16.068 Botschaft zur Genehmigung des Abkommens zwischen der Schweiz und Montenegro über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität vom 12. Oktober 2016

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung des Abkommens vom 7. April 2016 zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung von Montenegro über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

12. Oktober 2016

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Johann N. Schneider-Ammann Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

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Übersicht Das Abkommen mit Montenegro über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Kriminalitätsbekämpfung ergänzt das bilaterale Vertragsnetz, das die Schweiz mittels analoger Abkommen mit anderen Staaten Ost- und Südosteuropas geknüpft hat. Ein solches Vertragsnetz und eine gute, formalisierte Zusammenarbeit tragen zur inneren Sicherheit der Schweiz bei. Das Abkommen kann mit den bestehenden Mitteln umgesetzt werden.

Ausgangslage Kriminalitätsphänomene wie Terrorismus, organisierte Kriminalität, Menschenhandel, Menschenschmuggel, Geldwäscherei und Drogenhandel treten typischerweise transnational auf. Die Bekämpfung solcher Phänomene darf deshalb nicht an den Landesgrenzen Halt machen. Vor diesem Hintergrund hat die Schweiz in den vergangenen Jahren ihre internationale Polizeikooperation auf verschiedenen Ebenen weiter ausgebaut.

Auf globaler Ebene wurde die Zusammenarbeit mit Interpol weiter verstärkt. Im regional-europäischen Bereich hat die Beteiligung an der Schengener Zusammenarbeit die polizeiliche Zusammenarbeit mit der Europäischen Union (EU) auf ein neues Niveau gehoben. Mit Europol konnte die Zusammenarbeit ebenfalls ausgeweitet werden. Im bilateralen Bereich hat die Schweiz in den vergangenen Jahren Kooperationsabkommen mit verschiedenen Staaten ausgehandelt, die für die Kriminalitätsentwicklung in der Schweiz von besonderer Bedeutung sind. Das vorliegende Abkommen mit Montenegro ergänzt das Vertragsnetz, das die Schweiz in Südosteuropa in den vergangenen Jahren aufgebaut hat.

Inhalt des Abkommens Das Abkommen regelt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den nach jeweiligem Landesrecht zuständigen Polizeibehörden im Bereich des Informationsaustauschs, der Koordination operativer Einsätze, der Einsetzung von gemeinsamen Arbeitsgruppen sowie der Aus- und Weiterbildung. Dabei werden die datenschutzrechtlichen Standards strikte eingehalten. Das Abkommen soll in erster Linie der Bekämpfung der Schwerstkriminalität dienen, ist jedoch auf alle Kriminalitätsbereiche anwendbar. Explizit ausgeschlossen ist eine Zusammenarbeit bei politischen, militärischen und fiskalischen Delikten.

Das Abkommen greift nicht in die bestehende Kompetenzverteilung zwischen den Justiz- und Polizeibehörden ein. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Kantonen sowie unter den Kantonen wird nicht angetastet. Das Abkommen kann mit den bestehenden Mitteln umgesetzt werden

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Botschaft 1

Grundzüge des Abkommens

1.1

Ausgangslage

Kriminalität ist keine rein nationale Angelegenheit mehr. Kriminelle Netzwerke handeln über Grenzen hinweg, sind multinational vernetzt und äusserst mobil. Sie haben Methoden entwickelt, über die Landesgrenzen hinweg zu operieren und daraus gar einen Vorteil zu ziehen. Daher darf eine effektive Kriminalitätsbekämpfung nicht an den Landesgrenzen Halt machen. Zur Verhinderung und Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität ist die Schweiz deshalb auf eine enge Zusammenarbeit mit ausländischen Polizeibehörden angewiesen. Die Schweiz hat folglich in den letzten Jahren die Kooperation mit mehreren Staaten verstärkt. Diese Verstärkung richtet sich nach der «Strategie internationale Polizeikooperation 2014­2017» des Bundesamtes für Polizei (fedpol). Der Bundesrat verabschiedete die Strategie am 26. Februar 2014. Diese Strategie beruht auf drei Pfeilern: der globalen, der europäischen und der bilateralen Zusammenarbeit.

Auf globaler Ebene steht die Zusammenarbeit über die internationale kriminalpolizeiliche Organisation (Interpol) mit ihren heute 190 Mitgliedstaaten im Vordergrund. Die Zusammenarbeit bezieht sich in erster Linie auf den polizeilichen Informationsaustausch und die internationale Fahndung.

Auf europäischer Ebene wurde mit der Assoziierung der Schweiz an Schengen ein wesentlicher Fortschritt in der Verbrechensbekämpfung erzielt. 1 Namentlich die Fahndungszusammenarbeit im Rahmen des Schengener Informationssystems hat sich dabei als wertvolles Instrument erwiesen. Mit Europol wurde zudem der Kampf gegen kriminelle Organisationsstrukturen weiter ausgebaut, namentlich durch die Erweiterung der Zusammenarbeit auf alle Deliktsbereiche des Europol-Mandats.2 Die bilaterale Polizeikooperation erlaubt schliesslich, massgeschneiderte Lösungen mit jenen Staaten zu treffen, die für die Kriminalitätsentwicklung in der Schweiz besonders wichtig sind. Heute bestehen bilaterale Abkommen mit allen Nachbarstaaten (Deutschland3, Österreich und Fürstentum Liechtenstein4, Frankreich5 und

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Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Europäischen Union und der Europäischen Gemeinschaft über die Assoziierung dieses Staates bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands; SR 0.362.31 Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Europäischen Polizeiamt; SR 0.362.2 Schweizerisch-deutscher Polizeivertrag; SR 0.360.136.1 Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft, der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden; SR 0.360.163.1 Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Französischen Republik über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Justiz-, Polizei- und Zollsachen; SR 0.360.349.1

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Italien6) sowie mit Ungarn 7, Slowenien8, Lettland9, der Tschechischen Republik10, Albanien11, Mazedonien12, Rumänien13, Bosnien und Herzegowina14, Serbien15 und dem Kosovo16.

