zu 13.030 Zusatzbotschaft zur Änderung des Ausländergesetzes (Integration) vom 4. März 2016

Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin Sehr geehrter Herr Ständeratspräsident Sehr geehrte Damen und Herren Mit dieser Zusatzbotschaft unterbreiten wir Ihnen in Ergänzung der Botschaft vom 8. März 2013 zur Änderung des Ausländergesetzes (Integration) Anträge zu einer weiteren Änderung des Ausländergesetzes (Integration) und betreffend die Umsetzung von fünf parlamentarischen Initiativen, mit dem Antrag auf Zustimmung.

Wir versichern Sie, sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin, sehr geehrter Herr Ständeratspräsident, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.

4. März 2016

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Der Bundespräsident: Johann N. Schneider-Ammann Der Bundeskanzler: Walter Thurnherr

2015-3418

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Übersicht Der Bundesrat schlägt für die Anpassung der Vorlage zur Änderung des Ausländergesetzes (Integration; 13.030) an Artikel 121a der Bundesverfassung (BV) eine bessere Ausschöpfung des inländischen Arbeitsmarktpotenzials vor: Für Personen aus dem Asylbereich soll es leichter werden, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Zudem werden die Anliegen von vier parlamentarischen Initiativen umgesetzt, soweit ihnen nicht bereits früher Rechnung getragen wurde. Auf die Umsetzung einer fünften parlamentarischen Initiative wird verzichtet.

Ausgangslage Der Bundesrat hat am 8. März 2013 die Botschaft und den Gesetzesentwurf zur Änderung des Ausländergesetzes (Integration; 13.030) verabschiedet. Die Vorlage sieht neben einer Anpassung der Bestimmungen zum Aufenthalt, zum Familiennachzug und zur Integration auch eine Anpassung weiterer Bundesgesetze vor. Der Ständerat hat der Vorlage am 11. Dezember 2013 mit wenigen Änderungen zugestimmt.

Nach der Volksabstimmung vom 9. Februar 2014 zur Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» haben die eidgenössischen Räte den Gesetzesentwurf an den Bundesrat zurückgewiesen mit dem Auftrag, die Vorlage unter Berücksichtigung des neuen Artikels 121a BV und auf der Basis der Beschlüsse des Ständerates zu überarbeiten sowie die Anliegen von fünf schon seit längerer Zeit hängigen parlamentarischen Initiativen in die Zusatzbotschaft aufzunehmen.

Inhalt der Vorlage Der Bundesrat schlägt die folgenden Anpassungen der Vorlage an Artikel 121a BV vor: Die Sonderabgabepflicht für erwerbstätige Personen aus dem Asylbereich sowie die Bewilligungspflicht betreffend die Erwerbstätigkeit von vorläufig Aufgenommenen und anerkannten Flüchtlingen sollen abgeschafft werden. Mit diesen Massnahmen kann die Arbeitsmarktintegration von erwerbsfähigen Personen aus dem Asylbereich verbessert und dieses inländische Potenzial stärker ausgeschöpft werden. Dadurch sinkt der Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften aus dem Ausland.

Bei Wegfall der Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen entfallen beim Bund Nettoeinnahmen von rund 3,6 Millionen Franken. Er kann allerdings künftig mit Einsparungen in der Sozialhilfe rechnen, wenn die vorgesehenen Massnahmen für eine verbesserte Arbeitsmarktintegration von Personen aus dem Asylbereich greifen.

Zudem werden mit dieser Vorlage die Anliegen von vier parlamentarischen
Initiativen umgesetzt, soweit ihnen nicht bereits früher im Rahmen der Integrationsvorlage oder in einer anderen Gesetzesvorlage Rechnung getragen wurde. Auf die Umsetzung einer fünften parlamentarischen Initiative wird aufgrund des Vernehmlassungsresultats verzichtet: Der Bundesrat schlägt vor, die parlamentarische Initiative «Rückstufung eines niedergelassenen integrationsunwilligen Ausländers zum Jahresaufenthalter» (pa. Iv. 08.406) nicht umzusetzen.

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Inhaltsverzeichnis Übersicht

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1

Grundzüge der Vorlage 1.1 Ausgangslage 1.2 Die beantragte Neuregelung 1.2.1 Erleichterte Erwerbstätigkeit von Personen aus dem Asylbereich 1.2.2 Umsetzung von drei parlamentarischen Initiativen 1.3 Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung 1.3.1 Keine Ausweitung der Integrationsvorlage auf Angehörige der EU/EFTA-Staaten 1.3.2 Erleichterte Erwerbstätigkeit von Personen aus dem Asylbereich 1.3.3 Umsetzung der parlamentarischen Initiativen 1.3.4 Ergebnisse der Vernehmlassung und Haltung des Bundesrates 1.4 Vergleich mit dem europäischen Recht

2824 2824 2825

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

2841

3

Auswirkungen 3.1 Auswirkungen auf den Bund 3.2 Auswirkung auf die Kantone

2850 2850 2851

4

Verhältnis zur Legislaturplanung

2852

5

Rechtliche Aspekte 5.1 Verfassungsmässigkeit 5.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

2852 2852 2852

Anträge des Bundesrates zum Erlassentwurf vom 8. März 2013 zur Änderung des Ausländergesetzes (Integration) in der Fassung des Ständerates vom 11. Dezember 2013

2825 2827 2830 2830 2831 2833 2838 2841

2853

2823

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Zusatzbotschaft 1

Grundzüge der Vorlage

1.1

Ausgangslage

Am 8. März 2013 hat der Bundesrat die Botschaft zur Änderung des Ausländergesetzes (Integration; 13.030)1 verabschiedet (nachfolgend: Integrationsvorlage).

Durch gezielte Anpassungen der Zulassungs- und Aufenthaltsregelungen sowie der bereits bestehenden Integrationsbestimmungen nach dem bewährten Grundsatz «Fördern und Fordern» soll die Integration verbindlicher gestaltet und damit die Eigenverantwortung der Ausländerinnen und Ausländer in Bezug auf ihre Integration aktiver eingefordert werden.

Der Ständerat stimmte der Integrationsvorlage des Bundesrates in der Wintersession 2013 als Erstrat mit wenigen Änderungen zu.2 Der Nationalrat hat die Integrationsvorlage mit Beschluss vom 12. März 2014 an den Bundesrat zurückgewiesen. Damit verbunden war der Auftrag, der Bundesversammlung Änderungsanträge zu den Beschlüssen des Ständerates vorzulegen, welche die in der Volksabstimmung vom 9. Februar 2014 beschlossene neue Verfassungsbestimmung zur Steuerung der Zuwanderung (Art. 121a) umsetzen. Darüber hinaus sollen die Anliegen von fünf hängigen parlamentarischen Initiativen in den Gesetzesentwurf aufgenommen werden, mit denen Änderungen im Ausländergesetz (AuG)3 verlangt werden und denen die Staatspolitischen Kommissionen beider Räte Folge gegeben haben.4 Die parlamentarischen Initiativen wurden in den Jahren 2008 und 2010 eingereicht und haben daher keinen direkten Zusammenhang mit der Umsetzung von Artikel 121a der Bundesverfassung (BV).

Es handelt sich um die fünf folgenden parlamentarischen Initiativen:

1 2

3 4

­

«Rückstufung eines niedergelassenen integrationsunwilligen Ausländers zum Jahresaufenthalter» (08.406, Müller Philipp): Diese parlamentarische Initiative verlangt insbesondere den Ersatz der Niederlassungsbewilligung durch eine Aufenthaltsbewilligung bei Integrationsdefiziten (neue Möglichkeit zur Rückstufung).

­

«Integration gesetzlich konkretisieren» (08.420, Pfister Gerhard): Diese parlamentarische Initiative verlangt eine gesetzliche Konkretisierung der Integration.

­

«Kein Familiennachzug bei Bezug von Ergänzungsleistungen» (08.428, Müller Philipp): Diese parlamentarische Initiative verlangt den Ausschluss des Familiennachzugs beim Bezug von Ergänzungsleistungen.

BBl 2013 2397 www.parlament.ch > Curia Vista Suche, dort bei Geschäftsnummer «13.030» eingeben > Anträge, Fahnen > Dokument «Fahne Wintersession 2013 Beschluss Ständerat» [Stand 5.1.2016].

SR 142.20 Vgl. AB 2014 N 307

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­

«Mehr Handlungsspielraum für die Behörden» (08.450, Müller Philipp): Die Niederlassungsbewilligung soll bei einer dauerhaften und erheblichen Sozialhilfeabhängigkeit auch nach einem Aufenthalt von mehr als 15 Jahren widerrufen werden können.

­

«Vereinheitlichung beim Familiennachzug» (10.485, Müller Philipp): Der Familiennachzug soll bei Personen mit Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligung vereinheitlicht werden.

Der Ständerat stimmte am 2. Juni 2014 dem Rückweisungsbeschluss im Grundsatz zu. Bei den Beratungen wurde jedoch darauf hingewiesen, dass an den Grundsätzen der Integrationsvorlage festgehalten werden soll. Die Aufnahme der parlamentarischen Initiativen gemäss dem Beschluss des Nationalrates wurde von den Rednerinnen und Rednern teilweise skeptisch beurteilt.5 Die Initiativen würden dem Integrationsbegriff und dem «Stufenmodell Integration» der Vorlage entgegenlaufen und im Ergebnis auch im Widerspruch stehen zu der mit der Totalrevision des Bürgerrechtsgesetzes6 angestrebten Harmonisierung der Integrationskriterien im Ausländer- und Bürgerrecht.

Der Bundesrat hat gemäss dem Auftrag des Parlaments geprüft, ob und wie die Vorlage an den neuen Artikel 121a BV anzupassen ist. Zudem hat er geprüft, ob und wie sich die Anliegen der fünf parlamentarischen Initiativen im Rahmen der Vorlage umsetzen lassen. Er schlägt vor, drei der parlamentarischen Initiativen im Rahmen der Vorlage umzusetzen (vgl. Ziff. 1.2.2). Bei der parlamentarischen Initiative 08.420 sieht der Bundesrat keinen zusätzlichen gesetzgeberischen Handlungsbedarf, und auf die Umsetzung der parlamentarischen Initiative 08.406 verzichtet er (vgl.

Ziff. 1.3.3).

1.2

Die beantragte Neuregelung

1.2.1

Erleichterte Erwerbstätigkeit von Personen aus dem Asylbereich

Abschaffung der Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen Nach dem geltenden Recht unterliegen Asylsuchende und Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung den Bestimmungen über die Vermögenswertabnahme (Art. 87 des Asylgesetzes, AsylG7) und ­ wenn sie erwerbstätig sind ­ der Pflicht zur Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen (Art. 86 AsylG). Dies gilt auch für vorläufig Aufgenommene (Art. 88 AuG).

Diese Personengruppen sind verpflichtet, Sozialhilfe-, Ausreise-, und Vollzugskosten sowie die Kosten des Rechtsmittelverfahrens über diese beiden Instrumente zurückzuerstatten. Die Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen und jene auf Vermö5 6

7

Vgl. AB 2014 S 386 Botschaft zur Totalrevision des Bundesgesetzes über das Schweizer Bürgerrecht (Bürgerrechtsgesetz, BüG), BBl 2011 2825; Schlussabstimmungstext vom 20. Juni 2014, BBl 2014 5133.

SR 142.31

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gen (Vermögenswertabnahme) sind unabhängig von den effektiv verursachten Kosten geschuldet.

Nehmen Angehörige der oben erwähnten Personengruppen eine Erwerbstätigkeit auf, so sind die Arbeitgeber verpflichtet, für jede erwerbstätige Person 10 % des Lohnes an das Staatssekretariat für Migration (SEM) zu überweisen. Das SEM kann zudem Angehörigen dieser Personengruppen Vermögenswerte abnehmen, die an die Sonderabgabe angerechnet werden (Art. 87 AsylG).

Der zu leistende Betrag beläuft sich pro Person auf maximal 15 000 Franken (inkl.

Vermögenswertabnahmen). Die Sonderabgabepflicht endet, wenn dieser Betrag erreicht ist, spätestens aber nach zehn Jahren (Art. 10 Abs. 2 Bst. a der Asylverordnung 28). Bei vorläufig Aufgenommenen endet sie nach drei Jahren vorläufiger Aufnahme, spätestens aber sieben Jahre nach ihrer Einreise (Art. 10 Abs. 2 Bst. e AsylV 2). In den Jahren 2009­2013 wurden durch die Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen Bruttoeinnahmen von durchschnittlich rund 6,1 Millionen Franken pro Jahr erzielt; die Nettoeinnahmen beliefen sich auf jährlich rund 3,6 Millionen Franken. Im Jahr 2014 wurden noch Bruttoeinnahmen von rund 5 Millionen Franken bzw. Nettoeinnahmen von rund 2,5 Millionen Franken verzeichnet. Die Einnahmen haben im Jahr 2015 weiter abgenommen (Bruttoeinnahmen von 4,6 Mio. Fr. und Nettoeinnahmen von 2,1 Mio. Fr.).

