16.076 Botschaft zum Bundesgesetz über die steuerliche Behandlung finanzieller Sanktionen vom 16. November 2016

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf des Bundesgesetzes über die steuerliche Behandlung finanzieller Sanktionen.

Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben: 2015

M 14.3450

Steuerliche Abzugsfähigkeit von Bussen (S 15.09.14, Luginbühl, N 02.03.15)

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

16. November 2016

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Johann N. Schneider-Ammann Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2016-1882

8503

Übersicht Mit dieser Vorlage setzt der Bundesrat die Motion Luginbühl «Steuerliche Abzugsfähigkeit von Bussen» (Mo. 14.3450) um. Die Motion fordert eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der steuerlichen Behandlung von Bussen und anderen finanziellen Sanktionen mit Strafzweck bei Unternehmen. Diese Aufwendungen sollen im Gegensatz zu Gewinnabschöpfungen ohne Strafzweck steuerlich nicht abziehbar sein. Diese Ziele werden mit einer Änderung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) und des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) erreicht.

In sachlichem Zusammenhang stehen die ebenfalls in der Vorlage enthaltenen Regelungen für die Nichtabzugsfähigkeit von Bestechungszahlungen an Private und von Aufwendungen, die Straftaten ermöglichen oder als Gegenleistung für die Begehung von Straftaten erfolgen.

Ausgangslage Die steuerliche Behandlung von Bussen und finanziellen Verwaltungssanktionen bei Unternehmen ist weder im DBG noch im StHG eigens geregelt. Eine ausdrückliche Regelung besteht einzig für Steuerbussen, die nicht abzugsfähig sind. In der Lehre und Praxis ist die Frage umstritten. Der Bundesrat hielt im Bericht vom 12. September 2014 in Erfüllung des Postulats vom 14. März 2014 «Finanzielle Sanktionen wie z. B. Bussen. Steuerliche Abzugsfähigkeit» (Po. 14.3087; Leutenegger Oberholzer) fest, dass es sich hierbei um eine Auslegungsfrage handelt. Aus Sicht des Bundesrates sind Bussen und finanzielle Verwaltungssanktionen mit Strafzweck bereits nach geltendem Recht steuerlich nicht abzugsfähig. Demgegenüber sind gewinnabschöpfende Sanktionen ohne Strafzweck als geschäftsmässig begründeter Aufwand abziehbar. Die Vernehmlassung zeigte, dass die Mehrzahl der Kantone die Rechtsauffassung des Bundesrates teilt, sich aber in vielen Kantonen hierzu noch keine gefestigte Praxis entwickelt hat. Das Bundesgericht hat die Auffassung des Bundesrates mit Urteil vom 26. September 2016 bestätigt.

Seit dem 1. Juli 2016 sind Bestechungszahlungen an Private nach Strafgesetzbuch (StGB) strafbar, auch dann, wenn sie nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führen.

Eine Ausnahme gilt für leichte Fälle.

Inhalt der Vorlage Die Vorlage stellt die steuerliche Behandlung von finanziellen Sanktionen im Unternehmensbereich auf eine klare gesetzliche
Grundlage. Finanzielle Sanktionen mit Strafzweck, d. h. Bussen, Geldstrafen und finanzielle Verwaltungssanktionen mit Strafzweck, sollen inskünftig explizit nicht als geschäftsmässig begründeter Aufwand gelten. Steuerlich abzugsfähig sind weiterhin gewinnabschöpfende Sanktionen ohne Strafzweck.

Bestechungszahlungen an Private sollen bei den Einkommens- und Gewinnsteuern nicht als geschäftsmässig begründete Aufwendungen gelten, soweit solche Zahlun-

8504

gen nach schweizerischem Strafrecht strafbar sind. Gleiches soll für Aufwendungen gelten, die Straftaten ermöglichen oder als Gegenleistung für die Begehung von Straftaten erfolgen.

Die vorgeschlagenen Regelungen gelten sowohl für das DBG als auch für das StHG.

Sie sind sowohl auf juristische Personen als auch auf Einzelunternehmen und Personengesellschaften anwendbar.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

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Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.1.1 Umsetzung der Motion «Steuerliche Abzugsfähigkeit von Bussen» 1.1.2 Bestechungszahlungen an Private 1.2 Geltendes Recht 1.2.1 Bussen, Geldstrafen und finanzielle Verwaltungssanktionen mit Strafzweck 1.2.1.1 Unumstrittene Aspekte 1.2.1.2 Umstrittene Aspekte 1.2.1.3 Haltung des Bundesrates 1.2.2 Gewinnabschöpfende Sanktionen ohne Strafzweck 1.2.3 Bestechungszahlungen an Private 1.2.4 Aufwendungen, die der Ermöglichung von Straftaten dienen oder als Gegenleistung für die Begehung einer Straftat bezahlt werden 1.2.5 Prozesskosten 1.3 Die beantragte Neuregelung 1.4 Begründung und Bewertung der Neuregelung 1.4.1 Ergebnis der Vernehmlassung 1.4.2 Bussen, Geldstrafen und finanzielle Verwaltungssanktionen mit Strafzweck 1.4.3 Verzicht auf Regelung der Nichtabzugsfähigkeit von Prozesskosten 1.4.4 Gewinnabschöpfende Sanktionen ohne Strafzweck 1.4.5 Bestechungszahlungen an Private 1.4.6 Aufwendungen, die der Ermöglichung von Straftaten dienen oder als Gegenleistung für die Begehung einer Straftat bezahlt werden 1.5 Rechtsvergleich 1.5.1 Deutschland 1.5.2 Frankreich 1.5.3 Italien 1.5.4 USA 1.6 Umsetzung 1.6.1 Vollzug und Inkraftsetzung 1.6.2 Übergangsrecht 1.7 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

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Erläuterungen zu einzelnen Artikeln 2.1 Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer 2.2 Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden

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3

Auswirkungen 3.1 Finanzielle und personelle Auswirkungen 3.1.1 Finanzielle Auswirkungen 3.1.2 Personelle Auswirkungen 3.2 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft 3.2.1 Auswirkungen auf die Standortattraktivität 3.2.2 Auswirkungen auf Fairness und Steuermoral

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4

Verhältnis zur Legislaturplanung

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5

Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz 5.3 Erlassform

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Bundesgesetz über die steuerliche Behandlung finanzieller Sanktionen (Entwurf)

8531

8537

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Botschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

1.1.1

Umsetzung der Motion «Steuerliche Abzugsfähigkeit von Bussen»

Die Motion «Steuerliche Abzugsfähigkeit von Bussen» vom 16. Juni 2014 (Mo. 14.3450; Luginbühl) fordert eine Änderung des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 19901 über die direkte Bundessteuer (DBG) und des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 19902 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG). Die Revision soll vorsehen, dass im In- und Ausland ausgesprochene Bussen und andere finanzielle Sanktionen mit Strafcharakter keinen geschäftsmässig begründeten Aufwand darstellen. Der Bundesrat wird beauftragt, dem Parlament einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen.

Der Bundesrat beantragte am 12. September 2014 die Annahme der Motion. Gleichzeitig verabschiedete er einen Bericht in Erfüllung des Postulats vom 14. März 2014 «Finanzielle Sanktionen wie z. B. Bussen. Steuerliche Abzugsfähigkeit» (Po. 14.3087; Leutenegger Oberholzer). Dieser Bericht (nachfolgend: Bericht vom 12. September 2014) legt die geltende Rechtslage dar.

Der Ständerat nahm am 15. September 2014 die vorliegend umzusetzende Motion an. Der Nationalrat folgte dem Ständerat am 2. März 2015 und überwies die Motion damit an den Bundesrat. Der Bundesrat hat im Sinne der Motion eine Vorlage ausgearbeitet und vom 18. Dezember 2015 bis zum 11. April 2016 eine Vernehmlassung durchgeführt.

Die Motion fügt sich in eine Reihe von Vorstössen ein, die infolge der Rechtsstreitigkeiten von Schweizer Banken mit US-Behörden die steuerliche Abzugsfähigkeit von Bussen und anderen finanziellen Sanktionen thematisieren. Derzeit im Parlament hängig sind die Motionen «Klare Regelung für die Abzugsfähigkeit von Bussen» (Mo. 14.3626; CVP-Fraktion) und «Steuerliche Abzugsfähigkeit von Bussen» (Mo. 14.3444; BDP-Fraktion).

1.1.2

Bestechungszahlungen an Private

Seit dem Jahr 2000 wurde das schweizerische Korruptionsstrafrecht ausgebaut und verschärft. Die verschiedenen Revisionen betrafen namentlich die Bestechung von Amtsträgern und erfolgten im Zusammenhang mit dem Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen vom 17. Dezember 19973 über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr (nachfolgend: 1 2 3

SR 642.11 SR 642.14 SR 0.311.21; In Kraft getreten für die Schweiz am 30. Juli 2000.

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OECD-Konvention), zum Strafrechtsübereinkommen vom 27. Januar 19994 über Korruption (nachfolgend: Strafrechtskonvention des Europarates) sowie zum Zusatzprotokoll vom 15. Mai 20035 zu dem Strafrechtsübereinkommen über Korruption. Im Zuge dieser Revisionen werden seit dem 1. Januar 2001 Bestechungsgelder im Sinne des schweizerischen Strafrechts an schweizerische oder fremde Amtsträger bei den Einkommenssteuern nicht mehr als geschäftsmässig begründete Aufwendungen zugelassen (Art. 27 Abs. 3 und 59 Abs. 2 DBG sowie Art. 10 Abs. 1bis und 25 Abs. 1bis StHG6).

Im Gegensatz zur OECD-Konvention bekämpft die Strafrechtskonvention des Europarates nicht nur die Korruption von Amtsträgern, sondern auch diejenige von Privatpersonen. Als Folge der Ratifizierung der Strafrechtskonvention ist die Schweiz seit dem 1. Juli 2006 Mitglied der Groupe d'Etats contre la corruption (GRECO). Dieses Gremium überprüft die Umsetzung der Normen und Standards der Strafrechtskonvention durch Länderüberprüfungen (Peer Reviews), deren Ergebnisse in einem Konformitätsbericht festgehalten werden. Der Beitritt zur Strafrechtskonvention gab Anlass, die im Wettbewerbsrecht bis dahin nur fragmentarisch geregelte Strafbarkeit der Privatbestechung auszudehnen (Art. 4a des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 19867 über den unlauteren Wettbewerb, UWG).

Im Rahmen des 3. Evaluationszyklus gab die GRECO der Schweiz verschiedene Empfehlungen ab, namentlich im Bereich der strafrechtlich zu ahndenden Korruption. In diesem Zusammenhang verabschiedete der Bundesrat am 30. April 2014 eine Botschaft zur Änderung des Strafgesetzbuchs8 (Korruptionsstrafrecht).9 Unter anderem sollte die Privatbestechung von Amtes wegen verfolgt werden, da die Voraussetzung des Strafantrags eine zu hohe Hürde für die konsequente Verfolgung der Privatbestechung darstellt, wie die geringe Zahl an Fällen zeigte. Zudem sollte die Strafbarkeit der Privatbestechung von der heute geltenden Voraussetzung der Wettbewerbsverzerrung entbunden werden. Demnach sollte die Strafbarkeit künftig auch bei Fehlen einer klassischen Konkurrenzsituation vorliegen.

Das Parlament verabschiedete die Vorlage am 25. September 2015. Es stimmte der Vorlage des Bundesrates grundsätzlich zu, mit einer Einschränkung für leichte Fälle.

Diese sollen nur auf Antrag strafrechtlich verfolgt werden. Die
Änderung des Korruptionsstrafrechts trat am 1. Juli 2016 in Kraft. Gemäss dem dritten Zwischenbericht über die Konformität zum 3. Evaluationszyklus der GRECO wurden die Empfehlungen zu den Strafbestimmungen mit dieser Gesetzesänderung in zufriedenstellender Weise umgesetzt.10

4 5 6 7 8 9 10

SR 0.311.55; in Kraft getreten für die Schweiz am 1. Juli 2006.

SR 0.311.551; in Kraft getreten für die Schweiz am 1. Juli 2006.

Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 22. Dezember 1999 über die Unzulässigkeit steuerlicher Abzüge von Bestechungsgeldern (AS 2000 2147; BBl 1997 II 1037, IV 1336).

