sich bietenden Möglichkeiten zum Dialog mit den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates, regional einflussreichen Ländern oder Ländern, die potenziell eine Schlüsselrolle in der internationalen Debatte spielen, sowie Schwellenländern mit wachsendem Einfluss in multilateralen Institutionen zu nutzen. Ebenso erörtert die Schweiz Menschenrechtsfragen und Aspekte des humanitären Völkerrechts mit den Staaten, mit denen sich die Zusam-

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menarbeit in der Regel schwieriger gestaltet. Nach Möglichkeit baut dieser Dialog auf einer bilateralen Beziehung im Rahmen einer bereits bestehenden privilegierten Partnerschaft auf.

Allgemein spricht die Schweiz aktuelle Menschenrechtsbelange und Fragen des humanitären Völkerrechts in den meisten bilateralen Konsultationen mit anderen Ländern an. Diese Themen werden entweder im Rahmen eines gesonderten Kapitels der bilateralen politischen Konsultationen behandelt oder sind Gegenstand spezifischer Beratungen. Menschenrechtsdialoge führt die Schweiz nur dann, wenn das betreffende Land seine Bereitschaft zum ernsthaften, kritischen und konstruktiven Gespräch bekundet hat und Interesse an einer verstärkten bilateralen und multilateralen Zusammenarbeit über die Menschenrechte hinaus besteht. Eine wesentliche Bedingung, die die Schweiz an den Einsatz dieses Instruments knüpft, ist die Einbindung der Zivilgesellschaft in bestimmte Aktivitäten, die im Rahmen derartiger Dialoge stattfinden.

Darüber hinaus ist der Schweiz daran gelegen, die Frage der Achtung der Menschenrechte auch in die bilaterale Zusammenarbeit auf anderen Gebieten, etwa Handel, Migration oder Justiz, einzubringen.

Beispiele: ­

Im Rahmen der bestehenden Menschenrechtsdialoge hielt die Schweiz im vergangenen Jahr mehrere Runden bilateraler Konsultationen mit China, Nigeria, Russland, Senegal, Vietnam und Tadschikistan ab. Zudem unterstützte sie in jedem dieser Länder Projekte und den Austausch von Sachverständigen in verschiedenen Menschenrechtsbereichen.

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2015 lancierte die Schweiz neue Konsultationen zur Menschenrechtspolitik mit Südafrika, Mexiko und Nordkorea.

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Ferner hält die Schweiz spezifische bilaterale Dialoge über die Todesstrafe mit den Ländern ab, die die Option einer Abschaffung erwägen oder möglicherweise Schritte in diese Richtung unternehmen werden, jedoch noch zögern.

Die Zivilgesellschaft verstärkt einbinden Bei der Einhaltung, Förderung und Weiterentwicklung der Menschenrechte kommt der Zivilgesellschaft eine zentrale Bedeutung zu. Die Zivilgesellschaft spielt eine entscheidende Rolle für das reibungslose Funktionieren der demokratischen Institutionen, die kritische Beobachtung des staatlichen Handelns und die Interessenvertretung bestimmter Bevölkerungsgruppen.

Die Schweiz setzt sich für die Beteiligung der Zivilgesellschaft an den von ihr geförderten Aktivitäten auf multilateraler und bilateraler Ebene ein. Sie legt Wert darauf, alle massgeblichen Akteure der Zivilgesellschaft in ihre Projekte vor Ort einzubeziehen. Die Schweiz ist sich der Herausforderungen bewusst, die mitunter bei der Zusammenarbeit mit Mitgliedern der Zivilgesellschaft bestehen, etwa wenn diese wenig repräsentativ für die Gesamtbevölkerung oder die nach eigenen Angaben vertretene Bevölkerungsgruppe sind. Sie unterstützt den Kapazitätsaufbau in der Zivilgesellschaft und die Kontakte zwischen ihren Vertretern sowie mit der Zivilge-

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sellschaft anderer Länder der Region und der Schweiz selbst. Darüber hinaus trägt die Schweiz zur Verbreitung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts über die Kultur, das Filmschaffen, die Menschenrechtsbildung oder andere Mittel bei. Sie fördert das Engagement Jugendlicher und die Nachwuchsbetreuung in nichtstaatlichen Organisationen.

Beispiele: ­

Die Schweiz engagiert sich konkret für den Schutz von Menschenrechtsverteidigern, die regelmässig Bedrohungen ausgesetzt sind und häufig um ihr Leben oder ihre körperliche Unversehrtheit fürchten müssen. 2013 wurden Leitlinien verabschiedet, die dem EDA und den Schweizer Vertretungen im Ausland als Orientierungshilfe bei ihrer Arbeit auf diesem Gebiet dienen.

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Die Schweiz fördert eine höhere Beteiligung der Vertreter der Zivilgesellschaft an multilateralen Foren, indem sie auf die verstärkte Einbindung der Zivilgesellschaft in die Entscheidungsprozesse zur Regelung der Menschenrechte hinarbeitet und indem sie nichtstaatliche Organisationen dazu ermutigt, den Erörterungen in multilateralen Gremien, namentlich in Genf, beizuwohnen und direkt daran mitzuwirken, sowie ihnen Unterstützung in dieser Hinsicht gewährt. Ebenso leistet sie finanzielle Unterstützung für nichtstaatliche Organisationen, die in Genf ansässig sind und zur Dynamik und zum reibungslosen Funktionieren der Menschenrechtsinstitutionen beitragen.

Wirtschaftsakteure in die Verantwortung nehmen Als Standort einer Reihe der weltweit wichtigsten transnationalen Unternehmen kommt der Schweiz eine bedeutende Rolle dabei zu, diesen Unternehmen ihre gesellschaftliche Verantwortung in Bezug auf die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht bewusst zu machen. Dies gilt insbesondere für bestimmte sensible Wirtschaftsbereiche wie die Förderindustrie, den Rohstoffhandel und private Sicherheitsunternehmen.

Die Schweiz fördert Multi-Stakeholder-Initiativen, die das Ziel haben, die Unternehmen des Privatsektors über internationale Normen zu informieren und sie zu ihrer Achtung anzuhalten. Sie bestärkt den Privatsektor, die Zivilgesellschaft, akademische Einrichtungen und die Regierungen darin, einen Dialog zu diesem Thema zu führen. Zudem bemüht sie sich um den Aufbau pragmatischer Partnerschaften mit privatwirtschaftlichen Unternehmen, namentlich mit den in fragilen Kontexten agierenden Unternehmen, um sie hinsichtlich ihrer Verantwortlichkeiten zu beraten.

Beispiele: ­

Die Schweiz trug zur Ausarbeitung der «Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte» der UNO bei und engagiert sich bei ihrer Umsetzung, namentlich indem sie die Aktivitäten des Hohen Kommissars der UNO für Menschenrechte und der eigens zu diesem Thema eingesetzten UNOArbeitsgruppe unterstützt. Die Schweiz unterstützt auch die einschlägigen Aktivitäten anderer internationaler Organisationen, namentlich des Europarates.

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Des Weiteren wirkte die Schweiz bei der Ausarbeitung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und der ergänzenden OECD-Leitsätze für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten für Minerale aus Konflikt- und Hochrisikogebieten mit und setzt sich für ihre Umsetzung ein. Letztere helfen den Unternehmen, die Menschenrechte in ihren globalen Lieferketten zu achten und die Unterstützung von Konflikten zu vermeiden.

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Die Schweiz spielt eine herausragende Rolle bei der Umsetzung und Verbreitung der «Freiwilligen Grundsätze zur Wahrung der Sicherheit und der Menschenrechte». Diese im Jahr 2000 verabschiedeten Freiwilligen Grundsätze liefern den in der Erdöl- und Erdgasgewinnung sowie im Bergbau tätigen Unternehmen konkrete Anhaltspunkte dafür, wie sie ihre Verantwortlichkeiten in diesem Bereich wahrnehmen können. Im Februar 2015 gehörten der Initiative 28 Unternehmen, zehnNGO, neun Regierungen (darunter die Schweiz) und sieben Beobachter an.

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Im Rahmen der Folgemassnahmen zu dem vom Bundesrat veröffentlichten Grundlagenbericht Rohstoffe lancierte die Schweiz 2015 einen mehrseitigen Prozess im Hinblick auf die Ausarbeitung eines Leitfadens zur Umsetzung der Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte im Bereich des Rohstoffhandels.

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Bei der Korruptionsbekämpfung, die überall auf der Welt eine bedeutende Herausforderung darstellt, gilt es insbesondere, eine bessere Achtung der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte zu gewährleisten. Im Menschenrechtsrat wirkt die Schweiz darauf hin, dass im internationalen Kampf gegen Korruption nicht nur gezielt gegen die Urheber von Korruptionsdelikten vorgegangen wird, sondern ergänzend dazu auch die Rechte der Opfer stärker beachtet werden.

Andere nichtstaatliche Akteure berücksichtigen Eine kohärente Politik zur Förderung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts muss der Rolle anderer nichtstaatlicher Akteure, namentlich bewaffneter Gruppen, Rechnung tragen. Diese Gruppen sind als Konfliktparteien an die Regeln des humanitären Völkerrechts gebunden. Zudem üben sie oft territoriale Kontrolle aus und haben damit besondere Verantwortlichkeiten gegenüber der in diesen Gebieten lebenden Zivilbevölkerung.

Die Schweiz besteht auf der Notwendigkeit, die Gelegenheiten für den Kontakt mit bewaffneten Gruppen zu wahren, um in der Lage zu sein, sie zu einer besseren Achtung des humanitären Völkerrechts anzuhalten, den humanitären Zugang zu den Opfern bewaffneter Konflikte zu gewährleisten und ­ sofern dies möglich und angezeigt erscheint ­ die Tür für eine politische Vermittlung offen zu halten. Im Mittelpunkt des Handelns steht für die Schweiz die Opferperspektive. Insofern ist die Frage, ob ein staatlicher oder ein nichtstaatlicher Akteur für das erlittene Unrecht verantwortlich ist, zweitrangig. Ebenso ist auch bei der Sicherung des humanitären Zugangs die Frage, wer jeweils die territoriale Kontrolle ausübt, den Bedürfnissen der betroffenen Bevölkerung nachgeordnet.

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Beispiele: ­

Die Schweiz beteiligt sich aktiv an der in multilateralen Foren geführten Debatte über die Verantwortlichkeiten nichtstaatlicher Akteure, namentlich bewaffneter Gruppen, und über die Mittel und Wege, sie zu einer besseren Achtung des humanitären Völkerrechts zu ermuntern. Die Schweiz achtet darauf, dass die von bewaffneten Gruppen begangenen Rechtsverletzungen angemessen und ohne Verwässerung der Verantwortung der jeweiligen Staaten behandelt werden.

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Die Schweiz fördert die Verbreitung des humanitären Völkerrechts bei allen Parteien bewaffneter Konflikte. In Anbetracht der wichtigen Rolle nichtstaatlicher bewaffneter Gruppen in den Konflikten der Gegenwart hält die Schweiz daran fest, wie wichtig es ist, die Gelegenheiten für den Kontakt und den Dialog mit diesen Gruppen hinsichtlich der Achtung des humanitären Völkerrechts und anderer humanitärer Belange zu wahren. Sie unterstützt die Aktivitäten, die das IKRK und die nichtstaatliche Organisation «Geneva Call» in diesem Bereich durchführen.

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Die Terrorismusbekämpfung ist eine grosse Herausforderung, die zum Schutz unserer Freiheiten und der Sicherheit der Bevölkerung entschieden angegangen werden muss. Allerdings ist darauf zu achten, dass die zur Bekämpfung des Terrorismus getroffenen Massnahmen nicht im Widerspruch zu den Menschenrechten und dem humanitären Völkerrecht stehen.

So können bestimmte Rechts- oder Verwaltungsvorschriften dadurch, dass sie alle Formen der Unterstützung für als terroristisch eingestufte bewaffnete Gruppen unter Strafe stellen, die Verbreitung des humanitären Völkerrechts beträchtlich behindern und zu einer Kriminalisierung von humanitären Aktivitäten führen, mit denen wesentliche Bedürfnisse der Opfer bewaffneter Konflikte gedeckt werden sollen. Die Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung (vom Bundesrat am 18. Sept. 2015 verabschiedet) sieht ausdrücklich vor, dass die humanitäre Aktion (Hilfe und Schutz) von der Terrorismusbekämpfung unangetastet bleibt. Die Schweiz regt an, auf internationaler Ebene eine Debatte über die Risiken einer potenziellen Kriminalisierung humanitärer Massnahmen zu führen.

3

Aussenpolitische Aktivitäten der Schweiz im Berichtsjahr

3.1

Nachbarstaaten

Die ganz besondere Bedeutung der Nachbarstaaten für die Aussenpolitik der Schweiz wurde 2015 einmal mehr bestätigt, insbesondere hinsichtlich der Europapolitik. Die Strategie des Bundesrates für die Umsetzung des neuen Verfassungsartikels 121a der Bundesverfassung18 (BV), den das Volk am 9. Februar 2014 mit der Initiative «Gegen Masseneinwanderung» angenommen hat, sieht vor, die Nachbar18

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staaten eng in die Verhandlungen mit der Europäischen Union (EU) über das Abkommen vom 21. Juni 199919 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Personenfreizügigkeitsabkommen, FZA) einzubeziehen.

Frankreich, Italien, Deutschland und Österreich haben zahlreiche Staatsangehörige, die als in der Schweiz Wohnhafte oder als Grenzgänger von den Rechten profitieren, die ihnen das FZA auf Schweizer Staatsgebiet einräumt. Diese Länder haben daher ein besonderes Interesse daran, dass die Situation ihrer Mitbürgerinnen und Mitbürger bei der Suche nach einer Lösung berücksichtigt wird. Das vergangene Jahr bot mehrfach Gelegenheit, sich diesbezüglich mit den Nachbarstaaten auszutauschen, insbesondere im April 2015 anlässlich des Empfangs für den französischen Staatspräsidenten François Hollande in der Schweiz oder Anfang September anlässlich des Besuchs der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in Bern.

Bezüglich der Sicherheitslage in Europa und weltweit spielen die Nachbarstaaten der Schweiz auf der internationalen Bühne eine wichtige Rolle. Frankreich und Deutschland, die direkt in die vorgängigen Verhandlungen involviert waren, unterzeichneten am 14. Juli 2015 das iranische Nuklearabkommen. Diese beiden Länder haben auch die «Normandie-Gruppe» initiiert, der auch Russland und die Ukraine angehören: Diese Gruppe war 2015 besonders aktiv bei der Lösung der Ukrainekrise. 2016 wird Deutschland und 2017 Österreich den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) übernehmen. Gestützt auf ihre Erfahrung mit dem OSZE-Vorsitz 2014 hat die Schweiz beschlossen, ihre Zusammenarbeit mit den deutschsprachigen Ländern auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik im Rahmen der OSZE zu verstärken. Eine Erklärung in diesem Sinne ist am 16. August 2015 von den Aussenministern der deutschsprachigen Länder (Deutschland, Liechtenstein, Österreich, Schweiz) in Neuenburg verabschiedet worden. Im Rahmen der OSZE sieht sie insbesondere ein gemeinsames Engagement zur Lösung des Ukrainekonflikts, den Ausbau des Instrumentariums der Organisation im Bereich der Konfliktprävention sowie der Stärkung der wirtschaftlichen Konnektivität der Mitgliedstaaten vor (vgl. Ziff. 3.3.1).

Im Steuerbereich
waren die Beziehungen zu den Nachbarstaaten auf bilateraler Ebene durch die Fortsetzung des Dialogs mit Frankreich und mit Italien geprägt, auf multilateraler Ebene durch die Unterzeichnung des Abkommens Schweiz-EU über die Einführung des automatischen Informationsaustauschs am 27. Mai 2015. Die Umsetzung dieser Normen, die für 2017 anvisiert ist, wird sich direkt auf die Steuerbeziehungen zwischen der Schweiz und ihren Nachbarn auswirken.

Deutschland, Österreich und Liechtenstein gehören wie die Schweiz zu den Staaten mit einem ähnlichen Berufsbildungssystem. Der 2015 gefällte Entschluss, im kommenden Jahr ein Geberkomitee «Duale Berufsbildung», an dem die Entwicklungszusammenarbeitsagenturen dieser drei Länder und der Schweiz beteiligt sind, zu gründen, bekräftigte erneut den Willen, die Zusammenarbeit und die Synergien für die Förderung des dualen Bildungssystems im Ausland zu verstärken.

In den bilateralen Beziehungen mit Frankreich bildete der Staatsbesuch von François Hollande in der Schweiz im April einen Höhepunkt des Jahres. Dieser Besuch 19

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SR 0.142.112.681

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bestätigte nicht nur die engen freundschaftlichen Beziehungen zwischen Frankreich und der Schweiz, sondern eröffnete den beiden Ländern überdies mehrere neue Kooperationsmöglichkeiten. Bereiche wie Berufsbildung, Klimawandel oder internationale Sicherheit wurden für künftige Kooperationen identifiziert; sie sind jetzt Gegenstand von Gesprächen zwischen den zuständigen Behörden. Präsident Hollande bekräftigte überdies das Interesse Frankreichs an einer Lösung beim FZA zwischen der Schweiz und der EU, namentlich im Hinblick auf die zahlreichen französischen Grenzgänger, und sagte seine Unterstützung zu. Steuerfragen überschatteten zwar lange die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Staaten, doch waren sie nicht Gegenstand vertiefter Diskussionen. Der diesbezügliche Dialog, der im November 2013 aufgenommen worden war, wurde während des ganzen Jahres fortgeführt. Derzeit geht es dabei vor allem um die Frage des Zugangs zu den Finanzmärkten und die Amtshilfe.

Im Dezember fand in Paris die 21. Klimakonferenz (COP21) statt (vgl. Ziff. 3.4.4).

Die Schweiz hat bei der Organisation dieses Anlasses eng mit Frankreich zusammengearbeitet. Insbesondere wurde im Februar eine Vorbereitungssitzung der internationalen Arbeitsgruppe in Genf organisiert. Auf Einladung der Schweiz und der USA trafen Anfang September in Paris auch die Minister der Länder zusammen, die die internationalen Klimaschutzmassnahmen finanzieren.

Mit Frankreich sind 2015 die technischen Gespräche für ein Gesundheitsrahmenabkommen wesentlich vorangeschritten. Damit sollen Projekte der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich auf Ebene der zuständigen Regionalbehörden der beiden Länder erleichtert werden.

Im Dossier EuroAirport Basel-Mülhausen wurden im Laufe des Jahres erhebliche Fortschritte erzielt, sodass eine Globallösung für die hängigen Steuerfragen gefunden werden konnte. In einem ersten Schritt legte die französisch-schweizerische Erklärung der Aussenminister im April das Fundament für eine Einigung über drei der vier noch offenen Punkte, nämlich die Anwendung der Schweizer Mehrwertsteuer im Schweizer Zollsektor des Flughafens, die direkte Besteuerung des Flughafens und den finanziellen Ausgleich der Kosten der französischen «Direction générale de l'aviation civile» (DGAC) im Zusammenhang mit dem Schweizer
Zollsektor. Im Verlauf des Sommers wurde dann eine Schätzung der Steuerbelastung der Unternehmen im Schweizer Sektor des Flughafens im Fall eines Wechsels zum französischen Steuersystem erstellt; es konnten Lösungsvorschläge diskutiert werden, auch wenn die Frage der Erhebung lokaler Steuern und Abgaben noch offen ist. Im Folgenden konnte auch bei der direkten Besteuerung der Unternehmen im Schweizer Sektor des Flughafens eine Einigung erzielt werden.

Im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit Frankreich begann in Genf eine neue Phase der institutionellen Erneuerung der grenzübergreifenden Gremien. Es geht darum, sie für die Bevölkerung sichtbarer zu machen und die Transparenz der Zusammenarbeit zu erhöhen. Die seit 2006 bestehende Zusammenarbeit im Ballungsgebiet Doubs wurde institutionalisiert. Im Anschluss an eine wissenschaftliche Studie wurden technische Gespräche über die Mengenbewirtschaftung der Gewässer im Einzugsgebiet der Rhone aufgenommen. Und im September wurde «Tango», das von der Eidgenossenschaft mitfinanzierte leistungsfähige Busangebot in Annemasse, eingeführt.

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Wie bei den anderen Nachbarländern standen auch bei den bilateralen Beziehungen mit Österreich europapolitische Fragen im Zentrum, insbesondere die Umsetzung des neuen Verfassungsartikels im Migrationsbereich. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga begab sich am 6. Mai 2015 zu einem offiziellen Besuch nach Wien, um dort den österreichischen Präsidenten Heinz Fischer und Bundeskanzler Werner Faymann zu treffen. Schwerpunkte der Gespräche waren die Beziehungen der Schweiz und Österreichs zur EU, die Migrationspolitik und die Flüchtlingssituation in Europa. Auf bilateraler Ebene wurden die Konsultationen über die Regelung des Übergangs vom 2013 in Kraft getretenen Quellensteuerabkommen20 zum internationalen Standard des automatischen Informationsaustauschs fortgeführt.

Österreich als Vorsitzland der OSZE ist ein wichtiger Partner der Schweiz in Sicherheitsfragen. Mit Blick auf den österreichischen OSZE-Vorsitz von 2017 fand während des ganzen Jahres 2015 zwischen den beiden Ländern ein Informationsaustausch und Austausch über gute Praktiken statt. Die Situation der Westbalkanländer blieb ebenfalls Gegenstand intensiver Gespräche. Österreich verfügt in Bezug auf diese Region über besonderes Fachwissen und Kontakte.

Der Kontakt zur Bundesregierung Deutschlands war von zahlreichen hochrangigen Treffen geprägt. Nachdem der letzte offizielle Arbeitsbesuch von Bundeskanzlerin Merkel in der Schweiz vor rund sieben Jahren stattfand, bildete ihr Besuch am 3. September in Bern einen Höhepunkt der bilateralen Beziehungen. Während ihres Besuches wurde deutlich, dass der Austausch zwischen der Schweiz und Deutschland facettenreich und durch die Verbindung zahlreicher Interessen geprägt ist, so zum Beispiel im Bereich des Warenverkehrs (Deutschland ist der wichtigste Handelspartner der Schweiz) oder im Verkehrs- und Energiebereich, aber auch in Wissenschaft und Forschung. Deutschland ist für die Schweiz deshalb auch ein erstrangiger Partner bei der Lösungsfindung in Bezug auf die Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmungen über die Zuwanderung und bei der Schaffung einer konstruktiven Diskussionsatmosphäre in den Gremien der EU. Die Migrationslage in Europa war demnach auch immer ein wichtiges Thema bei den offiziellen Gesprächen. Der Finanzdialog mit Deutschland wurde 2015 weitergeführt, unter anderem auch im
Hinblick auf den deutschen G20-Vorsitz 2017. Zu dem 2013 zwischen den Finanzministerien der Schweiz und Deutschlands getroffenen Memorandum zur grenzüberschreitenden Erbringung von Finanzdienstleistungen sind im Juli letzte Klärungen erfolgt: Schweizer Banken, die grenzüberschreitend in Deutschland Finanzdienstleistungen anbieten wollen, können um eine vereinfachte Freistellung bei der deutschen Finanzmarktaufsicht ersuchen.

Die enge bilaterale Zusammenarbeit mit Deutschland im Bereich Frieden und Sicherheit, die sich im Kontext des Schweizer OSZE-Vorsitzes 2014 entwickelt hatte, wurde im Berichtsjahr weitergeführt. Deutschland spielte auch 2015 eine aktive Rolle bei der Suche nach einer Lösung im Ukrainekonflikt. Die Zusammenarbeit mit der Schweiz in der OSZE-Troika war dabei ausgezeichnet (vgl.

Ziff. 3.3.1). Auch kam es zu zahlreichen bilateralen Treffen der Aussenminister.

Nachdem der Departementsvorsteher 2014 an die deutsche Botschafterkonferenz 20

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Abkommen vom 13. April 2012 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich über die Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt, SR 0.672.916.33

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nach Berlin eingeladen worden war, erwiderte er diese Einladung und lud Bundesaussenminister Steinmeier an die hiesige Botschafterkonferenz 2015 nach Bern ein.

Zum ersten Mal überhaupt in der langjährigen Geschichte der Botschafterkonferenz nahm der Aussenminister eines anderen Staates teil. Im Rahmen der Beziehungen zu Deutschland wurde auch der besonderen politischen und wirtschaftlichen Bedeutung des Bundeslandes Baden-Württemberg für die Schweiz Rechnung getragen. So kam es zu einem Arbeitstreffen zwischen dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten und der schweizerischen Bundespräsidentin, bei dem neben der Personenfreizügigkeit die Zusammenarbeit im Energiebereich im Zentrum stand. Wichtige Themen im grenzüberschreitenden Raum waren ausserdem die Verkehrsinfrastruktur, insbesondere in den Bereichen Luft- und Schienenverkehr, sowie die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich (vgl. Ziff. 3.4.4).

Die Zusammenarbeit mit Italien war auch 2015 von hoher Intensität. Die Weltausstellung Expo Mailand 2015 stand im Zentrum der Weltöffentlichkeit und diente als wichtige Plattform für offizielle Veranstaltungen und Treffen am Rande des Grossanlasses. Ihre Lage erhöhte die Bedeutung der Expo für die Schweiz zusätzlich. Fünf Bundesräte reisten nach Mailand, um sich ein Bild vor Ort machen zu können und Gesprächspartner zu treffen.

Im bilateralen Verhältnis mit Italien konnte im Fiskal- und Finanzbereich ein wichtiger Fortschritt erzielt werden: Am 23. Februar unterzeichneten die Schweiz und Italien in Mailand eine Einigung in Steuerfragen, die von grosser Relevanz für die gesamten bilateralen Beziehungen ist und u a. die Regulierung von unversteuerten Geldern vor der Einführung des automatischen Informationsaustausches vorsieht.

Auch die Frage der Grenzgängerbesteuerung konnte Ende Jahr geregelt werden. Bei allen Treffen war das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU ein zentrales Thema. Dabei wurden auch gemeinsame Interessen im Energie- und Verkehrsbereich besprochen. Die Verschärfung der Migrationslage im Mittelmeer war für Italien das zentrale innen- und europapolitische Thema. Die Schweiz bot im Rahmen der Zusammenarbeit als assoziiertes Mitglied von Schengen/Dublin Unterstützung an. In den grenzüberschreitenden Beziehungen mit Norditalien nahmen weiterhin die
Verkehrsinfrastrukturen einen wichtigen Platz ein (vgl. Ziff. 3.4.4). Zudem hat der Bund den Kanton Tessin bei der Verbesserung seiner Beziehungen zu Norditalien unterstützt. Den Eigenheiten des Kantons Tessin und seines Arbeitsmarktes im Zusammenhang mit den italienischen Grenzgängern wurde dabei Rechnung getragen. Im Juni haben der Kanton Tessin und die Lombardei eine Zusammenarbeitserklärung verabschiedet.

Die traditionell engen Beziehungen mit Liechtenstein konnten auch im Berichtsjahr mit zahlreichen hochrangigen Besuchen und Treffen weitergeführt und ausgebaut werden. So trafen 2015 wiederum alle Bundesratsmitglieder mit Regierungsmitgliedern Liechtensteins zusammen. Anfang des Jahres konnten überdies die Verhandlungen über ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen und das Abkommen am 10. Juli unterzeichnet werden. Sein Inkrafttreten ist für Anfang 2017 vorgesehen.

Gleichzeitig wurde auch ein Abkommen über die Elementarschadenversicherung unterzeichnet.

Neben den bilateralen und regionalen Bereichen der Zusammenarbeit sowie im Rahmen des Verhältnisses der Schweiz zur EU hat eine intensive Kooperation mit 653

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den Nachbarstaaten im multilateralen und transversalen Kontext stattgefunden. Auf Ministerebene fand auch 2015 wieder eine Vielzahl von Treffen unter den deutschsprachigen Ländern statt. Die Dreier- oder Vierertreffen der Aussen-, Finanz-, Wirtschafts-, Innen-, Gesundheits-, Justiz- und Umweltminister der Schweiz, Deutschlands, Österreichs und des Fürstentums Liechtenstein dienten zur Vertiefung der Beziehungen unter Staaten, die neben einer gemeinsamen Sprache und Kultur auch gleiche Werte teilen. Besonders erwähnenswert ist das Vierertreffen der deutschsprachigen Aussenminister, das auf Einladung des Departementsvorstehers des EDA am 16. August in Neuenburg stattfand.

3.2

Europapolitik

3.2.1

Europäische Union

Entwicklungen innerhalb der EU und Auswirkungen auf die Schweiz 2015 war die EU mit vier grossen Herausforderungen konfrontiert: der Migrationssituation, der Schuldenkrise, den Reformforderungen Grossbritanniens und dem Ukrainekonflikt. Nach den Attentaten in Paris und der Anrufung der Beistandsklausel durch Frankreich wurden zudem die Terrorismusbekämpfung und der Schutz der Aussengrenzen der EU zu Schwerpunktthemen. Diese Krisen ­ Migrations-, Wirtschafts-, Politik- und Sicherheitskrise ­ machten den Grossteil der Arbeit der EU-Institutionen aus, und sie bildeten den Hintergrund für die Beziehungen Schweiz-EU.

Während des ganzen Jahres 2015 war die EU mit einem ausserordentlichen Migrantenzustrom konfrontiert. Rund 1,5 Millionen Personen kamen auf irregulären Wegen in Europa an, vor allem über das Mittelmeer oder die Balkan-Route. Angesichts des Ausmasses der Situation und der zahlreichen Dramen auf dem Meer hat die Europäische Kommission eine Migrationsagenda vorgeschlagen, und eine Reihe neuer Massnahmen wurden eingeführt. Der Einsatz auf hoher See, koordiniert von der Agentur FRONTEX, wurde ausgeweitet mit dem Ziel, das Risiko von Dramen auf dem Meer zu minimieren, und die Erstaufnahmeländer, namentlich Italien und Griechenland, erhielten zusätzliche Unterstützung. Insbesondere hat die EU zwei Umverteilungsprogramme für 40 000 bzw. 120 000 Migranten, die hauptsächlich in Griechenland und Italien registriert worden sind, verabschiedet. Überdies beschloss sie die Umsiedlung von über 20 000 Flüchtlingen.

Die europäische Kommission hat ausserdem einen Vorschlag für die Schaffung eines in Krisensituationen anrufbaren Verteilmechanismus als Weiterentwicklung des Dublin-Besitzstands präsentiert.

Darüber hinaus leitete die EU eine militärische Operation namens EUNAVFOR MED ein, um das Schlepperwesen auf See zu bekämpfen. Im Oktober wurde diese Operation in «Operation Sophia» umbenannt und trat in eine zweite Phase ein: Es wurde die Möglichkeit geschaffen, Schiffe, bei denen der Verdacht besteht, sie würden für Menschenschmuggel und -handel auf hoher See benutzt, aufzubringen, zu kontrollieren, zu beschlagnahmen und zu zerstören. Mit der Resolution

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2240/2015 ermächtigte der UNO-Sicherheitsrat die Staaten zur Durchführung von Operationen auf hoher See entlang der libyschen Küste.

Die Schweiz beteiligte sich an diesen Bemühungen. So hat sie sowohl an den FRONTEX-Operationen mitgewirkt, finanziell und durch Entsendung von Personal, als auch Italien und Griechenland unterstützt. Sie hat sich ferner dazu verpflichtet, mit 1500 Plätzen am ersten Umverteilungsprogramm für 40 000 Migrantinnen und Migranten teilzunehmen, und im Grundsatz eine Teilnahme am zweiten Programm genehmigt. Ausserdem hat sie beschlossen, 519 Aufnahmeplätze im Rahmen des europäischen Umsiedlungsprogramms zur Verfügung zu stellen.

Obwohl in den meisten Mitgliedsländern des Euro-Raums Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung erkennbar sind, riefen die Schwierigkeiten bei den Gesprächen über eine Refinanzierung der griechischen Verschuldung die Fragilität der Währungsunion in Erinnerung, so dass im Juli sogar ein «Grexit» möglich schien.

Da die Mitgliedstaaten jedoch entschlossen waren, einen solchen Präzedenzfall zu vermeiden, konnte schliesslich im letzten Moment eine Einigung über ein drittes Hilfspaket für Griechenland erzielt werden. Die gefundene Lösung bietet allerdings keine Gewähr für eine nachhaltige Regelung des griechischen Schuldenproblems.

Um das Wachstum im Euro-Raum anzukurbeln, beschloss die Europäische Zentralbank (EZB) im März, ein Programm für den Ankauf von Staatsanleihen im Umfang von 1000 Milliarden Euro bis September 2016 zu lancieren. Diese Massnahmen verstärkten den Abwertungsdruck auf den Euro, wozu auch die Aufhebung des Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) beigetragen hat.

Mit dem Sieg der konservativen Partei von Premierminister David Cameron bei den Parlamentswahlen vom Mai werden die britischen Stimmberechtigten spätestens 2017 über einen Verbleib ihres Landes in der EU abstimmen. Mit Blick auf dieses Referendum hat der britische Regierungschef Initiativen ergriffen, um die EU zu Reformen zu veranlassen, insbesondere in den Bereichen Wettbewerb, Kampf gegen Missbräuche der Personenfreizügigkeit, aber auch für mehr Subsidiarität zwischen Brüssel und den Mitgliedstaaten und gegen den Grundsatz einer immer engeren Union. Auf der Basis dieser Vorschläge haben die EU-Institutionen einen Dialog mit der britischen Regierung
aufgenommen.

Ab November wurden die Verhandlungen zwischen Grossbritannien und der EU intensiviert. Den Abschluss dieser Verhandlungen erwartet man in den ersten Monaten des Jahres 2016. Das führte dazu, dass sich die EU bei der Suche nach einer Lösung für die Personenfreizügigkeit mit der Schweiz vorsichtiger zeigte. Während des ganzen Jahres wurde allerdings in Erinnerung gerufen, dass sich die Rahmenbedingungen, die Forderungen und die politische Agenda der Schweiz und Grossbritanniens in mehrerer Hinsicht unterscheiden.

Im Jahr 2015 beanspruchten die Ukrainekrise und die damit verbundenen Sicherheitsrisiken für die ganze Region in der Aussenpolitik der EU weiterhin viel Raum.

In diesem Zusammenhang blieben die EU-Mitgliedstaaten einig über die Sanktionspolitik gegenüber Russland, wenn auch erhebliche Meinungsunterschiede bezüglich der gegenüber Moskau einzunehmenden Haltung bestanden. Sie kamen überein, die Aufhebung dieser Sanktionen an die vollständige Umsetzung der Minsker Vereinbarungen vom Februar 2015 zu knüpfen. Auf dieser Grundlage beschloss der Rat der 655

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EU Ende Dezember, die Sanktionen um sechs Monate zu verlängern. Während des ganzen Jahres wurden die trilateralen Gespräche mit Russland zum Thema Energie und für die Umsetzung des Freihandelsabkommens EU­Ukraine weiterverfolgt.

Unter Vermittlung der EU schlossen die Parteien im September eine Vereinbarung über die Lieferung von russischem Gas an die Ukraine während des Winters 2015 ab.

Die Schweiz und die EU arbeiteten im Management dieser Krise erneut eng zusammen, insbesondere im Rahmen der OSZE (vgl. Ziff. 3.3.1). Ohne sich direkt den Sanktionen der EU gegenüber Russland anzuschliessen, ergriff der Bundesrat Massnahmen, um die Umgehung der Sanktionen über Schweizer Hoheitsgebiet zu verhindern.

Die Lage in Osteuropa hat die Politik der Östlichen Partnerschaft (ÖP) der EU stark geprägt. Das Ausbleiben grosser Engagements anlässlich des Gipfeltreffens von Riga im Mai veranschaulichte, wie schwierig es für die EU ist, ihre Partner in Osteuropa zu beruhigen, ohne in Russland negative Reaktionen zu provozieren.

Gleichzeitig hat die EU ihre Migrationszusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitstaaten der Schutzsuchenden ausgebaut. Dazu fand unter anderem in Valletta ein Gipfeltreffen der europäischen und afrikanischen Staats- und Regierungschefs statt, an welchem eine gemeinsame Erklärung wie auch ein Aktionsplan verabschiedet wurden. Zudem wurde entschieden, einen EU-Nothilfe-Treuhandfonds ­ in der Höhe von 1,8 Milliarden Euro ­ zur Unterstützung der Stabilität und zur Bekämpfung der Ursachen von irregulärer Migration in Afrika einzurichten. Eine Teilnahme der Schweiz am Fonds ist vorgesehen ­ vorbehältlich der Bestätigung durch die nationalen Behörden. Um der Schlüsselrolle der Türkei als Transitstaat gerecht zu werden, haben die EU und die Türkei einen Aktionsplan zur Bewältigung der Flüchtlingssituation erarbeitet. Parallel dazu wurde beschlossen, den Visaliberalisierungsprozess für türkische Staatsangehörige zu beschleunigen sowie neue Verhandlungskapitel zum Beitrittsprozess der Türkei zur EU zu öffnen.

Bei der Aussenpolitik konnte die EU zwei bedeutende Erfolge verbuchen: die Einigung vom Juli über das iranische Nuklearprogramm ­ bei den Verhandlungen hatte die Hohe Beauftragte der EU eine Schlüsselrolle gespielt (vgl. Ziff. 3.4.1) ­ sowie die Fortschritte beim Dialog zwischen Serbien und
dem Kosovo.

Die Erweiterungspolitik der EU erhielt im Übrigen einen Dämpfer, als der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, ankündigte, in den nächsten fünf Jahren würde voraussichtlich kein weiterer Staat Mitglied der EU. Gleichzeitig informierte die Regierung Islands im März die EU, dass das Land seine Beitrittsverhandlungen nicht fortsetzen wolle. Trotzdem beschloss der Europäische Rat, im Dezember Verhandlungen mit Serbien über die zwei ersten Kapitel im Beitrittsprozess zu eröffnen. Im Oktober unterzeichneten Kosovo und die EU ein Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen.

Entwicklung der Beziehungen Schweiz­EU Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU waren 2015 geprägt von der Suche nach einer Lösung, die dem Ziel des Bundesrates entsprach, die Zuwanderung besser zu steuern und gleichzeitig den bilateralen Weg zu stärken und weiterzuent656

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wickeln, nachdem Volk und Stände den neuen Art. 121a BV angenommen hatten.

Die Arbeit konzentrierte sich auf das Ausarbeiten einer Lösung mit der EU für die Personenfreizügigkeit (FZA), mit der dieses Ziel erreicht werden soll.

Im ersten Halbjahr wurden die Arbeiten an der Umsetzung von Art. 121a BV fortgeführt. Im Februar genehmigte der Bundesrat den Entwurf eines Ausführungsgesetzes zum Verfassungsartikel, gestützt auf den im Juni 2014 angenommenen Plan. Dieser sieht vor, jährliche Plafonds und Kontingente festzulegen, um die Einwanderung zu steuern. Grundlagen sollen dabei sowohl der von den Kantonen angemeldete Bedarf als auch die Analysen eines Konsultativorgans sein, dem die Sozialpartner angeschlossen sind. Der Bundesrat hat überdies ergänzende Massnahmen erlassen, um das Potenzial der einheimischen Arbeitskräfte besser zu nutzen. Ferner hat er ein Verhandlungsmandat verabschiedet, um mit der EU das FZA zu revidieren, damit die Schweiz die Einwanderung autonom steuern und begrenzen kann, unter Berücksichtigung der Gesamtinteressen der Wirtschaft und so, dass der bilaterale Weg erhalten bleibt.

Gleichzeitig vereinbarten die Bundespräsidentin und der Präsident der Europäischen Kommission, intensive Konsultationen über das FZA durchzuführen. Von Februar bis Juni fanden mehrere Treffen zwischen dem Staatssekretär für Migration und dem diplomatischen Berater des Präsidenten der Europäischen Kommission statt, bei denen auf technischer Ebene mögliche Lösungen erarbeitet werden konnten.

Da der Abschluss neuer Verträge eine Lösung für das FZA voraussetzt, sind bei den übrigen laufenden Verhandlungen im selben Zeitraum nur wenige wesentliche Entwicklungen zu vermelden. Insbesondere bei den Verhandlungen über institutionelle Fragen, die ebenfalls eine Voraussetzung für den Abschluss von Marktzugangsabkommen darstellen, konnten im ersten Halbjahr keine Fortschritte erzielt werden.

Was die Verhandlungen über ein mögliches Zwischenabkommen im Elektrizitätsbereich betrifft, so wurden sie sistiert: Die provisorische Anwendung eines solchen Abkommens ist derzeit nicht möglich.

Im Mai genehmigte der Bundesrat die Aufnahme von Verhandlungen über den Beitritt zur Europäischen Eisenbahnagentur (ERA). Die EU hat jedoch noch kein Mandat zur Aufnahme von Verhandlungen erteilt, da sie dieses Dossier mit der
Frage der Personenfreizügigkeit und mit den institutionellen Verhandlungen verknüpft.

Ab Juni traten die Beziehungen Schweiz-EU in eine neue Phase ein. Der Bundesrat bestätigte das Versprechen der Bundespräsidentin und des Präsidenten der Europäischen Kommission, die Konsultationen über das FZA fortzusetzen und im Herbst erste Ergebnisse zu präsentieren. Diesbezüglich war er der Ansicht, dass der Teilnehmerkreis dieser Konsultationen erweitert werden sollte, dass die Nachbarstaaten verstärkt in die Suche nach einer Lösung einbezogen werden und dass alle Gespräche oder Verhandlungen in den anderen Dossiers wieder aufgenommen werden sollten. Zu diesem Zweck und um zu einem Gesamtresultat zu gelangen, das den in den bestehenden Mandaten festgelegten Zielen entspricht, verabschiedete der Bundesrat im August eine Struktur für die Führung der Gesamtheit der Verhandlungen und ernannte einen Chefunterhändler.

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Ende Oktober nahm der Bundesrat die wichtigsten Elemente der Vernehmlassung21 über die Änderung des Ausländergesetzes vom 16. Dezember 200522 (AuG), die Ergebnisse der Konsultativgespräche Schweiz­EU über das FZA, den Stand der institutionellen Verhandlungen sowie die Einschätzung des Chefunterhändlers der gesamten offenen Dossiers zur Kenntnis.

Auf dieser Grundlage legte der Bundesrat im Dezember die Grundzüge der Botschaft zur Umsetzung von Artikel 121a BV fest, die er Anfang 2016 dem Parlament vorlegen will. Die Einwanderung aus Drittstaaten soll gemäss den im Gesetzesentwurf vom Februar festgelegten Grundsätzen gesteuert werden. Hingegen hat der Bundesrat bekräftigt, dass er bei der Regelung für Staatsangehörige der EU/EFTA weiterhin vorrangig eine Einigung mit der EU über die Personenfreizügigkeit anstrebt. Eine solche Lösung würde für die nötige Rechtssicherheit und Berechenbarkeit sorgen, damit der Schweizer Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähig bleibt und die Errungenschaften des bilateralen Wegs erhalten werden können. Sie würde auch die Ausdehnung des Personenfreizügigkeitsabkommens auf Kroatien ermöglichen, eine Voraussetzung für die Teilnahme der Schweiz am 8. Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 über 2016 hinaus. Dieses Programm umfasst das Forschungsprogramm der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) und das Projekt ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor).

Der Vorsitz der EU, der Präsident der Europäischen Kommission und die Bundespräsidentin sind Ende Dezember übereingekommen, die Gespräche über eine Lösung, die auf einer gemeinsamen Auslegung des FZA beruht, zu intensivieren.

Sollte eine solche Lösung trotz allem nicht abgeschlossen werden können, würde der Bundesrat dem Parlament bis Anfang März 2016 die Einführung einer unilateralen Schutzklausel für EU/EFTA-Angehörige vorschlagen. Mit einer solchen Klausel würde die Bundesverfassung eingehalten, die rechtliche Unsicherheit über die Zukunft des FZA und der anderen «Bilateralen I» würde aber nicht ausgeräumt. Dies könnte Massnahmen der EU auslösen und das Ziel des Bundesrats gefährden, den bilateralen Weg zu konsolidieren und zu entwickeln. In den ersten Monaten 2016 werden deshalb alle Anstrengungen auf den Abschluss einer Einigung mit der EU über die Personenfreizügigkeit ausgerichtet sein.

Im Herbst konnten
auch die institutionellen Verhandlungen wieder aufgenommen werden. Bis Ende des Jahres hatten die beiden Parteien einen Vertragstext ausgearbeitet, der insbesondere folgende Fragen offen liess: die Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bei der Beilegung von Streitigkeiten und die Konsequenzen bei hartnäckigen Differenzen. Die Verhandlungen zur Regelung dieser Fragen sollen im Januar 2016 wieder aufgenommen werden. Ein solches Abkommen wird die Stabilität sowie die Vorhersehbarkeit der Beziehungen Schweiz­EU stärken. Es sollte auch den Abschluss neuer Marktzugangsvereinbarungen ermöglichen, sodass die Konsolidierung und die Weiterentwicklung des bilateralen Wegs gewährleistet wären. Voraussetzung für den Abschluss dieser Verhandlungen bleibt aber weiterhin eine Einigung der Schweiz mit der EU im Bereich des FZA.

21 22

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Die Unterlagen hierzu sind zu finden unter www.bundesrecht.admin.ch > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2015 > EJPD SR 142.20

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Die Abstimmung vom 9. Februar 2014 hatte keine wichtigen Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU in den Bereichen Justiz und innere Angelegenheiten sowie Steuerfragen. Der Bundesrat verabschiedete im März ein Verhandlungsmandat betreffend die Teilnahme der Schweiz an der Prümer Zusammenarbeit (automatischer Austausch von Fingerabdrücken und DNA-Daten). Die Verhandlungsmandate der Europäischen Kommission über die Teilnahme der Schweiz an der Prümer Zusammenarbeit und über den Zugang der Schweizer Strafverfolgungsbehörden zur EURODAC-Datenbank sollten Anfang 2016 verabschiedet werden. Im Dezember 2015 wurde das Abkommen über die Teilnahme der Schweiz am Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) vom Europäischen Parlament verabschiedet. Da die Bundesversammlung das Abkommen 2015 schon genehmigt hat, kann es auf Anfang 2016 in Kraft treten. Die Verhandlungen über die Beteiligung der Schweiz am Fonds für die innere Sicherheit (ISF) wurden 2015 abgeschlossen. Die Verhandlungen über die Beteiligung der Schweiz an der Agentur eu-LISA (Europäische Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Grosssystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts) stehen kurz vor dem Abschluss.

Im November verabschiedete der Bundesrat auch die Botschaft über das Abkommen für automatischen Informationsaustausch in Steuersachen23, das die Schweiz und die EU zuvor im Mai unterzeichnet hatten. Sobald die notwendigen gesetzlichen Grundlagen geschaffen sind, sollen ab 2017 die Bankdaten erhoben und ab 2018 ausgetauscht werden. Dieses Abkommen wird das 2004 mit der EU abgeschlossene Zinsbesteuerungsabkommen24 ersetzen.

3.2.2

Beziehungen zu den Staaten Europas, des Kaukasus und Zentralasiens

West- und Zentraleuropa Der Bundesrat hat die Kontakte mit allen Mitgliedstaaten der EU gepflegt, um seine Absicht zu erklären, das Ergebnis der Abstimmung vom 9. Februar 2014 umzusetzen, aber gleichzeitig den bilateralen Weg mit der EU zu konsolidieren und weiterzuentwickeln.

Verschiedene Gespräche fanden mit der im Turnus wechselnden Präsidentschaft des Rates der EU statt, die im ersten Halbjahr von Lettland ausgeübt wurde. Im Januar wurde Aussenminister Edgars Rinkevics in Bern empfangen. Bundespräsidentin Sommaruga und Bundesrat Burkhalter reisten anschliessend nach Luxemburg, das von Juli bis Dezember den Ratsvorsitz innehatte. Schliesslich begab sich die Bun-

23 24

BBl 2015 5437 Abkommen vom 26. Okt. 2004 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über Regelungen, die den in der Richtlinie 2003/48/EG des Rates im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen festgelegten Regelungen gleichwertig sind (SR 0.641.926.81) und Abkommen vom 26. Okt. 2004 in Form eines Briefwechsels zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Europäischen Gemeinschaft über den Zeitpunkt der Anwendung des Abkommens (SR 0.641.926.811)

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despräsidentin im November zu einem Arbeitsbesuch nach Den Haag, mit Blick auf die niederländische Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2016.

Die Bundespräsidentin begab sich im Juli nach Polen und nach Spanien und im September nach Slowenien. Anfang Oktober empfing sie in Bern die Präsidentin von Litauen, Dalia Grybauskaite. Der Vorsteher des EDA wiederum empfing im Laufe des Jahres in Bern seine Amtskollegen aus Polen, Irland, der Tschechischen Republik, Island und der Slowakei und reiste zu Arbeitsbesuchen nach Schweden und Finnland.

Zudem wurden die Gespräche mit mehreren europäischen Staaten fortgeführt mit dem Ziel, die Zusammenarbeit bei den Botschaftsnetzwerken zu verstärken, zum Beispiel in Form von gemeinsamer Infrastruktur, administrativer Zusammenarbeit oder auch gegenseitiger Vertretung beim Ausstellen von Schengen-Visa.

Südosteuropa Die Schweiz ist seit vielen Jahren im Westbalkan (Bosnien-Herzegowina, Serbien, Montenegro, Kosovo, Mazedonien und Albanien) aktiv. Die Region gilt als eine Schwerpunktregion ihrer Aussenpolitik; aus ihr stammen rund 400 000 Personen, die in der Schweiz leben. Diese engen zwischenmenschlichen Beziehungen erklären und rechtfertigen unter anderem das Interesse, das die Schweiz daran hat, einen Beitrag zum Frieden, zur Stabilität und zur Prosperität der verschiedenen Staaten zu leisten, die den Westbalkan bilden.

Im vergangenen Jahr fanden mehrere Treffen auf verschiedenen Ebenen statt. Bundespräsidentin Sommaruga empfing in Bern ihre kosovarische Amtskollegin und den bulgarischen Premierminister, während Bundesrat Schneider-Ammann in Belgrad dem serbischen Ministerpräsidenten einen Besuch abstattete. Staatssekretär Rossier führte seinerseits politische Konsultationen mit Serbien. Bei offiziellen Arbeitsbesuchen unterhielt er sich überdies mit Behördenvertretern von Kosovo und Bosnien-Herzegowina.

Die Schweiz trug zudem zu den friedenserhaltenden Massnahmen der Kosovo Force (KFOR) bei, indem sie rund 220 Armeeangehörige entsandte (SWISSCOY). Zwei Verbindungs- und Beobachtungsequipen, die bis zu zwanzig schweizerische Armeeangehörige umfassen, sowie sechs Kleinwaffen- und Munitionsexperten blieben im Rahmen der EU-Stabilisierungsmission «EUFOR ALTHEA» in Bosnien-Herzegowina stationiert. Diese Operationen wurden von einer verstärkten Transitionshilfe begleitet.
Die Zusammenarbeit im Rahmen der Migrationspartnerschaften mit BosnienHerzegowina, Serbien und dem Kosovo setzte sich ebenfalls mit Unterstützung der Schweiz fort. Diese ist in verschiedenen Projekten präsent, wie der Beteiligung der Diaspora an der Entwicklung des Landes, der Integration von Minderheiten, dem Bau von Wohnungen für die durch die Überschwemmungen von 2014 obdachlos gewordenen Personen, dem Aufbau von Infrastrukturen sowie der Verstärkung der Kapazitäten im Asylbereich. Diese Partnerschaft intensivierte sich in der Folge noch mit Ausbruch der Migrationskrise in Europa und der raschen Unterstützung seitens der Schweiz. Diese wurde teils direkt den Behörden und teils internationalen Orga-

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nisationen oder Projekten der in den betreffenden Ländern aktiven NGO oder Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft zugeleitet.

Türkei In seinem Entscheid vom 15. Oktober bestätigte der EGMR ein erstes Urteil von 2013. Gemäss der Grossen Kammer hat die Schweiz, als sie Dou Perinçek verurteilte, die Meinungsäusserungsfreiheit dieses türkischen Staatsangehörigen verletzt.

Perinçek hatte in der Schweiz öffentlich die Meinung vertreten, die Massendeportationen und die Massaker an den Armeniern durch das Ottomanenreich 1915 und in den folgenden Jahren seien kein Völkermord gewesen. Dieser Entscheid des Strassburger Gerichtshofs ist endgültig. Im Nachgang zu diesem Prozess sollte eine schrittweise Vertiefung der von der Schweiz als prioritär eingestuften Beziehungen zur Türkei im Sinne der Offenheit, des Dialogs und der Zusammenarbeit möglich sein.

Die Türkei ist ein wichtiger Partner mit zahlreichen und vielfältigen Beziehungen zur Schweiz. Aufgrund der aktuellen Situation in der Türkei und ihrer Rolle in der Region ist nicht nur die bilaterale Zusammenarbeit von Interesse, sondern auch die Zusammenarbeit im Bereich der Friedenspolitik und des multilateralen Engagements.

Die Türkei ist ein wichtiger Wirtschaftspartner. Das gesamte Handelsvolumen zwischen ihr und der Schweiz belief sich 2014 auf 3,3 Milliarden Franken (ohne Goldhandel). Mit der Unterstützung der Schweiz für den Ausbau der Kapazitäten des Directorate General of Migration Management und der engen Zusammenarbeit im Global Forum on Migration and Development ist die Kooperation in Migrationsfragen zu einem wichtigen Element der heutigen bilateralen Beziehungen geworden.

Im Mai fand in Bern eine zweite Verhandlungsrunde über ein Rücknahmeabkommen statt, das trotz einiger noch offener Fragen auf gutem Weg ist. Im Zusammenhang mit dem weiter andauernden Syrienkonflikt und der dadurch ausgelösten Migrationskrise hat für Europa und damit auch für die Schweiz ein intensiver Austausch mit der Türkei zu diesem Thema beträchtlich an Bedeutung gewonnen.

Weiter zu erwähnen ist die Zusammenarbeit mit der Türkei, die im Hinblick auf den World Humanitarian Summit begonnen wurde.

Schliesslich betreffen Fragen im Zusammenhang mit dem Nahen Osten (Syrien, Irak, Israel/Palästina, humanitäre Hilfe und Migration, Foreign Terrorist Fighters,
Energie usw.), dem Balkan und dem Südkaukasus in unterschiedlichem Mass auch die Türkei und machen sie damit für die Schweiz zu einem wichtigen Gesprächspartner. In dieser Hinsicht dient die enge Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung, namentlich im Rahmen des Globalen Forums zur Bekämpfung des Terrorismus (GCTF), den Interessen der Schweiz und ihrem Engagement für Frieden und Sicherheit.

Südkaukasus Neben der Vertretung der russischen Interessen in Georgien und der georgischen Interessen in Russland sind die politische, wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit sowie die Förderung der Menschenrechte und des Friedens Schwerpunkte des schweizerischen Engagements im Südkaukasus. Nach dem Beitritt Russlands 661

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zur Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 2012 umfasst sie insbesondere die Umsetzung des Abkommens zwischen Russland und Georgien über die Zollverwaltung und die Kontrolle des Warenverkehrs. Ein bilaterales Investitionsschutzabkommen Schweiz-Georgien ist im April 2015 in Kraft getreten, und im September wurden Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen Georgien und der EFTA aufgenommen. In der Region unterstützt die Schweiz auch weiterhin den Normalisierungsprozess zwischen der Türkei und Armenien. Aserbaidschan ist ebenfalls wichtig als wirtschaftlicher Partner der Schweiz und als Mitglied der gemeinsamen Stimmrechtsgruppe bei den Bretton-Woods-Institutionen.

Russland Seit 2007 finden regelmässig bilaterale Konsultationen mit Russland in verschiedenen Themenbereichen statt. Im Berichtsjahr kam es aufgrund der Ukrainekrise zu einer gewissen Zurückhaltung bei der bilateralen Besuchsdiplomatie; insbesondere hochrangige politische und militärische Kontakte wurden reduziert. Weitergeführt wurden jedoch die technischen Konsultationen, so beispielsweise in den Bereichen Sicherheitspolitik und Menschenrechte. Eine wertvolle Zusammenarbeit bestand auch auf dem Gebiet der Jugendjustiz.

Am Rande der 70. UNO-Generalversammlung in New York hat ein Treffen der Aussenminister stattgefunden. Aufgrund des friedenspolitischen Engagements der Schweiz in Bezug auf die Ukrainekrise und Syrien ist Russland ein wichtiger Gesprächspartner. Ebenfalls im Hinblick auf das doppelseitige Schutzmachtmandat der Schweiz bezüglich der georgischen Interessen in Russland sowie der russischen Interessen in Georgien ist eine Kontinuität in den Gesprächen mit Russland wichtig.

Zentralasien Die Zusammenarbeit mit den zentralasiatischen Staaten blieb im abgelaufenen Jahr für die Schweiz wichtig ­ dies angesichts der politischen und wirtschaftlichen Relevanz, aufgrund von Sicherheits- und Migrationsfragen sowie der Zugehörigkeit einiger dieser Staaten zu den Schweizer Stimmrechtsgruppen in den Bretton-WoodsInstitutionen. Auch deshalb führte die Schweiz im Rahmen ihrer Entwicklungszusammenarbeit ihr Engagement in den Ländern Zentralasiens fort, namentlich in den Bereichen der Wasserversorgung, der Gesundheit, der Förderung der Privatwirtschaft sowie der humanitären Hilfe und der Menschenrechte. Insbesondere mit Kirgisistan
besteht eine gute Zusammenarbeit; dies verdeutlichte auch der Besuch von Präsident Atambayev im Frühling in Bern. Im Hinblick auf die Parlamentswahlen sowie die Präsidentschaftswahlen hat die Schweiz ihr Engagement für Kirgisistan aufgestockt. Der Bundesrat hat die Teilnahme der Schweiz an der Weltausstellung Expo 2017 in Astana, Kasachstan, beschlossen. Im Bereich Menschenrechte wurden überdies im Herbst Konsultationen mit Tadschikistan durchgeführt.

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3.3

Stabilität in Europa und der Welt

3.3.1

OSZE

OSZE-Troika 2015 Die Schweiz bildete 2015 zusammen mit dem Vorsitz Serbiens und dem künftigen Vorsitz Deutschland die OSZE-Troika. In diesem Rahmen ergab sich eine sehr enge Zusammenarbeit: Die drei Aussenminister trafen sich fünfmal (am 7. Febr. in München, am 28. April in Belgrad, am 10. Juli am Rande der Feierlichkeiten betreffend 40 Jahre OSZE-Schlussakte in Helsinki, am 19. Sept. in Magdeburg und am 3. Dez.

in Belgrad), und die Leiter der Task Forces und die Wiener Botschafter trafen sich monatlich beziehungsweise wöchentlich. Zentrale politische Aktivitäten der OSZE wurden in diesem Format gesteuert: Das OSZE-Konfliktmanagement in der Ukraine mit dem Ausbau der Sonderbeobachtungsmission und der Trilateralen Kontaktgruppe wurden in der Troika vorbereitet. Die Einsetzung des Panels hochrangiger Expertinnen und Experten zur Europäischen Sicherheit und die Begleitung seiner Arbeit sowie die Überprüfung von OSZE-Friedensoperationen wurden ebenfalls von der Troika vorgenommen. Zudem diente die Troika dem serbischen OSZE-Vorsitz als ständiges Beratungsformat für politisch sensitive Geschäfte, so zum Beispiel die Ernennung von Missionschefs und anderer wichtiger Funktionsträger und zur Vorbereitung der Beschlüsse und Erklärungen, die am Belgrader Ministerratstreffen den Aussenministern zur Annahme vorgelegt wurden.

Mit Serbien bestand aufgrund der konsekutiven Vorsitze und des zweijährigen Arbeitsplans bereits eine enge thematische Zusammenarbeit. Deutschland wiederum zeigte sich sehr interessiert an den Erfahrungen des Schweizer Vorsitzes. Für die Schweiz war die engagierte Mitarbeit in der Troika eine Chance, zur Kontinuität in der Führung der OSZE beizutragen und eine Reihe von Initiativen des Schweizer Vorsitzes 2014 zu stärken.

Verstärkte Zusammenarbeit mit Deutschland, Österreich und Liechtenstein Am 16. August haben die Aussenminister von Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie die Aussenministerin von Liechtenstein eine ministerielle Erklärung verabschiedet für eine verstärkte Zusammenarbeit zu sicherheitspolitischen Fragen mit OSZE-Fokus. Mit Blick auf die zukünftigen OSZE-Vorsitze von Deutschland und Österreich hat sich die Schweiz dafür eingesetzt, dass sich die vier Länder gemeinsam für die Stärkung der OSZE einsetzen und die unter Schweizer Vorsitz lancierten Initiativen
weitergeführt werden. In der ministeriellen Erklärung werden vier Themen für eine enge Kooperation aufgeführt: Engagement in der Ukraine für eine friedliche Konfliktlösung, Stärkung der OSZE-Instrumente im Konfliktzyklus, Diskussion innerhalb der OSZE zur europäischen Sicherheit und Stärkung der zweiten Dimension durch die Förderung von wirtschaftlicher Konnektivität. Zu diesen vier Themen fanden in der zweiten Hälfte von 2015 Treffen statt.