Der Bundesrat schlägt vor, die Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen aufzuheben.

Mit dem Wegfall der Sonderabgabe wird die Annahme einer Arbeit auch im Niedriglohn- oder Teilzeitbereich für vorläufig Aufgenommene attraktiver. Gelingt es, vorläufig Aufgenommene rascher und verstärkt in den Arbeitsmarkt einzubinden, können Sozialhilfeleistungen eingespart werden.

Die heute bestehende Vermögenswertabnahme (Art. 86 in Verbindung mit Art. 87 AsylG, Art. 88 AuG) soll trotz Aufhebung der Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen beibehalten werden (Einnahmen von jährlich rund 400 000 Fr. in den Jahren 2009­2013, von rund 300 000 Fr. im Jahr 2014 und von rund 210 000 Fr. im Jahr 2015). Unter Vermögenswertabnahmen wird die Einziehung von Geldbeträgen, geldwerten Gegenständen oder unkörperlichen Werten wie Bankguthaben verstanden, die nicht aus einer Erwerbstätigkeit stammen. Die Einziehung erfolgt insbesondere durch das Personal in den Empfangs- und Verfahrenszentren und den kantonalen
Unterkünften, durch das Grenzwachtkorps oder durch die Polizei.

Abschaffung der Bewilligungspflicht bei Erwerbstätigkeit und Ersatz durch eine Meldepflicht Nach dem geltenden Recht untersteht die Erwerbstätigkeit von anerkannten Flüchtlingen und vorläufig aufgenommenen Personen der Bewilligungspflicht (Art. 61 AsylG, Art. 85 Abs. 6 AuG, Art. 65 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit, VZAE9). Um die Erwerbsbeteiligung dieser Personengruppen zu erhöhen, wird die Schaffung eines Anspruchs auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit vorgeschlagen, sofern orts-, berufs- und branchenübliche Lohn- und Arbeitsbedingungen gewährt werden (Art. 22 AuG, Art. 22 Abs. 1 VZAE). Der Wegfall eines 8 9

SR 142.312 SR 142.201

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vorgängigen Bewilligungsverfahrens und der damit verbundenen Gebühren sind wesentliche administrative Erleichterungen. Sie sollen dazu führen, dass die Arbeitgeber vermehrt auch dieses inländische Arbeitskräftepotenzial nutzen.

Die Arbeitgeber sollen lediglich verpflichtet werden, die Aufnahme und Beendigung der Erwerbstätigkeit sowie einen Stellenwechsel vorgängig den zuständigen Behörden des Arbeitsortes zu melden. Sie haben Auskunft zu geben über Identität und Lohn der erwerbstätigen Person, deren Tätigkeit sowie über deren Arbeitsort. Die Arbeitgeber müssen zudem bestätigen, dass sie die orts-, berufs- und branchenüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen einhalten (Art. 22 AuG, Art. 22 VZAE). Mit diesen Regelungen kann ein mögliches Lohn- und Sozialdumping verhindert werden. Mit der Meldung wird automatisch die Ausübung der Erwerbstätigkeit erlaubt.

Die Erwerbstätigkeit kann unmittelbar angetreten werden und Wartezeiten entfallen.

Zur Berechnung der Sozialhilfepauschale, die der Bund den Kantonen für Personen aus dem Asylbereich entrichtet, muss sichergestellt werden, dass mit der Meldung des Arbeitgebers ein Datentransfer in das Zentrale Migrationsinformationssystem (ZEMIS) erfolgt. Die Meldung soll wenn möglich über das Internet erfolgen; eine ähnliche Lösung besteht bereits z. B. bei der Meldepflicht von Dienstleistungserbringerinnen und -erbringern aus den EU/EFTA-Staaten für Aufenthalte bis zu 90 Tage im Jahr.

Die Möglichkeit einer nachträglichen Kontrolle der gemeldeten Lohn- und Arbeitsbedingungen ist wichtig, da anerkannte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene namentlich in Tieflohnbranchen mit niedrigen Qualifikationsanforderungen erwerbstätig sein dürften und deshalb zu schützen sind. Der Bundesrat soll in den Ausführungsbestimmungen die Zuständigkeiten für diese Kontrollen regeln. Widerhandlungen des Arbeitgebers gegen die Meldepflicht sowie falsche Angaben im Meldeverfahren beispielsweise zu den Lohn- und Arbeitsbedingungen sollen mit Busse bestraft werden können. Gleichzeitig kann die zuständige kantonale Behörde die mit der Meldung erteilte Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit widerrufen (Art. 62 Bst. d AuG).

1.2.2

Umsetzung von drei parlamentarischen Initiativen

«Kein Familiennachzug bei Bezug von Ergänzungsleistungen» (pa. Iv. 08.428) Die parlamentarische Initiative 08.428 sieht vor, dass der Familiennachzug zu Personen mit Aufenthaltsbewilligung, Kurzaufenthaltsbewilligung oder mit einer vorläufigen Aufnahme gesetzlich ausgeschlossen wird, wenn Ergänzungsleistungen (EL) beansprucht werden. Auch Personen mit Niederlassungsbewilligung sollen bei Bezug von EL ihren Anspruch auf Familiennachzug verlieren. Zudem wird eine Erweiterung der Meldepflichten nach Artikel 97 Absatz 3 AuG gefordert: Die Migrationsbehörden sollen neu über den Bezug von EL informiert werden.

Auslöser dieser parlamentarischen Initiative war ein Urteil des Bundesgerichts vom 20. Februar 200810, wonach EL als Teil des regulären Einkommens und nicht als 10

Urteil 2C_448/2007

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Bezug von Sozialhilfeleistungen zu betrachten sind. Dies kann dazu führen, dass Bezügerinnen und Bezüger von EL gegenüber Gesuchstellerinnen und Gesuchstellern, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen und deren Einkommen für den Familiennachzug nicht ausreicht, beim Familiennachzug privilegiert werden. Das Bundesgericht hat in seinem Urteil deutlich gemacht, dass diese Ausgangslage nur durch eine Gesetzesänderung korrigiert werden kann. Es ist festzuhalten, dass das Ausländergesetz nur den Familiennachzug von Angehörigen der Drittstaaten regelt. Der Familiennachzug von Angehörigen der EU/EFTA-Staaten richtet sich ausschliesslich nach den jeweiligen Freizügigkeitsabkommen11; genügende eigene finanzielle Mittel werden nicht vorausgesetzt. Eine Änderung für den Familiennachzug dieser Personengruppe setzt somit insbesondere eine Anpassung des FZA voraus (vgl.

Ziff. 1.3.1).

Um EL zu erhalten, muss eine Person einen Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung (IV), auf eine Rente der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) oder der IV besitzen oder ununterbrochen während mindestens sechs Monaten ein Taggeld der IV beziehen (Art. 4 Abs. 1 Bst. a und c des Bundesgesetzes über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, ELG12). Ausserdem muss sie ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz haben (Art. 4 Abs. 1 ELG). Angehörige von Drittstaaten müssen sich unmittelbar vor der EL-Anmeldung während zehn Jahren ununterbrochen in der Schweiz aufgehalten haben (Karenzfrist); für Flüchtlinge und Staatenlose gilt eine Karenzfrist von fünf Jahren (Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 ELG). Für Angehörige der EU/EFTA-Staaten gilt hingegen keine Karenzfrist, da das FZA die Gleichbehandlung von Staatsangehörigen der Schweiz und der EU in diesem Bereich vorsieht. Ein Anspruch auf EL besteht zudem nur, wenn ein sogenannter Ausgabenüberschuss vorliegt. Die Höhe der jährlichen EL entspricht dem Betrag, um den die anerkannten Ausgaben einer Person die anrechenbaren Einnahmen übersteigen (Bedarfsprinzip; Art. 9 Abs. 1 ELG).

Ende 2013 erhielten rund 301 000 Personen EL. 77 % der EL-Beziehenden waren Schweizerinnen und Schweizer, 12 % EU/EFTA-Staatsangehörige und 11 % Angehörige von Drittstaaten. Schweizerinnen und Schweizer erhielten hierbei 81 % der ausbezahlten
Leistungssumme, Angehörige von EU/EFTA-Staaten und Angehörige von Drittstaaten zusammen 19 %.

Gemäss der parlamentarischen Initiative soll neu ausdrücklich festgelegt werden, dass bei Personen mit Niederlassungsbewilligung der Anspruch auf Familiennachzug erlischt, wenn EL beansprucht werden: Sie sieht dazu vor, den geltenden Artikel 51 AuG mit einem Absatz 3 zu ergänzen. Eine solche Regelung in Artikel 51 AuG erübrigt sich jedoch mit Blick auf die parlamentarische Initiative 10.485 «Vereinheitlichung beim Familiennachzug» (siehe unten), die ebenfalls mit dieser Vorlage umzusetzen ist: Sie verlangt, dass die Voraussetzungen für den Familiennachzug bei Personen mit Niederlassungsbewilligungen an jene von Personen mit Aufent11

12

Abkommen vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA, SR 0.142.112.681) und Übereinkommen vom 4. Januar 1960 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (SR 0.632.31).

SR 831.30

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haltsbewilligungen angepasst werden. Dies führt dazu, dass die Erteilung einer ausländerrechtlichen Bewilligung im Rahmen des Familiennachzugs in beiden Fällen nur bei genügenden finanziellen Mitteln möglich ist (keine Sozialhilfe und keine EL); die Regelung erfolgt entsprechend in den Artikeln 43 und 44 E-AuG.

Ein weiteres Anliegen der parlamentarischen Initiative ist die Ausweitung der automatischen Meldepflichten gegenüber den Migrationsbehörden auch beim Bezug von EL; dieses Anliegen wird in Artikel 97 Absatz 3 E-AuG umgesetzt.

«Mehr Handlungsspielraum für die Behörden» (pa. Iv. 08.450) Diese parlamentarische Initiative möchte das AuG dahingehend anpassen, dass die Behörden eine Niederlassungsbewilligung bei dauerhafter und erheblicher Sozialhilfeabhängigkeit jederzeit widerrufen können.

Nach dem geltenden Recht kann die Niederlassungsbewilligung von Ausländerinnen und Ausländern, die sich seit mehr als 15 Jahren ununterbrochen und ordnungsgemäss in der Schweiz aufhalten, nur widerrufen werden bei längerfristigen Freiheitsstrafen, schwerwiegenden Verstössen gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder bei Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit der Schweiz (Art. 63 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 63 Abs. 1 Bst. b und Art. 62 Bst. b AuG).

Bei dauerhafter und erheblicher Sozialhilfeabhängigkeit ist der Widerruf von Niederlassungsbewilligungen nach einer Frist von 15 Jahren nicht mehr zulässig. Diese zeitliche Einschränkung soll durch die Streichung von Artikel 63 Absatz 2 AuG aufgehoben werden.

Da es sich hier um einen Ermessensentscheid handelt, bleibt es den zuständigen Behörden unbenommen, bei unverschuldeter Sozialhilfeabhängigkeit (z. B. infolge Scheidung, Invalidität) auf einen Widerruf der Niederlassungsbewilligung zu verzichten. Auch wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für den Widerruf einer Niederlassungsbewilligung erfüllt sind, müssen die Behörden den Grundsatz der Verhältnismässigkeit beachten. Dieser verlangt, dass die getroffene Massnahme angemessen und notwendig ist, um das angestrebte Ziel des öffentlichen oder privaten Interesses zu erreichen. Dieser Grundsatz ist allgemein in Artikel 5 Absatz 2 BV festgehalten und leitt sich ebenfalls aus Artikel 96 AuG sowie Artikel 8 der Konvention vom 4. November 195013 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
(EMRK) ab. Bei der entsprechenden Prüfung müssen die Behörden insbesondere die Aufenthaltsdauer der ausländischen Person in der Schweiz berücksichtigen.

«Vereinheitlichung beim Familiennachzug» (pa. Iv. 10.485) Die parlamentarische Initiative 10.485 verlangt, die Anforderungen beim Familiennachzug von Personen mit Niederlassungsbewilligung an jene von Personen mit Aufenthaltsbewilligung anzupassen: Personen mit Niederlassungsbewilligung sollen ihre Familienangehörigen somit ebenfalls nur dann in die Schweiz nachziehen dürfen, wenn sie über eine bedarfsgerechte Wohnung verfügen und die Familie keine Sozialhilfe beansprucht.