Kriminelle aus Südosteuropa spielen eine wichtige Rolle in der Kriminalitätsentwicklung in der Schweiz. So sind sie namentlich in den Bereichen Drogenhandel, Menschenhandel, illegaler Handel von Waffen und Zigaretten sowie sonstigen Eigentumsdelikten tätig. Südosteuropa ist ein Hauptherkunftsgebiet von illegal in West- und Nordeuropa eingereisten Migrantinnen und Migranten und von professionell agierenden Menschenschmugglern. Diese südosteuropäischen kriminellen Gruppierungen stützen sich oft auf ein Beziehungsnetz innerhalb der in der Schweiz ansässigen Diaspora. Vor diesem Hintergrund ist es für die Schweizer Strafverfolgungsbehörden wichtig, die guten Kontakte zu den Behörden in dieser Region weiter zu vertiefen und auszubauen, namentlich auch mit den Behörden in Montenegro.

Zusätzlich zum Abschluss von bilateralen Polizeikooperationsabkommen mit verschiedenen Staaten Südosteuropas (Albanien, Mazedonien, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Rumänien, Ungarn und Slowenien) hat die Schweiz in dieser Region zwei Polizeiattachés stationiert: Einen in Serbien (mit Seitenakkreditierungen für Bosnien und Herzegowina und für Kroatien) und einen im Kosovo (mit Seitenakkreditierungen für Albanien, Mazedonien und Montenegro).

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Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Republik über die Zusammenarbeit der Polizei- und Zollbehörden; SR 0.360.454.1 Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Republik Ungarn über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität; SR 0.360.418.1 Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Slowenien über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität; SR 0.360.691.1 Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Lettland über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität; SR 0.360.487.1 Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Tschechischen Republik über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung strafbarer Handlungen; SR 0.360.743.1 Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und dem Ministerrat der Republik Albanien über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität; SR 0.360.123.1 Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Mazedonien über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität; SR 0.360.520.1 Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Rumänien über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus, der organisierten Kriminalität, des illegalen Handels mit Betäubungsmitteln, psychotropen Stoffen und Vorläuferchemikalien sowie weiterer strafbarer transnationaler Handlungen; SR 0.360.663.1 Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Bosnien-Herzegowina über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität; SR 0.360.191.1 Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Serbien über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität; SR 0.360.682.1 Abkommen zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Regierung der Republik Kosovo über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität; SR 0.360.475.1

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Der Abschluss eines bilateralen Polizeiabkommens mit Montenegro ist die logische Weiterentwicklung dieser bewährten Zusammenarbeit. So wird denn auch in der «Strategie internationale Polizeikooperation 2014­2017», die der Bundesrat am 26. Februar 2014 genehmigt hat, die Umsetzung eines solchen Polizeiabkommens ausdrücklich genannt.

1.2

Verlauf und Ergebnis der Verhandlungen

Die Schweiz unterbreitete Montenegro im Jahr 2013 einen Abkommensentwurf.

Nach einer Verhandlungsrunde konnten die Gespräche erfolgreich abgeschlossen werden.

Die von der Schweiz definierten Ziele wurden mit dem vorliegenden Polizeiabkommen erreicht. Beide Seiten sind mit dem Verhandlungsergebnis zufrieden.

Das Abkommen ist eine solide Grundlage für die verstärkte Zusammenarbeit.

Der Bundesrat hat das Abkommen am 26. August 2015 genehmigt.

Die Direktorin des Bundesamtes für Polizei (fedpol) und der Direktor der montenegrinischen Polizei haben das Abkommen am 7. April 2016 in Podgorica unterzeichnet.

1.3

Vernehmlassungsverfahren

Gemäss Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 200517 (VlG) ist bei völkerrechtlichen Verträgen, die nach Artikel 140 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 der Bundesverfassung18 (BV) dem Referendum unterliegen, ein Vernehmlassungsverfahren durchzuführen. Nach Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe b VlG kann auf die Durchführung eines Vernehmlassungsverfahrens verzichtet werden, wenn es sich um einen Vertrag handelt, dessen Inhalt bereits Gegenstand einer Vernehmlassung gewesen ist, politisch eindeutig akzeptiert und ohne wesentlichen neuen Inhalt ist. Der Inhalt dieses Abkommens stimmt im Wesentlichen mit jenem bereits abgeschlossener Polizeiabkommen überein (z. B. mit Albanien, Mazedonien, Rumänien, Bosnien und Herzegowina, Serbien sowie Kosovo). Keines dieser Abkommen ist je in Frage gestellt worden. Die politische Akzeptanz des Abkommens bei den Kantonen wurde im Rahmen des Aussprachepapiers «Strategie internationale Polizeikooperation 2014­2017» geklärt. Der Bundesrat genehmigte diese Strategie am 28. Februar 2014. Es ist darauf hinzuweisen, dass dieses Abkommen ausgehandelt wurde, bevor das revidierte Vernehmlassungsgesetz am 1. April 2016 in Kraft trat. Lediglich die Unterzeichnung des Abkommens fiel auf ein Datum nach dem 1. April 2016. Somit wurde auf eine separate Vernehmlassung zu diesem Abkommen verzichtet.

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SR 172.061 SR 101

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1.4

Überblick über den Inhalt des Abkommens

In der Präambel bestätigen die beiden Vertragsparteien ihr Interesse, die Zusammenarbeit namentlich in den Bereichen der organisierten Kriminalität, des Menschenhandels sowie des Drogenhandels zu verstärken. Die geltenden Rechte und Pflichten der Angehörigen der Vertragsparteien sowie die Grundrechte, der Datenschutz und weitere internationale Verpflichtungen bleiben unangetastet.

Kapitel I des Abkommens beinhaltet die allgemeinen Bestimmungen. Es definiert insbesondere die zuständigen Behörden sowie den Anwendungsbereich.