Schweizer Vorsitz der Asien-Kontaktgruppe 2015 hatte die Schweiz den Vorsitz der Asien-Gruppe inne. Sie erstellte mit den Partnerstaaten Afghanistan, Australien, Japan, Südkorea und Thailand ein Arbeitsprogramm, welche Themen wie die Situation auf der koreanischen Halbinsel, die 663

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Cyber-Sicherheit, die Katstrophenvorsorge mit Verbindung zur UN World Conference on Disaster Risk Reduction in Sendai sowie die Stärkung der Rolle der Frauen im Transformationsprozess Afghanistans umfasste. Die vom Schweizer Vorsitz geleitete Asien-Konferenz 2015 in Südkorea zeigte konkrete Kooperationsmöglichkeiten zwischen der OSZE und asiatischen Ländern beziehungsweise Sicherheitsstrukturen auf, insbesondere in den Bereichen Terrorismusbekämpfung, Katastrophenvorsorge und Cyber-Sicherheit. Dabei wurde ein Austausch zwischen der OSZE und regionalen Institutionen im asiatischen Raum befürwortet. Ein erster konkreter Schritt erfolgte durch die Einladung der OSZE als Dialogpartner zum Intergovernmental Meeting der Northeast Asia Peace and Cooperation Initiative (NAPCI) am 28. Oktober.

Ukrainekrise Die Krise in der und um die Ukraine hat die Arbeit der OSZE im Berichtsjahr stark geprägt. Während die militärischen Auseinandersetzungen im Januar und Februar eskalierten und der OSZE wenig Handlungsspielraum gaben, hat die OSZE im Jahresverlauf eine immer bedeutendere Rolle bei der Beilegung des Konflikts spielen können. Die Schweiz hat diesen Friedensprozess politisch in der Troika sowie mit Entsendungen an die verschiedenen Präsenzen der OSZE in der Ukraine weiterhin aktiv mitgestaltet.

Nach langandauernden Verhandlungen im «Normandie-Format» (Deutschland, Frankreich, Russland, Ukraine) und im Rahmen der Trilaterale Kontaktgruppe (zusammengesetzt aus Vertretern Russlands, der Ukraine und der OSZE) einigten sich alle Seiten am 12. Februar auf das Minsker Massnahmenpaket. Das Massnahmenpaket konkretisierte die Minsker Abmachungen des Jahres 2014. Es sah einen Waffenstillstand ab 15. Februar und den anschliessenden Rückzug von schweren Waffen vor. Die Sonderbeobachtungsmission der OSZE erhielt die Aufgabe, dies zu verifizieren. Ausserdem sah das Paket politische Schritte wie Sonderstatus, Verfassungsreform und Lokalwahlen nach OSZE-Standards vor.

Anfang März intensivierten sich die Gespräche in der Trilateralen Kontaktgruppe.

Unter Botschafterin Heidi Tagliavini wurden Anfang Mai vier Arbeitsgruppen eingesetzt, nämlich zu Sicherheit, Politik, humanitären Fragen und Wirtschaft. Die OSZE konnte dabei ihre Position festigen: War die Rolle von OSZE-Vertreterinnen und -Vertretern in den Arbeitsgruppen
anfangs noch umstritten, so sind diese inzwischen als Koordinatoren anerkannt worden. Die Schweiz ist mit der Entsendung von Botschafter Toni Frisch als Koordinator der Arbeitsgruppe humanitäre Fragen und mit dem stellvertretenden Chef der Sonderbeobachtungsmission Alexander Hug als Ko-Koordinator der Arbeitsgruppe Sicherheit weiterhin stark involviert. Auch leistete sie mit der Entsendung von Expertinnen und Experten einen Beitrag an die Arbeit der Arbeitsgruppe Politik. Diese Engagements setzte sie auch fort, nachdem Botschafterin Tagliavini ihr Mandat im Juli an den österreichischen Botschafter Sajdik abgegeben hatte.

Diese Bemühungen der Trilateralen Kontaktgruppe ­ unterstützt durch eine rege Aktivität im «Normandie-Format» ­ zeigten ab Anfang September konkrete Resultate. Der Waffenstillstand hielt nun wesentlich besser als zuvor. Es konnten weitere Abmachungen über den Rückzug von Waffen erreicht werden, die allerdings nicht 664

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voll eingehalten wurden. Die Gespräche zum politischen Prozess wurden intensiv geführt, bis zum Jahresende konnte aber keine Lösung bezüglich der Lokalwahlen erreicht werden. Der Minsker Prozess wird daher auch 2016 fortgeführt werden.

Erfreulicherweise wurde das OSZE-Engagement in der Ukraine auch über die Trilaterale Kontaktgruppe hinaus im Berichtsjahr weiter ausgebaut. Am 12. März gelang ein Entscheid zur Verlängerung der Sonderbeobachtungsmission bis Ende März 2016. Die Schweiz unterstützte die Mission am Ende des Berichtsjahrs weiterhin mit der Entsendung von fünfzehn Monitoren. Auch gelang es, das Mandat der Grenzbeobachtungsmission an zwei russischen Grenzposten zu verlängern. Hier stellt die Schweiz seit November 2015 den Missionschef. Zudem beteiligte sich die Schweiz mit zwei Langzeit- und sieben Kurzzeitbeobachtern an der OSZE-Beobachtung der Lokalwahlen im Oktober.

Die OSZE hat in der Ukrainekrise bewiesen, dass sie als flexible und inklusive Organisation auf die Herausforderungen reagieren und einen wichtigen Beitrag zur deren Lösung leisten kann. Dabei ist sie darauf angewiesen, dass die Seiten sich verhandlungsbereit zeigen. Diese Bereitschaft hat sich im Jahresverlauf wesentlich verbessert. Aber die OSZE hat auch ihre Handlungsmöglichkeiten gestärkt und konnte mit relevanten Antworten auf das Konfliktgeschehen aufwarten.

Die bilateralen Beziehungen mit der Ukraine wurden geprägt durch die Lancierung der neuen, gemeinsamen Kooperationsstrategie 2015­2018 durch die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und neu die Abteilung Menschliche Sicherheit (AMS). Die Strategie trägt der aktuellen Ausgangslage Rechnung und legt dabei besonderes Gewicht auf einen gesamtukrainischen Ansatz unter besonderem Augenmerk der Lage im Osten der Ukraine. Damit soll ein Beitrag zur Kohäsion des Landes und zum Frieden geleistet werden. Als Drittpartei war die Schweiz der erste Staat, der humanitäre Konvois über die Kontaktlinie hinweg in die Ostukraine durchgeführt hat. Seit April hat die Humanitäre Hilfe (DEZA/HH) der Schweiz mehrere Konvois mit Chemikalien zur Trinkwasseraufbereitung sowie medizinischen Gütern in die Region Donbas geliefert (vgl. Ziff. 3.3.4).

Im März fanden zum ersten Mal seit 2011 wieder politische Konsultationen mit der
Ukraine statt, die Gelegenheit boten, das Engagement der Schweiz gesamthaft mit der ukrainischen Seite zu diskutieren. Weiter vertieft wurden die bilateralen Beziehungen dann anlässlich des Besuchs von Staatssekretär Rossier im Oktober in Kiew.

Europäische Sicherheit und das Panel of Eminent Persons Die europäische Sicherheit ist im Zuge der Ukrainekrise erodiert. Das Vertrauen zwischen Russland und dem Westen hat sukzessive abgenommen. Die Suche nach einer politischen Lösung für die Krise in der Ukraine ist dabei eng verbunden mit dem gemeinsamen Engagement aller OSZE-Staaten für die zukünftige Sicherheit in Europa. Im Rahmen des OSZE-Vorsitzes 2014 hat die Schweiz deshalb in enger Abstimmung mit Serbien und Deutschland eine breite Diskussion über die Möglichkeiten zur Stärkung der europäischen Sicherheitsordnung angestossen und ein unabhängiges Panel of Eminent Persons on European Security as a Common Project eingesetzt. Das Panel hat im Juni einen Zwischenbericht und Ende November einen Schlussbericht vorgelegt. Der Zwischenbericht fokussierte auf die Ukrainekrise und 665

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formulierte Empfehlungen wie die OSZE ihre operativen Fähigkeiten stärken kann.

Der Schlussbericht wurde am Ministerrat in Belgrad vorgestellt, beleuchtete die weiter gefasste Krise der europäischen Sicherheit und unterbreitete der OSZE Vorschläge, wie das Vertrauen und der Dialog innerhalb der OSZE wiederhergestellt werden kann. Unter deutschem Vorsitz 2016 sollen die Empfehlungen des Panels in der OSZE diskutiert werden.

Wirtschaftliche Konnektivität Die Krise in der und um die Ukraine hat auch deutlich gemacht, dass die politische Beeinflussung von Handelsströmen und wirtschaftlicher Verflechtung heute wieder zunimmt. Die Annahme, Ost und West würden sich nach dem Kalten Krieg auf der Basis von Demokratie und Marktwirtschaft in die gleiche Richtung entwickeln und eine universelle Mitgliedschaft in der Welthandelsorganisation (WTO) würde Handelskonflikte auflösen, hat sich nicht erfüllt. Vor diesem Hintergrund hat sich die Schweiz zum Ziel gesetzt, die Rolle der OSZE in der wirtschaftlichen Vertrauensbildung und somit die wirtschaftliche Konnektivität zu fördern. Dabei wurden zwei Hauptrichtungen des Engagements verfolgt, zum einen der Abbau von wirtschaftlichen Problemen und Trennlinien innerhalb eines Staates, die durch bewaffnete Konflikte entstanden sind, und zum anderen der Abbau von Spannungen zwischen Staaten und insbesondere zwischen verschiedenen wirtschaftlichen Integrationsprojekten. In diesem Rahmen wurden unter anderem Studien in der Ukraine, in der Republik Moldau und in Georgien durchgeführt und auf deren Basis mit staatlichen Vertretern und Expertinnen und Experten Debatten zum Thema Konnektivität lanciert und konkrete Handlungsoptionen ausgelotet. Die Idee zur Schaffung eines OSZE-Kompetenzzentrums in der wirtschaftlichen Dimension wurde weiterverfolgt.

Friedensmissionen In der OSZE gab es in der Vergangenheit wiederholt Bemühungen, die OSZEFriedensmissionen an die aktuellen Herausforderungen anzupassen und sie robuster auszugestalten. Die Erfahrungen mit der Sonderbeobachtungsmission der OSZE in der Ukraine haben gezeigt, dass Handlungsbedarf besteht und die OSZE im Feld weiter gestärkt werden könnte. Auf Initiative der Schweiz hat die OSZE-Troika das Generalsekretariat der OSZE beauftragt, eine Studie zum Thema Friedensmissionen zu erstellen. Zudem wurde am Rande der
UNO-Generalversammlung am 1. Oktober in New York ein Side Event zum Thema OSZE-Friedensoperationen auf Ministerebene durchgeführt. Das Side Event fand vor dem Hintergrund des UNO-Berichts zu Friedensmissionen und der Rolle von regionalen Organisationen wie der OSZE statt.

Der deutsche Vorsitz 2016 wird die Thematik als Teil der Stärkung der OSZEKapazitäten im Konfliktzyklus weiterführen.

Südkaukasus Im Südkaukasus spielte die Schweiz durch den OSZE-Sonderbeauftragten Angelo Gnädinger auch 2015 eine prominente Rolle. Gemäss einer Vereinbarung zwischen der Schweiz und Serbien führte Botschafter Gnädinger sein Mandat unter dem serbischen OSZE-Vorsitz bis Ende 2015 weiter. Er vermittelte gemeinsam mit EU- und UNO-Vertretern in den Genfer Gesprächen zum Georgienkonflikt und leitete zusammen mit dem Chef der EU-Beobachtermission die Sitzungen des 666

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Mechanismus zur Verhinderung und Regelung von Zwischenfällen an der Administrativgrenze in Ergneti (Georgien). Internationale Vermittlung trug zur Beruhigung der Sicherheitslage bei, die sich im Sommer 2015 zu destabilisieren drohte.

Die Schweiz wird auch 2016 in die internationale Vermittlung in der Region involviert bleiben, nachdem der deutsche Aussenminister Steinmeier Günther Bächler, den ehemaligen Schweizer Botschafter in Tiflis, zum OSZE-Sonderbeauftragten des deutschen OSZE-Vorsitzes 2016 für den Südkaukasus ernannt hat.

Republik Moldau Der Prozess zur Beilegung der Transnistrienfrage hat im Schatten der Ukrainekrise wenig Aufmerksamkeit erhalten, obwohl der Prozess in eine schwierige Phase geriet und die weiteren Entwicklungen im Land unklar sind. Aufgrund innenpolitischer Krisen, Spannungen an der Grenze zur Ukraine und der Eskalationsrhetorik Transnistriens konnten die offiziellen Gespräche im «5+2-Format» (OSZE, Russland, Ukraine, Republik Moldau, Transnistrien, EU, USA) nicht wiederbelebt werden, weshalb vor allem Shuttle-Diplomatie gefragt war. Die Vermittlungsbemühungen unter der Leitung des serbischen OSZE-Sonderbeauftragten Bogojevic und seines gemischten schweizerisch-serbischen Teams zielten daher einerseits darauf ab, die moldawische Regierung vom Mehrwert einer Integration der Minderheiten, der Umsetzung des geltenden Autonomie-Status für die Provinz Gagausien sowie der Entwicklung einer Reintegrationsstrategie für Transnistrien zu überzeugen.

Andererseits wurde versucht, Transnistrien vom Mehrwert des Verhandlungswegs zu überzeugen, die abtrünnige Region bei der Erreichung legitimer Anliegen zu unterstützen und somit einer Eskalation entgegenzuwirken.

Westbalkan Im Westbalkan führt die Schweiz, in Einklang mit ihrer Politik während ihres OSZE-Vorsitzes 2014, ihre Unterstützung des Versöhnungsprozesses und der regionalen Zusammenarbeit fort. Botschafter Gérard Stoudmann, in seiner Eigenschaft als Sonderbeauftragter der serbischen Präsidentschaft der OSZE für die Region, trug insbesondere zum guten Ablauf der Besuche des serbischen Präsidenten Nikoli in den sechs Ländern der Region bei, in denen die OSZE Operationen vor Ort durchführt. Überdies begrüsste er mit Blick auf die politisch-institutionelle Krise in Mazedonien die Bemühungen der OSZE, eine Eskalation der Krise
und ihre Ethnisierung zu verhindern. Ausserdem hatte er den Parteien empfohlen, bei der Vorbereitung der vorgezogenen Parlamentswahlen im April 2016 die technische Unterstützung der OSZE für Wahlen in Anspruch zu nehmen, und diese Empfehlung wurde in das unter der Ägide der EU abgeschlossene Abkommen zwischen der Regierungskoalition und der Opposition zur Beilegung der Krise aufgenommen.

Die drei Dimensionen der OSZE Die Schweiz setzte sich in der ersten, der politisch-militärischen Dimension im Rahmen der Terrorismusbekämpfung für die Umsetzung der Ministerratserklärungen in Basel zu Entführungen gegen Lösegeld sowie ausländischen Kämpfern ein. In der zweiten, der Wirtschafts- und Umweltdimension legte der serbische Vorsitz den Schwerpunkt auf Wassergouvernanz. Damit schloss er nahtlos an die Priorität der

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Schweiz an, die den Umgang mit Naturkatastrophen zum zentralen Anliegen gemacht hatte. Die Schweiz hat Serbien bei der Implementierung des Schwerpunktthemas stark unterstützt. So hat beispielsweise der Departementsvorsteher des EDA die Eröffnungsrede beim jährlichen Wirtschafts- und Umweltforum in Prag gehalten. In der dritten, der menschlichen Dimension hat sich die Schweiz weiterhin für die umfassende Umsetzung der bestehenden Verpflichtungen in dieser Dimension eingesetzt und dieses Thema auch im Rahmen der verstärkten Kooperation zwischen der Schweiz, Deutschland, Österreich und Liechtenstein gefördert. Basierend auf den Prioritäten des Vorsitzjahres hat die Schweiz auch 2015 eng mit Vertretern der Zivilgesellschaft zusammengearbeitet. Sie hat sich für die Folterbekämpfung und die Menschenrechtsverteidiger stark gemacht ­ unter anderem indem sie die Aktivitäten der OSZE in diesen Bereichen unterstützt hat.

3.3.2

Europarat

Die Aktivitäten des Europarats wurden stark von der Krise in der Ukraine beeinflusst. Das Ministerkomitee verabschiedete mehrere Empfehlungen, mit denen die Konfliktparteien dazu angehalten wurden, ihren Verpflichtungen bezüglich der Menschenrechte nachzukommen, und zwar sowohl denen, die sie mit ihrem Beitritt zum Europarat eingegangen waren, als auch denjenigen, die sich aus den Minsker Vereinbarungen ergeben. Die Schweiz nahm aktiv an diesen Debatten teil und rief systematisch allen Parteien ihre Pflichten in Erinnerung, und sie sprach sich regelmässig zugunsten der Unabhängigkeit, der Souveränität und der territorialen Unversehrtheit der Ukraine aus.

Nach den Attentaten von Paris und Kopenhagen drängte sich das Thema Terrorismus an der 125. Sitzung des Ministerkomitees auf, die im Mai in Brüssel stattfand, auf. Bei dieser Gelegenheit verabschiedeten die Minister der 47 Mitgliedstaaten ein Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen vom 27. Januar 197725 zur Bekämpfung des Terrorismus, das ausländische Kämpfer betrifft. Die Schweiz hat intensiv an der Vorbereitung dieses Protokolls mitgearbeitet, und sie hat es im Oktober anlässlich der Eröffnung der Terrorismuskonferenz in Riga unterzeichnet.

Anlässlich derselben Sitzung des Ministerkomitees legte der Generalsekretär des Europarats seinen zweiten Bericht über den Stand der Demokratie, der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit in Europa vor. Er hebt darin hervor, dass die fehlende Unabhängigkeit der Justiz und das für die Medienfreiheit immer ungünstigere Umfeld in zahlreichen europäischen Ländern heute eine grosse Herausforderung für die demokratischen Gesellschaften darstellen. Die Schweiz unterstützte den Vorschlag des Generalsekretärs, rasch einen Aktionsplan zu erstellen und diese Themen in den künftigen Programmen des Europarates zu Schwerpunkten zu machen.

2015 veröffentlichte der EGMR zehn Entscheide über Beschwerden gegen die Schweiz. Diese Urteile betrafen vor allem die Meinungsäusserungsfreiheit, das

25

668

SR 0.353.3

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Recht auf Freiheit und Sicherheit, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren.

Aufsehen erregt hat dabei vor allem der Entscheid der Grossen Kammer in Sachen Perinçek gegen die Schweiz. In diesem Fall, bei dem es um die Leugnung des Genozids von 1915 an den Armeniern durch einen türkischen Staatsangehörigen ging, stellte der Gerichtshof eine Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit des Beschwerdeführers fest.

Für die Schweiz stellt der Europarat ein äusserst wichtiges Diskussions- und Austauschforum dar, in welchem sie den Ruf einer verlässlichen, glaubwürdigen und effizienten Partnerin geniesst. Sie verdankt diesen Ruf insbesondere der konsensorientierten Politik, die sie dort vertritt, aber auch der bedeutenden finanziellen Unterstützung, die sie der Organisation leistet. Sie ist einer der wichtigsten Beitragszahler zu den Programmen ausserhalb des ordentlichen Budgets. Indem sie wichtige Projekte unterstützt, die nicht direkt in die Mandate der Europarat-Organe fallen, fungiert die Schweiz als Pionierin bei der Weiterentwicklung demokratischer Normen.

Zwei neuere Beispiele sind die Unterstützung der Rechte von Homosexuellen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen sowie der Rechte von Migrantenkindern.

Im Anhang zu diesem Bericht finden sich weitere Angaben zur Tätigkeit des Europarats im Zusammenhang mit der Schweiz während des Berichtsjahres.

3.3.3

Internationale Sicherheit26

Im Bereich der äusseren Sicherheit ist eine verstärkte internationale Zusammenarbeit nach wie vor wesentlich, um die Sicherheitsprobleme zu meistern, mit denen die Schweiz konfrontiert ist und die vermehrt grenzüberschreitender Art sind. So konzentrierte die Schweiz 2015 ihre Bemühungen im Bereich der internationalen Sicherheit auf die Förderung der Absprachen mit anderen Ländern, die Identifizierung neuer Mittel sowie die Umsetzung von Massnahmen, um effizient auf Bedrohungen zu reagieren und die Sicherheit des Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger zu wahren.

Teilnahme der Schweiz an der Partnerschaft für den Frieden (PfP) Die North Atlantic Treaty Organization (NATO) gehört zusammen mit der EU und der OSZE zu den drei für die Sicherheit in Europa wichtigsten Organisationen. Im Zuge der Ereignisse in der Ukraine ist die kollektive Verteidigung für die NATO wieder stärker in den Vordergrund gerückt. Gleichzeitig wurden mit dem Ende der International Security Assistance Force (ISAF) in Afghanistan und dem Übergang zur Resolute Support Mission die Truppen in den grossen Krisenmanagementoperationen weiter reduziert.

Die Partnerschaftspolitik der NATO stand 2015 im Zeichen des Aufbaus einer Initiative zur Stärkung der Interoperabilität mit den Partnern (Partnership Interope26

Die internationalen Aktivitäten der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung werden unter Ziff. 3.3.6 behandelt.

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rability Initiative), die am Gipfel 2014 in Wales offiziell lanciert wurde. Die Schweiz nimmt gemeinsam mit 24 anderen Partnerstaaten an der Interoperability Platform teil. Interoperabilität, das heisst die Fähigkeit zur Zusammenarbeit, ist für die Schweizer Armee wichtig und erhöht deren Handlungsfreiheit. Ausserdem findet das grösste Engagement der Schweizer Armee in der militärischen Friedensförderung in einer von der NATO geführten Operation (KFOR) statt.

Die Schweiz ist ebenfalls an der Aufrechterhaltung einer substanziellen Plattform für den politischen Dialog mit der NATO interessiert. Gemeinsam mit anderen Partnern verfolgte sie 2015 das Anliegen weiter, das Diskussionsformat in der Zusammensetzung NATO und westeuropäische Partner (Finnland, Irland, Österreich, Malta, Schweden, Schweiz) zu stärken.

Die Schweiz setzt sich für Kooperation mit der NATO auf der Basis gemeinsamer Werte ein. In diesem Sinn setzte sie 2015 ihr Engagement in Themen der menschlichen Sicherheit fort. Die NATO ist für die Implementierung solcher Themen insofern wichtig, als sie einen Multiplikatoreffekt in den Streitkräften von Alliierten und Partnern hat; darüber hinaus setzt die NATO im militärischen Bereich oft einen weltweiten Standard. Die Schweiz führte schliesslich ihre Unterstützung für Aktivitäten in Bereichen weiter, in denen sie über besondere Kompetenzen verfügt (zum Beispiel Sicherheitssektorreform, Munitionsvernichtung, Überwachung). Im Gegenzug profitierte sie von Ausbildungsangeboten und multilateralen Übungen der PfP.

Sie kann zudem von der NATO im Bereich der neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen profitieren, insbesondere in der Cyber-Sicherheit. Im abgelaufenen Jahr wurde ein Pilotprojekt der Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum für Cyber Defence in Tallinn diskutiert.

Sicherheit im Cyber-Raum Gegenseitiges Vertrauen und global mitgetragene Regeln sind die Grundsteine für eine effiziente internationale Zusammenarbeit, welche für die Reduktion von CyberRisiken unabdingbar ist. Die Schweiz engagiert sich deshalb für die Vertrauensbildung und klare Regeln im Cyber-Raum.

Im Bereich Vertrauensbildung beteiligt sich die Schweiz am OSZE-Prozess, der zum Ziel hat, das Vertrauen, die Transparenz sowie die Kooperation unter den Staaten zu stärken und das Konfliktrisiko zu reduzieren. Die
Schweiz hat konkrete Vorschläge für die Umsetzung des ersten Massnahmenkataloges formuliert und engagierte sich in den Verhandlungen über einen zweiten Katalog.

Angesichts der globalen Natur der Cyber-Risiken setzte sich die Schweiz auch für die überregionale Vertrauensbildung ein. Sie verfolgte eine engere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen regionalen Organisationen (wie OSZE, ASEAN, ASEAN Regional Forum oder OAS). Dieses Anliegen konnte die Schweiz erfolgreich in die Global Conference on Cyberspace in Den Haag einspeisen. In der OSZE engagierte sie sich für eine engere Einbindung der asiatischen OSZE-Partnerstaaten in den vertrauensbildenden Prozess.

Die Schweiz beteiligt sich auch an den internationalen Bemühungen zur Förderung eines global mitgetragenen Regelwerks im Cyber-Raum. Sie setzt sich dafür ein, dass dieses auf dem existierenden Völkerrecht basiert, welches auch im Cyber-Raum 670

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anwendbar ist. Sie beteiligt sich an Bemühungen, abzuklären, wie einschlägige völkerrechtliche Regeln durchgesetzt werden können, beispielsweise durch die Unterstützung von regionalen Workshops im Rahmen eines Projekts des UN Institute for Disarmament Research. Zusätzlich unterstützt und fördert die Schweiz die Bildung von politischen, freiwilligen Verhaltensnormen. Zur Stärkung der internationalen Zusammenarbeit unterstützt die Schweiz auch den Kapazitätsaufbau anderer Staaten, was angesichts der Interdependenzen im Cyber-Raum in ihrem Interesse ist.

Sie ist Gründungsmitglied des Global Forum on Cyber Expertise, das zum Ziel hat, den Kapazitätsaufbau weiter zu fördern. Schliesslich engagiert sich die Schweiz im Bereich Cyber-Kriminalität, wo sie eine Verbreitung und massvolle Weiterentwicklung des entsprechenden Europaratsübereinkommens anstrebt.

Kooperative Sicherheit in Asien In Ostasien war die Lage von Spannungen in und um das Südchinesische Meer sowie zwischen den beiden Korea, Japan und China geprägt. Initiativen zur Reduktion von Spannungen haben bisher begrenzte Wirkung entfaltet. Die Schweiz hat ein Interesse an einer stabilen ostasiatischen Region, insbesondere mit Blick auf die wirtschaftlichen Implikationen, und setzt sich daher für die Stärkung der kooperativen Sicherheit in der Region ein. Als ausgehendes Mitglied der OSZE-Troika hat die Schweiz die Kontaktgruppe mit den asiatischen OSZE-Kooperationspartnern präsidiert und dabei eine Diskussion angestossen, inwieweit Erfahrungen aus Europa und insbesondere der OSZE für die Staaten Ostasiens und die regionale Sicherheit relevant sein könnten. Zu diesem Zweck hat der Vorsteher des EDA Ende Mai in Singapur am Shangri-La-Dialog, dem bedeutendsten informellen Forum von Regierungsvertretern zum Austausch über sicherheitspolitische Themen in Ostasien, und an der OSZE-Asien-Konferenz in Seoul teilgenommen. Die Schweiz hat dafür plädiert, mittels mehr Transparenz in politischen und militärischen Fragen Vertrauen unter den Staaten der Region zu schaffen. Spezifische Aktivitäten, um die kooperative Sicherheit in der Region zu stärken, sind lanciert worden (vgl. Ziff. 3.4.1).

Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtweiterverbreitung von Waffen Rüstungskontroll-, Abrüstungs- und Nonproliferationsbestrebungen wirken komplementär zu anderen
aussenpolitischen Instrumenten und tragen zur Stärkung der internationalen Sicherheit und Stabilität bei. Massnahmen zur Förderung von Vertrauen und Transparenz sowie die Einschränkung des Rüstungsniveaus und bestimmter Waffenkategorien begünstigen eine friedlichere Entwicklung. Die Schweiz hat deshalb ein Interesse an resultatorientierten Abkommen und handlungsfähigen Organisationen im multilateralen Rüstungskontroll- und Abrüstungsbereich.

Im Berichtsjahr setzte sich der Trend fort, dass in den multilateralen Foren ­ sei dies im Ersten Ausschuss der UNO-Generalversammlung, in der Genfer Abrüstungskonferenz, an Staatenkonferenzen der entsprechenden Abkommen oder bei den Exportkontrollregimen ­ aufgrund des geopolitischen Kontextes sowie unterschiedlicher Vorstellungen nur punktuell Fortschritte erzielt werden konnten. Die Schweiz versucht in diesem Umfeld, Aspekte in die Abrüstungsdiskussionen einzubringen, welche Raum für Fortschritt schaffen.

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Initiativen im Bereich der Massenvernichtungswaffen (Nuklear-, Bio- und Chemiewaffen) Einer der bedeutendsten Fortschritte im Bereich der Massenvernichtungswaffen betrifft die Entwicklung rund um das iranische Nuklearprogramm. Das Nuklearabkommen vom 14. Juli 2015 ermöglicht dem Iran die Weiterführung eines limitierten Anreicherungsprogramms, dessen friedlicher Charakter mit aufwendigen Inspektionsmassnahmen verifiziert wird. Im Gegenzug erhält der Iran umfassende Sanktionserleichterungen. Die Schweiz hat sich dabei als Ideengeberin und Gastgeberin von Gesprächen engagiert. Das Abkommen vom Juli beruht im Wesentlichen auf den bereits im April in Lausanne ausgearbeiteten Eckpunkten. Zur Umsetzung des Interimsabkommens von Genf leistete die Schweiz einen konstruktiven Beitrag, insbesondere durch die Mithilfe bei der Repatriierung von iranischen Geldern und freiwillige Beiträge an die Inspektionstätigkeit der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA).

Die im Berichtsjahr gescheiterte Konferenz zur Überprüfung des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Non-Proliferation Treaty, NPT) erschwert Fortschritte in Abrüstung und Nonproliferation. Die Schweiz konnte während der Konferenz mit auf Fortschritt bedachten und zugleich pragmatischen Beiträgen als Brückenbauerin agieren und als Vorsitzende des Unterausschusses für Abrüstung moderierend wirken. Nachdem es wegen Unstimmigkeiten über den Prozess einer massenvernichtungswaffenfreien Zone im Mittleren Osten nicht gelang, ein NPTSchlussdokument zu verabschieden, setzte sich die Schweiz an der 70. UNOGeneralversammlung für positive Impulse in der multilateralen Nukleardiplomatie ein. So unterstützte sie unter anderem die Lancierung eines inklusiven UNOProzesses, um effektive Abrüstungsmassnahmen zu identifizieren.

Im Rahmen der Konvention über nukleare Sicherheit (Convention on Nuclear Safety, CNS) fand im Februar auf Grundlage eines Vorschlages der Schweiz eine Konferenz statt, an welcher die Mitgliedsstaaten übereinkamen, dass die Sicherheit von neuen Nuklearanlagen dem neuesten Stand der Technik entsprechen und bestehende Anlagen kontinuierlich nachgebessert werden sollen. Über ihren gegenwärtigen Einsitz im IAEA-Gouverneursrat kann die Schweiz ihren Anliegen in diesem und in anderen Bereichen Nachdruck verleihen.

Im Juni 2015 wurde an
der Plenarversammlung der Gruppe der Nuklearlieferländer (Nuclear Suppliers Group, NSG) beschlossen, dass die Schweiz im Jahr 2017 den NSG-Vorsitz übernehmen wird, weshalb sie nun zusammen mit Argentinien und Südkorea der Führungstroika angehört. Da in den nächsten Jahren aufgrund des Beitrittswunsches Indiens in die verschiedenen Exportkontrollregime ­ neben der NSG auch das Raketentechnologiekontrollregime und die Australiengruppe ­ die kontroverse Frage der Mitgliedschaftserweiterung grundsätzlich gelöst werden muss, kommt dieser Rolle eine besondere Bedeutung zu.

Im Kontext des Biologiewaffenübereinkommens engagierte sich die Schweiz im Hinblick auf die Überprüfungskonferenz 2016 mit einer vielbeachteten Initiative zugunsten einer systematischeren Auseinandersetzung mit den Auswirkungen des biotechnologischen Fortschritts und seinen Folgen für die Konvention, insbesondere durch die Schaffung einer speziell diesem Themenkomplex gewidmeten Arbeits-

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gruppe. Da die Konvention nach wie vor über keine Mechanismen zur Überprüfung der Einhaltung ihrer Bestimmungen verfügt, setzte sich die Schweiz für eine Auseinandersetzung mit Fragen der Compliance und alternativer Verifikationsansätze ein.

Zudem unterstützte die Schweiz den Mechanismus des UNO-Generalsekretärs zur Untersuchung vermuteter Biologie- und Chemiewaffeneinsätze sowohl finanziell wie auch fachlich mit der Lancierung einer Workshop-Reihe am Labor Spiez.

Im Mittelpunkt des Schweizer Engagements im Rahmen des Chemiewaffenübereinkommens und der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) standen die Ereignisse im Kontext des syrischen Chemiewaffenarsenals. Obwohl das entsprechende, deklarierte Programm beinahe vollständig eliminiert wurde, kam es zu weiteren Einsätzen solcher Waffen. Zur Untersuchung derselben leistete die Schweiz mit dem Labor Spiez erneut Unterstützung im Bereich der Probenanalyse.

Darüber hinaus setzte sich die Schweiz für eine Auseinandersetzung mit der Problematik nicht zwingend tödlich wirkender aber handlungsunfähig machender chemischer Substanzen («incapacitating chemical agents») ein, und unterstützte die OPCW sowie deren Mitgliedsstaaten in Ausbildung und Kapazitätssaufbau in verschiedenen Bereichen.

Initiativen im Bereich konventioneller Waffen Auch die Herausforderungen durch konventionelle Waffen erforderten im Berichtsjahr weiterhin grosse Aufmerksamkeit. Der Vertrag vom 2. April 201327 über den Waffenhandel (Arms Trade Treaty, ATT) ist für die Schweiz am 30. April in Kraft getreten. Der Vorsteher des EDA nahm im August an der ersten Vertragsstaatenkonferenz in Cancún teil. An dem Treffen gelang es, einen Entscheid für die Ansiedlung des Sekretariats des ATT in Genf zu erwirken, wo die für die effiziente Implementierung des neuen Vertrages optimalen Bedingungen vorzufinden sind. Davor hatte die Schweiz im Juli in Genf ein Vorbereitungstreffen für die erste Vertragsstaatenkonferenz mit über 400 Teilnehmenden organisiert. Der ATT legt erstmals auf internationaler Ebene völkerrechtlich verbindliche Standards für die Regelung und Kontrolle des internationalen Handels mit konventionellen Waffen fest.

Im Rahmen der UNO-Konvention über bestimmte konventionelle Waffen (Convention on Certain Conventional Weapons, CCW) engagierte sich die Schweiz für die
Fortsetzung einer fundierten Auseinandersetzung mit sogenannten Lethal Autonomous Weapons Systems (LAWS). Sie setzte sich insbesondere für die umfassende Einhaltung des Völkerrechts ein, unter anderem auch für die Verpflichtung, neue Waffen auf ihre Vereinbarkeit mit geltendem Völkerrecht zu prüfen. Der technologische Fortschritt führt zur Entwicklung zunehmend autonomer Waffensysteme, welche dereinst nicht nur autonom manövrieren, sondern auch Ziele auswählen und eliminieren könnten. Weiterhin engagierte sich die Schweiz auch in den Bereichen der Kleinwaffen und leichten Waffen (SALW) sowie bezüglich der beiden Verbotskonventionen zu Personenminen und Streumunition (vgl. Ziff. 3.3.5).

27

SR 0.518.61

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Bundesgesetz über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen (BPS) Das Bundesgesetz vom 27. September 201328 über die im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistungen (BPS) trat am 1. September in Kraft. Es soll die privaten Sicherheitsdienstleistungen im Ausland regeln und dazu beitragen, die innere und äussere Sicherheit der Schweiz zu gewährleisten, die schweizerische Neutralität zu wahren, die aussenpolitischen Ziele der Schweiz zu verwirklichen und die Einhaltung des Völkerrechts zu garantieren. Es gilt insbesondere für Unternehmen, die von der Schweiz aus private Sicherheitsdienstleistungen im Ausland erbringen oder in der Schweiz mit einer im Ausland erbrachten privaten Sicherheitsdienstleistung zusammenhängende Dienstleistungen erbringen. Das EDA hat das notwendige Instrumentarium für seine Anwendung geschaffen; insbesondere hat es eine Behörde eingerichtet, die für die Umsetzung des Gesetzes zuständig ist, und eine Wegleitung zum BSP veröffentlicht. Diese Wegleitung, die sich an die privaten Unternehmen richtet, präzisiert einige Begriffe und legt die verschiedenen Etappen des vom Gesetz vorgesehenen Verfahrens dar. Im Sommer sind die Unternehmen, deren Tätigkeit möglicherweise unter das BPS fällt, über das Inkrafttreten des Gesetzes informiert und für seine Folgen sensibilisiert worden. Rund die Hälfte der seit Inkrafttreten des Gesetzes behandelten Fälle betreffen klassische Sicherheitsdienstleistungen, die andere Hälfte Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Ausfuhr von Gütern nach Kriegsmaterialgesetz und nach Güterkontrollgesetz. Für diese zweite Kategorie hat das EDA ­ wie im Gesetz vorgesehen ­ ein mit dem SECO abgestimmtes Meldeverfahren eingerichtet.

3.3.4

Internationale Zusammenarbeit

In den letzten Jahrzehnten sind bedeutende Fortschritte bei der Verringerung der Armut erzielt worden. Gemäss der Weltbank ist der Anteil der Personen, die von weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag ­ also in extremer Armut ­ leben, von 43 % im Jahr 1990 auf 14 % im Jahr 2015 gesunken. Mehrere der Millenniums-Entwicklungsziele, die 2000 im Rahmen der UNO verabschiedet wurden, sind erreicht oder werden es demnächst: Im Zeitraum 2000­2012 ist beispielsweise die Zahl der Kinder, die keine Schule besuchen, von 100 Millionen auf 58 Millionen gesunken, und die globale Quote der Primarschulabschlüsse ist von 81 % auf 92 % gestiegen. 2015 verfügen 91 % der Weltbevölkerung über einen verbesserten Trinkwasserzugang, während es 1990 nur 76 % waren. Von den 2,6 Milliarden Menschen, die seit 1990 Zugang zu besserem Trinkwasser erhielten, haben 1,9 Milliarden Anschluss an eine Wasserleitung. Diese Verbesserungen sind vor allem in aufstrebenden Ländern wie China, Indien oder Indonesien zu beobachten, aber global gesehen sind in den meisten Regionen beträchtliche Fortschritte erzielt worden, insbesondere in Ostasien, Lateinamerika und der Karibik.

Es bleiben jedoch noch einige erhebliche Herausforderungen, bis diese Ziele vollständig verwirklicht sind, insbesondere in Subsahara-Afrika und Südasien, Regio28

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SR 935.41

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nen, in denen bewaffnete Konflikte im Gang sind und wo die Bevölkerung noch rasant wächst. Überdies sind selbst dort, wo die Menschen aus der Armut ausbrechen konnten, die Fortschritte oft nicht gefestigt: Wirtschaftskrisen, Ernährungsunsicherheit und die Folgen des Klimawandels drohen, die hart errungenen Fortschritte zunichte zu machen. Heute leben weltweit rund zwei Milliarden Menschen von weniger als zwei Dollar pro Tag; davon leben 1,2 Milliarden in extremer Armut.

Rund 70 % von ihnen sind Frauen, und ein Drittel von ihnen lebt in den Ländern von Subsahara-Afrika. Die Existenzgrundlage armer Bevölkerungsgruppen hängt unmittelbar von den natürlichen Ressourcen ab, und da diese Menschen häufig in gefährdeten Zonen leben, leiden sie am meisten unter der Umweltverschmutzung. 40 % der Weltbevölkerung sind von der Wasserknappheit betroffen, und in Zukunft dürften es noch mehr werden. Auch die Entwaldung zieht viele Arten sowie auch die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen in Mitleidenschaft. Ausserdem trifft zum Beispiel der Krieg in Syrien oder im Südsudan ganz besonders die Zivilbevölkerung und führt dazu, dass Menschen in extreme Armut fallen. Gemäss dem UNOHochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) sind derzeit weltweit rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Schliesslich haben globale Probleme wie Nahrungsmittelkrisen, die globale Migration oder der Klimawandel oft dramatische Folgen für die arme Bevölkerung und erfordern kurz- wie auch langfristige Massnahmen, um die Auswirkungen zu mildern.

Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung Das Kapitel 3.4.3 gibt detailliert zu dieser Thematik Auskunft.

Nach einem dreijährigen Erarbeitungs- und Verhandlungsprozess haben die Staatsund Regierungschefs Ende September anlässlich eines UNO-Gipfeltreffens in New York die neue Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (bisher Post-2015-Agenda für nachhaltige Entwicklung) verabschiedet. Kernstück der Agenda 2030 sind die siebzehn Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs). Ausserdem umfasst sie eine politische Deklaration, ein Kapitel zu den Umsetzungsinstrumenten sowie eines zu Monitoring und Überprüfung.

Die Verabschiedung dieser ambitionierten Agenda kann aus Sicht der Schweiz als historischer Erfolg gewertet werden. Sie bildet einen umfassenden Referenzrahmen für nachhaltige
Entwicklung in den kommenden fünfzehn Jahren und widerspiegelt die Anliegen der Schweiz weitgehend.

Die Agenda 2030 erhält universelle Gültigkeit und soll somit von allen Ländern umgesetzt werden. Die drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung ­ Wirtschaft, Soziales und Umwelt ­ werden ausgewogen berücksichtigt und in den siebzehn Zielen und 169 Unterzielen integriert. Aufgrund ihres umfassenden Zielrahmens und dessen hohen Ambitionen benötigt die Agenda 2030 auch eine breite Finanzierungs- und Umsetzungsbasis, welche neben öffentlichen und privaten Finanzmitteln auch die Schaffung politischer Rahmenbedingungen bedingt. Die Mitte Juli verabschiedete «Addis-Abeba-Aktionsagenda» bildet daher einen integralen Bestandteil der Agenda 2030. Die Schweiz hat den dreijährigen Erarbeitungsund Verhandlungsprozess an der UNO sowie das Abschlussdokument aktiv und substanziell mitgeprägt.

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Die internationale Zusammenarbeit der Schweiz wird sich inskünftig an der Agenda 2030 und den Zielen für nachhaltige Entwicklung orientieren. Wie die Agenda 2030 auf nationaler Ebene umgesetzt wird, wird in der «Strategie Nachhaltige Entwicklung 2016­2019»29 des Bundesrates aufgezeigt.

Umsetzung der Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2013­2016 In der Botschaft vom 15. Februar 201230 über die internationale Zusammenarbeit 2013­2016 geht es um vier Rahmenkredite, welche die internationale Zusammenarbeit der Schweiz in den Bereichen humanitäre Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas betreffen. Dieser strategische Rahmen wird von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und vom SECO umgesetzt und ermöglicht es der Schweiz, auf weltweiter Ebene zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen, mit der die Armut und die globalen Risiken vermindert werden sollen. Die Schweiz ist dem Ziel eines Anstiegs der öffentlichen Entwicklungshilfe (APD) auf 0,5 % des Bruttonationaleinkommens (BNE) bis 2015, das die eidgenössischen Räte 2011 festgelegt hatten, näher gekommen. Infolge der Revision des BNE durch das Bundesamt für Statistik (BFS) im Jahr 2014, die das nominale BIP der Schweiz dauerhaft um rund 56 % ansteigen lässt und somit auch Auswirkungen auf das Bruttonationaleinkommens hat, lag die APD 2014 bei 0,51 % und wird auch im Jahr 2015 übertroffen werden.

Im Berichtsjahr behielt die DEZA die Konzentration ihrer Tätigkeit in 20 Ländern bei, von denen zwölf sogenannt fragile Staaten sind. Die Schweiz verstärkte überdies ihre Zusammenarbeit mit dem Privatsektor im Rahmen der öffentlich-privaten Entwicklungspartnerschaften (PPDP). Ein Beispiel hierfür ist die Zusammenarbeit mit Nestlé bei der Kaffeeproduktion in Vietnam. Die Schweiz erhöhte auch ihren Einfluss auf die Politik der multilateralen Organisationen sowie bei globalen Themen wie Klimawandel, Nahrungsmittelsicherheit, Wasser, Migration und Gesundheit. Eine 2015 durchgeführte unabhängige Evaluierung der fünf Globalprogramme der DEZA zeigte deutlich den wachsenden Einfluss der Schweiz in den Debatten um eine Verbesserung des internationalen Rechtsrahmens. Dank leistungsfähigen Planungs- und Verwaltungsinstrumenten sowie unabhängigen Evaluierungen zu wichtigen Themen der Botschaft 2013­2016,
wie Klimawandel, Bildung und Gesundheit, baute die Schweiz ihre ergebnisorientierte internationale Zusammenarbeit aus.

Humanitäre Hilfe (DEZA/HH) Das Jahr 2015 war geprägt von grosser Not. Syrien blieb auch im fünften Kriegsjahr eine humanitäre Katastrophe grössten Ausmasses: Von einer Gesamtbevölkerung von 18,2 Millionen sind 16,2 Millionen Syrerinnen und Syrer von internationaler Hilfe abhängig. Der Syrienkonflikt stand im medialen Licht, doch auch in anderen Regionen der Welt war die humanitäre Lage kritisch. Die DEZA/HH hat ihre Nothilfe ­ unabhängig von der medialen und politischen Aufmerksamkeit ­ auf diejenigen Gebiete fokussiert, in welchen die Menschen die dringlichsten humanitären Bedürfnisse aufweisen. Dies waren neben Syrien und dessen Nachbarstaaten weitere Konfliktgebiete wie beispielsweise Südsudan, Sudan, die Demokratische Republik 29 30

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Diese Strategie ist Teil der Botschaft zur Legislaturplanung 2016­2019.

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Kongo, Irak oder der Jemen. Zudem führte die DEZA/HH nach dem Erdbeben vom 25. April in Nepal eine grosse Soforthilfeaktion durch.

Die Einsatzmittel der DEZA/HH: Um auf die humanitäre Not in der Welt reagieren zu können, stehen der Schweiz verschiedene Einsatzmittel zu Verfügung: Sie ist vor Ort präsent und führt mit dem Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe (SKH) eigene humanitäre Aktionen durch. Die DEZA/HH unterstützt zudem humanitäre Partnerorganisationen wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), humanitäre UNO-Agenturen sowie Nichtregierungsorganisationen (NGO) mit Geldund Sachbeiträgen. Insgesamt erreichte die Schweizer Unterstützung weltweit rund 4,5 Millionen Menschen.

Humanitäre Katastrophe in und um Syrien: Seit 2011 hat die Schweiz 178 Millionen Franken für die Betroffenen des Syrienkrieges und seit 2014 20 Millionen Franken für die Betroffenen der Irakkrise bereitgestellt. Am 18. September hat der Bundesrat angekündigt, angesichts der massiven Unterfinanzierung der internationalen humanitären Organisationen die finanzielle Hilfe in Syrien, im Irak und in deren Nachbarstaaten sowie dem Horn von Afrika in den Jahren 2015 und 2016 um weitere 70 Millionen Franken zu erhöhen. 30 Millionen Franken davon kommen im Jahr 2015 den von der Syrien- und Irakkrise betroffenen Menschen zugute. Neben der Nothilfe (Betreuung und Schutz der am meisten betroffenen Menschen in der Region) werden beispielsweise auch Projekte im Bereich der Wasserversorgung in Libanon umgesetzt, welche zur längerfristigen Versorgung der Bevölkerung beitragen. Ein zentraler Partner für das Engagement innerhalb von Syrien ist das IKRK, das als einer der wenigen Akteure Zugang zu allen Gebieten hat. Allein von Januar bis Mai konnte das IKRK über 150 Feldbesuche durchführen und achtzehn Mal die Konfliktlinie überschreiten, um die betroffene Bevölkerung mit lebensnotwendiger Hilfe zu versorgen (vgl. Ziff. 3.4.1).

Flüchtlingskrise im Mittelmeerraum: Laut den neusten UNO-Zahlen waren im Berichtjahr über 60 Millionen Menschen auf der Flucht. 2015 sind allein eine Million Syrerinnen und Syrer neu aus dem Land geflohen. Die Auswirkungen dieser historischen Fluchtbewegung sind auch in Europa spürbar. Die Hauptlast der Flüchtlingsströme wird aber nach wie vor von den Herkunftsstaaten selber, von deren Nachbarstaaten
und der weiteren Region getragen. Die Schweiz hat einen Beitrag zur Bewältigung der Krise erbracht, in dem sie sich auf die Hilfe vor Ort konzentriert. Zudem unterstützte sie humanitäre Aktionen in Transitländern wie beispielsweise in Nordafrika und Griechenland, wo Flüchtlinge ohne ausreichenden Schutz oder Zugang zur elementarsten Grundversorgung verbleiben.

Grosses Horn von Afrika: Die Schweiz leistet auch in anderen Herkunftsregionen von Flüchtlingen Hilfe. Wie die meisten afrikanischen Staaten leidet auch das grosse Horn von Afrika seit Jahren unter einer gravierenden Flüchtlingskrise. Diese wird durch ankommende Flüchtlinge aus Jemen weiter verstärkt. Jemen ist 2015 von der UNO als humanitäre Katastrophe grössten Ausmass definiert worden: Über 60 % der jemenitischen Bevölkerung benötigen aktuell humanitäre Hilfe; 1,6 Millionen Menschen leiden an akuter Unterernährung, davon rund 850 000 Kinder. Die Mehrheit der Flüchtlinge am Horn von Afrika sind Kinder und Jugendliche, die häufig gezwungen sind, frühzeitig die Schule abzubrechen und als billige Arbeitskräfte oder Kindersoldaten rekrutiert zu werden. Von den am 18. September durch den 677

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Bundesrat angekündigten zusätzlichen Hilfsgeldern werden im Jahr 2015 19 Millionen Franken für die Hilfe zugunsten der betroffenen Menschen am Horn von Afrika eingesetzt. Ein wichtiger Partner in solchen Krisengebieten ist das UNHCR. So unterstützte die Schweiz beispielsweise in Äthiopien das UNHCR finanziell und durch die Entsendung eines Spezialisten für Kinderschutz. 2015 hat die Schweiz weltweit 78 Expertinnen und Experten an humanitäre Partnerorganisationen, inklusive das UNHCR, entsandt.

Ukraine: Die Schweiz führte insgesamt drei Hilfsgütertransporte in regierungskontrollierte und nicht regierungskontrollierte Gebiete im Osten der Ukraine durch. Mit den gelieferten 760 Tonnen Chemikalien konnten beispielsweise rund 3,2 Millionen von mangelhafter Trinkwasserqualität betroffene Menschen auf beiden Seiten der Kontaktlinie während einem halben Jahr mit sauberem Trinkwasser versorgt werden. Die humanitären Konvois der Schweiz sind die bis anhin einzigen von einem westlichen Drittstaat durchgeführten Transporte, welche die Kontaktlinie überquerten. Des Weiteren ergänzt die Schweiz ihre Direktaktion durch die Zusammenarbeit mit humanitären Partnerorganisationen, welche beidseits der Kontaktlinie Nothilfe leisten.

Nepal: Nach dem verheerenden Erdbeben entsandte die Schweiz innert zwölf Stunden ein Soforteinsatzteam des SKH. Insgesamt wurden 38 Tonnen Hilfsgüter aus der Schweiz geliefert. Teil der Lieferung waren Module zur Aufbereitung von 200 000 Litern Wasser pro Stunde, was dem Wasserbedarf von rund 15 000 Personen entspricht. Zudem verstärkte ein medizinisches Team die lokalen Kapazitäten in einem Spital in Gorkha City, nahe dem Epizentrum, im Bereich «Mutter-Kind-Medizin».

Fokus auf die Minderung der Katastrophenrisiken durch Vorbeugung und im Wiederaufbau: Neben der Nothilfe engagiert sich die DEZA/HH in der Katastrophenvorsorge sowie im Wiederaufbau. Sie legt dabei ein besonderes Augenmerk auf die Prävention und die Minderung von Katastrophenrisiken. Die Schweiz war massgeblich an der Ausarbeitung des neuen internationalen Rahmenwerkes mitbeteiligt, das im März an der dritten UNO-Weltkonferenz zur Katastrophenvorsorge in der japanischen Stadt Sendai unterzeichnet wurde. In Nepal wird dieser Ansatz angewendet: Bei den nun begonnen Wiederaufbauprojekten der DEZA unterstützt das SKH mit
Fachwissen im Bereich Minderung der Katastrophenrisiken (erdbebensicheres Bauen). Auch in Sri Lanka war die systematische Risikosensibilität ein wichtiges Element im Wiederaufbau und in der Rehabilitation (Erhöhung von Hausfundamenten oder die Montage sturmfester Dächer sowie die Schaffung von lokalen Einkommensmöglichkeiten). Die Schweiz engagierte sich beim Wiederaufbau von insgesamt über 5000 Häusern und Infrastruktur wie etwa Schulen und Kindergärten. 2015 kam das Programm zum Abschluss. Zur Minderung der Katastrophenrisiken in Zentralamerika hat sich die HH als Teil der Kooperationsstrategie der DEZA dafür eingesetzt, dass eine Koalition von 23 zentralamerikanischen Universitäten Kurse und Praktiken im Bereich Disaster Risk Reduction (DRR) und Anpassung an den Klimawandel in ihre Studiengänge aufnehmen. Bis 2016 werden sich rund 1000 Dozenten in diesen Kursen engagieren, und 40 000 Studenten werden davon profitieren.

Engagement auf multilateraler Ebene: Die internationale Gemeinschaft sieht sich einer gehäuften Anzahl grösserer, längerer, komplexerer und gewalttätigerer Krisen 678

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gegenüber. Die Hilfsaufrufe der UNO sind zwischen 2005 und 2015 um das Fünffache angestiegen und belaufen sich aktuell auf 19,7 Milliarden Dollar. Die Staatengemeinschaft ist gefordert, auf die Herausforderungen Antworten zu finden. UNOGeneralsekretär Ban Ki-Moon hat deshalb im Mai 2016 zu einem humanitären Weltgipfel eingeladen. Die globale Konsultation fand im Oktober in Genf statt und wurde gemeinsam von der Schweiz und dem Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) geleitet. Zudem engagierte sich die Schweiz an der 32. Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondkonferenz, die im Dezember in Genf stattfand. Sie setzte sich unter anderem für eine bessere Respektierung der humanitären Prinzipien und des internationalen humanitären Völkerrechtes ein (vgl.

Ziff. 3.3.6).

Bilaterale Entwicklungszusammenarbeit In der Botschaft über die internationale Zusammenarbeit 2013­2016 konnten die strategischen Ziele der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit weitgehend erreicht werden. Die Aktivitäten konzentrieren sich auf neun relativ stabile Schwerpunktländer und -regionen sowie auf zwölf fragile Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. Der Einsatz der bilateralen Mittel orientiert sich an verschiedenen Kriterien wie Erfolgschancen in der Armutsbekämpfung, sicherheitsrelevanten Aspekten oder Reformbereitschaft der Regierung.

Engagement in fragilen Kontexten: Die bilaterale Zusammenarbeit setzt auch 2015 ihre Programme in fragilen Ländern oder Regionen um, indem sie Beiträge zur Friedensentwicklung, zur inklusiven Staatsbildung und zur Unterstützung der Zivilgesellschaft leistet. Ausprägungen der Fragilität sind sehr vielschichtig wie die Beispiele Syrien, Irak, Nepal oder Myanmar zeigen. Gemäss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wird Fragilität immer mehr als eine universelle Problematik betrachtet. Sogar in stabilen Ländern können plötzliche Krisensituationen konfliktsensitive Massnahmen notwendig machen.

Dabei stehen der Schweiz Instrumente wie eine präzise Kontextanalyse und auf Akzeptanz und Glaubwürdigkeit beruhende Sicherheitsmassnahmen zur Verfügung.

Dieses Engagement ist auch international anerkannt. Die Schweiz hat den Ko-Vorsitz des Internationalen Netzwerks über Konflikt und Fragilität im Ausschuss für Entwicklungszusammenarbeit der
OECD inne und hat bei der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung stark zur Verankerung der Menschenrechte und des Entwicklungsziels 16 (Frieden und Gerechtigkeit) beigetragen.

Ostafrika und südliches Afrika: In den Schwerpunktländern Mosambik, Tansania und Tschad und den Schwerpunktregionen Südliches Afrika, Grosse Seen und Horn von Afrika setzte sich dieSchweiz über bilaterale Zusammenarbeit vor allem in den drei Sektoren Gesundheit, ländliche Entwicklung und Gouvernanz ein. In unterschiedlichem Ausmass sind alle Kontexte fragil. Die verschiedenen Teile der Aussenpolitik wurden zur Erreichung höherer Wirksamkeit gut aufeinander abgestimmt ­ in enger Zusammenarbeit zwischen der DEZA/HH, der AMS und der Diplomatie.

Dies trägt auch der hohen Komplexität im politischen, sozialen, humanitären und sicherheitspolitischen Kontext besser Rechnung. Die Schweiz leistet einen wichtigen Beitrag zu Frieden und politischer Stabilität in dieser Gegend.

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Westafrika: Westafrika erlebte 2015 die Fortsetzung von grenzüberschreitenden Unruhen, die vor Schweizer Partnerländern wie Mali, Niger und dem Tschad nicht Halt machten. Zunächst friedlich verlief dank einer jungen und starken Zivilgesellschaft der politische Wandel in Burkina Faso, der aber im September von einem Militärputsch gebremst wurde. Die Militärs konnten nach kurzer Zeit ohne Gewaltanwendung zur Aufgabe gezwungen werden, was für die junge Demokratie in Burkina Faso ein hoffnungsvolles Zeichen ist. Die Schweiz ist seit Langem in der Region präsent und unterstützt Initiativen der Bevölkerung in den Bereichen Dezentralisierung und lokale Gouvernanz. Das Ziel ist es, nationale Entwicklung mit regionaler Integration zu fördern und Ernährung zu sichern. Um gegen Ausschluss und Radikalisierung junger Bevölkerungsgruppen vorzugehen, engagiert sich die DEZA weiter in der Grundschul- und der Berufsbildung. Ihre langjährige Expertise hat das Interesse mehrerer Länder der Region geweckt.

Südasien: Die Region spielt angesichts ihres demografischen Gewichts sowie infolge ihrer geopolitischen Lage eine wichtige Rolle in der internationalen Politik. Die Partnerstaaten der Schweiz ­ Afghanistan, Bangladesch, Nepal und Pakistan ­ weisen unterschiedliche Ausprägungen von Fragilität auf, welche für das Schweizer Engagement von Bedeutung ist. Afghanistan und Pakistan sind sicherheitspolitisch fragil, wobei insbesondere Afghanistan Anlass zu Besorgnis gibt. Nepal wurde durch das verheerende Erbeben in seiner Entwicklung stark zurückgeworfen. Bangladesch befindet sich in einer verfahrenen innenpolitischen Krise. Die Volkswirtschaften Bangladeschs und in besonderem Masse Nepals sind stark abhängig von Arbeitsmigration. In allen Partnerländern stellen sich grosse Herausforderungen in den Bereichen gute Regierungsführung und Menschenrechte. Als verhältnismässig kleine Akteurin kann die Schweiz nur dank konsequenter Koordination mit anderen Geberstaaten Einfluss auf die Entwicklung in Sektoren wie Berufsbildung und Landwirtschaft als Hebel zur Armutsreduktion nehmen.

Ostasien: In Ostasien besteht eine grosse Heterogenität in der regionalen Entwicklung, wobei die ärmsten Länder stark abfallen. Die soziale Ungleichheit ist auch angestiegen. Besonders ethnische Minderheiten bleiben ausgegrenzt. Landnahmen, Klimawandel
und unzureichende Regierungsführung trafen die ärmsten Bevölkerungsschichten. Als Antwort engagierte sich die Schweiz in den am wenigsten entwickelten Ländern ­ Laos, Kambodscha und Myanmar ­ in der Armutsbekämpfung mit Schwerpunkt auf Dezentralisierung, Ernährungssicherheit sowie Berufsbildung und Gesundheit. Dabei arbeitete sie mit regionalen Partnerorganisationen, unter anderem der ASEAN und der Mekong-Flusskommission und im Bereich Berufsbildung mit dem Privatsektor zusammen. In den fragilen Kontexten Myanmar und Kambodscha bemühte sie sich, auf politische Volatilität stabilisierend einzuwirken. Die DEZA bewirkte weiter im Demokratisierungsprozess der Mongolei systemische Veränderungen und beriet die Regierung in Gouvernanzfragen. Sie kann in Bhutan und Vietnam auf erfolgreiche Programme zurückblicken, die dank der Entwicklungsfortschritte 2016 auslaufen werden.