13

SR 0.101

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Das geltende Recht setzt nur beim Familiennachzug durch Personen mit Kurzaufenthalts- oder Aufenthaltsbewilligung ausdrücklich eine «bedarfsgerechte Wohnung» und genügende finanzielle Mittel voraus (Art. 44 und 45 AuG). Diese Voraussetzungen gelten allerdings bereits heute auch beim Familiennachzug durch Personen mit Niederlassungsbewilligung: Das Erfordernis einer angemessenen Wohnung ergibt sich indirekt aus der Bedingung, dass die Familie zusammenwohnen muss (Art. 43 Abs. 1 AuG; vgl. auch BGE 119 Ib 81). Das Erfordernis der genügenden finanziellen Mittel ergibt sich aus den geltenden Artikeln 51 Absatz 2 Buchstabe b und 62 Buchstabe e AuG: Demnach erlöschen die in Artikel 43 AuG enthaltenen Ansprüche auf Familiennachzug, wenn Widerrufsgründe nach Artikel 62 AuG vorliegen. In Artikel 62 Buchstabe e AuG wird als Widerrufsgrund der Bezug von Sozialhilfe genannt.

Um dem Anliegen der parlamentarischen Initiative nachzukommen, hat der Bundesrat jedoch eine explizite Regelung in die Gesetzesvorlage aufgenommen (siehe dazu die ausführenden Bemerkungen zu Art. 43 Abs. 1 E-AuG unter Ziff. 2).

1.3

Begründung und Bewertung der vorgeschlagenen Lösung

1.3.1

Keine Ausweitung der Integrationsvorlage auf Angehörige der EU/EFTA-Staaten

Es stellte sich insbesondere die Frage, ob die in der Integrationsvorlage enthaltenen neuen Bestimmungen bezüglich der zusätzlichen Bedingungen für den Familiennachzug (Sprachkenntnisse)14, der Zulassung von religiösen Betreuungs- oder Lehrpersonen15 sowie der Integrationsvereinbarungen16 neu auch für Angehörige der EU/EFTA-Staaten gelten sollen.

Generell ist zu beachten, dass die Zulassungsbedingungen, die Regelung der Anwesenheit sowie der Familiennachzug von Angehörigen der EU/EFTA-Staaten in den jeweiligen Freizügigkeitsabkommen abschliessend geregelt werden. Bei diesbezüglichen Änderungen wäre folglich insbesondere eine Anpassung des FZA durch Verhandlungen mit der EU erforderlich und nicht eine Anpassung des Ausländergesetzes. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass bezüglich der zusätzlichen Anforderungen, die die Integrationsvorlage für Drittstaatsangehörige vorsieht, eine entsprechende Anpassung des FZA erfolgen wird.

Die übrigen Bestimmungen der Integrationsvorlage sind von der Umsetzung von Artikel 121a BV nicht betroffen, namentlich die Bestimmungen betrefend die Integrationskriterien, die Integrationsförderung, den Diskriminierungsschutz, die Amtshilfe, die Datenbekanntgabe und die Finanzierung sowie die Änderungen von weiteren Bundeserlassen.

14 15 16

Art. 43 Abs. 1 Bst. b, 44 Abs. 1 Bst. d, 85 Abs. 7 Bst. d; Ausnahmen dazu in Art. 49a Art. 26a Art. 26a Abs. 2, 33 Abs. 5, 43 Abs. 1ter, 44 Abs. 3

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Artikel 121a Absatz 3 BV enthält als Kriterium für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auch die Integrationsfähigkeit. Für die Erteilung von Bewilligungen an Angehörige von Drittstaaten sieht Artikel 23 Absatz 2 AuG bereits vor, dass die berufliche Qualifikation, die berufliche und soziale Anpassungsfähigkeit, die Sprachkenntnisse und das Alter eine nachhaltige Integration in den schweizerischen Arbeitsmarkt und das gesellschaftliche Umfeld erwarten lassen müssen. Auch bei einem kleinen Teil der Angehörigen von EU/EFTA-Staaten bestehen ­ etwa im Bereich des Familiennachzugs ­ gewisse Integrationsprobleme. Diese Problematik wird im Rahmen der Botschaft zur Änderung des Ausländergesetzes (Steuerung der Zuwanderung und Vollzugsverbesserungen bei den Freizügigkeitsabkommen) geprüft. Auf eine systematische Prüfung der Integrationsfähigkeit auch im Zulassungsverfahren für Angehörige der EU/EFTA-Staaten soll gemäss dieser Botschaft jedoch verzichtet werden. Die Kantone hatten im Rahmen des ursprünglichen Vernehmlassungsverfahrens zur Integrationsvorlage deutlich signalisiert, dass eine systematische Überprüfung der Integrationskriterien im Zusammenhang mit der Erteilung und Verlängerung aller Aufenthaltsbewilligungen ihre Kapazitäten klar sprengen würde (z. B. Sprachtests). Zudem kann auch bei einer umfassenden Prüfung der Integrationsfähigkeit vor der Einreise letztlich nicht vorhergesagt werden, wie sich die Integration einer zuziehenden Person tatsächlich entwickeln wird.

1.3.2

Erleichterte Erwerbstätigkeit von Personen aus dem Asylbereich

Der Bundesrat schlägt zur Förderung des inländischen Arbeitskräftepotenzials vor, gewisse Personengruppen aus dem Asylbereich besser in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen soll abgeschafft und die Bewilligungspflicht betreffend eine Erwerbstätigkeit durch eine Meldepflicht ersetzt werden (vgl. Ziff. 1.2.1). Personen aus dem Asylbereich halten sich bereits in der Schweiz auf; die Arbeitgeber sollen daher dieses Potenzial vermehrt nutzen.

Gewisse Personen aus dem Asylbereich bleiben während längerer Zeit in der Schweiz. Sie sind jedoch oft schlecht in den Arbeitsmarkt integriert; beispielsweise betrug die Erwerbsquote der erwerbsfähigen vorläufig Aufgenommen (Alter 16­65 Jahre) in den letzten Jahren zwischen 35 und 40 % und bewegt sich seit 2014 zwischen 25 und 30 %. Die schlechte Integration in den Arbeitsmarkt ist auf die fehlenden beruflichen und sprachlichen Kompetenzen, die arbeitsmarktliche Situation, die Interessen der Arbeitgeber an einer langfristigen Anstellung sowie die einschränkenden administrativen Regelungen zurückzuführen. Zu den administrativen Regelungen gehören die Bewilligungspflicht in Bezug auf die Erwerbstätigkeit und den Kantonswechsel von vorläufig Aufgenommenen (Art. 85 Abs. 5 und 6 AuG) und die Sonderabgabe auf dem Erwerbseinkommen. Aufgrund der relativ geringen Einkommen dieser Personengruppe ist davon auszugehen, dass dieser Abzug von 10 % des Lohnes, der zusätzlich zur Quellensteuer von 10 % geschuldet ist, zu einer Abnahme der Bereitschaft führt, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen.

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass mit dem Abbau von administrativen Hürden für die Arbeitgeber und mit der Schaffung von Anreizen für Personen aus dem Asylbereich deren Arbeitsmarktintegration gefördert werden kann.

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Der Bundesrat hat zudem am 11. Dezember 2015 einen Bericht betreffend die Verstärkung der Integrationsmassnahmen für Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene verabschiedet.17 Im Bericht wird ein vierjähriges Pilotprogramm vorgeschlagen (2018­2021), das im Rahmen der Programme und Projekte von nationaler Bedeutung durchgeführt (Art. 55 Abs. 3 AuG) und durch den Integrationsförderkredit finanziert werden soll. Das Pilotprogramm sieht erstens vor, bis zu 1000 Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene jährlich an einer intensiven, rund einjährigen Integrationsvorlehre teilnehmen zu lassen. Zweitens sollen ebenfalls bis zu 1000 Personen im Asylprozess mit einer hohen Bleibewahrscheinlichkeit die Ortssprache möglichst früh erlernen können. Ziel ist es, möglichst rasch die sprachlichen Kompetenzen zur Berufsintegration zu erwerben.

Weitere Massnahmen zur Förderung des inländischen Potenzials bestehen bereits oder werden unabhängig von dieser Vorlage verstärkt (z. B. Fachkräfteinitiative).

Eine stärkere Einbindung von Personen aus dem Asylbereich in den hiesigen Arbeitsmarkt ist auch ein Anliegen des Postulats 14.3008 der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates «Überprüfung des Status der vorläufigen Aufnahme und der Schutzbedürftigkeit», das vom Nationalrat am 12. Juni 2014 angenommen wurde. Der Bundesrat wird beauftragt zu prüfen, wie der Status der vorläufigen Aufnahme verbessert oder allenfalls neu geregelt werden kann. Er hat unter anderem auch Massnahmen für eine bessere Integration von vorläufig Aufgenommenen in den Arbeitsmarkt bei einem dauerhaften Verbleib in der Schweiz aufzuzeigen.

Abschaffung der Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen Mit dem Wegfall der Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen wird die Annahme einer Arbeit auch im Niedriglohn- oder Teilzeitbereich für vorläufig Aufgenommene attraktiver. Gelingt es, vorläufig Aufgenommene rascher und verstärkt in den Arbeitsmarkt einzubinden, können Sozialhilfeleistungen eingespart werden.

Die Aufhebung der Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen ist auch aus anderen Überlegungen zu befürworten: Rechtmässig bezogene Sozialhilfekosten werden von den Kantonen in der Regel erst zurückgefordert, wenn die betroffenen Personen in finanziell günstige Verhältnisse gelangen. Gewisse Kantone verzichten auf die Rückforderung von Sozialhilfeleistungen. In Anbetracht
dieser Regelungen im Bereich der Sozialhilfe scheint eine Gleichstellung von Ausländerinnen und Ausländern aus dem Asylbereich mit Schweizerinnen und Schweizern sowie den übrigen Ausländerinnen und Ausländern angezeigt.

Wird die Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen für vorläufig Aufgenommene aufgehoben, drängt sich aus Wirtschaftlichkeitsgründen die gleiche Massnahme auch für Asylsuchende und Schutzbedürftige auf. Der Bund hat in den letzten Jahren (2009­2013) aus der Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen durchschnittlich jährliche Bruttoeinnahmen von rund 6,1 Millionen Franken erzielt. Rund 40 % der Bruttoeinnahmen entfallen auf vorläufig Aufgenommene (rund 2,4 Mio. Fr.) und rund 60 % auf Asylsuchende (rund 3,7 Mio. Fr.). Die Nettoeinnahmen belaufen sich auf rund 3,6 Millionen Franken. Bei Wegfall der Sonderabgabe nur bei vorläufig 17

In Erfüllung des Postulats Tornare 14.3523 «Integration von Migrantinnen und Migranten in den schweizerischen Arbeitsmarkt».

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Aufgenommenen verbleiben dem Bund noch Nettoeinnahmen von knapp 2 Millionen Franken.

Bei diesen tieferen Nettoeinnahmen wäre die Fortführung der Pflicht zur Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen nur für Asylsuchende und Schutzbedürftige nicht mehr wirtschaftlich. Dies umso mehr, als im Rahmen der Neustrukturierung der Asylverfahren davon ausgegangen wird, dass rund 60 % der Asylgesuche in den Zentren des Bundes entschieden werden und Asylsuchende in diesen Zentren keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können. Die Gesuche der übrigen Asylsuchenden im erweiterten Verfahren sollen ebenfalls beschleunigt und in der Regel innert Jahresfrist abgeschlossen werden. Die Neustrukturierung führt im Ergebnis dazu, dass künftig voraussichtlich fast keine Sonderabgaben von Asylsuchenden mehr geleistet werden.

Werden aufgrund des Anreizes, der durch den Wegfall der Sonderabgabe entsteht, mindestens 200 Personen pro Jahr zusätzlich in den Arbeitsmarkt integriert, sind die Einsparungen in der Sozialhilfe (rund 3,6 Mio. Fr.) für den Bund höher als die in den vergangenen Jahren erzielten jährlichen Nettoeinnahmen aus der Sonderabgabe bei Asylsuchenden und vorläufig Aufgenommenen (rund 2,5 Mio. Fr. im Jahr 2014 und 2,1 Mio. Fr. im Jahr 2015).