SR 241 SR 311.0 BBl 2014 3591 GRECO/Europarat, Dritte Evaluationsrunde, dritter Zwischenbericht über die Konformität der Schweiz, Strafbestimmungen ­ Transparenz der Parteienfinanzierung, Ziffer 15 (www.coe.int > Evaluations > Third Evaluation Round > Table on Evaluation and Compliance Reports > Switzerland > 3rd / 3e interim public (25.VIII.2016).

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Im Rahmen dieser Revision des Strafgesetzbuchs (StGB) wurden keine allfälligen Änderungen des DBG und des StHG thematisiert. Da es sich bei der steuerlichen Behandlung von Bestechungszahlungen an Private wie bei der umzusetzenden Motion um deliktsbezogene Aufwendungen handelt, wird die Thematik in der vorliegenden Revision aufgenommen.

1.2

Geltendes Recht

1.2.1

Bussen, Geldstrafen und finanzielle Verwaltungssanktionen mit Strafzweck

1.2.1.1

Unumstrittene Aspekte

Unumstritten ist, dass bei Unternehmen der steuerbare Gewinn entsprechend dem Grundsatz der Massgeblichkeit der Handelsbilanz ermittelt wird (Massgeblichkeitsprinzip). Als Ausgangspunkt der steuerrechtlichen Gewinnermittlung dienen somit die kaufmännische Bilanz und Erfolgsrechnung. Von der Handelsbilanz wird zu Steuerzwecken abgewichen, wenn eine steuerrechtliche Korrekturvorschrift dies fordert.

Eine solche Korrekturvorschrift besteht im geltenden Recht namentlich für Steuerbussen juristischer Personen. Diese Bussen werden ausdrücklich von den geschäftsmässig begründeten Aufwendungen ausgenommen (Art. 59 Abs. 1 Bst. a DBG und Art. 25 Abs. 1 Bst. a StHG) und sind deshalb nicht abzugsfähig.

Ebenfalls klar ist die Rechtslage bezüglich der steuerlichen Behandlung von Bussen, Geldstrafen und finanziellen Verwaltungssanktionen mit Strafzweck an natürliche Personen ohne selbstständige Erwerbstätigkeit. Die Artikel 26, 32­33a und 35 DBG sowie Artikel 9 StHG bezeichnen abschliessend, welche Kosten und Aufwendungen steuerlich abziehbar sind. Da Bussen, Geldstrafen und Verwaltungssanktionen mit Strafzweck in der abschliessenden Aufzählung der abziehbaren Kosten nicht genannt sind, können sie steuerlich nicht abgezogen werden.

Hinsichtlich Steuerbussen natürlicher Personen mit selbstständiger Erwerbstätigkeit existiert keine ausdrückliche Korrekturvorschrift. Da Steuern für sämtliche natürlichen Personen nicht abziehbar sind (Art. 34 Bst. e DBG), erstreckt sich die Nichtabzugsfähigkeit erst recht auf Steuerbussen. Es ist in der Praxis unbestritten, dass Steuerbussen auch bei natürlichen Personen mit selbstständiger Erwerbstätigkeit nicht abzugsfähig sind.

1.2.1.2

Umstrittene Aspekte

Weder im DBG noch im StHG ausdrücklich geregelt ist die steuerliche Behandlung von Bussen, Geldstrafen und finanziellen Verwaltungssanktionen mit Strafzweck, die gegen natürliche Personen mit selbstständiger Erwerbstätigkeit verhängt werden. Ausdrückliche Bestimmungen fehlen auch für die steuerliche Behandlung von Bussen (ausser Steuerbussen) und finanziellen Verwaltungssanktionen mit Straf-

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zweck, die juristischen Personen auferlegt werden. In der Lehre und Praxis sind diese Fragen umstritten.

In der Lehre wird teilweise argumentiert, dass nur der Nettozufluss von Einkommen besteuert werden dürfe und sämtliche zu seiner Erzielung notwendigen Aufwendungen zum Abzug zugelassen werden müssten. Dies ergäbe sich aus dem objektiven Nettoprinzip, das sich aus dem Verfassungsprinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gemäss Artikel 127 Absatz 2 der Bundesverfassung (BV) ableite.11 Gestützt auf den anerkannten Grundsatz der Wertneutralität des Steuerrechts würden nicht nur Erträge aus rechtswidrigen Geschäften besteuert, sondern auch die hierfür getätigten Aufwendungen zum Abzug zugelassen. 12 Ausgenommen seien Aufwendungen, für die in Abweichung vom Massgeblichkeitsprinzip eine gesetzliche Korrekturvorschrift bestehe.13 Teilweise wird die Abzugsfähigkeit von Bussen auch mit der Begründung bejaht, der Gesetzeswortlaut nehme einzig Steuerbussen von der Abzugsfähigkeit aus.

Bussen des StGB und des Nebenstrafrechts seien deshalb steuerlich abzugsfähig. 14 Andere Autoren vertreten die Auffassung, dass Bussen nicht geschäftsmässig begründet wären, weil sie eine Konsequenz deliktischen Verhaltens darstellen 15 oder im Gegensatz zu Schadenersatzzahlungen keine Ausgleichsfunktion hätten.16 In der Praxis werden Bussen, Geldstrafen und finanzielle Verwaltungssanktionen mit Strafzweck in den meisten Kantonen steuerlich nicht zum Abzug zugelassen. 17 Die Nichtabzugsfähigkeit von Bussen wurde bisher durch ältere Entscheide des Bundesgerichts gestützt.18 Das Bundesgericht hatte 1944 in einem ersten Entscheid die steuerliche Behandlung einer Busse wegen Verstosses gegen das damals geltende Bundesgesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen zu beurteilen. Es erachtete die gegen einen selbstständigerwerbenden Schnapsbrenner verhängte Busse als steuerlich nicht abzugsfähig. Zur Begründung führte es damals aus, die strafrechtliche Verantwortung treffe den Täter persönlich, auch wenn das Vergehen im Geschäftsbetrieb begangen worden sei. Das Bundesgericht beurteilte im Entscheid vom 26. September 2016 die steuerliche Behandlung einer europäischen Wettbewerbsbusse. Es kam dabei zum Schluss, dass Bussen und 11

12 13 14 15 16 17

18

Simonek Madeleine, Rechtsgutachten betreffend die Einzelinitiative KR-Nr. 20/2010 zur Abzugsfähigkeit von Bussen vom steuerbaren Gewinn, erstattet an das Kantonale Steueramt Zürich, Zürich 2011 (zitiert: Rechtsgutachten), Ziffer 5.2 (www.zh.ch > aktuell > news > Suche/Archiv > 29.09.2011 Einzelinitiative zu Abzugsfähigkeit von Bussen wird abgelehnt > Rechtsgutachten von Prof. Dr. iur. Madeleine Simonek).

Simonek Madeleine, Rechtsgutachten, Ziffer 5.3.

Simonek Madeleine, Rechtsgutachten, Ziffer 5.1.

Richner Felix/Frei Walter/Kaufmann Stefan/Meuter Hans Ulrich, Handkommentar zum DBG, 2. Auflage, Zürich 2009, N 4 zu Art. 59 DBG.

Agner Peter/Jung Beat/Steinmann Gotthard, Kommentar zum Gesetz über die direkte Bundessteuer, Zürich 2000, Ziffer 1 zu Art. 59 DBG.

Locher Peter, Kommentar zum DBG, II. Teil, 1. Auflage, Therwil/Basel 2004, N 35 zu Art. 27 DBG.

Ergebnisbericht des Vernehmlassungsverfahrens Ziffer 3.5, abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > abgeschlossene Vernehmlassungen > 2015 > EFD.

BGE 70 I 250, E. 4; bestätigt mit bundesgerichtlichen Urteilen vom 31. Mai 1946 und 30. Mai 1952.

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finanzielle Verwaltungssanktionen mit Strafzweck bei juristischen Personen keinen geschäftsmässig begründeten Aufwand darstellen und steuerlich nicht abziehbar sind. Es bestätigte damit die Auffassung des Bundesrates.19

1.2.1.3

Haltung des Bundesrates

Der Bundesrat gelangte im Bericht vom 12. September 2014 zur Ansicht, dass es sich bei der Frage, ob Bussen und finanzielle Verwaltungssanktionen mit Strafzweck steuerlich abzugsfähig sind, um eine Auslegungsfrage handle: Steuerliche Behandlung von finanziellen Sanktionen mit Strafzweck bei Selbstständigerwerbenden Steuerlich abziehbare Kosten für natürliche Personen mit selbstständiger Erwerbstätigkeit würden im DBG und im StHG exemplarisch aufgezählt (Art. 27 Abs. 2 und 29 Abs. 1 DBG bzw. Art. 10 Abs. 1 und 25 Abs. 1 StHG). Die steuerliche Behandlung von Bussen (andere als Steuerbussen), Geldstrafen gegen Selbstständigerwerbende und finanziellen Verwaltungssanktionen mit Strafzweck hänge davon ab, ob sie als geschäftsmässig begründete Aufwendungen qualifiziert werden können.

Der Begriff des geschäftsmässig begründeten Aufwandes betreffe ausschliesslich geschäftliche, d. h. auf Gewinnerzielung ausgerichtete Tätigkeiten. Er sei weder im DBG noch im StHG generell-abstrakt definiert. Das Bundesgericht habe den Begriff des geschäftsmässig begründeten Aufwandes in verschiedenen Urteilen wie folgt umschrieben: «Eine Geschäftsaufwendung ist grundsätzlich geschäftsmässig begründet, wenn der Betrieb und der mit ihm verfolgte Zweck der Gewinnerzielung mit der Aufwendung in einem kausalen Zusammenhang stehen. Damit die Aufwendung der betrieblichen Sphäre zugeordnet werden kann, muss die Kausalität zwischen Betrieb und Aufwendung sachlich sein, wobei die Sachlichkeit einer Aufwendung mit Hilfe des handelsrechtlichen Begriffs der objektivierten Sorgfaltspflicht des ordentlichen Geschäftsführers bestimmt wird [...]. Was nach kaufmännischer Auffassung in guten Treuen zum Kreis der Aufwendungen gerechnet werden kann, ist steuerlich als geschäftsmässig begründet anzuerkennen.»20 Nach kaufmännischer Auffassung könnten Unkosten, die in guten Treuen entstanden sind, vom Gewinn abgezogen werden. Dies gelte auch für Ausgaben, die nicht zu einem Gewinn beigetragen hätten. In der handelsrechtlichen Erfolgsrechnung würden Bussen, Geldstrafen und finanzielle Verwaltungssanktionen mit Strafzweck dementsprechend zuweilen als Aufwand erfasst. Strafrechtlich relevantes Geschäftsverhalten könne durchaus zu einem höheren Unternehmensgewinn führen, indem der Umsatz gesteigert oder Kosten eingespart würden. In einem solchen Fall
bestehe ein gewisser unternehmungswirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Geschäftstätigkeit und Busse, Geldstrafe oder finanzieller Verwaltungssanktion mit Strafzweck.

19 20

Urteil des Bundesgerichts vom 26. September 2016 (2C_916/2014 und 2C_917/2014).

BGE 113 Ib 114; Urteile des Bundesgerichts vom 4. März 2002 (2A.457/2001) und vom 29. November 2002 (2P.153/2002 und 2A.358/2002).

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Die Kausalität zwischen Betrieb und Aufwendung müsse jedoch sachlicher Natur sein. Ob die Sachlichkeit der Aufwendung gegeben sei, werde mit Hilfe des handelsrechtlichen Begriffs der objektivierten Sorgfaltspflicht des ordentlichen Geschäftsführers bestimmt. Wer zu einer Busse, Geldstrafe oder finanziellen Verwaltungssanktion mit Strafzweck verurteilt werde, habe seine gesetzlichen Pflichten und damit auch die Sorgfaltspflicht nicht erfüllt. Zu den Sorgfaltspflichten gehöre auch die Informationsbeschaffungspflicht. Dass im internationalen Verhältnis bisweilen Handlungen strafbar seien, die in der Schweiz legale Tätigkeiten darstellten, entbinde daher nicht von der Pflicht zu rechtskonformem Verhalten (Compliance) bei Geschäften mit Auslandbezug.

Gemäss Auffassung des Bundesrates handelt es sich bei strafrechtlich relevantem Geschäftsverhalten nicht um ein kaufmännisches Verhalten nach Treu und Glauben, und die notwendige sachliche Natur ist bei einer Busse, Geldstrafe und finanziellen Verwaltungssanktion mit Strafzweck für natürliche Personen mit selbstständiger Erwerbstätigkeit nicht gegeben.