Lateinamerika und Karibik: Die Schweiz setzte ihre regionale Zusammenarbeit in Bolivien, Zentralamerika, Haiti und Kuba auch 2015 fort. Mit der Erkenntnis, dass Wachstum nur mit Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten nachhaltig ist, erleben viele Länder nun eine positive wirtschaftliche Entwicklung ­ verbunden mit mehr 680

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sozialer Gerechtigkeit. Das Engagement in den Bereichen Beschäftigung und Einkommen sowie Berufsbildung hat dabei grosse Auswirkungen auf die Minderung von Armut und Ungleichheit vor allem bei der ländlichen Bevölkerung. Verbessertes Saatgut und Innovationen bei Anbau, Lagerung und Vermarktung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse haben die Produktivität verbessert und das Einkommen der Bevölkerung in den letzten Jahren erhöht. In Honduras zeigte vor allem die von der DEZA unterstützte Sicherheitsreform Resultate, indem Bürgernähe und die Einhaltung von Menschenrechten bei der Polizei an Bedeutung gewonnen haben. In Kuba wurde dank der DEZA erstmals eine partizipative Budgetplanung auf Gemeindeebene durchgeführt, was für die zukünftige Entwicklung des Landes wegweisend sein könnte.

Naher Osten und Nordafrika: Gemäss Botschaft werden 5 % der bilateralen Entwicklungsmittel zugunsten der Bevölkerung Palästinas und zur Unterstützung der 2011 gestarteten politischen Wandlungsprozesse in Nordafrika eingesetzt. Die Region bleibt ein Hauptkonfliktgebiet der Welt. Angesichts der festgefahrenen Situation im Besetzten Palästinensischen Gebiet mit dem schleppenden Wiederaufbau in Gaza nach der Militärintervention von Israel 2014 sind humanitäre Massnahmen weiter zwingend. Die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit fand unter schwierigen Bedingungen statt und unterliegt der ständigen Gefahr, dass Aufbauarbeit von Konflikten unterbrochen oder zunichte gemacht wird. Die positiven Entwicklungen in Tunesien und Marokko standen insbesondere im Gegensatz zur Lage in Libyen, wo interne politische Richtungskämpfe und die konfliktbedingte Fragmentierung der Gesellschaft Frieden und Stabilität in Frage stellen.

Globalprogramme und Forschung Klimatische Veränderungen, Nahrungsmittel- und Wasserkrisen sowie Gesundheitsrisiken und Migration beeinflussen die Entwicklungsperspektiven armer Länder zunehmend. Mit den fünf thematischen Globalprogrammen Ernährungssicherheit, Klimawandel, Wasserinitiativen, Migration und Entwicklung und Gesundheit setzt sich die DEZA für die Lösung dieser globalen Herausforderungen insbesondere auf internationaler Ebene ein.

Wasser: Die Schweiz, die in den Verhandlungen über die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung im Wasserbereich stark engagiert war und Einfluss nahm, hat sich bei der Einführung
eines Mechanismus für die Fortsetzung und Berichterstattung im Rahmen des UNO-Systems erfolgreich als zentrale Akteurin positioniert. Wasser ist auch eine Sicherheitsfrage. Der Kampf um Wasserressourcen löst Konflikte aus und nährt sie, wie die derzeitige Lage im Nahen Osten zeigt, wo Wasser als Kriegswaffe eingesetzt wird. Mit der Entwicklung neuer Aktionslinien in Bezug auf Wasser und Sicherheit haben alle Dienststellen des EDA zusammengearbeitet, damit diese Ressource ein Stabilitäts- und Entwicklungsfaktor ist anstatt eine Konfliktursache.

Diese Aktionslinien konsolidieren den gesamten Handlungsrahmen der Schweiz, von den Instrumenten der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe bis zur Förderung des Friedens und des Völkerrechts. Mit der Einsetzung eines hochrangigen globalen Forums über Wasser und Frieden, das von rund fünfzehn Ländern unterstützt wird, konkretisierte die Schweiz ihr Engagement im Bereich Wasser und Sicherheit. Das Forum tagte zum ersten Mal am 15./16. November in

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Genf. Zudem führte die Schweiz ihre Tätigkeit als Vermittlerin in wichtigen politischen Fragen der grenzüberschreitenden Wasserbewirtschaftung in Zentralasien und dem Nahen Osten fort. Die DEZA unterstützte innovative Initiativen zur Erfassung und Analyse von hydrometeorologischen Daten. Die Innovation und Verbreitung bewährter Technologie- und Geschäftsmodelle im Bereich der Wiederverwertung und Aufbereitung von Abwasser machten bemerkenswerte Fortschritte. Auch wurden vielversprechende Lösungen für die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Privatwirtschaft entwickelt und in Uganda und Peru grossflächig getestet.

Klimawandel: In den multilateralen Klimaverhandlungen setzt sich die Schweiz für ein umfassendes, rechtlich verbindliches und faires neues Klimaabkommen für die Zeit nach 2020 ein. Alle Staaten sollen gemäss ihrer sich ändernden Verantwortlichkeiten und Kapazitäten eingebunden werden. Ärmere Länder sollen in der Umsetzung des Abkommens unterstützt werden. Die Schweiz leistet diese Unterstützung über verschiedene Kanäle, darunter die IZA sowie den Finanzmechanismus der Klimakonvention. Durch eine direkte Vertretung im Leitungsgremium und Beiträge an den Global Environment Fund (GEF), den Green Climate Fund (GCF) und den Adaptation Fund sowie durch Beiträge an diese beiden Klimafonds hat die Schweiz entscheidend beim Aufbau und der Kapitalisierung mitgewirkt. Des Weiteren unterstützt die Schweiz andere Staaten durch internationale Zusammenarbeit und konkrete Programme in der Planung und Umsetzung von Klimamassnahmen. Die Schweiz hat in China zum neuen Luftreinhaltungsgesetz und zur Umsetzung der nationalen Adaptationsstrategie beigetragen. In Indien wurde eine internationale Wissenschaftsund Politikkonferenz organisiert: Vorwiegend indische und afrikanische Vertreter diskutierten über die Implementierung lokal erfolgreicher Anpassungsstrategien auf nationaler Ebene. Im abgelaufenen Jahr hat sich die Schweiz dafür engagiert, dass Klimawandel-, Umweltdegradations- und Naturkatastrophenaspekte in den nationalen Entwicklungsstrategien von Bolivien, Bosnien, Marokko, Nicaragua, Tansania und Tunesien berücksichtigt werden. Des Weiteren hat die Schweiz beispielsweise die Formulierung eines Reduktionsziels für Treibhausgasemissionen in Tadschikistan unterstützt, sodass Tadschikistan Mitglied unter
dem neuen Klimaabkommen per 2020 werden kann.

Ernährungssicherheit: Die Schweiz hat zur Umsetzung der Reform der internationalen landwirtschaftlichen Forschungspartnerschaft (CGIAR) beigetragen. Durch die Organisation verschiedener Informationsveranstaltungen wurde der nationale Privatsektor aus Finanz, Versicherung und Handel für die Anwendung der Prinzipien für verantwortungsvolle Investitionen in der Landwirtschaft sensibilisiert. Im Bereich Landgouvernanz wurden mit Schweizer Engagement globale, afrikanische und zivilgesellschaftliche Akteure zusammengebracht, um die Implementierung der «Freiwilligen Leitlinien für eine verantwortungsvolle Landgouvernanz» voranzubringen. Der Bundesrat verstärkte 2015 die Schweizer Zusammenarbeit mit dem «Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung» (IFAD) durch die Erhöhung des jährlichen Basisbeitrags auf 15 Millionen Franken für die Jahre 2016­2018.

Gesundheit: Die DEZA verstärkte ihr globales Engagement im Gesundheitsbereich erfolgreich. Ein Schwerpunkt bildete 2015 die Forschung und Entwicklung (F&E) von Innovationen zur Bekämpfung von Armutskrankheiten. Die Zusammenarbeit 682

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mit dem Privatsektor in Produktentwicklungspartnerschaften ist dabei zentral. Die Schweiz spielt eine Vorreiterrolle in der Suche nach einem globalen Mechanismus für die Koordination und Finanzierung von F&E von medizinischen Produkten.

Erste Erfolge sind die Pilotierung eines freiwilligen, nachhaltigen Fonds zur Finanzierung von F&E und die Durchführung erster Demonstrationsprojekte zur Entwicklung von Medikamenten gegen Armutskrankheiten. Im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte konnte sich die Schweiz 2015 als stellvertretende Vorsitzende im Exekutivrat des «Gemeinsamen Programms» der UNO zu HIV/Aids (UNAIDS) im globalen Politikdialog prominent positionieren und die Entwicklung von neuen Strategien für den Kampf gegen HIV/Aids beeinflussen; 2016 wird sie den Vorsitz im UNAIDS-Exekutivrat übernehmen.

Migration und Entwicklung: Die Verankerung von Migration in der Agenda 2030 ist Zeugnis des starken Engagements der Schweiz in diesem Bereich. Die Vorreiterrolle der Schweiz legimitiert sich durch das politische Engagement auf globaler Ebene sowie das Einbringen von praktischer Erfahrung in den Politikdialog. Eine externe Evaluation 2015 der Migrationspartnerschaften der Schweiz mit Serbien, Kosovo, Bosnien-Herzegowina, Tunesien und Nigeria hat gezeigt, dass der umfassende Ansatz der Schweiz von den Partnerländern sehr geschätzt wird und Probleme lösungsorientiert angegangen werden. Im Bereich Arbeitsmigration zwischen Südasien und dem Nahen und Mittleren Osten leistet die DEZA einen wichtigen Beitrag dazu, dass Migration als Entwicklungsfaktor anerkannt und menschenwürdige Arbeitsbedingungen eingehalten werden. In Sri Lanka spielt die DEZA nach dem Regierungswechsel im Januar und im Hinblick auf den Abschluss der Arbeiten der DEZA/HH auch in Zukunft eine wichtige Rolle. Migrationswillige Personen erhalten umfassende Unterstützung, um informierte Migrationsentscheide fällen zu können.

Forschung zu globalen Herausforderungen: Für die Verminderung von Armut und den Übergang zu einer globalen nachhaltigen Entwicklung sind Forschung und Innovation entscheidend. Daher fördert die DEZA im Rahmen ihres Mandats wissenschaftliche Forschung. Ein Fokus liegt auf der Lösung globaler Probleme, dem Umgang mit Risiken und Krisen sowie auf der Bereitstellung globaler öffentlicher Güter in
Entwicklungsländern. Das Swiss Programme for Research on Global Issues for Development (r4d) ist ein Forschungsprogramm der DEZA und des Schweizerischen Nationalfonds. Mit rund 100 Millionen Franken wird bis 2022 internationale, interdisziplinäre und lösungsorientierte Forschung gefördert. R4d setzt langfristige thematische Prioritäten wie zum Beispiel soziale Konflikte, Ernährungssicherheit und nachhaltige Bewirtschaftung von Ökosystemen. Bisher wurden 28 länderübergreifende Forschungspartnerschaftsprojekte bewilligt, an denen neben Schweizer Forschungsinstitutionen auch 36 Länder in Afrika, Asien und Lateinamerika beteiligt sind.

Multilaterale Entwicklungszusammenarbeit Die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit (EZA) hat ihre enge Zusammenarbeit mit ihren prioritären Partnerorganisationen im multilateralen Bereich fortgeführt und gezielt ausgebaut, beispielsweise über den verstärkten Fokus auf fragile Kontexte.

Dieser Schwerpunkt wird unter anderem in der Zusammenarbeit mit dem Entwick-

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lungsprogramm der UNO (UNDP) umgesetzt, das seinerseits fragile Staaten unterstützt, insbesondere in der Krisenprävention und im Wiederaufbau. Die Ziele des UNDP entsprechen vollständig den Prioritäten der Schweizer EZA. Entsprechend hat der Bundesrat beschlossen, dem UNDP für die Jahre 2015­2017 je 60 Millionen Franken zu gewähren. Der Bundesrat verstärkte auch das Engagement der Schweiz mit der Einheit der UNO für Gleichstellung und Ermächtigung der Frauen und Mädchen (UN Women).

Der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC) ist für die Schweiz von zentraler Bedeutung, da hier prioritäre UNO-Themen wie die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklung vorangetrieben werden. Um ihren Einfluss im ECOSOC zu erweitern, hat die Schweiz seit Juli für ein Jahr die Vizepräsidentschaft übernommen. In diese Phase fällt der Dialog zur längerfristigen Ausgestaltung des UNO-Entwicklungssystems, welcher notwendige Anpassungen des operationellen Systems der UNO identifizieren soll, um einen relevanten Beitrag der UNO zur Umsetzung der Agenda 2030 zu sicherzustellen. Um die Agenda 2030 voranzutreiben, hat sich die Schweiz erfolgreich für eine zentrale Rolle des «Hochrangigen Forums für nachhaltige Entwicklung» (HLPF), für die Ausgestaltung eines wirksamen Mechanismus zur Überprüfung, Rechenschaftsablegung und Berichterstattung über die Umsetzung der Ziele eingesetzt. Dank des Schweizer Engagements wurde das HLPF als die zentrale UNO-Plattform für die Agenda 2030 verankert.

Die Schweiz hat das am 20. April 2012 vom Bundesrat unterschriebene Memorandum of Understanding zwischen der Schweiz und Polen über die Zusammenarbeit in den Stimmrechtsgruppen beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank umgesetzt. Nach der Einführung der Rotation des Exekutivdirektoriums beim IWF zwischen der Schweiz und Polen im November 2014 wird auch ein Modell für die Rotation des Exekutivdirektors bei der Weltbank in Erwägung gezogen.

Der Beitritt der Schweiz zur neu geschaffenen Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) wurde initiiert.31 Beim Gründungsprozess der AIIB hat die Schweiz insbesondere auf die Etablierung von Umwelt- und Sozialstandards hingewirkt. Die AIIB ist eine neue und unabhängige Finanzinstitution, die die Armutsbekämpfung durch die Förderung einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung
in Asien bezweckt. Der Beitritt der Schweiz zur AIIB fügt sich in die schweizerische Aussenwirtschafts- und Entwicklungspolitik ein. Die Mitgliedschaft stärkt die Beziehung zu China und dem asiatischen Raum generell. Nach Jahren eines entwicklungspolitischen Alleingangs bietet die AIIB die Möglichkeit, China an internationale Standards der Entwicklungsfinanzierung und -implementierung heranzuführen.

Die Schweiz leistete einen Beitrag zur finanziellen Stabilität, Schärfung der Resultatorientierung und Verstärkung der Wirkung der regionalen Entwicklungsbanken.

Durch Projekte mit der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) und der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) zu Wasserversorgung und Siedlungshygiene, Bürgersicherheit und Konfliktsensibilität wurde der Zugang benachteiligter Bevölkerungsschichten zu Dienstleistungen verbessert. 2015 wurde eine vierjährige 31

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Botschaft vom 11. Sept. 2015 über den Beitritt der Schweiz zur Asiatischen InfrastrukturInvestitionsbank, BBl 2015 7331

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Partnerschaft zwischen der Schweiz und der AfDB zur Förderung der Aspekte von Fragilität und Konfliktsensitivität in Bank-Aktivitäten gestartet. Die IDB führt eine Privatsektorreform durch, mit dem Ziel, durch die Bündelung der PrivatsektorAktivitäten in einer spezialisierten Einheit die Effektivität und Effizienz zu steigern.

Bei der Asiatischen Entwicklungsbank (AsDB) wurde beschlossen, die Mittel des Asiatischen Entwicklungsfonds (AsDF) mit dem Eigenkapital der Bank zusammenzulegen, was eine signifikante Anhebung des Ausleihvolumens der AsDB für Entwicklungsprojekte zur Folge hat.

Ostzusammenarbeit Transitionsunterstützung: Die Schweiz unterstützt im Westbalkan und in acht Ländern der ehemaligen Sowjetunion die Transition zu demokratischen und marktwirtschaftlichen Systemen. Der Rahmenkredit wird von der DEZA und dem SECO gemeinsam umgesetzt.

Im Jahr 2015 unterstützte die Schweiz die Parlamentswahlen in Kirgisistan. Das Projekt umfasste die Stärkung der nationalen Wahlkommission zur Verbesserung der Rechtmässigkeit und Transparenz der Wahlen sowie die Unterstützung von NGO, um die staatsbürgerliche Bildung und den Einsatz lokaler Wahlbeobachterinnen und Wahlbeobachter zu fördern. Als Reaktion auf die massiven Flüchtlingsströme hat die Schweiz dieses Jahr vor allem in den beiden am meisten betroffenen Ländern Mazedonien und Serbien Hilfe für die Migrantinnen und Migranten geleistet. Die im Rahmen der Migrationspartnerschaften mit dem Staatssekretariat für Migration (SEM) ­ in Absprache mit der DEZA/HH ­ zur Verfügung stehenden Mittel wurden einerseits für humanitäre Aktivitäten des UNHCR eingesetzt. Andererseits wurden regionale Initiativen über die Internationale Organisation für Migration (IOM) unterstützt, zum einen der Aufbau eines Frühwarn-Informationssystems entlang der Migrantenroute und zum anderen eine Studie über Menschenschmuggel und Menschenhandel in der Region. Alle Aktivitäten basierten auf einer engen Koordination mit den staatlichen Behörden. In Serbien half IOM auch den nationalen Behörden bei der Registrierung und Assistenz von Flüchtlingen. Ausserdem wurden lokale NGO in Serbien und Mazedonien unterstützt, welche die Flüchtlinge schnell und unkompliziert mit dem Nötigsten versorgten und psychologische und juristische Unterstützung anboten. Im Rahmen eines bestehenden
Gemeindeentwicklungsprojekts in Serbien wurden Mittel umverteilt für die Ausstattung und eines Flüchtlingsempfangszentrums an der Südgrenze zu Mazedonien. Experten des Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe unternahmen im November einen Einsatz im Transitcamp an der slowenisch-österreichischen Grenze, um winterfeste Infrastruktur bereitzustellen und die Koordination unter den Freiwilligenorganisationen zu verbessern. Zudem wurde ein Hilfskonvoi mit Decken, Wassertanks- und Verteileinheiten gesandt.

Nach wie vor weisen die Transitionsländer demokratische Defizite auf und verzeichnen auf generell tiefem Niveau nur geringes Wirtschaftswachstum. Die Schweiz unterstützt diese Länder durch Beiträge an Reformen zur Demokratisierung, Dezentralisierung und lokalen Gouvernanz. Zudem engagiert sie sich in den Sektorreformen der Partnerländer, unter anderem zur Verbesserung von Gesundheitssystemen, der Berufsbildung und der Wasserversorgung. Die Unterstützung der

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Gesundheitsreformen in Zentralasien, im Westbalkan, in der Ukraine und in der Republik Moldau führte zu einer Stärkung der Leistungsfähigkeit der Gesundheitssysteme und einer Schwerpunktverlagerung von der spezialisierten Medizin auf die medizinische Grundversorgung. In Bosnien-Herzegowina konnte die Überweisungsrate von Patientinnen und Patienten für kostspielige Behandlungen in Spitälern für bestimmte Ortschaften dank verbesserter Primärmedizin zwischen 2005 und 2015 um 55 % gesenkt werden. Die Hospitalisierung von Personen mit psychischen Beeinträchtigungen konnte im ganzen Land um 55 % reduziert werden. Die Gemeindezentren für psychische Gesundheit gewähren bereits 80 % der Bevölkerung Zugang zu psychischen und psychiatrischen Gesundheitsdienstleistungen. In Kirgisistan und Tadschikistan profitieren mehrere Millionen Einwohner von einem besseren Zugang zur medizinischen Grundversorgung. Gesundheitsförderungs- und Präventionsprogramme wirkten sich positiv auf ihren Gesundheitszustand aus. In der Republik Moldau und in der Ukraine hat die Schweiz in den letzten Jahren massgeblich dazu beigetragen, die Betreuung von Müttern und Kindern vor und nach der Geburt zu verbessern. 2015 konnten in der Ukraine über 23 000 Frauen dank der Unterstützung der Schweiz unter optimalen Bedingungen gebären. Das Engagement der Schweiz trug in der Republik Moldau dazu bei, dass das Millenniumsentwicklungsziel zur Senkung der Kindersterblichkeit erreicht wurde. Die mit Hilfe der Schweiz erreichte stärkere Nachfrageorientierung der Berufsbildungssysteme und verbesserte Arbeitsplatzvermittlungs- und Beratungsmassnahmen im Westbalkan führten zu einer Integration von über 16 000 Jugendlichen in nach wie vor sehr angespannte Arbeitsmärkte. Die von der Schweiz angestossenen Systemveränderungen versprechen nachhaltig zu sein, da die Bildungsbehörden, staatliche und private Arbeitsvermittlungsstellen und Unternehmer mittlerweile aufgrund der gemachten Erfahrungen vermehrt auch ohne Hilfe von aussen zusammenarbeiten. Auch in Usbekistan und neu in den Ländern des Südkaukasus unterstützt die Schweiz die marktorientierte Ausrichtung der Berufsbildungssysteme.

Erweiterungsbeitrag: Mit dem Erweiterungsbeitrag trägt die Schweiz seit 2007 zur Verringerung der sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten in der erweiterten EU
bei. Gleichzeitig verstärkt die Schweiz damit die Grundlage für solide bilaterale Beziehungen zu den neuen EU-Mitgliedsstaaten. Die seit 2012 definitiv vereinbarten 210 Projekte für die Beitrittsländer von 2004 (EU-10) mit einem Verpflichtungsvolumen von über einer Milliarde Franken haben bereits zahlreiche konkrete Ergebnisse hervorgebracht. Zum Beispiel konnte in der Slowakei die duale Berufsbildung gestärkt werden, indem zahlreiche Ausbildungspläne praxisorientiert überarbeitet und öffentliche wie private Produktionsbetriebe in den Ausbildungsprozess eingebaut wurden. Im Frühjahr passte das slowakische Parlament auch die rechtlichen Grundlagen für die Berufsbildung entsprechend an. Die Schweiz unterstützt Slowenien in der Förderung erneuerbarer Energiequellen. Im Berichtsjahr konnten 1840 Tonnen CO2 eingespart sowie der Stromverbrauch verschiedener öffentlicher Gebäude um 2630 MWh reduziert werden. Insgesamt wurden 2015 durch Photovoltaik-Anlagen 2480 MWh Strom produziert. Dadurch sparen Partnergemeinden rund 410 000 Euro pro Jahr ein.

Auch in Rumänien und Bulgarien schreitet die Umsetzung voran, die Mehrheit der genehmigten Projekte steht in der Umsetzungsphase. Viele der bisher insgesamt verpflichteten Projekte (EU-10 + Rumänien und Bulgarien) nähern sich ihrem 686

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erfolgreichen Abschluss. Im Juni dieses Jahres konnte das bilaterale Rahmenabkommen für einen Erweiterungsbeitrag von 45 Millionen Franken zugunsten von Kroatien in Zagreb unterzeichnet werden. Erste Projekte konnten 2015 bereits provisorisch genehmigt werden.

Institutionelle Partnerschaften Partnerschaften mit Schweizer NGO: Schweizer NGO sind wichtige institutionelle Partner der DEZA insofern, als sie ausgewiesene Erfahrungs-, Kompetenz- und Wissensträger sind. Mit ihren Programmen leisten sie Beiträge an die Bekämpfung von Armut, an Bildung und Gesundheit, an die Förderung von sozialer Gerechtigkeit, demokratischer Prozesse und wirtschaftlicher Optionen, an die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, an die Umsetzung von Kinder-, Menschen- und Arbeitsrechten, an die Friedensförderung und Konfliktbewältigung sowie an den Schutz der Betroffenen in humanitären Notsituationen und die Prävention von Katastrophen. Die DEZA pflegt gegenwärtig mit 24 Schweizer NGO und sieben kantonalen NGO-Föderationen institutionelle Partnerschaften auf der Grundlage der in der Regel für vier Jahre (2013­2016) ausgehandelten Verträge. Die in diesem Rahmen geleisteten finanziellen Beiträge an die Programme der NGO belaufen sich für das Jahr 2015 auf rund 120 Millionen Franken, finanziert aus den verschiedenen Rahmenkrediten der DEZA. Grundlage dieser Partnerschaften bilden die von den Organisationen nach ihren eignen Prioritäten formulierten Programme. Die DEZA fördert aktiv den gegenseitigen Wissens- und Erfahrungsaustausch und den Einbezug der NGO in die thematischen Netzwerke. Die institutionellen Partnerschaften und mehrjährigen Programmbeiträge erlauben es den NGO, ihr Innovationspotenzial und ihre Ausstrahlungskraft zu erweitern. So ist beispielsweise die «Fondation Terre des hommes» zu einer international anerkannten Referenzorganisation in Sachen Kinder- und Jugendschutz geworden, was sich 2015 auch in dem auf Initiative von «Fondation Terre des hommes» und in Zusammenarbeit mit der Schweiz organisierten Weltkongress zu Jugendjustiz äusserte.

Entwicklungspartnerschaften mit dem Privatsektor: Die DEZA hat sich verpflichtet, innovative Formen von öffentlich-privaten Partnerschaften auszuprobieren. Dank solcher Allianzen kann sie die umfassende Wirkung ihrer Aktivitäten verstärken, um ihre Entwicklungsziele
zu erreichen. Die DEZA richtet einen institutionellen Rahmen ein, der es ihr ermöglicht, effiziente und sichere Allianzen mit privaten Partnern einzugehen. Zu diesem Zweck pflegt sie einen ständigen Dialog mit Schweizer Unternehmen. Insbesondere ist sie eine Allianz mit dem Global Compact Netzwerk Schweiz eingegangen, zusammen mit der Abteilung Menschliche Sicherheit (AMS) des EDA und dem SECO. Diese Plattform soll einen Dialog zahlreicher Akteure rund um die Grundsätze des Global Compact und die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen ermöglichen. Sie wird auch die Gründung von Partnerschaften zu diesen Themen erleichtern, sowohl mit Multinationalen als auch mit kleinen und mittleren Unternehmen, die in den gleichen Ländern wie die DEZA tätig sind.

Auf operativer Ebene ist die DEZA derzeit rund 30 Partnerschaften mit privaten Unternehmen für einen jährlichen Gesamtbetrag von fast 30 Millionen Franken eingegangen. Jeder Partner bringt sein Fachwissen, seine Kompetenzen und seine Ressourcen ein. Auch wenn die Partner unterschiedliche Interessen haben, verfolgen

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sie gemeinsame Ziele. Die Initiativen werden gemeinsam geplant und durchgeführt, Risiken und Gewinn werden geteilt.

Die DEZA pflegt verschiedene Arten von Partnerschaften: bilaterale Partnerschaften wie das Projekt mit Nestlé und dem vietnamesischen Landwirtschaftsministerium, um den Wasser-Fussabdruck der Kaffeeproduktion in Vietnam zu reduzieren; multilaterale Initiativen wie die Swiss Capacity Building Facility mit unter anderem Swiss Re, Credit Suisse oder der Zurich Foundation, die den Finanzinstituten in Entwicklungsländern technische Unterstützung bieten und sie bei der Suche nach Finanzinvestoren unterstützen; Beteiligung an globalen Fonds wie der Drugs for Neglected Diseases Initiative, an der Dutzende öffentliche und private Partner beteiligt sind, um die Forschung nach Heilmitteln für seltene Krankheiten zu fördern.

Politikkohärenz für nachhaltige Entwicklung Die Notwendigkeit, Synergien zwischen verschiedenen Politiken vermehrt zu nutzen sowie allfällige Zielwidersprüche und negative Nebeneffekte zu mindern, ist in der internationalen Diskussion ­ beispielsweise in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung ­ zu einem prioritären Thema geworden. Bereits der Aussenpolitische Bericht 201332 hat zur Politikkohärenz berichtet. In der Folge wurde diese Berichterstattung aufgrund des DAC-Examens ausgebaut. Dabei sollen jeweils ausgewählte thematische Einzelaspekte oder Entscheide des Bundesrats von besonderer Relevanz und Aktualität zur Sprache kommen. Entsprechende Abklärungs- und Aufbauarbeiten im Hinblick auf eine systematischere Beobachtung der verschiedenen Politiken sowie entsprechender Monitoring-Instrumente sind im Gange.

Aus inhaltlicher Perspektive herausfordernd ist vor allem die Kohärenz zwischen der internationalen Zusammenarbeit einerseits und gewissen Aspekten der Handels- und Investitionspolitik, der globalen Umweltpolitik, der Migrationspolitik sowie der Finanz- und Steuerpolitik andererseits. Die Schweiz leitet in einer Transitionsphase 2016­2018 die schrittweise die nationale Umsetzung der Agenda 2030 ein. Die zukünftige Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit 2017­2020, der Rahmenkredit für die globale Umwelt 2015­201833 sowie relevante Sektorstrategien werden einen Beitrag zu dieser Umsetzung leisten. Ein zentraler Stellenwert zur Sicherung grösstmöglicher Kohärenz
kommt aber auch der Geschäftsführung des Bundesrates zu. In der Entscheidungsvorbereitung ermöglichen Beiträge der Bundesstellen aus ihren jeweiligen Perspektiven es dem Bundesrat, umfassende Diskussionen zu führen sowie konkurrierende Zielsetzungen und Interessen gegeneinander abzuwägen. Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat auch 2015 wichtige Weichenstellungen zur weiteren Förderung der Politikkohärenz vorgenommen. Weiterhin bedeutsam bleibt die Rohstoffthematik, wie der Bundesrat in seiner Berichterstattung zum Stand der Umsetzung der Empfehlungen des Grundlagenberichts Rohstoffe vom März 2013 darlegte. Die Berichterstattung zeigt in vielen Bereichen konkrete Fortschritte. Beispielsweise schritten die Arbeiten bezüglich der Anwendung und Erarbeitung von gesetzlich nicht verbindlichen Standards von Rohstoffhandelsunternehmen voran. Das vom Bundesrat im April veröffentlichte Positionspapier zur 32 33

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BBl 2014 1055 Botschaft vom 3. Sept. 2014 über einen Rahmenkredit für die globale Umwelt 2015­2018, BBl 2014 7719

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gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen trägt ebenfalls zur Politikkohärenz bei.

Entwicklungspolitische Gesichtspunkte fanden auch Eingang in Geschäfte der internationalen Finanz- und Steuerpolitik, so zum Beispiel im Hinblick auf die Bekämpfung der Nahrungsmittelspekulation, die Förderung von Transparenz betreffend gewisse Zahlungen und Angaben von multinationalen Unternehmen. Im Zusammenhang mit den internationalen migrationspolitischen Herausforderungen hat sich die Schweiz erfolgreich für die Integration der Migration in die Agenda 2030 eingesetzt. Darin wird der Beitrag der Migrantinnen und Migranten für die Entwicklung gewürdigt und gefordert, dass sich die internationale Gemeinschaft für sichere und reguläre Migration einsetzt, was wieder ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum begünstigt und zur Verringerung der Ungleichheiten zwischen den Ländern beitragen kann. Innerstaatlich hat die DEZA die Koordination zwischen Entwicklungsund Migrationspolitik ­ strategisch, operationell und ressourcenseitig ­ weiter vorangetrieben, wobei die Balance zwischen den Ansprüchen der Tagespolitik und langfristig angelegten Strategien eine Herausforderung darstellt.

Reformen EDA in Bezug auf die DEZA Die 2008 begonnenen Reformen des EDA umfassen im Wesentlichen die Reorganisation der DEZA (2008­2012), die Etablierung der Direktion für Ressourcen (DR) als Dienstleistungszentrum für das gesamte Departement und die Integration der Vertretungen im Ausland. Die Umsetzung der Massnahmen, die in Absprache mit den verschiedenen Direktionen des EDA definiert werden, ist noch nicht abgeschlossen. In Bezug auf die internationale Zusammenarbeit fanden 2015 insbesondere Massnahmen im Bereich der integrierten Vertretungen statt, welche unter anderem die Zusammenführung und den Ausbau der Führungs- und Steuerungsinstrumente im Managementbereich umfasste, einschliesslich der Harmonisierung der Buchhaltungssysteme. In allen Bereichen wurden 2015 Umsetzungsfortschritte erzielt (vgl. Ziff. 3.7).

3.3.5

Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit

2015 war ein schwieriges Jahr für Frieden und menschliche Sicherheit.34 Angesichts anhaltender bewaffneter Konflikte (zum Beispiel Syrien und Ukraine), humanitärer Katastrophen (zum Beispiel Naher und Mittlerer Osten und Mittelmeer) und der sich verschlechternden Menschenrechtslage in vielen Ländern war die Schweiz gefordert.

Trotzdem gab es auch positive Entwicklungen und Chancen für die Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit (zum Beispiel Sri Lanka und Kolumbien), die die Schweiz ergriff.

34

Die Aktivitäten der Schweiz in diesem Bereich stützten sich auf die Botschaft vom 29. Juni 2011 über die Weiterführung von Massnahmen zur Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit 2012­2016 und den entsprechenden Rahmenkredit (BBl 2012 355).

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Frieden und Sicherheit: Geografische Schwerpunkte Westbalkan: Dank schweizerischer Vermittlung bildeten serbische und kosovarische Abgeordnete eine informelle Kooperationsgruppe zur Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Staaten. Der von der Schweiz geförderte politische Dialog erlaubte es den zuständigen Verhandlungsführern, einige strittige Punkte des Brüsseler Abkommens von 2013 zu klären. Die Resultate sind in das unter EU-Schirmherrschaft verhandelte neue Abkommen vom August eingeflossen. Die Schweiz engagierte sich weiterhin für die Vergangenheitsarbeit sowie die politische Integration von Minderheiten in der Region.

Ukraine: 2015 veröffentlichte die Schweiz eine neue departementsübergreifende Vierjahresentwicklungsstrategie für die Ukraine, welche die neuen Herausforderungen im ganzen Land infolge des bewaffneten Konflikts berücksichtigt. Diese Strategie ergänzt mittels Massnahmen zur Förderung des Friedens und der menschlichen Sicherheit die anlässlich der schweizerischen OSZE-Präsidentschaft 2014 ergriffenen Initiativen (vgl. Ziff. 3.3.1). Die Schweiz unterstützte die Aufnahme von Dialogen, die eine Verbesserung der Beziehungen zwischen den Konfliktparteien und die Unterstützung des von der OSZE geleiteten Verhandlungsprozesses zum Ziel haben.

Auf dem Gebiet der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts unterstützte sie mehrere Projekte mit dem Ziel, regelmässig über die Entwicklung der Lage Bericht zu erstatten und Empfehlungen zuhanden der lokalen und internationalen Akteure abzugeben, insbesondere um gegen die Straflosigkeit von Verstössen zu kämpfen.

Kaukasus: Im Südkaukasus konzentrierte sich die Schweiz in der Friedensförderung auf die drei ungelösten Sezessionskonflikte (Abchasien, Südossetien, Berg-Karabach) sowie auf die Förderung von Demokratie und Menschenrechten. Im Nordkaukasus unterstützte sie die Suche nach Personen, welche während des Kriegs in den 90er-Jahren verschwunden sind, und setzte sich für die Prävention von Entführungen ein.

Nordafrika: Die Schweiz setzte sich für politische Übergangsprozesse ein, an denen alle Schlüsselakteure teilhaben. In Libyen unterstützte sie den politischen Dialog zwischen den Konfliktparteien mit dem Ziel, ein Abkommen über eine nationale Einheitsregierung zu schliessen. Mehrere Treffen in diesem von der UNO geführten
Prozess fanden in Genf statt. Im Vorfeld der Parlamentswahlen in Ägypten unterstützte sie den Dialog zwischen verschiedenen politischen Parteien und Kandidaten mit dem Ziel, eine weitere Polarisierung der Gesellschaft zu vermeiden. In Tunesien half sie den Behörden, menschenrechtskonforme Massnahmen in der Extremismusprävention zu finden. Im Bereich der Menschenrechte förderte die Schweiz die politische Teilnahme von Frauen und setzte sich gegen Folter ein, indem sie nordafrikanische Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger ausbildete und finanziell unterstützte.

Naher und Mittlerer Osten: In Israel und dem Besetzten Palästinensischen Gebiet machte sich die Schweiz weiterhin für die Zweistaatenlösung stark, indem sie die Genfer Initiative unterstützte und an der innerpalästinensischen Versöhnung zwischen der Fatah und der Hamas arbeitete. Zusammen mit israelischen und palästinensischen NGO setzte sie sich für die Einhaltung des Völkerrechts ein, insbesonde-

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re im Zusammenhang mit der israelischen Siedlungspolitik. In Syrien unterstützte sie die Bemühungen des UNO-Sondergesandten, um die Voraussetzungen für eine politische Lösung des Gewaltkonflikts zu schaffen. Zusammen mit syrischen und internationalen NGO stärkte sie die Fähigkeit von Gemeinden, ihre Angelegenheiten zu verwalten, um so Militarisierung und gewalttätigem Extremismus vorzubeugen und Frieden zu fördern. In Syrien und im Irak setzte sie sich für die Einhaltung des Völkerrechts durch bewaffnete Gruppen ein und gegen die Straflosigkeit. Im Libanon half sie mit, Spannungen und Polarisierung abzubauen, die mit dem Syrienkrieg und dem Zustrom von Flüchtlingen zugenommen haben, sowohl zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen innerhalb der libanesischen Gesellschaft als auch zwischen diesen und den Flüchtlingen.

Grosse Seen: In Burundi unterstützte die Schweiz den politischen Dialog und die Mediationsbemühungen, um zu einer friedlichen Lösung der politischen Krise beizutragen. Um Gewalt vorzubeugen, förderte sie insbesondere den Dialog zwischen den Parteien der Regierung und der Opposition, einschliesslich deren traditionell gewaltbereiten Jugendflügel. Auch in der Demokratischen Republik Kongo förderte sie den Dialog, um lokale und regionale Konflikte zu entschärfen. In einer dieser Initiativen, bei der die gesamte Bevölkerung und alle wichtigen Interessengruppen aktiv mitarbeiteten, gelang es, rund 600 Mitglieder einer lokalen Miliz zu entwaffnen.

Horn von Afrika: Im Südsudan unterstützte die Schweiz die laufenden Friedensverhandlungen. Sie förderte den von lokalen Akteuren geführten Versöhnungsprozess zwischen den Konfliktparteien und verschiedenen ethnischen Gruppen. Zudem unterstützte sie traditionelle Autoritätspersonen darin, sich selber zu organisieren, am Friedensprozess teilzunehmen und den zukünftigen Staatsaufbau mitzugestalten.

West- und Zentralafrika: Im Sahel war die Schweiz sehr aktiv zum Thema der Versöhnung, mit einer technischen und finanziellen Begleitung der Institutionen, die den Friedensvertrag in Mali umsetzen sollen. In gleicher Weise handelte sie gegenüber den Akteuren im Prozess gegen den ehemaligen Präsidenten Hissène Habré von Tschad.

Simbabwe: In diesem Land des südlichen Afrika baute die Schweiz ein neues Programm für menschliche Sicherheit auf, das sich
auf Konfliktprävention konzentriert.

Sie fördert den Dialog zwischen unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Gruppen, unterstützt lokale Institutionen, die sich für die Implementierung der neuen Verfassung einsetzen, und engagiert sich für eine national gesteuerte Transformation des Sicherheitssektors.

Süd- und Südostasien: In Myanmar führte die Schweiz ihr Mandat als Beraterin im Friedensprozess für die Regierung und die verschiedenen bewaffneten ethnischen Gruppen weiter. Durch diskrete Gespräche half sie, Blockaden zu überwinden, sodass im Oktober eine erste Gruppe von acht bewaffneten Gruppen den nationalen Waffenstillstand unterzeichnete. Nach dem Machtwechsel in Sri Lanka haben sich die Chancen für eine Reform des politischen Systems und die Versöhnung verbessert. Dank engen Kontakten zur neuen Regierung, tamilischen Parteien und der tamilischen Diaspora konnte die Schweiz mehrere Treffen zwischen den ehemaligen Bürgerkriegsparteien organisieren und so erste Schritte zur Versöhnung und Dezent-

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ralisierung ermöglichen. Ein Jahr nach dem Militärputsch in Thailand nutzte die Schweiz ihre guten Kontakte zu den Konfliktparteien, um sich für Versöhnung, die Rückkehr zur Demokratie und einen Friedensprozess zwischen Rebellen und Regierung im Süden des Landes einzusetzen.

Kolumbien: Die Schweiz beriet die Konfliktparteien in den Friedensverhandlungen in Havanna, damit diese schneller zu einem Waffenstillstandsabkommen gelangen und eine tragfähige Lösung für die Entwaffnung und Wiedereingliederung der ehemaligen Guerillas finden.

Frieden und Sicherheit: Thematische Schwerpunkte Mediation und Mediationsunterstützung: Schweizer Mediatorinnen und Mediatoren engagierten sich vor allem in Myanmar, Syrien, Südsudan, Kolumbien und der Ukraine sowie in weiteren Konfliktsituationen in Afrika, Asien und Europa. Gleichzeitig stärkte die Schweiz ihre Mediationskapazitäten inhaltlich und personell und erhöhte damit die Sichtbarkeit und den Einfluss ihrer Mediationstätigkeit. Die bewährte Zusammenarbeit mit Schweizer und internationalen Partnern wurde fortgesetzt, insbesondere mit der UNO, der OSZE, dem Mediation Support Project (ETH Zürich und Swisspeace) und dem Zentrum für humanitären Dialog in Genf.

Gender, Frieden und Sicherheit: Zum zehnjährigen Jubiläum der Resolution 1325 des UNO-Sicherheitsrats zu Frauen, Frieden und Sicherheit analysierte die Schweiz die Erfolge und Defizite in deren Umsetzung. Zu diesem Zweck organisierte sie am 9. September eine hochrangige internationale Konferenz in Genf. Auf internationaler Ebene arbeitete sie an der vom Sicherheitsrat in Auftrag gegebenen globalen Studie mit und beteiligte sich am Überprüfungsprozess in New York. Der jährliche Umsetzungsbericht zum Nationalen Aktionsplan 1325 der Schweiz wurde erstmals den aussenpolitischen Kommissionen von National- und Ständerat unterbreitet.

Religiöse Faktoren, Weltbilder, Konfliktbeilegung: Mit ihrer Expertise im Bereich Religion, Politik und Konflikt trug die Schweiz zu den internationalen Bemühungen bei, Konflikte in Nordafrika, im Sahel und in Südostasien einzudämmen. In diesen Konflikten, bei denen sich politische Akteure mit unterschiedlichen Weltbildern oder Religionen begegnen, organisierte sie konkrete Dialogprojekte und unterstützte Mediationsprozesse. Insbesondere initiierte sie Projekte mit dem Ziel zu
verhindern, dass Jugendliche dem gewalttätigen Extremismus verfallen; sie arbeitet dabei namentlich mit religiösen Würdenträgern zusammen, die in den Augen der Aktivisten legitimiert sind. Ausserdem schlug die Schweiz eine zweite Auflage des Kurses «Religion und Mediation» vor, einem innovativen internationalen Bildungsangebot.

Bewaffnete Gewalt und Entwicklung: Im Rahmen des multilateralen Prozesses zur Erarbeitung von neuen Zielen für eine nachhaltige Entwicklung setzte sich die Schweiz dafür ein, dass die Aspekte Frieden und Sicherheit berücksichtigt werden (vgl. Ziff. 3.4.3). Sie half insbesondere mit, die Diskussion zu entpolitisieren und Unterstützung für ein eigenes Entwicklungsziel in diesem Bereich zu mobilisieren.

Mit der Aufnahme von Ziel 16 in die Agenda 2030 im September und der expliziten Anerkennung von Frieden und Sicherheit als unentbehrliche Faktoren für eine nachhaltige Entwicklung hat die 2006 lancierte Genfer Erklärung über bewaffnete Gewalt und Entwicklung ihre Mission erfüllt.

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Kleinwaffen, leichte Waffen und Munition: Die Schweiz engagierte sich dafür, dass der Waffenhandelsvertrag (Arms Trade Treaty, ATT) von allen Staaten ratifiziert wird, und half mit, die institutionellen und prozeduralen Grundlagen zu schaffen, um den ATT weltweit wirksam umzusetzen (vgl. Ziff. 3.3.3). Sie bewarb sich erfolgreich um das Sekretariat des ATT, das in Genf angesiedelt wird. Im Bereich Munition lancierte die Schweiz eine Initiative mit dem Ziel, auf internationaler Ebene Mängel in der sicheren Lagerung und umfassenden Verwaltung von Munition zu beheben. Eine erste Konferenz zu diesem Thema organisierte sie 2015 in Genf. In verschiedenen Ländern Südosteuropas, Afrikas und des Mittleren Ostens unterstützte sie den Aufbau lokaler Kapazitäten in der sicheren Lagerung, Verwaltung und Vernichtung von Waffen- und Munitionsbeständen mit konkreten Projekten und eigenen Experten.

Genfer Zentren: Auf Antrag des Bundesrates bewilligte das Parlament einen Rahmenkredit für den Zeitraum 2016­2019, mit dem die Schweiz das Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP), das Genfer Internationale Zentrum für humanitäre Minenräumung (GICHD) und das Genfer Zentrum für die demokratische Kontrolle der Streitkräfte (DCAF) weiterhin unterstützen kann. Die drei Genfer Zentren sind weltweit anerkannte Kompetenzzentren, welche unter dem gemeinsamen Dach des «Maison de la Paix» wichtige Beiträge in der Aussen-, Friedens- und Sicherheitspolitik leisten und die internationale Zusammenarbeit in diesen Bereichen fördern.

Personenminen, Streumunition und explosive Kriegsmunitionsrückstände: Im Rahmen der Minenstrategie des Bundes 2012­2015 setzte sich die Schweiz einerseits dafür ein, dass die völkerrechtlichen Verträge zum Verbot von Personenminen und Streumunition politisch und institutionell gestärkt und weltweit ratifiziert werden.

Die Schweiz beteiligte sich an der ersten Überprüfungskonferenz der Oslo-Konvention (Streumunition), die im September in Kroatien stattfand. Das Sekretariat der Konvention in Genf konnte seine Arbeit aufnehmen. Andererseits unterstützte die Schweiz konkrete Massnahmen zur Entfernung und Vernichtung von Personenminen, Streumunition und explosiven Kriegsmunitionsrückstände. Sie beteiligte sich an Minenräumprogrammen unter anderem in Afghanistan, in Bosnien und Herzegowina, der Demokratischen
Republik Kongo, in Gaza, Laos und im Sudan.

Militärische Friedensförderung: Das internationale Engagement der Schweizer Armee im Bereich Friedensförderung wurde 2015 mit rund 280 eingesetzten Armeeangehörigen fortgesetzt. Das Schwergewicht der Einsätze lag auf dem Balkan (Kosovo und Bosnien-Herzegowina), wo zum Selbstschutz bewaffnete Armeeangehörige stationiert waren. Das mit fünfzehn Personen grösste Detachement an unbewaffneten Schweizer Militärbeobachtern und Stabsoffizieren stand bei der UNOMission zur Überwachung des Waffenstillstandes (UNTSO) in Israel, Syrien und im Libanon im Einsatz. Ebenso standen Militärbeobachter und Stabsoffiziere in der Demokratischen Republik Kongo (MONUSCO), im Südsudan (UNMISS), in Mali (MINUSMA), in der Westsahara (MINURSO) sowie im Kaschmir (UNMOGIP) im Einsatz. Im Bereich der humanitären Minenräumung sowie der Sicherung von Munitionsbeständen und deren Vernichtung wurde das Engagement ausgebaut.

Schliesslich waren Schweizer Instruktorinnen und Instruktoren in den regionalen Ausbildungszentren für Friedensförderung in Ghana (Kofi Annan International

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Peacekeeping Training Centre) und in Kenia (International Peace Support Training Centre) tätig.

Zivile Friedensoperationen: Der Einsatz von zivilen Expertinnen und Experten in internationalen Organisationen und Friedensoperationen ist ein bewährtes Instrument der schweizerischen Friedens- und Menschenrechtspolitik. Im Berichtsjahr führte die Schweiz dieses Engagement fort, wobei sich die Einsatzorte nach den geografischen und thematischen Schwerpunkten im Bereich Friedensförderung und menschliche Sicherheit richteten. Im Zusammenhang mit dem ungelösten Konflikt in der Ukraine beteiligte sich die Schweiz weiterhin mit Expertinnen und Experten an der Sonderbeobachtermission der OSZE sowie an der OSZE-Beobachtermission an der ukrainisch-russischen Grenze. Eine Beteiligung an der EU-Beratermission für zivile Sicherheitssektorreform in der Ukraine wurde eingeleitet. Zur Friedenskonsolidierung und zum Wiederaufbau staatlicher Strukturen in Afrika setzte die Schweiz zivile Expertinnen und Experten in UNO-Friedensoperationen ein, nämlich in Mali, in Liberia, in der Elfenbeinküste, im Südsudan sowie in der Demokratischen Republik Kongo. Eine Beteiligung an der EU-Mission für Kapazitätsaufbau in Mali ist ebenfalls in Vorbereitung. 2015 wurden 193 Expertinnen und Experten der zivilen Friedens- und Menschenrechtsförderung in insgesamt 217 kurzen oder längeren multilateralen und bilateralen Missionen in 44 Ländern und fünf Sitzstaaten von internationalen Organisationen eingesetzt. Im Schnitt waren 112 Personen, davon 49 % Frauen, gleichzeitig im Einsatz, darunter 27 Beraterinnen und Berater für menschliche Sicherheit auf bilateraler Ebene. Die Beteiligung an Wahlbeobachtungen der OSZE, der EU und der OAS ist ein traditioneller Schwerpunkt des Schweizer Engagements. 2015 wurden 38 der 193 Expertinnen und Experten im Rahmen von achtzehn Wahlbeobachtungsmissionen in 59 Einzeleinsätzen in sechzehn Ländern eingesetzt.

Demokratie, Wahlen und Gewaltenteilung Im Rahmen der Vorbereitung der ersten Transitionswahlen in Myanmar am 8. November förderte die Schweiz die Aushandlung eines Verhaltenskodexes zwischen den politischen Parteien und begleitete dessen Umsetzung. Der Kodex enthält die freiwillige Verpflichtung zu einem gerechteren Wahlkampf und soll die Gefahr von Gewalttaten während der Wahlen vermindern. Nach
Jahrzehnten des Militärregimes und lokaler bewaffneter Konflikte wurde diese Einigung der politischen Parteien von allen Beteiligten und Beobachtern als historisch eingestuft. Dank ihr wurde die Glaubwürdigkeit der politischen Parteien als verantwortungsbewusste und kompromissfähige Akteure gestärkt. Sie ermöglichte überdies eine grössere Öffnung seitens der Behörden des Landes, die die Umsetzung der Vereinbarung unterstützen.

In einem gespannten innergesellschaftlichen Umfeld sollten solche freiwilligen Verpflichtungen auch gezielte Angriffe gegen religiöse Minderheiten während des Wahlkampfs verhüten. Die Expertise der Schweiz betraf die Organisation der sechsmonatigen Verhandlungen sowie die Wahlthematik, mit Präsentation von vergleichbaren internationalen Optionen.

In Nigeria, in Nordafrika und am Horn von Afrika stellte die Schweiz ebenfalls ihre Kompetenz bei der Unterstützung von Wahlverfahren und Verfassungsprozessen sowie ihre Erfahrung bei der Vermittlung von Dialogen zur Verfügung, damit die

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Verfahren inklusiver, transparenter und glaubwürdiger würden. Am Horn von Afrika unterstützte sie auch regionale Bestrebungen, föderale und dezentrale Staatsstrukturen aufzubauen, indem sie Dialoge auf lokaler Ebene ermöglichte oder lokale Politiker mit Vertretern föderalistischer Länder und Schweizer Expertinnen und Experten zusammenbrachte.

Vergangenheitsarbeit und Prävention von Gräueltaten Die Schweiz führte ihre Unterstützung im Bereich der Vergangenheitsarbeit und der Prävention von Gräueltaten für Länder fort, die einen Konflikt oder ein autoritäres Regime hinter sich haben. Auf den Philippinen koordinierte die Schweiz im Rahmen ihres Vorsitzes in der Kommission für Transitionsjustiz und Aussöhnung die Erstellung des Schlussberichts dieser Kommission, welcher der Regierung und der Islamischen Befreiungsfront der Moros ­ den Parteien des Friedensabkommens für die Region Bangsamoro ­ übergeben wurde. Im Rahmen ihres Vorsitzes des «Internationalen Beratenden Ausschusses des Zentrums für Historische Erinnerung in Kolumbien» organisierte die Schweiz mehrere interne Workshops, um das Fundament für eine Zusammenarbeit der Sicherheitskräfte bei der Vergangenheitsarbeit zu legen. Angesichts der Krise in Burundi entsandte die Schweiz erstmals einen Experten, um zur Verhütung von Gräueltaten beizutragen, und ermutigte die Anklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs an vorderster Front, sich präventiv zur Situation zu äussern. Rund 30 hochrangige Regierungsvertreter und Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft nahmen am sechsten jährlichen Kurs über Vergangenheitsarbeit teil, der von der Schweiz organisiert wurde. Auf multilateraler Ebene baute die Schweiz ihre Zusammenarbeit mit dem Sonderberichterstatter der UNO zur Förderung der Wahrheit, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und von Garantien der Nichtwiederholung aus, mit gemeinsamen Überlegungen zum Zusammenhang zwischen Vergangenheitsarbeit und Prävention von Gräueltaten. Überdies koordinierte sie die Erstellung der Gründungsurkunde der Initiative Global Action Against Mass Atrocities Crimes mit den anderen Staaten und nichtstaatlichen Mitgliedern des Lenkungsausschusses und half bei der Vorbereitung der zweiten internationalen Konferenz zu diesem Thema mit, die für Anfang 2016 geplant ist.

Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten
Die Zivilbevölkerung war auch 2015 grossem Leid ausgeliefert. Die Konflikte werden zunehmend komplexer und schaffen neue Herausforderungen an die humanitäre Aktion. Das humanitäre System stiess zunehmend an seine Grenzen, und die Bedürfnisse der betroffenen Menschen konnten nur schwerlich gedeckt werden.

Umso wichtiger ist es, dass nicht nur konkrete Hilfe vor Ort geleistet wird, sondern auch die politischen Rahmenbedingungen für die humanitäre Aktion verbessert und nach innovativen Lösungsansätzen für aktuelle Herausforderungen gesucht wird.

Dies tat die Schweiz 2015 und stärkte so ihre Glaubwürdigkeit als wichtige humanitäre Akteurin. Die Strategie des Bundes zum Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten 2013­2017 mit den drei Schwerpunkten Förderung der weltweiten Einhaltung des Rechtsrahmens (insbesondere humanitäres Völkerrecht), konkrete Hilfe vor Ort und multilaterale Engagements wurde weiter umgesetzt und mit einem Aktionsplan konkretisiert.

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Eine der Herausforderungen, für die die Schweiz Lösungsansätze entwickelte, ist der humanitäre Zugang. Für humanitäre Akteure ist es nämlich schwieriger geworden, die von bewaffneten Konflikten betroffenen Menschen zu erreichen. Ein von der Schweiz mitentwickeltes Handbuch sowie ein Leitfaden für Praktiker wurde 2015 in verschiedenen Regionen verbreitet und diskutiert, damit die humanitären Organisationen bessere Strategien für den Zugang erarbeiten und umsetzen können. Zudem entwickelte die Schweiz zusammen mit internationalen Expertinnen und Experten Richtlinien und Empfehlungen für internationale Kommissionen, die zu Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts ermitteln und darüber Bericht erstatten. Diese Richtlinien und Empfehlungen verbreitete sie 2015 in verschiedenen Foren.

Bestimmte Massnahmen in der Terrorismusbekämpfung durch andere Staaten können die humanitäre Aktion behindern. Wenn es zum Beispiel verboten ist, mit bestimmten Gruppierungen in Kontakt zu treten, können humanitäre Organisationen nicht mehr über den Zugang zur notleidenden Bevölkerung verhandeln oder bewaffnete Gruppen können nicht mehr für das humanitäre Völkerrecht sensibilisiert werden. Die Schweiz unterstützte deshalb Analysen und Forschung in diesem Bereich und widmete an der 32. Rotkreuz- und Rothalbmondkonferenz im Dezember in Genf diesem Thema zum ersten Mal eine Veranstaltung.

Im Rahmen des EDA-Aktionsplan für den Schutz von Kindersoldaten 2014­2016 unterstützte die Schweiz mit einem Experten und politischem Engagement den UNO-Sonderbeauftragten für Kinder und bewaffnete Konflikte darin, Kinder vor der Rekrutierung durch staatliche und nichtstaatliche Streitkräfte zu schützen und ehemalige Kindersoldaten wieder ins zivile Leben zu integrieren.

Förderung und Schutz der Menschenrechte Das EDA stellte Ende 2015 seine Menschenrechtsstrategie fertig, mit der die Menschenrechte in der allgemeinen Aussenpolitik der Schweiz besser verankert und berücksichtigt werden sollen. Die Strategie definiert die Instrumente und Grundsätze des menschenrechtlichen Engagements der Schweiz. Sie präzisiert die anvisierten Ziele: Das ist in erster Linie die Förderung der Universalität, der Interdependenz und der Unteilbarkeit der Menschenrechte. Des Weiteren geht es um einen kohärenten internationalen
Bezugsrahmen und die Konsolidierung von menschenrechtlichen Institutionen und Mechanismen, und schliesslich um die Stärkung des Engagements der Schweiz und den Einbezug von Schlüsselakteuren ­ staatlichen und nichtstaatlichen ­ in diesem Bereich. Diese Faktoren bestimmten im Berichtsjahr das Handeln der Schweiz, mithilfe von bilateralen und multilateralen politischen Instrumenten sowie durch die Unterstützung von Projekten in den Schwerpunktländern und zu Schwerpunktthemen.

Was die Themen betrifft, trug die Schweiz zu einer verstärkten internationalen Mobilisierung für eine allgemeine Abschaffung der Todesstrafe bei, indem sie verschiedene Debatten, Prozesse und Events unterstützte. Im September stiess sie eine Resolution des Menschenrechtsrates an, in der die mit der Todesstrafe verbundene Verletzung der Menschenrechte verurteilter Personen und deren Angehörigen hervorgehoben wird. Am Internationalen Tag gegen die Todesstrafe, dem 10. Oktober, lancierte Bundesrat Didier Burkhalter einen Appell, zusammen mit siebzehn 696

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Aussenministern und Aussenministerinnen von Ländern, welche die Todesstrafe bereits abgeschafft haben, oder von Ländern, die diese Praxis noch nicht gänzlich oder gesetzlich aufgehoben haben, um einen konstruktiven Dialog zu fördern. Dieser ist wesentlich, um zum Nachdenken anzuregen und in den Ländern, welche die Todesstrafe noch anwenden, einen Wandel zu bewirken.

Die Schweiz setzte sich erneut für die Einhaltung der Menschenrechte durch den Privatsektor ein. Sie führte insbesondere die Arbeit im Hinblick auf einen künftigen nationalen Aktionsplan für die Umsetzung der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte fort. Ebenfalls im Rahmen der Umsetzung des Grundlagenberichts Rohstoffe entwickelt die Bundesverwaltung in Zusammenarbeit mit NGO und Rohstoffhandelsunternehmen eine Anleitung zur Umsetzung der UNO-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte für die Rohstoffhandelsfirmen.

Überdies hat die Schweiz zur Umsetzung der Strategie beigetragen, die während ihres Vorsitzes bei den Freiwilligen Grundsätzen für Sicherheit und Menschenrechte (2013­2014) entwickelt wurde, wobei sie den Schwerpunkt auf Transparenz und Rechenschaftspflicht legte. Schliesslich leitete die Schweiz noch erfolgreich die Arbeiten der Vereinigung des internationalen Verhaltenskodex für private Sicherheitsdienstleister und sorgte dafür, dass Verfahren für die Zertifizierung angenommen und an der Einführung von Kontrollfunktionen und Verfahren für die Bearbeitung von Beschwerden gearbeitet wird.

Die Schweiz setzt sich vorrangig für die Verteidiger und Verteidigerinnen der Menschenrechte ein, insbesondere seit der Annahme der Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern (MRV) im Dezember 2013. Sie engagiert sich dafür, dass MRV mehr Raum für ihre Arbeit zugestanden wird und sie in einem sicheren Umfeld agieren können, indem sie sich auf politischer und operationeller, sowie bilateraler und multilateraler Ebene für die bessere Anerkennung von deren Arbeit einsetzt. Zudem unterstützt die Schweiz die Teilnahme von MRV an internationalen Debatten wie zum Beispiel im Menschenrechtsrat in Genf.