Kapitel II legt die Hauptformen der Zusammenarbeit fest und bestimmt den allgemeinen Informationsaustausch, die Zusammenarbeit mit oder ohne Ersuchen und die Regelungen betreffend die Koordination der getroffenen Massnahmen und die gemeinsame Ausbildung.

Kapitel III regelt die besonderen Formen der Zusammenarbeit. Namentlich geht es um die gemeinsamen Arbeitsgremien, die grenzüberschreitende Observation und die kontrollierte Ein-, Durch- und Ausfuhr. Des Weiteren erweitert es die Grundlagen für die Stationierung von polizeilichen Verbindungsbeamten.

Kapitel IV behandelt die zivil- und strafrechtliche Verantwortung sowie die Verfahrensvorschriften und Kosten.

Kapitel V enthält die datenschutzrechtlichen Bestimmungen sowie die Regeln zum Schutz klassifizierter Informationen und zu deren Weitergabe an Dritte.

Kapitel VI enthält die Schlussbestimmungen und legt die Modalitäten für das Inkrafttreten sowie die Kündigung fest.

1.5

Würdigung

Das Abkommen stellt die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Montenegro auf eine klare rechtliche Basis. Es definiert einheitliche Verfahrensregeln und enthält grundlegende Datenschutzbestimmungen.

Durch das Abkommen wird eine weitere Lücke im Sicherheitsnetz, das die Schweiz mittels Abkommen mit anderen Staaten aus Südosteuropa bereits geknüpft hat, geschlossen und die Zusammenarbeit zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität verstärkt. Die Umsetzung des Abkommens wird denn auch in der Polizeikooperationsstrategie für die Jahre 2014­2017, die der Bundesrat am 26. Februar 2014 genehmigt hat, ausdrücklich genannt.

Das Abkommen bedingt keine Anpassungen des Landesrechts und kann mit den bestehenden Mitteln umgesetzt werden.

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2 Art. 1

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen des Abkommens Zweck dieses Abkommens

Zweck des Abkommens ist die Verstärkung der bilateralen polizeilichen Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren und strafbare Handlungen zu bekämpfen. Die Auslegung des Begriffs «strafbare Handlung» richtet sich ausschliesslich nach dem innerstaatlichen Recht der Vertragsparteien. Als Mittel zur Zweckerfüllung sind der Austausch von strategischen und operativen Informationen und regelmässige Treffen der zuständigen Behörden vorgesehen.

Art. 2

Zuständige Behörden und ausführende Stellen

Die Zusammenarbeit basiert gemäss Artikel 2 auf dem Zentralstellenprinzip, wie es bei der polizeilichen Zusammenarbeit mit Nicht-Nachbarstaaten angewendet wird.

Die Ersuchen werden an eine zentrale Stelle übermittelt. Diese Zentralstellen behandeln die Ersuchen nach den nationalen Vorschriften und leiten sie gegebenenfalls an die zuständige Behörde weiter. Durch die klaren Kommunikationswege wird die Koordination erleichtert. Die Zentralstellen sind auch die Hauptansprechpartner für die Klärung von Auslegungsfragen und für die Erarbeitung von Vorschlägen zur Weiterentwicklung des Abkommens.

Absatz 2 dieses Artikels listet jene Stellen auf, die für die Umsetzung des Abkommens zuständig sind. Der Vollzug betrifft einerseits die Weiterentwicklung der bilateralen Kooperation und des Inhalts des Abkommens, andererseits den direkten Austausch von Informationen und die Umsetzung der im Abkommen festgehaltenen Kooperationsmassnahmen. Unter Beachtung des oben erwähnten Zentralstellenprinzips können sich somit neben dem Bundesamt für Polizei auch das Grenzwachtkorps sowie die kantonalen Polizeikräfte als die zum Vollzug berechtigten Organe auf das Abkommen stützen. Auf montenegrinischer Seite sind die Polizei, die Zollbehörden und die Direktion zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung genannt.

Die Vertragsparteien sind gemäss Absatz 3 verpflichtet, jegliche Änderungen der in den Absätzen 1 und 2 genannten Stellen unverzüglich mitzuteilen. Dies reicht von einer Namensänderung bis zu einer Neustrukturierung und dient der Sicherstellung einer effizienten Kommunikation.

Art. 3

Anwendungsbereich

Artikel 3 regelt den sachlichen Geltungsbereich und sieht grundsätzlich die polizeiliche Zusammenarbeit in allen Kriminalitätsbereichen vor, mit Schwerpunkt auf der Bekämpfung schwerer Straftaten in Bereichen wie Terrorismus, organisiertes Verbrechen oder Handlungen gegen Leib und Leben. Der Artikel untersagt ausdrücklich die Zusammenarbeit in politischen, militärischen oder fiskalischen Angelegenheiten.

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Art. 4

Anwendbares Recht

Artikel 4 legt fest, dass die Zusammenarbeit auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts sowie nach Massgabe der internationalen Verpflichtungen erfolgt, namentlich im Bereich der internationalen Polizeizusammenarbeit. Dies bedeutet, dass bei der operativen Umsetzung von Massnahmen die schweizerischen Verfahrens- und Zuständigkeitsvorschriften beachtet werden müssen. Welche polizeilich relevanten Erlasse des schweizerischen Rechts tatsächlich Anwendung finden, kann nur im konkreten Einzelfall entschieden werden. Mit dem Verweis auf das innerstaatliche Recht wird beispielsweise festgelegt, dass für die Anordnung von Zwangsmassnahmen wie Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen oder Telefonüberwachungen ausnahmslos der Rechtshilfeweg zu beschreiten ist.