Steuerliche Behandlung finanzieller Sanktionen mit Strafzweck bei juristischen Personen Für juristische Personen nehme Artikel 59 Absatz 1 Buchstabe a DBG die Steuerbussen vom geschäftsmässig begründeten Aufwand aus. Daraus e contrario zu schliessen, dass die übrigen Bussen und finanziellen Verwaltungssanktionen mit Strafzweck geschäftsmässig begründeten Aufwand darstellen, ist jedoch nach Ansicht des Bundesrates verfehlt. Diese Auffassung lasse sich insbesondere mit einem Blick auf die Entstehungsgeschichte der Bestimmung untermauern. Artikel 59 Absatz 1 Buchstabe a DBG sei am 1. Januar 1995 in Kraft getreten. Zu diesem Zeitpunkt sei die Strafbarkeit von Unternehmen nach Artikel 102 StGB noch nicht in Kraft gewesen. Somit seien einzig Steuerbussen als eigene Bussen einer juristischen Person in Betracht gekommen. Im Gesetz seien deshalb lediglich die Steuerbussen explizit als nicht geschäftsmässig begründeter Aufwand bezeichnet worden.

Würden Bussen und finanzielle Verwaltungssanktionen mit Strafzweck steuerrechtlich zum Abzug zugelassen, so würde dies deren Strafwirkung über das Steuerrecht reduzieren, weil sich die Belastung durch eine Busse in dem Umfang wirtschaftlich reduziert, in dem sie steuerlich
abgezogen werden kann. Man könne zwar argumentieren, das sei in Kauf zu nehmen, denn die Busse würde tatsächlich den Gewinn des Unternehmens vermindern und deshalb sei der Abzug gerechtfertigt. Die steuermindernden Faktoren würden jedoch (bei Annahme eines konstant erzielten Steuerertrags) gewissermassen zu Lasten der übrigen Steuerzahlenden gehen, die somit einen Teil der Busse, Geldstrafe oder finanziellen Verwaltungssanktion mit Strafzweck indirekt mittragen würden. Dies könne nicht der Zweck der Sanktion sein, die nur zum Nachteil des Täters, nicht aber der Allgemeinheit verfügt werde.

Die Abziehbarkeit von Bussen würde ausserdem dazu führen, dass zwar Bestechungszahlungen an Amtsträger nach Artikel 59 Absatz 2 DBG keinen geschäftsmässig begründeten Aufwand darstellen und nicht zum Abzug zugelassen werden, eine allenfalls gegenüber der juristischen Person wegen Bestechung ausgesprochene Busse nach Artikel 102 StGB jedoch schon. Ein solches Resultat wäre widersprüchlich und liefe der Einheit der Rechtsordnung zuwider.

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Der Bundesrat erachtet aufgrund dieser Überlegungen Bussen, Geldstrafen und finanzielle Verwaltungssanktionen mit Strafzweck im geltenden Recht für juristische Personen als steuerlich nicht abzugsfähig. Aufgrund der Nichtabzugsfähigkeit ist für diese Sanktionen gemäss Rechtsauffassung des Bundesrates die Bildung von Rückstellungen nicht anzuerkennen.

Bussen und Geldstrafen aus strafrechtlicher Sicht Bussen und Geldstrafen sind gesetzlich vorgesehene Strafarten. Sie werden aufgrund persönlicher Verfehlungen verhängt und haben unter anderem den Zweck, die begangene Schuld auszugleichen (Schuldprinzip). Es kann in Frage gestellt werden, inwiefern eine Sanktion überhaupt eine erzieherische oder abschreckende Funktion entfalten kann, wenn sie nicht eine natürliche Person trifft. Eine Abweichung vom Schuldprinzip bestand denn auch lange Zeit ausschliesslich im Recht der direkten Bundessteuern für die Strafbarkeit juristischer Personen wegen Verletzung von Verfahrenspflichten im Fall einer Steuerhinterziehung (Art. 181 DBG) und bei der stellvertretenden Haftung des Unternehmens in Bagatellfällen nach Artikel 7 des Bundesgesetzes vom 22. März 197421 über das Verwaltungsstrafrecht. Seit dem Inkrafttreten der Unternehmensstrafbarkeit nach Artikel 102 StGB werden Unternehmen zudem in folgenden zwei Fällen bestraft: ­

wenn in einem Unternehmen in Ausübung der geschäftlichen Verrichtung im Rahmen des Unternehmenszwecks ein Verbrechen oder Vergehen begangen wurde und die Tat wegen mangelhafter Organisation des Unternehmens keiner bestimmten Person zugerechnet werden kann (subsidiäre Unternehmensstrafbarkeit, Abs. 1);

­

wenn eine der abschliessend aufgeführten Katalogstraftaten begangen wurde, unabhängig von der Strafbarkeit natürlicher Personen, falls dem Unternehmen vorzuwerfen ist, dass es nicht alle erforderlichen und zumutbaren Vorkehren getroffen hat, um die Straftat zu verhindern (konkurrierende oder kumulative Unternehmensstrafbarkeit, Abs. 2).

In beiden Fällen kann das Unternehmen zu einer Busse bis zu 5 Millionen Franken verurteilt werden.

In der strafrechtlichen Literatur wird die Meinung vertreten, das Bezahlen einer fremden Busse oder Geldstrafe stelle keine strafbare Begünstigung nach Artikel 305 StGB dar, weil diese Sanktionsarten keinen (ausreichenden) persönlichen Charakter aufweisen würden.22 Abgesehen davon, dass diese Auffassung den Zweck dieser Sanktionsarten grundsätzlich in Frage stellt, müsste danach die für einen Dritten bezahlte Busse oder Geldstrafe wohl auch als geschäftsmässiger Aufwand verbucht werden können. Es stellte sich damit die Frage, ob die sich daraus ergebende steuerrechtliche Ungleichbehandlung der verurteilten Person vertretbar wäre. Allerdings erweist sich die erwähnte Meinung bei näherer Betrachtung strafrechtlich als kaum belastbar und scheint vornehmlich von pragmatischen Überlegungen (Beweisnot21 22

SR 313.0 Delnon Vera/Rüdy Bernhard in Basler Kommentar StGB II, Basel 2013, Art. 305 N 20 f.

Teilweise zustimmend Trechsel Stephan/Affolter-Eijsten in StGB Praxiskommentar, Zürich/St. Gallen 2013, Art. 305 N 11.

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stand) geprägt.23 In der Rechtsprechung des Bundesgerichts hat sie bisher ebenfalls keinen Niederschlag gefunden.

1.2.2

Gewinnabschöpfende Sanktionen ohne Strafzweck

Gewinnabschöpfende Sanktionen ohne Strafzweck werden in den exemplarischen Aufzählungen des DBG und des StHG bei den geschäftsmässig begründeten Aufwendungen nicht ausdrücklich genannt (vgl. Art. 59 DBG und Art. 25 StHG). Ob solche Sanktionen steuerlich abzugsfähig sind, ist daher eine Auslegungsfrage.

Gestützt auf die bundesgerichtliche Definition des geschäftsmässig begründeten Aufwandes (vgl. Ziff. 1.2.1.3) kann eruiert werden, ob gewinnabschöpfende Sanktionen ohne Strafzweck mit dem erzielten Erwerb sachlich in einem kausalen Zusammenhang stehen und somit geschäftsmässig begründet sind. Solche Sanktionen werden aufgrund einer gewinnbringenden Geschäftstätigkeit ausgesprochen, die gegen die gesetzlichen Rahmenbedingungen verstösst. Die Sanktion bezweckt nun gleichsam den rechtmässigen Zustand wiederherzustellen, indem sie den im Jahr der Erzielung versteuerten Anteil des Gewinns abschöpft, der aus dem Rechtsverstoss resultiert. Damit werden auch allfällige durch das unrechtmässige Verhalten erzielte Wettbewerbsvorteile korrigiert. Die gewinnabschöpfende Sanktion will somit das Gleichgewicht unter den konkurrierenden Unternehmen wiederherstellen und dient nicht dem Ausgleich des begangenen Unrechts. Aus Sicht des Bundesrates ist somit von einem sachlich kausalen Zusammenhang zwischen der Sanktion und der Geschäftstätigkeit und demzufolge der geschäftsmässigen Begründetheit von Gewinnabschöpfungen auszugehen. In Übereinstimmung mit der Lehre erachtet der Bundesrat daher gewinnabschöpfende Sanktionen ohne Strafzweck nach geltendem Recht als steuerlich abzugsfähig.

In der Praxis sind gewinnabschöpfende Sanktionen ohne Strafzweck grundsätzlich steuerlich abziehbar.24 Das Bundesgericht hat die steuerliche Abzugsfähigkeit von gewinnabschöpfenden Sanktionen ohne Strafzweck im Urteil vom 26. September 2016 bestätigt.25 Die Bildung von Rückstellungen ist für gewinnabschöpfende Sanktionen unter den Voraussetzungen der Artikel 26 und 63 DBG bzw. von Artikel 24 Absatz 4 i. V. m.

Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe b StHG zulässig. Die Ursache für dieses Verlustrisiko muss bereits im Geschäftsjahr eingetreten sein. Die geschäftsmässige Begründetheit der Rückstellung setzt voraus, dass der entsprechende Aufwand unter den konkreten Umständen dem abgelaufenen Geschäftsjahr wirtschaftlich zugeordnet werden kann. Somit werden die Rückstellungen durch das Periodizitätsprinzip 23

24

25

Ablehnend etwa Stratenwerth Günter/Bommer Felix, Strafrecht Besonderer Teil II, Bern 2013, § 57 N 10. Eingehend dazu Schneider Klaus, Unternehmensstrafbarkeit zwischen Obstruktion und Kooperation, Bern 2009, 51 f. m.w.N.

Ergebnisbericht des Vernehmlassungsverfahrens Ziffer 3.5, abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > abgeschlossene Vernehmlassungen > 2015 > EFD.

Urteil des Bundesgerichts vom 26. September 2016 (2C_916/2014 und 2C_917/2014), E. 7.7.

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eingeschränkt. Das Verlustrisiko muss eine unmittelbare und zwangsläufige Folge der Ertragserzielung im Geschäftsjahr sein, unabhängig davon, wann die Ausgabe tatsächlich anfällt. Die Festlegung der Höhe dieses Verlustrisikos ist bei Gewinnabschöpfungen schwierig. Bei Rückstellungen handelt es sich systemimmanent um Schätzungen, weshalb ein gewisser Ermessensspielraum zugestanden werden muss.

Das steuerpflichtige Unternehmen hat indessen den Risikoeintritt zu belegen und den Umfang zumindest glaubhaft zu machen.

Sind die verbuchten Rückstellungen nicht mehr begründet (z. B. weil sich das Risiko nicht oder nicht in der erwarteten Höhe verwirklicht hat), so werden die Rückstellungen praxisgemäss im Jahr der Auflösung dem steuerbaren Gewinn zugerechnet (vgl. Art. 63 Abs. 2 DBG). Die Steuerbehörden sind befugt, eine Rückstellung steuerrechtlich aufzulösen, bevor eine entsprechende Verbuchung in der Handelsbilanz erfolgt. Die Auflösung der Rückstellung erfolgt in jener Periode, bei deren Veranlagung die Steuerbehörden den Wegfall der geschäftsmässigen Begründetheit dieses Passivpostens feststellen.

Im Ergebnis handelt es sich beim Anteil der ursprünglich gebildeten und steuerlich gewährten Rückstellung, welcher den Gesamtbetrag der effektiv geschuldeten Sanktionen übersteigt, um eine geschäftsmässig nicht mehr begründete Rückstellung gemäss Artikel 63 Absatz 2 DBG. Das Gleiche gilt bei der Verurteilung zu einer nicht abzugsfähigen Busse. Dieser nicht geschäftsmässig begründete Aufwand ist ­ sofern die Rückstellung überhaupt steuerlich zugelassen wurde ­ spätestens bei Abschluss des Straf- oder Verwaltungsverfahrens zum steuerbaren Ertrag der Gesellschaft aufzurechnen.