Über die Unterstützung verschiedener lokaler und in Genf ansässiger NGO setzt sich die Schweiz für MRV ein, die sich beispielsweise im Bereich der Meinungsäusserungsfreiheit, der Frauenrechte oder
der Landrechte engagieren. Des Weiteren setzte sie sich für Einzelfälle ein, wie den saudi-arabischen Blogger Raif Badawi, der zu tausend Peitschenhieben verurteilt worden ist, oder den aserbaidschanischen Menschenrechtsverteidiger Emin Huseynov, der in der Schweizer Botschaft in Baku Zuflucht suchte und nach Verhandlungen sicher aus Aserbaidschan ausreisen konnte. Überdies baut die Schweiz ihr Engagement für die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Frauenrechte sowie die Rechte von religiösen oder ethnischen Minderheiten weiter aus. Ausserdem setzt die Schweiz ihre Arbeit in den Bereichen Verhütung und Bekämpfung von Folter sowie Jugendstrafrecht fort. Zum letztgenannten Thema organisierte sie im Januar 2015 den 1. Weltkongress zum Jugendstrafrecht in Genf mit.

Diese verschiedenen Tätigkeitsbereiche stehen im Zentrum des multilateralen Engagements der Schweiz, sei es im formellen Rahmen der UNO-Institutionen oder regionaler Gremien, sei es mittels Ad-hoc-Initiativen, mit denen diese Institutionen gestärkt werden sollen. So organisierte die Schweiz im Mai den 2. Glion Human Rights Dialogue, ein Treffen, das zu einer unverzichtbaren Plattform für Debatten 697

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über die weltweite Gouvernanz der Menschenrechte geworden ist. Im Rahmen ihres Engagements bei regionalen Organisationen war die Schweiz im November Gastgeberin des 15. Runden Tisches des europäischen Netzwerks nationaler Anlaufstellen für Fragen, die die Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen (LGBTI) betreffen, in Genf. Auf bilateraler Ebene führte die Schweiz im Berichtsjahr Dialogrunden oder bilaterale Konsultationen zu Menschenrechten mit China, Nigeria, Russland, Senegal, Vietnam und Tadschikistan durch.

Ferner leitete sie neue Konsultationen über die Menschenrechtspolitik mit in diesem Bereich zentralen Ländern wie Südafrika oder Mexiko ein. Schliesslich nahmen das EDA und das EJPD eine Evaluation der verschiedenen Optionen für die künftige Schaffung einer nationalen Menschenrechtsinstitution vor.

Geschlechtergleichstellung und Frauenrechte Wie ihre Rolle als Moderatorin anlässlich der Session der UNO-Kommission für die Stellung der Frau im März zeigte, setzt sich die Schweiz weiterhin für die Gleichstellung der Geschlechter sowie die Rechte und die Ermächtigung der Frauen ein, und zwar sowohl auf multilateraler als auch auf bilateraler Ebene. Sie hat weiterhin eine aktive Rolle in anderen UNO-Gremien wie dem Menschenrechtsrat, der Dritten Kommission der Generalversammlung und der Kommission für Bevölkerung und Entwicklung gespielt und hat diese Themen in ihre bilateralen Gespräche einfliessen lassen. Sie hat sich stark für die Berücksichtigung von Genderfragen und Frauenrechte im Prozess des Financing for Development und für den Einbezug eines eigenen Ziels der Geschlechtergleichstellung in die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung eingesetzt, wobei hier bereichsübergreifend die Geschlechterfrage in andere Zielvorgaben integriert werden soll.

Im Rahmen der Feier zum 20. Jahrestag der Erklärung und der Aktionsplattform von Peking hat die Schweiz ihr Engagement bekräftigt und die Absicht geäussert, diese Benchmark-Instrumente umzusetzen. Die Bundespräsidentin äusserte sich ebenfalls in diesem Sinne und gab anlässlich des hochrangigen Treffens zur Gleichstellung der Geschlechter und Ermächtigung der Frauen, das im September am Rande des UNO-Gipfels zur Verabschiedung der Agenda 2030 stattfand, eine Verpflichtungserklärung ab.

Migration und Bekämpfung
des Menschenhandels Die Evaluation der Migrationspartnerschaften in Erfüllung des Postulats Amarelle (12.3858) hat aufgezeigt, dass die in diesem Rahmen durchgeführten regelmässigen Dialoge und der partnerschaftliche Ansatz zu einer deutlichen Verbesserung der bilateralen Beziehungen geführt haben. Das den Migrationspartnerschaften zugrunde liegende Prinzip, dass Migration als Phänomen mit Herausforderungen und Chancen verstanden werden muss, wurde im Berichtsjahr stärker verankert. Zudem wurde erreicht, dass der Schutz der Menschenrechte der Migrantinnen und Migranten als fester Bestandteil einer kohärenten und umfassenden Migrationsaussenpolitik und somit auch der Migrationspartnerschaften und verschiedener in diesem Rahmen umgesetzten Projekte gilt.

Flüchtlinge, intern Vertriebene und gefährdete Migrantinnen und Migranten sollen in den Erstaufnahmestaaten ihrer Herkunftsregion möglichst rasch Schutz erhalten.

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Es soll vermieden werden, dass diese Menschen, die in Ermangelung einer legalen Lösung zu illegaler Auswanderung gezwungen waren, nun keine andere Wahl haben als ihre Flucht fortzusetzen und sich damit den Risiken des Menschenhandels auszusetzen. Die Projekte, die 2015 am Horn von Afrika und in der von der syrischen Krise betroffenen Region durchgeführt wurden, haben dazu beigetragen, den Schutz, die Versorgung und die wirtschaftliche Integration der Binnenvertriebenen und der Migrantinnen und Migranten zu verbessern.

Migration wird zunehmend zu einem globalen Phänomen. Dies zeigte sich etwa in den Verhandlungen zur Agenda 2030. Die Schweiz trug dazu bei, dass der Schutz der Menschenrechte der Migrantinnen und Migranten im internationalen Migrationsdialog stärker in den Mittelpunkt rückte. Dank der Anstrengungen der Schweiz wird künftig die Wirtschaft im Globalen Forum für Migration und Entwicklung miteinbezogen. Die schweizerisch-norwegische Nansen-Initiative, deren Ziel es ist, den Schutz der Menschen zu verbessern, die aufgrund von Naturkatastrophen und den Folgen des Klimawandel in andere Staaten fliehen müssen, ist im Dezember nach einer dreijährigen Laufzeit zu Ende gegangen. Die Schutzagenda ­ das Kernstück der Initiative ­ wurde anlässlich einer globalen Konsultation im Oktober der internationalen Gemeinschaft präsentiert. An dieser Konferenz wurde zudem der Weg bereitet für eine Umsetzung der Schutzagenda sowie deren zukünftige institutionellen Verankerung, wobei eine Gruppe aus interessierten Staaten die Arbeit der Nansen-Initiative fortsetzen wird, unterstützt durch in den entsprechenden Themenbereichen tätigen internationalen Organisationen, darunter unter anderem IOM und UNHCR.

Die Schweiz vertiefte ihr Engagement zur Bekämpfung des Menschenhandels sowohl auf multilateraler Ebene als auch an der Schnittstelle zwischen Aussen- und Innenpolitik. In Montreux organisierte sie zum ersten Mal das Menschenrechtsseminar des Asien-Europa-Treffens (Asia-Europe Meeting, ASEM) zum Thema Menschenhandel und folgte damit ihrer diplomatischen Tradition, im Bereich Bekämpfung des Menschenhandels den Dialog zwischen den Staaten zu fördern und so den Boden für eine vertiefte Zusammenarbeit auf Expertenebene zu schaffen. Im Rahmen der im Oktober zum zweiten Mal durchgeführten Aktionswoche «Die Schweiz
gegen Menschenhandel» wurden unter der Beteiligung internationaler Expertinnen und Experten aktuelle Herausforderungen in der Bekämpfung des Menschenhandels im In- und Ausland diskutiert sowie mögliche Lösungsansätze entwickelt.

3.3.6

Völkerrecht, humanitäres Völkerrecht, internationale Strafgerichtsbarkeit und Terrorismusbekämpfung

Das Völkerrecht ist für die Schweiz und ihre Bürgerinnen und Bürger von erheblicher Bedeutung. Behörden und Bevölkerung legen Wert darauf, dass die zwischenstaatlichen Beziehungen von Recht und Zusammenarbeit und nicht von Gewalt bestimmt werden. Die Regeln des Völkerrechts einzuhalten, ist die beste Garantie für weltweite Stabilität. Die Schweiz ist Heimat einer humanitären Tradition, auf die sie stolz ist. Die Genfer Konventionen kodifizieren die Grundsätze, welche die

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Bevölkerung im Konfliktfall schützen und welche heutzutage untrennbar in die nationale Identität der Schweiz eingegangen sind. Frieden, Sicherheit, Entwicklung und Menschenrechte werden vom Völkerrecht geschützt, und es sind Werte, die von der Schweiz gefördert werden. Sie trägt seit Langem zu ihrer Verbreitung bei und setzt sich für eine stabile internationale Rechtsordnung und eine friedliche Beilegung von Streitigkeiten ein. Das Völkerrecht ist zudem ein ausgezeichnetes Mittel, um die Interessen des Landes zu wahren. Der Export von Schweizer Produkten profitiert stark von Freihandelsabkommen, die klare Bedingungen für den Aussenhandel festlegen, oder von Handelserleichterungen. Auch der Alltag der Bürgerinnen und Bürger des Landes ist von völkerrechtlichen Regeln geprägt. Diese bestimmen so vielfältige Bereiche wie Forschung und Innovation, Menschenrechte, Handel, Umweltschutz, neue Technologien, Fremdenverkehr oder Import von exotischen Früchten Humanitäres Völkerrecht In Fortsetzung ihres traditionellen Engagements setzt sich die Schweiz in mehreren massgebenden Foren als Fürsprecherin des humanitären Völkerrechts ein. Im Vordergrund stand 2015 der Abschluss des vor vier Jahren gemeinsam mit dem IKRK begonnenen Konsultationsprozesses, um Mittel zur Stärkung der Einhaltung des humanitären Völkerrechts zu identifizieren. Die Schweiz und das IKRK haben im Dezember 2015 der 32. Internationalen Konferenz vom Roten Kreuz und Roten Halbmond konkrete Vorschläge zum weiteren Vorgehen bei der Gründung eines regelmässigen Treffens der Vertragsstaaten der Genfer Konvention unterbreitet. Alle Staaten erklärten sich bereit, unter der Federführung der Schweiz und des IKRK Verhandlungen über die Funktionen und Modalitäten eines solchen Forums für das humanitäre Völkerrecht aufzunehmen. Damit soll für die Genfer Konventionen und ihre Zusatzprotokolle ­ als historisches Novum ­ ein eigenes, massgeschneidertes Forum zur Stärkung ihrer besseren Umsetzung geschaffen werden.

Im Dezember 2014 gründeten zudem die Schweiz und das IKRK im Verband mit 52 anderen Staaten das Montreux-Dokument-Forum zu privaten Militär- und Sicherheitsunternehmen, welche in bewaffneten Konflikten agieren. Als Plattform des zwischenstaatlichen Austausches leistete das Forum 2015 bereits erste Beiträge zur Koordination und Konsolidierung
nationaler Massnahmen. Schliesslich ratifizierte die Schweiz 2015 den Waffenhandelsvertrag (ATT) und unterbreitete dazu eine auslegende Erklärung, die den humanitären Bestimmungen des Vertrages Nachdruck verleiht.

Internationale Strafgerichtsbarkeit Die Schweiz setzt sich weiterhin für den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) ein und führt ihr Engagement für die Steigerung der Effizienz der Gerichtsverfahren fort. Der Gerichtshof arbeitet heute aktiv an besseren Indikatoren zur Förderung und Überprüfung der Effizienz. Auf politischer Ebene fand auf Initiative der Schweiz eine Sonderdebatte zu diesem Thema im November 2015 im Rahmen der Versammlung der 123 Vertragsstaaten des Römer Statuts des IStGH35 statt. Im September ratifizierte die Schweiz ausserdem die Änderungen des Römer Statuts in Bezug auf 35

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Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17. Juli 1998, SR 0.312.1

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das Verbrechen der Aggression und die Kriegsverbrechen. Während die Aufnahme des Verbrechens der Aggression in das Statut einen Beitrag zur Eindämmung der unrechtmässigen Gewaltanwendung zwischen Staaten leistet, verbessern die Änderungen betreffend die Kriegsverbrechen den Schutz in innerstaatlichen bewaffneten Konflikten. Abgesehen vom IStGH förderte die Schweiz im vergangenen Jahr auch andere Institutionen der internationalen Strafgerichtsbarkeit. So trug sie beispielsweise über das UNO-Budget zur Finanzierung der Tribunale für Ex-Jugoslawien und Ruanda (sowie deren Nachfolgemechanismus) oder der Kammern zur Ahndung der Verbrechen der Roten Khmer in Kambodscha bei. Das in Senegal angesiedelte Sondergericht zur Bestrafung mutmasslicher Verbrechen des ehemaligen tschadischen Diktators Hissène Habré verstärkte sie personell.

Menschenrechte Im Auftrag des Bundesrates hatten das EDA und das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) vom 25. März bis 2. Juli das Vernehmlassungsverfahren über einen Beitritt zum Fakultativprotokoll vom 19. Dezember 2011 zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 betreffend ein Mitteilungsverfahren durchgeführt. Dieses Instrument stellt eine wichtige Ergänzung zur Kinderrechtskonvention dar, indem es unter anderem ein individuelles Mitteilungsverfahren an den UNO-Ausschuss für Kinderrechte vorsieht. Die Botschaft an das Parlament wurde am 11. Dezember vom Bundesrat verabschiedet.36 Ebenfalls genehmigt wurde im Dezember die Ratifikation des Internationalen Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen durch die Bundesversammlung.

Die Schweiz unterstützte weiterhin den Reformprozess zur Verbesserung der Effizienz der UNO-Vertragsorgane (Treaty Bodies), an welche die Mitgliedstaaten Bericht über die Umsetzung der ratifizierten Menschenrechtsübereinkommen erstatten. Die Schweiz lancierte u. a. die Geneva Platform for Members of Human Rights Treaty Bodies. Dieses gemeinsam mit der Academy of International Humanitarian Law and Human Rights realisierte Projekt ist ein konkreter Beitrag zur Umsetzung der am 9. April 2014 von der UNO-Generalversammlung verabschiedeten Resolution A/RES/68/268 zur Stärkung und Verbesserung der wirksamen Arbeitsweise des Systems der Menschenrechtsvertragsorgane.

Vor dem Hintergrund zunehmender
Bestrebungen, ein neues Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Privatsphäre und dem Schutz der öffentlichen Sicherheit zu finden, wird in den Menschenrechtsgremien der UNO seit 2013 über den Schutz der Privatsphäre im Zeitalter der digitalen Kommunikation debattiert. Die Schweiz hat diesen Prozess von Beginn weg aktiv mitgestaltet und dazu beigetragen, dass der Menschenrechtsrat im März das neue Mandat eines Sonderberichterstatters für das Recht auf Privatsphäre geschaffen hat.

Korruption ist eine weltweite Herausforderung, die einen engen Konnex zum Menschenrechtsschutz aufweist. Die Schweiz hat sich in den relevanten Verhandlungen im Menschenrechtsrat für einen Perspektivenwechsel eingesetzt, der den bisher primär täterorientierten strafrechtlichen Fokus des Antikorruptionsrechts um einen 36

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menschenrechtlichen Ansatz erweitert. Mit diesem komplementären Ansatz sollen die systemische Verantwortung des Staates betont (Mainstreaming) und die Stellung der Opfer gestärkt werden.

Die 1955 verabschiedeten UN Standard Minimum Rules for the Treatment of Prisoners (SMR) sind ein wichtiges völkerrechtliches Instrument zum Schutz von Personen im Freiheitsentzug. Die Schweiz hat den zwischenzeitlich notwendigen Revisionsprozess unterstützt und tatkräftig zum Konsens über die Mandela Rules, wie die revidierten SMR künftig heissen werden, beigetragen.

Terrorismusbekämpfung Als Antwort auf die zunehmenden Herausforderungen der Terrorismusbekämpfung hat der Bundesrat im Herbst 2015 eine nationale Strategie zur Terrorismusbekämpfung verabschiedet, welche die aussenpolitischen und innenpolitischen Dimensionen verknüpft. Gemäss der Strategie setzt sich die Schweiz in ihrer Aussenpolitik für die Bekämpfung des Terrorismus und dessen Ursachen ein. Die Schweiz wahrt ihre Interessen auf internationaler Ebene. Sie wird von den internationalen Akteuren als Partnerin wahrgenommen, auf die Verlass ist, die sich für Menschenrechte, humanitäres Völkerrecht und Rechtsstaatlichkeit einsetzt und die die Probleme langfristig von den Ursachen her angeht. Richtschnur des Schweizer Engagements auf nationaler und internationaler Ebene ist die globale UNO-Strategie gegen den Terrorismus.

Die terroristischen Attentate in Europa zwangen die EU zum Handeln. Seit Februar 2015 legt sie das Schwergewicht auf eine bessere Kontrolle der Aussengrenzen des Schengenraums, die Verhütung der Radikalisierung und die Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit. Die Schweiz verfolgt die laufenden Diskussionen in der EU aufmerksam und konnte sich den in verschiedenen politischen und technischen Gremien beschlossenen Massnahmen anschliessen. Aus ihrer Sicht steht die Umsetzung der Massnahmen bezüglich Zusammenarbeit im Schengenraum im Vordergrund.

Die Schweiz setzt sich auf aussenpolitischer Ebene für eine wirksame Prävention und Bekämpfung des grenzüberschreitenden Terrorismus ein. Im Brennpunkt steht der sogenannte dschihadistisch motivierte Terrorismus der Gruppierungen Al-Qaïda und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen. Im Berichtsjahr beteiligte sich die Schweiz in multilateralen Fora wie der UNO, dem Global
Counterterrorism Forum (GCTF), dem Europarat und der OSZE am Informationsaustausch und an der Entwicklung normativer und operationeller Massnahmen auf der Basis des Völkerrechts, insbesondere unter Respektierung der Menschenrechte und in bewaffneten Konflikten des humanitären Völkerrechts. Im Zentrum stand die Radikalisierung hin zum gewalttätigen Extremismus und das Phänomen der sogenannten Foreign Terrorist Fighters, das heisst der rund 25 000 Ausländer und Ausländerinnen, die sich vorwiegend den verbotenen Gruppierungen «Islamischen Staat», Al-Qaïda und AlShabaab in Syrien, Irak und Somalia angeschlossen haben. Die Schweiz legte ein besonderes Augenmerk auf die Situation von Kindern und Jugendlichen und hat im Rahmen des GCTF eine Initiative zum Jugendstrafrecht im Kontext der Terrorismusbekämpfung lanciert, die internationale Empfehlungen zu diesem Thema entwickeln soll.

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Prävention und Ursachenbekämpfung von Terrorismus, die friedliche Lösung von Konflikten und die Verbesserung der Situation in fragilen Ländern gehören zu den Schwerpunkten des aussenpolitischen Engagements der Schweiz. In einem aussenpolitischen Aktionsplan sollen diese Aktivitäten für die Prävention des gewalttätigen Extremismus konkretisiert werden. Ein wichtiges Präventionsinstrument stellt der 2014 von der Schweiz in Genf gegründete Global Community Engagement and Resilience Fund (GCERF) dar, der wirtschaftliche, bildungsorientierte und soziale Präventionsprojekte auf lokaler Ebene finanzieren wird, die darauf ausgerichtet sind, Radikalisierungstendenzen und gewalttätigem Extremismus vorzubeugen. Der Departementsvorsteher des EDA unterzeichnete im Frühling mit dem GCERF ein Abkommen über Privilegien und Immunitäten sowie im September eine Vereinbarung über den finanziellen Beitrag. Die ersten von GCERF unterstützten Projekte sollen im Frühjahr 2016 in einer Pilotphase in Bangladesch, Mali und Nigeria starten. Auch nahm der Vorsteher des EDA am White House Summit on Countering Violent Extremism im Februar in Washington teil, und die Schweiz beteiligte sich aktiv an verschiedenen Folgekonferenzen. Mit dem Leaders' Summit on Countering ISIL and Violent Extremism Ende September wurde der anlässlich des White House Summit lancierte Prozess an die UNO herangeführt. Als Follow-up des WhiteHouse-Prozesses wird die Schweiz 2016 ein internationales Treffen über die Berufsbildung als möglicher Beitrag zur Verhinderung von gewalttätigem Extremismus durchführen. Zudem hat sie angeboten, zusammen mit der UNO 2016 in Genf eine internationale Konferenz zur Prävention von gewalttätigem Extremismus durchzuführen.

Zusammen mit einer Gruppe gleichgesinnter Staaten setzt sich die Schweiz seit mehreren Jahren dafür ein, dass im Rahmen der gezielten Sanktionen des UNOSicherheitsrates gegen das Al-Qaïda-Netzwerk die Verfahrensrechte der von den Sanktionen betroffenen Personen und Entitäten besser eingehalten werden. Sie berücksichtigt dadurch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und trägt ebenso dem Anliegen des Parlaments Rechnung, welches im Frühjahr 2015 die Motion Marty (09.3719) um ein Jahr verlängerte. Im November unterbreitete die Schweiz zusammen mit der Gruppe der gleichgesinnten
Staaten erneut Vorschläge für eine Stärkung der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens sowie der Wirksamkeit und Unabhängigkeit der 2009 geschaffenen Ombudsstelle, an welche sich die von Sanktionen betroffenen Personen und Entitäten wenden können, um eine Streichung von der Sanktionsliste zu erwirken. Die Schweiz und die Gruppe der gleichgesinnten Staaten schlugen darüber hinaus vor, dass auch die übrigen Sanktionsregime des Sicherheitsrates hinsichtlich der Verfahrensrechte der betroffenen Personen und Entitäten verbessert werden. Die am 17. Dezember verabschiedete Resolution 2253 des UNO-Sicherheitsrates zum Al-Qaïda-Sanktionsregime (einschliesslich IS) beinhaltet gewisse Verbesserungen, die auf die unterbreiteten Vorschläge, namentlich zur Ombudsperson, zurückzuführen sind. Die Resolution ist ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Al-Qaïda und den «Islamischen Staat». Sie wird jedoch in Bezug auf die Verfahrensgarantien der von Sanktionen betroffenen Personen den Forderungen der Schweiz und der gleichgesinnten Staaten noch nicht vollumfänglich gerecht.

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Restitution von Potentatengeldern Die Schweiz restituierte in den vergangenen 25 Jahren Potentatengelder in der Höhe von rund 1,8 Milliarden Franken an verschiedene Herkunftsländer. Die langjährige Erfahrung der Schweiz im Umgang mit Potentatengeldern und die dabei entwickelten Lösungsansätze stossen international auf grosses Interesse. Die Schweiz nutzt ihre Rolle, um die Entwicklung globaler Standards für die effiziente Rückführung gestohlener Gelder zu fördern und orientiert sich dabei an ihren aussenpolitischen Prinzipien wie der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und dem Kampf gegen die Straflosigkeit. Gleichzeitig stimmt sie ihre Politik bei der Rückführung von Potentatengeldern eng mit ihrem Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit ab, insbesondere im Bereich der Korruptionsbekämpfung, und garantiert somit Kohärenz in der Schweizer Aussenpolitik.

Die Schweiz hat gestützt auf eine eigene Initiative zusammen mit dem Basler International Centre for Asset Recovery (ICAR) und der Weltbank internationale Richtlinien für die effiziente Abwicklung von Potentatengelderfällen erarbeitet. Diese Richtlinien wurden an der vom 2. bis 6. November in St. Petersburg durchgeführte Vertragsstaatenkonferenz zum UNO-Übereinkommen gegen die Korruption (UNCAC) vorgestellt. Die Vertragsstaatenkonferenz hat von diesen Richtlinien Kenntnis genommen und zwei Resolutionen zur Abwicklung von Potentatengelderfällen erlassen. Die zwei Resolutionen erneuern dank den Bemühungen der Schweizer Delegation das an die Vertragsstaaten gerichtete Mandat, die Richtlinien im Rahmen der Lausanne-Seminare weiterzuentwickeln.

Diese Richtlinien sollen die Wirksamkeit der Bemühungen um die Rückerstattung von Vermögenswerten durch «Best Practices» und zunehmende internationale Koordination erhöhen. Zugleich sind sie ein wichtiger Schritt zur Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen für alle (level playing field), indem sich die verschiedenen Akteure und Finanzzentren an denselben Regeln orientieren. Die Rolle der Schweiz in diesem Prozess wird auch gestärkt durch die Verabschiedung des Bundesgesetzes über die Sperrung und Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen durch die Bundesversammlung am 18. Dezember 2015.37

3.4

Strategische Partnerschaften und globale Themen

3.4.1

Bilaterale Beziehungen zu aussereuropäischen Staaten und Regionalorganisationen

Amerikanischer Kontinent Entwicklung in der Region Auf dem amerikanischen Kontinent war das vergangene Jahr von einer neuen regionalen Dynamik geprägt. Zweifellos zeigte sich das am deutlichsten am Auftauen der Beziehungen zwischen den USA und Kuba, das von den Präsidenten Barack Obama und Raúl Castro gleichzeitig am 17. Dezember 2014 angekündigt wurde. Nur sieben 37

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Monate später, am 20. Juli, nahmen die beiden Länder ihre diplomatischen Beziehungen wieder auf, was auch den Beziehungen zwischen den USA und Südamerika zum Vorteil gereichen wird. So stattete die Präsidentin Brasiliens, Dilma Rousseff, Washington am 30. Juni einen offiziellen Besuch ab und setzte damit ­ zumindest teilweise ­ einen Schlusspunkt unter die Phase der Spannungen, die 2013 mit der Absage ihres Staatsbesuchs in den USA infolge des Abhörskandals der National Security Agency (NSA) begonnen hatte.

Über die politischen Gesten hinaus ist die Wiederbelebung dieses Nord-Süd-Dialogs auch unter dem Aspekt der wirtschaftlichen Turbulenzen zu bewerten, die durch den Rückgang der Rohstoffpreise und der Nachfrage in Asien ­ insbesondere in China ­ ausgelöst worden waren. Stark betroffen waren davon in den Jahren 2014 und 2015 die Volkswirtschaften von Ländern wie Argentinien, Brasilien, Ecuador oder Venezuela. Insbesondere hatten die schwindenden Erdölerträge Venezuelas eine Schwächung der Bolivarischen Allianz für Amerika (ALBA) und der zwischen Venezuela und einigen Karibikstaaten bestehenden Allianz Petrocaribe zur Folge.

Parallel zu diesen Umwälzungen bildete sich ein relativ günstiges Klima für die Entstehung von neuen Freihandelszonen heraus. In den USA erteilte der Kongress Präsident Obama die Bewilligung, das sogenannte Fast-Track-Verfahren anzuwenden, was die Verhandlungen des Abkommens über die Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) erleichtern und die Ratifikation der Trans-Pacific Partnership (TPP) beschleunigen könnte. Beide Freihandelszonen würden zusammen rund zwei Drittel der Weltwirtschaft umfassen.

Einem weiteren Kooperationsforum, der Pazifik-Allianz (Mexiko, Kolumbien, Peru, Chile), gilt nach wie vor das Interesse der internationalen Gemeinschaft: Die Mitgliedstaaten der Allianz sind wirtschaftlich leistungsfähiger als die anderen Länder der Region, und zudem würde eine verstärkte Zusammenarbeit mit diesen Staaten Chancen eröffnen. Diese Vitalität wurde auch in der anderen wichtigen Wirtschaftsgemeinschaft des Kontinents zur Kenntnis genommen, im Gemeinsamen Markt Südamerikas (MERCOSUR), die durch die wirtschaftliche Dynamik Paraguays und Uruguays und eine Hinterfragung bestimmter protektionistischer Positionen Brasiliens gekennzeichnet ist.

Trotz dieser
spürbaren Veränderungen bestehen auf einzelstaatlicher Ebene nach wie vor zahlreiche Unsicherheiten: In Venezuela ist die politische und wirtschaftliche Lage weiterhin besonders instabil; in Kolumbien hat der Friedensprozess zwischen der Regierung und den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) noch gewisse Hürden zu nehmen; in Brasilien missbilligte die Bevölkerung die Politik von Präsidentin Rousseff trotz ihrer Wiederwahl im Oktober 2014; Argentinien war mit einer selektiven Zahlungseinstellung und dem Ausschluss von den internationalen Finanzmärkten konfrontiert. Überregional führte eine diplomatische Krise zwischen Kolumbien und Venezuela zur Schliessung der Grenze zwischen den beiden Ländern und zur Abschiebung von etwa 1000 in Venezuela ansässigen kolumbianischen Staatsbürgern. In der Karibik kam es in der Frage der Einwanderung zu Auseinandersetzungen zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik. Zudem entstand in den USA ­ bedingt durch den tiefen Graben zwischen dem demokratischen Präsidenten und dem republikanisch kontrollierten Kongress ­ ein Klima der Unsicherheit in Bezug auf die künftige amerikanische Aussenpolitik, das sich im 705

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Hinblick auf die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen noch verschärfte. In Kanada gewann die liberale Partei von Justin Trudeau die Wahlen vom Herbst 2015 überraschend deutlich. Unter der neuen Regierung ist ein innen- und aussenpolitischer Richtungswechsel zu erwarten. Im Bereich Sicherheit war der Kontinent aufgrund der Korruption und des Einflusses krimineller Organisationen vor grosse Herausforderungen gestellt. Im vergangenen Jahr wurde die Stärke der demokratischen Institutionen vor allem in Mexiko auf die Probe gestellt, wo der Kampf gegen den Drogenhandel von zahlreichen Fällen von Verschwindenlassen oder Entweichen aus der Haft überschattet wurde. Brasilien wurde von der Korruptionsaffäre um den Konzern Petrobas erschüttert; in Argentinien wurde im Zusammenhang mit dem nicht aufgeklärten Tod des Staatsanwalts Nisman gegen den Vizepräsidenten ermittelt; in Venezuela, wo die Sicherheitslage weiter höchst prekär ist und der Präsident der Nationalversammlung im Januar vom US-amerikanischen Aussenministerium einer zentralen Rolle im Drogengeschäft beschuldigt wurde, sind die Risiken der Destabilisierung durchaus real. In Zentralamerika waren die Länder des Triángulo del Norte (Guatemala, El Salvador, Honduras) ebenfalls der Gewalt und Korruption ausgesetzt, die durch bewaffnete Banden der organisierten Kriminalität (Drogenund Menschenhandel, Schmuggel usw.) angefacht wurden. In Guatemala lösten insbesondere Korruptions- und Betrugsskandale um Präsident Pérez Molina eine politische Krise aus, die zu seinem Rücktritt führte.

Aktivitäten der Schweiz Der amerikanische Kontinent ist für die Schweiz aufgrund der gemeinsamen Grundwerte (Menschenrechte, Demokratie), der zentralen Rolle verschiedener Länder des Kontinents in globalen Fragen (z. B. Sicherheit, Stabilität, Umwelt) und des Umfangs der Handelsbeziehungen von nicht unerheblicher Bedeutung. Um ihre Position zu festigen und eine gemeinsame Agenda voranzubringen, führte die Schweiz politische Konsultationen mit den wichtigsten Akteuren: Argentinien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Mexiko, Peru und USA. Der Departementsvorsteher reiste im Berichtsjahr zweimal nach Mexiko und einmal nach Kuba, um bilaterale Themen anzusprechen und Unterstützung in multilateralen Fragen wie dem ATT zu gewinnen. Ferner weilte Staatssekretär Rossier im Oktober zu
Besuch in Washington, um Fragen der Sicherheit und der Terrorismusprävention zu behandeln. Im Hinblick auf Kosteneinsparungen bei seinem Aussennetz sah sich das EDA jedoch zu einer Reorganisation gezwungen, die in der Schliessung der Botschaft in Paraguay resultierte (vgl. Ziff. 3.7).

Die Schweiz engagierte sich sowohl in als auch mit den amerikanischen Staaten für einen besseren Schutz der Menschenrechte. In diesem Sinne erneuerte sie 2015 ihre Partnerschaft mit der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und unterstützte die Arbeit des Sonderberichterstatters für Meinungsäusserungsfreiheit. Diese Organisation, in der die Schweiz Beobachterstatus geniesst, bildet das Rückgrat des Interamerikanischen Menschenrechtssystems. Da ihr alle amerikanischen Staaten mit Ausnahme von Kuba angehören, kann sie einen Multiplikatoreffekt entfalten und dem Handeln der Schweiz dadurch eine Hebelwirkung verleihen. Andere Projekte wurden bilateral realisiert (z. B. Kooperation mit Argentinien zur Vergangenheitsaufarbeitung und Genozidprävention) oder über lokale Organisationen abgewickelt (z. B. Durchführung einer gemeinsamen Studie mit dem Migration Policy 706

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Institute über die Migration von Kindern aus Zentral- nach Nordamerika). Bei einem seiner Besuche in Mexiko unterzeichnete der Departementsvorsteher eine «Gemeinsame Erklärung», die den Rahmen für eine vertiefte politische Zusammenarbeit bildet ­ namentlich im Bereich der Menschenrechte.

Im Einklang mit ihrer Aussenpolitischen Strategie 2012­2015 engagierte sich die Schweiz gemeinsam mit den amerikanischen Staaten für Stabilität in der Welt. So wurde sie von den USA eingeladen, sich an der Ausarbeitung eines globalen Aktionsplans zur Prävention und Bekämpfung der Entwicklung von Gewaltextremismus zu beteiligen. Im Februar reiste der Departementsvorsteher nach Washington zur Teilnahme am White House Summit, einer Konferenz, die speziell dieser Thematik gewidmet war (vgl. Ziff. 3.3.6). Bei diesem Anlass unterstrich er die positiven Auswirkungen von Projekten zur Berufsbildung und Schaffung von Arbeitsplätzen für die Extremismusprävention. Im Oktober 2015 tauschte sich Staatssekretär Rossier mit dem designierten Under Secretary for Political Affairs über Perspektiven für politische Lösungsansätze in der Ukraine und in Syrien, den Mehrwert, den die Schweiz im Dialog mit dem Iran erbringt, und die Rolle der Schweiz bei der Terrorismusprävention aus. Das Forum für den politischen Dialog zwischen dem EDA und dem State Department, die Joint Working Group, bietet die Möglichkeit, diese Thematik ebenso wie der bilateralen Beziehungen insgesamt operativ weiterzuverfolgen. Somit kann ein offener Dialog geführt werden, der sowohl Bereiche der Zusammenarbeit als auch Themen abdeckt, in denen unterschiedliche Standpunkte vertreten werden oder Klärungsbedarf besteht ­ etwa die Achtung der Konventionen gegen Folter.

Darüber hinaus begleitete die Schweiz auf dem amerikanischen Kontinent die Annäherung zwischen den USA und Kuba, indem sie im Vorfeld der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern ihre Dienste für die Überwindung technischer und administrativer Hindernisse bereitstellte. In diesem Zusammenhang lief am 20. Juli das Schutzmachtmandat der Schweiz zur Vertretung der Interessen der USA in Kuba nach 54 Jahren bzw. der Interessen Kubas in den USA nach 24 Jahren offiziell aus. Zwischen 1961 und 1977 hatte das Mandat der Schweiz in Kuba eine ganz besondere Bedeutung erlangt und
verstärkte Bemühungen erforderlich gemacht, namentlich 1962 während der Kuba-Krise. Am 14. August folgte Bundesrat Burkhalter einer Einladung des amerikanischen Aussenministers Kerry zur Teilnahme an der feierlichen Wiedereröffnung der US-Botschaft. Als erster Bundesrat, der Kuba einen Besuch abstattete, bekräftigte er die Bereitschaft der Schweiz, der Insel in diesem neuen Kapitel ihrer Geschichte zur Seite zu stehen, und wies insbesondere auf die Stellung des Landes als Schwerpunktland der DEZA hin.

In Haiti arbeitete die Schweiz 2015 in Zusammenarbeit mit der OAS weiter an einem Projekt zur umfassenden Datenerfassung im Personenstandsregister. Dadurch wurde in dem durch fragile Institutionen und angespannte Beziehungen zu seinem Nachbarn, der Dominikanischen Republik, geprägten Land auch ein Beitrag zu Demokratie und Stabilität geleistet. Zudem beteiligte sich die Schweiz ­ ebenfalls in Zusammenarbeit mit der OAS ­ an Wahlbeobachtermissionen in Mexiko, Haiti und Guatemala und wirkte auf ein ordnungsgemässes Funktionieren dieses grundlegenden Mechanismus der Demokratie hin. In Kolumbien begleitete ein von der Schweiz 707

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entsandter Experte für Übergangsjustiz die Mission zur Betreuung des Friedensprozesses, der 2004 mit dem Beginn der Demobilisierung der paramilitärischen Kräfte eingeleitet worden war.

Dank der Partnerschaft mit den amerikanischen Staaten konnten auch Fortschritte bei anderen globalen Themen erzielt werden. So beschloss die Schweiz, sich der amerikanischen Initiative Global Health Security Agenda anzuschliessen, die der Verhütung und Abwehr der von Infektionskrankheiten ausgehenden Bedrohungen dient. Bei Kontakten vor Ort mit den USA und Kuba wurde das Vorgehen gegen die Ebola-Epidemie in Afrika erörtert. Zudem konnte ein mit dem Virus infizierter kubanischer Arzt in Genf behandelt werden, und im Juli wurde im Rahmen einer internationalen Kooperation unter Beteiligung der Schweiz und den USA ein experimenteller Impfstoff entwickelt.

Auch 2015 waren die USA für die Schweiz ein unverzichtbarer Wirtschaftspartner.

Mit einem Ausfuhrwert von nahezu 29 Milliarden Franken (und einem Handelsvolumen von insgesamt 48 Mrd. Franken) waren sie 2014 der zweitwichtigste Exportmarkt für Schweizer Produkte. Am 9. Juli unterzeichneten die Schweiz und die USA eine Absichtserklärung zur Berufsbildung.

Brasilien ist als BRICS- und G20-Land nach wie vor der wichtigste Handelspartner der Schweiz in Lateinamerika. Gemeinsam pflegten die beiden Staaten auf politischer und wirtschaftlicher Ebene weiter strategische Beziehungen. So lancierte Präsenz Schweiz eine Kommunikationskampagne zu Brasilien, die mit der Fussballweltmeisterschaft (2014) begann und mit den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro (2016) enden soll.

Auf multilateraler Ebene nahm die Schweiz am Gipfel der Pazifik-Allianz in Peru teil und konnte somit ihr Dialogangebot in den Bereichen Innovation, Berufsbildung und Zoll und der Frage des so genannten Wasserfussabdrucks («water footprint») vorstellen. Dank der nachhaltigen Unterstützung des brasilianischen Vorsitzes des MERCOSUR wurden Sondierungsgespräche zwischen der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) und MERCOSUR aufgenommen, um die Perspektiven allfälliger Freihandelsverhandlungen zu evaluieren.

Asien und Pazifik Dieses Unterkapitel erfüllt das Postulat 14.3263 Aeschi «Die Schweiz im asiatischen Zeitalter». Punktuell vertiefende Ausführungen zu wirtschaftlichen Fragen finden sich im
Aussenwirtschaftsbericht 2015.

Die Schweiz im asiatischen Zeitalter Zunehmende Bedeutung Asiens Die Region Asien-Pazifik wird zunehmend zum wirtschaftlichen Schwerpunkt der Welt. Damit dürfte auch die Bedeutung Asiens in zahlreichen weiteren Bereichen wie Politik, Wissenschaft und Innovation, Kultur und Tourismus zunehmen. Die 39 Staaten Asien-Pazifiks (ohne Zentralasien) sind Heimat von 60 % der Weltbevölkerung (ca. 4,4 Milliarden), aber beispielsweise auch der grössten Demokratie (Indien), der bevölkerungsreichsten muslimischen Nation (Indonesien), des Lands

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mit den höchsten Währungsreserven (China) und von sechs Mitgliedstaaten der G20 (Australien, China, Indien, Indonesien, Japan und Südkorea).

Vor allem aber erwirtschaftet Asien-Pazifik schon heute knapp 40 % des Weltbruttosozialprodukts und gar zwei Drittel des globalen Wirtschaftswachstums. Während der Anteil Europas und der USA am Weltbruttosozialprodukt relativ abnimmt, steigt jener von Asien stetig. Zwar nimmt die Geschwindigkeit des Wachstums in China derzeit etwas ab. Auch kennen die hochentwickelten OECD-Mitgliedsländer Japan (1 %) ­ die drittgrösste Volkswirtschaft der Welt ­ oder Südkorea (3 %) und Australien (2,5 %) relativ niedrige Wachstumsraten, wie sie gesättigten Volkswirtschaften eigen sind. Im Gegensatz zu Europa und Amerika wachsen jedoch viele der grossen Wirtschaften Asiens weiterhin mit über 5 % pro Jahr, wie zum Beispiel Indien (6­7 %), Indonesien (4­5 %), Vietnam (5­6 %) oder Malaysia (4­5 %). Selbst China wächst derzeit noch mit 6,8 %. Auch weniger entwickelte Volkswirtschaften (wie etwa Bangladesch mit seit fünfzehn Jahren rund 6 % Wachstum) wachsen überdurchschnittlich. Entsprechend dürfte der Raum Asien-Pazifik weiterhin die am dynamischsten wachsende Weltregion bleiben. Überproportional zunehmen wird gerade auch der Intra-Asien-Handelsaustausch und -verkehr.

Heute befinden sich unter den fünf grössten Volkswirtschaften zwei asiatische Länder. 2050 werden voraussichtlich vier der fünf grössten Volkswirtschaften aus Asien stammen (neben den USA China, Indien, Indonesien, Japan). Bereits 2030 dürfte Indien neben China und den USA neu zu den drei grössten Weltwirtschaften gehören. 2050 könnte jede dieser drei Wirtschaften einzeln mehr erwirtschaften, als die fünf nächstgrossen Wirtschaften zusammen.

Dies verdeutlicht das zu erwartende globale Gewicht nicht nur dieser drei Wirtschaften, sondern des Raums Asien-Pazifik insgesamt. Zunehmend übernehmen viele Länder dieser Region als globale Akteure auch Verantwortung zur Lösung von transnationalen Herausforderungen wie Umweltschutz und Klimawandel, Sicherheit und Weltwirtschaftsgouvernanz. Ohne Beteiligung dieser Staaten und Berücksichtigung ihrer Interessenlage können globale Probleme in Institutionen wie der UNO, der WTO oder den Bretton-Woods-Institutionen denn auch kaum mehr nachhaltig gelöst werden. In diesem neuen
Machtgefüge gilt es die Entwicklung hin zu einem verstärkt multipolaren System wie auch die relative Abnahme des Einflusses Europas zu erkennen ­ auch wenn das Pro-Kopf-Einkommen in Europa und den USA noch auf längere Frist signifikant höher als in den meisten Staaten Asiens bleiben dürfte.

Die Region zwischen Hindukusch und pazifischer Inselwelt ist durch eine ausgeprägte kulturelle, historische, soziale, politische und ökonomische Vielfalt gekennzeichnet und nicht primär von europäischen Werten, Normen und Umgangsformen geprägt. Ein vertieftes und interkulturell offenes Kennenlernen von Asien und seinen Zivilisationen ­ inklusive durch Kontakte von Mensch zu Mensch ­ wird helfen, Entwicklungen und Chancen besser wahrnehmen und einordnen zu können, und auf diese adäquat zu reagieren.

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Herausforderungen in Asien Veränderungen im Machtgefüge Asien fehlt es nicht an Herausforderungen, die sich auf die Region und die Welt sowie auch das Wirtschaftswachstum auswirken können. Bereits heute werden die Entwicklungen im Raum Asien-Pazifik stark geprägt vom wirtschaftlichen und zunehmend auch politischen (Wieder-)Aufstieg Chinas als Weltmacht. Auch andere Staaten Asiens wie Indien betonen, dass sie mehr internationale Verantwortung übernehmen möchten. Währenddessen behalten die USA eine zentrale Rolle gerade in Ostasien. Dies führt zu einem Wettbewerb um Einfluss zwischen den USA, China, Indien, Japan, Russland und anderen Staaten. Mit der Verschiebung der Gewichte lässt sich erwarten, dass die wirtschaftlich potenter werdenden Staaten auch stärkeren Einfluss in internationalen Organisationen und Prozessen sowie auf deren Rahmenbedingungen anstreben. Es gilt, diese Zäsuren friedlich und im Dialog zu meistern und ein neues Gleichgewicht zu finden.

Sicherheit Trotz der immer engeren wirtschaftlichen Verflechtung in Asien nahmen in den letzten Jahren insbesondere die Spannungen im Südchinesischen Meer zu. Vor dem Hintergrund des zunehmenden geostrategischen und militärischen Gewichts Chinas bedroht dieser Konflikt um Seegrenzen und auch um entsprechende Nutzungsrechte bezüglich Gas- und Ölvorkommen sowie um Fischgründe das bisherige, auch von den USA gesicherte militärische Gleichgewicht in der Region. Dies führt zu grosser Besorgnis in- und ausserhalb Asiens. Im Mai 2014 führte zum Beispiel die Konfrontation zwischen chinesischen und vietnamesischen Schiffen in Vietnam zu massiven Protesten und zu gewalttätigen, vor allem gegen chinesische Unternehmen gerichteten Ausschreitungen in Industriezonen in Vietnam. Falls die Streitigkeiten um die verschiedenen Inselgruppen gar in einen bewaffneten Konflikt münden sollten, würde dies das bisher kontinuierlich starke Wachstum in der Region beeinträchtigen und gerade auch den maritimen Güterverkehr empfindlich stören. Zentrale Schifffahrtsrouten führen durch diese Meeresregion. Auf die zunehmende Machtprojektion Chinas auch im Indischen Ozean will Indien über die nächsten Jahre mit einer signifikanten Stärkung seiner Seestreitkräfte reagieren.

Das zwischenstaatliche Miteinander in Asien wird vielerorts durch offene oder latente Spannungen erschwert,
wozu auch mehrere historisch nicht aufgearbeitete Konfliktlinien gehören (China/Japan, Japan/Russland, Korea/Japan, Indien/Pakistan). Der jahrzehntealte Konflikt zwischen Indien und Pakistan führt immer wieder zu Gewaltausbrüchen an der umstrittenen Grenze und behindert die regionale Integration Südasiens. Handelsaustausch und Infrastruktur zwischen diesen beiden Staaten und allgemeiner in Südasien sind bisher deutlich unter dem Potenzial geblieben. In Ostasien führt die ungelöste Vergangenheitsbewältigung immer wieder zu Irritationen zwischen Südkorea, China und Japan. Der Konflikt auf der koreanischen Halbinsel mit Nordkoreas Besitz eines Nuklearwaffenarsenals, der den Sanktionen des UNO-Sicherheitsrats zuwiderläuft, harrt weiterhin einer Beilegung. Auch die Taiwan-Frage bleibt ungelöst. In Afghanistan hat sich der jahrzehntealte Konflikt mit dem Abzug des Gros der internationalen Kampftruppen intensiviert und konnte 2015 der «Islamische Staat» Fuss fassen.

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Weitere Herausforderungen Asiens sind beispielsweise die Umweltverschmutzung und der Raubbau an natürlichen Ressourcen, Naturkatastrophen, markante Einkommensunterschiede, zum Teil schwache Gouvernanz oder instabile innenpolitische Verhältnisse sowie im Hindukusch und teilweise darüber hinaus auch der gewalttätige Extremismus und Islamismus.

Das erwähnte Konflikt- und Eskalationspotenzial, der Wunsch, Handelsströme und den Zugang zu Rohstoffquellen zu sichern und international die (zunehmende) eigene politische Bedeutung zu markieren, hat zu einer erheblichen militärischen Aufrüstung in Asien geführt. Im Vergleich zu Europa und anderen Weltregionen bestehen in Asien nur wenige zwischenstaatliche und insbesondere regionale Mechanismen und Institutionen zur präventiven Diplomatie und friedlichen Streitbeilegung. Im Gegensatz zu Europa gab es nach dem Zweiten Weltkrieg im asiatisch-pazifischen Raum aus historischen, geografischen und strategischen Gründen keinen ernsthaften Versuch, eine inklusive Sicherheitsarchitektur analog zur OSZE aufzubauen. Der Aufbau einer solchen Sicherheitsarchitektur wird derweil durch die Präferenz wichtiger Akteure erschwert, einen bilateralen Ansatz zu verfolgen, statt sich in multilaterale Prozesse zur Behandlung von Sicherheitsfragen einbinden zu lassen. In Asien wird dem Prinzip der Nichteinmischung in interne Angelegenheiten oft ein Vorrang zugeordnet.

Regionale Integration, insbesondere im wirtschaftlichen Bereich Vor diesem Hintergrund sind in Asien primär wirtschaftlich motivierte Integrationstendenzen erkennbar. Die verschiedenen geplanten oder bereits existierenden regionalen und überregionalen Wirtschaftspartnerschaften überlappen sich oft in verwirrend unterschiedlichen Konstellationen. Bisher schritten sie zumeist eher zögerlich voran, auch aufgrund des praktisch allerorts praktizierten Konsensprinzips. Dennoch fördern sie nicht nur regelmässige Kontakte auf hoher Ebene, sondern langfristig auch die regionale Zusammenarbeit und die Schaffung eines Systems von Regeln und Mechanismen zur Lösung transnationaler Herausforderungen.

Die ASEAN (Association of South East Asian Nations) will mit ihrer am 31. Dezember offiziell in Kraft getretenen Wirtschaftsgemeinschaft (ASEAN Economic Community, AEC) einen gemeinsamen Binnenmarkt schaffen, in dem Waren, Investitionen,
Dienstleistungen, Kapital und qualifizierte Arbeitskräfte frei verkehren können. Die Verwirklichung der AEC bleibt ein fortlaufender Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist und durch die beiden anderen Integrationsstränge der ASEAN im Bereich der Politik und der Sicherheit sowie im Bereich soziokultureller Beziehungen ergänzt wird. Mitgliedstaaten der ASEAN sind Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam. Die ASEAN ist die mit Abstand am weitesten fortgeschrittene regionale Gemeinschaft Asiens. Als Motor der asiatischen Integration wurde um den Kern der ASEAN eine gewisse Regionalstruktur mit variabler Geometrie geschaffen, wie zum Beispiel ASEAN+3 (die gemeinsamen Konferenzen der zehn ASEAN-Staaten mit China, Japan und Südkorea), ASEAN+6 (ASEAN+3 sowie zusätzlich Australien, Indien, Neuseeland, der East Asia Summit (ein jährliches Gipfeltreffen der ASEAN+6 mit Russland und den USA zu strategischen Themen) und das ASEAN

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Regional Forum (ARF, zur Förderung des Dialogs zu Politik und Sicherheit in der Region)38.

Nach sieben Jahren Arbeit konnten 2015 die Verhandlungen für das transpazifische Partnerschaftsabkommen (Trans-Pacific Partnership Agreement, TPP), das zwölf Länder umfasst, abgeschlossen werden. Auf Betreiben der USA nahmen folgende Länder aus dem Asien-Pazifik-Raum an den Verhandlungen teil: Japan, Malaysia, Singapur, Vietnam, Brunei, Australien und Neuseeland. Das Abkommen, das die grösste Freihandelszone der Welt schafft, muss noch die Hürde in mehreren nationalen Parlamenten nehmen. Weitere Staaten könnten sich künftig für einen Anschluss an den TPP interessieren.

Unter Einbezug seiner sechs Freihandelspartner Australien, China, Indien, Japan, Neuseeland und Südkorea (ASEAN+6), aber ohne die USA, treibt die ASEAN gleichzeitig das Projekt einer umfassenden regionalen Wirtschaftspartnerschaft (Regional Comprehensive Economic Partnership, RCEP) voran.

Die Integration weiterer asiatischer und transpazifischer Organisationen ist bisher weniger weit fortgeschritten als in der ASEAN, wie etwa bei der South Asian Association for Regional Cooperation (SAARC), dem Pacific Island Forum (PIF), der APEC (Asia-Pacific Economic Cooperation) mit ihren gegenwärtigen Studien für eine Free Trade Area of the Asia Pacific (FTAAP) oder der Shanghai Cooperation Organization (SCO, fokussiert auf Sicherheits- und Wirtschaftskooperation v. a.

zwischen Zentral- und Ostasien).

Bestandesaufnahme der Beziehungen der Schweiz zu Asien-Pazifik Politische Beziehungen und Aussennnetz Die Schweiz unterhält mit allen 39 Staaten der Region Asien-Pazifik diplomatische Beziehungen. Die Interessen der Schweiz werden vor Ort insbesondere durch siebzehn Botschaften, sechs Generalkonsulate mit weiteren Honorarkonsulaten, sieben Kooperationsbüros der DEZA, zwei Swissnex-Wissenschaftsbüros sowie sieben Handelsbüros (sechs Business Hubs und das Trade Office of Swiss Industries in Taiwan) vertreten. In den letzten Jahren wurden die Botschaft in Yangon (Myanmar, 2012) sowie zur Förderung gerade auch der Wirtschaftsbeziehungen das Generalkonsulat in Ho Chi Minh City (Vietnam, 2015) eröffnet. Das Swissnex-Büro in Singapur wurde nach erfolgreicher Vernetzung von Forschenden und Unternehmern aus der Schweiz und Singapur nach über zehn Jahren Betriebszeit
2015 geschlossen.

Die Kontinuität der Aktivitäten wird durch ein Bildungs- und Wissenschaftsbüro an der Schweizer Botschaft in Singapur sichergestellt. Dazu kommen die Aktivitäten der Schweizer Schulen in Singapur und Bangkok sowie die Verbindungsbüros von Pro Helvetia in Schanghai und New Delhi.

Grundsätzlich sind die politischen Beziehungen zwischen der Schweiz und den asiatisch-pazifischen Staaten sehr gut. Das Image der Schweiz ist in Asien generell sehr positiv. Besonders nachhaltig und positiv prägen traditionelle Elemente wie die Schweizer Natur oder Qualitäts- und Luxusprodukte (Berge, Uhren, Schokolade 38

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Mitglieder des ARF sind die Mitglieder des East Asia Summit sowie Bangladesch, die Europäische Union, Kanada, die Mongolei, Nordkorea, Pakistan und Sri Lanka

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usw.) die Wahrnehmung der Schweiz in der asiatischen Öffentlichkeit. Als Stärken der Schweiz gelten zudem die gute Regierungsführung, die politische Stabilität und die Bürgernähe der Politik, die hohe Lebensqualität und ein ausgeprägtes Umweltbewusstsein. Die Unabhängigkeit der Schweiz ­ und auch die Abwesenheit einer kolonialen Vergangenheit ­ wird in diesem Teil der Welt ebenfalls geschätzt. Der relative politische und wirtschaftliche Erfolg ­ insbesondere dessen langjährige Stabilität auf hohem Niveau ­ wird anerkannt. Dass die Schweiz in internationalen Rankings vielfach als weltweit innovativstes und wettbewerbsfähigstes Land und mit guten Noten für das effiziente regulatorische Umfeld, das gute Bildungssystem, die ausgezeichnete Infrastruktur, Umweltschutz, Lebensstandard und «Happiness» abschneidet, bewirkt Interesse für die entsprechenden Politiken der Schweiz.

Wirtschaftsbeziehungen Die bilateralen Handelsbeziehungen der Schweiz mit Asien entwickeln sich seit Jahren sehr dynamisch und bestätigen den Trend der Verschiebung des globalen Gewichts von Westen nach Osten. 2014 gingen 18,1 % der schweizerischen Exporte39 in die Region Asien-Pazifik (Europa: 58,1 %, Nordamerika: 14,0 %, Lateinamerika: 3,2 %) ­ vor gut zehn Jahren waren der amerikanische und der asiatische Markt noch gleich bedeutend. Diese Exporte verzeichneten trotz der Frankenstärke in den letzten zehn Jahren ein rasantes Wachstum: Asien +78 % (bei einem Gesamtvolumen von 35 Mrd. Fr. 2014); China neun Milliarden Franken (+206 %, bereits auf dem 6. Rang der Handelspartner der Schweiz bzw. Nr. 3 nach der EU und den USA); Indien 2 Milliarden Franken (+71%) ­ im Vergleich dazu Europa (+23 %, bei einem Gesamtvolumen von 121 Mrd. Fr.) und Nordamerika (+78 %, bei einem Gesamtvolumen von 29 Mrd. Fr.).

Zudem finden in den nächsten Jahren 80 % des weltweiten Wachstums der Mittelklasse in Asien-Pazifik statt. Bereits 2030 dürfte die Mittelklasse der Region fünfmal so gross wie jene Europas sein. Da gleichzeitig die Schweiz und ihre Unternehmen in Asien weiterhin einen exzellenten Ruf geniessen, dürfte in Asien die Nachfrage gerade nach Hochqualitäts- und Luxusgüterprodukten mit schweizerischer Qualitätsprägung ausserordentlich steigen. Entsprechend wird diese Region neben der EU und den USA zunehmend bedeutend für die Schweizer Wirtschaft,
als Absatzmarkt, Investitions- und Produktionsstandort und als Quelle für industrielle Halbfabrikate zur Weiterverarbeitung. So hat zum Beispiel das bilaterale Freihandelsabkommen mit China sowohl für China als auch für die Schweiz positive Auswirkungen gezeitigt, trotz der Verlangsamung des chinesischen Wirtschaftswachstums.

Auch die schweizerische Tourismus-Branche richtet sich zunehmend auf den asiatischen Markt aus. Die Anzahl Logiernächte aus Asien-Pazifik hat sich innert zehn Jahren verdoppelt, von zwei Millionen im Jahr 2005 auf vier Millionen 2014. Dies entspricht 11 % der Gesamtzahl an Logiernächten von In- und Ausländern in der Schweiz. Beispielsweise verfünffachte sich zwischen 2005 und 2014 die Anzahl Logiernächte mit Herkunftsland China (von 172 000 auf 1 034 000), mit Herkunftsland Indien um 95 % (von 249 000 auf 485 000). Bis 2022 rechnet Schweiz Touris39

Aussenhandel ohne Edelmetalle, Edel- und Schmucksteine sowie Kunstgegenstände und Antiquitäten.

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mus mit zwei Millionen Logiernächten von chinesischen Touristen. Um diese Chancen noch besser nutzen zu können, bedarf es einerseits entsprechender Dienstleistungen in Asien. So hat der Bund die Anzahl an Visa-Ausgabestellen in Asien in den letzten Jahren erhöht, indem er die administrativen Abläufe (nicht aber den VisaEntscheid) an private Anbieter auslagerte. Andererseits haben verschiedene schweizerische Anbieter von Tourismusprodukten in der Schweiz bereits gezielte Angebote geschaffen und sich an die interkulturell teilweise spezifischen Erwartungen angepasst.

Sektorielle und technische Zusammenarbeit Die Zusammenarbeit mit Staaten der Region Asien-Pazifik wurde in den letzten Jahren in weiteren sektoriellen und technischen Bereichen stark ausgebaut und verbreitert. Expertise und fachliches Wissen der Schweiz werden von den Staaten Asien-Pazifiks oft deshalb hoch geschätzt, weil die Schweiz als Erfolgsmodell in verschiedenen Belangen gilt. Bisweilen übersteigen die Anfragen für technische Zusammenarbeit die schweizerischen Kapazitäten.

Die bilaterale technische Zusammenarbeit umfasst mit grossen Staaten, zum Beispiel China, beinahe alle Themenbereiche und mit kleineren eine Auswahl davon.

Sie ist meist als Verbindung eines fachministeriellen Austauschs mit operationellen Projekten konzipiert. Dazu gehört die Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation, Umwelt, Menschenrechte und Demokratie, Arbeit und Beschäftigung, Migration, Sicherheit, Gesundheit, Kultur, Transport usw. Im Bereich der Wissenschaft dürften Europa und Nordamerika zwar noch auf längere Zeit auf den Spitzenplätzen bleiben, Asien aber legt allmählich zu. Im Bildungsbereich besteht ein zunehmendes Interesse vieler asiatischer Länder, das praxisnahe und erfolgreiche Berufsbildungsmodell der Schweiz kennenzulernen. Asien bleibt in diesen Bereichen weiterhin eine Schwerpunktregion (insbesondere. China, Indien, Japan und Südkorea) mit entsprechenden Aufgaben der Schweizer Vertretungen vor Ort. Bilaterale Abkommen zur Forschungszusammenarbeit wurden zudem bereits mit China, Japan, Indien und Südkorea abgeschlossen. Diese sollen die Kooperation zwischen den eigentlichen Wissenschaftsakteuren (Universitäten, Forschungsinstitutionen, Unternehmen mit Forschungsabteilungen usw.) unterstützen. In den letzten Jahren
wurden zudem Delegationen von Medienschaffenden und anderen Akteuren in die Schweiz eingeladen, um die Stärken der Schweiz in den Themen Bildung, Forschung und Innovation kennenzulernen. 2015 wurden die Landungen des Schweizer Solarflugzeugs «Solar Impulse» genutzt, um die Leistungen der Schweiz in diesen Bereichen und bezüglich Cleantech, nachhaltige Entwicklung und Pioniergeist zu kommunizieren.