Der Vorbehalt zugunsten bestehender internationaler Übereinkünfte bedeutet aber auch, dass durch das neue Abkommen die Bestimmungen bestehender bi- oder multilateraler internationaler Abkommen nicht aufgehoben werden, welche die Schweiz und Montenegro ratifiziert haben. Dies betrifft insbesondere das Zweite Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen vom 8. November 200119 über die Rechtshilfe in Strafsachen, welches die internationalen, für beide Vertragsstaaten geltenden Bedingungen hinsichtlich gemeinsamer Gruppen nach Massgabe von Artikel 12, der grenzüberschreitenden Observation nach Artikel 13 und der kontrollierten Lieferungen im Sinne von Artikel 14 des Abkommens regelt.

Art. 5

Allgemeine Zusammenarbeit

Artikel 5 definiert das allgemeine Ziel der Zusammenarbeit: die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die Bekämpfung der in Artikel 3 erwähnten Kriminalitätsformen.

Art. 6

Informationsaustausch

Artikel 6 regelt die gegenseitige Unterstützung durch den Austausch personenbezogener und nicht personenbezogener Daten sowie von Dokumentationsmaterial. Der Austausch personenbezogener Daten, einschliesslich sensitiver Daten nach Artikel 21 Buchstabe a, dient in erster Linie der operationellen Polizeiarbeit. Artikel 6 umfasst beispielsweise Angaben zu Personen, die an strafbaren Handlungen beteiligt sind, Angaben über Tatverdächtige, Informationen über die Tatbegehungsweise, die getroffenen Massnahmen oder geplante kriminelle Handlungen, Angaben über die Identität einer verdächtigen Person (Fingerabdrücke, DNA-Profile, Fotografien usw.), die Übermittlung von Auszügen aus öffentlichen Registern, Informationen über Inhaberinnen und Inhaber von Postfächern sowie Telefon-Abonnentinnen und -Abonnenten, über Fernhaltemassnahmen oder Fahrzeughalterdaten.

Der Austausch von nicht personenbezogenen Daten und Materialien dient in erster Linie der Analyse, der Koordination und der allgemeinen Information, kann aber auch die operationelle Polizeiarbeit betreffen. Im Bereich der Analyse steht der Austausch von kriminalpolizeilichen Analysen und Lagebildern im Vordergrund; der Austausch kann sich aber auch auf allgemeine Fachliteratur beziehen. Ausdrück19

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lich erwähnt werden ausserdem der Austausch von Informationen zu geplanten Aktionen, die mit dem anderen Land abgestimmt werden sollten, oder auch die gegenseitige Orientierung über Gesetzesänderungen, die den Anwendungsbereich des Abkommens betreffen.

Artikel 6 regelt nicht abschliessend die Bereiche, in denen die Vertragsparteien untereinander Information austauschen können. Bezüglich des Umfangs und der Grundsätze des Informationsaustauschs ist auch hier das innerstaatliche Recht der Vertragsparteien massgebend. In der Schweiz richtet sich der Austausch kriminalpolizeilicher Informationen nach Artikel 75a des Rechtshilfegesetzes vom 20. März 198120 sowie nach den vom Bundesrat für anwendbar erklärten Statuten und Reglementen von Interpol (Art. 350­353 des Strafgesetzbuchs21).

Art. 7

Zusammenarbeit auf Ersuchen

Gemäss Artikel 7 Absatz 1 können die zuständigen Behörden einander direkt um Unterstützung ersuchen oder eingegangene Ersuchen beantworten, unter der Voraussetzung, dass es sich um die Bekämpfung der Kriminalität oder um die Abwehr von Gefahren handelt. Ausgeschlossen sind Ersuchen, die den Justizbehörden vorbehalten sind. Absatz 2 dieses Artikels konkretisiert die Bereiche für solche Unterstützungsersuchen. Es handelt sich beispielsweise um Feststellungen von Aufenthalt und Wohnsitz, von Inhaberinnen und Inhabern eines Telefonanschlusses, zur Aussagebereitschaft einer Zeugin oder eines Zeugen, um Erkenntnisse aus grenzüberschreitenden Observationen, Informationen zur Herkunft von Sachen oder auch die Übersendung von Erkennungsdaten wie DNA-Profile.

Art. 8

Unaufgeforderte Zusammenarbeit

Im Einzelfall können sich die zuständigen Behörden nach Artikel 8 auch ohne Ersuchen Informationen mitteilen, soweit diese für die empfangende Behörde zur Unterstützung bei der Abwehr von konkreten Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder zur Bekämpfung von Straftaten von Bedeutung sind. Die empfangende Behörde ist verpflichtet, die Informationen auf ihre Nützlichkeit hin zu prüfen. Werden diese als nicht notwendig erachtet, sind sie unaufgefordert zu vernichten oder der mitteilenden Behörde zurückzugeben.

Art. 9

Gemeinsame Sicherheitsanalysen

Die Erarbeitung gemeinsamer Sicherheitsanalysen stellt für die operationelle und strategische Zusammenarbeit eine wichtige Grundlage dar. Durch das Abkommen werden die Vertragsparteien darin bestärkt, untereinander Lageberichte auszutauschen und gemeinsam die Sicherheitslage zu analysieren.

20 21

SR 351.1 SR 311.0

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Art. 10

Koordination

Eine gute Koordination ist für die Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität grundlegend. Es ist notwendig, innerstaatlich geplante Polizeiaktionen mit anderen betroffenen Staaten abzusprechen und Interventionen bei Bedarf zeitlich abzustimmen.

Gemäss Absatz 1 betreffen solche Einsätze vorab die Suche nach Personen und Gegenständen, die Strafverfolgung im Bereich der organisierten Kriminalität und die Umsetzung besonderer Ermittlungstechniken wie der verdeckten Ermittlung.

Die Koordination kann jedoch auch Massnahmen des nach innerstaatlichem Recht vorgesehenen Opfer- und Zeugenschutzes für Personen beinhalten, die für beide Länder von grossem Interesse sind. Ebenfalls abgedeckt werden die Planung und die Durchführung gemeinsamer Programme bei der Kriminalitätsprävention oder zur Sicherung des Linienluftverkehrs. Bei der Koordination von Einsätzen, die Zwangsmassnahmen beinhalten, ist die entsprechende Bewilligung von Seiten der zuständigen Justizbehörden einzuholen.