1.2.3

Bestechungszahlungen an Private

DBG und StHG halten fest, dass Zahlungen von Bestechungsgeldern im Sinne des schweizerischen Strafrechts an schweizerische oder fremde Amtsträger nicht abziehbar sind (Art. 27 Abs. 3 und 59 Abs. 2 DBG sowie Art. 10 Abs. 1 bis und 25 Abs. 1bis StHG). Bestechungszahlungen an Private werden in diesen Bestimmungen nicht erwähnt.

Im Rahmen der Einführung der Nichtabzugsfähigkeit von Bestechungsgeldern an Amtsträger wurde die Privatbestechung zwar thematisiert. Die Bestechungszahlungen an Private wurden aber als steuerlich abzugsfähig erachtet (vgl. Bericht der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates [WAK-N] vom 29. Januar 199726 zur parlamentarischen Initiative Carobbio «Schmiergelder. Steuerliche Nichtanerkennung»).27 Im Rahmen einer Änderung des Wettbewerbsrechts im Jahr 2006 wurde die Strafbarkeit auf die aktive und passive Bestechung Privater ausgedehnt, die zu einer Wettbewerbsverzerrung führt. Eine entsprechende Anpassung des DBG und des StHG erfolgte nicht. In der Lehre wird weiterhin davon ausgegangen, dass Bestechungsgelder an Privatpersonen auch dann abzugsfähig 26 27

BBl 1997 II 1037, hier 1048 Vgl. Richner Felix/Frei Walter/Kaufmann Stefan/Meuter Hans Ulrich, Handkommentar zum DBG, 2. Auflage, Zürich 2009, N 38 zu Art. 27 DBG.

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sind, wenn die Bestechungszahlung an eine Privatperson zu einer Wettbewerbsverzerrung führt und nach UWG strafbar ist (vgl. hierzu auch Ziff. 1.4.5).28

1.2.4

Aufwendungen, die der Ermöglichung von Straftaten dienen oder als Gegenleistung für die Begehung einer Straftat bezahlt werden

Weder das DBG noch das StHG enthalten eine ausdrückliche Regelung betreffend Aufwendungen, die Straftaten ermöglichen oder als Gegenleistung zur Begehung von Straftaten entrichtet werden. Ausgehend von der Umschreibung des Bundesgerichts zum geschäftsmässig begründeten Aufwand sind Aufwendungen dann geschäftsmässig begründet, wenn ein sachlicher Zusammenhang zwischen der Geschäftstätigkeit und der Aufwendung besteht. Ob die Sachlichkeit der Aufwendung gegeben ist, wird mit Hilfe des handelsrechtlichen Begriffs der objektivierten Sorgfaltspflicht des ordentlichen Geschäftsführers bestimmt (vgl. Ziff. 1.2.1). Aufwendungen, die im Hinblick auf eine Straftat oder als Gegenleistung für die Begehung einer Straftat erfolgen, genügen diesen Anforderungen nicht. Die steuerliche Abzugsfähigkeit dieser Aufwendungen wäre daher bereits nach geltendem Recht grundsätzlich zu verneinen.

Aufwendungen zur Ermöglichung von Straftaten oder als Gegenleistung für die Begehung von Straftaten können per se illegal sein (z. B. Terrorismusfinanzierung gemäss Art. 260quinquies StGB). Dies ist jedoch nicht zwingend (z. B. Miete von Geschäftsräumen, die für strafbare Tätigkeiten verwendet werden). Der tatsächliche Verwendungszweck dürfte in der Regel verschleiert werden (z. B. als «Provision» verbuchte Gegenleistung für das Begehen eines Delikts).

In der Praxis ist der Zusammenhang zwischen einer Aufwendung und einer Straftat in der Regel kaum erkennbar, weshalb die Aufwendung oftmals als geschäftsmässig begründeter Aufwand steuerlich zum Abzug zugelassen wird.29 Gewinne aus illegalen Tätigkeiten unterliegen hingegen regelmässig der Besteuerung.30 Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Wertneutralität des Steuerrechts.

Werden Gewinne aus illegaler Tätigkeit eingezogen (Art. 70 StGB), so werden diese Einnahmen durch die Ablieferungspflicht neutralisiert und es entsteht per Saldo kein Reinvermögenszugang, wie das Bundesverwaltungsgericht in einem obiter dictum festhielt.31 Mit anderen Worten, die Einziehung führt dazu, dass kein Gewinn aus illegaler Tätigkeit erzielt wird. Erfolgt die Einziehung erst in einer späteren Steuerperiode, so ist die frühere Veranlagung gegebenenfalls zu revidieren.

28 29

30 31

Richner Felix/Frei Walter/Kaufmann Stefan/Meuter Hans Ulrich, Handkommentar zum DBG, 2. Auflage, Zürich 2009, N 38 ff. zu Art. 27 und N 36 zu Art. 59 DBG.

Ergebnisbericht des Vernehmlassungsverfahrens Ziffer 3.5, abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > abgeschlossene Vernehmlassungen > 2015 > EFD.

Richner Felix/Frei Walter/Kaufmann Stefan/Meuter Hans Ulrich, Handkommentar zum DBG, 2. Auflage, Zürich 2009, N 39 zu Art. 16 DBG.

BVGE 2007/23, E. 7. Vgl. Opel Andrea, Ist die Besteuerung von Unrecht rechtens?

in: ASA 84/3, S. 196 mit Hinweis.

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1.2.5

Prozesskosten

Für Prozesskosten, die im Zusammenhang mit Bussen, Geldstrafen sowie Verwaltungssanktionen mit Strafzweck entstehen, existiert weder im DBG noch im StHG eine Bestimmung zu deren steuerlicher Behandlung. Praxisgemäss werden die Prozesskosten bei juristischen Personen grundsätzlich als geschäftsmässig begründeter Aufwand zum Abzug zugelassen. Bei natürlichen Personen mit selbstständiger Erwerbstätigkeit sind die Prozesskosten abzugsfähig, wenn zwischen dem Strafverfahren und der beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht. Fehlt es an dem sachlichen Zusammenhang, so sind die Prozesskosten der privaten Sphäre zuzuordnen und somit wie für die Unselbstständigerwerbenden steuerlich nicht abzugsfähig.

Steuerwirksame Rückstellungen für Prozesskosten sind unter den Voraussetzungen der Artikel 26 und 63 DBG bzw. von Artikel 24 Absatz 4 i. V. m. Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe b StHG zulässig (vgl. Ziff. 1.2.2).

1.3

Die beantragte Neuregelung

Im Sinne der umzusetzenden Motion sieht die Vorlage vor, dass Bussen, Geldstrafen und finanzielle Verwaltungssanktionen mit Strafzweck ausdrücklich nicht als geschäftsmässig begründeter Aufwand gelten und steuerlich nicht abzugsfähig sind.

Hingegen sollen gewinnabschöpfende Sanktionen, soweit sie keinen Strafzweck haben, ausdrücklich als geschäftsmässig begründeter Aufwand steuerlich abziehbar sein.

Aufgrund des sachlichen Zusammenhangs soll die Nichtabzugsfähigkeit auch für Aufwendungen gelten, die Straftaten ermöglichen oder als Gegenleistung hierfür erfolgen.

Als Folge der Revision des Korruptionsstrafrechts sollen auch sämtliche Bestechungszahlungen, soweit sie nach schweizerischem Strafrecht strafbar sind, nicht als geschäftsmässig begründete Aufwendungen steuerlich abgezogen werden können.

1.4

Begründung und Bewertung der Neuregelung

1.4.1

Ergebnis der Vernehmlassung

Im Rahmen der Vernehmlassung sind 56 Stellungnahmen eingegangen. Das Ergebnis der Vernehmlassung ist teilweise kontrovers ausgefallen.

Die steuerliche Nichtabzugsfähigkeit von Bussen, Geldstrafen und finanziellen Verwaltungssanktionen mit Strafzweck wurde von einer klaren Mehrheit der Kantone (25), 3 Parteien (BDP, CVP und SP) sowie 9 weiteren Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmern begrüsst. Gegen die Regelung sprachen sich ein Kanton, die Parteien FDP und SVP sowie 15 Wirtschaftsverbände und Bankenorganisationen aus.

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Bis auf einen Kanton und drei Organisationen befürworteten sämtliche Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer die Abzugsfähigkeit von gewinnabschöpfenden Sanktionen ohne Strafzweck. Breite Zustimmung fand zudem die Nichtabzugsfähigkeit von Bestechungsgeldern an Private (24 Kantone, die Parteien BDP, CVP, FDP und SP sowie 13 weitere Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer).

Die steuerliche Nichtabzugsfähigkeit von Prozesskosten, die im Zusammenhang mit Bussen, Geldstrafen und Verwaltungssanktionen mit Strafzweck stehen, sowie von Aufwendungen, die der Ermöglichung einer Straftat dienen oder als Gegenleistung für das Begehen einer Straftat getätigt werden, wurde mehrheitlich abgelehnt (jeweils 22 Kantone, Parteien FDP und SVP sowie 15 bzw. 9 weitere Vernehmlassungsteilnehmerinnen und -teilnehmer).32

1.4.2

Bussen, Geldstrafen und finanzielle Verwaltungssanktionen mit Strafzweck

Die steuerliche Behandlung von Bussen, Geldstrafen und finanziellen Verwaltungssanktionen mit Strafzweck ist nach geltendem Recht umstritten (vgl. Ziff. 1.2.1).

Der Bundesrat ist der Meinung, dass es sich bei der Abzugsfähigkeit von finanziellen Sanktionen mit Strafzweck um eine Auslegungsfrage handelt und dass solche Sanktionen steuerlich nicht abzugsfähig sind (vgl. Ziff. 1.2.1.3).

Die Befürworter der Abzugsfähigkeit stützen ihre Ansicht insbesondere auf das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und den daraus abgeleiteten Grundsatz der Wertneutralität des Steuerrechts. Kraft gesetzlicher Vorschrift kann aber ­ wie dies vorgeschlagen wird ­ von diesen Grundsätzen abgewichen und anderen Rechtsprinzipien, z. B. dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, der Vorrang eingeräumt werden (vgl. Ziff. 5.1).

Die vorgeschlagene Ausnahme von Bussen, Geldstrafen und finanziellen Verwaltungssanktionen mit Strafzweck vom geschäftsmässig begründeten Aufwand klärt die im geltenden Recht umstrittene Frage. Die Regelung trägt damit zur Rechtssicherheit und einheitlichen Rechtsanwendung bei. Durch die Schaffung identischer Regelungen für das DBG und das StHG wird auch der Steuerharmonisierung Rechnung getragen.

1.4.3

Verzicht auf Regelung der Nichtabzugsfähigkeit von Prozesskosten

Im Vernehmlassungsentwurf war vorgesehen, dass Prozesskosten, die im Zusammenhang mit Bussen, Geldstrafen und Verwaltungssanktionen mit Strafzweck stehen, nicht abzugsfähig sein sollen. In der Vernehmlassung wurde insbesondere kritisiert, dass jeder Person ein Recht auf ein gerechtes Verfahren und somit das Recht zustehe, Massnahmen zur Verteidigung zu ergreifen. Zudem wurde auf eine 32

Der Ergebnisbericht des Vernehmlassungsverfahrens ist abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > abgeschlossene Vernehmlassungen > 2015 > EFD.

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mögliche Ungleichbehandlung zwischen Unternehmen hingewiesen, die freigesprochen würden und somit Prozesskosten vollumfänglich steuerlich zum Abzug bringen könnten, und solchen, die in einem unwesentlichen Nebenpunkt verurteilt würden und somit keinerlei Prozesskosten steuerlich abziehen könnten. Der Bundesrat erkennt indes insbesondere praktische Schwierigkeiten bei der Umsetzung: So können Unternehmen, die über einen eigenen Rechtsdienst verfügen, die Kosten für die eigene Verteidigung als Personalaufwand verbuchen. Demgegenüber können Unternehmen, die externe Verteidiger mandatieren und deren Honorare bei Verurteilung steuerlich aufgerechnet würden, die Prozesskosten nicht abziehen. Der Bundesrat verzichtet daher darauf, die Nichtabzugsfähigkeit der Prozesskosten in die Vorlage aufzunehmen.