Die Schweiz unterhält eine langjährige Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe mit zahlreichen Staaten in Asien-Pazifik. Sie umschliesst erstens Schwerpunktländer der DEZA (Regionale Zusammenarbeit) wie Afghanistan, Bangladesch, die Mongolei, Nepal, Myanmar sowie als regionales Programm die Mekong-Region.

Zweitens unterstützt die Schweiz humanitäre Programme in Afghanistan, Pakistan, Sri Lanka (bis Ende 2015), Myanmar und Nordkorea und unterstützt beispielsweise Flüchtlinge und intern Vertriebene in den Ländern, engagiert sich im Wiederaufbau oder bietet Beratung im Bereich «Disaster Risk Reduction» an. Drittens leistet das

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SECO wirtschaftliche Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere in den Schwerpunktländern Indonesien und Vietnam. Viertens leistet die Schweiz Soforthilfe im Fall von Naturkatastrophen, von denen Asien-Pazifik regelmässig betroffen ist, in den letzten Jahren beispielsweise nach den Überflutungen in Pakistan, dem Tsunami in Thailand, Sri Lanka und Indonesien, der Dreifachkatastrophe in Japan, nach dem Taifun Haiyan in den Philippinen oder dem Erdbeben in Nepal. Zunehmend wichtig werden fünftens die Globalprogramme der DEZA, welche etwa im Bereich Klimaschutz in China und in Indien aktiv sind.

Aufgrund der verschiedenen offenen und verdeckten Konflikte in der Asien-PazifikRegion setzt die Schweiz dort alle ihre Instrumente zur Stärkung der menschlichen Sicherheit und zur Friedensförderung ein. Beispielsweise leistet die Schweiz seit 1953 in der Überwachungskommission Neutraler Staaten (NNSC) auf der koreanischen Halbinsel einen Beitrag zu Frieden und Stabilität. Nach den blutigen Unruhen 2010 und dem Militärputsch 2014 in Thailand nutzte die Schweiz ihre guten Kontakte zu den Konfliktparteien, um sich für Versöhnung und die Rückkehr zur Demokratie und weiterhin für einen Friedensprozess zwischen Rebellen und Regierung im Süden des Landes einzusetzen. Nach dem Machtwechsel in Sri Lanka Anfang 2015 haben sich die seit Jahren besten Chancen für Reformen und einen Versöhnungsprozess ergeben. Aufgrund des jahrelangen Engagements konnte die Schweiz gute Kontakte zur neuen Regierung, tamilischen Parteien und Diaspora und weiteren Schlüsselakteuren aufbauen und Treffen zwischen den ehemaligen Bürgerkriegsparteien (inkl. Diaspora) fazilitieren und so erste Schritte zur Versöhnung und Dezentralisierung ermöglichen. Auf den Philippinen ist die Schweiz im Bereich Vergangenheitsbewältigung tätig, wo die Aushandlung des «Bangsamoro Basic Law» massgeblich unterstützt werden konnte. Seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens in Nepal unterstützt ein Schweizer Experte die Parteien bei der schwierigen Umsetzung des Friedensabkommens, namentlich im Verfassungsprozess, etwa bei der Debatte um eine föderale Staatsstruktur und im Bereich der Reform des Sicherheitssektors. In Myanmar hat die Schweiz die politischen Parteien dabei unterstützt, einen Verhaltenskodex auszuarbeiten. Dieser trug massgeblich zu den friedlichen
und fairen Wahlen 2015 bei. Daneben hat die Schweiz die Regierung und ethnische Gruppen im Friedensprozess beraten, was zur Unterzeichnung eines breiten Waffenstillstandsabkommens beitrug. Schliesslich unterstützte die Schweiz Dialogvorhaben der Regierung Indonesiens mit Vertretern aus Westpapua.

Im Rahmen ihrer Menschenrechtspolitik engagiert sich die Schweiz stark in der Region Asien-Pazifik. Auf multilateraler Ebene ist sie weiterhin sehr aktiv in den UNO-Institutionen tätig und hat auch Kooperationsprojekte mit der ASEAN und der ASEM ausgearbeitet. Auf bilateraler Ebene besteht mit China und Vietnam ein institutionalisierter Dialog über Menschenrechte, der von den Hauptstädten jährlich durchgeführt wird. Mit Indonesien wird der Dialog lokal von der Schweizer Botschaft organisiert. In den konkreten Projekten, die sie in diesem Bereich durchführt, stützt sich die Schweiz auch auf die lokale Zivilgesellschaft und die NGO.

Im Bemühen um verstärkte regionale Zusammenarbeit mit den Ländern Südostasiens hat die Schweiz 2015 ein Aufnahmegesuch als «Sektorieller Dialogpartner der ASEAN» eingereicht. Bereits heute ist eine Botschafterin der Schweiz bei der ASEAN (Sitz in Jakarta) akkreditiert. 2012 ist die Schweiz zudem dem Asia Europe 715

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Meeting (ASEM) als Mitgliedstaat beigetreten. Seither nimmt die Schweiz regelmässig auf Stufe Bundespräsident bzw. Aussenminister an den Gipfel- und Aussenministertreffen dieses wichtigsten informellen, intergouvernementalen Forums für Dialog und Kooperation zwischen Europa und Asien teil. Daneben beteiligt sich die Schweiz an Treffen der Fachminister (Kultur, Arbeit und Bildung) und unterstützt in für sie prioritären Bereichen (zum Beispiel Menschenrechte, Jugend, nachhaltige Entwicklung) Projekte im Rahmen der ASEM. Nachdem die Schweiz bereits seit 1967 Mitglied der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) ist, wurde sie des Weiteren 2015 Gründungsmitglied der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB). Ausserdem ist die Schweiz Mitglied einzelner regionaler Foren wie etwa der International Contact Group on Afghanistan and Pakistan.

Die Intensität und Häufigkeit der Kontakte zeigen, dass die Schweiz gegenüber Asien-Pazifik eine Politik betreibt, die die institutionellen bilateralen Beziehungen stärkt, die Zusammenarbeit mit den führenden regionalen Institutionen vertieft und die solidarische Präsenz festigt.

Asienstrategie der Schweiz Angesichts der Zunahme der Bedeutung Asien-Pazifiks liegt es im Interesse der Schweiz, sich der historischen Dynamik bewusst zu werden und die Beziehungen mit den Staaten der Region Asien-Pazifik in allen Bereichen zu vertiefen. Als global vernetztes Land mit unabhängiger und universeller Aussenpolitik und mit weltweit tätigen Unternehmen gilt es, die Chancen dieser dynamischen Weltregion wahrzunehmen. Dabei sind nicht nur die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern, sondern im bilateralen wie multilateralen Bereich weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit auszuloten und im gegenseitigen Interesse Partnerschaften zu schaffen ­ auch zur Bewältigung globaler Herausforderungen.

Mit diesem Ziel verfolgt die Schweiz eine aussenpolitische Asienstrategie mit drei Pfeilern: 1)

Stärkung der bilateralen Beziehungen;

2)

Stärkung der Präsenz in regionalen Foren;

3)

solidarische Unterstützung von Entwicklung, Frieden und Menschenrechten einschliesslich humanitärer Hilfe in Notlagen.

1) Stärkung der bilateralen Beziehungen Unter diesem Pfeiler soll der Austausch mit den Staaten Asien-Pazifiks mittels vermehrter und systematischerer bilateraler Kontakte intensiviert werden. Hierbei geht es nicht nur um Kontakte zu den drei grossen Partnern China, Japan und Indien, sondern gerade auch um den gezielten Ausbau der Beziehungen mit den mittelgrossen und kleineren Staaten. Denn diese Länder sind zunehmend wichtige Partner in Wirtschaft und Politik, auf regionaler, globaler wie multilateraler Ebene. Hierzu wurden in den letzten Jahren mit zahlreichen asiatisch-pazifischen Staaten jährliche oder bi-annuelle politische Dialoge etabliert. Entsprechende Memoranda of Unterstanding wurden seit 2012 mit Bangladesch, Australien, Neuseeland, Südkorea, Singapur, Myanmar und Nepal etabliert, weitere sind in Vorbereitung. Die geografische Distanz zwischen der Schweiz und der Region Asien-Pazifik erfordert eine

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bewusste Beziehungspflege, um die schweizerischen Interessen effektiv durchsetzen zu können und für spezifische Anliegen im bilateralen oder multilateralen Bereich interessierte Partner zu finden. Regelmässige politische Dialoge erleichtern es, eine kohärente Aussenpolitik zu gewährleisten. Sie erlauben es, bilaterale Anliegen in regelmässigen Abständen zu platzieren und entgegenzunehmen, schwierige Dossiers voranzutreiben, Dossiers zu «verlinken», Möglichkeiten für einen Ausbau der bilateralen oder multilateralen Zusammenarbeit zu identifizieren und Kontakte auf hohem Niveau zu pflegen Heute richtet der Bundesrat seine aussenwirtschaftspolitischen Prioritäten und die Handelsdiplomatie nicht nur auf einzelne, grosse asiatische Länder wie China oder Japan, sondern auch auf andere aufstrebende Märkte aus. So werden Freihandelsabkommen gerade mit den wachstumsstarken Schwellenländern angestrebt (z. B.

Indien, Indonesien, Malaysia, Philippinen, Thailand und Vietnam). Diese Abkommen sind umso relevanter in Ländern, in denen die Marktbedingungen herausfordernd und die Rechtsstaatlichkeit noch relativ wenig entwickelt ist. Auch gilt es, die Konsequenzen der grossen geplanten transpazifischen bzw. transatlantischen Wirtschaftsräume im Auge zu behalten.

Auch sonst strebt der Bundesrat eine Stärkung der institutionellen Rahmenbedingungen an, etwa Ausbau von Investitionsschutz- und Doppelbesteuerungsabkommen; Stärkung der Zusammenarbeit im Bereich Geistiges Eigentum; Vereinbarungen über Zusammenarbeit im Wissenschaftsbereich; vertiefter Austausch im Migrationsbereich (inkl. Zusammenarbeit im Rückkehrbereich); Vereinbarungen im Bereich der Rechtshilfe.

Mit wichtigen Partnern (u. a. China, Indien, Indonesien) bestehen zudem Gemischte Wirtschaftskommissionen, in denen unter Einbezug der Privatwirtschaft regelmässig Wirtschaftsthemen und bilaterale Anliegen vertieft werden. Weitere technische Dialoge decken zum Beispiel den Bereich Geistiges Eigentum (u. a. China) ab.

Vor dem Hintergrund des auch für die Finanzindustrie wachsenden Gewichts Asiens führt die Schweiz mit mehreren G20-Staaten (Australien, China, Indien, Japan) und wichtigen Finanzplätzen (Singapur, Hongkong) regelmässige Finanzdialoge, um die jeweiligen Positionen in den relevanten internationalen Organisationen mit den Partnerstaaten abstimmen
zu können und bilaterale Themen anzusprechen. Im Finanzdialog mit China wird so zum Beispiel die Rolle der Schweiz als OffshoreRenminbi-Handelsplatz thematisiert. Die Einladung Chinas im Rahmen seiner G20Präsidentschaft 2016 an die Schweiz zur Teilnahme an den Arbeiten im Finanzbereich (G20 Finance Track) widerspiegelt die engen Beziehungen im Finanzbereich mit China. Zudem ist die Schweiz im Rahmen der Umsetzung des globalen Standards für den internationalen automatischen Informationsaustausch (AIA) bestrebt, die Beziehungen mit den asiatischen Partnerstaaten weiter zu vertiefen. Von besonderem Interesse für die Schweiz ist die Frage, wie sich die bedeutenden asiatischen Finanzplätze Singapur und Hong-Kong bei der Umsetzung des AIA, zu dem sie sich grundsätzlich bekannt haben, verhalten.

Die bilaterale Zusammenarbeit soll weiterhin in Bereichen wie Bildung, Forschung und Innovation, Transport, Gesundheit, Umwelt, Migration, Sicherheit, Menschenrechte, Arbeit und Beschäftigung und Kultur stattfinden. Zunehmend geht es dabei

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nicht mehr nur um einen Wissenstransfer von der Schweiz zu den Empfängerstaaten, sondern um die Förderung gegenseitiger Lernprozesse. Das technische Knowhow asiatisch-pazifischer Staaten wird sich in Zukunft noch verstärken und bietet somit auch einen wachsenden Nutzen für die Schweiz.

Die Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Staaten Asien-Pazifiks in multilateralen Gremien findet bisher meist nur punktuell statt, mit einigen Ausnahmen wie etwa im Bereich der WTO und des Umwelt- und Klimaschutzes. In zahlreichen Themenbereichen, in welchen die Schweiz starkes multilaterales Engagement zeigt (zum Beispiel menschliche Sicherheit, Friedensförderung, nukleare Abrüstung, nachhaltige Umweltpolitik) lassen sich unter den asiatisch-pazifischen Staaten bisher im Vergleich zu Europa und den Amerikas weniger häufig Gleichgesinnte finden. Die multilaterale Aussenpolitik vieler asiatisch-pazifischer Staaten ist jedoch deutlich im Aufbau begriffen. Insofern lässt sich die Zusammenarbeit in Bezug auf multilaterale Themen bzw. in multilateralen Gremien künftig weiter ausbauen.

Als Mittel zur Umsetzung bedient sich die Schweiz eines wie erwähnt recht gut ausgebauten Vertretungsnetzes. Dabei ist unabdingbar, die schweizerischen Vertretungen adäquat personell auszurüsten, um die kontinuierlich steigende Arbeitsbelastung aufgrund des dynamischen Aufstiegs der Region Asien-Pazifik bewältigen zu können und eine effektive Wahrung der schweizerischen Interessen zu garantieren.

Das wirtschaftliche und touristische Wachstum der bilateralen Beziehungen bewirkt auch eine steigende Anzahl von Visagesuchen und Konsularschutzfällen (Rechtsbeistand, Entführungen, medizinische Notfälle) von Schweizern in der Region AsienPazifik.

Auch in Asien unterstützt die Landeskommunikation die Interessenwahrung der Schweiz und fördert die Visibilität der Schweiz und ihre Wahrnehmung als innovatives und gleichzeitig traditionsbewusstes Land. Zudem werden einem breiten asiatischen Zielpublikum Stärken, Vielfalt und Attraktivität sowie Anliegen und politische Positionen der Schweiz erläutert. Dazu trägt auch die Kulturarbeit der schweizerischen Vertretungen und der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia mit ihren Aussenstellen in Schanghai und Delhi bei. Diese macht Schweizer Kulturschaffende in der Region bekannt und erschliesst ihnen neue
Netzwerke.

2) Stärkung der Präsenz in regionalen Foren Die regionalen und subregionalen Institutionen Asiens sind zwar noch erheblich weniger organisiert als etwa europäische Organisationen. Nichtsdestotrotz bilden sie den Nukleus, in dem in aller Voraussicht in der Zukunft regionale Zusammenarbeit, Mechanismen und Partnerschaften erarbeitet und beschlossen werden. Insofern ist es im Interesse der Schweiz, verstärkt die Annäherung an jene regionalen und subregionalen Organisationen zu suchen, welche von besonderem Interesse für die Schweiz sind. Derzeit werden etwa Möglichkeiten für ein verstärktes Engagement mit der ASEAN geprüft. Auch strebt die Schweiz an, regelmässig als Beobachter an Treffen des Pacific Island Forum (PIF, Regionalorganisation der vierzehn pazifischen Staaten mit Australien/Neuseeland) teilzunehmen. Hingegen ist etwa eine Annäherung an die South Asian Association for Regional Cooperation (SAARC, Regionalorganisation der acht südasiatischen Staaten mit Schwergewicht Indien) derzeit nur

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beschränkt möglich, da die SAARC den Beobachterstatus zuerst genauer definieren möchte.

3) solidarische Unterstützung von Entwicklung, Frieden und Menschenrechten einschliesslich humanitärer Hilfe in Notlagen Mittels ihrer allgemeinen wie wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit, ihrer humanitären Hilfe sowie ihrem Engagement im Bereich der menschlichen Sicherheit und Friedensförderung unterstreicht die Schweiz ihre Bereitschaft, den asiatischpazifischen Staaten bei ihren Bemühungen zugunsten einer prosperierenden, wertorientierten Entwicklung solidarisch zur Seite zu stehen oder im Notfall schnell zu Hilfe zu eilen. Künftig soll ein stärkerer Fokus auf die Instrumente der Globalen Zusammenarbeit und der Friedensvermittlung (Mediation) gelegt werden. Auch hat Bundesrat Didier Burkhalter bei verschiedenen Gelegenheiten die Guten Dienste der Schweiz und Erfahrungsaustausch zum Beispiel in Bezug auf die kooperative Sicherheit angeboten.

Umsetzung der Asienstrategie In enger Zusammenarbeit mit den anderen Departementen überprüfen das EDA und die Vertretungen der Schweiz vor Ort die Lage in Asien regelmässig, um sicherzustellen, dass der Bund das Potenzial und die Chancen der Region Asien-Pazifik optimal nutzt.

Entwicklungen in der Region 2015 In Ostasien war das vergangene Jahr von den Gedenkfeiern für den 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs geprägt. Das Ereignis führte vermehrt zu regionalen Spannungen im Zusammenhang mit der Bewältigung des Kriegserbes sowie zum Aufflammen von nationalistischen Tendenzen. Die Spannungen konnten jedoch in einem «trilateralen» Gipfeltreffen zwischen den Staatschefs von China, Japan und Südkorea im November in Seoul entschärft werden. Das letzte trilaterale Treffen auf dieser Ebene liegt über dreieinhalb Jahre zurück.

Was die Streitigkeiten im südchinesischen Meer anbelangt, haben die Philippinen die Angelegenheit vor den Ständigen Schiedshof in Den Haag gebracht. Die USA ihrerseits haben im Sommer eine Fernsehequipe ins Südchinesische Meer geschickt und im Oktober Kriegsschiffe in den von China beanspruchten Gewässern stationiert, um ihrer Besorgnis über die Freiheit der Schifffahrt offen Ausdruck zu verleihen. Der Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in den USA im September konnte keine nennenswerten Fortschritte zur Lösung des
Dossiers bringen.

Während die beiden Korea im August aufgrund von schwerwiegenden Vorfällen entlang der Demarkationslinie gegenseitig Kriegsdrohungen geäussert hatten, gelang es den beiden Regierungen rasch, sich auf ein Sechspunkteabkommen zu einigen und die Spannungen einzudämmen. Durch das Abkommen ist die Zusammenführung von Familien, die im Krieg auseinandergerissen worden waren, wieder zaghaft aufgenommen und der Grundstein für neue Gespräche zwischen den beiden verfeindeten Staaten gelegt worden. Parallel zu den Gedenkfeiern der Machtübernahme der

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Arbeiterpartei vor siebzig Jahren gab das Regime in Pyongyang im September bekannt, dass es die Anlagen des wichtigsten Nuklearkomplexes reaktiviert habe.

In Japan hat der Wahlsieg der Partei von Premierminister Abe diesem ermöglicht, gegen den Willen einer breiten Bevölkerungsschicht im Parlament ein Gesetz durchzubringen, das in Sonderfällen die Entsendung von japanischen Truppen ins Ausland zulässt. Das Konzept der kollektiven Selbstverteidigung, das von mehreren Nachbarstaaten scharf kritisiert wird, würde es Japan erlauben, im Ausland zur Unterstützung von verbündeten Staaten zu intervenieren, vor allem in den USA, mit denen im April die Abkommen über militärische Zusammenarbeit verstärkt worden sind, im Sinne der von Washington gewollten Politik des «Fokus auf Asien».

In Asien konnten an der demokratischen Front im Jahr 2015 etliche Fortschritte erzielt werden. Während die Mongolei den 25. Jahrestag der ersten freien Wahlen feierte, konnten in Sri Lanka nach einem politischen Wechsel demokratische Fortschritte erzielt werden. Präsident Sirisena wurde im Januar gewählt und seine Koalitionsregierung ist im August anlässlich der Parlamentswahlen bestätigt worden. Die neue Regierung hat unverzüglich wichtige demokratische Reformen eingeleitet, um die Bevölkerungsgruppen im Land zu versöhnen. Im Rahmen der UNO ist gleichzeitig ein Dialog über die Vergangenheitsbewältigung eingeleitet worden. Trotz des verheerenden Erdbebens in Nepal im April konnte im September nach einem langwierigen siebenjährigen Prozess eine neue Verfassung verabschiedet werden. Diese sieht ein föderalistisches Nepal vor und garantiert den Rechtsstaat. Obschon die Umsetzung nicht problemlos vonstattengeht, ebnet der Verfassungstext den Weg zu einem demokratischen Land. In Myanmar haben im November demokratische Wahlen stattgefunden, die das Engagement der Regierung auf dem Weg zu Reformen und einer Öffnung bekräftigen. In Australien hat im September ein Regierungswechsel stattgefunden, an der Macht bleibt die gleiche politische Mehrheit. Die Regierungsbildung in Afghanistan nach den Wahlen 2014 gestaltete sich hingegen schwierig und langwierig. Erst sieben Monate nach seiner Amtseinsetzung verfügte der Präsident im April schliesslich über eine handlungsfähige Regierung. Nach Abzug der meisten internationalen Kampftruppen
konnten die Taliban und neu auch IS-alliierte Gruppen ihren Machtbereich v. a. in ländlichen Gebieten Afghanistans allmählich ausdehnen. Im September/Oktober konnten die Taliban erstmals seit 2001 wieder eine grössere Stadt einnehmen. In Thailand schliesslich ist der neue Verfassungsentwurf der Regierung vom Nationalen Reformausschuss verworfen worden, was im Königreich die Rückkehr zur Demokratie auf den Zeithorizont 2017 verschiebt.

Aktivitäten der Schweiz Ein Jahr nach Inkrafttreten des Freihandelsabkommens haben die Schweiz und China im August die erste Sitzung des Gemischten Ausschusses abgehalten. Im Vordergrund standen die positiven Effekte des Abkommens für den Handelsverkehr in beide Richtungen, trotz der Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft. Im Finanzbereich sind die Bemühungen, die Schweiz zu einen «Offshore-Zentrum» des Renminbi (der chinesischen Währung) zu machen, fortgeführt worden. Im Januar ist ein Abkommen zwischen den Zentralbanken unterzeichnet worden, im Februar ist Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf nach China gereist, im Juni Bundesrat

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Johann Schneider-Ammann. Anlässlich seiner Reise nach Peking unterzeichnete der Vorsteher des WBF für die Schweiz die Gründungsurkunde der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB). Die politischen und diplomatischen Beziehungen ­ 2015 feierten sie ihren 65. Jahrestag ­ sind im Januar anlässlich des Staatsbesuchs von Premierminister Li Keqiang in der Schweiz verstärkt worden. Im September hat Bundesrat Alain Berset anlässlich seines Chinabesuchs ein Sozialversicherungsabkommen sowie eine prozdeurale Absichtserklärung zur kulturellen Kooperation unterzeichnet. Zusätzlich zur Gemischten Wirtschaftskommission haben die themenbezogenen Dialoge zwischen den beiden Ländern (über Finanzen, Menschenrechte, geistiges Eigentum, Arbeits- und Beschäftigungsfragen, Beratungen über Fragen des Völkerrechts) planmässig stattgefunden. Schliesslich sind im Migrationsdossier Fortschritte erzielt worden mit der Unterzeichnung eines Abkommens über die gegenseitige Abschaffung der Visapflicht für Inhaber eines diplomatischen Passes und dem Abschluss einer Vereinbarung über die Identifizierung von mutmasslichen chinesischen Staatsangehörigen, die sich illegal in der Schweiz aufhalten.

Nach ihrer Ablösung in der OSZE-Präsidentschaft hat die Schweiz 2015 den Vorsitz der Asien-Kontaktgruppe der OSZE inne gehabt, deren Jahreskonferenz im Juni in Südkorea stattgefunden hat. Um die Konferenz möglichst gut vorzubereiten, traf sich der EDA-Vorsteher im Vorfeld am Rande von internationalen Konferenzen zweimal mit seinem südkoreanischen Amtskollegen, um Fragen der kooperativen Sicherheit in Asien zu erörtern. Im Rahmen ihrer Reise nach Seoul im Juli hat Bundesrätin Doris Leuthard die bilaterale Zusammenarbeit im Bereich Umwelt und grüne Technologien verstärkt.

Im Oktober reiste Staatssekretär Mauro Dell'Ambrogio nach Daejeon, Südkorea und vertrat die Schweiz am ersten OECD-Treffen der Wissenschaftsminister seit 2004.

Die Schweiz wurde nach dem Treffen in den Vorsitz des OECD-Komitees gewählt, das mit der Implementierung der getroffenen Entscheide beauftragt ist.

Der politische Dialog mit Nordkorea fand im November in Bern statt, auf der Tagesordnung stand unter anderem «verstärkte Menschenrechte». Im August hatte zu diesem Thema ein vorbereitendes Treffen zwischen dem nordkoreanischen Aussenminister und dem Staatssekretär
Yves Rossier stattgefunden.

Bundesrat Didier Burkhalter ist im März nach Japan gereist, um an der UNOWeltkonferenz zur Minderung von Katastrophenrisiken teilzunehmen. Er nutzte die Gelegenheit, um mit seinem japanischen Amtskollegen bilaterale Gespräche zu führen.

Anlässlich des offiziellen Besuchs des Aussenministers der Mongolei im November sind die vertieften Beziehungen der Schweiz zur Mongolei bekräftigt worden, insbesondere durch die Aufnahme des Dialogs über Fragen der Neutralität und Mediation.

Im Mai besuchte Bundesrat Schneider-Ammann mit einer Wirtschafts- und Innovationsdelegation Indien, zuvor traf sich in New Delhi auch die gemischte Wirtschaftskommission zur 14. Gesprächsrunde. Im September empfing Staatssekretär Rossier den indischen Foreign Secretary Jaishankar zu einem Arbeitsbesuch in Bern. Das dritte Treffen des gemeinsamen Wissenschaftsausschusses (Indo Swiss Joint Committee on Science & Technology) fand Mitte September in Bern statt.

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Ziel des zweitägigen Besuches von Bundesrat Burkhalter in Sri Lanka im März war es insbesondere, Kontakt zur neuen Regierung herzustellen sowie deren Reformpläne und Versöhnungsbemühungen zu bestärken und diesbezüglich Unterstützung der Schweiz anzubieten. Er wurde dabei u.a. vom Präsidenten, dem Premierminister und dem Aussenminister empfangen. Daneben besuchte er auch den Norden des Landes, wo er sich ein Bild des Engagements der Schweiz im Bereich der Rehabilitation und des Wiederaufbaus machen konnte. Am Rande der 70. UNO-Generalversammlung in New York traf Bundespräsidentin Sommaruga Ende September den sri-lankischen Präsidenten Sirisena zu einem Gespräch. Dieses erstmalige Treffen auf höchster Ebene bot Gelegenheit, den Präsidenten in seinem Reform- und Versöhnungskurs positiv zu bestärken und das Schweizer Interesse an einer Stärkung und NeuLancierung der bilateralen Beziehungen zu signalisieren.

Die Schweiz hat umgehend auf das verheerende Erdbeben in Nepal im April reagiert und entsandte angesichts dieser Katastrophe zahlreiche Experten, hauptsächlich in den Bereichen Medizin, Wasser, Unterkunft und Logistik, in die am stärksten betroffenen Gebiete. Zudem unterstützte sie die betroffene Bevölkerung mit einer grossen Menge an dringend benötigten Hilfsgütern, die vor Ort eingekauft oder aus der Schweiz angeliefert wurden. Die DEZA setzte neben fünf Millionen Franken an Soforthilfe auch 20 Millionen Franken zum Wiederaufbau ein. An der internationalen Wiederaufbaukonferenz, welche im Juni in Kathmandu stattfand, nahmen auch Vertreter der DEZA teil.

Eine weitere Runde des politischen Dialoges mit Bhutan fand im Mai statt und bot die Gelegenheit, um das 30-jährige Jubiläum der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen der beiden Staaten zu feiern. Mit Bangladesch fand im Rahmen der bilateralen Beziehungen im März in Dhaka die insgesamt zweite Runde des politischen Dialoges statt.

Die bilateralen Beziehungen mit Singapur gestalteten sich im Jahr 2015 äusserst intensiv. Im Februar besuchte Bundesrätin Widmer-Schlumpf den Stadtstaat, um die erste Runde des Finanzdialoges vorzubereiten, welcher im Mai durchgeführt wurde.

Ende Mai besuchte Bundesrat Didier Burkhalter Singapur, wo er an der regionalen Sicherheitskonferenz «Shangri-La Dialog» über Erfahrungen der Schweiz während dem OSZE-Präsidialjahr
sprach. Darüber hinaus traf er sich mit Aussenminister Shanmugam und Premierminister Lee Hsien Loong, um Gespräche zu den bilateralen Beziehungen zu führen. Beim Arbeitsbesuch von Bundesrätin Leuthard im Juli standen Energie- und Klimafragen sowie die Informations- und Kommunikationstechnologien im Vordergrund.

Im Rahmen der Vorbereitungen für die ersten Übergangswahlen in Myanmar hat die Schweiz zur Erleichterung der Verhandlungen beigetragen und einen Verhaltenskodex unter den politischen Parteien vermittelt. Der Kodex enthält die freiwillige Verpflichtung, einen fairen Wahlkampf und friedliche Wahlen durchzuführen. Nach jahrzehntelangem Militärregime und lokalen bewaffneten Konflikten war diese Vereinbarung zwischen den politischen Parteien von besonderer Bedeutung.

Mit einem Arbeitsbesuch in Indonesien im März konnte Bundesrat Burkhalter den Kontakt mit der im Herbst 2014 eingesetzten Regierung von Präsident Joko Widodo aufnehmen. Zentrale Themen des Arbeitstreffens waren die Intensivierung der

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bilateralen Beziehungen mit dem G20-Land in den Bereichen Wirtschaft und kooperative Sicherheit, die Stärkung des rechtlichen Rahmens (Rechtshilfe, Investitionsschutz) sowie die Todesstrafe. Eine weitere Runde des politischen Dialogs und der Gemischten Wirtschaftskommission mit Indonesien fand im November in Bern statt.

Unter anderem zur Unterstützung der Freihandelsverhandlungen zwischen der EFTA und Indonesien reiste Staatssekretärin Ineichen-Fleisch im April nach Jakarta.

Im Anschluss besuchte sie Malaysia, wo ebenfalls die Freihandelsverhandlungen auf der Agenda standen.

Auch mit Vietnam, einem wichtigen Handelspartner der Schweiz in Südostasien, konnten die Beziehungen im Jahr 2015 intensiv gepflegt werden. Anlässlich seines Besuches im Juni eröffnete Bundesrat Burkhalter in Ho Chi Minh City das neue Schweizer Generalkonsulat. In Hanoi traf er mit zwei Vizeministerpräsidenten zusammen, um u.a. die Freihandelsverhandlungen im Rahmen der EFTA zu unterstützen. Die Freihandelsverhandlungen konnten überdies bei einem Arbeitstreffen zwischen Bundesrat Schneider-Ammann und einem weiteren vietnamesischen Vizepremierminister im September in Bern besprochen werden. Mit Laos konnte im September die dritte Runde des politischen Dialoges durchgeführt werden und im Dezember fanden politische Konsultationen mit Australien, Neuseeland und den Fidschi-Inseln statt. Im November nahm Bundesrat Burkhalter am Aussenministertreffen des Asien-Europa-Treffens (Asia-Europe Meeting, ASEM) in Luxemburg teil.

Naher Osten und Nordafrika Entwicklung in der Region Die Protestwelle, die 2011 in Tunesien ausbrach und anschliessend auf alle Länder Nordafrikas und des Nahen Ostens übergriff, brachte nicht die erwartete Wirkung: Die Hoffnung der Bevölkerung auf Veränderungen und Reformen, die in dem starken Verlangen nach Freiheit und Würde fast überall gegenüber autoritären Machthabern eingefordert wurden, blieb häufig unerfüllt.

Im Berichtsjahr nahm die bewaffnete Gewalt in mehreren Ländern der Region spürbar zu. In Syrien ging der Krieg zwischen dem Regime, den Rebellen, den Kurden und den Dschihadisten mit unverminderter Härte weiter (und forderte seit Beginn der Feindseligkeiten 2011 mehr als 250 000 Todesopfer). Im Jemen verschärfte sich der militärische Konflikt nach der Aufnahme von Luftangriffen durch Saudi-Arabien
am 26. März weiter. In Anbetracht der Tausenden von Opfern der Kämpfe zwischen den schiitischen Huthi-Rebellen und den regierungstreuen Truppen von Präsident Hadi musste die UNO dort ihre höchste Nothilfestufe ausrufen.

Im Irak ist die Sicherheitslage nach wie vor sehr prekär. Mehrere Gesetzesvorhaben konnten vom Ministerpräsidenten nicht gegenüber den Abgeordneten durchgesetzt werden, was zu tiefem Misstrauen zwischen den drei Gemeinschaften, den Schiiten, Kurden und Sunniten, beitrug. Mit den wichtigsten politischen Akteuren Libyens wurden mehrere Verhandlungsrunden geführt, namentlich in Genf unter dem Dach der UNO. Diese Begegnungen nährten die Hoffnung auf die Einsetzung einer Regierung der nationalen Einheit, gerieten jedoch durch erhebliche Meinungsverschiedenheiten ins Stocken. Vor Ort tobten die kriegerischen Auseinandersetzungen weiter und liessen Libyen und die gesamte Sahelzone in ein schweres Chaos abgleiten.

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Zusätzlich zu diesen offenen Konflikten war die Gruppe «Islamischer Staat» (IS) weiter auf dem Vormarsch und verfolgte im gesamten Jahresverlauf ihr Ziel, mit Unterstützung mehrerer extremistischer Bewegungen, die ihr Treue geschworen haben, ein «Kalifat» über die Grenzen des Irak und Syriens hinweg zu errichten.

Auf bilateraler Ebene gab es keine Anzeichen für die Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern, die seit April 2014 ausgesetzt sind.

Seit Mai steht der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu an der Spitze einer fragilen Koalition und einer der am weitesten rechts angesiedelten Regierungen in der Geschichte des Landes. Auf palästinensischer Seite geriet Präsident Mahmoud Abbas in eine schwere politische Krise, aus der er geschwächt hervorging. Es gelang ihm nicht, die politische Aussöhnung zwischen seiner Partei, der im Westjordanland herrschenden Fatah, und der den Gazastreifen kontrollierenden Hamas erfolgreich zu Ende zu führen.

In wirtschaftlicher Hinsicht waren das Andauern der Konflikte, die politische Instabilität und der niedrige Ölpreis, die das Wachstum der Exportländer dämpften, sowie das relative langsame Reformtempo allesamt Faktoren, die 2015 zu einer geringen Investitionstätigkeit in der Region beitrugen. Die Arbeitslosenquote verharrte auf hohem Niveau, und erstmals seit vier Jahren mussten alle Staaten der Region ein Haushaltsdefizit verzeichnen.

Dieses eher düstere Bild schmälert jedoch nicht die Tragweite des Abkommens über das iranische Atomprogramm, das am 14. Juli in Wien unterzeichnet wurde. Sein diplomatischer und wirtschaftlicher Nutzen ist zwar nach wie vor schwer abzuschätzen, potenziell jedoch vielfältig. Zunächst könnte eine offenere Zusammenarbeit zwischen Washington und Teheran im Hinblick auf die Krisen in Syrien und im Irak in die Wege geleitet werden.

Aktivitäten der Schweiz Im gesamten Jahresverlauf hat sich die Schweiz regionsweit intensiv engagiert. Die Schweiz gilt als neutrale und glaubwürdige Akteurin und hielt auch 2015 einen hohen Rhythmus regelmässiger Kontakte aufrecht. Bei Arbeitsbesuchen in Nordafrika, im Nahen Osten und in der Schweiz wurde eine erhebliche Zahl politischer Dialoge geführt, namentlich mit dem Iran, Oman, Kuwait, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Israel und der
Palästinensischen Behörde. Ferner empfing die Schweiz am 9. März den Präsidenten der Palästinensischen Behörde, Mahmoud Abbas, zu einem offiziellen Besuch in Bern. Darüber hinaus traf der Departementsvorsteher am Rande der 28. Tagung des Menschenrechtsrats in Genf am 2. März mit seinem libanesischen Amtskollegen, Gebran Bassil, sowie der beigeordneten Ministerin im marokkanischen Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und Zusammenarbeit, Mbarka Bouaida, zusammen.

Der Vorsteher des EDA reiste am 19./20. Oktober nach Jordanien. Auf seiner Reise besuchte er die An-Nahdah-Schule in Amman sowie das Flüchtlingslager Azraq, zwei von der Schweiz unterstützte Projekte. Am Rande der OSZE-Mittelmeerkonferenz traf sich er auch mit seinem jordanischen Amtskollegen Nasser Judeh zu einem Gespräch über die Syrienkrise.

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Seit dem Ausbruch des Konflikts in Syrien im März 2011 mit seinem Übergreifen auf den Irak und dem Aufkommen insbesondere der extremistischen Organisation ISIS hat sich die humanitäre Lage ständig verschlechtert. Die Schweiz erhöhte 2015 das Budget für die humanitäre Hilfe in Syrien und Irak um 30 Millionen Franken; nunmehr stehen für das Engagement für die Opfer der syrischen Krise 178 Millionen Franken sowie für das Engagement für die Opfer der irakischen Krise 20 Millionen Franken zur Verfügung. Nahezu die Hälfte der Unterstützung im Zusammenhang mit der syrischen Krise wird dafür verwendet, der Bevölkerung in Syrien vermehrt zu helfen und sie besser zu schützen, die andere Hälfte wird für die Hilfe in den Nachbarstaaten eingesetzt.

Auf politischer Ebene unterstützte die Schweiz weiter die Mission des UNOSondergesandten für Syrien, Staffan de Mistura, der in Genf eine Reihe von Gesprächen mit den wichtigsten Konfliktparteien und den direkt betroffenen internationalen Akteuren aufnahm. Zudem wurde sie mit der Leitung einer der Arbeitsgruppen beauftragt, die eingesetzt wurden, um den Dialog zur Situation in Syrien wieder in Gang zu bringen. Schliesslich rief die Schweiz in der UNO-Generalversammlung und dem UNO-Menschenrechtsrat erneut dazu auf, dass der UNO-Sicherheitsrat die Urheber von Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor den Internationalen Strafgerichtshof bringt, damit sie ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu einem bestimmten Lager nicht straffrei bleiben.

Im Falle des Jemen fanden in der Schweiz zudem im Juni und im Dezember unter Vermittlung der UNO Konsultationen statt, bei denen jedoch keine Einigung zustande kam. Ziel war es, dem Konflikt zwischen den Huthi-Rebellen und den gegenüber dem Exil-Präsidenten Hadi loyalen Truppen ein Ende zu setzen. Die Schweiz unterstützte diese Initiative, die im Einklang mit ihrer Politik steht, eine politische Lösung für den jemenitischen Konflikt zu finden. Seit Anfang 2015 hat die Schweiz für dieses Land humanitäre Hilfe im Wert von zehn Millionen Franken bereitgestellt.

Aufgrund der prekären Sicherheitslage in Libyen wurde die Botschaft der Schweiz am 31. Juli 2014 vorübergehend geschlossen. Sie konnte 2015 nicht wiedereröffnet werden, da nennenswerte politische und sicherheitsbezogene Fortschritte ausblieben.

Die Schweiz
ist nach wie vor der Auffassung, dass eine dauerhafte Lösung der libyschen Krise nur auf dem Verhandlungsweg erreicht werden kann. In dieser Hinsicht unterstützte sie die Bemühungen des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs für Libyen und mithin die im Jahresverlauf zwischen den libyschen Konfliktparteien geführten Friedensverhandlungen. Die Schweiz macht ihre Arbeit in dem Land von der Verbesserung der Sicherheitslage abhängig, hofft aber, ihre Tätigkeit, die sich vor allem auf den demokratischen Übergang, die Förderung der Menschenrechte, die Migration und den Schutz der Bevölkerung erstreckt, fortführen zu können.

Im Nahen Osten kamen die israelisch-palästinensischen Verhandlungen zwar vollständig zum Erliegen, doch wies die Schweiz beim Besuch von Präsident Abbas in der Schweiz erneut auf ihre Absicht hin, ihr politisches und humanitäres Engagement zugunsten einer Zwei-Staaten-Lösung fortzusetzen. Sie unterstrich abermals ihren Willen, aktiv auf den Frieden in der Region hinzuwirken. Bei dieser Begegnung konnten sich beide Seiten auch über Themen austauschen, in denen die Schweiz besonders aktiv und engagiert als Vermittlerin auftritt, ob es sich nun um den innerpalästinensischen Aussöhnungsprozess zwischen der Palästinensischen 725

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Befreiungsorganisation (PLO) und der Hamas oder ihre Aktivitäten zugunsten einer globalen und dauerhaften Lösung des Konflikts handelt. Am 13. Oktober hat Bundesrat Burkhalter die Genfer Initiative anlässlich eines Treffens in Bern ermutigt, sich auf folgende Prioritäten zu konzentrieren: Appell an die internationale Gemeinschaft, sich für die Zweistaatenlösung einzusetzen, Förderung der Versöhnung der palästinensischen Faktionen, Intensivierung der Aktivitäten mit der arabischen Minderheit und der Jugend.

Im Falle des Iran begrüsste die Schweiz im Juli den Abschluss des Wiener Abkommens zwischen der E3/EU+3 (China, Russland, USA, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien) und der Regierung in Teheran über das iranische Atomprogramm und die schrittweise Aufhebung der Wirtschaftssanktionen. Das Abkommen beruht auf zwei Übergangsvereinbarungen, die in der Schweiz ausgehandelt wurden: die erste am 23. November 2013 in Genf im Rahmen eines gemeinsamen Aktionsplans, die zweite in Form einer gemeinsamen Erklärung des Iran und der Europäischen Union am 2. April in Lausanne. Diese Erklärung bildete daraufhin den allgemeinen Rahmen für die Unterzeichnung des globalen Wiener Abkommens.

Angesichts der regionsweit weiter angespannten demografischen Situation und wirtschaftliche Bedingungen sowie der kriegerischen Ereignisse in Syrien, im Irak, im Jemen, in Libyen und in der gesamten Sahelzone hat sich der Migrationsdruck 2015 verstärkt. Die Schweiz verfolgte die Entwicklung der Lage aufmerksam, um gemeinsam mit allen betroffenen Partnern auf internationaler Ebene den Migrationsfluss der Flüchtlinge und Vertriebenen wirksam steuern zu können. Sie nahm bislang 10 000 Personen aus Syrien auf und beschloss Anfang März, 3000 weiteren Flüchtlingen die Einreise in die Schweiz zu gewähren. Schliesslich entschied der Bundesrat am 18. September, dass die Schweiz sich am ersten europäischen Umverteilungsprogramm («Relocation») für 40 000 schutzbedürftige Personen beteiligen würde, das im Juli von der EU beschlossen worden war (vgl. Ziff. 3.2.1). Im aktuellen Kontext bezeichnet «Relocation» die Überführung von Asylbewerbern, die bereits in einem Dublin-Staat registriert wurden, in einen anderen Dublin-Staat.

Dadurch sollen in Zeiten starker Flüchtlingsströme die Staaten entlastet werden, die an der Aussengrenze des
Schengenraums den grössten Andrang bewältigen müssen.

Die Schweiz wird daher bis zu 1500 Personen aufnehmen, die zuvor in Italien oder in Griechenland registriert wurden. Mit diesem Beschluss leistet die Schweiz einen Beitrag zu einem gemeinsamen solidarischen Vorgehen in Europa. Die übernommenen Personen werden dem im März beschlossenen Kontingent zur Aufnahme von 3000 schutzbedürftigen Personen angerechnet. Die verbleibenden Plätze werden im Rahmen des Programms zur Wiederansiedlung der Flüchtlinge sowie für Visa aus humanitären Gründen vergeben.

Subsahara-Afrika Entwicklungen in der Region Subsahara-Afrika, eine Region mit einer Milliarde Einwohnern, deren Medianalter nicht einmal 20 Jahre beträgt, ist immer stärker von den Herausforderungen im Zusammenhang mit dem demografischen Wachstum betroffen. Urbanisierung, innerafrikanische Mobilität und Abwanderung in andere Kontinente sind mittlerweile Phänomene von globaler Tragweite. Zugleich ist Subsahara-Afrika eine Region, 726

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die 2015 ebenso wie in den vorangegangenen Jahren ein hohes Wirtschaftswachstum verzeichnete. Hier gibt es Länder, die erhebliche Fortschritte aufweisen, während manche andere Länder unter Willkür und Korruption leiden, deren Ursache gravierende rechtsstaatliche Defizite sind.

Die Ebola-Epidemie, die 2014 in Westafrika ausbrach und potenziell gravierende Auswirkungen auf die Sicherheit, die Ernährung und die Wirtschaft hatte, konnte im vergangenen Jahr eingedämmt werden. Bemerkenswerterweise wurde in den drei am stärksten betroffenen Ländern ­ Liberia, Sierra Leone und Guinea ­ fast keine neuen Übertragungsfälle gemeldet, obwohl in diesen Staaten nur ein oder zwei Ärzte auf 100 000 Einwohner entfallen und die Gesundheitssysteme äussert schwach entwickelt sind.

Auch 2015 wurden Frieden und Stabilität in einem von Mali bis Somalia reichenden Teil des afrikanischen Kontinents durch Sicherheitsprobleme gefährdet. Trotz der Bildung einer Streitkraft im Rahmen einer militärischen Kooperation zwischen fünf Ländern der Subregion verbreitete die Sekte Boko Haram weiter Terror. Zudem verübten die bewaffneten islamistischen Milizen Al-Shabaab in Somalia und verschiedene dschihadistische Gruppen in Mali regelmässig Angriffe auf Regierungskräfte und internationale Truppen und begingen Terroranschläge. Da einige der genannten Organisationen sich dem IS angeschlossen haben und über Nachschublinien im Nahen Osten verfügen, reichen diese Gefahren nun über die Grenzen des Kontinents hinaus. Ungeachtet der 2015 unterzeichneten Friedensabkommen und der Übergangsregelungen wurden im Südsudan und in der Zentralafrikanischen Republik immer wieder neue Waffenruhen vereinbart, ohne dass eine klare politische Lösung zustande kam. In Mali konnte das Friedensabkommen zwischen der Regierung und den Separatisten im Norden erneute Terroranschläge in dem Land nicht verhindern.

Mit der Abhaltung allgemeiner Wahlen in fünfzehn Ländern war 2015 jedoch ein wichtiges Jahr für die Demokratie in Afrika. Auch wenn die Wahlen in Burundi eine schwere Krise auslösten, war ihr ordnungsgemässer und reibungsloser Ablauf in Nigeria, Côte d'Ivoire und Tansania ein Beleg für das wirksame Funktionieren der Institutionen dieser Staaten und zugleich ein Stabilitätsfaktor in der Region.

Aktivitäten der Schweiz Mit ihrem Engagement unterstützt
die Schweiz Friedensprozesse in mehreren afrikanischen Ländern, entweder über Entwicklungsprogramme, die der Verbesserung der Gouvernanz, der Rahmenbedingungen und der Organisation von Wahlen dienen, oder durch die Beteiligung an Wahlbeobachtungsmissionen der EU und der Internationalen Organisation der Frankophonie (OIF). 2015 wurden Schweizer Wahlbeobachter nach Nigeria, Côte d'Ivoire, Tansania und Burkina Faso entsandt. Staatssekretär Rossier begab sich in März nach Burundi, um sich mit allen wichtigen politischen Akteuren auszutauschen. In Anbetracht der besorgniserregenden und von Gewalt geprägten Lage in Burundi, die auf ein Versagen auf politischer und institutioneller Ebene zurückzuführen ist, führte die Schweiz eine konzertierte Aktion im Rahmen ihrer Friedenspolitik, ihrer diplomatischer Bemühungen und ihrer Entwicklungshilfe durch.

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In Afrika engagiert sich die Schweiz ebenfalls für eine engere und institutionalisierte Kooperationen mit den Regionalorganisationen. Im Mai fand das erste formalisierte Treffen mit der Intergovernmental Authority on Development (IGAD) statt, nachdem 2014 ein Memorandum of Understanding mit dieser Regionalorganisation im Horn von Afrika unterzeichnet wurde, welches eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der IGAD in den Bereichen Ernährungssicherheit, Migration, Frieden und Sicherheit sowie Wissenschaft vorsieht. 2015 hat die Schweiz die notwendigen Schritte eingeleitet, um einen Botschafter bei der Southern Africa Development Community (SADC) zu akkreditieren, einer Organisation, der fünfzehn Staaten angehören und die sich der Förderung von Wirtschaftswachstum, Frieden und Sicherheit im Wege der Integration der Länder des südlichen Afrikas widmet.

Bereits früher hatte die DEZA in Zusammenarbeit mit dem Sekretariat der SADC Projekte zur Förderung der Nahrungsmittelsicherheit und des Gesundheitswesens durchgeführt. Die Beziehungen der Schweiz zur Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) sind durch mehrfache Unterstützung in den Bereichen Friedenspolitik, Wahlen und Landwirtschaft geprägt. Mit der Afrikanischen Union (AU) schliesslich, der 54 Staaten des Kontinents angehören, wurden die Verhandlungen im Hinblick auf die Unterzeichnung einer bilateralen Absichtserklärung fortgesetzt.

Alle Aktivitäten der Bundesverwaltung in der Sahelzone werden nun im Rahmen der strategischen Ausrichtung des Engagements der Schweiz im Sahel 2014­2018 koordiniert. Die Schweiz steht mit dieser sensiblen Region weiter in einem intensiven politischen Austausch und führt zahlreiche Aktivitäten durch. So baute die DEZA ihre humanitäre Hilfe in den von Boko Haram kontrollierten Gebieten aus.

Auch im Niger und im Tschad fanden vermehrt Projekte der Entwicklungszusammenarbeit statt, insbesondere um die Radikalisierung von Jugendlichen aus den Grenzregionen zu Nigeria zu verhindern. Die Reise von Staatssekretär Rossier in den Niger machte deutlich, in welchem Mass sich die Schweiz für die Sicherheit und die sozioökonomische Entwicklung dieses fragilen Landes engagiert. Bei diesem Besuch, der wenige Monate vor den Präsidentschaftswahlen im Niger und in einem von der Präsenz von Boko Haram im
Norden des Landes geprägten Kontext stattfand, konnte die Schweiz ihre Unterstützung für den Niger bei den höchsten Instanzen des Landes bekräftigen und verschiedene Partnerschaften im Bereich der Zusammenarbeit und der Friedenspolitik lancieren. In Mali unterstützte die Schweiz die Umsetzung des Friedensabkommens durch ergänzende Massnahmen zur Förderung der Dezentralisierung, Aussöhnung und Vergangenheitsarbeit.

Die Politik der Annährung und Diversifizierung der Schweiz gegenüber Afrika entwickelt sich auch auf bilateraler Ebene, in der Absicht, die Beziehungen mit wichtigen Staaten in Subsahara-Afrika zu stärken. Zu diesem Zweck hat Bundesrat Burkhalter im Frühjahr die Aussenminister Ghanas und Angolas getroffen und mit ihnen bilaterale Absichtserklärungen über regelmässige politische Konsultationen unterzeichnet. Ein ähnliches Dokument zur engeren politischen Zusammenarbeit ist auch mit Mosambik in Vorbereitung.

Mit Äthiopien wurde im Juli ein Rahmenabkommen zur humanitären Hilfe sowie technischen und finanziellen Zusammenarbeit unterschrieben. Es sieht eine verstärkte Zusammenarbeit in Fragen der Ernährungssicherheit, der natürlichen Lebens728

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grundlagen, der sozialen Entwicklung und des Schutzes von Flüchtlingen und intern Vertriebenen vor. Anfang Oktober fand in Freiburg die erste Runde der politischen Konsultationen statt. Dabei konnte die Verhandlungseröffnung eines bilateralen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung erreicht werden. Zudem konnten migrationspolitische und regionale Herausforderungen, welche Auswirkungen auf die Schweiz haben, besprochen werden. Ende Oktober stattete Bundespräsidentin Sommaruga Äthiopien einen zweitägigen Besuch ab. Im Zentrum der Gespräche zwischen der Bundespräsidentin und dem Präsidenten bzw. dem Premierminister Äthiopiens standen die internationalen Migrationsthemen, Föderalismus sowie die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen. Eine kleine Gruppe von KMUVertretern begleitete die offizielle Delegation nach Addis Abeba.

Trotz einer Abkühlung der Wirtschaft ist Südafrika unverändert das einflussreichste Land des afrikanischen Kontinents. Auf internationaler Ebene sichern ihm die Zugehörigkeit zu den BRICS- und den G20-Staaten den Status einer Regionalmacht.

Bilateral unterhält das Land einen regelmässigen Austausch mit der Schweiz. Im Berichtszeitraum kam der Minister für mineralische Ressourcen zu Jahresbeginn zu einem Besuch nach Bern, während Bundesrätin Leuthard ihrerseits nach Südafrika reiste. Diese Begegnungen ermöglichten einen Austausch über die Energie- und Klimapolitik. Die 6. Runde der hochrangigen Konsultationen fand im März in Pretoria zwischen Staatssekretär Rossier und dem südafrikanischen Vizeminister für auswärtige Angelegenheiten statt. Bei diesem Anlass wurde die Einsetzung einer Unterarbeitsgruppe speziell für die die multilaterale Zusammenarbeit im Bereich der Menschenrechte beschlossen. Erste Früchte trug diese Zusammenarbeit bereits im Oktober, als die Schweiz eine Resolution zur weltweiten Abschaffung der Todesstrafe vorlegte, die von Südafrika politisch und diplomatisch voll mitgetragen wurde. Nach Besuchen von Staatssekretär Dell'Ambrogio in Johannesburg und Kapstadt wurde 2015 die bilaterale wissenschaftliche Zusammenarbeit vertieft und der Dialog im Bereich Berufsbildung verfolgt.

Die Zusammenarbeit mit Nigeria gewinnt durch die politischen Konsultationen und dem Migrationsdialog an Bedeutung. Anlässlich der eidgenössischen Wahlen 2015 besuchte eine Delegation der
nigerianischen Wahlkommission die Schweiz, um mehr über das Schweizer Wahlsystem zu erfahren. In Lagos laufen die Arbeiten zur baldigen Eröffnung eines Generalkonsulats der Schweiz wie geplant weiter. Es befindet sich in einem gemeinsam mit Dänemark bewirtschafteten Gebäude und hat als Aufgaben insbesondere die Unterstützung der Schweizer Firmen vor Ort. Auch in Abuja sind die schweizerische und die dänische Botschaft neu in einem Gebäude integriert, und in Angola ist die schweizerische Botschaft seit Juli in den Räumlichkeiten der niederländischen Botschaft untergebracht (vgl. Ziff. 3.7).

Eine hochrangige Wissenschaftsdelegation begab sich nach Côte d'Ivoire und Guinea, um die Zusammenarbeit zwischen Schweizer Einrichtungen und westafrikanischen Partnern zu verstärken, namentlich vermittels des «Centre suisse de recherche scientifique» in der Nähe von Abidjan.

Die Schweiz ist ein internationaler Standort für den Handel mit Rohstoffen. Die Bundesverwaltung setzt sich dafür ein, diese Aktivitäten unter Achtung der Menschenwürde, der Demokratie und der Umwelt abzuwickeln. Zu diesem Zweck wirbt das EDA bei den rohstoffreichen Staaten Afrikas für die Einhaltung der Voluntary 729

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Principles on Security and Human Rights (VP), welche auf die Einführung besserer Standards im Rohstoffsektor abzielen. Seit Ende 2015 begleitet die Schweiz Angola und Ghana bei der Einführung dieser Regeln.

Schliesslich lancierte die Schweiz mehrere Initiativen zur Abschaffung der Todesstrafe in Afrika, unter anderem in Madagaskar und Simbabwe. Auch bei der Begegnung auf Präsidentenebene zwischen der Schweiz und Benin am 19. November wurde eine regionale Lobbyarbeit zugunsten der Abschaffung der Todesstrafe in ganz Westafrika gefordert.

Frankophonie Innerhalb der Internationalen Organisation der Frankophonie (OIF) engagiert sich die Schweiz prioritär für die Förderung des Friedens, der Demokratie und der Menschenrechte sowie die allgemeine und berufliche Bildung und die Integration der Jugend. Diese Prioritäten entsprechen den Zielen der neuen Strategiedokumente, die im November 2014 am Frankophoniegipfel in Dakar angenommen wurden.

Die Schweiz gewährt Unterstützung für wichtige Ereignisse der Frankophonie wie die 41. Parlamentarische Versammlung der Frankophonie (APF), die sie im Juli in Bern ausrichtete. Mit 650 anwesenden Parlamentarierinnen und Parlamentariern verzeichnete die diesjährige APF einen neuen Teilnehmerrekord. Die Schweiz bemüht sich in diesem Forum um Sichtbarkeit und strebt dies auch für den Gipfel in Madagaskar im Jahr 2016 sowie die 8. Spiele der Frankophonie in Côte d'Ivoire im Jahr 2017 an.

Anlässlich des Treffens zwischen Bundesrat Burkhalter und der neuen Generalsekretärin der OIF, Michaëlle Jean, am Rande der APF wurde erneut die Bedeutung dieser Organisation für die Unterstützung Schweizer Kandidaturen unterstrichen. So trugen die Stimmen der frankophonen Länder Afrikas massgeblich zur Auswahl der Schweiz für den Sitz des Vertrags über den Waffenhandel (ATT) bei, ein Thema, das während des regionalen Workshops zur Abrüstung aus humanitären Gründen in Abidjan angesprochen und vom EDA unterstützt wurde.

Im Berichtsjahr unterstützte die Schweiz die Ernennung des ehemaligen Bundespräsidenten, Pascal Couchepin, zum Sondergesandten der OIF für die Region der Grossen Seen und die von ihm unternommene Evaluierungsmission in Burundi. Zudem stellte sie der OIF eine Schweizer Expertin mit dem Auftrag zur Verfügung, den Wahlprozess in Burkina Faso zu verfolgen, und wird sich im
frankophonen Raum auch künftig an Wahlbeobachtungsmissionen und Vermittlungsbemühungen in Krisenländern beteiligen.

Ferner unterstützt die Schweiz im Bereich der Berufsbildung und Integration Jugendlicher die Entsendung von Experten zur Förderung des Berufsbildungssystems in Senegal. Grundlage für diese Massnahme ist ein bilaterales Abkommen, das am Rande des Gipfels der Frankophonie in Dakar 2014 unterzeichnet wurde. In der Hochschulbildung verfügt die Schweiz in Afrika über eine starke Präsenz mit der Eidgenössischen Technische Hochschule Lausanne, die in Zusammenarbeit mit afrikanischen Universitäten Online-Kurse entwickelte, deren Zertifizierung dank einer Partnerschaft mit der «Agence Universitaire de la Francophonie» (AUF) ermöglicht wurde. Darüber hinaus brachte die Schweiz eine Resolution ein, die die 730

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Teilnahme von Jugendlichen aus der frankophonen Welt an Gipfeln und Ministerkonferenzen der OIF vorsieht.

3.4.2

UNO und internationales Genf

Engagement für Frieden und Sicherheit im Rahmen der UNO Wie bereits in den Vorjahren trat die Schweiz als Gastgeberin für Friedensgespräche von verschiedenen Konfliktparteien auf. So wurden 2015 in Genf unter der Ägide der UNO geführte Friedensprozesse für die Konflikte in Syrien, Libyen und Jemen durchgeführt. An der erfolgreichen Runde der Iran-Nukleargespräche in Lausanne im März konnten wesentliche Fortschritte auf Ministerebene erzielt werden, welche einen entscheidenden Beitrag an den Gesamtprozess darstellten. Auch in anderen Bereichen der Konfliktprävention leistet die Schweiz wertvolle Beiträge, etwa mit der Finanzierung eines Mediationsexperten im Kabinett des UNO-Generaldirektors in Genf oder des «Maison de la Paix», welches zu einem geschätzten Begegnungsort geworden ist. Die Wahl von Genf als Sitz des Sekretariats des Vertrags über den Waffenhandel (ATT, vgl. Ziff. 3.3.3) wird sicherstellen, dass dieses seine Arbeit in einem optimalen Umfeld aufnehmen kann. Dank solchen Aktivitäten gelang es der Schweiz, den sicherheitspolitischen Pfeiler des internationalen Genf wesentlich zu stärken.