Abschaffung der Bewilligungspflicht bei Erwerbstätigkeit und Ersatz durch eine Meldepflicht Um die Erwerbsbeteiligung von vorläufig Aufgenommenen und anerkannten Flüchtlingen zu erhöhen, wird die Schaffung eines Anspruchs auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit vorgeschlagen, sofern orts-, berufs- und branchenübliche Lohnund Arbeitsbedingungen gewährt werden (Art. 22 AuG, Art. 22 Abs. 1 VZAE). Der Wegfall eines vorgängigen Bewilligungsverfahrens und der damit verbundenen Gebühren sind wesentliche administrative Erleichterungen. Sie sollen dazu führen, dass die Arbeitgeber vermehrt auch dieses inländische Arbeitskräftepotenzial nutzen.

Als Schutzmassnahme werden ein Meldeverfahren, die Möglichkeit einer nachträglichen Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie eine Busse bei Widerhandlungen des Arbeitgebers eingeführt.

1.3.3

Umsetzung der parlamentarischen Initiativen

«Rückstufung eines niedergelassenen integrationsunwilligen Ausländers zum Jahresaufenthalter» (pa. Iv. 08.406) Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Umsetzung dieser Initiative problematisch ist und insbesondere eine entsprechende Rückstufungsregelung im Widerspruch zur Integrationsvorlage steht. Zudem führt sie zu neuen, komplizierten und langwierigen Verfahren. Diese Auffassung wird auch von einem Teil der Vernehmlasser geteilt (vgl. Ziff. 1.3.4). Der Bundesrat verzichtet daher darauf, eine solche Regelung in die Gesetzesvorlage zu übernehmen.

Die parlamentarische Initiative 08.406 verfolgt mehrere Anliegen: Sie verlangt, dass nur integrierten Ausländerinnen und Ausländern eine Niederlassungsbewilligung 2833

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erteilt wird. Zudem soll niedergelassenen Ausländerinnen und Ausländern, die integrationsunwillig sind, die Niederlassungsbewilligung entzogen und neu durch eine Aufenthaltsbewilligung ersetzt werden können (Rückstufung von Ausweis C auf Ausweis B). Nach einer erfolgten Rückstufung soll eine erneute Erteilung der Niederlassungsbewilligung frühestens nach drei Jahren möglich sein. Ein weiteres Anliegen der Initiative ist, dass der Anspruch auf Familiennachzug bei Integrationsdefiziten erlischt. Der Bundesrat beurteilt die verschiedenen Anliegen wie folgt: Erteilung von Niederlassungsbewilligungen nur an integrierte Ausländerinnen und Ausländer (Art. 34 AuG): Das Anliegen der parlamentarischen Initiative, wonach nur integrierte Ausländerinnen und Ausländer eine Niederlassungsbewilligung erwerben können, entspricht bereits einem Hauptziel der Integrationsvorlage. Diese setzt für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung neu ausdrücklich die Integration der Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz voraus (Art. 34 Abs. 2 Bst. c der Integrationsvorlage). Die massgebenden Integrationskriterien, die erfüllt sein müssen, sollen zudem neu ausdrücklich im AuG festgelegt werden (Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, Respektierung der Werte der Bundesverfassung, Sprachkompetenzen, Wille zur Teilnahme am Wirtschaftsleben oder zum Erwerb von Bildung; Art. 58a der Integrationsvorlage). Der Erwerb einer Niederlassungsbewilligung soll demnach gemäss der Integrationsvorlage künftig grössere Integrationsbemühungen voraussetzen. Dies ist Ausdruck des der Integrationsvorlage zugrunde liegenden Stufenmodells: Die Anforderungen an die Integration sind umso höher anzusetzen, je besser der ausländerrechtliche Status der betroffenen Personen ist.

Mit den in der Integrationsvorlage vorgesehenen Änderungen erachtet der Bundesrat das erste Teilanliegen der parlamentarischen Initiative als bereits erfüllt.

Jährlich werden 30 000 bis 40 000 Gesuche um Erteilung einer Niederlassungsbewilligung eingereicht. Aus Praktikabilitäts- und Kostengründen kann die Integration der Gesuchstellenden nicht systematisch und umfassend geprüft werden. Ein solches Vorgehen wurde auch in der Vernehmlassung zur Integrationsvorlage von den Kantonen abgelehnt. Der Entscheid über die Erteilung der Niederlassungsbewilligung soll
sich daher in erster Linie auf die vorhandenen Akten stützen. Im Rahmen der mit der Integrationsvorlage neu vorgesehenen Meldepflichten werden die zuständigen Behörden künftig vermehrt Informationen erhalten, die auf Integrationsdefizite schliessen lassen. Es wird den Behörden damit leichter fallen, das Kriterium der Integration im Einzelfall zu beurteilen. Zudem steht es ihnen jederzeit frei, bei Bedarf zusätzliche Angaben von den Gesuchstellerinnen und Gesuchstellern einzufordern.

Widerruf von Niederlassungsbewilligungen (Art. 63 AuG): Ein weiteres Anliegen der parlamentarischen Initiative ist, dass bei niedergelassenen Ausländerinnen und Ausländern, die integrationsunwillig sind, die Niederlassungsbewilligung entzogen und neu durch eine Aufenthaltsbewilligung ersetzt werden kann (Rückstufung von Ausweis C auf Ausweis B). Nach einer Rückstufung soll eine erneute Erteilung der Niederlassungsbewilligung frühestens nach drei Jahren möglich sein.

Nach geltendem Recht ist der Widerruf einer Niederlassungsbewilligung nur dann zulässig, wenn eine der gesetzlichen Voraussetzungen nach Artikel 63 AuG erfüllt 2834

BBl 2016

ist. Mangelnde Sprachkenntnisse oder «abweichende Wertvorstellungen» beispielsweise stellen die Gültigkeit einer Niederlassungsbewilligung noch nicht in Frage.

Das Bundesgericht hat in einem Urteil vom 25. Februar 2008 die Beschwerde eines seit Langem in der Schweiz lebenden, aber wenig integrierten Ausländers (minimale Kenntnisse der deutschen Sprache, traditionelle Anschauungen seines heimischen Kulturkreises und seiner Religion) gutgeheissen, dessen Niederlassungsbewilligung vom Kanton St. Gallen entzogen und der in seinen Herkunftsstaat weggewiesen wurde.18 Zudem geht es gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht an, dass die Behörden die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung unter dem geltenden Recht in Betracht ziehen, wenn die Voraussetzungen für den Widerruf einer Niederlassungsbewilligung gegeben sind.19 Aus Sicht des Bundesrates ist die vom Initianten vorgeschlagene «Niederlassungsbewilligung auf Probe» abzulehnen. Durch gezielte Anpassungen des Ausländergesetzes im Rahmen der Integrationsvorlage wird bereits bei der Erteilung einer ausländerrechtlichen Bewilligung der Fokus stärker auf die Integration gelegt.

Ausgehend vom Grundsatz, dass Integration ein fortschreitender Prozess ist und mit einer besseren Rechtsstellung verbunden werden soll, steht die vorgeschlagene Rückstufung der Bewilligungsart im Widerspruch zum Stufenmodell Integration. Sie widerspricht auch dem Grundsatz, wonach die Niederlassungsbewilligung unbefristet gilt und nicht mit Bedingungen verbunden ist.

Erlöschen des Anspruchs auf Familiennachzug (Art. 51 AuG): Mit der parlamentarischen Initiative wird weiter eine Ergänzung der Gründe verlangt, die zum Erlöschen des Anspruchs auf Familiennachzug führen: Neben den bestehenden Widerrufsgründen nach Artikel 62 (z. B. missbräuchliches Verhalten im ausländerrechtlichen Verfahren, Freiheitsstrafe, Sozialhilfeabhängigkeit) soll der Anspruch auf Familiennachzug neu auch dann erlöschen, wenn die Ausländerin oder der Ausländer nicht zur Integration gewillt ist (z. B. mangelnde Sprachkenntnisse, nicht gravierende Straffälligkeit).

Der Bundesrat lehnt eine Ausdehnung der Erlöschensgründe beim Anspruch auf Familiennachzug im Sinne der parlamentarischen Initiative ab. Ein Anspruch auf Familiennachzug besteht bei Ausländerinnen und Ausländern mit Niederlassungsbewilligung. Wie
bereits erwähnt, soll gemäss der Integrationsvorlage die Integration vor der Erteilung der Niederlassungsbewilligung verstärkt geprüft werden.

Aus Sicht des Bundesrates ist daher auf die Umsetzung dieser parlamentarischen Initiative zu verzichten. Sie würde weder zu einer besseren Verständlichkeit der Gesetzeslage noch zu einer kohärenten Anwendung des AuG beitragen.

«Integration gesetzlich konkretisieren» (pa. Iv. 08.420) Die parlamentarische Initiative 08.420 verlangt, dass das Ausländergesetz dahingehend geändert wird, dass eine Niederlassungsbewilligung generell erst nach einer erfolgreichen Integration gemäss Artikel 34 Absatz 4 AuG erteilt werden kann, das heisst insbesondere wenn die ausländische Person über gute Kenntnisse einer Landessprache verfügt. Die Initiative fordert somit eine Vereinheitlichung des Integrati18 19

BGE 134 II 1 Urteil 2C_254/2010 vom 15. Juli 2010 E 4.3

2835

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onsbegriffs für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung unabhängig von der bisherigen Aufenthaltsdauer in der Schweiz. Gegenwärtig verlangen das Gesetz und die Ausführungsbestimmungen eine weitergehende Integration der ausländischen Person, wenn diese vorzeitig, also nach fünf Jahren Aufenthalt in der Schweiz, eine Niederlassungsbewilligung beantragt.

Die parlamentarische Initiative verlangt zudem die Prüfung, ob weitere Kriterien für einen Widerruf der Niederlassungsbewilligung bestimmt werden können für ausländische Personen, die extremistische oder fundamentalistische Ansichten vertreten, die sich mit dem freiheitlichen Schweizer Rechtsstaat und der direkten Demokratie nicht vereinbaren lassen (z. B. eine ausländische Person, die ihre Kinder zu einer ungewollten Ehe zwingen will).

Der Bundesrat hat grundsätzlich Verständnis für die beiden Anliegen der parlamentarischen Initiative. Nach seiner Auffassung besteht hier allerdings kein zusätzlicher gesetzgeberischer Handlungsbedarf, da das geltende Recht in diesem Bereich bereits Regelungen vorsieht oder die Anliegen Eingang in die Integrationsvorlage gefunden haben:

20 21

­

Erteilung der Niederlassungsbewilligung: Die Integrationsvorlage sieht neu vor, dass Ausländerinnen und Ausländern eine Niederlassungsbewilligung nur erteilt werden kann, wenn sie integriert sind (Art. 34 Abs. 2 Bst. c der Integrationsvorlage). Die zu erfüllenden Integrationskriterien werden in Artikel 58a der Integrationsvorlage festgelegt: So gelten Ausländerinnen und Ausländer als integriert, wenn sie die öffentliche Sicherheit und Ordnung beachten, die Werte der Bundesverfassung respektieren, über die erforderlichen Sprachkompetenzen verfügen und grundsätzlich am Wirtschaftsleben teilnehmen. Der Bundesrat wird in den Ausführungsbestimmungen festlegen, welche Sprachkompetenzen für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung erforderlich sind (Art. 58a Abs. 2 der Integrationsvorlage).

­

Widerruf der Niederlassungsbewilligung: Nach dem geltenden Recht kann eine Niederlassungsbewilligung bereits widerrufen werden, wenn die ausländische Person in schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Schweiz oder im Ausland verstossen hat oder diese gefährdet (Art. 63 Abs. 1 Bst. b AuG) oder wenn sie zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde (Art. 63 Abs. 1 Bst. a AuG mit Verweis auf Art. 62 Bst. b AuG). In der Ausführungsverordnung wird konkretisiert, dass ein Verstoss gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung unter anderem vorliegt bei terroristischen oder extremistischen Handlungen (Art. 80 Abs. 1 Bst. c VZAE).

­

Zudem wurden in Bezug auf Zwangsheiraten strengere Massnahmen auf strafrechtlicher Ebene getroffen, die seit dem 1. Juli 2013 gelten: Mit dem Bundesgesetz über Massnahmen gegen Zwangsheiraten20 wurde die Zwangsheirat ausdrücklich unter Strafe gestellt; Artikel 181a des Strafgesetzbuchs21 sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren für die VerantAS 2013 1035; BBl 2011 2185 SR 311.0

2836

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wortlichen einer Zwangsheirat vor. Es werden auch Personen bestraft, die eine solche Straftat im Ausland begangen haben.