Prozesskosten, die im Zusammenhang mit Strafverfahren und Verwaltungsverfahren mit Strafzweck stehen, sind dennoch nicht in jedem Fall abzugsfähig. Prozesskosten, welchen der sachliche Zusammenhang zur Geschäftstätigkeit fehlt oder die nicht in guten Treuen veranlasst wurden, z. B. wegen trölerischen Verhaltens, sind steuerlich nicht zu berücksichtigen. Es obliegt somit der Praxis, im Einzelfall zu prüfen, ob Prozesskosten geschäftsmässig begründet sind oder nicht.

1.4.4

Gewinnabschöpfende Sanktionen ohne Strafzweck

Gewinnabschöpfende Sanktionen ­ soweit sie keinen Strafzweck haben ­ sind nach Auffassung des Bundesrates bereits im geltenden Rechts steuerlich abziehbar. Dies lässt sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichts zum geschäftsmässig begründeten Aufwand herleiten (vgl. Ziff. 1.2.1.3). Die Abzugsfähigkeit wurde vom Bundesgericht mit Entscheid vom 26. September 2016 bestätigt.33 Insbesondere die folgenden steuersystematischen Gründe sprechen für die Abzugsfähigkeit von gewinnabschöpfenden Sanktionen ohne Strafzweck: Der Ertrag aus einer Geschäftstätigkeit, die in Verletzung einer Rechtsvorschrift erfolgt, wird entsprechend dem verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als Gewinn besteuert (Art. 127 Abs. 2 BV). Mit anderen Worten, alle Gewinne unterliegen unabhängig von ihrer Herkunft der Besteuerung. Das Bundesgericht hat hierzu festgehalten, dass kein Grund ersichtlich sei, «der es rechtfertigen würde, unrechtmässigen Gewinn von einer Belastung auszunehmen, der die rechtmässigen Gewinne geschäftlicher Unternehmungen unterworfen werden». 34 Daraus ist zu folgern, dass eine Abschöpfung von unrechtmässig erzielten Gewinnen ebenfalls steuerlich zu berücksichtigen ist. Wird aufgrund einer teilweise illegalen Geschäftstätigkeit eine gewinnabschöpfende Sanktion ausgesprochen, so muss dieser einst besteuerte Gewinn in Form der gewinnabschöpfenden Sanktion aufwandseitig zum Abzug zugelassen werden. Auf diese Weise wird auch steuerlich ein Ausgleich geschaffen.

Die Lehre stützt die Auffassung der geschäftsmässigen Begründetheit von gewinnabschöpfenden Sanktionen. So folgert das Rechtsgutachten von Madeleine Simonek 33 34

Urteil des Bundesgerichts vom 26. September 2016 (2C_916/2014 und 2C_917/2014).

BGE 70 I 250, E. 1.

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aus dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und dem daraus fliessenden Nettoprinzip, dass finanzielle Sanktionen ohne strafrechtliche Komponente geschäftsmässig begründeten Aufwand darstellen und entsprechend den steuerbaren Gewinn reduzieren.35 Andere Autoren stimmen dieser Ansicht im Ergebnis zu.36 Mit der vorgeschlagenen Regelung wird eine Abgrenzung zur steuerlichen Behandlung von Bussen, Geldstrafen und Verwaltungssanktionen mit Strafzweck geschaffen (zur steuerlichen Behandlung gemischter Sanktionen vgl. Ziff. 2).37

1.4.5

Bestechungszahlungen an Private

Die Strafbarkeit der Bestechung von Privaten war bisher im UWG geregelt. Auf Antrag wurde insbesondere bestraft, wer durch aktive oder passive Bestechung Privater eine Wettbewerbsverzerrung im Sinne des UWG herbeiführt (Art. 23 i. V. m. Art. 4a UWG). Fehlte eine klassische Konkurrenzsituation (Wettbewerb), so war die Privatbestechung nach dem bis 30. Juni 2016 geltenden Recht nicht strafbar.

Seit dem Inkrafttreten der Revision des Korruptionsstrafrechts am 1. Juli 2016 ist die Privatbestechung nicht mehr an das Straferfordernis der Wettbewerbsverzerrung geknüpft. Eine strafbare Bestechungszahlung an eine Privatperson liegt somit auch dann vor, wenn es an einer klassischen Konkurrenzsituation fehlt. Die Strafbarkeit der Privatbestechung wird damit neu im StGB geregelt. Sie ist zudem grundsätzlich als Offizialdelikt ausgestaltet. In leichten Fällen ist die Tat auf Antrag strafbar. Die Revision des StGB veranlasst die neue Regelung.

Ausgehend von der Umschreibung des Bundesgerichts zum geschäftsmässig begründeten Aufwand, kann bei strafrechtlich relevantem Verhalten kein «sachlicher Zusammenhang» zur Geschäftstätigkeit vorliegen, die der «objektivierten Sorgfaltspflicht des Geschäftsführers entspricht». Die steuerliche Abzugsfähigkeit von Bestechungszahlungen an Private lässt sich daher ­ auch im Einklang mit dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung ­ nicht mehr rechtfertigen.

Die vorgeschlagene gesetzliche Regelung zur Nichtabzugsfähigkeit von Bestechungszahlungen beseitigt eine Diskrepanz zwischen Steuer- und Strafrecht. Sie entspricht dem Sinn und Zweck der internationalen Vorgaben gegen Korruption und ist bei gleichzeitiger Strafbarkeit von Bestechungen ein wirkungsvolles Instrument zu deren Bekämpfung.38

35 36

37 38

Simonek Madeleine, Rechtsgutachten, Ziffer 5.7.3.3.

Hongler Peter/Limacher Fabienne, Die Abzugsfähigkeit von DoJ-Bussen für Schweizer Banken im Recht der direkten Bundessteuer und aus steuerharmonisierungsrechtlicher Sicht, in: Jusletter 10. Februar 2014.

Jaag Tobias in: Fachhandbuch Verwaltungsrecht, Biaggini et al. (Hrsg.), Zürich 2015, S. 952, Ziffer 23.59.

Observer OECD No 220, April 2000, Writing off tax deductibility (www.oecdobserver.org > search > Writing off tax deductibility [Stand am 11. Juli 2016]).

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1.4.6

Aufwendungen, die der Ermöglichung von Straftaten dienen oder als Gegenleistung für die Begehung einer Straftat bezahlt werden

Gestützt auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum geschäftsmässig begründeten Aufwand erfüllen Aufwendungen, die Straftaten ermöglichen oder als Gegenleistung für das Begehen von Straftaten erfolgen, bereits im geltenden Recht grundsätzlich die Voraussetzungen an die sachliche Begründetheit nicht (vgl. Ziff. 1.2.4).

Bislang wurde diese Frage in der Lehre und der Rechtsprechung kaum thematisiert.

In der Praxis dürfte die Qualifikation derartiger Aufwendung mit praktischen Schwierigkeiten verbunden sein, weshalb diese Regelung in der Vernehmlassung insbesondere von einer deutlichen Mehrheit der Kantone abgelehnt wurde. Es trifft denn auch zu, dass aus einer Steuererklärung in der Regel nicht ersichtlich sein dürfte, ob ein Aufwand im Zusammenhang mit einer Straftat steht. Ergeben sich jedoch Hinweise auf das Vorliegen einer Straftat, so sind die Steuerbehörden verpflichtet, diese den zuständigen Strafverfolgungsbehörden zu melden (vgl. Ziff. 1.6).

Aus Sicht des Bundesrates präsentiert sich die Situation daher grundsätzlich gleich wie bei Bestechungszahlungen. Es kann somit auf die Begründung zu jener Regelung abgestellt werden (vgl. Ziff. 2.1). Demnach werden Steuerbehörden den Zusammenhang zwischen einer Aufwendung und einer Straftat grundsätzlich nur gestützt auf ein rechtskräftiges Strafurteil feststellen können.

Die Art und Weise der Qualifikation dieser Aufwendungen erfolgt somit grundsätzlich gleich wie jene von Bestechungszahlungen. Es wäre nicht folgerichtig, Aufwendungen, die eine Straftat ermöglicht haben (z. B. Terrorismusfinanzierung, Miete von Geschäftsräumen) oder die als Gegenleistung für die Begehung einer Straftat geleistet wurden (z. B. «Provisionen», «Spesenvergütung»), als geschäftsmässig begründete Aufwendungen steuerlich zu berücksichtigen, während Bestechungszahlungen an Amtsträger und Private steuerlich nicht abzugsfähig sind.

Mit der vorgeschlagenen Regelung wird somit eine Rechtsgrundlage für die Gleichbehandlung sämtlicher Aufwendungen geschaffen, die im Zusammenhang mit Straftaten stehen. Damit wird ein Beitrag zur Rechtssicherheit geleistet.

1.5

Rechtsvergleich

1.5.1

Deutschland

In Deutschland wird unterschieden zwischen Bussen, die von einer nationalen Behörde oder einem EU-Organ verhängt wurden, und solchen von Drittstaaten. Im ersten Fall sind Bussen grundsätzlich steuerlich nicht abzugsfähig. Gewinnabschöpfende Bestandteile können zum Abzug zugelassen werden. Berücksichtigt wird auch, ob bei der Bussenfestlegung der Nichtabziehbarkeit bereits Rechnung getragen wurde. Von ausländischen Gerichten verhängte Geldbussen sind in Deutschland nur dann steuerlich nicht abzugsfähig, wenn die Busse nicht gegen den Ordre public,

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d. h. gegen wesentliche Grundsätze der deutschen Rechtsordnung, verstossen. Die Abzugsverbote tragen dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung Rechnung.39 Bestechungs- und Schmiergelder sind steuerlich nicht abzugsfähig. Dies wird insbesondere damit begründet, dass der Schutz der Rechtsordnung hier grundsätzlich die Durchbrechung des Nettoprinzips rechtfertigt. 40

1.5.2

Frankreich

In Frankreich ist der steuerliche Abzug von finanziellen Sanktionen («sanctions pécuniaires») nicht möglich. Dies erstreckt sich auf rechtliche Verpflichtungen, ungeachtet ihrer Rechtsnatur. Als finanzielle Sanktionen gelten insbesondere Zuschläge («majorations»), Bussen («amendes»), Einziehungen («confiscations») und Zwangsgelder («astreintes»). Nicht abzugsfähig sind, abgesehen von Bussen des Strafrechts, auch finanzielle Sanktionen aus den Bereichen des Steuer-, Zoll-, Sozial-, Arbeits- und Wettbewerbsrechts. Dies gilt auch für Sanktionen, die nach EU-Recht oder ausländischem Recht verhängt werden, wenn sie mit steuerbaren Tätigkeiten in Frankreich verbunden sind.41 Die aktive und passive Bestechung von Amtsträgern ist nach französischem Recht strafbar.42 Die steuerliche Behandlung von Bestechungsgeldern an Private ist nicht ausdrücklich geregelt. Aus dem fiskalisch ausgerichteten Steuersystem ergibt sich indessen, dass Bestechungsgelder an Private nicht abzugsfähig sind.

1.5.3

Italien

Während im italienischen Recht Steuerbussen ausdrücklich als nicht abzugsfähig gelten, fehlen Bestimmungen zur Abzugsfähigkeit anderer finanzieller Sanktionen.

Grundsätzlich wird unterschieden zwischen zivilrechtlichen Sanktionen («sanzioni civilistiche»), Strafrechtsmassnahmen («sanzioni penali»), Strafsanktionen für juristische Personen («sanzioni pecuniarie») und Verwaltungssanktionen («sanzioni amministrative»). Gemäss einer Minderheitsmeinung ist der Charakter der Sanktion massgebend. Sanktionen, die eine Wiedergutmachung bezwecken, sind abzugsfähig.

Hingegen sind Sanktionen mit Strafzweck nicht abzugsfähig. Die herrschende Lehre

39 40 41

42

Tiepke Klaus/Lang Joachim, Steuerrecht, 21. Auflage, Köln 2013, §8 Rz. 294.

Tiepke Klaus/Lang Joachim, Steuerrecht, 21. Auflage, Köln 2013, §8 Rz. 299.

Extrait du Bulletin Officiel des Finances Publiques-Impôts, BIC-Frais-et charges-Charges exceptionnelles-Opérations concernées-Pénalitiés et amendes (http://bofip.impots.gouv.fr > Navigation dans le plan de classement > Bénéfices industriels et commerciaux > Frais et charges > Titre 6: Charges exceptionnelles > Chapitre 2 > Opérations concernées > Section 2: Pénalités et amendes [Stand am 6. Juli 2016]).