Bei der Umsetzung bestimmter Massnahmen können grössere Kosten entstehen. In diesen Fällen können die zuständigen Behörden, abweichend von dem in Artikel 19 Absatz 6 statuierten Grundsatz, dass jeder Vertragsstaat die eigenen Kosten trägt, gemeinsam eine besondere Kostenaufteilung festlegen.

Art. 11

Aus- und Weiterbildung

Artikel 11 soll dazu beitragen, die Zusammenarbeit durch Massnahmen im Bereich der Aus- und Weiterbildung im Polizei- und Sprachbereich zu verstärken. Im Vordergrund stehen die Teilnahme an Ausbildungskursen, die Durchführung gemeinsamer Seminare und Übungen sowie die Schulung von Spezialistinnen und Spezialisten der anderen Vertragspartei. Weitere Möglichkeiten sind der Austausch von Schulungskonzepten und -programmen sowie die Teilnahme von Beobachterinnen und Beobachtern an Übungen der anderen Vertragspartei (Abs. 1). Grundsätzlich geht es um die Förderung des Erkenntnis- und Erfahrungsaustauschs (Abs. 2).

Art. 12

Gemeinsame Gremien

Artikel 12 sieht vor, dass bei Bedarf gemeinsame Arbeitsgruppen gebildet werden können. Dabei kann es sich um gemeinsame Analyseteams handeln oder auch um gemischt besetzte Kontroll-, Observations- und Ermittlungsgruppen. Die Beamten eines Vertragsstaats, die im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaats beratend und unterstützend tätig werden, dürfen dabei jedoch keine hoheitlichen Befugnisse wahrnehmen. Artikel 20 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen22 regelt die Bedingungen, unter denen die in dieser Bestimmung vorgesehenen gemeinsamen Ermittlungsgruppen gebildet werden dürfen.

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SR 0.351.12

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Art. 13

Grenzüberschreitende Observation

Artikel 13 regelt die grenzüberschreitende Observation. Gemäss Absatz 1 sind Beamte des einen Vertragsstaates befugt, bei einem laufenden Ermittlungsverfahren eine grenzüberschreitende Observation durchzuführen. Voraussetzung ist, dass die observierte Person selbst verdächtigt wird, an einer Straftat beteiligt gewesen zu sein, die im ersuchenden Staat mit Freiheitsentzug von mindestens einem Jahr bestraft wird, oder dass vermutet wird, die observierte Person könnte bei der Identifizierung einer Person helfen, die einer solchen Straftat verdächtigt wird. Diese Massnahme untersteht der Rechtshilfe und bedarf eines vorgängig gestellten Rechtshilfeersuchens, das an die dafür zuständigen Behörden zu richten ist.

Gemäss Absatz 2 gilt ein bewilligtes Ersuchen grundsätzlich für das gesamte Hoheitsgebiet; die ersuchte Behörde kann die Bewilligung indessen an bestimmte Auflagen binden. Der dritte Absatz schliesslich definiert die Beamten beider Parteien, die zur Observation befugt sind. In der Schweiz sind dies die Polizeibeamten des Bundes, der Kantone, der Zollbehörden sowie des Grenzwachtkorps. Für Montenegro sind es die Polizeibeamten der Polizeidirektion. Die Artikel 282 f. der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO)23 legen fest, unter welchen Voraussetzungen grenzüberschreitende Observationen angeordnet werden dürfen; dauert eine Observation länger als einen Monat, so bedarf ihre Fortsetzung der Genehmigung durch die Staatsanwaltschaft. Auch Artikel 17 des Zweiten Zusatzprotokolls zum Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen enthält eine Regelung, welche beide Vertragsparteien betrifft.

Art. 14

Kontrollierte Lieferung

Artikel 14 regelt die Durchführung kontrollierter Lieferungen. Absatz 1 nennt hierbei die kontrollierte Einfuhr, Durchfuhr und Ausfuhr zum Beispiel von Betäubungsmitteln, Waffen, Falschgeld oder sonstigem Diebesgut. Stellt die Lieferung ein nicht vertretbares Risiko für die beteiligten Personen oder für die öffentliche Sicherheit dar, so kann die Operation vom ersuchten Staat beschränkt oder abgelehnt werden.

Absatz 2 regelt den Ablauf und die Befugnisse der beteiligten Beamten. Am Grenzübertritt oder einem vereinbarten Übergabeort übernimmt die ersuchte Behörde die Kontrolle der Lieferung. Nach Absprache besteht für die Beamten des Ausgangsstaates die Möglichkeit, die Lieferung zusammen mit den Beamten des ersuchten Staates weiter zu begleiten. Sie unterstehen dabei jedoch den Anordnungen der Beamten des ersuchten Staates.

Art. 15

Verbindungsbeamte

Durch Artikel 15 werden die Vertragsparteien dazu ermächtigt, Vereinbarungen über die befristete oder unbefristete Entsendung von Verbindungsbeamten in das Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei zu treffen (Abs. 1). Die konkreten Vereinbarungen geschehen in der Regel über einen Notenaustausch. Nach Artikel 8 Absatz 4 der Verordnung vom 30. November 200124 über die Wahrnehmung kriminal23 24

SR 312.0 SR 360.1

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polizeilicher Aufgaben im Bundesamt für Polizei ist in der Schweiz das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) dafür zuständig. Unter Artikel 15 des vorliegenden Abkommens fällt auch eine allfällige Seitenakkreditierung, d. h. die Akkreditierung eines polizeilichen Verbindungsbeamten einer Vertragspartei, der in einem Drittstaat stationiert ist. Der Status der stationierten Beamten richtet sich nach den Bestimmungen des Wiener Übereinkommens vom 18. April 196125 über diplomatische Beziehungen.