«Kein Familiennachzug bei Bezug von Ergänzungsleistungen» (pa. Iv. 08.428) Gemäss dem Bericht des Bundesrates «Ergänzungsleistungen zur AHV/IV: Kostenentwicklung und Reformbedarf»22 sind die Gesamtausgaben der EL zur AHV und IV innerhalb von fünf Jahren um mehr als eine Milliarde Franken angestiegen (von 3,08 Mrd. Fr. im Jahr 2006 auf 4,276 Mrd. Fr. im Jahr 2011). Der Bericht gibt Aufschluss über die Gründe dieser Kostensteigerung und zeigt Optimierungsmöglichkeiten des EL-Systems auf.

Im Hinblick auf die hohen EL-Kosten ist das Anliegen der parlamentarischen Initiative verständlich, bei den finanziellen Voraussetzungen für den Familiennachzug von Drittstaatsangehörigen auch den Bezug von EL zu berücksichtigen. Das Anliegen wird mit dieser Vorlage umgesetzt (vgl. Ziff. 1.2.2).

Genügende finanzielle Mittel als Voraussetzung für den Familiennachzug dienen der Entlastung der öffentlichen Finanzen. Gemäss Artikel 8 EMRK bildet das wirtschaftliche Wohlergehen ein legitimes Ziel für die Einschränkung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Weiter muss sich der Eingriff mit Blick auf dieses Ziel als notwendig, das heisst als verhältnismässig erweisen. Das Verhältnismässigkeitsprinzip verlangt, dass die verschiedenen Interessen im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden.23 «Mehr Handlungsspielraum für die Behörden» (pa. Iv. 08.450) Nach der parlamentarischen Initiative 08.450 ist bei dauerhafter und erheblicher Sozialhilfeabhängigkeit der Widerruf von Niederlassungsbewilligungen auch nach Ablauf der heute geltenden Frist von 15 Jahren zulässig. Die Regelung wird in die vorliegende Gesetzesvorlage aufgenommen (vgl. Ziff. 1.2.2).

«Vereinheitlichung beim Familiennachzug» (pa. Iv. 10.485) Die mit der parlamentarischen Initiative vorgeschlagene Vereinheitlichung der Anforderungen beim Familiennachzug von Personen mit Niederlassungsbewilligung und jenen von Personen mit Aufenthaltsbewilligung ist aus Sicht des Bundesrates im Ergebnis keine materielle Änderung des AuG. Bei den in dieser Vorlage vorgeschlagenen Änderungen handelt sich um Anpassungen gesetzestechnischer Natur, die letztendlich zu einer besseren Verständlichkeit der Bestimmungen über den Familiennachzug führen
(vgl. Ziff. 1.2.2).

Mit Ausnahme der parlamentarischen Initiativen «Rückstufung eines niedergelassenen integrationsunwilligen Ausländers zum Jahresaufenthalter» (pa. Iv. 08.406) und 22

23

Bericht des Bundesrates vom 20. November 2013 «Ergänzungsleistungen zur AHV/IV: Kostenentwicklung und Reformbedarf» (in Erfüllung der Postulate Humbel 12.3602, Kuprecht 12.3673 und der FDP-Liberalen Fraktion 12.3677); www.bsv.admin.ch > Startseite > Altersvorsorge 2020 > Dokumentation > Bericht «Ergänzungsleistungen zur AHV/IV: Kostenentwicklung und Reformbedarf» [Stand: 6.1.2016].

Vgl. EGMR-Entscheid Hasanbasic gegen die Schweiz vom 11. Juni 2013; www.bj.admin.ch > Startseite BJ > Staat & Bürger > Menschenrechte > Rechtsprechung des EGMR > Dokument «Zweites Quartal 2013» [Stand 5.1.2016].

2837

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«Integration gesetzlich konkretisieren» (pa.Iv. 08.420) sollen somit nach der Auffassung des Bundesrates alle parlamentarischen Initiativen übernommen werden.

1.3.4

Ergebnisse der Vernehmlassung und Haltung des Bundesrates

Allgemeines Das Vernehmlassungsverfahren zu dieser Vorlage fand vom 11. Februar bis zum 28. Mai 2015 statt.

Insgesamt sind 84 Stellungnahmen eingegangen (22 Kantone, 5 Parteien, 57 andere interessierte Kreise). Sie sind im Ergebnisbericht zusammengefasst.24 Eine sehr breite Zustimmung fanden die Vorschläge betreffend den erleichterten Zugang zur Erwerbstätigkeit von Personen aus dem Asylbereich: Sowohl die Abschaffung der Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen wie auch die Meldepflicht als Ersatz der Bewilligungspflicht bei Ausübung einer Erwerbstätigkeit wurden klar begrüsst.

Bezüglich der fünf parlamentarischen Initiativen kann festgehalten werden, dass die Haltung des Bundesrates insbesondere bezüglich der Initiativen «Integration gesetzlich konkretisieren» (pa. Iv. 08.420) und «Vereinheitlichung beim Familiennachzug» (pa. Iv. 10.485) breit unterstützt wurde. Die Umsetzung der Initiative «Mehr Handlungsspielraum für die Behörden» (pa. Iv. 08.450) sowie «Kein Familiennachzug bei Bezug von Ergänzungsleistungen» (pa. Iv. 08.428) wurden ebenfalls von einer grossen Mehrheit befürwortet. Eine weniger eindeutige Mehrheit fand die Initiative «Rückstufung eines niedergelassenen integrationsunwilligen Ausländers zum Jahresaufenthalter» (pa. Iv. 08.406).

Erleichterte Erwerbstätigkeit von Personen aus dem Asylbereich Eine äusserst breite Mehrheit der Vernehmlasser befürwortet die Aufhebung der Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen für vorläufig Aufgenommene und Asylsuchende. Diese Änderung stelle eine Vereinfachung für potenzielle Arbeitgeber dar, schaffe Anreize zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bei den genannten Personen und erleichtere deren Integration in den Arbeitsmarkt. Zudem werde auf diese Weise das inländische Arbeitspotenzial vermehrt ausgeschöpft, und die öffentlichen Ausgaben (Sozialhilfe) würden reduziert.

Die Gegner der Regelung weisen darauf hin, dass die Schwierigkeiten der Integration von Personen aus dem Asylbereich in den Arbeitsmarkt nur unwesentlich bei der Erhebung einer Sonderabgabe auf dem Einkommen liegen würden.

Was den Ersatz der Bewilligungspflicht durch eine Meldepflicht bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit betrifft, so begrüssen die Befürworter den Abbau von admi24

www.sem.admin.ch > Startseite SEM > Aktuell >Laufende Gesetzgebungsprojekte > Teilrevision des Ausländergesetzes (AuG): Integrationsrechtliche Bestimmungen > 2. Ergebnisse > Dokument «Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens» [Stand 6.1.2016].

2838

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nistrativen Hürden und Wartezeiten für den Arbeitsmarktzugang von anerkannten Flüchtlingen und vorläufg aufgenommenen Personen. Für mehrere Vernehmlasser ist jedoch die Möglichkeit einer nachträglichen Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie die Busse bei Widerhandlungen des Arbeitgebers eine zwingende Voraussetzung für die Abschaffung der Bewilligungspflicht. Zudem sei die heutige Regelung zum Kantonswechsel beizubehalten.

Die Gegner dieser Bestimmung erachten das bestehende Bewilligungsverfahren als notwendige Schutzmassnahme vor Lohndumping oder bezweifeln den Nutzen der vorgeschlagenen Regelung, da eine Bewilligung zur Erwerbstätigkeit in der Regel bereits heute rasch (d. h. innert weniger Tage) erteilt werde.

Der Bundesrat ist mit der grossen Mehrheit der Vernehmlasser der Auffassung, dass mit der Schaffung von Anreizen für gewisse Personen aus dem Asylbereich und mit dem Abbau von administrativen Hürden für die Arbeitgeber die Arbeitsmarktintegration gefördert werden kann. Aus diesem Grund soll die Pflicht zur Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen für Personen aus dem Asylbereich und die Bewilligungspflicht bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit abgeschafft werden.

Rückstufung eines niedergelassenen integrationsunwilligen Ausländers zum Jahresaufenthalter (pa. Iv. 08.406) Im Vernehmlassungsentwurf hatte der Bundesrat zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative 08.406 eine Bestimmung vorgeschlagen, wonach die Niederlassungsbewilligung widerrufen und durch eine Aufenthaltsbewilligung ersetzt werden kann, wenn die Ausländerin oder der Ausländer nicht bereit ist, sich zu integrieren (Art. 63 Abs. 3 V-AuG). Diese Bestimmung fand keine grosse Mehrheit bei den Vernehmlassern.

Die Befürworter einer solchen Regelung wiesen darauf hin, dass auch bei Personen, die seit Jahren die Niederlassungsbewilligung besitzen, erhebliche Integrationsdefizite bestehen können.

Die Gegner erachten die Regelung als unnötig und wirkungslos und im Widerspruch zur Integrationsvorlage des Bundesrates. Da gemäss der Integrationsvorlage die Niederlassungsbewilligung ohnehin nur noch an integrierte Ausländerinnen und Ausländer erteilt werden solle, erübrige sich eine Regelung im Sinne des Initianten.

Das Ergebnis der Vernehmlassung bestätigt den Bundesrat in seiner Haltung, wonach die Umsetzung dieser parlamentarischen
Initiative problematisch ist und eine entsprechende Regelung im Widerspruch zur Integrationsvorlage steht. Er verzichtet daher darauf, eine solche Regelung in die Gesetzesvorlage zu übernehmen (vgl.

Ziff. 1.3.3).

Integration gesetzlich konkretisieren (pa. Iv. 08.420) Fast ausnahmslos wurde in den Vernehmlassungsantworten die Haltung des Bundesrates bestätigt, dass hier kein zusätzlicher gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht: Entweder sehen das geltende Ausländer- und Strafrecht in diesem Bereich bereits Regelungen vor oder die Anliegen der parlamentarischen Initiative fanden schon Eingang in die Integrationsvorlage. Eine Übernahme in den Gesetzesentwurf des Bundesrates erübrigt sich daher.

2839

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Kein Familiennachzug bei Bezug von Ergänzungsleistungen (pa. Iv. 08.428) Die Befürworter begrüssen, dass der Anspruch auf Familiennachzug beim Bezug von EL dahinfällt. Auch wenn mehrere von ihnen davon ausgehen, dass sich die vorgeschlagene Regelung aufgrund der bestehenden Fristen (Nachzugsfrist beim Familiennachzug und Karenzfrist für den Bezug von EL) nur auf eine geringe Anzahl Fälle beziehen würde, sind sie der Meinung, dass diese Einschränkung zur Entlastung der öffentlichen Finanzen durchaus gerechtfertigt sei.

Die Gegner dieser Regelung erwähnen, dass eine solche Regelung aufgrund der bestehenden Fristen nur geringe Auswirkungen haben und vor allem die Schwächsten in unserer Gesellschaft tangieren würde.

Aufgrund des deutlichen Vernehmlassungsresultats und im Hinblick auf die hohen EL-Kosten (vgl. Ziff. 1.3.3) übernimmt der Bundesrat das Anliegen der parlamentarischen Initiative im Gesetzesentwurf.

Einige Vernehmlassungsteilnehmer erachteten die Formulierung bezüglich der Ergänzungsleistungen im Vernehmlassungsentwurf als irreführend: Es sei unklar, ob die nachziehende oder die nachgezogene Person gemeint sei. Im Gesetzesentwurf wird daher neu präzisiert, dass die nachziehende Person keine EL beziehen darf.

Ebenso wird dem Anliegen Rechnung getragen, wonach dies auch dann gilt, wenn erst mit dem Aufenthalt der nachgezogenen Personen ein Anspruch auf EL entstehen würde.

Mehr Handlungsspielraum für die Behörden (pa. Iv. 08.450) Eine grosse Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer begrüsst die Aufhebung der Bestimmung, wonach die Niederlassungsbewilligung nach einem Aufenthalt von 15 Jahren nicht mehr wegen des Bezugs von Sozialhilfeleistungen widerrufen werden kann (Aufhebung von Art. 63 Abs, 2 AuG). Verschiedentlich wird aber die Bedeutung des Verhältnismässigkeitsprinzips betont.

Die Gegner kritisieren, dass eine Abwertung der Niederlassungsbewilligung erfolge und dass die Rechtssicherheit in Frage gestellt werde.