Bericht der dritten Evaluationsrunde der GRECO betreffend Frankreich, Ziffer 36 ff. vom 19. Februar 2009 (www.coe.int > Rule of Law > Threats to the Rule of Law > Corruption GRECO > Evaluations > III. Third Evaluation Round > Table on Evaluation and Compliance Reports > France Theme I FR [Stand am 11. Juli 2016]).

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ist jedoch der Ansicht, dass Sanktionen in jedem Fall nicht abzugsfähig sind, da es sich dabei um Kosten handelt, die nicht geschäftsmässig begründet sind.43 Die aktive Bestechung von ausländischen Amtsträgern sowie die passive Bestechung von Mitgliedern von EU-Organen sind nach italienischem Recht strafbar.

Unter gewissen Voraussetzungen sind die aktive und passive Bestechung nationaler Amtsträger strafbar. Bestechungsgelder an Privatpersonen in Führungsfunktionen oder Liquidatoren sind nach italienischem Recht auf Antrag hin strafbar (Art. 2635 des italienischen Zivilgesetzbuchs).44 Kosten und Aufwendungen, die in direktem Zusammenhang mit Handlungen oder Aktivitäten stehen, die als deliktisch bezeichnet werden können, sind nach italienischem Recht nicht abzugsfähig. 45

1.5.4

USA

Das US-Recht unterscheidet zwischen Strafgeldern («penalties») und Bussen («fines») sowie Schadenersatzzahlungen («compensatory damages»). Strafgelder und Bussen sind steuerlich nicht abzugsfähig, wenn sie an den Staat gezahlt werden.46 Hingegen sind Schadenersatzzahlungen grundsätzlich steuerlich abzugsfähig.

Handelt es sich um Strafschadenersatzzahlungen («punitive damages») so wird die Abzugsfähigkeit hingegen verweigert.

Liegt ein Vergleich vor, so obliegt es der steuerpflichtigen Person, den abzugsfähigen Teil nachzuweisen. Die Gerichtspraxis hat in einer Reihe von Entscheiden verschiedene Kriterien entwickelt, welche die Qualifikation der Vergleichszahlung ermöglichen sollen: Zunächst ist die Bezeichnung als Strafgeld oder Busse für deren steuerliche Behandlung nicht allein ausschlaggebend. Zu beachten sind vielmehr weitere Faktoren wie z. B. die Schwere des Verschuldens und Umstände, die zu einem Verfahren geführt haben, ob eine Strafuntersuchung vorliegt und deren Verhältnis zur finanziellen Sanktion, ob eine Einrede oder ein Eingeständnis der Haftung vorliegt etc.47

43

44

45

46

47

Cazzato Annalisa, FiscoOggi, Notiziaro fiscale dell'Agenzia delle Entrate, «Le sanzioni nel reddito d'impresa. I percorsi dell'indeducibilità (1­3)», September 2010.

www.fiscooggi.it > analisi et commenti > Archivio Analisi et commenti > Settembre 2010 [Stand am 11. Juli 2016]).

Bericht der dritten Evaluationsrunde der GRECO betreffend Italien, Ziffer 57 ff. und 128 f. (www.coe.int > Rule of Law > Threats to the Rule of Law > Corruption GRECO > Evaluations > III. Third Evaluation Round > Table on Evaluation and Compliance Reports > Italie Theme I FR [Stand am 11. Juli 2016]).

Agenzia delle Entrate, Circolare N. 32/E; Rom, 3. August 2012.

www.agenziaentrate.gov.it > Documentazione > Provvedimenti, circolari e resoluzioni > Circolari > Archivio circolari > Le circolari 2012 [Stand am 11. Juli 2016]).

Der Begriff «penalties» umfasst nach US-Recht auch Konventionalstrafen. Diese werden an eine Privatperson gezahlt und sind steuerlich abzugsfähig (Internal Revenue Service, Business Expenses for use in preparing 2014 Returns, S. 45 [www.irs.gov > forms & pubs > List of Current Forms & Pubs > Publ 535 {Stand am 11. Juli 2016}]).

Shashy Abraham N.M. Jr./Clunkel Nathan E., Tax Treatment of Penalties and Fines (www.kslaw.com/imageserver/KSPublic/library/publication/2014articles/ 1-4-14_TGC.pdf [Stand am 11. Juli 2016]).

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Bestechungszahlungen an Private sind nach US-Recht steuerlich nicht abzugsfähig, unabhängig davon, ob gegen den Empfänger ein Verfahren eingeleitet wurde oder nicht.48

1.6

Umsetzung

1.6.1

Vollzug und Inkraftsetzung

Die Vernehmlassung zeigte, dass bislang nur wenige Fälle vorlagen, welche die in der Vorlage vorgeschlagenen Bestimmungen berühren, und dass sich hierzu in vielen Kantonen noch keine gefestigte Praxis entwickelt hat.

Der Vollzug des DBG und der kantonalen Steuergesetze erfolgt durch die kantonalen Steuerverwaltungen. Im Vernehmlassungsverfahren orteten die Kantone Vollzugsschwierigkeiten hinsichtlich der Qualifikation von Aufwendungen, die der Ermöglichung von Straftaten dienen oder als Gegenleistung für die Begehung von Straftaten bezahlt werden. Es obliegt jedoch nicht den Steuerbehörden, nach derartigen Aufwendungen zu «forschen». Stellen die Steuerbehörden jedoch Hinweise fest, dass ein von Amtes wegen zu verfolgendes Verbrechen oder Vergehen vorliegt, so sind sie gestützt auf Artikel 22a des Bundespersonalgesetzes vom 24. März 200049 (BPG) bzw. vergleichbare kantonale Bestimmungen verpflichtet, bei den zuständigen Strafbehörden Anzeige einzureichen. Der Zusammenhang zwischen einer Aufwendung und der Ermöglichung einer Straftat oder Gegenleistung für das Begehen einer Straftat kann grundsätzlich erst dann festgestellt werden, wenn eine rechtskräftige Verurteilung vorliegt. Ergeht das Strafurteil erst nach Abschluss des Veranlagungsverfahrens, liegt ein Revisionsgrund vor (vgl. ausführlich Ziff. 2.2).

Die Inkraftsetzung soll für die direkte Bundessteuer und die kantonalen Steuern gleichzeitig erfolgen, um die vertikale und horizontale Harmonisierung zu gewährleisten. Die Vorlage sieht vor, dass der Bundesrat das Inkrafttreten bestimmt. Sie sieht die direkte Anwendbarkeit vor, sofern das kantonale Recht dem StHG im Zeitpunkt des Inkrafttretens widerspricht.

1.6.2

Übergangsrecht

Hinsichtlich der finanziellen Sanktionen mit Strafzweck sowie der gewinnabschöpfenden Sanktionen ohne Strafzweck entspricht die Vorlage dem geltenden Recht.

Finanzielle Sanktionen mit Strafzweck, die nach Inkrafttreten der Vorlage für Delikte aus früheren Steuerperioden verhängt werden, sind im Jahr der handelsrechtlichen Verbuchung steuerlich aufzurechnen. Trotz Nichtabzugsfähigkeit in früheren Steuerperioden sind steuerlich gewährte Rückstellungen grundsätzlich 48

49

Fishman Stephen, Business Expenses that are never deductible (www.nolo.com > Legal articles > taxes > Business and Tax Deductions > Business Deductions > Operating Expense Deductions > Business Expenses That Are Never Deductible [Stand am 11. Juli 2016]).

SR 172.220.1

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dann aufzulösen, wenn bekannt wird, dass sie geschäftsmässig nicht begründet sind, spätestens aber bei Abschluss des Straf- oder Verwaltungsverfahrens. Gewinnabschöpfende Sanktionen ohne Strafzweck werden im Jahr der handelsrechtlichen Verbuchung steuerlich als geschäftsmässig begründeter Aufwand zugelassen. Nicht mehr geschäftsmässig begründete Rückstellungen sind aufzulösen (vgl. Ziff. 1.2.2).

Beispiel: Gegen die Finanz AG mit Sitz in der Schweiz wird im Jahr 2013 ein Verfahren im Ausland wegen diverser Gesetzesverstösse eröffnet. Die Finanz AG bildet Rückstellungen in der Höhe von 15 Millionen Franken, die von der kantonalen Veranlagungsbehörde akzeptiert werden. Das Urteil erfolgt nach Inkrafttreten der Vorlage. Die Finanz AG wird zu einer Busse von 5 Millionen Franken sowie einer Gewinnabschöpfung von 7 Millionen Franken verurteilt. In der Steuerperiode, in welcher die Verurteilung erfolgt ist, werden von der kantonalen Steuerbehörde die nicht geschäftsmässig begründeten Rückstellungen in der Höhe von 8 Millionen Franken aufgerechnet.

Betreffend die Nichtabzugsfähigkeit von Bestechungsgeldern an Private sowie der Aufwendungen, die der Ermöglichung einer Straftat dienen oder als Gegenleistung für das Begehen einer Straftat getätigt werden, beinhaltet die Vorlage echte Rechtsänderungen. Bestechungszahlungen an Private sind ab der Steuerperiode, die mit Inkrafttreten der Vorlage beginnt, nicht mehr abzugsfähig. Aufwendungen, die der Ermöglichung von Straftaten dienen oder als Gegenleistung für die Begehung einer Straftat getätigt werden, sind ab der ersten Steuerperiode, die mit oder nach dem Inkrafttreten der Vorlage beginnt, steuerlich nicht mehr abziehbar.

1.7

Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Mit der unterbreiteten Gesetzesänderung wird die Motion 14.3450 «Steuerliche Abzugsfähigkeit von Bussen» umgesetzt, indem eine klare gesetzliche Grundlage für die steuerliche Nichtabzugsfähigkeit von in- und ausländischen Bussen und anderen finanziellen Sanktionen mit Strafcharakter geschaffen wird. Es wird daher die Abschreibung der Motion 14.3450 beantragt.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

2.1

Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer

Art. 27 Abs. 2 Bst. f Der exemplarischen Aufzählung geschäfts- oder berufsmässig begründeter Kosten bei selbstständiger Erwerbstätigkeit werden in Absatz 2 Buchstabe f die gewinnabschöpfenden Sanktionen ohne Strafzweck hinzugefügt. Gewinnabschöpfende Sanktionen bezwecken nicht eine Sühne, sondern die Korrektur eines durch Rechtsverletzung entstandenen Zustandes. Von den vormals besteuerten Einkünften wird als steuerlicher Ausgleich ein Abzug im Umfang der sanktionsbedingten Gewinnabschöpfung zugelassen. Damit wird dem Verfassungsgrundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Rechnung getragen. Die Gewinnabschöp8526

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fung korrigiert auch allfällige durch das unrechtmässige Verhalten erzielte Wettbewerbsvorteile. Gewinnabschöpfende Sanktionen ohne Strafzweck sind im Verwaltungsrecht nur vereinzelt anzutreffen (z. B. verwaltungsrechtliche Einziehung nach Art. 35 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes vom 22. Juni 200750). Die vorgeschlagene Regelung bezieht sich daher in erster Linie auf gewinnabschöpfende ausländische Sanktionen, soweit diese einem in der Schweiz steuerpflichtigen Unternehmen zugeordnet werden.

Prozesskosten, die im Zusammenhang mit gewinnabschöpfenden Sanktionen entstehen, sind nach den Regeln der steuerlichen Abzugsfähigkeit zu prüfen, grundsätzlich aber geschäftsmässig begründet und damit steuerlich abzugsfähig.

Bei gemischten Sanktionen ist der gewinnabschöpfende Anteil zum Abzug zugelassen. Die steuerpflichtige Person trägt gemäss geltendem Recht die Beweislast für steuermindernde Tatsachen. Kann sie nicht nachweisen, dass die verfügte Sanktion eine gewinnabschöpfende Komponente enthält, so hat sie die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen. In diesem Fall gilt die gesamte Sanktion als steuerlich nicht abziehbar. Es obliegt der steuerpflichtigen Person nachzuweisen, dass und in welchem Umfang eine Sanktion eine Gewinnabschöpfung beinhaltet.