In den Absätzen 2 und 3 sind die Grundsätze der Aufgaben eines Verbindungsbeamten festgehalten. Das Ziel ist eine Intensivierung der polizeilichen Zusammenarbeit durch die Unterstützung in der polizeilichen und justiziellen Rechtshilfe, wobei den Beamten die Ausübung hoheitlicher Funktionen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei untersagt bleibt.

Die Schweiz hat einen Polizeiattaché für Montenegro seitenakkreditiert. Er ist im Nachbarstaat Kosovo stationiert. Diese Vereinbarung wurde per diplomatische Note formalisiert. Durch den vorliegenden Artikel wird die Stationierung eine erweiterte rechtliche Grundlage erhalten.

Art. 16

Fürsorge und Dienstverhältnis

Der empfangende Vertragsstaat ist gegenüber den entsandten Beamten bei der Ausübung ihres Dienstes zu gleichem Schutz und Beistand verpflichtet wie gegenüber den eigenen Beamten (Abs. 1). Bei einem Diensteinsatz auf dem Hoheitsgebiet der anderen Partei gelten gemäss Absatz 2 die Regeln und Dienstvorschriften jener Einheit, welcher die Beamten zugeteilt sind.

Nach Absatz 3 bleiben die entsandten Beamten jedoch in Bezug auf ihr Dienst- und Anstellungsverhältnis sowie in disziplinarrechtlicher Hinsicht ihrem Heimatstaat unterstellt.

Art. 17

Zivilrechtliche Verantwortung

Artikel 17 regelt die Deckung zivilrechtlicher Ansprüche, die sich aus dem Einsatz von Beamten auf dem Hoheitsgebiet der anderen Partei ergeben können. Grundsätzlich gilt, dass eine Vertragspartei gemäss dem innerstaatlichen Recht jener Partei haftet, auf deren Gebiet der Einsatz stattfindet (Abs. 1). Von der Vertragspartei, in deren Hoheitsgebiet der Schaden entstanden ist, wird verlangt, dass sie den Schaden in derselben Weise behebt, wie wenn er von ihren eigenen Beamten verursacht worden wäre (Abs. 2). In einem solchen Fall muss die andere Vertragspartei den an die Geschädigten oder ihre Rechtsnachfolgerinnen und Rechtsnachfolger geleisteten Schadenersatz in voller Höhe erstatten (Abs. 3). Vorbehaltlich einer solchen Erstattung und unbeschadet von allfälligen Ansprüchen gegenüber Dritten, darf der Vertragsstaat, in welchem der Schaden entstanden ist, keine weiteren Ersatzansprüche geltend machen (Abs. 4).

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SR 0.191.01

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Art. 18

Strafrechtliche Verantwortung

Bei Einsätzen werden die Beamten beider Vertragsparteien in Bezug auf Straftaten, die gegen sie begangen werden oder die sie selbst begehen, als Beamte der Vertragspartei betrachtet, in deren Hoheitsgebiet der Einsatz stattfindet. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit in der Schweiz richtet sich nach Artikel 15 Absatz 1 des Verantwortlichkeitsgesetzes vom 14. März 195826. Sie beschränkt sich auf die strafbaren Handlungen, die im Rahmen eines Einsatzes beziehungsweise der amtlichen Tätigkeit verübt wurden. Die Strafverfolgung solcher strafbarer Handlungen bedarf einer Ermächtigung des EJPD; ausgenommen sind Zuwiderhandlungen im Strassenverkehr.

Art. 19

Verfahren und Kosten

Artikel 19 regelt die Verfahrensabläufe sowie die Kostenaufteilung bei der Zusammenarbeit. Ersuchen um Information oder andere Ersuchen um Hilfeleistung sind gemäss Absatz 1 grundsätzlich in schriftlicher Form und in verschlüsselter Übertragung zu stellen. In dringenden Fällen kann gemäss Artikel 8 ein Ersuchen auch mündlich gestellt werden, sofern es anschliessend unverzüglich schriftlich bestätigt wird. Die Ersuchen sollten in der Regel mindestens folgende Angaben enthalten: ­

die Bezeichnung der Behörde, von der das Ersuchen ausgeht;

­

den Grund des Ersuchens;

­

eine kurze Beschreibung des wesentlichen Sachverhalts, vor allem die Bezugspunkte zum ersuchten Staat;

­

Angaben über alle im Ersuchen genannten Hauptpersonen.

Absatz 2 legt fest, dass die Hilfeleistung direkt zwischen den zuständigen Behörden erfolgen kann, sofern ein Ersuchen nicht den Justizbehörden vorbehalten ist. Zudem sind die Vertragsstaaten verpflichtet, die Ersuchen so schnell als möglich zu beantworten (Abs. 3).

Absatz 4 behält den Vertragsstaaten das Recht vor, die Hilfe in einem konkreten Fall ganz oder teilweise zu verweigern, wenn die Erledigung des Hilfeersuchens ihre Souveränität beeinträchtigt, ihre Sicherheit oder andere wesentliche Staatsinteressen gefährdet oder ihre Rechtsvorschriften und Verpflichtungen aus internationalen Übereinkünften verletzt.

In diesem Fall muss die ersuchte Vertragspartei die andere Partei unverzüglich und schriftlich unter Angabe der Gründe informieren (Abs. 5).

In Absatz 6 wird festgehalten, dass die Kosten für die Erledigung eines Ersuchens von der ersuchten Vertragspartei getragen werden. Eine Ausnahme bilden Massnahmen, die im Rahmen von Artikel 10 Absatz 2 getroffen wurden, beispielsweise die Umsetzung von Programmen zur Kriminalitätsprävention oder Massnahmen im Bereich des Zeugen- und Opferschutzes.