Im Bereich der UNO-Kommission für Friedenskonsolidierung führte die Schweiz ihr Engagement als Vorsitzende der Burundi-Konfiguration und als Mitglied der Konfiguration für die Zentralafrikanische Republik aktiv weiter. Angesichts des schwierigen Umfelds während der Wahlen in Burundi im Sommer wurde die Konfiguration zwar vor Herausforderungen gestellt, stellte aber gerade deswegen eine wichtige Dialogplattform dar. Der neue Missionschef in New York führte das traditionelle Engagement der Schweiz nahtlos weiter.

Zu den Prioritäten der Schweizer UNO-Politik gehört auch die Kandidatur für den UNO-Sicherheitsrat. Hierzu hat der Bundesrat 2015 den Bericht über die Kandidatur der Schweiz für einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat der UNO in der Periode 2023­2024 gutgeheissen und dem Parlament überwiesen. Der Bericht bestätigte, dass ein Einsitz im Sicherheitsrat mit der Neutralität der Schweiz vereinbar ist und dass ein solches Mandat der Schweiz besondere Möglichkeiten eröffnen würde, um auf der Basis ihrer eigenständigen Aussenpolitik zu Frieden, Sicherheit und einer gerechten internationalen Ordnung beizutragen, ihre Interessen und Werte zu fördern, zur Lösung von Konflikten beizutragen und mit den
ihr eigenen Mitteln ihrer Verantwortung gerecht zu werden.

Das Thema der organisierten Kriminalität gewinnt in verschiedenen internationalen Foren, so auch im Rahmen der UNO und ihrer Spezialorganisationen, an Bedeutung.

Im April fand in Doha der Kongress der Vereinten Nationen zur Verbrechensverhütung und Strafrecht (UN Congress on Crime Prevention and Criminal Justice) statt, der unter dem Thema der Schaffung von Rechtsstaatlichkeit für die Förderung der nachhaltigen Entwicklung stand. Die Schlusserklärung des Kongresses setzte Schwerpunkte für die nächsten fünf Jahre, unter anderem Korruptionsbekämpfung bei Polizei und Justiz, Frauenförderung in diesen Institutionen und die Zusammen731

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arbeit mit der Zivilgesellschaft in der Verbrechensprävention. Die Schweiz nutzte den Kongress auch als Plattform, um das Ziel 16 (friedliche und inklusive Gesellschaft) der Agenda 2030 zu fördern. Anlässlich der Debatten hob die Schweiz die Wichtigkeit einer funktionierenden internationalen Zusammenarbeit (auch im Hinblick auf die Rückführung von Vermögenswerten) hervor und setzte sich für weitere Fortschritte bei der Bekämpfung von Menschenhandel und Menschenschmuggel sowie für eine engere internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung organisierter Kriminalität ein.

UNO-Generalversammlung Im Zentrum der breitgefächerten Tätigkeiten der UNO-Generalversammlung stand die Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung, welche nach dreijähriger Vorarbeit verabschiedet werden konnte. Diese wird als umfassender, globaler Referenzrahmen die Tätigkeiten der UNO im Bereich nachhaltige Entwicklung für die kommenden fünfzehn Jahre prägen. Die Schweiz engagierte sich für verschiedene thematische Prioritäten und für die Implementierung eines Überprüfungsmechanismus (vgl. Ziff. 3.4.3). Mit der Übernahme der einjährigen Vizepräsidentschaft des Wirtschafts- und Sozialrates der UNO (Economic and Social Council, ECOSOC) im Juli konnte die Schweiz ihr Engagement weiter ausbauen und wird die Reform des UNO-Entwicklungssystems, die sogenannte Debatte «fit for purpose», mitgestalten.

Im Rahmen der Budgetdiskussionen hat sich die Schweiz wiederum konstruktiv dafür eingesetzt, dass die UNO so effizient wie möglich arbeitet, ihr aber auch genügend Ressourcen für die Umsetzung der ihr zustehenden Arbeiten zur Verfügung stehen.

Menschenrechte und Menschenrechtsrat Der Menschenrechtsrat mit Sitz in Genf bleibt das wichtigste Organ innerhalb des UNO-Systems im Bereich der Menschenrechte. Er hat für die Umsetzung der Ziele der Schweizer Aussenpolitik eine grosse Bedeutung. Die exponentiell zunehmenden Aktivitäten des Rates können als ein Zeichen seines Erfolgs gewertet werden, bringen aber auch negative Konsequenzen mit sich: So stösst der Rat einerseits an Kapazitätsgrenzen und leidet andererseits an der eklatanten Unterfinanzierung der Menschenrechtstätigkeiten im UNO-System. Die Förderung und der Schutz der Menschenrechte ist zwar einer der drei Hauptpfeiler der UNO, erhält jedoch lediglich rund drei Prozent des regulären
Budgets. Die Schweiz setzte sich deshalb in den Budgetverhandlungen weiterhin dafür ein, dass dem Menschenrechtsteil der UNO in der Budgetplanung 2016­2017 mehr Mittel zukommen.

Die Schweiz wurde im Oktober von der UNO-Generalversammlung als Mitglied des Menschenrechtsrates für die Periode 2016­2018 gewählt. Sie war in der Vergangenheit bereits zweimal Mitglied dieses Gremiums. Die Schweiz war auch als Nichtmitglied im Berichtsjahr aktiv, um die Sache der Menschenrechte auf institutioneller und thematischer Ebene voranzubringen. Sie engagierte sich beispielsweise für die Schaffung des Mandats eines Sonderberichterstatters zum Recht auf Privatsphäre.

Dieser soll insbesondere den Respekt der Privatsphäre im digitalen Zeitalter aus menschenrechtlicher Perspektive untersuchen. Weiter setzte sich die Schweiz für die Verlängerung des Mandats eines Sonderberichterstatters zum Thema Menschenrechte und Umwelt ein. Die Schweiz war ausserdem eine der treibenden Kräfte bei der 732

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Aushandlung einer Resolution des Menschenrechtsrats, welche die Todesstrafe in einen Zusammenhang mit dem Verbot der Folter sowie unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe setzt. Im Hinblick auf das zehnjährige Bestehen des Menschenrechtsrates im 2016 hat die Schweiz mit Norwegen im Mai einen Austausch organisiert, an dem profunde Kenner des UNO-Menschenrechtssystems über die Errungenschaften und Herausforderungen des Menschenrechtsrats diskutierten und mögliche Verbesserungen des Rates identifizierten. Die erarbeiteten Vorschläge haben das Potenzial, die Funktionsweise des Menschenrechtsrates positiv zu beeinflussen. Als Gaststaat des Menschenrechtsrates und des Hochkommissariats für Menschenrechte hat die Schweiz ein Interesse an gut funktionierenden und effizienten Institutionen.

UNESCO Die mutwillige Zerstörung von kulturellen Einrichtungen und die Instrumentalisierung für Kriegszwecke unter anderem in Syrien, Irak oder Jemen hat im Berichtsjahr die UNESCO mobilisiert. Die Schweiz hat mit der UNO-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur einen Dialog betreffend die Verwendung von Bergungsorten zur Aufbewahrung von ausländischen Kulturgütern in der Schweiz aufgenommen. Diese «sicheren Häfen» für Kulturgüter basieren auf dem Bundesgesetz vom 20. Juni 201440 über den Schutz der Kulturgüter bei bewaffneten Konflikten, bei Katastrophen und Notlagen, das am 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist. Eine Initiative für eine interdepartementale Koordination der Schweizer Bemühungen ist in Ausarbeitung und sieht eine verstärkte Teilnahme der Schweiz in diesem Bereich vor.

Im Rahmen der Agenda 2030 hat die UNESCO die Federführung für das Bildungsziel und wird zudem zur Umsetzung und Begleitung weiterer Ziele in ihren Zuständigkeitsbereichen (Wissenschaft, Kultur, Kommunikation) beitragen. Die Schweiz hat sich aktiv an der Ausarbeitung am Aktionsrahmen Bildung 2030 beteiligt, welcher 2015 erfolgreich verabschiedet werden konnte.

Institutionelle Reformen Die Schweiz unterstützte die verschiedenen Reformbemühungen hin zu einer modernen und effizienten Verwaltung der UNO. Einen besonderen Fokus richtete die Schweiz dabei auf einen zielgerichteten, effizienten und strategischen Planungs- und Budgetprozess der Organisation. Im Rahmen einer von der Schweiz mit acht anderen Ländern initiierten,
unabhängigen Expertenstudie wurden die erarbeiteten Reformvorschläge im Berichtsjahr weiter verfolgt. Gewisse Empfehlungen haben bereits einen konkreten Einfluss auf Diskussionen, die im Budget- und Finanzausschuss der UNO-Generalversammlung stattfanden, wie etwa die Debatte über die Funktionsweise, die Unabhängigkeit und die Arbeitsbedingungen des wichtigsten Expertengremiums für Budget und Finanzfragen (Advisory Committee on Administrative and Budgetary Questions). Auch die Instrumente der UNO zur Absicherung gegen Wechselkurs- und Inflationsrisiken waren Gegenstand von Gesprächen. Die Schweiz gehört punkto Pflichtbeiträge an den ordentlichen Haushalt (17. Rang) und 40

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die Friedenssicherung (14. Rang) zu den grössten Beitragszahlern und verfügt deshalb über eine wichtige Stimme.

Im Berichtsjahr wurden ausserdem die UNO-Friedensmissionen, die UNO-Friedenskonsolidierungsarchitektur sowie der Themenkomplex «Frauen, Frieden und Sicherheit» (UNO-Resolution 1325) von den Mitgliedsstaaten oder externen Expertengremien umfassend untersucht. Der Peace Operations Review zeigte neue Mittel und Wege auf, um Friedensoperationen mit den notwendigen Werkzeugen für die aktuellen Rahmenbedingungen auszustatten und die Ziele besser erreichen zu können. Im Februar lud die Schweiz die für die Friedensoperationen zuständige Überprüfungskommission für Gespräche nach Genf ein. So konnte sie gezielt auf ihre verschiedenen Anliegen im Bereich Konfliktprävention, systemweite Zusammenarbeit innerhalb der UNO oder Schutz der Zivilbevölkerung aufmerksam machen sowie den Austausch zwischen dem Panel und den in Genf angesiedelten Organisationen, namentlich im humanitären Bereich, fördern. Ausserdem engagierte sich die Schweiz für die Verbesserung der politischen und institutionellen Rahmenbedingungen der sogenannten politischen Sondermissionen der UNO. Diese gewinnen stetig an Bedeutung und sollen institutionell stärker verankert werden.

Im Bereich der Friedenskonsolidierung beteiligte sich die Schweiz aktiv an der Gestaltung des Überprüfungsprozesses und brachte ihre Prioritäten in den Prozess ein, beispielsweise das Thema der Zusammenarbeit zwischen der UNO und der Weltbank. Die Schweiz engagierte sich ausserdem dafür, dass die Perspektive der Genfer UNO-Organisationen in die Überprüfung der Friedenskonsolidierungsarchitektur einfliessen. Dazu unterstützte sie einen Reflexionsprozess zur Friedenskonsolidierung unter der Leitung der Geneva Peacebuilding Platform. An der Überprüfung der UNO-Resolution 1325, die im Berichtsjahr ihr fünfzehnjähriges Bestehen feierte, beteiligte sich die Schweiz ebenfalls mit substanziellen Beiträgen und organisierte im September eine Konferenz zur Thematik in Genf. Von 2015 bis 2017 wird die Schweiz ausserdem UN Women, die UNO-Agentur zur Gleichstellung und Stärkung der Stellung der Frauen mit rund 16 Millionen Franken jährlich unterstützen.

Im Bereich der Reform des Sicherheitsrates leitet die Schweiz die sogenannte ACTGruppe (accountability, coherence,
transparency), deren 27 Mitglieder sich für die kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsmethoden einsetzen. Es ist ein traditionelles Anliegen der Schweiz, die Mitwirkungsmöglichkeiten derjenigen Staaten zu verbessern, welche nicht im UNO-Sicherheitsrat Einsitz haben. Die Gruppe beschäftigte sich im Berichtsjahr unter anderem mit der Ausarbeitung eines Verhaltenskodex betreffend der Abstimmungen der ständigen und gewählten Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates in Fällen von Massengräueltaten.

Kandidaturen und Platzierung der Schweiz in internationalen Organisationen Die sowohl quantitative als auch qualitative Platzierung von Schweizer Staatsangehörigen in den internationalen Instanzen dient der Wahrung der Schweizer Interessen. Auch im Berichtszeitraum wurden Schweizerinnen und Schweizer dabei unterstützt in wichtigen internationalen Organisationen Einsitz zu nehmen. So wurde Martin Steinacher als neuer Verwaltungsdirektor der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) ernannt. Damit besetzt ein Schweizer erstmals seit rund 20 Jahren wieder eine der drei obersten Kaderstellen in der Organisation. Roger 734

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Hermann, Mitarbeiter der Eidgenössischen Zollverwaltung, kandidierte erfolgreich für die Leitung des Regionalbüros für Kapazitätenaufbau (ROCB) für die Region Europa der Weltzollunion (WZO) in Baku. Die Schweiz kandidierte auch erfolgreich für den Sitz ATT-Sekretariats in Genf (vgl. Ziff. 3.3.3). Ausschlaggebend für den Erfolg war neben dem ausgezeichneten Angebot der Schweiz die bereits in Genf vorhandene Expertise in den Bereichen Abrüstung, Handel und Menschenrechte.

Der Entscheid, das Sekretariat in Genf anzusiedeln, stärkt den sicherheitspolitischen Pfeiler des Standorts Genf und seine Funktion als Plattform der globalen Gouvernanz weiter. Dem Erfolg geht eine zweijährige ressourcenintensive Kampagne voraus. Die dabei gemachten Erfahrungen kommen der Schweiz sowohl für laufende als auch künftige Wahlkampagnen zugute. Schliesslich konnte die Schweiz im Rahmen der Nachwuchsförderung Hochschulabsolventinnen und -absolventen auf mehreren Positionen innerhalb des UNO-Systems platzieren.

Das internationale Genf Das internationale Genf oder «La Suisse internationale par Genève» bleibt ein wertvoller Standortvorteil mit vielen Vorzügen für die Schweizer Aussenpolitik: Die Schweiz erhält auf internationaler Ebene mehr Einfluss und kann ihre Positionen wirkungsvoller einbringen. Zudem gewinnt die Schweiz einen vereinfachten Zugang zu wichtigen Institutionen und geniesst eine grosse Visibilität auf dem internationalen Parkett. Die einzigartige Konzentration verschiedener internationaler Akteure in Genf schafft für die internationale Gemeinschaft ein wichtiges Synergiepotenzial. So konnte sich Genf als eines der anerkannten Zentren der globalen Gouvernanz etablieren, in welchem internationale Konferenzen und diplomatische Treffen auf höchstem Niveau durchgeführt werden. Dazu kommen wichtige internationale Konferenzen wie die statutarischen Generalversammlungen von UNO-Sonderorganisationen wie der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) oder der Weltgesundheitsorganisation (WHO), an denen jedes Jahr zahlreiche politische Persönlichkeiten teilnehmen. Dies wiederum ermöglicht der Schweiz wertvolle bilaterale Treffen.

Die im Juni 2013 vom Bund gemeinsam mit Kanton und Stadt Genf entwickelte Strategie zur Stärkung der Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz als Zentrum der globalen Gouvernanz
wurde im Rahmen der Behandlung der Botschaft vom 19. November 201441 zu den Massnahmen zur Stärkung der Rolle der Schweiz als Gaststaat vom Schweizer Parlament im Juni mit grosser Zustimmung gutgeheissen. Die Botschaft sieht vor allem die Stärkung des bestehenden Sitzstaat-Dispositivs (z. B. Unterstützung für Infrastruktur- und Immobilienprojekte, Visaerleichterungen, Empfang von Delegierten) sowie die verbesserte Nutzung von Synergien der verschiedenen Akteure des internationalen Genfs vor ­ seien dies internationale Organisationen, NGO, ständige Vertretungen, akademische Vertreter oder der Privatsektor, sowohl innerhalb der einzelnen thematischen Cluster als auch zwischen ihnen. Das Ziel ist, den Austausch von Wissen, Erfahrungen und der Zusammenarbeit zu fördern und somit dafür zu sorgen, dass die Lösungen für die globalen Herausforderungen unserer Zeit in Genf erarbeitet werden. In diesem Zusammenhang wurde der Schwerpunkt auf die Stärkung der Denk- und Analyseleistung in Genf durch die Stärkung der bestehenden sowie die Anziehung von ausländischen Think 41

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Tanks gelegt. Die Botschaft sieht ausserdem finanzielle Mittel für die Niederlassungsunterstützung von ständigen Vertretungen von Staaten vor, die in Genf noch nicht vertreten sind.

Im Hinblick auf die Sanierung des in die Jahre gekommenen Immobilienparks der internationalen Organisationen in Genf stellt die Renovation des UNOHauptgebäudes in Genf (Strategic Heritage Plan, SHP) aufgrund seiner politischen und symbolischen Bedeutung eines der wichtigsten Bauprojekte dar. Der Bundesrat genehmigte an seiner Sitzung vom 11. September ein zinsloses Sitzstaatdarlehen in der Höhe von 400 Millionen Franken für den SHP, an dem sich auch der Kanton und die Stadt Genf beteiligen werden. Am 23. Dezember hat der SHP grünes Licht von der UNO-Generalversammlung erhalten. Das Kostendach von 836,5 Millionen Franken, der Projektumfang, die Aufteilung zwischen Renovation und Neubau sowie der Zeitplan der Arbeiten wurden bestätigt. Ausserdem wurde der UNOGeneralsekretär ermächtigt, das zinslose Schweizer Darlehen von 400 Millionen Franken beim Gaststaat zu beantragen. Für das Jahr 2016 wurden 33 Millionen Franken aus dem regulären UNO-Budget gesprochen. Gewisse Elemente der Projektfinanzierung, wie zum Beispiel die Zahlungsmodalitäten der Mitgliedstaaten und deren Aufschlüsselung pro Jahr, sind noch nicht abschliessend geklärt und werden erst in der Hauptsession der Generalversammlung Ende 2016 entschieden. Somit kann die angefangene Planungsphase weitergeführt werden (2014­2016); die Renovationsarbeiten werden in vier Phasen von je zwei Jahren umgesetzt (2017­2023), wobei jede Phase detailliert vorbereitet wird, um eine möglichst effiziente Kontrolle von Kosten und Nutzen zu gewährleisten.

Der mit der Botschaft beabsichtigte Aufbau von Bildungs- und Analysekapazitäten sowie die Stärkung des Schweizer Erfahrungswissens im Bereich der globalen Gouvernanz ist mit der Ansiedlung mehrerer internationaler Institute und themenübergreifender Plattformen im Verlauf des Jahres gut vorangeschritten. Zu den bereits aktiven Plattformen zählen: die Geneva Peacebuilding Platform (GPP), die Geneva Internet Platform (GIP), Water Pole Eau, Green Growth Knowledge Platform (GGKP), die Global Initiative against Transnational Organized Crime (GITOC) und neu auch die Geneva Health Platform (GHP). Die Geneva Humanitarian Platform wurde
Ende 2015 lanciert. Eine weitere Handlungsachse in der Botschaft betrifft das Ziel, dass möglichst alle UNO-Mitgliedstaaten mit einer ständigen Mission in Genf vertreten sind. Im Oktober 2015 hat die Republik Malawi ihre ständige Mission eingerichtet, und die Kooperative Republik Guyana hat die nötigen Schritte unternommen, um Anfang 2016 eine Mission zu eröffnen.

3.4.3

Nachhaltige Entwicklung

Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung: 2015 war ein historisches Jahr für die globale nachhaltige Entwicklung. Die internationale Staatengemeinschaft hat im September einen neuen globalen Referenzrahmen für nachhaltige Entwicklung mit dem Titel Transforming our World: the 2030 Agenda for Sustainable Development verabschiedet (davor Post-2015-Agenda für nachhaltige Entwicklung). Diese Agenda umfasst siebzehn Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development

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Goals, SDGs) sowie 169 Unterziele. Neben diesen normativen Zielen enthält die neue Agenda auch ein Kapitel zu den Mitteln zur Umsetzung (Finanzierung) sowie zu einem Monitoring- und Rechenschaftsmechanismus. Die Agenda 2030 löst die Millenniums-Entwicklungsziele ab, die Ende 2015 auslaufen.

Die zwischenstaatlichen Verhandlungen zur Agenda 2030 begannen im Januar. Sie basierten hauptsächlich auf dem 2013/2014 erarbeiteten Bericht einer zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe mit Vorschlägen zu SDGs sowie auf dem im Dezember 2014 erschienenen Synthesebericht des UNO Generalsekretärs zum Prozess der Agenda 2030. Anfangs August konnten die zwischenstaatlichen Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden, und an einem Gipfeltreffen im Rahmen der UNO-Generalversammlung im September wurde die Agenda von den Staats- und Regierungschefs verabschiedet.

Die Agenda 2030 stellt einen bedeutenden Paradigmenwechsel in der internationalen Zusammenarbeit dar und kann als grosser Fortschritt für die globale nachhaltige Entwicklung bezeichnet werden: Sie geht weit über die Armutsbekämpfung hinaus, integriert die drei Dimensionen nachhaltiger Entwicklung (Soziales, Wirtschaft, Umwelt) sowie Aspekte von Frieden, Sicherheit und Rechtstaatlichkeit und berücksichtigt deren Wechselwirkungen; sie geniesst universelle Gültigkeit, womit alle Länder zur Zielerreichung beitragen müssen; sie sieht einen breiten Einbezug aller relevanten staatlichen und nicht staatlicher Akteuren für die Umsetzung vor, und das Finanzierungskonzept geht weit über die klassische Entwicklungsfinanzierung hinaus.

Die Schweiz hat sich im Prozess zur Agenda 2030 stark engagiert, und es gelang ihr, ihre wichtigsten Anliegen im Abschlussdokument festzuhalten. Auf der Grundlage des bundesrätlichen Verhandlungsmandats vom Januar hat sich die Schweiz erfolgreich für eine universell gültige Agenda 2030 mit ambitionierten Zielen eingesetzt, welche alle drei Dimensionen nachhaltiger Entwicklung integrieren, sich auf den Menschenrechten abstützen und Frieden-, Gouvernanz- und Rechtstaatlichkeitsaspekte berücksichtigen. Die von der Schweiz geforderten Einzelziele in den Bereichen Geschlechtergleichstellung, Gesundheit, Wasser sowie Frieden und inklusive Gesellschaften sind im Abschlussdokument enthalten und wurden von der Schweiz wesentlich mitgestaltet. Zudem
konnte die Schweiz die prominente Verankerung der Themen Verringerung von Katastrophenrisiken, Nachhaltigkeit in Konsum und Produktion sowie Migration und Entwicklung sicherstellen. Daneben unterstützte die Schweiz die Integration der «Addis-Abeba-Aktionsagenda» in die Agenda 2030 und die Schaffung eines universellen Überprüfungsmechanismus im Rahmen des «Hochrangigen Politischen Forums für Nachhaltige Entwicklung» (HLPF). Damit wurde eine wichtige Grundlage für die Umsetzung der Agenda geschaffen.

Das «Forum für Nachhaltige Entwicklung» tagt jährlich unter der Schirmherrschaft des ECOSOC und alle vier Jahre im Rahmen der hochrangigen Woche der UNOGeneralversammlung. Die zentrale Rolle des Forums für die Agenda 2030 trägt besonders stark die Handschrift der Schweiz. Die Schweiz hat als Brückenbauerin und im Rahmen einer überregionalen Initiative bereits in einer frühen Phase zusammen mit sechs anderen Ländern substanzielle Vorschläge erarbeitet und so zur Konsensfindung beigetragen. Die Berichterstattung und Rechenschaftslegung auf nationaler Ebene sollen mit regionalen und thematischen Mechanismen ergänzt und 737

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schliesslich auf globaler Ebene im «Forum für Nachhaltige Entwicklung» zusammengeführt werden. Im Rahmen des Forums sollen ab 2016 unter anderem regelmässige Überprüfungen zur Umsetzung der Agenda 2030 auf der Grundlage von Länderberichten sowie thematische Diskussionen stattfinden.

In engem Zusammenhang mit dem Erarbeitungsprozess der Agenda 2030 stand die dritte internationale Entwicklungsfinanzierungskonferenz, die Mitte Juli in Addis Abeba stattfand. Die anlässlich dieser Konferenz verabschiedete «Addis-AbebaAktionsagenda» definiert das Rahmenwerk zur Finanzierung und Umsetzung der globalen nachhaltigen Entwicklung, inklusive den SDGs. Sie widerspiegelt die Hauptanliegen der Schweiz weitgehend, so unter anderem mit der Betonung der Bedeutung der Mobilisierung von inländischen öffentlichen Ressourcen sowie dem Einbezug privater Akteure in der Finanzierung nachhaltiger Entwicklung.

Die Agenda 2030 ist rechtlich nicht verbindlich, definiert aber einen wichtigem Referenzrahmen, an welchem alle Staaten ihre nationalen und internationalen Politiken im Bereich der nachhaltigen Entwicklung orientieren sollen. In der Schweiz wird die «Strategie Nachhaltige Entwicklung 2016­2019», die im Rahmen der Legislaturplanung des Bundesrats erneuert wird, die Verbindung zu den SDGs herstellen. Dabei sollen möglichst bestehende Strukturen genutzt werden. Auch die Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit 2017­2020 orientiert sich an der Agenda 2030.

Arktischer Rat: Ende 2014 hat die Schweiz ein formelles Gesuch für den Beobachterstatus der Schweiz beim Arktischen Rat eingereicht. Ein Beobachterstatus ­ durch einstimmigen Beschluss des zwischenstaatlichen Forums der arktischen Anrainerstaaten gewährt ­ würde der Schweiz die Teilnahme an einem Forum erlauben, welches einen geografischen Raum von zunehmender geostrategischer Bedeutung abdeckt. Am Ministertreffen vom April in Iqaluit (Kanada) wurde aufgrund der angespannten Situation zwischen der EU und Russland nicht über die anhängig gemachten Beobachtergesuche entschieden. Die USA wollen unter ihrer Ratspräsidentschaft bis zum nächsten Gipfel im April 2017 die Beobachterfrage einer Lösung zuführen. Das Schweizer Gesuch ist entsprechend nach wie vor anhängig.

Alpen: Mit der makroregionalen Strategie für den Alpenraum (EUSALP) der EU soll diese Region eines
der attraktivsten Gebiete in Europa bleiben und eine innovative und nachhaltige Entwicklung erfahren. Die sieben Alpenstaaten, darunter auch die Nicht-EU-Mitglieder Schweiz und Liechtenstein wollen durch EUSALP ihre grenzüberschreitende Zusammenarbeit in den Alpen verstärken. Mit der Strategie, welche durch die EU-Institutionen Ende des Jahres beschlossen wurde, ist die Grundlage für die Umsetzung der makroregionalen Strategie geschaffen worden. In der Schweiz wird diese insbesondere durch die Regierungskonferenz der Gebirgskantone (RKGK) begleitet werden.

Grüne Wirtschaft: Die OECD hat 2015 ihre Strategie für ein grünes Wachstum angepasst. So wird sie sich vermehrt auf die Komplementaritäten und Zielkonflikte von Wirtschafts- und Umweltpolitik, verbesserte Politikkohärenz und die Ergänzung der themenspezifischen Arbeiten fokussieren. Die nachhaltige Finanzierung einer Grünen Wirtschaft bleibt international ein zentrales Thema. Ein aus Vertreterinnen und Vertretern des Bundes, des Finanzsektors, der Wissenschaft und von NGO

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zusammengesetztes Swiss Team for the UNEP Inquiry erarbeitete mögliche Schritte hin zu einem Finanzsystem im Dienste einer Grünen Wirtschaft. Die Empfehlungen zur Anpassung der internationalen Finanzpolitik, welche aus der Inquiry into the Design of a Sustainable Financial System hervorgegangen sind, wurden Ende 2015 der Fachwelt und internationalen Institutionen wie der Weltbank, der UNO oder den Währungsfonds präsentiert. Auf Einladung der Schweiz hin hat ein Treffen des International Resource Panel (IRP) von UNEP im Oktober in Davos zeitgleich mit dem World Resources Forum stattgefunden. Im Bereich der Landwirtschaft wurde 2015 unter dem «Zehnjahresprogramm für Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster» und mit massgeblicher Beteiligung der Schweiz ein Programm zum Thema Nahrungsmittelverschwendung (food waste) lanciert.

3.4.4

Sektorielle Aussenpolitiken

Internationale Finanz- und Wirtschaftspolitik Finanzdialoge: Die Schweiz führt mit vielen G20-Ländern sowie anderen wichtigen Partnerstaaten Finanz- oder Regulierungsdialoge, um regelmässige Kontakte mit den in Finanzfragen involvierten Behörden der Partnerstaaten zu unterhalten und die jeweiligen Positionen in den relevanten internationalen Organisationen abstimmen zu können. Im Rahmen dieser Dialoge werden auch bilaterale Themen behandelt.

2015 wurden mit den folgenden Ländern Dialoge durchgeführt: Brasilien, China, Deutschland, EU, Hong Kong, Japan, Polen, USA, Grossbritannien und erstmals mit Kanada und Singapur. Im dritten Finanzdialog mit China, der am 1. September in Peking stattfand, standen der weitere Ausbau der bilateralen Zusammenarbeit in Finanzfragen und insbesondere die Rolle der Schweiz als Offshore-RenminbiHandelsplatz sowie die Zusammenarbeit im Internationalen Währungsfonds, im Financial Stability Board und in der G20 im Vordergrund.

Bilaterale Steuerbeziehungen: Das Netz der Steuerabkommen der Schweiz mit einer standardkonformen Amtshilfeklausel konnte bis Ende Oktober auf 53 Doppelbesteuerungsabkommen (DBA, davon 46 in Kraft) und zehn Steuerinformationsabkommen (SIA, davon sieben in Kraft) erhöht werden. Am 23. Februar haben die Schweiz und Italien ein Änderungsprotokoll zum Doppelbesteuerungsabkommen und eine Roadmap für die Weiterführung des Finanz- und Steuerdialogs unterzeichnet. Am 23. November hat die Schweiz, nach langen Verhandlungen, auch ein SIA mit Brasilien unterzeichnet. Mit dem Abschluss des Abkommens wird die Schweiz dauerhaft von der brasilianischen schwarzen Liste der Länder mit tiefer Besteuerung und ungenügendem Zugang zu Informationen über Beteiligungsträger von juristischen Personen entfernt, was für die in Brasilien tätigen Schweizer Unternehmen mehr Rechts- und Investitionssicherheit bringt.

Sicherung der Steuerkonformität: Die Schweiz und Australien haben am 3. März eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, wonach sie ab 2017 ­ mit dem ersten Austausch 2018 ­ automatisch Informationen in Steuersachen austauschen werden.

Die Einführung des automatischen Informationsaustauschs mit der EU wurde am 27. Mai in einem Abkommen vereinbart. Die Schweiz und die 28 EU-Länder beab-

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sichtigen, ab 2017 Kontodaten zu erheben und ab 2018 auszutauschen, nachdem die nötigen Rechtsgrundlagen geschaffen wurden.

Global Forum: Die Schweiz ist in die zweite Phase der Länderprüfung des Global Forum über Transparenz und Informationsaustausch zu Steuerzwecken übergetreten.

Das Global Forum verabschiedete im Frühjahr einen Zusatzbericht, welcher der Schweiz wichtige Fortschritte in der Anpassung ihres internen Rechts und des Abkommensnetzwerks gemäss dem internationalen Standard zugesprochen hatte.

Die zweite Phase der Länderprüfung begann am 1. Oktober 2015 und wird voraussichtlich bis Mitte 2016 andauern. Sie hat die praktische Umsetzung des steuerlichen Informationsaustausches auf Anfrage zum Gegenstand. Nach Abschluss der zweiten Phase wird für die Schweiz ein Bericht mit einer Schlussnote durch das Global Forum veröffentlicht werden.

OECD-Steuerfragen: Die von der OECD und der G20 schon 2014 begonnenen Arbeiten zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung durch Unternehmen konnten im Herbst 2015 abgeschlossen werden. Der OECD-Rat verabschiedete am 5. Oktober den Bericht zum Projekt Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) mit einem Plan für Folgearbeiten. Das aus fünfzehn Aktionspunkten bestehende Massnahmenpaket, welches die Schweiz aktiv mitgestaltet hatte, wurde von den Finanzministern und Notenbankgouverneuren der G20 am 8. Oktober bzw.

am 16. November begrüsst und bekräftigt. Der Bundesrat hat am 5. Juni die Botschaft zum Unternehmenssteuerreformgesetz III verabschiedet.42 Ziel der Reform ist, die Unternehmensbesteuerung in der Schweiz an die internationalen Standards anzupassen und gleichzeitig die Standortattraktivität möglichst beizubehalten. Die BEPS-Resultate wurden bereits teilweise in der Gesetzesvorlage berücksichtigt mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmensstandorts Schweiz zu stärken.

Groupe d'action financière (GAFI): Am 19. Juni hat der Bundesrat den ersten Bericht über die nationale Beurteilung der Geldwäscherei- und Terrorismusfinanzierungsrisiken in der Schweiz zur Kenntnis genommen. Diese Analyse dient als eine Grundlage des vierten GAFI Länderexamens, welches die Schweiz 2016 absolvieren wird.

Sanktionen: Aussenpolitische Interessen spielen bei der autonomen Abwägung zur Übernahme beziehungsweise Teil- oder Nichtübernahme von
EU-Sanktionen eine gewichtige Rolle. In der bisherigen Praxis hat die Schweiz gestützt auf eine entsprechende Interessenabwägung mehrheitlich die von der EU beschlossenen Sanktionen übernommen. In Fall des Iran wurden die EU-Sanktionen nur teilweise übernommen. Der Bundesrat hat am 12. August beschlossen, diejenigen Sanktionsmassnahmen gegenüber Iran aufzuheben, die seit Januar 2014 suspendiert waren. Mit diesem Schritt drückt der Bundesrat seine Unterstützung im Hinblick auf die Umsetzung des Nuklearabkommens aus. Am 21. Oktober hat der Bundesrat im Grundsatz beschlossen, die Schweizer Sanktionen am sogenannten Implementation Day im Einklang mit der UNO und der EU zu lockern. Im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine hat der Bundesrat im Berichtsjahr seine eigenständige und auf Glaubwürdigkeit ausgerichtete Sanktionspolitik weiterverfolgt. Der Bundesrat beschloss, die EU-Sanktionen nicht zu übernehmen, aber alle notwendigen Massnahmen zu ergrei42

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fen, damit die internationalen Sanktionen gegen Russland nicht über das schweizerische Staatsgebiet umgangen werden können. Bundesratsbeschlüsse erfolgten am 6.

März und 1. Juli.

G20: Die Prioritäten der türkischen Präsidentschaft 2015 waren eine breite Inklusion bei Wachstum und Wohlstand, die Implementierung bereits aufgegleister Politik sowie die Förderung von Investitionen. Die Schweiz hat ihre Standpunkte zu diesen Kernthemen im Rahmen bilateraler Kontakte zu G20-Staaten aktiv übermittelt und sich so indirekt am Meinungsbildungsprozess beteiligt. Die Schweiz wird 2016 auf Einladung der chinesischen Präsidentschaft zum zweiten Mal nach 2013 im Finanzsegment der G20 vertreten sein. Sie erhält damit die Gelegenheit, an den Treffen der Finanzminister und der Zentralbankgouverneure ­ sowie deren Stellvertretern ­ und an Sitzungen der Arbeitsgruppen des Finanzsegments teilzunehmen. Der Einbezug der Schweiz unterstreicht die wichtige Rolle, welche ihr auf internationaler Ebene im Finanzbereich zugemessen wird.

Korruptionsbekämpfung: Vom 2. bis 6. November fand in St. Petersburg (Russland) die sechste Vertragsstaatenkonferenz der UNCAC statt. Die UNCAC ist das universell-umfassende Anti-Korruptionsinstrument ­ sowohl bezüglich der geografischen Reichweite als auch bezüglich des Regelungsgehalts. Die Schweiz brachte an der Vertragsstaatenkonferenz eine Resolution zum Peer Review Mechanism ein, mit dem die Vertragsstaaten auf die Einhaltung der Konventionspflichten überprüft werden. Hintergrund ist der mit zahlreichen offenen Fragen behaftete Übergang vom ersten zum zweiten Überprüfungszyklus. Nach zähem Ringen gelang es, die Resolution zu verabschieden und damit einerseits die reibungslose Beendigung und Nachbearbeitung des ersten Überprüfungszyklus sicherzustellen und andererseits den zweiten Überprüfungszyklus zu lancieren. Letzterer wird im zweiten Halbjahr 2016 operationell und fokussiert auf die Kapitel II (Preventive Measures) und V (Asset Recovery) der Konvention.

Umwelt Internationale Umweltgouvernanz: Die Förderung und Nutzung der Synergien zwischen den verschiedenen internationalen Umweltabkommen ist ein wichtiges Anliegen der Schweiz. Nachdem auf Initiative der Schweiz im Bereich der Chemikalien- und Abfallkonventionen Fortschritte in dieser Hinsicht gemacht wurden, hat die Schweiz auch
im Bereich der Erhaltung und nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt wichtige Anstösse für eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen internationalen Abkommen geliefert.

Wasser und Wald: Die Schweiz engagierte sich auch im Berichtsjahr in den Foren der internationalen Wasser- und Waldgouvernanz. So hat sie sich im Rahmen der Ausarbeitung der Agenda 2030 erfolgreich für ein eigenständiges Ziel zum Zugang zu Trinkwasser und sanitären Einrichtungen eingesetzt. Zudem hat sie sich für die Reform des Waldforums der UNO (UNFF) eingesetzt. Dieses soll die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder weltweit voranbringen. Ein durch die Schweiz zusammen mit Indonesien, Mexiko, Südafrika und der Ukraine organisiertes Arbeitstreffen im Februar in Interlaken hat sich im Vorfeld des Forums der Stärkung der lokalen Waldgouvernanz angenommen. Auch wurde im November in Engelberg die

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3. Europäische Waldwoche, eine wichtige Plattform für den internationalen Austausch in der paneuropäischen Region, durchgeführt.

Artenschutz: Der illegale Handel mit Tieren und Pflanzen hat sich 2015 weiter in einem besorgniserregenden Ausmass entwickelt. Die Schweiz ist Depositar und Sitzstaat des Sekretariats des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES). Auch als Vertragspartei, für welche dieses Übereinkommen ­ auf Grund der gut positionierten Uhrenund Luxusgüterindustrie ­ eine grosse Bedeutung hat, engagiert sich die Schweiz in der internationalen Koordination der Bekämpfung des illegalen Handels. Entsprechend hat sie sich 2015 mehreren internationalen Initiativen gegen den illegalen Handel mit Wildtierprodukten angeschlossen und die durch die UNO-Generalversammlung verabschiedete Resolution gegen Wilderei und Wildtierschmuggel als Mitunterzeichnerin unterstützt. Die Schweiz hat sich auch dafür eingesetzt, dass die 12. Konferenz der Vertragsparteien des Ramsar-Übereinkommens über Feuchtgebiete einen neuen Strategieplan 2016­2021 verabschiedet, dessen Ziel es ist, das Verschwinden und die Beeinträchtigung von Feuchtgebieten einzudämmen, zu unterbinden und umzukehren.

Chemikalien und Abfälle: Im Mai fand zum zweiten Mal die gemeinsame Vertragsparteienkonferenz der Basel-, Rotterdam- und Stockholm-Konventionen in Genf statt. Der von der Schweiz initiierte Prozess, welcher eine verbesserte Zusammenarbeit und das Stärken der Synergien zwischen den Konventionen bezweckt, konnte mit dem Einbezug der neuen Minamata-Konvention zum sicheren Umgang mit Quecksilber verstärkt werden. Die Schweiz bewarb sich im Juni für den Sitz des Sekretariats der Minamata-Konvention, mit dem Vorschlag einer Integration des Minamata-Sekretariats in das bestehende gemeinsame Sekretariat der Basel-, Rotterdam- und Stockholmkonventionen in Genf. Über den Sitz des Sekretariats wird voraussichtlich 2017 entschieden werden.

Klima: 2015 war ein Schlüsseljahr für die internationale Klimapolitik, da im Dezember an der Klimakonferenz in Paris (COP21) ein neues, international rechtlich verbindliches Klimaregime für die Zeit nach 2020 verabschiedet wurde, welches erstmals alle Staaten gemäss ihrer Verantwortung und Kapazität einbindet. Im Rahmen des Abkommens
haben sich die Staaten verpflichtet, die globale Klimaerwärmung gegenüber vorindustriellen Werten auf deutlich weniger als zwei Grad Celsius zu beschränken. Zudem sollen Anstrengungen unternommen werden, um eine Limitierung der Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu erreichen. Das Abkommen beinhaltet rechtlich nicht bindende Reduktionsziele für alle Staaten. Im Unterschied zu früheren Abkommen sind also zum Beispiel auch die USA, China und andere grosse Schwellenländer eingebunden. Im Bereich Finanzierung sollen ab 2020 jährlich mindestens 100 Milliarden Dollar für Entwicklungsländer, die dies benötigen, bereitgestellt werden.

Auch wenn das Pariser Abkommen nicht alle Erwartungen zu erfüllen vermochte, so ist es doch gelungen, erstmals alle Staaten mit harmonisierten und konkreten Emissionsreduktionsbeiträgen einzubinden und die klassische Zweiteilung der Welt in traditionelle Industrie- und in Entwicklungsländer zu überwinden.

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Im Hinblick auf die Klimaverhandlungen in Paris führte die Schweiz über das ganze Jahr ihr Engagement ­ nebst bei Themen wie Wald, Landwirtschaft, Energie, Technologietransfer und Forschung ­ auch in den Bereichen Klimawandel und Menschenrechte, Geschlechtergleichheit, Gesundheit sowie für umweltvertriebene Personen im Rahmen der Nansen-Initiative fort.

Die Schweiz hat ihr Treibhausgas-Reduktionsziel (Intended Nationally Determined Contribution, INDC) Ende Februar unter Vorbehalt der parlamentarischen Zustimmung als weltweit erstes Land bekannt gemacht: bis 2030 eine Reduktion um 50 % gegenüber dem Stand von 1990, unter teilweiser Verwendung von ausländischen Emissionsreduktionsleistungen. Das definitive Ziel, und dies gilt für alle Staaten, wird mit der Ratifikation des Abkommens formuliert und eingereicht.

Zum Abschluss des Abkommens beigetragen haben die zahlreichen, über das Jahr verteilten Verhandlungsrunden. Insbesondere war das Treffen von Anfang Februar in Genf mit dem dort erarbeiteten Geneva Negotiating Text als Verhandlungsbasis bedeutsam für den Erfolg von Paris.

2015 wurde mit dem Südkoreaner Hoesung Lee ein neuer Präsident des UNOWeltklimarates IPCC gewählt. Der Schweizer Kandidat Thomas Stocker verpasste, trotz aktiver Unterstützung von EDA und UVEK, den Einzug in die entscheidende Wahlrunde der besten zwei Kandidaten nur knapp. Gleichzeitig wurde der Schweizer Andreas Fischlin als einer der Vizepräsidenten der zweiten Arbeitsgruppe des IPCC gewählt, die sich insbesondere mit den Folgen und Risiken des Klimawandels auf Natur und Gesellschaft auseinandersetzt.

Bildung, Forschung und Innovation (BFI) Bilaterale wissenschaftliche Zusammenarbeit: Die bilaterale wissenschaftliche Zusammenarbeit wird entsprechend den Prioritäten der vom Bundesrat 2010 genehmigten internationalen Strategie im Bereich BFI weitergeführt. Mehrere Reisen von Schweizer Delegationen in verschiedene Länder (u. a. Südafrika, Côte d'Ivoire, Guinea, Argentinien, Brasilien, USA, Indien, China) boten ebenso wie der Empfang ausländischer Delegationen in der Schweiz Gelegenheit, die bestehende Zusammenarbeit zu verstärken oder in bestimmten Fällen die Möglichkeiten einer allfälligen Vertiefung der künftigen Zusammenarbeit schlüssiger zu bewerten. In Europa waren vor allem die Beziehungen zu den Nachbarländern sowie
zu einigen der neuen EU-Mitgliedstaaten (u. a. Polen, Bulgarien, Rumänien, Litauen) Gegenstand eingehender hochrangiger Gespräche.

Die Struktur des Netzwerks Swissnex änderte sich im Zuge der Schliessung der Niederlassung für wissenschaftlichen und technologischen Austausch in Singapur im Herbst. Allerdings wurde in der Schweizer Botschaft in Singapur ein für BFI zuständiges Team eingesetzt, das Schweizer Akteuren in diesem Bereich Unterstützung gewähren soll. Das Funktionsprinzip der Swissnex ist flexibel angelegt, um auf den Bedarf der Schweizer Forschungsakteure reagieren zu können. Priorität hat somit die Schaffung neuer Niederlassungen in Regionen, die ein besonders hohes Potenzial für eine Zusammenarbeit im Bereich Forschung und Innovation aufweisen. Gemäss diesem Prinzip werden derzeit neue Standorte ermittelt, und die Eröffnung neuer Swissnex wird geprüft. Die Eidgenössische Stipendienkommission für

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ausländische Studierende (ESKAS) vergab 235 Stipendien für das Studienjahr 2015­2016.

Multilaterale wissenschaftliche Zusammenarbeit: Im Zusammenschluss mit anderen Ländern trägt die Schweiz zur Finanzierung breit angelegter internationaler wissenschaftlicher Forschungsprogramme bei, etwa durch ihre Beteiligung am CERN. In der Erforschung biologischer Werkstoffe und Strukturen wurde am 2. Juli ein entscheidender Schritt vollzogen: Die Schweiz nahm an der konstituierenden Sitzung des Rates der internationalen Forschungsinfrastruktur «Europäische Spallationsquelle» (ESS) teil. Sie ist eines der dreizehn Gründungsmitglieder dieses Projekts, das bis 2019 den Bau der weltweit leistungsfähigsten Neutronenquelle in Lund (Schweden) vorsieht. Die Schweiz trägt 3,5 % der auf 3,7 Milliarden Franken veranschlagten Gesamtkosten. Zudem beschloss die Schweiz die Fortsetzung ihrer Beteiligung an der Forschungsorganisation European XFEL, in der sie bereits seit 2009 aktiv mitgewirkt hatte. Im Rahmen dieses Projekts mit Standort in Hamburg, an dem sich elf Länder beteiligen, werden Forscher ab 2017 über den weltweit leistungsstärksten Freie-Elektronen-Laser verfügen, eine Anlage zur Analyse der Materie, die von nun an unverzichtbar sein wird für Fortschritte auf verschiedensten wissenschaftlichen Gebieten von der Biologie über die Physik bis zur Chemie.

Zwischen Juni 2014 und Juli 2015 übernahm die Schweiz den Vorsitz der EUREKA, einer europäischen Initiative zur Förderung grenzüberschreitender Kooperationsprojekte in marktorientierter Forschung und Entwicklung. Während der Schweizer Präsidentschaft beging die Initiative, zu der 41 Mitgliedstaaten zählen, im Rahmen einer Konferenz in Lugano ihr 30-jähriges Bestehen.

Der Bundesrat strebt eine volle Beteiligung der Schweiz am Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 (inkl. Euratom und ITER) sowie eine Beteiligung am Bildungs- und Jugendprogramm Erasmus+ ab 2017 an. Da dieses Ziel erst verwirklicht werden kann, wenn eine Lösung für das FZA und seine Ausweitung auf Kroatien gefunden wird, galten im Berichtsjahr erneut die 2014 vom Bundesrat beschlossenen Übergangsmassnahmen für Schweizer Forscher und Studierende.

Wie bereits 2014 stiess das Schweizer Modell der dualen Berufsbildung im Ausland auf grosses Interesse. Im gesamten Jahresverlauf wurde mit anderen Ländern
ein intensiver Austausch geführt. Beispiele dafür sind die Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung mit den USA im Juli über die Zusammenarbeit und den Austausch von Informationen zu bewährten Verfahren in der Berufsbildung (vgl. Ziff. 3.4.1) und das Interesse an der dualen Lehre, das der Präsident der Französischen Republik, François Hollande, bei seinem Staatsbesuch im April bekundete (vgl. Ziff. 3.1).

Bei der Förderung des Systems der Berufsbildung im Ausland kann die Schweiz auf die Unterstützung und Mitarbeit der deutschsprachigen Nachbarländer zählen, die über ein ähnliches System verfügen und ebenfalls entsprechende Projekte im Ausland durchführen. Die Berufsbildung wurde insbesondere bei Beratungen zwischen dem Departementsvorsteher und seinen deutschen, österreichischen und liechtensteinischen Amtskollegen während des jährlichen Treffens der Aussenminister der deutschsprachigen Länder im August in Neuenburg angesprochen. Diese Länder sind auch strategische Partner, mit denen die Schweiz ihre Zusammenarbeit im Bereich allgemeine und berufliche Bildung vertiefen will (vgl. Ziff. 3.1).

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In der Raumfahrt setzt sich die Schweiz weiter für einen Zugang zum Weltraum und seine langfristige Nutzung ein. Zudem engagiert sie sich nachhaltig für eine Verhütung des Ausbruchs bewaffneter Konflikte im Weltall. Insbesondere beteiligte sie sich an Verhandlungen zur Ausarbeitung neuer internationaler Übereinkünfte, sei es bei der UNO oder im Rahmen einer von der EU lancierten Initiative zur Erarbeitung eines internationalen Verhaltenskodex für Weltraumaktivitäten. Im Rahmen ihrer Kopräsidentschaft der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) organisierte die Schweiz zusammen mit Luxemburg einen informellen Weltraumrat aller 30 Minister von ESA- und EU-Mitgliedstaaten. Die damit bewirkte «Renaissance» dieses einzigen gemeinsamen Forums zur strategischen Beratung der europäischen Raumfahrtpolitik ist für die Schweiz als Nichtmitglied der EU von grossem Interesse.

Gesundheit, Verkehr und Energie Gesundheit: In der Weltgesundheitsorganisation (WHO) setzte sich die Schweiz insbesondere für die Budget- und Finanzierungsreform zur Steigerung der Effizienz und Wirksamkeit der Organisation sowie für die Ausarbeitung eines Regelwerks über die Beziehungen der WHO mit nichtstaatlichen Akteuren ein. Bei den Verhandlungen für ein neues Klimaabkommen führte die Schweiz ihr Engagement im Bereich Klimawandel und Gesundheit fort. Darüber hinaus nahm sie im Prozess für die Koordinierung und Finanzierung der Erforschung und Entwicklung von neuen Medikamenten gegen vernachlässigte Tropenkrankheiten eine führende Rolle ein.

Am Globalen Fonds für die Bekämpfung von AIDS, Malaria und Tuberkulose und in ihrer aktuellen Rolle als Vize-Vorsitzende im Exekutivrat von UNAIDS beteiligte sie sich ebenfalls.

In der UNO-Betäubungsmittelkommission (CND) sowie in weiteren UNO-Foren machte sich die Schweiz für eine gesundheits- und menschenrechtsbasierte Drogenpolitik stark und beteiligte sich an den Vorbereitungen zur United Nations General Assembly Special Session (UNGASS) zu Drogen 2016. Im Rahmen bilateraler Kontakte stiess die Schweizer Viersäulenpolitik (Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression/Marktregulierung) bei verschiedenen lateinamerikanischen Staaten auf nachhaltiges Interesse.

Im Vordergrund des Treffens des Gesundheitsquintetts (Deutschland, Österreich, Liechtenstein, Luxemburg, Schweiz) in Wien,
an welchem Bundesrat Berset teilnahm, standen Themen wie Medikamentenpreise, Masernelimination und Gesundheit in allen Politikfeldern (Health in All Policies). Mit Frankreich sind 2015 die technischen Gespräche für ein Gesundheitsrahmenabkommen wesentlich vorangeschritten. Mit dem Abkommen soll der Abschluss von grenzüberschreitenden Kooperationsprojekten im Gesundheitsbereich erleichtert werden. Schliesslich wurde mit China ein Abkommen über eine Vertiefung der Behördenzusammenarbeit in den Bereichen Lebensmittel, Arzneimittel, Medizinprodukte und Kosmetika unterzeichnet.

Parallel zur Aufnahme der institutionellen Verhandlungen mit der EU (vgl. Ziff.

3.2.1) wurden die Verhandlungen zu einer Vertiefung der technischen Zusammenarbeit Schweiz-EU im Bereich der öffentlichen Gesundheit weitergeführt. Die Zusammenarbeit zum Anschluss an das europäische Dispositiv zur Bekämpfung von schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsbedrohungen, die Zusammen745

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arbeit mit dem Europäischen Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten sowie die Teilnahme der Schweiz am europäischen Gesundheitsprogramm 2014­2020 standen dabei im Zentrum.

Verkehr: Die Ratifizierung des Staatsvertrags mit der Bundesrepublik Deutschland über die Anflugverfahren auf den Flughafen Zürich ist in Deutschland weiterhin hängig. Die von der Schweiz 2014 beantragten Änderungen der Anflugverfahren für die Entflechtung des Ostanflugs im neuen Betriebsreglement 2014 werden durch die deutschen Behörden geprüft. Im Bereich Landverkehr schritten die Planungs- und Vorbereitungsarbeiten für die Eröffnungsfeierlichkeiten des Gotthardbasistunnels am 1. Juni 2016 fort. Er ist der weltweit längste Tunnel und für die Schweiz von grosser Bedeutung für die Verbindungen mit den nördlichen und südlichen Nachbarländern. Im grenzüberschreitenden Bahnverkehr mit Deutschland wurden die Gespräche zur Angebotsverbesserung auf der Hochrheinstrecke (Basel­Schaffhausen über deutsches Territorium) weitergeführt. Da sich Verzögerungen in der Inbetriebnahme des Ausbaus der Strecke Karlsruhe ­ Basel (Rheintalbahn) abzeichnen, wurde eine Studie zur kurz- und mittelfristigen Erhöhung der Güterkapazität vereinbart. Mit Frankreich wurde basierend auf dem Abkommen über die Eisenbahnverbindung Genf-Cornavin­Eaux-Vives nach Annemasse (CEVA) am 6. November eine Finanzierungsvereinbarung für ein neues Gleis für Schweizer Züge im Bahnhof Annemasse unterzeichnet. Die technischen Kontakte mit Frankreich und Deutschland über das Projekt einer Bahnanbindung des Flughafens Basel-Mulhouse wurden weitergeführt. Im Fokus der bilateralen Treffen zwischen der Schweiz und Italien standen die Ausbauten für 4-Meter-Profile im Schienengüterverkehr. Die Inbetriebnahme des italienischen Abschnitts der neuen Verbindung MendrisioVarese ist für Ende 2017 vorgesehen.

Im Bereich des grenzüberschreitenden Strassenverkehrs (Personen- und Güterbeförderung) stimmte der Bundesrat einem erneuerten Staatsvertrag mit Liechtenstein sowie Änderungen in diversen Abkommen zu. Die Schweiz und Italien haben am 4.

Dezember ein gemeinsames Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung und Umwandlung der Führerausweise unterzeichnet.

Energie: Im Energiebereich ist der Abschluss eines Stromabkommens mit der EU von den institutionellen Fragen und vor
allem von einer Lösung beim Abkommen der Personenfreizügigkeit abhängig. Daher ist eine provisorische Anwendung nach aktuellem Stand nicht möglich. Am Rande des informellen EU-Ministertreffens vom Juni wurden zwei politische Deklarationen zur verstärkten regionalen Kooperation im Bereich der Strom-Versorgungssicherheit unterzeichnet. Auf Einladung der EU nahm die Schweiz als Beobachterin an mehreren Treffen der Gas Coordination Group teil, die zur Koordination von Massnahmen der Gas-Versorgungssicherheit ins Leben gerufen wurde.

Die zahlreichen Interdependenzen mit den Nachbarländern im Energiebereich erfordern eine Vertiefung der bilateralen Beziehungen (vgl. Ziff. 3.1). Die Kontakte zu Österreich, Italien und Deutschland wurden ausgebaut. Auch Frankreich ist im Energiebereich für die Schweiz eine Priorität. Anlässlich ihres Treffens mit Bundesrätin Leuthard schlug die französische Energie- und Umweltministerin Royal die Aufnahme eines regelmässigen Energiedialogs auf Direktorenstufe vor. Im Berichts-

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jahr wurde ausserdem ein neues Memorandum of Understanding zur Vertiefung der bilateralen Energiezusammenarbeit mit Chile unterzeichnet.

Die Schweiz setzte sich weiterhin für eine Stärkung der multilateralen Institutionen ein, darunter die Internationale Energieagentur (IEA), die internationalen Atomenergie-Organisationen (IAEA der UNO und NEA der OECD), die Energiecharta und die Internationale Organisation für erneuerbare Energien (IRENA). Im Mai wurde die International Energy Charter (IEC) unterzeichnet. Im Rahmen einer diplomatischen Konferenz im Februar zum Übereinkommen über nukleare Sicherheit hatten sich alle teilnehmenden Länder darauf geeinigt, die Sicherheit der Kernkraftwerke weltweit laufend zu verbessern. Vier Jahre nach dem Reaktorunfall in Fukushima haben EU-Experten die Umsetzung des Schweizer Aktionsplans in einem EU-Stresstest positiv bewertet.

Im Rahmen der EZA (Nachwuchsprogramm Internationale Zusammenarbeit, IZA) unterstützte die Schweiz auch 2015 den Zugang zu modernen Energiedienstleistungen sowie die Verbesserung von Rahmenbedingungen zur Erhöhung der Energieeffizienz und zur Förderung erneuerbarer Energien. Die IZA setzte zudem Akzente auf ein ergebnisorientiertes und rigoroses Energiemanagement in Städten, zum Beispiel im Bereich der Mobilität, der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung sowie der Abfallbewirtschaftung.

Informationsgesellschaft und Internet-Gouvernanz Die Ergebnisse des UNO-Weltgipfels über die Informationsgesellschaft (WSIS) von Genf 2003 und Tunis 2005 bilden den Rahmen für die internationale Zusammenarbeit zur Schaffung einer alle Menschen einschliessenden und entwicklungsorientierten Informationsgesellschaft. Im Dezember 2015 fand im Rahmen der UNOGeneralversammlung eine hochrangige Veranstaltung statt, an welcher Bilanz über die Umsetzung der WSIS-Ergebnisse (WSIS+10) gezogen wurde. Die Schweiz setzte sich dafür ein, dass die unterschiedlichen Interessengruppen weiterhin in die Umsetzung der Resultate des WSIS mit einbezogen werden.

Die Schweiz engagiert sich für eine inklusive Internet-Gouvernanz auf Basis von freiheitlichen, demokratischen und rechtsstaatlichen Grundprinzipien, die unter dem Einbezug aller Ansprechgruppen weiterentwickelt wird. Die von der Schweiz lancierte Geneva Internet Platform (GIP) trägt ebenfalls zu einem besseren
Verständnis aller Stakeholder, insbesondere aus Entwicklungsländern, bei. Im Rahmen der seit dem WSIS geschaffenen Diskussionsplattformen, zum Beispiel dem von der Schweiz mitinitiierten Europäischen Dialog zur Internet-Gouvernanz (EuroDIG), brachte sich die Schweiz in die Debatten über die Weiterentwicklung des Multistakeholder-Ansatzes ein. Sie hat sich des Weiteren ­ in enger Zusammenarbeit mit dem Europarat ­ dafür eingesetzt, dass Menschenrechte, gute Regierungsführung, Transparenz und Partizipation als Basis für die Entwicklung der Internet-Gouvernanz akzeptiert werden.

In Bezug auf die für die Verwaltung der Internet Domain-Namen zuständigen Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) arbeitete die Schweiz rege an der Übertragung der Aufsicht über die Internet Assigned Numbers Authority (IANA-Funktionen) an die globale Internetcommunity mit. Als aktives Mitglied des

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ICANN-Regierungsbeirates sowie als dessen Vorsitz wird die Schweiz als konstruktive Partnerin geschätzt.

Kultur Die Schweiz entwickelt und pflegt intensive kulturelle Kontakte mit dem Ausland.

Auf bilateraler Ebene stattete der österreichische Kulturminister Ostermayer der Schweiz am 16./17. Juni im Rahmen der Kunstmesse Art Basel einen Besuch ab.

Mit diesem Besuch, der auf Einladung des Vorstehers des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI), stattfand, trugen die beiden Minister ihrem Wunsch nach einer Vertiefung ihrer Zusammenarbeit Rechnung. Auch die Kontakte mit China wurden intensiviert. Der Vorsteher des EDI reiste vom 27. September bis 1. Oktober nach Peking, um das gemeinsame Interesse beider Seiten an der Formalisierung des Rahmens für ihre kulturelle Zusammenarbeit zu bekräftigen.