Art. 27 Abs. 3 Bst. a Die neue Formulierung von Absatz 3 enthält eine Aufzählung von nicht geschäftsmässig begründeten Aufwendungen. Diese ist nicht abschliessend, zumal nach Rechtsprechung des Bundesgerichts Schadenersatzzahlungen bei grobfahrlässig verursachtem Schaden keinen geschäftsmässig begründeten Aufwand darstellen.51 Buchstabe a führt dazu, dass nicht nur die Bestechungsgelder an schweizerische oder fremde Amtsträger steuerlich nicht abziehbar sind, sondern auch die Bestechungsgelder an Private, denn diese Bestechungsgelder sind seit dem Inkrafttreten der Revision des Korruptionsstrafrechts am 1. Juli 2016 strafbar. Die bisherige Formulierung «an schweizerische oder fremde Amtsträger» fällt somit weg.

In der Praxis hat grundsätzlich nicht die Steuerbehörde, sondern das Strafgericht die strafrechtliche Qualifikation einer Zahlung als Bestechungsgeld vorzunehmen.

Gestützt auf den Strafbefehl oder das Strafurteil liegt es in der Zuständigkeit der Steuerbehörde, die betroffenen Veranlagungen zu korrigieren. Bei bereits rechtskräftigen Veranlagungen
ist ein Nachsteuerverfahren einzuleiten, gegebenenfalls zusätzlich auch ein steuerstrafrechtliches Verfahren.

Hegen Bundessteuerbehörden den Verdacht, dass eine Zahlung der Bestechung diente, so müssen sie dies den Strafverfolgungsbehörden melden. Gestützt auf Artikel 22a BPG haben sämtliche Angestellten des Bundes seit dem 1. Januar 2011 die Pflicht, alle von Amtes wegen zu verfolgenden Verbrechen oder Vergehen anzuzeigen, die sie bei ihrer amtlichen Tätigkeit feststellen oder die ihnen gemeldet werden. Inwiefern eine solche Pflicht auch für Angestellte kantonaler Steuerverwaltungen besteht, hängt vom jeweiligen kantonalen Personalrecht ab.

50 51

SR 956.1; vgl. BGE 139 II 279, E. 4.3.3 sowie z. B. Jaag Tobias in: Fachhandbuch Verwaltungsrecht, Biaggini et al. (Hrsg.), Zürich 2015, S. 952, Ziffer 23.59.

Vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 16. Dezember 2008, E. 2.3 (2C_566/2008).

8527

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Während eines Strafverfahrens ist das Veranlagungsverfahren zu sistieren, bis über die Qualifikation der Zahlung im Strafverfahren rechtskräftig entschieden wurde.

Art. 27 Abs. 3 Bst. b Aufwendungen, die der Ermöglichung von Straftaten dienen oder als Gegenleistung für die Begehung einer Straftat getätigt werden, sind vom geschäftsmässig begründeten Aufwand ausgeschlossen. Sind Bussen und Geldstrafen steuerlich nicht abzugsfähig, so sind die Aufwendungen, die das sanktionierte Delikt ermöglicht haben oder als Gegenleistung für dessen Begehung entrichtet wurden, konsequenterweise ebenfalls nicht zum Abzug zuzulassen.

Bisweilen stellt die Aufwendung selbst eine deliktische Tätigkeit dar, so beispielsweise bei der Terrorismusfinanzierung (Art. 260quinquies StGB). In der Regel sind Aufwendungen nicht per se strafbar, sondern werden als «Tatmittel» oder «Gegenleistung» für eine Straftat eingesetzt. Aufwendungen dieser Art sind beispielsweise der Beratungsaufwand für illegale Tätigkeiten, «Spesen», die Mitarbeitende verursachen, um mit einem Kunden oder einer Kundin ein illegales Geschäft zu tätigen, oder der «Bonus», welchen Mitarbeitende für den Abschluss solcher Geschäfte erhalten.

Ob zwischen einer Aufwendung und einer Straftat ein Zusammenhang besteht, kann die Steuerbehörde grundsätzlich nur gestützt auf ein Strafurteil bestimmen. Aus diesem sind insbesondere die Straftat, der Täter, der Einbezug des Unternehmens, in dessen Geschäftsbereich die Straftat begangen wurde, die Art der Tatbegehung sowie der Einsatz der Tatwerkzeuge ersichtlich. Wenn die Steuerbehörde gestützt auf solche Hinweise feststellt, dass entsprechende Aufwendungen vorliegen, eröffnet sie je nachdem ein Nachsteuerverfahren oder ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung. Gegebenenfalls ist zusätzlich ein Verfahren wegen Steuerbetrugs einzuleiten. Es obliegt somit nicht den Steuerbehörden, nach derartigen Aufwendungen zu suchen oder diese beweisen zu müssen. Ergeben sich aber im Rahmen der Steuerveranlagung Hinweise, dass ein von Amtes wegen zu verfolgendes Verbrechen oder Vergehen vorliegt, so sind die Steuerbehörden, wie beim Verdacht auf einen Bestechungsfall, gestützt auf Artikel 22a BPG oder gegebenenfalls gestützt auf vergleichbare kantonale Bestimmungen verpflichtet, bei den zuständigen Strafbehörden Anzeige zu erstatten. Das
offene Veranlagungsverfahren ist in diesem Fall zu sistieren.

Art. 27 Abs. 3 Bst. c Ob Bussen, die gegen Selbstständigerwerbende verhängt werden, nach geltendem Recht steuerlich abzugsfähig sind, ist umstritten. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass es sich hierbei um eine Auslegungsfrage handelt, die negativ zu beantworten ist. Der Entwurf sieht daher für die Nichtabzugsfähigkeit eine ausdrückliche Regelung vor. Geldstrafen sollen steuerlich gleich behandelt werden.

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Bussen und Geldstrafen des StGB und des Nebenstrafrechts sind gesetzlich vorgesehene Strafen. Sie werden mit dem Zweck verhängt, das begangene Unrecht auszugleichen. Entsprechend dem Schuldprinzip sollen sie den Täter persönlich treffen und richten sich nach dessen Verschulden. Indem Bussen und Geldstrafen steuerlich nicht abzugsfähig sind, kann die Strafwirkung nicht über das Steuerrecht reduziert werden. Zudem gehört es zur objektivierten Sorgfaltspflicht einer natürlichen Person, sich auch als Geschäftsführer52 pflichtbewusst und rechtmässig zu verhalten.

Deliktischen Tätigkeiten fehlt es deshalb am sachlich engen Zusammenhang zur Geschäftstätigkeit. Bussen und Geldstrafen sind daher geschäftsmässig nicht begründet.

Zu den Bussen zählen auch in- und ausländische Steuerbussen sowie damit zusammenhängende Verzugszinsen.53 Die Nichtabzugsfähigkeit von Bussen und Geldstrafen erstreckt sich auch auf ausländische Sanktionen. Sie findet ihre Grenze dort, wo ein ausländisches Strafverfahren elementare Verfahrensgrundsätze verletzt oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist und somit gegen den schweizerischen Ordre public verstösst. Es obliegt der steuerpflichtigen Person, die Gründe für einen solchen Verstoss glaubhaft darzulegen. Liegt ein Verstoss gegen den schweizerischen Ordre public vor, so kann die ausländische Sanktion im Einzelfall steuerlich berücksichtigt werden. Im Übrigen wird für die steuerliche Behandlung ausländischer sowie gemischter Sanktionen auf die Ausführungen zu Artikel 27 Absatz 2 Buchstabe f verwiesen.

Es liegt auf der Hand, dass Bussen, die gegenüber Angestellten der selbstständigerwerbenden Person wegen persönlicher Verfehlungen ausgesprochen werden, als höchstpersönliche Sanktionen für schuldhaft begangene Straftaten ohnehin nicht zum geschäftsmässig begründeten Aufwand gehören.

Prozesskosten, die im Zusammenhang mit Strafverfahren entstehen, sind nach den Regeln der steuerlichen Abzugsfähigkeit zu prüfen (vgl. Ziff. 1.4.3).

Art. 27 Abs. 3 Bst. d Im geltenden Recht ist die steuerliche Behandlung finanzieller Verwaltungssanktionen mit Strafzweck umstritten. Der Bundesrat und ein Teil der Lehre sind der Auffassung, dass diese Sanktionen nicht geschäftsmässig begründet und somit schon im geltenden Recht steuerlich nicht abziehbar sind.54 Die Vorlage enthält hierzu
eine ausdrückliche Bestimmung. Die pönale Wirkung soll die betroffene Person in vollem Umfang treffen. Dies gilt namentlich für die umsatzbezogenen Verwaltungssanktionen nach Artikel 49a des Kartellgesetzes vom 6. Oktober 199555 (KG), Artikel 60 des Fernmeldegesetzes vom 30. April 199556, Artikel 51 des Spielban52 53 54 55 56

BGE 113 Ib 114; Urteile des Bundesgerichts vom 4. März 2002 (2A.457/2001) und vom 29. November 2002 (2P. 153/2002 und 2A.358/2002).

Urteil des Bundesgerichts vom 26. Oktober 2004, E. 5.1 (2P.306/2003 und 2A.574/2003).

Z. B.: Giovanni Molo/Dario Giovanoli, Das US-Programm aus Schweizer Sicht, in: Jusletter vom 16. Dezember 2013, S. 9 f.

SR 251 SR 784.10

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kengesetzes vom 18. Dezember 199857 und Artikel 90 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 24. März 200658 über Radio und Fernsehen.59 Bei der Bemessung dieser Sanktionen wird zwar der «mutmassliche Gewinn» mitberücksichtigt, den das Unternehmen mit dem unrechtmässigen Verhalten erzielt hat, jedoch sind die Dauer und die Schwere des unzulässigen Verhaltens vorrangig zu bemessen (vgl. Art. 49a Abs. 1 KG). Weil bei diesen Sanktionen der pönale Charakter im Vordergrund steht, sind sie steuerlich nicht abziehbar.60 Prozesskosten, die im Zusammenhang mit finanziellen Verwaltungssanktionen mit Strafzweck entstehen, sind nach den Regeln der steuerlichen Abzugsfähigkeit zu prüfen (vgl. Ziff. 1.4.3).

Art. 59 Abs. 1 Bst. a Die Nichtabzugsfähigkeit von Steuerbussen wird in Absatz 1 Buchstabe a nicht mehr ausdrücklich genannt, da Absatz 2 Buchstabe c Bussen generell vom geschäftsmässig begründeten Aufwand ausschliesst, womit auch Steuerbussen erfasst sind. Geschäftsmässig begründet sind weiterhin die eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Steuern, nicht jedoch die ausländischen Steuern.

Art. 59 Abs. 1 Bst. f Bei international tätigen Unternehmen ist die gewinnabschöpfende Sanktion grundsätzlich dem Rechtsträger zuzuweisen, bei dem der sachliche Zusammenhang zwischen dem Aufwand und der Geschäftstätigkeit besteht. Unterhält eine juristische Person mit Sitz in der Schweiz eine Betriebsstätte im Ausland, so ist sie für die Steuerfaktoren der ausländischen Betriebsstätte in der Schweiz nicht steuerpflichtig (Art. 52 Abs. 1 DBG). Im Rahmen der internationalen Steuerausscheidung ist zu ermitteln, wo der unrechtmässig erzielte Gewinn angefallen ist. Soweit dieser Gewinn durch die Schweiz der Betriebsstätte zugeordnet wurde, ist auch die gewinnabschöpfende Sanktion der Betriebsstätte zuzuordnen. Das Stammhaus in der Schweiz kann die gewinnabschöpfende Sanktion nur so weit als geschäftsmässig begründeten Aufwand abziehen, als die unrechtmässig erzielten Gewinne der Schweiz zugeordnet wurden. Wenn die Berücksichtigung der Gewinnabschöpfung bei der Betriebsstätte im Ausland zu einem Verlust bei der Betriebsstätte führt, muss dieser aufgrund von Artikel 52 Absatz 3 DBG zumindest temporär durch das Stammhaus in der Schweiz getragen werden.

Im Verhältnis zwischen der Muttergesellschaft mit Sitz in der Schweiz und ihrer
Tochtergesellschaft mit Sitz im Ausland ist zu unterscheiden, gegen wen sich die gewinnabschöpfende Verfügung richtet. Wird die Gewinnabschöpfung gegen die Muttergesellschaft verfügt, so tangiert die Verfügung die Tochtergesellschaft nicht, da beide Gesellschaften über eigene Rechtspersönlichkeiten verfügen. Für die Mut57 58 59

60

SR 935.52 SR 784.40 Vgl. hierzu Locher Alexander, Verwaltungsrechtliche Sanktionen, Rechtliche Ausgestaltung, Abgrenzung und Anwendbarkeit der Verfahrensgarantien, Diss. ZH 2013, Zürich/Basel/Genf 2013, S. 90 ff., 174 ff., insb. 185 f. mit Hinweisen.