Der Bundesrat unterstützt das Anliegen der parlamentarischen Initiative. Auch bei deren Umsetzung bleibt es den zuständigen Behörden unbenommen, im Rahmen einer Güterabwägung zwischen den öffentlichen und privaten Interessen auf einen Widerruf der Niederlassungsbewilligung zu verzichten.

Vereinheitlichung beim Familiennachzug (pa. Iv. 10.485) Eine grosse Mehrheit der
Vernehmlassungsteilnehmer unterstützt die Anpassungen: Die Bestimmungen über den Familiennachzug würden so auch besser verständlich.

Die Gegner erachten die Anpassung nicht als notwendig, da sie im Ergebnis dem geltenden Recht entspreche. Andere sind demgegenüber der Auffassung, dass der Vorschlag entgegen der Meinung des Bundesrates eine Verschärfung bezüglich des Familiennachzuges darstelle.

Aus Sicht des Bundesrates kann das Anliegen der parlamentarischen Initiative unterstützt werden. Die vorgeschlagene Vereinheitlichung der Artikel zu den Voraussetzungen beim Familiennachzug von Personen mit Niederlassungsbewilligung 2840

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(Art. 43 AuG) und mit Aufenthaltsbewilligung (Art. 44 AuG) hat seiner Ansicht nach keine materiellen Auswirkungen, führt aber zu einer besseren Verständlichkeit der Bestimmungen über den Familiennachzug.

1.4

Vergleich mit dem europäischen Recht

Wie bereits unter Ziffer 1.3.1 ausgeführt, verstösst die Gesetzesvorlage nicht gegen internationale Verpflichtungen der Schweiz mit der EU. Insbesondere das FZA wird von den erwähnten Änderungen in Bezug auf Drittstaatsangehörige nicht tangiert.

Die erleichterte Zulassung von Personen aus dem Asylbereich zum Arbeitsmarkt ist zudem im Einklang mit Artikel 26 der Richtlinie 2011/95/EU25, wonach anerkannte Flüchtlinge oder Personen, denen subsidiärer Schutz gewährt wird, einen Anspruch auf Ausübung einer Erwerbstätigkeit haben. Mit dieser Regelung erhalten alle Personen mit internationalem Schutzstatus denselben Zugang zur Erwerbstätigkeit. Die Richtlinie 2011/95/EU ist zwar nicht Bestandteil des Schengen/Dublin-Besitzstands und daher für die Schweiz nicht verbindlich. Trotzdem liegt es im schweizerischen Interesse, dass die Asylverfahren und die gewährten Rechte in allen europäischen Staaten einen vergleichbaren Standard aufweisen.

2

Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Ausländergesetz Art. 43 Abs. 1­1quater Zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative 10.485 (vgl. Ziff. 1.2.2) werden die Voraussetzungen für den Familiennachzug von Personen mit Niederlassungsbewilligung denjenigen von Personen mit Aufenthaltsbewilligung (Art. 44 Abs. 1 E-AuG) angeglichen. Neu wird deshalb in Absatz 1 Buchstaben b und c explizit das Erfordernis der bedarfsgerechten Wohnung und der genügenden finanziellen Mittel (kein Bezug von Sozialhilfe) aufgenommen. Weiter wird analog zu Artikel 44 E-AuG die Formulierung im Einleitungssatz von Absatz 1 angepasst und ergänzt mit dem bisherigen Abs. 1bis der Integrationsvorlage. In Absatz 1ter wird neu die Ausnahme vom Erfordernis der Sprachkenntnisse bei Kindern unter 18 Jahren geregelt (analog Art. 44 Abs. 3 der Integrationsvorlage).

Wie nach dem geltenden Recht besteht auch künftig für die Familienangehörigen von Personen mit Niederlassungsbewilligung ein Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt sind.

25

Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung), ABl L 337 vom 20.12.2011, S. 9 (anwendbar ab 21. Dezember 2013).

2841

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Überdies ergibt sich aus der Kombination mit der Initiative 08.428 (vgl. Ziff. 1.2.2), dass für Personen mit Niederlassungsbewilligung der Familiennachzug ebenfalls ausgeschlossen sein soll, wenn sie jährliche EL beanspruchen. Dies gilt auch dann, wenn erst mit dem Aufenthalt der nachgezogenen Personen ein Anspruch auf EL entsteht. Im Unterschied zur parlamentarischen Initiative 08.428 wird dies in einem separaten Buchstaben e geregelt; zudem beschränkt sich der Gesetzesentwurf auf die bundesrechtlichen EL (Art. 3 Abs. 1 Bst. a ELG). Es gibt Kantone, die zusätzlich zur AHV/IV eigene EL ausrichten. Da die Voraussetzungen für die Ausrichtung und die Ausgestaltung sehr unterschiedlich sind, soll der Bezug von kantonalen EL nicht zu einem generellen Ausschluss des Familiennachzugs führen.

Diese Änderungen haben zur Folge, dass das Erfordernis der Sprachkenntnisse sowie die Möglichkeit der Anmeldung zu einem Sprachförderungsangebot als Ausnahme von diesem Erfordernis bei der Erteilung der Aufenthaltsbewilligung neu in Buchstabe d bzw. in Absatz 1bis geregelt werden (gesetzestechnische Anpassung).

Ebenfalls wird Absatz 1ter der Integrationsvorlage neu zu Absatz 1quater.

Die Botschaft zur Änderung des Ausländergesetzes (Steuerung der Zuwanderung und Vollzugsverbesserungen bei den Freizügigkeitsabkommen) sieht in Artikel 43 ebenfalls die Hinzufügung eines neuen Absatzes 1bis vor. Hier wird voraussichtlich eine Koordinationsbestimmung nötig sein.

Art. 44 Abs.1 Bst. d und e, Abs. 2­4 Zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative 08.428 (vgl. Ziff. 1.2.2) wird in Absatz 1 neu festgelegt, dass für Personen mit Aufenthaltsbewilligung der Familiennachzug ausgeschlossen sein soll, wenn sie jährliche EL beanspruchen. Dies gilt auch dann, wenn erst mit dem Aufenthalt der nachgezogenen Personen ein Anspruch auf EL entsteht. Im Unterschied zur parlamentarischen Initiative wird das neue Kriterium in einem separaten Buchstaben e geregelt; zudem beschränkt sich der Gesetzesentwurf auf die bundesrechtlichen EL. Siehe dazu die Bemerkungen zu Artikel 43 Absatz 1 Buchstabe e E-AuG.

Die Möglichkeit der Anmeldung zu einem Sprachförderungsangebot als Ausnahme vom Erfordernis der Sprachkenntnisse bei der Erteilung der Aufenthaltsbewilligung wird neu statt in Buchstabe d in einem separaten Absatz 2 geregelt.
Aus gesetzestechnischen Gründen erfolgt eine neue Nummerierung der Absätze des Artikels: Die Ausnahmeregelung in Artikel 44 Absatz 2 der Integrationsvorlage, wonach vom Erfordernis der Sprachkenntnisse bei Kindern unter 18 Jahren abgesehen werden kann, wird neu in Absatz 3 geregelt.

Im Rahmen der Beratung der Integrationsvorlage hat der Ständerat beschlossen, im Gesetzesentwurf die vom Bundesrat vorgeschlagene Formulierung «ungünstiger Verlauf des Integrationsprozesses» überall zu ersetzen mit «besonderer Integrationsbedarf gemäss Artikel 58a».26 Versehentlich wurde Artikel 44 Absatz 3 der Integrationsvorlage nicht entsprechend angepasst, was jetzt nachgeholt wird. Diese neue

26

Vgl. Beschluss des Ständerates vom 11. Dezember 2013 zu Art. 33 Abs. 5, 43 Abs. 1 ter, 83 Abs. 9 und 97 Abs. 3 Bst. e

2842

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Formulierung ist zudem aus gesetzestechnischen Gründen statt in Absatz 3 in Absatz 4 enthalten.

Die Botschaft zur Änderung des Ausländergesetzes (Steuerung der Zuwanderung und Vollzugsverbesserungen bei den Freizügigkeitsabkommen) sieht in Artikel 44 ebenfalls die Hinzufügung eines neuen Absatzes 2 vor. Hier wird voraussichtlich eine Koordinationsbestimmung nötig sein.

Art. 45 Bst. d Zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative 08.428 (vgl. Ziff. 1.2.2) wird in Buchstabe d festgelegt, dass für Personen mit Kurzaufenthaltsbewilligung der Familiennachzug ausgeschlossen sein soll, wenn sie jährliche EL beanspruchen. Siehe dazu die Bemerkungen zu Artikel 43 Absatz 1 Buchstabe e E-AuG.

Art. 49a Abs. 1 Aufgrund der vorgenommenen Änderungen in den Artikeln 43 E-AuG (Einfügen von neuen Kriterien) sind die Verweise in Absatz 1 entsprechend anzupassen. Es handelt sich lediglich um eine gesetzestechnische Anpassung.

Art. 63 Abs. 2 Nach dem geltenden Recht kann die Niederlassungsbewilligung von Personen, die sich seit mehr als 15 Jahren ununterbrochen und ordnungsgemäss in der Schweiz aufhalten, nur widerrufen werden bei längerfristigen Freiheitsstrafen, schwerwiegenden Verstössen gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder bei Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit der Schweiz.

Nach einem Aufenthalt von mehr als 15 Jahren ist nach geltendem Recht auch bei dauerhafter und erheblicher Sozialhilfeabhängigkeit der Widerruf von Niederlassungsbewilligungen nicht zulässig.

Diese Regelung wird in Umsetzung der parlamentarischen Initiative 08.450 (vgl.

Ziff. 1.2.2) aufgehoben. Niederlassungsbewilligungen sollen künftig jederzeit widerrufen werden können, wenn die Voraussetzungen nach Artikel 63 Absatz 1 AuG erfüllt sind. Bei diesem Ermessensentscheid ist jedoch immer auch eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber der privaten Interessen erforderlich (Verhältnismässigkeitsprüfung).

Art. 85 Abs. 6, 7 Bst. d und e, 7bis und 7ter Absatz 6: Der Absatz wird aufgehoben, da die bisherige Bewilligungspflicht betreffend Erwerbstätigkeit für vorläufig Aufgenommene abgeschafft und durch ein Meldeverfahren ersetzt werden soll (Art. 85a E-AuG; vgl. Ziff. 1.2.1).

Absatz 7 Buchstaben d und e: In Umsetzung der parlamentarischen Initiative 08.428 (vgl. Ziff. 1.2.2) wird in Buchstabe e festgelegt,
dass für Personen mit einer vorläufigen Aufnahme der Familiennachzug ausgeschlossen sein soll, wenn sie jährliche EL beanspruchen. Siehe dazu die Bemerkungen zu Artikel 43 Absatz 1 Buchstabe e E-AuG.

2843

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Der Nachsatz aus Buchstabe d der Integrationsvorlage, wonach eine Anmeldung zu einem Sprachförderungsangebot bei der Erteilung der vorläufigen Aufnahme im Rahmen des Familiennachzugs ausreicht, ist neu in Absatz 7 bis enthalten. Die Ausnahme beim Erfordernis von Sprachkenntnissen bei Kindern unter 18 Jahren wird neu in Absatz 7ter geregelt. Es handelt sich hier um gesetzestechnische Anpassungen. Absatz 7ter wird zudem mit der Ausnahmeregelung nach Artikel 49a ergänzt, wonach bei wichtigen Gründen vom Erfordernis der Sprachkenntnisse abgewichen werden kann. Eine abweichende Regelung beim Familiennachzug von vorläufig Aufgenommenen ist nicht gerechtfertigt.

Die Botschaft zur Änderung des Ausländergesetzes (Steuerung der Zuwanderung und Vollzugsverbesserungen bei den Freizügigkeitsabkommen) sieht in Artikel 85 Absatz 7 ebenfalls die Hinzufügung eines neuen Buchstabens d vor. Hier wird voraussichtlich eine Koordinationsbestimmung nötig sein.

Art. 85a

Erwerbstätigkeit

Die Bestimmung ist neu und regelt die Meldepflicht bei der Erwerbstätigkeit von vorläufig aufgenommenen Personen.

Absatz 1: Vorläufig Aufgenommene sollen neu einen Anspruch auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit haben, wenn die orts-, berufs- und branchenüblichen Lohnund Arbeitsbedingungen nach Artikel 22 AuG eingehalten werden.

Vorbehalten bleiben die Bestimmungen über den Kantonswechsel (Art. 85 Abs. 3 und 4 AuG). Eine Erwerbstätigkeit in einem anderen Kanton berechtigt somit nicht auch zur Verlegung des Wohnsitzes an den Arbeitsort.