Die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia setzte ihre Kontakte mit Russland über das thematische Programm Swiss Made in Russia ­ Contemporary Cultural Exchanges fort. Im Rahmen des grenzüberschreitenden Austauschs wurde das Programm «Viavai» der Stiftung Pro Helvetia (2014­2015) zu Ende geführt. Ziel der Initiative war es, den kreativen und produktiven Austausch zwischen schweizerischen und lombardischen Institutionen und Kulturschaffenden durch achtzehn binationale Projekte zu fördern. Die Schweizerische Nationalbibliothek richtete am 18./19. Juni in Bern die Jahresversammlung der Conference of European National Librarians (CENL) aus, der alle Mitgliedstaaten des Europarates angehören.

Im multilateralen Kontext sind die wichtigsten Partner der Schweiz im Kulturbereich der Europarat (vgl. Anhang), die EU und die UNESCO. Die EU ist das wichtigste Kulturförderungsgremium auf regionaler Ebene und ein relevanter Partner der Schweiz in der internationalen Kulturpolitik. Trotz der Volksabstimmung vom 9. Februar 2014 und ihren Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU gelang es im Berichtsjahr, die technischen Verhandlungen zwischen den Parteien im Hinblick auf den Abschluss eines Abkommens über die Teilnahme des Bundes am EU-Förderprogramm «Kreatives Europa» 2014­2020 (Teilprogramme MEDIA und Kultur) wiederaufzunehmen. Das Inkrafttreten dieser künftigen Vereinbarung hängt jedoch vor allem von der noch ausstehenden Lösung für das FZA ab. Um den Ausschluss der Schweiz vom MEDIA-Programm
zumindest teilweise zu kompensieren, bietet die Verordnung des EDI vom 16. Juni 2014 über MEDIA-Ersatzmassnahmen Schweizer Filmschaffenden die Möglichkeit, Unterstützung für europäische Projekte zu beantragen und eine möglichst nahtlose Fortsetzung mehrjähriger Projekte zu sichern und soll den späteren Wiedereinstieg der Schweiz in das Teilprogramm MEDIA erleichtern.

Im Rahmen der UNESCO unterstützt die Schweiz die Umsetzung des Übereinkommens zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes und des Übereinkommens gegen die Zerstörung von Kulturgut. Konkret wirkte sie im Mai an der Ausarbeitung operativer Leitlinien für die Umsetzung des Übereinkommens von 1970 über Massnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut mit. An der am 31. Juli und 1. August von Italien in Mailand ausgerichteten Ministerkonferenz konnte die Schweiz ferner die Existenz eines «Bergungsortes» (safe haven) bekanntmachen, an dem bewegliche Kulturgü748

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ter, die durch bewaffnete Konflikte und Naturkatastrophen stark gefährdet sind, vorübergehend in Sicherheit gebracht werden können. Bei dieser Gelegenheit kündigte sie die Bereitstellung einer solchen Aufbewahrungsmöglichkeit für Länder an, die dies unter dem Dach der UNESCO beantragen.

Um die Gefahr von Schäden abzuwenden, die beweglichen Kulturgütern von Drittstaaten wegen ausserordentlicher Ereignisse wie bewaffneten Konflikten oder Naturkatastrophen drohen, wurde in Absprache mit den zuständigen Diensten der Bundesverwaltung und auf der Grundlage von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a des Kulturgütertransfergesetzes vom 20. Juni 200343 eine Musterverordnung ausgearbeitet. Diese erlaubt dem Bundesrat, zu gegebener Zeit rasch ein befristetes Gesetz zu verabschieden, das für Fälle äusserster Dringlichkeit geeignet ist, für die die UNESCO eine konkrete Warnung ausgegeben hat, wie dies gegenwärtig der Fall für den Irak und Syrien ist. Im Hinblick auf diese beiden Länder hat die Schweiz bereits eine Spezialgesetzgebung erlassen, um die irakischen und syrischen Kulturgüter besser zu schützen.44 2015 schied die Schweiz nach Ablauf ihrer vierjährigen Amtszeit (2012­2015) aus dem Zwischenstaatlichen Komitee des Übereinkommens zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen aus. Dies erfolgte in einem Kontext, der von intensiven Diskussionen über die Auswirkungen der digitalen Revolution im Kulturbereich geprägt war.

Im Zusammenhang mit den Schweizer Kandidaturen für die UNESCO-Listen des Welterbes und des immateriellen Kulturerbes wurde im März ein erstes Dossier zur Aufnahme des Winzerfests von Vevey in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit eingereicht. Ein Entscheid soll Ende 2016 getroffen werden. Hinsichtlich der Liste des Welterbes wurde die von Frankreich initiierte grenzüberschreitende Bewerbung für die Aufnahme eines Teils der Bauten von Le Corbusier, der sich sechs weitere Länder, darunter die Schweiz, anschlossen, im Januar eingereicht und im September evaluiert; ein Entscheid wird für Juli 2016 erwartet.

3.5

Unterstützung von Schweizer Staatsangehörigen im Ausland und konsularische Dienstleistungen

Konsularische Aufgaben Für Schweizerinnen und Schweizer im Ausland stellt die Konsularische Direktion des EDA gemeinsam mit dem Vertretungsnetz ein umfassendes Dienstleistungsangebot als «Guichet unique» zur Verfügung. Dieses beinhaltet Präventions- und Betreuungsmassnahmen und ergänzt sich mit dem Krisenmanagement-Zentrum. In Umsetzung des «Guichet unique»-Gedankens wurde auf den 1. Januar 2015 die Sektion Sozialhilfe für Auslandschweizerinnen und -Auslandschweizer vom Bun43 44

SR 444.1 Verordnung vom 7. Aug. 1990 über Wirtschaftsmassnahmen gegenüber der Republik Irak, SR 946.206; Verordnung vom 8. Juni 2012 über Massnahmen gegenüber Syrien, SR 946.231.172.7

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desamt für Justiz in die Konsularische Direktion transferiert. Mit der neuen Sektion bietet die Konsularische Direktion sämtliche Unterstützung für Touristen wie auch für Auslandschweizerinnen und -Auslandschweizer neu einheitlich unter eigener Federführung an.

Die Helpline EDA beantwortet als zentrale Anlaufstelle rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr Fragen zu konsularischen Dienstleistungen von Privatpersonen, Behörden, privaten Dienstleistern und anderen. Darüber hinaus nimmt die Helpline im Sinne steter Prozessoptimierungen und Effizienzsteigerungen sowie mit Blick auf einen optimalen «Service Public» eine wichtige Unterstützungsfunktion für die Auslandvertretungen wahr, indem diese ausserhalb der lokalen Arbeitszeiten Anrufe ebenfalls auf die Helpline umleiten können. 2015 gingen rund 56 000 Anfragen ein, wobei 97 % davon durch die allesamt konsularisch geschulten und über mehrjährige Auslanderfahrung verfügenden Mitarbeitenden der Helpline EDA direkt beantwortet wurden. Die übrigen Fälle wurden an die Fachdienste oder die zuständigen Auslandvertretungen zur weiteren Bearbeitung überwiesen.

Im Jahre 2015 wurden durch die Konsularische Direktion 144 Gesuche um Repatriierung in die Schweiz und deren 295 für eine Unterstützung im Ausland bewilligt.

Die Bruttoauslagen beliefen sich auf knapp 1,5 Millionen Franken.

Das EDA stellt den konsularischen Schutz für Schweizerinnen und Schweizer im Ausland sicher. Die Schweizerinnen und Schweizer unternehmen jährlich rund neun Millionen Auslandreisen; geraten sie in eine Notlage, die sie nicht selbst bewältigen können, bietet das EDA im Rahmen des konsularischen Schutzes umfassende und kompetente Hilfeleistung. Die Reisehinweise des EDA leisten einen wichtigen Beitrag zur sorgfältigen Reisevorbereitung und zu präventiven Massnahmen basierend auf der Eigenverantwortung der Reisenden. Dennoch haben sich die im Rahmen des konsularischen Schutzes vom EDA behandelten neuen Fälle zwischen 2007 (463) und 2015 (1168) mehr als verdoppelt.

Mit der Applikation «itineris» unterstützt und informiert das EDA Schweizerinnen und Schweizer weltweit direkt über deren Mobilgeräte. Die Applikation wurde bislang über 60 000 Mal geladen.

Das EDA erbrachte 2015 konsularische Dienstleistungen in 93 Konsularkreisen, die von voll ausgerüsteten Generalkonsulaten oder
Konsularabteilungen von Botschaften betreut wurden. Die aus Ressourcengründen weiterhin fortschreitende Konzentration konsularischer Dienstleistungen in regionalen Konsularzentren hat für einen Teil der Auslandschweizerinnen und -schweizer bei Geschäftsfällen, welche eine persönliche Vorsprache zwingend erfordern, längere Anreisewege zur Folge. Entsprechend baute das EDA das Angebot an den seit 2012 eingesetzten mobilen und damit nicht an einen Vertretungssitz gebundenen Passstationen weiter aus, vor allem an Standorten in Übersee, von wo aus ein regelmässiger Heimaturlaub mit gleichzeitiger Erneuerung der Ausweise keine Selbstverständlichkeit ist.

Um die steigende Nachfrage befriedigen zu können, erwarb das EDA von Kantonen nicht mehr benötigte mobile Passstationen. Damit sind im Ausland nun neun mobile Stationen im Einsatz, mit denen 2015 bei 68 Einsätzen in 43 Ländern die biometrischen Daten von rund 5000 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern erfasst werden konnten. Dies bedeutet eine Zunahme um etwa einen Viertel im Vergleich 750

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zum Vorjahr. Aufgrund der hohen Anzahl Ausweise, die im Jahr 2005 ausgestellt wurden und nun das Ende ihrer zehnjährigen Gültigkeit erreichen, war ein weiterer Anstieg der Anträge zu beobachten, bevor die Antragszahlen ab 2016 abnehmen werden.

Gemäss der Bewegungsstatistik des Bundesamts für Statistik für 2014 sind 28 489 Schweizerinnen und Schweizer ins Ausland ausgewandert, während im gleichen Zeitraum 26 054 Schweizerinnen und Schweizer in die Schweiz zurückgekehrt sind.

Bürgerinnen und Bürger, die einen Auslandaufenthalt planen, auswandern oder in die Schweiz zurückkehren, können kostenlos das umfassende Informationsangebot von Auswanderung Schweiz (Swissemigration) nutzen, dessen Internetauftritt mit jährlich rund 120 000 Besucherinnen und Besuchern zu den meist aufgerufenen Internetseiten des EDA zählt.

Konsularische Zusammenarbeit Fälle konsularischen Schutzes und bestimmte administrative Demarchen erfordern einen persönlichen Kontakt mit einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin des zuständigen Dienstes. Die Massnahmen zur Reorganisation des Aussennetzes und die Einführung von E-Government-Tools hatten jedoch in einigen Fällen eine grössere Entfernung zur nächsten Vertretung zur Folge. Um dieser Situation entgegenzuwirken, suchte das EDA nach neuen Formen der Zusammenarbeit. So billigte der Bundesrat den Abschluss eines Abkommens über konsularische Zusammenarbeit mit Österreich, das am 3. Dezember unterzeichnet wurde. Zudem wurden Konsultationen mit der Türkei und Deutschland sowie in einem vierseitigen Rahmen mit Österreich, Slowenien und Liechtenstein geführt. Auch mit Frankreich wurden Gespräche über die Zukunft des Fürsorgeabkommens von 1931 zwischen der Schweiz und Frankreich aufgenommen. In Anbetracht der unterschiedlichen Auslegung und Praxis der französischen und schweizerischen Behörden handelt es sich dabei allerdings um ein potenziell sensibles Thema. Frankreich zugestellte Abrechnungen in Höhe von mehreren Millionen Franken wurden bislang nicht beglichen und gehen zulasten von Kantonen, die französische Staatsbürgern Sozialhilfe gewährt haben.

Krisenprävention und Krisenmanagement Infolge der Eingliederung zweier Organisationseinheiten («Sicherheit» und «Geodienste») kann das Krisenmanagement-Zentrum des Staatssekretariats des EDA seit dem 1. Januar 2015 noch umfassendere
Dienste in den Bereichen Krisenprävention, -vorbereitung und -bewältigung bereitstellen. Das EDA ist somit noch besser für die Herausforderungen gerüstet, die für Schweizer Staatsangehörige sowie die diplomatischen Vertretungen der Schweiz und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Krisenfällen im Ausland auftreten können.

In dieser Hinsicht sind die Reisehinweise des EDA weiterhin ein Kernbereich der Arbeit des Krisenmanagement-Zentrums. Sie geben Auskunft über Sicherheitsrisiken im Ausland und werden für 176 Länder ständig aktualisiert. Auch wenn jede zweite Auslandsreise von Schweizern in unsere Nachbarstaaten führt, wird nach wie vor eine beträchtliche Zahl von Reisen in Länder unternommen, die in stärkerem

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Mass politischen Unruhen, bewaffneten Konflikte oder Naturkatastrophen ausgesetzt sind.

Das Krisenmanagement-Zentrum verfolgte laufend die Entwicklung der globalen Sicherheitslage, indem es gemeinsame Sitzungen zu «Länderrisiken» für die einschlägigen Dienste des EDA und anderer eidgenössischer Departemente abhielt.

Mehreren Regionen und Ländern der Welt galt besonders hohe Aufmerksamkeit. In diesem Zusammenhang entsandte das Krisenmanagement-Zentrum Teams zur Gewährleistung der Sicherheit und Krisenvorbereitung für die diplomatischen Vertretungen der Schweiz und der Schweizer Staatsangehörigen vor Ort. Zudem legte das Zentrum den Schwerpunkt auf Massnahmen zur Vorbereitung auf allfällige Herausforderungen im Kontext von Grossereignissen (Weltausstellung Mailand, die 1. Europaspiele in Baku und die 15. Weltgymnaestrada in Helsinki). Darüber hinaus koordinierte das Krisenmanagement-Zentrum bei mehreren Krisen (Ebola-Epidemie, Erdbeben in Nepal, Flugzeugkatastrophe der Gesellschaft Germanwings, Terroranschläge, politische Unruhen in Afrika usw.) die Schweizer Gegenmassnahmen und trug zu ihrer Steuerung bei.

Von grundlegender Bedeutung für die Arbeit des Krisenmanagement-Zentrums sind gute Beziehungen zu den Aussenministerien der Nachbarstaaten und anderer Länder. In den vergangenen zwölf Monaten knüpfte das Zentrum neue oder verstärkte bestehende Kontakte mit den Nachbarstaaten, Grossbritannien, den Niederlanden, der Tschechischen Republik und Norwegen durch die Organisation von Arbeitstreffen in der Schweiz und im Ausland.

Auslandschweizerbeziehungen Die Auslandschweizergemeinschaft ist auch im Berichtsjahr weiter kräftig gewachsen. Aufgrund einer Zunahme von rund 2 % gegenüber dem Vorjahr sind gegenwärtig gut 760 000 Schweizer Bürgerinnen und Bürger bei einer schweizerischen Vertretung im Ausland angemeldet. Rund drei Viertel unserer Landsleute im Ausland sind Doppelbürger. Knapp zwei Drittel der Auslandschweizerinnen und -Auslandschweizer leben in Europa, davon rund 96 % in den Ländern der EU. Das EDA hat im abgelaufenen Jahr die Ausführungsbestimmungen zum Auslandschweizergesetz vom 26. September 201445 (ASG) erarbeitet, das am 1. November 2015 in Kraft getreten ist. Die Auslandschweizerverordnung vom 7. Oktober 201546 konkretisiert den Bereich Vernetzung und Information, das Auslandschweizerregister,
die politischen Rechte und die Sozialhilfe für Auslandschweizerinnen und -Auslandschweizer sowie die Unterstützung von Auslandschweizer-Institutionen, ferner den konsularischen Schutz für Schweizerinnen und Schweizer, die ins Ausland reisen.

Die Gebührenverordnung des EDA wurde einer Totalrevision unterzogen47, mit dem Ziel, die Dienstleistungen des konsularischen Schutzes detaillierter zu erfassen und die Gebühren mit dem im ASG verankerten Prinzip der Eigenverantwortung zu verknüpfen. Nach erfolgter Vernehmlassung der Auslandschweizerverordnung hat der Bundesrat die beiden Erlasse zusammen mit dem ASG per 1. November in Kraft 45 46 47

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SR 195.1 SR 195.11 SR 191.11

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gesetzt. Im ASG und seinen Verordnungen sind alle Bestimmungen gebündelt, die Schweizer Personen im Ausland betreffen und die bisher in verschiedenen Gesetzen, Verordnungen und einem Reglement verteilt waren. Damit kann der Bund seine Beziehungen zur Auslandschweizergemeinschaft und zu den Landsleuten, die sich vorübergehend im Ausland aufhalten, kohärent, klar und konsistent gestalten.

Im Auftrag des Bundes unterstützt das EDA Institutionen finanziell, die auf privater Basis den Auslandschweizerinnen und -Auslandschweizern Dienstleistungen anbieten. Mit der Auslandschweizerorganisation (ASO) als wichtigster Ansprechpartnerin arbeitet das EDA im Rahmen einer Leistungsvereinbarung eng zusammen. Die ASO veröffentlichte im Berichtsjahr sechs Ausgaben der «Schweizer Revue», die Zeitschrift für die «Fünfte Schweiz». Das EDA nutzt diese Zeitschrift, um offizielle Informationen und Berichte des Bundes zu publizieren.

Visa 2015 haben die schweizerischen Aussenvertretungen weltweit fast 500 000 Visa erteilt. Dies entspricht, im Vergleich zu 2014, einem leichten Anstieg von rund 4 %, der vor allem in Asien und den Golfstaaten entstand, während die Visanachfrage in Russland weiter zurückgegangen ist. Was den Visabereich betrifft, betonten sowohl der Bundesrat als auch das Parlament in unterschiedlichen Kontexten die Notwendigkeit, einen einfachen Zugang zur Schweiz als Wirtschafts- und Tourismusstandort sicherzustellen und in diesem Sinne auch Genf als Standort internationaler Organisationen zu berücksichtigen. Die Ausweitung der Möglichkeiten zur Beantragung von Visa war infolge der schrittweisen, im vergangenen Jahr abgeschlossenen Einführung biometrischer Visa für grosse Tourismusmärkte Indien, China und Russland unumgänglich geworden. Dabei kommen zwei Instrumente zum Einsatz: Auslagerung und Schengen-Vertretungen. Im Rahmen eines Auslagerungssystems werden 75 % der Visumanträge für die Schweiz von den Firmen TLS contact und VFS Global entgegengenommen. 2015 wurden neue Annahmestellen in Ho-Chi-MinhStadt (Vietnam), Doha (Katar) und Akkra (Ghana) eröffnet. In Bezug auf die Schengen-Vertretungen wird die Ausstellung von Schengen-Visa in den Ländern, in denen die Schweiz nicht selbst vertreten ist, lokal an einen anderen Mitgliedstaat des Schengenraums delegiert. Am Stichtag 1. November arbeitete die Schweiz mit 18 Schengenstaaten zusammen und vertrat deren Interessen in 26 Fällen, während sie selbst an 55 Standorten vertreten wurde.

3.6

Information und Kommunikation

Präsenz Schweiz (PRS) hat den gesetzlichen Auftrag, die Wahrnehmung der Schweiz im Ausland zu analysieren und die Interessenwahrung mit den Instrumenten der Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen. Ein positives Image im Ausland erweitert dabei den aussenpolitischen Handlungsspielraum der Schweiz. Das Monitoring von PRS zeigt, dass die Schweiz auch 2015 über ein gutes Image im Ausland verfügte. Sie belegte im Nation Brand Index (NBI) ­ einem Imagevergleich zwischen 50 Ländern ­ aktuell den achten Rang. In der ausländischen Medienberichterstattung über die Schweiz stiessen 2015 vor allem die Aufhebung des Euro-Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) sowie die Verfahren im Zusammen753

BBl 2016

hang mit dem Weltfussballverband FIFA, aber auch die sportlichen Exploits der Schweizer Tennisstars auf hohe Resonanz.

Die Ergebnisse des Image-Monitorings bilden zusammen mit den jeweils aktuellen Kommunikationsbedürfnissen und -opportunitäten die Grundlagen für einen zielgerichteten Einsatz der Landeskommunikationsinstrumente. Diese umfassen z.B.

Auftritte an internationalen Grossveranstaltungen, die Unterstützung der Schweizer Vertretungen im Ausland bei ihren Public-Diplomacy-Aktivitäten, die Einladung von ausländischen Delegationen und Social-Media-Kommunikation. Ein wichtiges Element ist die Kooperation mit verwaltungsinternen und -externen Partnern.

Bei den Grossveranstaltungen stand das Berichtjahr im Zeichen des Auftritts der Schweiz an der Expo Milano. Diese war dem Thema «Den Planeten ernähren.

Energie fürs Leben» gewidmet. Im Schweizer Pavillon präsentierte sich die Schweiz als solidarisches und verantwortungsbewusstes Land im Ernährungsbereich. Vier Türme, in welchen sich die Besucherinnen und Besucher an ausgewählten Produkten beschränkter Quantität (Wasser, Salz, Kaffee und Apfelringe) bedienen konnten, regten zum Nachdenken über die Verfügbarkeit und den nachhaltigen Konsum von Nahrungsmitteln an. Den sechzehn öffentlichen und 22 privaten Partnern (z. B.

Kantone, Städte, Unternehmen, Verbände) bot der Pavillon eine attraktive, öffentlichkeitswirksame Plattform. Der Auftritt der Schweiz stiess bei Publikum und Medien auf grossen Anklang. Während der sechs Monate dauernden Weltausstellung besuchten über 2,1 Million Personen den Schweizer Pavillon, 70 % davon aus Italien. In den Medien befassten sich in über 1600 Beiträgen mit dem Schweizer Auftritt. Auf Facebook, Twitter und Instagram folgten rund 40 000 Personen regelmässig den Aktivitäten des Schweizer Pavillons. Mit dem Auftritt in Italien, das gemäss aussenpolitischer Strategie als Nachbarland eine hohe Priorität geniesst, konnte die Wahrnehmung der Schweiz verbessert werden. Dies belegen die durchgeführten Besucherumfragen. Gleichzeitig konnten die engen Beziehungen zu Italien ­ beispielsweise im Rahmen von bilateralen Treffen ­ weiter vertieft werden.

In Frankreich nutzte PRS im Rahmen einer vorerst auf drei Jahre angelegten Partnerschaft das internationale Fotografie-Festival «Les rencontres de la photographie» in Arles,
um Botschaften der Schweizer Landeskommunikation zu kommunizieren.

Die Bilanz ist positiv. Das Festival zog über 90 000 Personen an. Der Auftritt der Schweiz, der zusammen mit Pro Helvetia, dem Bundesamt für Kultur (BAK) und der Fotostiftung Schweiz realisiert wurde, förderte die Fotografie als Mittel der Public Diplomacy. Der Anlass wurde auch genutzt, um den Austausch mit französischen Kulturinstitutionen zu intensivieren. Das Bild einer modernen und gleichzeitig traditionsbewussten Schweiz wurde am Karneval in Rio de Janeiro vermittelt. Eine der bekanntesten Samba-Schulen Brasiliens liess sich bei ihrem von PRS unterstützen Auftritt von der Schweiz als Leitmotiv inspirieren. Rund 60 Millionen Brasilianerinnen und Brasilianer verfolgten die Live-Übertragung der Parade der SambaSchulen. Diese Aktivität fand im Rahmen des Landeskommunikationsprogramms Brasilien 2014­2016 statt, das 2016 mit der Präsenz an den Olympischen Sommerspielen in Rio fortgesetzt wird.

Um die prioritären Botschaften empfängergerecht zu vermitteln, wurden auch 2015 je nach Zielpublikum unterschiedliche Kommunikationsinstrumente eingesetzt. So wurden zahlreiche Vorträge und Diskussionsrunden, wissenschaftliche und kulturel754

BBl 2016

le Anlässe sowie Delegationsreisen in die Schweiz durchgeführt. Dabei wurden zum einen die Stärken der Schweiz in den Fokus gerückt, zum anderen dienten die Veranstaltungen der Beziehungspflege.

Die Aktivitäten im Themenbereich «Energie» illustrieren die Instrumentenpalette. In Zusammenarbeit mit den Schweizer Vertretungen wurde in verschiedenen Ländern (u. a. USA, Kolumbien, Chile, Peru, Tunesien und Russland) die von Swissnex Boston sowie dem Bundesamt für Energie (BFE) entwickelte und von PRS unterstützte Wanderausstellung «Watt d'Or» präsentiert. Sie stellte innovative Schweizer Projekte und Initiativen im Energiebereich vor. Die enge Kooperation zwischen PRS und den Vertretungen vor Ort war auch die Basis, um das Kommunikationspotenzial des von der Schweiz unterstützten Solarflugzeug-Projekts «Solar Impulse» an den jeweiligen Etappenzielen optimal zu nutzen. Auch hier stand die Botschaft eines starken und innovativen Forschungsplatzes Schweiz im Zentrum. Auf ein spezifisches Zielpublikum zugeschnitten waren die Delegationsreisen, die PRS zum Thema Energie durchführte. Deren Ziel war es, die Schweiz als Zentrum für Spitzenforschung und Innovation auf diesem Gebiet zu positionieren. So konnten sich die Teilnehmenden einer US-Delegation aus Medien, Wissenschaft und Politik während einer mehrtägigen Studienreise ein Bild von zukunftsweisenden Politikansätzen und Technologien machen. Bei einer Führung durch das Grimsel-Kraftwerk stand die Schweizer Wasserkraft, beim Besuch der ETH Lausanne die Solartechnologie und beim Austausch mit Experten des Bundesamts für Energie ein Überblick über die Schweizer Energiepolitik auf dem Programm. Weiter hatten die Delegationsteilnehmenden die Möglichkeit, im Austausch mit mittelständischen Unternehmen den Wissenstransfer von der Wissenschaft in die Praxis kennenzulernen. Mit solchen Aktivitäten wurde das Bild einer leistungsfähigen und innovativen Schweiz vermittelt, die sich der weltweiten Herausforderungen für künftige Generationen bewusst und dazu bereit ist, ihre Errungenschaften zu teilen.

In der Schweiz organisierte PRS zudem massgeschneiderte Hintergrundgespräche (Rösti-Lunch) für ausländische Medienschaffende. Diese stellen als Meinungsmultiplikatoren eine wichtige Zielgruppe dar. 2015 informierten an diesen Anlässen ausgewiesene verwaltungsinterne
Fachleute über Schweizer Positionen zu den Themen Europapolitik sowie Restitution von Potentatengeldern. Für dasselbe Zielpublikum wurde auch ein Informationsanlass zu den eidgenössischen Wahlen 2015 durchgeführt.

Eine wichtige Unterstützung für die Aktivitäten der Landeskommunikation sind schliesslich die Informations- und Promotionsmittel, von denen 2015 grösstenteils über das Aussennetz rund 650 000 Stück abgegeben wurden.

Im Bereich Information wurde der Web-Auftritt erneuert und aktualisiert. Auf den Webseiten www.aboutswitzerland.org und www.houseofswitzerland.org stehen landeskundliche Informationen, Beiträge über relevante Themen sowie Informationen über die Präsenz der Schweiz an internationalen Grossveranstaltungen zur Verfügung.

755

BBl 2016

3.7

Ressourcen und Aussennetz

Das schweizerische Aussennetz ­ ein zentrales Instrument zur Umsetzung des Verfassungsauftrags betreffend die Aussenpolitik ­ orientiert sich an den Prinzipien von Universalität, Kohärenz und Effizienz. Aktuell umfasst es 170 Auslandsvertretungen und rund 204 Honorarvertretungen. Um den sich rasch ändernden Anforderungen der internationalen Entwicklungen und den aussenpolitischen Bedürfnissen der Schweiz Rechnung tragen zu können, wird es regelmässig auf seine Zweckmässigkeit und Sachdienlichkeit hin überprüft.

Dabei setzt das EDA auch auf die Nutzung neuer Technologien, wie die mobile Biometrie, und auf innovative Ansätze wie Co-Locations. Unter Co-Location versteht man die gemeinsame Unterbringung diplomatischer oder konsularischer Vertretungen mehrerer Länder im gleichen Gebäude. Die Wahrnehmung der politischen und wirtschaftlichen Interessen der Schweiz erfolgt autonom und unabhängig, ungeachtet der gemeinsamen Nutzung eines Gebäudes.

Auch die Zusammenarbeit mit andern Partnern im Aussennetz wird von einer zunehmend engeren gemeinsamen Koordination geprägt: Steuerungsfragen betreffend die Swiss Business Hubs beispielsweise werden nun im Rahmen des tripartiten Komitees Swiss Business Hubs angegangen und gemeinsam entschieden. Das EDA, das SECO und Switzerland Global Enterprise haben ihre Kooperation im Rahmen dieser seit 2015 viermal jährlich stattfindenden Treffen intensiviert. Kooperationsformen wie diese, die massgebliche Synergienutzungen für alle beteiligten Stellen ermöglichen, werden auch mit andern Partnern im Aussennetz diskutiert und konkretisiert.

Die Schweiz war 2015 erstmals Gastgeber der Toronto Group, einer informellen Plattform von hochrangigen Vertretern der Aussenministerien aus 30 Ländern und dem Europäischen Aussendienst (EEAS), die sich seit 2009 alle zwei Jahre treffen, um über Organisations- und Ressourcenfragen der Aussenpolitik zu diskutieren. Am vierten Treffen der Gruppe, welches Ende April während zweier Tage in Bern stattfand, standen zwei Schwerpunkte ­ beide in Verbindung zum Thema «Innovation im Vertretungsnetz» ­ im Vordergrund: Zusammenarbeitsmöglichkeiten mit dem Privatsektor und mit wissenschaftlichen Institutionen sowie Opportunitäten und Herausforderungen von Outsourcing und neuartigen Kooperationsmodellen.

Im abgelaufenen Jahr realisierte das EDA eine
Reihe von Co-Location-Projekten, in Muskat mit den Niederlanden, in Luanda, wo die bestehende Schweizer Vertretung in die zentral gelegenen Räumlichkeiten der niederländischen Vertretung einzieht, dank einem Co-Location-Projekt mit Dänemark in der aufstrebenden nigerianischen Geschäftsmetropole Lagos, wo die Schweiz ein Generalkonsulat eröffnen kann, während die dänische Botschaft in die Räumlichkeiten der Schweizer Botschaft in Abuja einzieht. Neue Co-Location-Projekte wurden zudem mit Österreich in Dublin, mit Norwegen in Port-au-Prince, mit den Niederlanden in Ljubljana sowie in Teheran mit Deutschland (Unterbringung der Visa-Dienste) initiiert.

Die Sparmassnahmen, die im Berichtsjahr vom Bundesrat beschlossen worden sind und auch das EDA betrafen, wurden im Aussennetz so weit wie möglich durch die Anwendung von Optimierungsmassnahmen umgesetzt. Dennoch kam der Bundesrat nicht umhin, zu einer einschneidenderen Massnahme zu greifen. Er entschied am 756

BBl 2016

12. August, die Vertretung in Paraguay zu schliessen. Neu wird der Botschafter in Montevideo für Paraguay zuständig sein; es wird zudem ein Honorarkonsulat eröffnet, das wirtschaftliche, politische, kulturelle und wissenschaftliche Kontakte weiterentwickelt. Die Schweizer Kolonie (1385 Staatsangehörige) wird bereits seit 2012 von der Botschaft in Buenos Aires betreut.

Mit der fortschreitenden Umsetzung der Strategie «1 Standort = 1 Vertretung» und der Schaffung integrierter Botschaften geht auch eine Stärkung der Kohärenz der aussenpolitischen Prioritäten einher. Von den 50 betroffenen Standorten, von denen fünfzehn bereits einen Integrationsprozess durchlaufen haben, wurden 2015 rund ein Dutzend weitere Integrationsprozesse lanciert. Die Umsetzung der Integration setzt die Harmonisierung zahlreicher Abläufe und die Vereinheitlichung von Weisungen und ihrer Handhabung in der Praxis voraus. 2015 wurde unter anderem die Vereinheitlichung und Zusammenlegung der Buchhaltungssysteme an allen Standorten eingeleitet. An den bereits integrierten Standorten kommen thematische und inhaltliche Synergien zum Tragen und stärken den Auftritt der Schweiz.

Risikomanagement und Aufsicht finden im EDA auf drei Ebenen statt. Zunächst erfasst, bewertet und bearbeitet jede Organisationseinheit an der Zentrale und im Aussennetz ihre Risiken in einem dokumentierten Internen Kontrollsystem (IKS).

Einzelne Aspekte des IKS werden durch spezialisierte Einheiten an der Zentrale koordiniert, unterstützt und überwacht, so zum Beispiel in den Bereichen Finanzen oder Sicherheit. Für Hinweise zu Unregelmässigkeiten und Missständen steht eine Meldestelle zur Verfügung. Auf einer dritten Ebene führt die Interne Revision des EDA risikoorientierte Prüf- und Beratungsmandate durch. Das dabei identifizierte Verbesserungspotential in Aufsichts- und Wirtschaftlichkeitsfragen wird an die Führung des Departements weitergeleitet. Mit der Eidgenössischen Finanzkontrolle findet ein regelmässiger Austausch statt.

757

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Abkürzungsverzeichnis ASG

Auslandschweizergesetz vom 26. September 2014 (SR 195.1)

AIA

Automatischer Informationsaustausch

ALBA

Bolivarische Allianz für Amerika (Alianza Bolivariana para los Pueblos de Nuestra América)

AMISOM

Mission der Afrikanischen Union in Somalia (African Union Mission to Somalia)

APEC

Asiatisch-pazifische wirtschaftliche Zusammenarbeit (Asia-Pacific Economic Cooperation)

ASEF

Asien-Europa-Stiftung (Asia-Europe Foundation)

ASEM

Asien-Europa-Treffen (Asia-Europe Meeting)

AU

Afrikanische Union

BAFU

Bundesamt für Umwelt

BAK

Bundesamt für Kultur

BAKOM

Bundesamt für Kommunikation

BASPO

Bundesamt für Sport

BFI

Bildung, Forschung, Innovation

BJ

Bundesamt für Justiz

BPS

Bundesgesetz vom 27. September 2013 über die im Ausland erbrachten Sicherheitsdienstleistungen (SR 935.41)

BRICS

Gruppe der folgenden fünf grossen Schwellenländer: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika

BSV

Bundesamt für Sozialversicherungen

CEVA

Bahnlinie Cornavin ­ Eaux Vives ­ Annemasse

CITES

Übereinkommen vom 3. März 1973 über internationalen Handel mit gefährdeten Arten frei lebender Tiere und Pflanzen (SR 0.453) (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora)

DAC

Ausschuss für Entwicklungshilfe der OECD (Development Assistance Committee)

DBA

Doppelbesteuerungsabkommen

DCAF

Genfer Zentrum für die demokratische Kontrolle von Streitkräften (Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces)

DEZA

Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit

758

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DR

Direktion für Ressourcen

EAP

EuroAirport Basel-Mülhausen

ECOSOC

Wirtschafts- und Sozialrat der UNO (Economic and Social Council)

ECOWAS

Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Economic Community of West African States)

EDA

Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten

EDI

Eidgenössisches Departement des Innern

EFD

Eidgenössisches Finanzdepartement

EFTA

Europäische Freihandelsassoziation (European Free Trade Association)

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EJPD

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement

EMRK

Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention; SR 0.101)

ESM

Europäischer Stabilitätsmechanismus

EU

Europäische Union

EUFOR

EU-geführte Einsatzkräfte (European Union Force)

EuGH

Gerichtshof der Europäischen Union

EZB

Europäische Zentralbank

FATCA

Foreign Account Tax Compliance Act der USA

FATF

Arbeitskreis Massnahmen zur Geldwäschebekämpfung (Financial Action Task Force; franz.: Groupe d'Action financière/ GAFI)

Fedpol

Bundesamt für Polizei

FRB

Fachstelle für Rassismusbekämpfung

FZA

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (SR 0.142.112.681)

G20

Gruppe der 20 (USA, Japan, Deutschland, China, Grossbritannien, Frankreich, Italien, Kanada, Brasilien, Russland, Indien, Südkorea, Australien, Mexiko, Türkei, Indonesien, Saudi-Arabien, Südafrika, Argentinien, Europäische Union)

759

BBl 2016

GCSP

Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (Geneva Centre for Security Policy)

GCTF

Globales Forum zur Bekämpfung des Terrorismus (Global Counterterrorism Forum)

GFATM

Globaler Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria (Global Fund to Fight AIDS, Tuberculosis and Malaria)

HRD

Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger (Human Rights Defenders)

IAEA

Internationale Atomenergiebehörde International Atomic Energy Agency)

IFAD

Internationaler Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (International Fund for Agricultural Development)

IGAD

Zwischenstaatliche Entwicklungsbehörde (Intergovernmental Authority on Development)

IKRK

Internationales Komitee vom Roten Kreuz

IStGH

Internationaler Strafgerichtshof

IWF

Internationaler Währungsfonds (auch IMF, International Monetary Fund)

JRR

Justice Rapid Response

KAIPTC

Kofi Annan International Peace Training Centre

KGRE

Kongress der Gemeinden und Regionen

MDG

Millenniumsentwicklungsziele (Millennium Development Goals)

MERCOSUR Gemeinsamer Markt Südamerikas (Mercado Común del Sur) MINUSMA

Multidimensionale integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali)

MONUSCO

Mission der Vereinten Nationen in der Demokratischen Republik Kongo (Mission de l'Organisation des Nations Unies en République Démocratique du Congo)

MoU

Absichtserklärung (Memorandum of Understanding)

NATO

Nordatlantisches Bündnis (North Atlantic Treaty Organisation)

NEAT

Neue Eisenbahn-Alpentransversale

760

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NGO

Nichtregierungsorganisation (Non-Governmental Organisation)

NNSC

Neutrale Überwachungskommission für den Waffenstillstand in Korea (Neutral Nations Supervisory Commission)

NPT

Vertrag vom 1. Juli 1968 über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (Non-Proliferation Treaty, SR 0.515.03)

OAS

Organisation Amerikanischer Staaten (Organisation of American States)

OCHA

UNO-Büro für die Koordination der humanitären Hilfe (Office for the Coordination of Humanitarian Affairs)

OECD

Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Cooperation and Development)

OPCW

Organisation für das Verbot chemischer Waffen (Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons)

OSZE

Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa

PEP

Politisch exponierte Personen (Politically exposed person)

PRS

Präsenz Schweiz

PVER

Parlamentarische Versammlung des Europarates

SADC

Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft (Southern African Development Community)

SBFI

Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation

SDGs

Ziele der Nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development Goals)

SECO

Staatssekretariat für Wirtschaft

SKH

Schweizerisches Korps für Humanitäre Hilfe

StGB

Schweizerisches Strafgesetzbuch

SWISSCOY

Swiss Company

swissmedic

Schweizerisches Heilmittelinstitut

TAP

Transadriatische Pipeline

TIEA

Steuerinformationsabkommen (Tax Information Exchange Agreement)

UNAIDS

Gemeinsames Programm der Vereinten Nationen zu HIV/Aids (Joint United Nations Programme on HIV/AIDS)

UNCAC

Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 31. Oktober 2003 gegen Korruption (SR 0.311.56) (United Nations Convention against Corruption) 761

BBl 2016

UNCITRAL

Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (United Nations Commission on International Trade Law)

UNDP

Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Program)

UNECE

Wirtschaftliche Kommission für Europa der Vereinten Nationen (United Nations Economic Commission for Europe)

UNEP

Umweltprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Environment Program)

UNESCO

Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization)

UNFPA

Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (United Nations Population Fund)

UNHCR

Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees)

UNICEF

Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (United Nations International Children's Emergency Fund)

UNO

Organisation der Vereinten Nationen (United Nations Organisation)

UNODC

Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (United Nations Office on Drugs and Crime)

UNRWA

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (United Nations Relief Agency for Palestine Refugees in the Near East)

USG

Umweltschutzgesetz vom 7. Oktober 1983 (SR 814.01)

UVEK

Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation

VBS

Eidgenössisches Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport

WBF

Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung

WHO

Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation)

WTO

Welthandelsorganisation (World Trade Organisation)

762

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Anhang

Ergänzende Angaben zum Europarat 1 1.1

Organe Ministerkomitee

Der Beginn des Jahres war geprägt von den Anschlägen gegen das Satire-Magazin «Charlie Hebdo» in Paris. Die Diskussionen im Ministerkomitee fokussierten sich auf die Frage, wie der Europarat dem gewaltsamen Extremismus und der Radikalisierung, die zu Terrorismus führt, entgegentreten kann. Im Zentrum standen die Prävention von Terrorismus sowie die Respektierung der Menschenrechte auch in der Terrorismusbekämpfung. Die Schweiz rief wiederholt zur Achtung des humanitären Völkerrechts und zur Einhaltung der Menschenrechte auf.

Entsprechend war die Bekämpfung des Terrorismus eines der Hauptthemen der 125.

Tagung des Ministerkomitees vom 19. Mai in Brüssel. Die Aussenminister der Mitgliedstaaten nahmen das weltweit erste Paket internationaler, rechtsverbindlicher Normen für den Kampf gegen sogenannte ausländische Terrorkämpfer an. Mit diesem Übereinkommen des Europarates (ER) zur Verhütung des Terrorismus werden die Mitgliedstaaten in die Pflicht genommen, bestimmte einschlägige Taten unter Strafe zu stellen, darunter die willentliche Beteiligung an terroristischen Gruppierungen, der Besuch terroristischer Ausbildungslager und die Reise zum Zwecke terroristischer Aktivitäten. Ferner verabschiedete das Ministerkomitee eine politische Deklaration zum Kampf gegen Extremismus und Radikalisierung sowie einen dreijährigen Aktionsplan, der verschiedene Massnahmen des Europarats zur Bewältigung von Radikalisierung an Schulen, in Haftanstalten und im Internet vorsieht.

Daneben stand wie bereits im vergangenen Jahr die Krise in der Ukraine im Zentrum der Gespräche. Wiederum wurden die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine innerhalb der international anerkannten Grenzen betont, die illegale Annexion der Krim durch die russische Föderation verurteilt und alle Konfliktparteien aufgerufen, das Minsker Abkommen in der Ostukraine zu respektieren und umzusetzen. Begrüsst wurde der neue Aktionsplan 2015­2017 des Europarates zur Unterstützung der Reformen in der Ukraine, insbesondere in den Bereichen Stärkung der Menschenrechte, Unabhängigkeit der Justiz, Verfassungsreformen, Dezentralisierung und Wahlgesetzgebung. Besonders hervorgehoben wurden die nützlichen Beiträge der Venedig-Kommission in Verfassungsfragen. Auch die Schweiz hat sich im Berichtsjahr für eine friedliche Lösung der
Ukrainekrise unter Respektierung der internationalen Normen und Verpflichtungen eingesetzt und unterstützt die Aktivitäten des ER in der Ukraine mit substanziellen Mitteln, so etwa den Aktionsplan und das internationale Beratergremium zur Begleitung der Untersuchung begangener Menschenrechtsverletzungen während der Demonstrationen auf dem Maidan in Kiew und in Odessa.

Als weiterer Schwerpunkt stellte Generalsekretär Jagland seinen zweiten Bericht zur Situation der Demokratie, der Menschenrechte und der Rechtstaatlichkeit in Europa vor. Darin untersucht er, wie die 47 Mitgliedstaaten die fünf Säulen der demokratischen Sicherheit umsetzen: effiziente und unabhängige Justiz, Meinungsäusserungs763

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freiheit, Versammlungsfreiheit, Funktionieren der demokratischen Institutionen sowie eine inklusive und demokratische Bürgergesellschaft. Der Bericht kommt zum ernüchternden Schluss, dass in einem Drittel der Mitgliedstaaten die Justiz nicht völlig unabhängig sei, und dass die Meinungsäusserungsfreiheit noch stärker als bisher vermutet unter Druck geraten sei. Entsprechend wird der Generalsekretär die Unabhängigkeit der Justiz und die Meinungsäusserungsfreiheit zu prioritären Themen machen.

Unter belgischem Vorsitz fand eine hochrangige Konferenz zur Umsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) Ende März in Brüssel statt.

Dabei wurden die positiven Entwicklungen seit der Interlaken-Konferenz und die Effizienzsteigerung bei der Behandlung der Beschwerden vor dem Gerichtshof ausdrücklich gelobt, was zu einer beträchtlichen Abnahme der hängigen Fälle geführt hat. In einer politischen Erklärung bekräftigten die 47 Mitgliedstaaten das Prinzip der Subsidiarität und bestätigten die geteilte Verantwortlichkeit der Vertragsstaaten, des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) und des Ministerkomitees bei der Umsetzung der EMRK. Ein entsprechender Aktionsplan sieht eine Reihe von Massnahmen zur vollen, prompten und effektiven Umsetzung der Urteile des Gerichtshofes vor, deren Überprüfung vom Ministerkomitee gewährleistet wird.

1.2

Parlamentarische Versammlung

Auch in der parlamentarischen Versammlung des ER (PVER) war die Krise in der Ukraine einer der Schwerpunkte während der vier Teilsessionen von 2015. Wie bereits im vergangenen Jahr entschied sich die PVER, die Sanktionen gegen die russische Delegation beizubehalten und den Entzug der Stimmrechte bis Ende Jahr weiterzuführen. Die russische Delegation beschloss daraufhin, die Teilnahme an der PVER zu boykottieren, bis die vollen Rechte wieder hergestellt sind.

Angesichts der humanitären Tragödien rückte auch die Migrationspolitik ins Zentrum der Aufmerksamkeit. PVER Präsidentin Anne Brasseur berichtete über eine Abklärungsreise in die Türkei und den Besuch eines der zahlreichen Flüchtlingslager. Sie rief die Mitgliedstaaten des ER zu mehr Engagement und mehr Solidarität auf. Verschiedentlich debattierte die PVER über die Flüchtlingstragödie im Mittelmeer, ohne jedoch zu einem Konsens zu gelangen, wie auf die Herausforderungen in der Migrationskrise reagiert werden sollte.

UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon appellierte als Gastredner an Europa, eine Vorreiterrolle bezüglich der Solidarität und Zusammenarbeit im Bereich der Migration zu übernehmen. Er forderte eine Beendigung der Anti-Migrations-Rhetorik und ermunterte stattdessen, den Fokus auf die positiven Beiträge der Migrantinnen und Migranten an unsere Gesellschaften zu legen. Ferner zeigte er sich besorgt über die zunehmenden Einschränkungen der Zivilgesellschaft und betonte die Respektierung der Menschenrechte auch im Kampf gegen den Terrorismus.

Im Weiteren diskutierte die PVER unter anderem über die beunruhigende Menschenrechtssituation in Aserbaidschan und forderte die aserischen Behörden auf, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten freizulassen und die Unabhängigkeit der 764

BBl 2016

Justiz im Sinne der Gewaltenteilung zu garantieren. Bezüglich der Situation in Ungarn beendete die PVER die spezielle Beobachtung und erachtete das Monitoring im Rahmen der üblichen Verfahren im Monitoring Ausschuss als genügend.

Auch im Berichtsjahr beteiligte sich die Schweizer Parlamentarier-Delegation wiederum aktiv an den Debatten im Saal und übernahm verschiedene Mandate als Berichterstatter, Wahlbeobachter und in anderen Aktivitäten.

Die stellvertretende Generalsekretärin, Gabriella Battaini Dragoni, wurde in der Juni Session für ein zweites Mandat von fünf Jahren gewählt. Der Dialog und die Zusammenarbeit zwischen dem Ministerkomitee und der Parlamentarischen Versammlung des ER wurden im Berichtsjahr weiter intensiviert.

1.3

Kongress der Gemeinden und Regionen Europas

Die Schweizer Kongressdelegation nahm an beiden Sessionen des Jahres 2015 teil, die unter dem Titel «Lokale Antworten auf die Herausforderungen der Menschenrechte ­ Migration, Diskriminierung, soziale Integration» standen.

Während der Märzsession organisierte der Kongress eine dringliche Debatte über die Herausforderung der Terrorismusbekämpfung auf lokaler Ebene. Mit dieser Diskussion, an welcher der Bürgermeister der syrischen Stadt Kobane teilnahm, sollte die Rolle der Städte bei der Terrorismusbekämpfung aufgezeigt werden, indem die internen und externen Gefahren, denen die Städte ausgesetzt sind, erörtert wurden.

In der Oktobersession verabschiedete der Kongress eine Erklärung zur Aufnahme der Flüchtlinge in Europa, die das Ministerkomitee dazu aufruft, zusammen mit der EU darauf hinzuarbeiten, dass die Frage der Einwanderung und des Asylrechts zu einem Thema der gesamteuropäischen Politik wird. Der Text betont auch die Notwendigkeit, den Gebietskörperschaften die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen.

Im Berichtsjahr, in dem ausserdem der 30. Jahrestag der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung48 begangen wurde, beteiligten sich die Mitglieder der Schweizer Delegation namentlich an der Beobachtung von Lokalwahlen in Albanien und der Ukraine und arbeiteten an dem unter Federführung von Luxemburg erstellten Monitoring-Bericht zur Einhaltung der obgenannten Charta mit.

2 2.1

Menschenrechte Demokratischer Zusammenhalt ­ Menschenrechtsfragen/Follow-up Interlaken

Im Zentrum der Aktivitäten des Lenkungsausschusses für Menschenrechte (CDDH) stand nach wie vor die Reform des EMRK-Kontrollsystems. Diesem Thema war

48

SR 0.102

765

BBl 2016

auch die Ministerkonferenz von Brüssel vom 26./27. März gewidmet49, an deren Vorbereitung sich der CDDH beteiligt hat. Ausserdem befasste sich der Ausschuss mit Fragen aus dem Bereich Entwicklung und Förderung der Menschenrechte, und er verabschiedete zuhanden des Ministerkomitees den Entwurf seines Mandats für die Jahre 2016 und 2017.

Auch im laufenden Jahr stand die Reformdiskussion im Zeichen der langfristigen Reform des EMRK-Kontrollmechanismus. Die Vorarbeiten werden von einer dem CDDH und dessen Expertenausschuss (DH-GDR) unterstellten Arbeitsgruppe (GDR-F) geführt. Der von der Gruppe redigierte Entwurf eines Schlussberichts wurde im Dezember (7.­11. Dezember) zuhanden des Ministerkomitees durch den CDDH verabschiedet.50 Der Bericht ist in vier Hauptteile gegliedert: A. Umsetzung der EMRK auf nationaler Ebene; B. Gerichtsbarkeit des EGMR; C. Verbindlichkeit der Urteile des EGMR: Urteilsvollzug und dessen Überwachung; D. Der EMRKKontrollmechanismus als Teil der europäischen Rechtsordnung. Die Teile A, B und C enthalten jeweils Ausführungen zu Reformmassnahmen, die auf der Grundlage des heutigen Systems möglich sind oder aber Änderungen dieses Systems bedingen würden.

Die Ministerkonferenz von Brüssel war nach den Konferenzen von Brighton (2012) und Izmir (2011) die dritte Folgekonferenz nach Interlaken (2010). Die am 27. März verabschiedete Erklärung knüpft in Struktur und Inhalt an die Vorgängerkonferenzen an. Als Neuerungen können genannt werden: die Hervorhebung der Bedeutung des Dialogs zwischen dem Gerichtshof und den höchsten innerstaatlichen Gerichtsinstanzen, die Begrüssung der Absicht des Gerichtshofs, künftig auch die Einzelrichterentscheidungen zu begründen, die Aufforderung an die Mitgliedstaaten, die Schaffung einer unabhängigen Menschenrechtsinstitution ins Auge zu fassen, Bemühungen um die Steigerung der Effizienz der Kontrolle des Urteilsvollzugs sowie die Ermunterung des Kommissars für Menschenrechte, bei seinen Besuchen in den Mitgliedstaaten Probleme im Zusammenhang mit dem Urteilsvollzug zu thematisieren.

Was den Bereich Entwicklung und Förderung der Menschenrechte betrifft, hat der CDDH im Berichtsjahr vom Fortgang laufender Arbeiten verschiedener Expertenoder Redaktionsgruppen Kenntnis genommen und Stellung genommen zu den ihm unterbreiteten Fragen. Das gilt insbesondere
für die Arbeiten des CDDH-CORP51, des CDDH-DC52 sowie des DH-BIO-psy.53. Mit diesen Arbeiten soll das Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin SR 0.810.2 ergänzt werden Von Bedeutung ist schliesslich die Verabschiedung des Entwurfs des Mandats des CDDH für die Jahre 2016 und 2017. Nach intensiven Diskussionen einigte sich der 49 50 51 52 53

766

Hochrangige Konferenz über die Umsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK, eine gemeinsame Verantwortung.

Projet de rapport final consolidé du Comité Directeur pour les droits de l'homme (CDDH) sur l'avenir à plus long terme du système de la Convention Drafting Group on Human Rights and Business Drafting Group on Human Rights in Culturally Diverse Societies Drafting group on the elaboration of an additional Protocol on the protection of the human rights and the dignity of persons with mental disorders with regard to involuntary placement and treatment

BBl 2016

Ausschuss auf Arbeiten in den folgenden Bereichen: Sozialrechte; Genitalverstümmelung; Zwangsehe; Meinungsfreiheit im Spannungsfeld mit anderen Menschenrechten. Falls ausreichend Zeit und Mittel zur Verfügung stehen, könnten zusätzlich Arbeiten in den Bereichen Migration sowie Zivilgesellschaft und nationale Menschenrechtsinstititutionen an die Hand genommen werden.

2.2

Die Schweiz vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EMRK)

Im Berichtszeitraum fällte der Gerichtshof in Schweizer Beschwerdefällen zehn Urteile. In drei Urteilen wurde mindestens eine Verletzung der EMRK festgestellt.

Die zehn Urteile waren (in chronologischer Reihenfolge):54

54

­

Papillo (27. Jan. 2015): Keine Verletzung des Rechts auf Freiheit und Sicherheit (Art. 5 Abs. 1 EMRK) des im Gefängnis psychisch kranken Beschwerdeführers.

­

Haldimann und andere (24. Febr. 2015): Verletzung des Rechts auf Freiheit der Meinungsäusserung (Art. 10 EMRK) der Beschwerdeführenden (vier Fernsehjournalisten), die mit einer versteckten Kamera das Verkaufsgespräch eines Versicherungsberaters aufzeichneten, dieses nach Unkenntlichmachung des Betroffenen ausstrahlten und hierfür in der Folge mit einer Busse bestraft wurden.

­

Tatar (14. April 2015): Keine Verletzung des Rechts auf Leben (Art. 2 EMRK) oder des Verbots unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Art. 3 EMRK) im Fall der Ausweisung eines Straftäters in die Türkei, dessen schwere psychische Krankheit in der Türkei grundsätzlich behandelbar ist.

­

K.M. (2. Juni 2015): Keine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatund Familienlebens (Art. 8 EMRK) im Fall der Ausweisung eines Straftäters nach Albanien.

­

Schmid-Laffer (16. Juni 2015): Keine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 EMRK) wegen der unterlassenen Information der als Auskunftsperson befragten Beschwerdeführerin über ihr Aussageverweigerungsrecht und der späteren Verurteilung der Beschwerdeführerin, weil die fraglichen Informationen nur von untergeordneter Bedeutung waren.

­

A.S. (30. Juni 2015): Keine Verletzung des Verbots unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Art. 3 EMRK) für den Fall der Rückschaffung eines allein stehenden syrischen Staatsangehörigen nach Italien (DublinVerfahren).

Ausführlichere Zusammenfassungen der Schweizer Fälle (und wichtiger Fälle betreffend anderen Staaten) werden seit 2008 in den Quartalsberichten des Bundesamtes für Justiz publiziert: www.bj.admin.ch > Staat & Bürger > Menschenrechte > Rechtsprechung des EGMR.

767

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­

Perinçek (15. Okt. 2015; Grosse Kammer): Verletzung der Freiheit der Meinungsäusserung (Art. 10 EMRK) infolge Verurteilung gestützt auf Art. 261bis StGB wegen Leugnung des an den Armeniern verübten Genozids (Urteil der Kammer vom 17.12.2013).

­

Mäder (8. Dez. 2015): Verletzung des Rechts auf richterliche Haftprüfung innert kurzer Frist (Art. 5 Abs. 4 EMRK) bei eines (altrechtlichen) fürsorgerischen Freiheitsentzugs.

­

Z.H. und R.H. (8. Dez. 2015): Keine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) durch Nichtanerkennung der Ehe eines Asylsuchenden mit einer 14-jährigen Tochter und dessen Überstellung nach Italien (Dublin-Verfahren).

­

G.S.B. (22. Dez. 2015): Keine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) durch Übermittlung von Bankdaten eines amerikanisch-saudischen Doppelbürgers an die USA gestützt auf ein Amtshilfegesuch der USA; keine Diskriminierung gegenüber anderen ausländischen Bankkunden (Art. 8 in Verbindung mit Art. 14 EMRK).

2.3 2.3.1

Diskriminierung und Rassismus Bekämpfung des Rassismus

Der ER engagiert sich stark für die Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen (LGBTI) Personen. Durch die Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarats vom 31. März 2010 (CM/Rec (2010)05) sind verschiedene Initiativen innerhalb des ER und dessen Institutionen entstanden. Die Schweiz beteiligte sich an drei Projekten und zeigte somit die Bereitschaft sich stärker für den Schutz der Menschenrechte von LGBTI-Personen einzusetzen.

Die AMS des EDA hat die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2015 mit einem Beitrag von 32 000 Euro zum Schutz der Rechte von LGBTI-Personen innerhalb der ER-Mitgliedstaaten unterstützt. Seit dem 5. Zyklus der Prüfrunde wurde die Frage der Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität ins Mandat der ECRI aufgenommen. Durch Dialoge mit staatlichen, sowie nicht staatlichen Akteuren probiert das ECRI nun die Situation von LGBTI Personen zu verbessern.

Das Projekt des Generalsekretariats des Europarates Combating discrimination on grounds of sexual orientation or gender identity 2015­2017 (SOGI) hat offiziell am 1. Januar begonnen und wurde von der Schweiz mit einem Beitrag von 100 000 Franken unterstützt. Das Projekt basiert auf den Empfehlungen und bewährten Verfahren des LGBTI-Projektes 2011­2013 in Albanien, Italien, Lettland, Montenegro, Polen und Serbien, das vom ER zur Umsetzung der Empfehlung des Ministerkomitees des ER durchgeführt wurde. Es wird nun für drei Jahre mit dem angepassten Modell in Albanien, Bosnien und Herzegovina, Estland, Georgien, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen, Moldavien, Montenegro, Polen, Serbien, der Slowakei und der Türkei durchgeführt. Mit diesem Projekt ist auf Initiative der 768

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Niederlande der LGBT Focal Points Network entstanden, um bewährte Verfahren bei der Umsetzung der Empfehlungen des Ministerkomitees gegen die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität auszutauschen. Der Austausch findet vor allem bei den Gesamttreffen statt, die zwei Mal im Jahr organisiert werden. Die Schweiz beteiligt sich aktiv daran und war Gastgeberin der 5. Konferenz im November 2011 sowie des 15. Treffens vom 19./20. November.

Als Austragungsort wurde Genf gewählt; durch die Nähe zu internationalen Organisationen konnte insbesondere das Büro des Hochkommisars für Menschenrechte (OHCHR) in die Diskussion eingebunden werden, und es konnten Synergien mit Rainbow Cities geschaffen werden. Am 29 April hat die Schweiz die politische Deklaration von La Valetta unterzeichnet, die schon zuvor von weiteren achtzehn Mitgliedstaaten des ER zuvor schon angenommen wurde.

Eine Delegation der ECRI besuchte vom 21. bis 25. Oktober 2013 die Schweiz.

Schwerpunktthemen dieses fünften Berichtszyklus waren rechtliche Fragen, Hassrede, Gewalt und Integrationspolitik. Neu hinzu kam (wie in allen besuchten Ländern) das Thema LGBT. Der Bericht und die Empfehlungen der Delegation ECRI wurden am 19. Juni 2014 an der Plenarsitzung der ECRI verabschiedet und am 16. September 2014 vom ER veröffentlicht.

Im Berichtsjahr haben die Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRB) wie auch die ausserparlamentarische Kommission gegen Rassismus (EKR) ihre Aktivitäten in allen Bereichen der Rassismusbekämpfung fortgesetzt, und die Arbeiten zur Zwischenberichterstattung zu zwei Empfehlungen des ECRI von 2014 aufgenommen.

Erwähnenswert ist insbesondere die von der FRB unterstützte Kampagne der EKR gegen rassistische Hassrede im Internet, die sich insbesondere an Jugendliche wendet und diese auch einbezieht.