Simonek Madeleine, Rechtsgutachten, Ziffer 5.7.3.2.

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tergesellschaft stellt die gewinnabschöpfende Sanktion hingegen steuerlich abzugsfähigen geschäftsmässig begründeten Aufwand dar. Handelt es sich bei der Verfügungsadressatin jedoch um die Tochtergesellschaft mit Sitz im Ausland, so ist die Abzugsfähigkeit der gewinnabschöpfenden Sanktion nach dem anwendbaren ausländischen Recht zu behandeln. Die gewinnabschöpfende Sanktion hat keine direkten steuerlichen Auswirkungen auf die Muttergesellschaft in der Schweiz. Erleidet die Muttergesellschaft infolge der Sanktion gegen die Tochtergesellschaft auf deren Beteiligung einen Wertverlust, so kann sie eine steuerwirksame Wertberichtigung geltend machen (Art. 62 DBG).

Im Übrigen wird auf die Erläuterungen zu Artikel 27 Absatz 2 Buchstabe f verwiesen.

Art. 59 Abs. 2 Bst. a­d Es wird auf die Erläuterungen zu Artikel 27 Absatz 3 verwiesen. Ein analoger Hinweis auf Geldstrafen erübrigt sich, da diese ihrer Rechtsnatur nach nur gegen natürliche Personen verhängt werden können.

2.2

Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden

Art. 10 Abs. 1 Bst. g und Abs. 1bis Es wird auf die Erläuterungen zu Artikel 27 Absatz 2 Buchstabe f und Absatz 3 DBG verwiesen.

Art. 25 Abs. 1 Bst. a und f sowie Abs. 1bis Es wird auf die Erläuterungen zu Artikel 59 Absatz 1 Buchstaben a und f sowie Absatz 2 verwiesen.

Art. 72w Betreffend die Anpassung der kantonalen Gesetzgebung wird auf die Ausführungen in Ziffer 1.6 verwiesen.

3

Auswirkungen

3.1

Finanzielle und personelle Auswirkungen

3.1.1

Finanzielle Auswirkungen

Die Vernehmlassung verdeutlichte, dass die Nichtabzugsfähigkeit der finanziellen Sanktionen mit Strafzweck sowie die Abzugsfähigkeit von gewinnabschöpfenden Sanktionen ohne Strafzweck nicht nur der Rechtsauffassung des Bundesrates, sondern auch derjenigen einer Mehrheit der Kantone entsprechen. Da diese Elemente 8531

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der Vorlage keine echten Neuerungen, sondern die Auslegung des geltenden Rechts darstellen, sollten sie kaum finanzielle Auswirkungen haben.

Hinsichtlich der Bestechungszahlungen an Private sowie der Aufwendungen, die der Ermöglichung von Straftaten dienen oder als Gegenleistung für die Begehung einer Straftat getätigt werden, ist aufgrund der geringen Bedeutung für die Standortattraktivität und der eher positiven volkswirtschaftlichen Effekte (vgl. Ziff. 3.2) mit keinen nennenswerten finanziellen Auswirkungen zu rechnen.

3.1.2

Personelle Auswirkungen

Es ergeben sich keine nennenswerten längerfristigen personellen Auswirkungen für Bund, Kantone und Gemeinden.

3.2

Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Hinsichtlich der finanziellen Sanktionen mit Strafzweck sowie der gewinnabschöpfenden Sanktionen ohne Strafzweck ergeben sich die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft bereits aus dem geltenden Recht.

3.2.1

Auswirkungen auf die Standortattraktivität

Bestechungszahlungen an Private und Aufwendungen zur Ermöglichung von Straftaten oder als Gegenleistung für die Begehung von Straftaten sind nicht mehr steuerlich abziehbar. Dies führt in Einzelfällen zu einer Erhöhung des steuerbaren Gewinns und der Steuerbelastung. Die Vorlage kann so geringfügige negative Auswirkungen auf die Standortattraktivität haben. Unerlaubte Handlungen sind aus gesamtwirtschaftlicher Sicht aber nicht wünschbar. Gemäss Erkenntnissen verschiedener Studien verursacht die Wirtschaftskriminalität den Unternehmen hohe Kosten.61 Ausserdem können unerlaubte Handlungen zu einem Reputationsschaden nicht nur für die einzelnen betroffenen Unternehmen, sondern für den Werkplatz Schweiz insgesamt führen, was sich nachteilig auf die Standortattraktivität auswirken kann. Auch aus rechtsstaatlicher Sicht sind unerlaubte Handlungen in keiner Weise zu fördern. Diese Haltung der Schweiz ist als bedeutend wichtiger zu erachten als eine rein gewinnorientierte Betrachtungsweise.

3.2.2

Auswirkungen auf Fairness und Steuermoral

Die Gesetzesvorlage kann sich positiv auf die von den Bürgerinnen und Bürgern wahrgenommene Fairness des Steuersystems auswirken. Es dürfte der verbreiteten Auffassung entsprechen, dass Steuerpflichtige, die gesellschaftlich unerwünschte 61

Price Waterhouse Coopers «Economic Crime: A Swiss Perspective», 2014.

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Handlungen vornehmen und durch das Justizsystem entsprechend gebüsst werden, nicht gleichzeitig wieder via Steuersystem entlastet werden. Studien belegen, dass Fairness ­ neben der Höhe der Steuerbelastung ­ wichtig für die Steuermoral der steuerpflichtigen Person ist.62 Insofern dürfte sich die Gesetzesvorlage positiv auf die Steuermoral auswirken.

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 27. Januar 201663 zur Legislaturplanung 2015­2019 noch im Bundesbeschluss vom 14. Juni 2016 über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt. Aufgrund der überwiesenen Motion hat der Bundesrat die Verabschiedung der Vorlage zuhanden des Parlaments dennoch in die Ziele für das Jahr 2016 aufgenommen.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Für den Bereich der direkten Steuern verleiht Artikel 128 BV64 dem Bund die Befugnis, eine direkte Bundessteuer auf dem Einkommen natürlicher Personen zu erheben.

Der Bund legt im StHG die Grundsätze über die Harmonisierung der direkten Steuern von Bund, Kantonen und Gemeinden fest. Dabei erstreckt sich die Harmonisierung auf die Steuerpflicht, den Gegenstand und die zeitliche Bemessung der Steuern, das Verfahrensrecht und das Steuerstrafrecht. Von der Harmonisierung ausgenommen bleiben insbesondere die Steuertarife, die Steuersätze und die Steuerfreibeträge (Art. 129 BV). Die Frage, welche Aufwendungen der Einkommens- oder der Gewinnsteuer unterliegen, betrifft den Gegenstand der direkten Steuern von Bund, Kantonen und Gemeinden. Der Bund hat daher eine Harmonisierungskompetenz.

Gemäss dem Verfassungsprinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 BV) und dem daraus abgeleiteten Grundsatz der Wertneutralität des Steuerrechts sind grundsätzlich sämtliche Einkünfte ungeachtet ihrer legalen oder illegalen Herkunft steuerbar.65 Das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Grundsatz der Wertneutralität des Steuerrechts gelten indessen nicht absolut. Sie können eingeschränkt werden, um ausserfiskalischen Zielsetzungen Rechnung zu tragen. Hierzu bedarf es einer gesetz-

62 63 64 65

Kirchgässner Gebhard, Fairness, Steuermoral und Steuerhinterziehung, Wirtschaftsdienst, 4/2008, S. 230­233.

BBl 2016 1105 SR 101 Vgl. Opel Andrea, Ist die Besteuerung von Unrecht rechtens? in: ASA 84/3, S. 194 mit Hinweisen.

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lichen Grundlage. Zudem muss die Einschränkung im öffentlichen Interesse und verhältnismässig sein.66 Aus Sicht des Bundesrates sowie aus dem Urteil des Bundesgerichts vom 26. September 201667 ergibt sich die Nichtabzugsfähigkeit von Bussen, Geldstrafen und finanziellen Sanktionen mit Strafzweck sowie die Abzugsfähigkeit von gewinnabschöpfenden Sanktionen gestützt auf die Auslegung des geltenden Rechts (vgl. Ziff.

1.2.1.3). In Bezug auf finanzielle Sanktionen mit Strafzweck sowie gewinnabschöpfende Sanktionen ohne Strafzweck enthält die Vorlage somit keine Neuregelung, sondern verdeutlicht die heute geltende Rechtslage, indem sie diese expliziter regelt.

Diese ausdrücklichen Bestimmungen entsprechen zudem der teilweise von der Lehre an den Gesetzgeber gerichteten Forderung einer ausdrücklichen gesetzlichen Korrekturvorschrift.68 Um echte gesetzliche Neuerungen handelt es sich bei der Nichtabzugsfähigkeit von Bestechungsgeldern an Private und von Aufwendungen zur Ermöglichung von Straftaten oder als Gegenleistung für die Begehung von Straftaten. Ob es sich um eine Neuregelung handelt oder nicht, ist jedoch letztlich für die Beurteilung der Verfassungskonformität nicht ausschlaggebend.

Die Vorlage entspricht den Anforderungen an eine gesetzliche Grundlage zur Einschränkung der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.

Die mit der Vorlage vorgesehenen Einschränkungen des Prinzips der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und des Grundsatzes der Wertneutralität des Steuerrechts sind im öffentlichen Interesse, da sie zu einer Wahrung der Einheit der Rechtsordnung im Steuer- und Strafrecht beitragen und der Bekämpfung der Korruption im Privatsektor sowie der Steuerharmonisierung dienen.

Ausserdem sind sie verhältnismässig: Mit den vorgeschlagenen Regelungen kann verhindert werden, dass die Strafwirkung finanzieller Sanktionen mit Strafzweck über das Steuerrecht verringert wird. In Bezug auf die Nichtabzugsfähigkeit von Bestechungsgeldern an Private sowie von Aufwendungen zur Ermöglichung von Straftaten oder als Gegenleistung für die Begehung von Straftaten wird vermieden, dass aufgrund der Strafbarkeit der Bestechung von Privatpersonen oder anderer Delikte die finanzielle Sanktion mit Strafzweck steuerlich nicht abzugsfähig ist, die Bestechungszahlung und der andere
deliktische Aufwand hingegen schon. Mit den Bestimmungen im DBG und im StHG kann zudem eine einheitliche Praxis für die direkten Steuern in diesem Bereich in allen Kantonen gewährleistet werden. Die vorgeschlagenen Regelungen sind somit geeignet, die angestrebten Ziele zu erreichen.

66

67 68

Daepp Martin, Vereinfachung der Einkommensbesteuerung, Studie vom 28. Oktober 2010 für die Eidgenössische Steuerverwaltung, S. 9 mit Hinweisen; Matteotti Réné/ Gerber Alexandra J.B., Schnapsideen in der Spirituosensteuergesetzgebung, Verfassungsrechtliche Überlegungen zur beabsichtigten steuerlichen Privilegierung der inländischen Spirituosenherstellung, in: Dogmatik und Praxis im Steuerrecht, Festschrift für Markus Reich, Uttinger Laurence/Rentzsch Daniel P./Conradin Luzi, (Hrsg.), Zürich 2014.

S. 32 ff.; Reich Markus, Steuerrecht, 2. Auflage, Zürich 2009, S. 94 f.

Urteil des Bundesgerichts vom 26. September 2016 (2C_916/2014 und 2C_917/2014).

Simonek Madeleine, Rechtsgutachten, Ziffer 5.1.

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5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die steuerliche Nichtabzugsfähigkeit der Privatbestechung steht in Einklang mit der Verpflichtung der Schweiz zur konsequenten Verfolgung der Privatbestechung aufgrund der Strafrechtskonvention des Europarates und der damit zusammenhängenden Mitgliedschaft bei der GRECO (vgl. Ziff. 1.1.2).

Im Übrigen berührt die Vorlage die internationalen Verpflichtungen der Schweiz nicht.

5.3

Erlassform

Der Vorlage entspricht der Form eines Mantelerlasses. Diese Form wurde gewählt, um mit analogen Bestimmungen im DBG und im StHG dem Verfassungsauftrag zur Steuerharmonisierung Rechnung zu tragen.

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