Absatz 2 und 3: Die Arbeitgeber sollen lediglich verpflichtet werden, die Aufnahme und Beendigung der Erwerbstätigkeit sowie einen Stellenwechsel vorgängig den zuständigen Behörden des Arbeitsortes zu melden. Sie haben Auskunft zu geben über Identität und Lohn der erwerbstätigen Person, deren Tätigkeit sowie über deren Arbeitsort.

Die Arbeitgeber müssen zudem bestätigen, dass sie die orts-, berufs- und branchenüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen einhalten (Art. 22 AuG). Mit diesen Regelungen kann einem möglichen Lohn- und Sozialdumping entgegengewirkt werden.

Mit der Meldung wird automatisch die Ausübung der Erwerbstätigkeit erlaubt.

Absatz 4 und 5: Die zuständigen Behörden des Arbeitsortes müssen die gemeldeten Lohn- und Arbeitsbedingungen den zuständigen Kontrollorganen weiterleiten, die der Bundesrat zu bezeichnen hat. Die Möglichkeit einer nachträglichen Kontrolle der Angaben ist wichtig, da vorläufig Aufgenommene oft in Tieflohnbranchen mit niedrigen Qualifikationsanforderungen erwerbstätig sind und deshalb speziell zu schützen sind.

Absatz 6: Der Bundesrat kann in einer Ausführungsbestimmung dieses Meldeverfahren näher festlegen. Zur Berechnung der Sozialhilfepauschale, die der Bund den Kantonen für Personen aus dem Asylbereich entrichtet, muss sichergestellt werden, dass ein Datentransfer in das Zentrale Migrationsinformationssystem (ZEMIS) erfolgt. Die Meldung soll wenn möglich über das Internet erfolgen.

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Art. 88

Sonderabgabe auf Vermögenswerten

Die Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen nach Artikel 86 AsylG soll aufgehoben werden (vgl. Ziff. 1.2.1). Weiterhin bestehen bleiben sollen jedoch die allgemeine Rückerstattungspflicht nach Artikel 85 AsylG sowie die Möglichkeit zur Vermögenswertabnahme (Art. 86 E-AsylG). Entsprechend den Änderungen im Asylgesetz werden die Sachüberschrift und der Wortlaut von Absatz 1 angepasst.

Die Bestimmungen des 5. Kapitels 2. Abschnitts sowie des 10. Kapitels des Asylgesetzes bleiben weiterhin anwendbar. Ebenfalls anwendbar ist Artikel 112a AsylG: Demnach beginnt während eines Rechtsmittelverfahrens die Verjährung von finanziellen Ansprüchen des Bundes gegenüber Subventions- oder Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern nicht oder steht still, falls sie begonnen hat. Diese Regelung wurde mit der Änderung vom 14. Dezember 2012 des Asylgesetzes eingeführt und ist seit dem 1. Februar 2014 in Kraft.27 Die Regelung zur Hinderung bzw. zum Stillstand der Verjährung muss auch anwendbar sein bei finanziellen Ansprüchen des Bundes gegenüber vorläufig Aufgenommenen. Bei der Revision des Asylgesetzes wurde die notwendige Anpassung von Artikel 88 AuG versehentlich unterlassen.

In Absatz 2 wird festgehalten, dass die Sonderabgabe auf Vermögenswerten bei vorläufig Aufgenommenen längstens zehn Jahre seit der Einreise dauert. Der Bundesrat kann eine kürzere Dauer vorsehen.

Art. 97 Abs. 3 Bst. e­g Zur Umsetzung der parlamentarischen Initiative 08.428 (vgl. Ziff. 1.2.2) soll der Familiennachzug neu verweigert werden können, wenn EL bezogen werden (Art. 43 Abs. 1 Bst. e, 44 Abs. 1 Bst. e und 45 Bst. d E-AuG). Die Migrationsbehörden werden heute jedoch nicht automatisch über einen Bezug von EL durch Ausländerinnen und Ausländer informiert.

Nach dem geltenden Recht besteht gegenüber den Migrationsbehörden eine Meldepflicht bei Eröffnung von Strafuntersuchungen, bei zivil- und strafrechtlichen Urteilen, bei Änderungen im Zusammenhang mit dem Zivilstand, bei einer Verweigerung der Eheschliessung, beim Bezug von Sozialhilfe oder beim Bezug von Arbeitslosenentschädigung (Art. 97 Abs. 3 Bst. a­e AuG). Diese Meldepflichten sollen erweitert werden. Im Unterschied zum Vorschlag in der parlamentarischen Initiative (08.428) wird die neue Meldepflicht aus gesetzestechnischen Gründen in einem separaten Buchstaben f geregelt; zudem beschränkt
sich die Meldepflicht auf die bundesrechtliche EL (Art. 3 Abs. 1 Bst. a ELG). Die Regelung betrifft grundsätzlich alle Ausländerinnen und Ausländer, die sich in der Schweiz aufhalten.

Neben der Pflicht zur Datenbekanntgabe im betreffenden Spezialgesetz (Art. 97 Abs. 3 Bst. f E-AuG) verlangt Artikel 33 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 200028 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG), dass die entsprechende Ermächtigung zur Auskunftserteilung auch in der Sozialversicherungsgesetzgebung statuiert wird. Aus diesem Grund erfolgt eine analoge Anpas-

27 28

AS 2013 4375 5357; BBl 2010 4455, 2011 7325 SR 830.1

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sung im ELG (Art. 26a E-ELG). Diese war im Vernehmlassungsentwurf noch nicht enthalten.

Der Bundesrat wird in der VZAE die Modalitäten und den Umfang der Datenbekanntgabe konkretisieren.

Aufgrund der am 1. Januar 2014 in Kraft getretenen Meldepflicht gegenüber den Migrationsbehörden bei Bezug von Arbeitslosentschädigung (Art. 97 Abs. 3 Bst. e AuG) ist weiter eine gesetzestechnische Anpassung erforderlich: Die gemäss der Integrationsvorlage vorgesehene Meldepflicht bei anderen Entscheiden, die auf einen besonderen Integrationsbedarf nach Artikel 58a hindeuten, ist neu statt in Buchstabe e unverändert in Buchstabe g zu regeln. In der Integrationsvorlage wurde der zwischenzeitlich neu eingeführte Buchstabe e (Meldung des Bezugs von Arbeitslosenentschädigung) versehentlich nicht berücksichtigt und mit der Bestimmung über die Meldepflicht bei anderen Entscheiden, die auf einen besonderen Integrationsbedarf nach Artikel 58a hindeuten, überschrieben. Daher muss der geltende Buchstabe e nochmals unverändert in die Gesetzesvorlage aufgenommen werden (neu als Bst. g).

Die Botschaft zur Änderung des Ausländergesetzes (Steuerung der Zuwanderung und Vollzugsverbesserungen bei denFreizügigkeitsabkommen) sieht aus anderen Gründen ebenfalls Pflichten zur Datenbekanntgabe beim Bezug von EL vor. Hier wird voraussichtlich eine Koordinationsbestimmung nötig sein.

Art. 120 Abs. 1 Bst. f und g Widerhandlungen des Arbeitgebers gegen die neu vorgesehene Meldepflicht nach Artikel 85a E-AuG sollen bestraft werden. So wird Artikel 120 Absatz 1 AuG dahingehend ergänzt, dass ein Arbeitgeber mit Busse bestraft werden kann, wenn er die Meldepflicht nach Artikel 85a E-AuG verletzt, die Kontrollen verweigert oder falsche Angaben im Meldeverfahren macht und damit die mit der Meldung verbundenen Bedingungen nicht einhält (Art. 85a Abs. 2 und 3 E-AuG). Gleichzeitig kann die zuständige kantonale Behörde die mit der Meldung erteilte Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit widerrufen (Art. 62 Bst. d AuG).

Asylgesetz Art. 61

Erwerbstätigkeit

Artikel 61 AsylG wird analog zu Artikel 85a E-AuG angepasst.

Absatz 1: Personen, denen Asyl gewährt wurde oder die als Flüchtlinge vorläufig aufgenommen wurden, sollen wie vorläufig Aufgenommene in der ganzen Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben können, wenn die orts-, berufs- und branchenüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen nach Artikel 22 AuG eingehalten werden. Im Gegensatz zu vorläufig Aufgenommenen haben diese Personen aufgrund von Artikel 26 der Genfer Flüchtlingskonvention29 einen Anspruch auf einen Kantonswech-

29

Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, SR 0.142.30.

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sel, wenn keine Widerrufsgründe nach Artikel 63 AuG vorliegen (Art. 37 Abs. 3 AuG).30 Absatz 2: Die Aufnahme und Beendigung der Erwerbstätigkeit sowie ein Stellenwechsel müssen ebenfalls vorgängig durch den Arbeitgeber der vom Kanton bezeichneten Behörde des Arbeitsortes gemeldet werden; das Meldeverfahren richtet sich nach Artikel 85a Absätze 2­6 E-AuG.

Absatz 3: Das Meldeverfahren findet bei anerkannten Flüchtlingen mit einer Niederlassungsbewilligung keine Anwendung.

Gliederungstitel vor Art. 85 2. Abschnitt: Rückerstattungspflicht und Sonderabgabe auf Vermögenswerten Als Folge der vorgeschlagenen Aufhebung der Sonderabgabe auf Erwerbstätigkeit (vgl. Ziff. 1.2.1) ist der Gliederungstitel vor Artikel 85 AsylG anzupassen (gesetzestechnische Anpassung).

Art. 85

Rückerstattungspflicht

Nach dem geltenden Recht haben Asylsuchende, Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung und vorläufig Aufgenommene individuell verursachte Sozialhilfe-, Ausreise- und Vollzugskosten sowie die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zurückzuerstatten.

Solange der Bund den Kantonen für eine bestimmte Dauer Bundesbeiträge für die genannten Personenkategorien entrichtet, macht ausschliesslich er seinen Rückerstattungsanspruch geltend. Er bedient sich dabei heute der Instrumente der Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen (Art. 86 AsylG) und der Sonderabgabe auf Vermögen, der sogenannten Vermögenswertabnahme (Art. 86 in Verbindung mit Art. 87 AsylG). Erst wenn die Zuständigkeit des Bundes wegfällt, können die Kantone ihren Rückerstattungsanspruch nach kantonalem Recht geltend machen. Sie müssen dabei die an den Bund bereits erfolgten Rückerstattungen in vollem Umfang berücksichtigen.

Dieser Rückerstattungsmechanismus soll auch bei Wegfall der Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen dem Grundsatz nach beibehalten werden. Es soll jedoch künftig darauf verzichtet werden, dass die Kantone bei der Geltendmachung ihres Rückerstattungsanspruchs bereits erfolgte Vermögenswertabnahmen durch den Bund zu berücksichtigen haben. Dies unter anderem aus verwaltungsökonomischen Gründen, um komplizierte Abrechnungsverfahren zwischen Bund und Kanton in Einzelfällen zu vermeiden, die kaum mit dem geltenden globalen Abgeltungssystem zu vereinbaren sind.

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Siehe dazu auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts E-2324/2011 vom 6. Februar 2012.

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Es sind zudem weitere punktuelle Änderungen vorgesehen: Absatz 1: Neu soll explizit festgehalten werden, dass die Rückerstattungspflicht auch für Nothilfekosten gilt. Entsprechend unterstehen auch Personen mit einem rechtskräftigen Wegweisungsentscheid der Rückerstattungspflicht (Art. 86 Abs. 1 und 87 Abs. 1 E-AsylG). Siehe dazu die Bemerkungen zu Artikel 86 Absatz 1 E-AsylG.

Absatz 2: Da künftig für den Bund die Möglichkeit zur Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen wegfallen soll, wird in Absatz 2 festgehalten, dass der Bund seinen Rückerstattungsanspruch über eine Sonderabgabe auf Vermögenswerten (Vermögenswertabnahme) geltend macht. Höhe und Dauer dieser Sonderabgabe hat der Bundesrat festzulegen (Art. 86 Abs. 5 E-AsylG).

Absatz 3: Der geltende Absatz 3 wird präzisiert. Der Anspruch auf Rückerstattung des Bundes verjährt ein Jahr, nachdem die zuständige Behörde davon Kenntnis erhalten hat, in jedem Fall aber zehn Jahre nach seiner Entstehung. Auf Rückerstattungsforderungen wird kein Zins erhoben. Eine solche Regelung findet sich bereits im geltenden Recht zur allgemeinen Rückerstattungspflicht (Art. 85 Abs. 3 AsylG).