2.3.2

Minderheitenschutz

Die Schweiz anerkennt im Sinne des Rahmenübereinkommens des Europarats vom 1. Februar 199555 zum Schutz nationaler Minderheiten, das sie 1998 ratifiziert hat, als nationale Minderheiten die sprachlichen Minderheiten, die Gemeinschaft der Fahrenden sowie die jüdische Gemeinschaft. Wie bereits zur Situation der anderen beiden anerkannten Minderheiten wurde am 1. Dezember 2015 in Bern gemeinsam vom EDA und vom EDI eine Tagung zur Situation der jüdischen Gemeinschaft durchgeführt. Ziel der Tagung war es, die Lage der jüdischen Gemeinschaft in der Schweiz besser bekannt zu machen und für die Probleme zu sensibilisieren, mit denen sie heute zu kämpfen hat. Zu den diskutierten Themen gehörten der Platz der jüdischen Religion in der immer stärker säkularisierten Schweizer Gesellschaft, namentlich in der Schule, und die Pflichten des Staates angesichts der zunehmenden antisemitischen Drohungen und Feinseligkeiten gegen Personen jüdischen Glaubens.

In diesem Zusammenhang erinnerte Bundesrat Burkhalter nicht nur an die Verpflichtungen aus dem Rahmenübereinkommen des Europarates, sondern auch an das Engagement der Schweiz zur Stärkung der Anstrengungen der OSZE bei der Bekämpfung des Antisemitismus während des Schweizer Vorsitzes im Jahr 2014.

55

SR 0.441.1

769

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Der Bundesrat unterbreitete dem Europarat im Dezember seinen 6. Bericht zur Umsetzung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen vom 5. November 199256. Der Bericht zeigt die von der Schweiz ergriffenen Massnahmen zur Umsetzung der Bestimmungen der Charta auf. Besondere Beachtung erhielten der Status des Francoprovenzalischen in der Schweiz sowie der Romanischunterricht in Graubünden. Der Bericht zieht auch Bilanz über die Fortschritte bei der Umsetzung des Sprachengesetzes vom 5. Oktober 200757, das 2010 in Kraft getreten ist und seither die rechtliche Grundlage für die Förderung der Landessprachen darstellt. Ausserdem geht der Bericht auf die Revision der Sprachenverordnung vom 4. Juni 201058 ein, die im Oktober 2014 in Kraft getreten ist und mit der die Massnahmen zur Sprachenförderung innerhalb der Bundesverwaltung verstärkt werden.59 2015 engagierte sich die Schweiz weiterhin im Rahmen des Ad-hoc-Sachverständigenausschusses für Roma-Fragen (CAHROM). Das Bundesamt für Kultur verzichtete auf eine regelmässige Teilnahme an den Sitzungen des Ausschusses, engagierte sich aber in der Arbeitsgruppe Fahrende, in der ein Ideenaustausch zwischen den im CAHROM vertretenen Ländern mit ähnlichen Problemen stattfindet. Die Schweiz hat in diesem Rahmen zusammen mit anderen europäischen Ländern an einem von Frankreich organisierten Treffen im Oktober zum Thema Bildung der Kinder der Fahrenden teilgenommen. Diese gegenseitigen Besuche und informellen Austausche, die von der Schweiz unterstützt werden, finden weiterhin statt.

2.3.3

Gleichstellung von Frau und Mann

Die Schweiz richtete eine Konferenz des Europarats zum Thema «Für einen gleichberechtigten Zugang der Frauen zur Justiz» aus. Der gleichberechtigte Zugang der Frauen zur Justiz ist eines der Ziele der Strategie 2014­2017 des Europarats für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Die Konferenz fand am 15. und 16. Oktober 2015 in Bern statt und wurde von der Kommission des Europarats für die Gleichstellung von Frauen und Männern (DECS-GEC) und dem Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) organisiert. Sie war die letzte von drei internationalen Konferenzen zum Thema «gleichberechtigter Zugang der Frauen zur Justiz».

Schwerpunkt der Konferenz waren die Massnahmen, die für einen Abbau der nach wie vor bestehenden Hindernisse für einen gleichberechtigten Zugang der Frauen zur Justiz erforderlich sind. Eine Untersuchung über den Zugang von Frauen zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hat ergeben, dass zwischen 1998 und 2006 weniger als 20 % aller Beschwerden an den Gerichtshof von Frauen eingereicht wurden und dass mehr als 70 % der Beschwerden, welche die Geschlechterdiskriminierung betreffen, von Männern stammten. Daher müssen Frauen nicht nur uneingeschränkten Zugang zu Justizbehörden und Rechtsberatungsstellen finden, sondern auch Aussicht auf angemessene und wirksame Sanktionen bei Verletzung 56 57 58 59

770

SR 0.441.2 SR 441.1 SR 441.11 AS 2014 2987

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ihrer Rechte haben. An der Konferenz setzten sich 170 Fachleute aus mehr als 40 Ländern mit diesen Problemen auseinander, tauschten Erfahrungen aus und erörterten bewährte Methoden und allfällige Massnahmen. Unter anderem wurde auf Forschungsdefizite hingewiesen und festgehalten, im Hinblick auf nationale Statistiken sowie Daten zur Praxis von Gerichten und Behörden bestehe Nachholbedarf.

2.3.4

Verhütung von Folter

Eine fünfköpfige Delegation des Ausschusses zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) des Europarats, absolvierte am 13./14. April 2015 zum siebten Mal ihren regelmässigen Besuch in der Schweiz. Die Delegation besichtigte Polizeieinrichtungen, Strafanstalten und psychiatrische Stationen in den Kantonen Aargau, Basel-Stadt, Bern, Neuenburg, Tessin und Schwyz.

Sie interessierte sich für grundlegende Garantien gegen die Misshandlung von verhafteten oder in Gewahrsam genommenen Personen und insbesondere für die Rechte der Verhafteten, ein Familienmitglied oder eine andere Person zu informieren und einen Anwalt und eine Ärztin zu sehen. In den Strafanstalten achtete sie besonders auf die Haftbedingungen von Personen, bei denen eine Verwahrung oder eine stationäre therapeutische Behandlung angeordnet worden war, sowie auf die Haftbedingungen einzelner dieser Personen in Hochsicherheitstrakten. Der CPT verabschiedete den Bericht über seinen Besuch in der Schweiz an seiner Vollversammlung Anfang November 2015.

Im März organisierte der CPT anlässlich seines 25. Geburtstags eine Konferenz in Strassburg: «The CPT at 25: taking stock and moving forward». Dabei standen die Massnahmen zur Bekämpfung der Straflosigkeit in Polizeidiensten und Gefängnissen, die Gesundheitsversorgung in den Gefängnissen, jugendliche Gefangene, Isolationshaft sowie die neuen psychiatrischen Standards der CPT im Vordergrund.

2.4

Bioethik

Im Berichtszeitraum wurden vom leitenden Ausschuss für Bioethik (DH-Bio) folgende Arbeiten erbracht: Die Ausarbeitung des Entwurfs einer Empfehlung zum Thema «La prédictivité, les tests génétiques et l'assurance» wurde abgeschlossen und an den Lenkungsausschuss für Mneschenrechte («Comité Directeur pour les Droits de l'Homme», CDDH) weitergeleitet. Parallel befindet sich in der Schweiz das entsprechende Bundesgesetz vom 8. Oktober 200460 über genetische Untersuchungen am Menschen (GUMG) in der Revision; 2016 wird der Entwurf dem Parlament vorgelegt werden. Die Entwicklung der Empfehlung des ER wird im Rahmen der Gesetzesrevisionsarbeiten sorgfältig beobachtet; Differenzen zwischen den Regulierungen bestehen nicht.

60

SR 810.12

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Die Revision der Empfehlung Rec(2006)4 des Ministerrates über Forschung mit humanbiologischem Material wurde in den Plenumssitzungen weiter debattiert. Das Revisionsprojekt hat insofern einen etwas unglücklichen Verlauf genommen, als es ursprünglich zur Regelung von Biobanken gedacht war, dieser Begriff mittlerweile jedoch aufgrund der Schwierigkeiten, ihn zu definieren, aus dem Papier verschwunden ist. Stattdessen wurde aus systematischen Gründen im Zusammenhang mit anderen Dokumenten des Komitees zusätzlich die Entnahme von biologischem Material bzw. die Erhebung von Daten mit in den Geltungsbereich aufgenommen.

Dies führte insofern zu einem Missverhältnis, als die viel risikoärmere Forschung mit bereits vorhandenem Material und Daten nun viel mehr Raum in der Empfehlung einnimmt als jene, die mit der Entnahme beziehungsweise Erhebung einhergeht und deshalb ein konkretes Verletzungsrisiko impliziert. Konflikte mit der Schweizerischen Regelung der Humanforschung, in deren Geltungsbereich die Empfehlung fällt und die diese Bereiche risikoadaptiert regelt, bestehen nicht.

In Bezug auf die Erarbeitung eines neuen Zusatzprotokolls zum Übereinkommen vom 4. April 199761 über Menschenrechte und Biomedizin, und zwar zum Schutz der Würde und der Grundrechte von Personen mit psychischen Krankheiten im Hinblick auf Zwangsmassnahmen, wurde in der ersten Plenumssitzung im Mai entschieden, den Entwurf einer öffentlichen Anhörung zu unterbreiten, die von Juni bis November stattfand.

Im Hinblick auf die Studien zu Tendenzen in neuen, emergenten Techniken (Genetik, Big Data, Neurowissenschaften, Nanotechnologien) sowie zu deren ethischen Aspekten fand im Vorfeld der Sitzung vom Mai ein Symposium statt, auf dem die Resultate der beiden Studien vorgestellt und von Experten und Expertinnen diskutiert wurden. Das Fazit auf technischer Seite lautete, dass die Grenzen zwischen Biologie und Technologien dabei sind, sich in bislang unbekannter Weise und unbekanntem Ausmass aufzuheben. Das Fazit auf ethischer Seite bestand darin, dass dadurch keine neuen Werte für das Individuum auf dem Spiel stehen, sondern primär die soziopolitische Frage, wer die Entscheidungsmacht über die Implementierung von derlei Techniken besitzen soll, das heisst, ob Automatismen greifen, schleichende Prozesse oder ob Betroffene und Beteiligte
sich bewusst für oder gegen deren Anwendung entscheiden können. Das Büro erhielt den Auftrag, im Anschluss und auf der Basis der Ergebnisse des Symposions Vorschläge im Hinblick auf das zu erstellende White Paper auszuarbeiten. Eine erste Fassung der Vorschläge wurde an der Dezember-Plenumssitzung debattiert.

2.5

Elektronische Stimmabgabe (E-Voting)

Am 1. April beschloss das Ministerkomitee des ER, die Empfehlung Rec(2004)11 über rechtliche, operationelle und technische Standards für E-Voting überarbeiten zu lassen und dazu ein Ad-hoc-Expertenkomitee einzusetzen. Das entsprechende Mandat sieht vor, dass sich dieses Expertenkomitee aus Vertretern der Mitgliedstaaten des Europarats, internationaler Organisationen, der Wissenschaft, der Industrie sowie der Zivilgesellschaft zusammensetzt.

61

772

SR 0.810.2

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In einem ersten Schritt äusserte sich die Schweiz im Rahmen eines Fragebogens des zuständigen Sekretariats über mögliche Stossrichtungen bei der Überarbeitung der Empfehlung Rec(2004)11. Auf Grundlage der eingegangenen Antworten verfasste das Sekretariat einen Bericht, der am 28. Oktober 2015 vom Ad-hoc- Expertenkomitee in Strassburg beraten wurde. Die Schweiz brachte im Rahmen der Beratungen ihre praktischen Erfahrungen mit der elektronischen Stimmabgabe bei Wahlen und Abstimmungen und mit den 2014 totalrevidierten Rechtsgrundlagen ein.

2.6

Medien und Informationsgesellschaft

Die Schweiz ist über ein Mitglied der Abteilung Internationale Beziehungen des Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) im Büro des Lenkungsausschusses für die Medien und die Informationsgesellschaft (CDMSI-BU) vertreten, der seit dem 1. Januar 2012 den Lenkungsausschuss für Medien und neue Kommunikationsdienste (CDMC) ersetzt. Die Schweiz ist auch im Sachverständigenausschuss für den grenzüberschreitenden Internet-Verkehr und die Freiheit des Internet (MSI-INT) vertreten, der unter Leitung des CDMSI basierend auf den Menschenrechten Standards erarbeitet, um den ungehinderten Internetverkehr von legalen Inhalten zu schützen und zu erhalten.

Der CDMSI redigierte zuhanden des Ministerkomitees einen Entwurf für eine Empfehlung zum Schutz und zur Förderung des Rechts auf freie Meinungsäusserung und des Rechts auf Privatleben im Zusammenhang mit der Neutralität des Netzes.

Er nahm von der Verabschiedung der Empfehlung CM/Rec(2015)6 über den grenzüberschreitenden Internet-Verkehr und die Freiheit des Internet und von der Empfehlung CM/Rec(2015)5 über den Umgang mit personenbezogenen Daten am Arbeitsplatz sowie von der Erklärung über die Zentralstelle für die Vergabe von Internet-Namen und -Adressen (ICANN), die Menschenrechte und den Rechtsstaat und von der Erklärung über die Bilanz des Weltgipfels über die «Informationsgesellschaft+10» und die Mandatserweiterung des Internet Governance Forum (FGI) Kenntnis.

Was den MSI-INT betrifft, nahm der CDMSI von den Fortschritten der Arbeiten am Entwurf einer Empfehlung über die Freiheit des Internet, der an seiner nächsten Plenarsitzung verabschiedet wird, Kenntnis. Er stellte fest, dass bei der Vorbereitung eines Berichtsentwurfs über die Versammlungs- und Vereinsfreiheit im Internet Fortschritte erzielt wurden. Als Mitglied des MSI-INT arbeitete die Schweiz an der letzten Sitzung Anfang März an diesen Dokumenten mit.

Der CDMSI diskutierte auch über einen Entwurf für eine Empfehlung des Sachverständigenausschusses zum Schutz des Journalismus und zur Sicherheit der Journalistinnen und Journalisten (MSI-JO) und weiterer Medienschaffender mit dem Ziel, ihn in der nächsten Plenarversammlung zu verabschieden.

Der CDMSI nahm Kenntnis von den Informationen des Sekretariats über den Stand der Umsetzung der Internet-Gouvernanz-Strategie 2012­2015 und diskutierte über den Entwurf der Internet-Gouvernanz-Strategie 2016­2019, wobei er darauf hin-

773

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wies, dass aus Sicht des CDMSI die Aspekte Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat für die Gouvernanz des Internet von besonderer Bedeutung sind.

Schliesslich verabschiedete der CDMSI einen vom Sekretariat vorbereiteten Rechenschaftsbericht über seine Arbeitsgebiete und diskutierte über die künftigen Schwerpunkte und Arbeitsmethoden in den nächsten zwei Jahren. Er betonte, dass ein Gleichgewicht zwischen der Arbeit an den Standards und den weiteren Tätigkeiten gefunden werden müsse.

Er wies auf die Fragen im Zusammenhang mit Hassreden, Medienvielfalt und der Transparenz bei den Eigentumsverhältnissen der Medien sowie der Rolle und Verantwortung der Internetprovider hin. Er unterstützte die Durchführung von Machbarkeitsstudien über allfällige normative Instrumente betreffend die Medienberichterstattung bei Wahlen (einschliesslich der Frage der Geschlechtergleichstellung) und über die menschenrechtlichen Auswirkung von neuen Entwicklungen im Internet, zum Beispiel des Internets der Dinge oder von Algorithmen. Ausserdem befürwortete er den Austausch von Informationen und «Good Practices» zum Schutz der Journalisten, zu Fragen der Entkriminalisierung der Verleumdung, zu Medien und Service Public sowie zur Unabhängigkeit der Medien.

3 3.1

Rechtstaatlichkeit Völkerrecht: Ad-hoc-Ausschuss der Rechtsberater für Völkerrecht (CAHDI)

Im Ad-hoc-Ausschuss der Rechtsberater für Völkerrecht (CAHDI) des Europarats treffen sich zwei Mal jährlich die Rechtsberater der Aussenministerien der Mitgliedstaaten zum Erfahrungs- und Gedankenaustausch. Die Schweiz nimmt in der Person des Direktors der Direktion für Völkerrecht (DV) regelmässig an den Treffen des CAHDI teil. Das Forum bietet der Schweiz Gelegenheit, über aktuelle völkerrechtliche Entwicklungen zu diskutieren, Erfahrungen zu Fragen der nationalen Umsetzung völkerrechtlicher Normen auszutauschen sowie Stellungnahmen unter den Mitgliedstaaten des Europarates zu koordinieren.

Eine wichtige Aufgabe des CAHDI ist die Beobachtung der Vorbehalte zu völkerrechtlichen Verträgen. Ein Staat kann bei der Ratifizierung eines Vertrags einen Vorbehalt machen, sofern der Vertrag dies nicht ausschliesst und der Vorbehalt mit dem Ziel und Zweck des Vertrags vereinbar ist. Andere Staaten können dann dagegen Einwände vorbringen, wenn sie Zweifel an der Zulässigkeit des Vorbehalts haben. Da es sich oft um eine Frage der Interpretation handelt, braucht es einen internationalen Dialog, um die Fragen zu klären und die Integrität der internationalen Verträge vor allem im Bereich Menschenrechte zu fördern. Das CAHDI prüft daher regelmässig eine Liste mit Vorbehalten, gegen die Bedenken geäussert wurden, wobei die im Ausschuss vertretenen Staaten ihre Meinung über konkrete Fälle austauschen und sich koordinieren können. Wenn eine gewisse Zahl von Vertragspartnern Bedenken gegen einen Vorbehalt eines Staates zu einem Vertrag äussert, kann dies letzteren zum Rückzug des Vorbehalts bewegen.

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Dieser Meinungsaustausch innerhalb des CAHDI ist für die Schweiz sehr nützlich: Sie prüft die Vorbehalte anderer Staaten sehr sorgfältig und bringt wenn nötig Einwände vor. So äusserte sie nach Diskussionen im CAHDI Bedenken, dass Kuwait sich beim Internationalen Übereinkommen vom 9. Dezember 199962 zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus die Möglichkeit vorbehielt, Terrorismus entsprechen seiner Verpflichtungen als arabischer und muslimischer Staat zu definieren und so den Anwendungsbereich des Übereinkommens zu begrenzen. Ebenso meldete sie gegen die Vorbehalte von Pakistan Bedenken an, das sich bei der Ratifizierung des Internationalen Pakts vom 16. Dezember 196663 über bürgerliche und politische Rechte und des Übereinkommens vom 10. Dezember 198464 gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe auf den Inhalt der islamischen Scharia berief.

Kürzlich brachte die Schweiz zusammen mit zahlreichen europäischen Staaten Einwände vor gegen einen Vorbehalt der Republik El Salvador zum Zweiten Fakultativprotokoll vom 15. Dezember 198965 zum Internationalen Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe. Die Schweiz war dagegen, dass sich El Salvador das Recht vorbehält, die Todesstrafe in Situationen anzuwenden, wie sie in seinen Militärgesetzen geregelt sind. Diese Haltung steht im Einklang mit dem Ziel der Schweiz auf internationaler Ebene, die Todesstrafe überall und unter allen Umständen abzuschaffen und ganz allgemein die Menschenrechte zu fördern. Auf diese Weise kann die Schweiz über die Diskussionen im CAHDI direkt zum Erhalt der Integrität des Völkerrechts beitragen und ihre Beziehungen mit anderen Vertragsstaaten pflegen.

3.2 3.2.1

Strafrecht Bekämpfung des Menschenhandels

Das Übereinkommen des Europarats vom 16. Mai 200566 zur Bekämpfung des Menschenhandels trat am 1. April 2013 für die Schweiz in Kraft. Eine unabhängige Expertengruppe GRETA überwacht die Umsetzung des Übereinkommens. Nach ihrem Besuch in der Schweiz im Oktober 2014 unterbreitete GRETA der Schweiz bzw. der Geschäftsstelle der Koordinationsstelle gegen Menschenhandel und Menschenschmuggel KSMM ihren Entwurf des Evaluationsberichts. Nach Konsultation der involvierten Bundesstellen und der im Steuerungsorgan der KSMM vertretenen Organisationen hat die Schweiz GRETA ihre Haltung im Juni mitgeteilt. Der definitive Evaluationsbericht von GRETA über die Umsetzung des Übereinkommens durch die Schweiz wurde am 14. Oktober 2015 veröffentlicht. Dieser Bericht wurde am 17. Treffen des Ausschusses der Vertragsparteien am 30. November 2015 diskutiert, an dem auch die von GRETA vorgeschlagenen Empfehlungen verabschiedet wurden.

62 63 64 65 66

SR 0.353.22 SR 0.103.2 SR 0.105 SR 0.103.22 SR 0.311.543

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Zudem nahm die Schweiz im Juni an der Konferenz zum 10. Geburtstag des Übereinkommens teil. Sie war auch am 16. und 17. Treffen des Ausschusses der Vertragsparteien des Übereinkommens vertreten, die am 15. Juni und am 30. November stattfanden.

3.2.2

Cyberkriminalität

Das Übereinkommen des ER vom 23. November 200167 über die Cyberkriminalität ist für die Schweiz am 1. Januar 2012 in Kraft getreten. Ein gesetzgeberischer Anpassungsbedarf hat sich bezüglich des Straftatbestandes des unbefugten Eindringens in ein Datenverarbeitungssystem (Art. 143bis StGB68, sog. Hacking-Tatbestand) sowie bezüglich der internationalen Zusammenarbeit (neuer Art. 18b des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 198169) ergeben.

Bei der nationalen 24/7-Stelle (Einsatzzentrale fedpol) und der Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (KOBIK) konnte durch das Inkrafttreten des Übereinkommens ein deutlicher Anstieg des internationalen polizeilichen Schriftverkehrs festgestellt werden. Vermehrt machen auch die kantonalen Strafverfolgungsbehörden von den neuen Möglichkeiten der internationalen Rechtshilfe Gebrauch. Die nationalen Strafverfolgungsbehörden konnten internationalen Rechtshilfeersuchen an die Schweiz mit teilweise äusserst komplexen Anfragen zeitgerecht und professionell nachkommen.

Das Übereinkommen sieht vor, dass sich die Mitgliedstaaten mindestens einmal jährlich treffen, um gemeinsam über die Implementierung und Weiterentwicklung der Konvention zu befinden. KOBIK nimmt seit 2012 an den Treffen des Convention Committee on Cybercrime (T-CY) in Strassburg teil. Im Zentrum der internationalen Gespräche stehen Fragen zum grenzüberschreitenden Zugriff auf Computerdaten (Art. 32 des Übereinkommens über Cyberkriminalität) und zu den Herausforderungen im Umgang mit Cloud-Diensten.

3.2.3

Terrorismus

Der ER hat im Jahr 2015 unter erheblichem Zeitdruck ein Zusatzprotokoll zum Übereinkommen vom 16. Mai 2005 zur Verhütung des Terrorismus verabschiedet.

Die Schweiz hat an der Erarbeitung massgeblich mitgewirkt und insbesondere auf eine massvolle Ausweitung der Strafbarkeiten und die Wahrung der Grundsätze des humanitären Völkerrechts hingewirkt. Das Zusatzprotokoll ergänzt einerseits den Inhalt des zugrundeliegenden Übereinkommens. Es stellt Reisen für terroristische Zwecke sowie entsprechende Finanzierungs- und Unterstützungshandlungen unter Strafe und setzt andererseits die aus Ziffer 6 der Resolution 2178 vom 24. September 2014 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen herrührenden Verpflichtungen um.

67 68 69

776

SR 0.311.43 SR 311.0 SR 351.1

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Das Zusatzprotokoll wurde am 22. Oktober in Riga zur Unterzeichnung aufgelegt.

Ende 2015 haben zwanzig Mitgliedstaaten, darunter die Schweiz, sowie die EU das Protokoll unterschrieben. Die Schweiz prüft eine gleichzeitige Genehmigung und Umsetzung des Zusatzprotokolls zusammen mit dem Übereinkommen.

Ferner verabschiedete das Ministerkomitee einen dreijährigen Aktionsplan, der verschiedene Massnahmen des Europarats zur Bewältigung von Radikalisierung an Schulen, in Haftanstalten und im Internet dargelegt.

3.2.4

Organhandel

Die Europaratskonvention gegen den Organhandel, die im Juli 2014 vom Ministerkomitee verabschiedet wurde, lag an der von Spanien organisierten hochrangigen internationalen Konferenz zu diesem Thema am 25. und 26. März in Santiago de Compostela zur Unterzeichnung auf. Die Schweiz nahm an dieser Konferenz teil.

Die Konferenz bot Gelegenheit, über die Vor- und Nachteile einer Ratifikation der Konvention zu diskutieren und einige Erfahrungen und «Good Practices» bei der Bekämpfung des Organhandels auszutauschen. Die Schweiz unterstützt die Ziele der Konvention vollkommen und verfügt bereits über eine solide Rechtsgrundlage zur Bekämpfung dieser Form des Handels. Trotzdem müssen die rechtlichen Folgen einer Ratifikation sowohl für den Bund wie auch für die Kantone genau und gründlich geprüft werden. Aufgrund der Ergebnisse dieser Abklärungen, die zurzeit im Gang sind, können dann die nächsten Schritte in Richtung Unterzeichnung und Ratifikation der Konvention festgelegt werden.

Vor der Konferenz fanden am 23. und 24. März das Treffen des Lenkungsausschusses für Organtransplantationen (CD-P-TO) und ein von der WHO, dem Europarat und Swisstransplant organisierter Marsch gegen den Organhandel statt. Der CD-P-TO diskutierte insbesondere über ein Protokoll zur Bekämpfung des Handels mit Gewebe und Zellen. Ausserdem wird an einer Aktualisierung der Richtlinien für die Transplantation von Organen, Gewebe und Zellen gearbeitet, auf die in der Schweizer Gesetzgebung verwiesen wird. Schliesslich bot das Treffen des CD-P-TO der Schweiz Gelegenheit, zwei Projekte vorzustellen, die auf Interesse stiessen und vom Ausschuss weiterverfolgt werden. Es handelt sich um die Projekte Impact of ovocyte banking on donor situation und Data acquisition on the storage of adipose tissue for autologous clinical application.

3.2.5

Verhütung und Bekämpfung von häuslicher Gewalt

Das Europaratsübereinkommen vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) trat am 1. August 2014 in Kraft. Es ist das erste verpflichtende Instrument auf europäischer Ebene zum Schutz der Frauen und Mädchen vor allen Formen von Gewalt, einschliesslich häuslicher Gewalt. Ziel der Konvention ist die Prävention, die Verfolgung und Beseitigung aller Formen von Gewalt gegen Frauen. Sie zielt auch darauf ab, die Diskriminierung der Frauen zu beseitigen und die Gleichstellung von Frauen

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und Männern zu fördern. Dabei legt sie das Schwergewicht auf die Rechte, den Schutz und die Hilfe für die Opfer.

Die Schweiz hat das Übereinkommen am 11. September 2013 unterzeichnet. Die Vernehmlassung zur Ratifizierung der Konvention wurde am 7. Oktober 2015 eröffnet.

3.3

Drogen

Die «Groupe Pompidou» wurde im Jahr 1971 auf Initiative des damaligen französischen Präsidenten Pompidou gegründet. 1980 wurde sie in die Organisation des ER in Strassburg eingegliedert und zählt heute 37 Mitgliedstaaten, nachdem 2014 Bosnien-Herzegowina aufgenommen wurde.

Die «Groupe Pompidou» koordiniert unter den Mitgliedsländern Aspekte der Drogenpolitik, die von gemeinsamem Interesse sind. Die «Groupe Pompidou» soll Politik, Wissenschaft und tägliche Drogenarbeit vernetzen. Die offenen Diskussionsforen, frei von rechtlich oder politisch bindender Wirkung, sind für alle Mitgliedstaaten von grosser Bedeutung, da sie eine Voraussetzung für eine innovative Politik darstellen. Die für das Arbeitsprogramm 2015­2018 vorgesehenen Aktivitäten und Konferenzen konzentrieren sich auf die an der Ministerkonferenz vom November 2014 gelegten Schwerpunkte Menschenrechte im Drogenbereich, Analyse von politischen Interventionen, Änderung der Konsummuster und Möglichkeiten und Herausforderungen des Internets. Dabei wird auf den Austausch von Informationen und Erfahrungen unter den Gesundheitsbehörden, aber auch zwischen Polizei-, Zollund Grenzwachtbehörden, Aufsichtsbehörden sowie internationalen Organisationen Wert gelegt.

Die Schweiz, vertreten durch das Bundesamt für Polizei (fedpol), präsidiert seit dem 1. Januar 2011 die Flughafengruppe (Airports Group) und wird den Vorsitz dieser Gruppe auch im Arbeitsprogramm 2015­2018 weiterführen. Die Gruppe besteht aus Zoll-, Grenzwacht- und Polizei-Vertreterinnen und -Vertretern aus 37 Staaten, fünf Mitgliedstaaten des mediterranen Netzwerks (medNET ­ Algerien, Ägypten, Jordanien, Libanon und Tunesien), vier Staaten mit Beobachterstatus (Litauen, Mexico, Ukraine und USA) sowie Australien, Japan, Kanada, Kosovo und Belarus. Die Flughafengruppe zielt auf die Harmonisierung sowie Verbesserung von Kontrollmassnahmen im Drogenbereich auf europäischen Flughäfen und die Verbesserung von Kontrollmassnahmen im Bereich General Aviation ab.

Die im Arbeitsprogramm der «Groupe Pompidou» 2015­2018 vorgesehenen Aktivitäten und Konferenzen konzentrieren sich auf den Austausch von Informationen, Trends und Entwicklungen unter den Polizei-, Zoll- und Grenzwachtbehörden, internationalen Organisationen sowie Aufsichtsbehörden. 2015 wurde im Rahmen des Programms Law Enforcement Activities
das 30. Jahrestreffen der Airports Group durchgeführt. An diesem Treffen nahmen ebenfalls Vertreter von ehemaligen Mitgliedstaaten der «Groupe Pompidou» teil, das heisst Grossbritannien, Deutschland, die Niederlande und Dänemark. Des Weiteren wurde zudem eine Konferenz zu den neuen Bedrohungen im Bereich der Vorläuferstoffe und eine Konferenz im Bereich Internetkriminalität bzw. Online-Drogenhandel durchgeführt. Fedpol war 778

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als Vorsitz der «Flughafengruppe» und Mitglied des Organisationskomitees aktiv an der Organisation dieser Konferenzen beteiligt.

Für die Schweiz ist die «Groupe Pompidou» das einzige Gremium, an dem sie sich mit europäischen Staaten über drogenpolitische Themen austauschen kann. Im Gegensatz dazu stehen der Mehrzahl der Mitgliedstaaten der Gruppe, darunter auch den Nicht-EU-Staaten Norwegen und Türkei, die Foren der EU für den drogenpolitischen Austausch zur Verfügung. Von Bedeutung ist hier insbesondere die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD).

3.4

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit

Das Zusatzprotokoll zur Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung vom 15. Oktober 198570 soll die Rechte der Bürgerinnen und Bürger auf Mitwirkung an den Angelegenheiten einer kommunalen Gebietskörperschaft schützen. Es verpflichtet die Staaten, Rechte vorzusehen wie etwa das Referendum gegen Rechtsakte, den Zugang zu Dokumenten der lokalen Gebietskörperschaften zu regeln und den Bürgerinnen und Bürgern ein Rekursrecht einzuräumen. Die vom Bundesrat im Juni 2015 eröffnete Vernehmlassung zur Ratifizierung dieses Protokolls wurde im Oktober abgeschlossen.

3.5

Venedig-Kommission, Beirat der Europäischen Richter, Europäische Kommission für die Wirksamkeit der Justiz

Der Gemeinsame Rat für Verfassungsgerichtsbarkeit («Conseil mixte de justice constitutionnelle», ein Organ der Venedig-Kommission) hat im Berichtsjahr die Verbreitung der staatsrechtlichen Rechtsprechung über das «Bulletin de jurisprudence constitutionnelle» und über die Datenbank CODICES weiter vorangetrieben.

Der Beirat europäischer Richterinnen und Richter (CCJE) hat im Oktober seine 18. Stellungnahme zum Thema die Stellung der Justiz und ihre Verhältnisse zu den den anderen Staatsgewalten in einer modernen Demokratie verabschiedet.

Die Europäische Kommission für die Wirksamkeit der Justiz (CEPEJ) hat im Hinblick auf die Herausgabe seines aktualisierten Berichts über die Evaluation der europäischen Justizsysteme im Herbst 2016 die Statistikdaten 2014 erhoben. Sie hat ihre Kooperationstätigkeiten zur Optimierung des Funktionierens der Gerichte in den Mitgliedstaaten des Europarats sowie in den Nachbarländern fortgesetzt.

Schweizer Experten präsidieren die Arbeitsgruppen Verfahrensdauer und Qualität der CEPEJ und haben in den Kooperationstätigkeiten namentlich in Albanien, Griechenland, Marokko und Tunesien mitgewirkt.

70

SR 0.102

779

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4 4.1 4.1.1

Demokratie Gesundheit Pharmazeutische Produkte und Pflege

Im Expertenkomitee zur Qualität und Sicherheit in der pharmazeutischen Praxis und der medizinischen Betreuung (CD-P-PH/PC) unterstützt die Schweiz vier Projekte zu folgenden Themen: Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln, die in Apotheken sowie anderen Betrieben einschliesslich Stationen in Spitälern hergestellt oder zubereitet werden; Einfluss traditioneller aussereuropäischer Arzneimittel auf die Patientensicherheit in Europa; Qualität der Versorgung (PharmaceuticalCare) und Indikatorenentwicklung und Entwicklung von Empfehlungen zum Einsatz von sogenannten Dose-Dispensing-Systemen. Die Schweiz beteiligte sich im Berichtsjahr an Expertenmeetings, Weiterbildungen und Tagungen zu diesen Themen.

Bezüglich der traditionellen aussereuropäischen Arzneimittel präsentierte die Schweiz als Berichterstatterin ein Leitbild für ein Curriculum und Minimalstandards für die Ausbildung der Therapeuten und Spezialistinnen, das im Juni allen Mitgliedstaaten überreicht wurde. Seit September koordiniert die Schweiz ein neues Projekt zum Aufbau eines Überwachungs- und Meldesystems für unerwünschte Nebenwirkungen von alternativmedizinischen Therapien.

Am 28. September 2011 unterzeichnete die Schweiz das Europaratsübereinkommen über die Fälschung von Arzneimitteln und Medizinprodukten und über ähnliche die öffentliche Gesundheit gefährdende Straftaten, das verhindern soll, dass gefälschte therapeutische Produkte (Medikamente und medizinische Geräte) die öffentliche Gesundheit gefährden. Dieses Übereinkommen, das erste internationale Instrument zur Regelung dieses Bereichs, regelt die Verstösse im Zusammenhang mit der Herstellung, dem Anbieten und dem Handel gefälschter Produkte sowie den Schutz der Rechte der Opfer solcher Handlungen. Es regelt auch die nationale und internationale Zusammenarbeit der beteiligten Behörden. Das Ratifikationsverfahren unter der Federführung des Bundesamts für Gesundheit (BAG) wird in enger Zusammenarbeit mit Swissmedic, dem Schweizerischen Heilmittelinstitut, und andern direkt betroffenen Ämtern wie dem Bundesamt für Justiz (BJ) durchgeführt.

Im Expertenkomitee zur Reduzierung der Risiken für die öffentliche Gesundheit verursacht durch Arzneimittelfälschungen (CD-P-PH/CMED) hatte die Schweiz in der Amtsperiode von 2014 bis 2015 den Vorsitz. Die Schweiz engagierte sich aktiv bei den
Projekten des Komitees, wie der Konkretisierung einer zentralen Europäischen Datenbank zur Erfassung von Arzneimittelfälschungen und der weiteren Verbreitung eines Behörden-Netzwerks, genannt Single Points of Contact (SPOCs).

Auch beteiligte sich die Schweizer Delegierte als Referentin bei Trainings für SPOCs in Afrika.

4.1.2

Pharmakopöe

Die Europäische Pharmakopöe (Ph. Eur.) ist eine unter der Ägide des ER erarbeitete Sammlung von Vorschriften über die Qualität von Arzneimitteln (einschliesslich Wirkstoffe), pharmazeutischen Hilfsstoffen und einzelnen Medizinprodukten.

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Die Ph. Eur. enthält über 2600 Monografien und allgemeine Texte. Neben der Ausarbeitung neuer Vorschriften werden auch bereits bestehende Vorschriften der Ph. Eur. laufend überarbeitet. Diese stete, nötigenfalls auch dringliche Anpassung der Pharmakopöe an den Stand von Wissenschaft und Technik gewährleistet eine angemessene Kontrolle der Rohstoffe und Präparate in einem globalisierten Markt und leistet zudem einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen.

Bei den spezifischen Monographien lag der Schwerpunkt bis anhin bei Wirk- und Hilfsstoffen sowie bei Fertigproduktmonographien besonderer Arten von Arzneimitteln wie beispielsweise Impfstoffen, Immunsera, radioaktiven Arzneimitteln oder homöopathischen Zubereitungen. Im März verabschiedete die Europäische Pharmakopöekommission erstmals eine Monografie für ein Fertigprodukt mit einem chemisch definierten Wirkstoff.

Die Ph. Eur. stellt in den 37 Vertragsstaaten des Übereinkommens über die Ausarbeitung einer Ph. Eur. und in der Europäischen Union ein rechtsverbindliches Werk dar. Die Arbeiten hierzu finden unter der Federführung der Europäischen Direktion für Arzneimittelqualität und Gesundheitsfürsorge (EDQM) in Strassburg statt. Jeder Vertragsstaat ist verpflichtet, sich daran zu beteiligen und die beschlossenen Qualitätsvorschriften in nationales Recht zu überführen. In der Berichtsperiode (Jan.­Dezember) wurden die Nachträge 8.3, 8.4 und 8.5 der achten Ausgabe der Ph. Eur. implementiert.

Die Aktivitäten der Ph. Eur. werden ausserdem durch 8 europäische und 18 aussereuropäische Beobachterstaaten sowie die Taiwan Food and Drug Administration (TFDA) und die WHO näher verfolgt. Damit hat die Arbeit der Ph. Eur. einen weltweiten Einfluss auf die Qualität von Arzneimitteln und Arzneistoffen. Im Berichtsjahr erlangte Südkorea neu den Beobachterstatus.

Swissmedic stellt mit der Abteilung Pharmakopöe die Nationale Pharmakopöebehörde der Schweiz. Sie koordiniert den Schweizer Beitrag zur Ph. Eur. Dieser wird durch Schweizer Expertinnen und Experten aus Industrie, Hochschulen, Apotheken und Behörden erbracht, die Einsitz in den meisten der insgesamt über 70 Fachgremien der Ph. Eur. nehmen und hierbei jährlich mehr als neun Personenjahre an Facharbeit leisten. Über 50 % dieser Arbeiten erfolgten durch Mitarbeitende von Swissmedic.
Der durch die Schweiz erbrachte Beitrag verdeutlicht einerseits den hohen Stellenwert der Pharmakopöe, andererseits die Expertise, welche die Schweiz als eines der weltweit wichtigsten Länder mit pharmazeutischer Industrie einbringen kann.

4.1.3

Gesundheitsschutz der Konsumentinnen und Konsumenten

Die Schweizer Delegation hat weiter an den Sitzungen des Sachverständigenausschusses für Verpackungen für Lebensmittel und pharmazeutische Erzeugnisse (P-SC-EMB) teilgenommen. Die letzte verabschiedete Resolution ist die Resolution (2013)9 betreffend Metalle und Legierungen, die mit Lebensmitteln in Kontakt

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kommen. Der Einsatz von Freisetzungswerten für gewisse Metalle wie etwa Silber stellt die Industrie vor Probleme, denn die zulässigen Freisetzungswerte werden im Rahmen der Tests oft überschritten. In diesen Fällen erhalten die Unternehmen keine Konformitätsbescheinigung, denn die Produkte entsprechen nicht den Vorgaben.

Eine Lösung muss rasch gefunden werden, da die Hersteller, die keine Konformitätsbescheinigung mehr erhalten, ihre Produkte auch nicht verkaufen können. Eine mögliche Lösung besteht in der Änderung der Testbedingungen. Es wurde eine Ad-hoc-Gruppe gebildet, um über die Testbedingungen wie Simulanzien, Temperaturen und Kontaktdauer zu diskutieren.

Die Resolutionen über die Verpackungstinten und die Papiere und Kartons sind ebenfalls in Überarbeitung. Diese beiden Themen werden in Ad-hoc-Arbeitsgruppen behandelt.

Die Schweizer Delegation beteiligte sich weiter an den Arbeiten des Sachverständigenausschusses für Kosmetika (P-SC-COS). Dieser Ausschuss redigiert Empfehlungen zur Verwendung ätherischer Öle in Kosmetika und stützt sich hierbei auf zwei Publikationen, die in Frankreich veröffentlicht wurden. Das definitive Dokument wird allen Mitgliedstaaten zur Schlussabstimmung unterbreitet.

Die Ad-hoc-Gruppe für Tätowierungen und Permanent-Make-up hat im Berichtsjahr ein Dokument über die Mindestanforderungen an die toxikologische Bewertung von Tinten für Tätowierungen und Permanent-Make-up fertiggestellt, das ebenfalls zur Schlussabstimmung unterbreitet wird. Angesichts der grossen Zahl tätowierter Personen und der aktuell schwachen gesetzlichen Vorschriften zu Tätowierungen bringt dieses Dokument neue Gesichtspunkte und ist effektiv von wissenschaftlichem Wert.

Die Ad-hoc-Gruppe Amtliche Laboratorien für die Kontrolle von Kosmetika (OCCL) erarbeitet allgemeine Dokumente zu den Grundprinzipien innerhalb dieser Arbeitsgruppe bei der Einführung von Eignungsprüfungssystemen (PTS) und Marktüberwachungsstudien (MSS) für Kosmetika. 2015 hat sie sich vor allem mit Eignungsprüfungssystemen (PTS) für Titandioxid in Sonnenschutzprodukten, für Fluor in Zahnpasten, für Wasserstoffperoxid in Produkten zur Bleichung der Zähne und mit einer Marktüberwachungsstudie für zahnbleichende Produkte auseinandergesetzt.

4.2

Kultur, Bildung, Jugend und Sport

Der Lenkungsausschuss für Kultur (CDCULT) und der Lenkungsausschuss für Kulturerbe und Landschaft (CDPATEP) wurden 2012 zusammengelegt, daraus entstand der Lenkungsausschuss für Kultur, Kulturerbe und Landschaft (CDCPP).

Dieser hat sich seither vier Mal getroffen, zuletzt im Juni. Die Schweizer Delegation setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern des Bundesamtes für Kultur (BAK/Internationales) und des Bundesamtes für Umwelt (BAFU/Sektion Ländlicher Raum) zusammen. Die Schweiz wurde für 2014­2015 ins Büro des CDCPP gewählt. Sie war stark in die Arbeiten des Ausschusses involviert, was wegen der Nichtteilnahme der Schweiz am Kulturförderprogramm der EU (Kreatives Europa) von besonderer Bedeutung war.

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4.2.1

Kultur

2015 war die Tätigkeit des CDCPP in kulturellen Fragen von einer Durchsicht/Überarbeitung aller Konventionen, für die er zuständig ist, und von der Umsetzung der Beschlüsse der 10. Kulturministerkonferenz von 2013 in Moskau geprägt.

In diesem Zusammenhang wurde vom CDCPP namentlich ein Empfehlungsentwurf zuhanden des Ministerkomitees zum Internet der Bürgerinnen und Bürger erarbeitet.

Die Schweiz ist seit 2013 Mitglied des Erweiterten Teilabkommens des Europarates über die Kulturwege (APE). Anlässlich des jährlichen Treffens der Geschäftsleitung des APE am 28./29. Mai wurden vier neue Wege zertifiziert, womit die Zahl der zertifizierten Kulturwege des Europarats auf insgesamt 33 stieg. Die Schweiz ist nicht direkt an diesen neuen Projekten beteiligt.

Der Beitrag des Bundes an das Erweiterte Teilabkommen über die Kulturwege belief sich 2015 auf rund 11 000 Euro.

4.2.2

Kulturerbe

Das System HEREIN (europäische Kulturerbepolitik), das seit vielen Jahren von der Schweiz unterstützt wird, konnte 2014 erfolgreich neu lanciert werden und ist seither im Netz zugänglich (www.herein-system.eu). Es ist als Informationsplattform und Instrument zum Dialog und zur Vernetzung von Fachleuten und KulturerbeBehörden in Europa konzipiert und dient dem Monitoring der Umsetzung der Kulturerbe-Konventionen des Europarats. Die Schweiz ist zudem Mitglied der Internationalen Non-Profit-Organisation AISBL HEREIN, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Erfahrungs- und Informationsaustausch über Kulturerbepolitik zu fördern.

Die Schweiz nahm auch an der 6. Kulturerbe-Ministerkonferenz, die vom belgischen Vorsitz des Ministerkomitees am 23./24. April in Namur organisiert wurde, teil. An der Konferenz zum Thema «Das Kulturerbe im 21. Jahrhundert für ein besseres Zusammenleben» konnte die Erklärung von Namur verabschiedet werden, die die Ausarbeitung und Verabschiedung einer neuen, gemeinsamen Strategie aller Mitgliedsländer des Europarats im Bereich Kulturerbe bis 2016 vorsieht. Der CDCPP hat die Aufgabe, diese Strategie zu erarbeiten. An der Konferenz wurde auch der Appell von Namur angenommen, mit dem die Kulturerbe-Minister und ihre Vertreter die absichtliche Zerstörung von Kulturerbe und den illegalen Handel mit Kulturgütern in Konfliktsituationen verurteilen.

4.2.3

Landschaft

Das BAFU nahm im März 2015 an der 8. Konferenz des Europarats über die Umsetzung des Europäischen Landschaftsübereinkommens vom 20. Oktober 200071 teil und unterstützte die Umsetzung des Übereinkommens auch im Jahr 2015 wieder mit einem Beitrag von 40 000 Franken. Die unterstützten Arbeiten betreffen die Ent71

SR 0.451.3

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wicklung des Informationssystems des Europarats für die Umsetzung des Übereinkommens und die Vorbereitung der Arbeitsgruppensitzungen zur Landschaftspolitik auf nationaler Ebene.

4.2.4

Medien (Eurimages)

2015 verabschiedete der CDCPP das überarbeitete Europäischen Übereinkommen über die Gemeinschaftsproduktion von Kinofilmen, das aktualisiert wurde, um der heutigen Praxis der Industrie namentlich im Zusammenhang mit neuen Technologien und der Diversifizierung von Formen der Gemeinschaftsproduktion Rechnung zu tragen. Damit können Koproduktionen ab einer Minderheitsbeteiligung von 10 % (gegenüber früher 20 %) anerkannt werden. Der definitive Text soll der Parlamentarischen Versammlung an der Session vom Januar 2016 vorgelegt werden.

Der Vorstand des Europäischen Fonds zur Unterstützung der Gemeinschaftsproduktionen und der Verbreitung von Kino- und Fernsehfilmen (Eurimages) unterstützt europäische Koproduktionen, Filmverleihe und Kinos. 2015 wurden zehn Koproduktionsprojekte mit Schweizer Beteiligung ausgewählt und zur Genehmigung unterbreitet. Insgesamt wurden vier von zehn vorgeschlagenen Projekten unterstützt, zwei davon mit einer Schweizer Mehrheitsbeteiligung und zwei mit einer Minderheitsbeteiligung. Der Gesamtbetrag, den Eurimage 2015 an Filmprojekte vergab, belief sich auf 22 130 000 Euro, davon kamen rund 1 030 000 Euro Schweizer Produktionen zugute.

Infolge des Ausschlusses der Schweiz vom EU-Programm MEDIA wurden auch Gesuche zur Unterstützung von Filmverleihen und Kinos eingereicht. Erstere betreffen hauptsächlich die Förderung europäischer Filme in der Schweiz. 2015 wurden sieben Verleihe für die Kinostarts von insgesamt 39 Filmen mit einem Betrag von 323 000 Euro unterstützt. An zwölf dieser Filme waren Schweizerinnen und Schweizer beteiligt, davon sechs im Bereich der Realisierung. Für die Unterstützung von Kinos erhielt die Schweiz im vergangenen Jahr 318 900 Euro aufgeteilt auf 66 Kinos.

Die Schweiz leistete 2015 einen Bundesbeitrag an Eurimages von 574 626 Euro und wurde umgekehrt mit 1 736 400 Euro aus diesem Programm unterstützt.

4.2.5

Erziehungs- und Hochschulwesen

Im Bereich Hochschulbildung stellte die Ad-hoc-Gruppe, die 2014 geschaffen wurde, um die Kontakte zu den Einrichtungen und den Entscheidungsträgern im Hochschulbereich zu verstärken, den Bericht über ihr erstes Treffen und die thematischen Schwerpunkte des Europarats zu diesem Thema vor: weiterhin eine aktive Rolle bei der Entwicklung des europäischen Hochschulraums spielen (Unterstützung der neuen Mitglieder); sein Engagement zur Förderung der Anerkennung der Qualifikationen und der Anwendung des Lissabonner Anerkennungsübereinkommens weiterführen und seine Rolle im Programm zur Förderung des demokratischen

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Auftrags der Hochschulbildung, namentlich den der Institutionen in ihrem lokalen Umfeld, ausbauen.

Der Bildungsbereich erhielt beim Ministerkomitee aufgrund der islamistischen Radikalisierung bei einem Teil der Jugend Europas zusätzliche Bedeutung. Der CDPPE hat nun den Auftrag, an Curricula zu arbeiten, die dieser neuen Herausforderung etwas entgegensetzen können. Im Übrigen hat die Schweiz ihr Engagement im Programm lebendige Sprachen namentlich in den folgenden Projekten fortgesetzt: europäisches Portfolio für Vorschullehrkräfte in Ausbildung (EPOSA); mehrsprachige Curricula auf Schulebene; Verbesserung der Sprachkompetenz durch Erlernen eines Fachs in einer Fremdsprache; Entwicklung der Sprachkompetenz der Migrantinnen und Migranten namentlich am Arbeitsplatz. Beim Programm «Geschichtsunterricht» möchte die Schweiz ein Projekt zum Thema Kalter Krieg lancieren. Dazu fanden bereits Diskussionen statt.

4.2.6

Jugend

Der Europäische Lenkungsausschuss für Jugend (CDEJ) setzte seine Aktivitäten im Rahmen der vorrangigen Themen 2014­2015 der Generaldirektion Demokratie fort, namentlich «Demokratische Regierungsführung» sowie «Innovation, Vielfalt und Partizipation». An seinem Treffen im Oktober äusserte sich der Ausschuss zu seiner künftigen Strategie sowie der Ausrichtung des Sektors Jugend des Europarats und verabschiedete das Tätigkeitsprogramm 2016/2017.

Im Berichtsjahr wurden die Redaktionsarbeiten für einen Empfehlungsentwurf über den Zugang der Jugendlichen zu ihren Rechten fortgesetzt. Dessen Verabschiedung durch das Ministerkomitee ist für 2016 vorgesehen.

Die Empfehlung CM/Rec(2015)3 über den Zugang der Jugendlichen aus benachteiligten Quartieren zu ihren sozialen Rechten wurde vom Ministerkomitee am 21. Januar angenommen.

Die im März 2013 gestartete Europaratskampagne «Bewegung gegen Hassreden» wurde wegen ihres grossen Erfolgs bis zum Frühling verlängert. Die Schweiz hat sich seit Anfang 2014 daran beteiligt und hat in diesem Rahmen bis im März verschiedene Aktivitäten auf nationaler Ebene entwickelt (vgl. www.nohatespeech.ch).

Eine Konferenz zur Auswertung der Kampagne fand im Mai in Strassburg statt. Der Generalsekretär des Europarats will das Thema Hassreden im Zusammenhang mit dem Aktionsplan des ER zur Bekämpfung von Extremismus und Radikalisierung bis hin zum Terrorismus auf die Tagesordnung des Europarats setzen. Er hat daher beschlossen, die Kampagne um drei Jahre zu verlängern (2015­2017). Der CDEJ verabschiedete an seiner Oktobertagung das Konzept für die Umsetzung der neuen Kampagne.

4.2.7

Sport

Bis Ende des Jahres haben sich 36 Staaten dem Erweiterten Teilabkommen über Sport («Accord Partiel élargi sur le Sport», APES) angeschlossen; die Schweiz ist 785

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am 1. Januar 2008 beigetreten. Zudem sind 29 Sportorganisationen im Beratungskomitee des APES vertreten.

Im Juni fand in Baku ein informelles Treffen der Sportminister zum Thema «Nachhaltigkeit von Sportgrossveranstaltungen» statt. An der alljährlichen Konferenz des Direktionskomitees des APES im Mai wurden die prioritären Themen des APES für 2016 definiert: Ethik im Sport, Gleichstellung von Frau und Mann, die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und dem ER sowie die Integration der neuen Migranten über den Sport.

Die Sportministerkonferenz 2016 wird zu Beginn der zweiten Jahreshälfte in Budapest stattfinden.

Die Schweiz arbeitet in verschiedenen Arbeitsgruppen mit, die im Rahmen der Europaratskonvention gegen Doping geschaffen wurden. Sie leistet so ihren Beitrag zur Weiterentwicklung des Welt-Anti-Doping-Programms. Die Schlagzeilen über Dopingvergehen in verschiedenen Sportarten, die 2015 in den Medien herumgeboten wurden, haben die Mitglieder des ER darin bestärkt, dass die Einrichtung von unabhängigen nationalen Anti-Doping-Stellen von zentraler Bedeutung sind.

Im Rahmen des Europäischen Ad-hoc-Ausschusses für die Welt-Anti-DopingAgentur (CAHAMA) sollen die Positionen der Staaten des ER abgestimmt werden, damit diese gegenüber der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) einheitlich auftreten können. Die CAHAMA hat sich im Verlauf des Jahres drei Mal getroffen, um die Sitzungen der zuständigen Gremien der WADA vorzubereiten. Die Arbeiten 2015 standen im Zeichen des neu in Kraft getretenen WADA-Codes.

1990 ist die Schweiz dem Europäischen Übereinkommen vom 19. August 198572 über Gewalttätigkeiten und Ausschreitungen von Zuschauern bei Sportanlässen, insbesondere bei Fussballspielen beigetreten (T-RV). Für die Überwachung der Umsetzung des Übereinkommens ist das Ständige Komitee geschaffen worden. Die Schweiz wird in diesem Ständigen Komitee vom Bundesamt für Polizei (fedpol) vertreten und ist noch bis Juni 2016 Mitglied des Vorstandes des Ständigen Komitees.

Die 2012 initiierten und seither durch das Ständige Komitee fortlaufend überarbeiteten und revidierten Änderungen des Übereinkommens konnten an der 39. Sitzung des Ständigen Komitees am 10 Dezember 2014 verabschiedet und in der Folge an die GR-C Group of Rapporteurs (of the Committee of Ministers on Culture, Education, Youth and Sport)
übermittelt werden. Schliesslich erfuhr das Übereinkommen eine Totalrevision. Das neue Abkommen wird Council of Europe Convention on an Integrated Safety, Security and Service Approach at Football Matches and other Sports Events heissen. Zudem wurden alle Empfehlungen, welche auf dem T-RVÜbereinkommen basieren, überarbeitet und in drei Themenbereiche (Safety, Security, Services) zusammengefasst. Das neue Übereinkommen wurde im November 2015 von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates angenommen.

Sobald es durch das Ministerkomitee freigegeben ist, kann es den Mitgliedstaaten zur Ratifikation zugestellt werden.

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Im Jahr 2015 fanden insgesamt zwei ordentliche Sitzungen und ein Workshop des Ständigen Komitees statt, an denen fedpol im Namen der Schweiz teilgenommen hat. Am 17. Juni fand zudem in Brüssel eine Veranstaltung zum Gedenken an die Katastrophe im Heyselstadion statt, die sich vor 30 Jahren ereignete und als Auslöser des ursprünglichen T-RV-Übereinkommens gilt.

4.3

Sozialer Zusammenhalt, Menschenwürde und Gleichstellung

Bei seinem ersten Treffen im Jahr 2015 organisierte der Europäische Ausschuss für sozialen Zusammenhalt, Menschenwürde und Gleichstellung (CDDECS) einen runden Tisch über «die soziale Integration aller, sowie insbesondere von schutzbedürftigen Personen, und die Wirksamkeit der Rechte», der sich mit drei Themen befasste: soziale Integration durch Verminderung der Armut sicherstellen; verletzlichen Personen einen effektiven Zugang zu ihren Rechten verschaffen und Einbezug der schutzbedürftigen Gruppen bei der Ausarbeitung von Gesetzen und Massnahmen. Anlässlich seiner zweiten Tagung im Dezember fand eine Konferenz zur Rolle der nationalen Menschenrechtsinstitutionen, der Gleichstellungsbüros und der Ombudspersonen bei der Förderung der Gleichstellung und der sozialen Integration statt.

Das Mandat des CDDECS wurde nicht verlängert. Es war so umfassend angelegt, dass eine sorgfältige Bearbeitung der Fragestellungen nicht möglich war. Das Thema sozialer Zusammenhalt, das als Querschnittsthema in der ganzen Organisation behandelt wird, wird allerdings von einer neuen Struktur in Form der europäischen Plattform für den sozialen Zusammenhalt weiter verfolgt.

Der Expertenausschuss für die Strategie 2016­2019 des Europarats über die Rechte der Kinder (DECS-ENF), der unter Aufsicht des CDDECS arbeitet, traf sich im Mai zu seiner zweiten und im Oktober zu seiner dritten und letzten Sitzung. Als Grundlage für die Überlegungen zu einer neuen Strategie gab es im Mai verschiedene Präsentationen und Diskussionen zu Themen wie Gewalt und Körperstrafe, kindgerechte Justiz, Partizipation, Umsetzung von Standards und Zusammenarbeit namentlich mit EU und UNO. Ein Bericht über die Umsetzung der geltenden Kinderrechtsstrategie 2012­2015 wurde im Oktober an der letzten Sitzung verabschiedet. An der Oktobersitzung wurde die Schlussfassung der Kinderrechtsstrategie 2016­2021 bereinigt; sie sollte Anfang 2016 dem Ministerkomitee zur Verabschiedung unterbreitet werden. Eine Auftaktveranstaltung zur neuen Strategie ist für April 2016 geplant. Im Oktober beschloss das Ministerkomitee die Einsetzung eines Zwischenstaatlichen Komitees über die Rechte der Kinder, dessen Hauptaufgabe es ab April 2016 sein wird, die Umsetzung der Kinderrechtsstrategie 2016­2021 zu beaufsichtigen und zu koordinieren und ihre Wirksamkeit zu evaluieren.
Der Sachverständigenausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (DECS-RPD), der ebenfalls unter der Leitung des CDDECS steht, beendete den Aktionsplan des Europarates zur Förderung der Rechte und vollen Teilhabe behinderter Menschen an der Gesellschaft: Verbesserung der Lebensqualität behinderter Menschen in Europa 2006­2015. Eine Auswertung der Massnahmen wurde zwi787

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schen 2014 und 2015 durchgeführt. Damit konnten sowohl die bewährten Massnahmen («Good Practices») verschiedener Länder wie auch die Lücken aufgezeigt werden. Eine Abschlusskonferenz fand am 5./6. November in Dublin statt und bildete den Auftakt zur künftigen Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen (Post-2015). Sowohl der Aktionsplan wie auch die neue Strategie sind eng mit der Umsetzung der Bestimmungen des UNO-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verknüpft.

4.4

Umwelt

Im Rahmen der Aktivitäten zum Übereinkommen vom 19. September 197973 über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume (Berner Konvention) lud die Schweiz die Sachverständigen der Mitgliedstaaten am 1./2. Juli zur 8. Expertengruppe über Amphibien und Reptilien nach Bern ein. Die Delegierten präsentierten dort ihre Arbeiten zum Schutz dieser Tierarten und formulierten Empfehlungen, die an der Sitzung des Ständigen Ausschusses vom Dezember verabschiedet wurden.

Aufgrund der Empfehlung Nr. 169 (2013) des Ständigen Ausschusses vom 6. Dezember 2013 zum Apron (Zingel asper) im Doubs (Frankreich) und im Kanton Jura (Schweiz) hat die Schweiz mit den involvierten Akteuren einen Aktionsplan für den Apron vorbereitet, der Anfang Dezember dem Ständigen Ausschuss vorgestellt wurde.

4.5

Entwicklungsbank des Europarates

Die Entwicklungsbank des ER (CEB) setzte während der Berichtsperiode den Schwerpunkt auf die Verbesserung der strategischen und operativen Steuerung der Institution und vermochte dabei Fortschritte zu erzielen. Zentrale Aspekte betrafen die Kommunikation und die ergebnisorientierte Berichterstattung. Die Bestrebungen der Institution, die Gouvernanz der Bank zu verbessern, wurden fortgesetzt.

Erstmals in der Geschichte der Institution soll ein Projekt in Kooperation zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor durchgeführt werden. In Berlin fand das 50. gemeinsame Treffen des Administrativ- und Gouvernanzrates statt.

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