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SR 170.32

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Art. 20 und 21

Datenschutz; Schutz klassifizierter Informationen und Weitergabe von Daten an Dritte

Die Zusammenarbeit zwischen Polizeibehörden umfasst den Austausch von Personendaten, auch von besonders schützenswerten Personendaten. Diese Datenbearbeitungen berühren die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen. Mit den Artikeln 20 und 21 wird die Zielsetzung einer effizienten Bekämpfung von Straftaten mit den Anliegen des Datenschutzes in Einklang gebracht. Grundlage ist insbesondere das Europarats-Übereinkommen vom 28. Januar 198127 zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten. Beide Vertragsstaaten gehören diesem Übereinkommen als Vertragsparteien an.

Artikel 20 legt fest, welche Datenschutzvorschriften bei der Übermittlung personenbezogener Daten von besonderer Bedeutung sind und deshalb von den Behörden beider Länder zwingend berücksichtigt werden müssen.

Im Artikel wird explizit festgehalten, dass polizeilich relevante, jedoch besonders schützenswerte Personendaten (z. B. Daten bezüglich religiöser Überzeugungen) nur übermittelt werden dürfen, wenn es unbedingt erforderlich ist, und nur gemeinsam mit anderen polizeilich relevanten Daten.

Weiter sind folgende Datenschutzgrundsätze hervorzuheben: ­

die Zweckbindung sowie die Beschränkung auf die nutzungsberechtigten Behörden;

­

die datenschutzrechtlichen Grundsätze der Richtigkeit, der Erforderlichkeit und der Verhältnismässigkeit und die damit zusammenhängende Pflicht zur Berichtigung beziehungsweise Vernichtung falscher Daten;

­

die Gewährung des Auskunftsrechts über die Verwendung gegenüber der übermittelnden Vertragspartei sowie betroffenen Personen;

­

die Pflicht zur Einhaltung der Löschungsfristen, wie sie im innerstaatlichen Recht vorgesehenen sind;

­

die Pflicht, die Übermittlung, den Empfang und die Löschung aktenkundig zu machen;

­

die Schadenersatzregelung für allfällige Regressansprüche unter den Vertragsparteien;

­

die Pflicht, Massnahmen zur Datensicherheit zu treffen; diese Massnahmen erfolgen nach nationalem Recht und in Übereinstimmung mit internationalen Standards.

Gemäss Artikel 21 Absatz 1 verpflichten sich die Vertragsparteien, die Geheimhaltung von Daten, die ihnen von der anderen Partei übermittelt wurden und nach deren innerstaatlichem Recht als klassifiziert gelten, zu gewährleisten. Da sich die länderspezifischen Klassifizierungsvorschriften unterscheiden können, muss die übermittelnde Partei bei der Übermittlung genau umschreiben, welche besonderen Schutzvorkehrungen getroffen werden müssen. Ob und wie eine Information zu klassifizieren ist (z. B. als «geheim» oder «vertraulich»), bestimmt sich nach dem 27

SR 0.235.1

8166

BBl 2016

innerstaatlichen Recht der Vertragsparteien. Für die Behörden des Bundes ist dabei die Informationsschutzverordnung vom 4. Juli 200728 massgeblich.

Absatz 2 regelt die Frage der Weitergabe klassifizierter Daten an Dritte. Dies kann ein Drittstaat oder eine Behörde sein, die nicht mit der Bekämpfung von Kriminalität beauftragt ist. Die Weitergabe übermittelter Daten und Gegenstände an Dritte ist nur mit vorgängiger schriftlicher Zustimmung der übermittelnden Partei zulässig. Einem Ersuchen um Weitergabe, insbesondere von personenbezogenen Daten, sollte nur sehr restriktiv zugestimmt werden, insbesondere nur dann, wenn das betreffende Drittland ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet. Eine Verletzung beim Umgang mit klassifizierten Informationen soll gemäss Absatz 3 unverzüglich schriftlich bekanntgegeben werden.

Art. 22

Mitteilungen

In Artikel 22 Absatz 1 wird vereinbart, dass die Vertragsparteien einander auf diplomatischem Weg innerhalb von 30 Tagen nach Inkrafttreten des Abkommens die Telefon- und Telefaxverbindungen sowie weitere relevante Informationen der wichtigsten Dienststellen innerhalb der zuständigen Organe mitteilen. Wichtigste Stelle innerhalb des Bundesamts für Polizei ist in diesem Zusammenhang die Einsatzzentrale, die bereits heute rund um die Uhr einen effizienten Informationsaustausch zwischen ausländischen und schweizerischen Polizeibehörden beziehungsweise der Zollverwaltung und dem Grenzwachtkorps sicherstellt. Gibt es im Lauf der Zeit weitere Änderungen der Kommunikationsmittel oder -wege, so ist der Vertragspartner nach Absatz 2 unverzüglich schriftlich zu informieren.

Art. 23

Sprache

Artikel 23 regelt die sprachlichen Modalitäten der Zusammenarbeit. Um unnötigen Übersetzungsaufwand zu vermeiden, sollen Informationen grundsätzlich in englischer Sprache ausgetauscht werden. Im konkreten Einzelfall haben die beteiligten Polizeibehörden jedoch die Möglichkeit, sich in einer anderen Sprache zu verständigen.

Art. 24

Evaluation

Artikel 24 sieht die Möglichkeit der Zusammenkunft von hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern der Vertragsparteien vor. Solche Expertentreffen dienen der Evaluation der Umsetzung des Abkommens. Die Fachleute können im Rahmen solcher Treffen zudem Erfahrungen im Zusammenhang mit neuen Sicherheitsstrategien austauschen oder Initiativen zur Ergänzung und Weiterentwicklung der Zusammenarbeit ergreifen und den Vertragsstaaten entsprechende Vorschläge unterbreiten.

28

SR 510.411

8167

BBl 2016

Art. 25

Durchführungsvereinbarungen

Die zuständigen Behörden können auf der Grundlage und im Rahmen des Abkommens schriftliche Vereinbarungen über die Durchführung treffen. Durchführungsvereinbarungen ergänzen oder konkretisieren die Bestimmungen des Abkommens.