Absatz 4: Es wird explizit festgehalten, dass sich der Rückerstattungsanspruch der Kantone nach kantonalem Recht richtet. Dies gilt schon heute.

Art. 86

Sonderabgabe auf Vermögenswerten

Die Sachüberschrift von Artikel 86 soll neu «Sonderabgabe auf Vermögenswerten» lauten, da die Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen aufgehoben werden soll.

Absatz 1: Der Kreis der rückerstattungspflichtigen Personen wird explizit auf Personen mit einem rechtskräftigen Wegweisungsentscheid erweitert. Diese Präzisierung stellt sicher, dass auch bei ausreisepflichtigen Personen Vermögenswerte, deren Herkunft sie nicht nachweisen können, abgenommen und zur Rückerstattung der Kosten nach Artikel 85 Absatz 1 E-AsylG herangezogen werden können.

Wie bereits nach geltendem Recht dient die Sonderabgabe zur Deckung der Gesamtkosten, welche die rückerstattungspflichtigen Personen sowie die von ihnen unterstützten Angehörigen verursachen.

Absatz 2: Es wird verdeutlicht, dass die Sonderabgabe auf Vermögenswerten über das Instrument der Vermögenswertabnahme erfolgen soll.

Absatz 3: Die Regelung von Artikel 87 Absatz 2 AsylG ist aus systematischen Gründen neu in Absatz 3 enthalten.

Absätze 4 und 5: Es wird festgelegt, dass die Pflicht zur Sonderabgabe auf Vermögenswerten längstens zehn Jahre seit Einreichung des Asylgesuchs oder des Gesuchs um vorübergehende Schutzgewährung dauern soll. Eine analoge Frist gilt heute bei der Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen: So besteht eine Sonderabgabepflicht während längstens zehn Jahren seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Der Bundesrat legt die Höhe der Sonderabgabe auf Vermögenswerten und die Dauer der Abgabepflicht fest. Die Regelung im geltenden Absatz 5 wird aufgehoben, da die Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen abgeschafft werden soll (vgl.

Ziff. 1.2.1).

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Art. 87

Offenlegung der Vermögenswerte und Verfahren bei Ausreise

Die Sachüberschrift von Artikel 87 soll neu «Offenlegung der Vermögenswerte und Verfahren bei Ausreise» lauten, da dieser Artikel nach der Streichung zweier Absätze sowie der Verschiebung eines Absatzes zu Artikel 86 E-AuG (neuer Abs. 3) nur noch diese beiden Aspekte regelt.

Absatz 1: Der Kreis der rückerstattungspflichtigen Personen wird auf Personen mit einem rechtskräftigen Wegweisungsentscheid erweitert. Siehe dazu die Bemerkungen zu Artikel 86 Absatz 1 E-AsylG.

Absatz 2: Der geltende Absatz 2 wird aus systematischen Gründen zu Artikel 86 Absatz 3 E-AsylG (siehe auch Ausführungen zu Art. 86 Abs. 3 E-AsylG). Die geltenden Absätze 3 und 4 werden aufgehoben, da die Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen abgeschafft werden soll (vgl. Ziff. 1.2.1). Diese Änderungen haben zur Folge, dass der geltende Absatz 5 neu zum Absatz 2 wird: Die Regelung gilt nur für Asylsuchende, Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung und Personen mit einem rechtskräftigen Wegweisungsentscheid, welche die Schweiz innerhalb von sieben Monaten seit der Einreichung des Asylgesuches oder des Gesuches um vorübergehende Schutzgewährung wieder verlassen. Damit soll für diese Personen ein Anreiz für eine möglichst rasche Ausreise geschaffen werden. Diese Regelung gilt wie heute auch für vorläufig aufgenommene Personen, wenn sie innerhalb von sieben Monaten seit Einreichung des Asylgesuches bzw. seit Anordnung der vorläufigen Aufnahme (vorläufige Aufnahmen im Ausländerbereich) selbstständig ausreisen.

Neu soll festgehalten werden, dass ein Gesuch um Rückerstattung von sichergestellten Vermögenswerten vor der Ausreise eingereicht werden muss. Heute fehlt eine solche Regelung. Dies kann in der Praxis zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand führen: Da keine Frist für die Gesuchseinreichung gilt, kann noch Jahre nach der erfolgten Ausreise ein Gesuch aus dem Ausland gestellt werden.

Art. 115 Bst. c, 116a sowie 117 Diese Bestimmungen werden aufgehoben, da die Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen abgeschafft werden soll (vgl. Ziff. 1.2.1).

Übergangsbestimmung Für Verfahren und offene Forderungen betreffend die Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen und die Vermögenswertabnahme (Art. 86 und 87 AsylG; Art. 88 AuG), die bei Inkrafttreten der vorliegenden Änderungen des Asyl- und des Ausländergesetzes hängig sind, soll das bisherige Recht gelten.

Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung Art. 26a

Datenbekanntgabe an die Migrationsbehörden

In Artikel 26a E-ELG soll als Ergänzung zum neuen Artikel 97 Absatz 3 Buchstabe f E-AuG die rechtliche Grundlage für den Datenaustausch im Bereich EL geschaffen werden (siehe Ausführungen zu Art. 97 E-AuG). Zur Prüfung der neuen 2849

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Voraussetzungen für den Familiennachzug in der Schweiz melden die für die Festsetzung und die Auszahlung der EL zuständigen Organe der kantonalen Migrationsbehörde unaufgefordert den Bezug einer EL nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a ELG, in Abweichung von Artikel 33 ATSG.

Sachlich gehört Artikel 26a E-ELG zu Artikel 26 ELG und stellt eine spezielle Rechtsnorm dieses Artikels dar. Da bereits ein Artikel 26a besteht, wird dieser neu zu Artikel 26b. Die Bestimmungen des ATSG sind anwendbar, soweit das ELG nicht ausdrücklich eine Abweichung vom ATSG vorsieht (Art. 1 Abs. 1 ELG).

Personen, die an der Durchführung sowie der Kontrolle oder der Beaufsichtigung der Durchführung der Sozialversicherungsgesetze beteiligt sind, haben gegenüber Dritten Verschwiegenheit zu bewahren (Schweigepflicht nach Art. 33 ATSG). Um die unaufgeforderte Datenbekanntgabe an die Migrationsbehörden zu ermöglichen, muss die Abweichung vom ATSG in Artikel 26a E-ELG ausdrücklich erwähnt werden.

Zudem ist in diesem Artikel zu präzisieren, dass sich die Datenbekanntgabe auf die bundesrechtlich geregelten EL beschränkt. Es gibt Kantone, die zusätzlich zur AHV/IV eigene EL ausrichten. Der Bezug von solchen EL soll der Meldepflicht nicht unterstellt werden. Die EL bestehen aus der jährlichen EL (Art. 3 Abs. 1 Bst. a ELG) und aus der Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten (Art. 3 Abs. 1 Bst. b ELG). Die jährliche EL ist eine Geldleistung (Art. 15 ATSG), die Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten eine Sachleistung (Art. 14 ATSG). Eine Meldepflicht soll dabei nur für die Geldleistungen eingeführt werden.

Die Botschaft zur Änderung des Ausländergesetzes (Steuerung der Zuwanderung und Vollzugsverbesserungen bei den Freizügigkeitsabkommen) sieht aus anderen Gründen ebenfalls Pflichten zur Datenbekanntgabe beim Bezug von EL vor. Hier wird voraussichtlich eine Koordinationsbestimmung nötig sein.

3

Auswirkungen

3.1

Auswirkungen auf den Bund

Der Wegfall der Einnahmen aus der Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen von Personen aus dem Asylbereich wird durch den Wegfall von Sozialhilfekosten kompensiert, wenn mindestens 200 Personen pro Jahr zusätzlich in den Arbeitsmarkt integriert werden können (vgl. Ziff. 1.3.2).

In den vergangen Jahren (2009­2013) erfolgten durchschnittlich zwischen 200­250 Vermögenswertabnahmen pro Jahr. Die jährlichen Einnahmen daraus beliefen sich auf unter 400 000 Franken (knapp 300 000 Fr. im Jahr 2014 und 210 000 Fr. im Jahr 2015). Diesen Einnahmen wird beim SEM für die Verwaltung dieser Vermögenswertabnahmen ein Aufwand von schätzungsweise rund 120 000 Franken (Personalund Arbeitsplatzkosten) gegenüberstehen.

Zudem muss bei Beibehaltung der Vermögenswertabnahme bei gleichzeitiger Aufhebung der Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen die bisherige Datenverarbeitung angepasst werden, da heute die Verwaltung der Sonderabgabe und der Vermögenswertabnahme durch ein gemeinsames Datenverarbeitungssystem erfolgt. Dieses 2850

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einzig für jährlich rund 200 Vermögenswertabnahmen aufrechtzuerhalten, ist zu kostspielig. Es soll deshalb für die Verwaltung der Vermögenswertabnahmen eine einfachere Datenbanklösung gewählt werden.

Bei anderen involvierten Stellen des Bundes wie z. B. dem Bundesverwaltungsgericht oder dem Grenzwachtkorps bleibt ebenfalls ein gewisser Arbeitsaufwand für Vermögenswertabnahmen bestehen.

Das Meldeverfahren bei vorläufig aufgenommenen Personen und anerkannten Flüchtlingen (vgl. Ziff. 1.2.1) wird nach Möglichkeit mit den bestehenden Informatikanwendungen aufgebaut werden. Synergien im technischen Bereich sollen genutzt werden. Sollte eine derartige Lösung nicht möglich sein, wird nach einer alternativen Lösung gesucht werden müssen.

Die übrigen vorgeschlagenen Gesetzesanpassungen erfordern keine zusätzlichen personellen oder finanziellen Mittel des Bundes.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass den Verlusten durch die Abschaffung der Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen im Asylbereich Einsparungen des Bundes gegenüberstehen, die durch einen stärkeren Anreiz zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit entstehen.

3.2

Auswirkung auf die Kantone

Die vom Bundesrat vorgeschlagenen zusätzlichen Massnahmen bei der Integrationsvorlage haben keine direkten finanziellen Auswirkungen auf die Kantone.

Der Wegfall der Sonderabgabe auf Erwerbseinkommen bei Personen aus dem Asylbereich wirkt sich nur beim Bund aus. Die dadurch angestrebte verstärkte Integration dieser Personengruppe in den Arbeitsmarkt soll jedoch auch bei den Kantonen dazu führen, dass weniger Sozialhilfe-, Betreuungs- und Integrationskosten anfallen.

Durch die Beibehaltung der Vermögenswertabnahmen bleibt bei den involvierten kantonalen Stellen (Polizei) ein gewisser Arbeitsaufwand bestehen.

Die Zuständigkeit für nachträgliche Kontrollen der Lohn- und Arbeitsbedingungen beim Meldeverfahren für vorläufig aufgenommene Personen und anerkannte Flüchtlinge muss vom Bundesrat noch festgelegt werden. Möglichen Kosten für solche nachträglichen Kontrollen stehen aber bedeutende Einsparungen durch den erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt und die Abkehr vom Bewilligungsverfahren (mit Einzelfallprüfung) zu einer risikoorientierten Aufsicht gegenüber. Die finanziellen und personellen Auswirkungen auf die kantonalen Behörden lassen sich daher zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschliessend beurteilen.

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4

Verhältnis zur Legislaturplanung

Die Vorlage ist in der Botschaft vom 27. Januar 201631 zur Legislaturplanung 2015­ 2019 und im zugehörigen Entwurf des Bundesbeschlusses über die Legislaturplanung 2015­2019 angekündigt.

5

Rechtliche Aspekte

5.1

Verfassungsmässigkeit

Der Entwurf zur Änderung des AuG stützt sich auf Artikel 121 Absatz 1 BV (Gesetzgebungskompetenz des Bundes über die Gewährung von Asyl sowie Aufenthalt und Niederlassung von Ausländerinnen und Ausländern). Er ist mit der Verfassung vereinbar.

5.2

Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Bestimmungen sind mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar. Der mit der parlamentarischen Initiative 08.428 (vgl. Ziff. 1.2.2) geforderte Einbezug der EL bei der Berechnung der genügenden finanziellen Mittel als Voraussetzung für den Familiennachzug dient der Entlastung der öffentlichen Finanzen.

Gemäss Artikel 8 EMRK bildet das wirtschaftliche Wohlergehen ein legitimes Ziel für die Einschränkung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Das Verhältnismässigkeitsprinzip verlangt, dass die verschiedenen Interessen im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden (vgl. Ziff. 1.3.3).

31

BBl 2016 1105, hier 1184 und 1225.

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