Es kann sich dabei um spezifische oder befristete Regelungen betreffend eine Hilfeleistung im Einzelfall oder um allgemeine und unbefristete Vereinbarungen zur Festlegung der generellen Modalitäten der Zusammenarbeit handeln.

Als zuständig gelten die nach dem nationalen Recht der Parteien bezeichneten Behörden. Bei Abkommen dieser Art handelt es sich um völkerrechtliche Verträge von beschränkter Tragweite im Sinne von Artikel 7a Absätze 2­4 des Regierungsund Verwaltungsorganisationsgesetzes29 (RVOG). Für deren Abschluss ist der Bundesrat zuständig. Dieser hat die Kompetenz, sie abzuschliessen, dem EJPD übertragen.

Art. 26

Andere internationale Übereinkommen

Artikel 26 enthält einen Vorbehalt zugunsten bestehender internationaler Abkommen. Durch das vorliegende Abkommen werden Bestimmungen bestehender bilateraler oder multilateraler Abkommen, welche die Schweiz oder Montenegro oder beide binden, nicht berührt.

Art. 27

Inkrafttreten und Kündigung des Abkommens

Nach Abschluss ihrer verfassungsrechtlichen Verfahren für das Inkrafttreten des Abkommens teilen sich die Vertragsstaaten mit, dass die dafür notwendigen innerstaatlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Das Abkommen tritt am Tag des Eingangs der letzten Notifikation in Kraft (Abs. 1). Das Abkommen kann von den Vertragsstaaten jederzeit durch eine schriftliche Mitteilung gekündigt werden und tritt sechs Monate nach dem Empfang der Kündigung ausser Kraft (Abs. 2).

3

Auswirkungen

Das Abkommen kann mit den bestehenden Mitteln umgesetzt werden. Es führt weder auf Bundes- noch auf Kantonsebene zu einer finanziellen oder personellen Mehrbelastung. Gewisse Massnahmen können jedoch im Einzelfall und nach vorgängiger Absprache zwischen den beiden Parteien zu einer Kostenaufteilung führen, namentlich die Koordination operativer Einsätze. Die Erfahrungen aus den bereits in Kraft getretenen Kooperationsabkommen haben jedoch gezeigt, dass diese zu keinen wesentlichen personellen oder finanziellen Mehrbelastungen führen.

29

SR 172.010

8168

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4

Verhältnis zur Legislaturplanung und zu nationalen Strategien des Bundesrates

Die Botschaft vom 27. Januar 201630 zur Legislaturplanung 2015­2019 und der Bundesbeschluss vom 14. Juni 201631 über die Legislaturplanung 2015­2019 (Ziel 15) sehen vor, die bestehenden Beziehungen mit anderen Staaten zu festigen, um Gewalt, Kriminalität und Terrorismus wirksam bekämpfen zu können. Durch den zunehmenden internationalen Charakter der Kriminalität sind effiziente Justiz- und Polizeibehörden sowie rechtsstaatliche Handlungsgrundlagen notwendig. Die Zusammenarbeit mit in- und ausländischen sowie mit internationalen Partnern soll weiterentwickelt und konsolidiert werden. Das vorliegende Abkommen wird diesem Ziel gerecht.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 BV, wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Artikel 184 Absatz 2 BV ermächtigt den Bundesrat, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist nach Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung völkerrechtlicher Verträge zuständig, sofern für deren Abschluss nicht aufgrund eines Gesetzes oder völkerrechtlichen Vertrags der Bundesrat zuständig ist (Art. 24 Abs. 2 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 200232 [ParlG]; Art. 7a Abs. 1 RVOG33). Das vorliegende Abkommen muss dem Parlament zur Genehmigung unterbreitet werden.

5.2

Erlassform

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder ihre Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert.

Nach Artikel 22 Absatz 4 ParlG sind unter rechtsetzenden Normen jene Bestimmungen zu verstehen, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen. Als wichtig gelten Bestimmungen, die auf der Grundlage von Artikel 164 Absatz 1 BV in der Form eines Bundesgesetzes erlassen werden müssen.

Das vorliegende Abkommen mit Montenegro enthält solche wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen. Zum einen werden den rechtsanwendenden Behörden neue Kompetenzen eingeräumt (z. B. Bildung gemeinsamer Kontroll-, Observations-, Analyse- und Ermittlungsgruppen). Zum andern werden den Vertragsparteien auch 30 31 32 33

BBl 2016 1105 BBl 2016 5183, hier 5189 SR 171.10 SR 172.010

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Pflichten auferlegt (z. B. Haftung, Schadenersatzpflicht bei der Übermittlung von unrichtigen Daten). Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Abkommens ist deshalb dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV zu unterstellen.

5.3

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Das vorliegende Abkommen entspricht jenen, die mit anderen Staaten in der Region abgeschlossen worden sind. Es steht des Weiteren im Einklang mit dem SchengenAcquis, an welchen die Schweiz durch die Beteiligung an der Schengener Kooperation gebunden ist. Dies betrifft namentlich den Rahmenbeschluss 2008/977/JI vom 27. November 200834 über den Schutz personenbezogener Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden.

Dieser Rahmenbeschluss regelt namentlich die Bedingungen, unter denen Daten, die von einem Schengen-Staat übermittelt wurden, an einen Drittstaat übermittelt werden dürfen. Das vorliegende Abkommen berücksichtigt dabei die Bedingungen gemäss Artikel 13 des Rahmenbeschlusses. Schliesslich hat das Abkommen keine Auswirkungen auf andere internationale Verpflichtungen der Schweiz.

5.4

Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Das Abkommen enthält keine Subventionsbestimmungen, Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen. Somit unterliegt es nicht der Ausgabenbremse nach Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV.

34

ABl. L 350 vom 30.12.2008, S. 60.

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