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Botschaft

o

des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Gewährleistung verschiedener Verfassungsabänderungen des Kantons Glarus.

(Vom 22. Mai 1874.)

Tit. !

Mit Schreiben vom 15. Mai a. c. hat uns die Standeskommission des Kantons Glarus mitgetheilt, daß die Landsgemeinde am 11. Mai 1873 die Revision einiger Artikel der Kantonsverfassung genehmigt, aber einen Punkt zur endgültigen Redaktion an den Landrath zurükgewiesen habe. Die Landsgemeinde vom 8. Mai laufenden Jahres habe nun diese Revision definitiv beschlossen.

Indem die Standeskommission die neuen Artikel uns mittheilte, stellte sie das Gesuch, daß wir gemäß Art. 6 der Bundesverfassung die Garantie des Bundes dafür auswirken möchten.

Die durch diese Revision bewirkten Abänderungen der Verfassung des Kantons Glarus von 1851 bestehen wesentlich in Folgendem : Die §§ 30, 31 und 95 sind gänzlich gestrichen worden.

In § 46 wurden einige Modifikationen in der Wahlart des dreifachen Landrathes vorgenommen und in § 47 einige Modifikationen seiner Kompetenzen.

981.

Die §§ 68 und 70 schreiben vor, daß in Ehestreitigkeiten zwischen evangelischen Glaubensgenossen das im Ehegerieht und im Kantonsgericht sizeude katholische Mitglied durch ein evanO O gelisches ersezt 'werden müsse. Diese Bestimmung wurde außer Kraft gesezt.

Die §§ 88 und 89 wurden dahin abgeändert, daß künftig in der Kirchgemeinde und in der Schulgemeinde auch die seit einem Jahre im betreffenden Kreise niedergelassenen Kantons- und Schweizerbürger stimmfähig sein sollen, so zwar, daß die Kirchgemeinde je von den Angehörigen der gleichen Konfession gebildet werde.

Nach dem neuen § 90 entscheiden Landammann und Rath die zweifelhaften Fälle, in welcher Kirchen- oder Schulgemeinde ein Niedergelassener sein Stimmrecht auszuüben und die entsprechenden Pflichten zu erfüllen habe.

In dem neuen § 91 wird die Administration und die Beschaffung der ökonomischen Mittel für die Kirch- und Schulgemeinden grundsäzlich geordnet.

Der § 91 a betrifft die Bestellung der Sittenbehörde (Stillstand) der Kirchgemeinden und § 91 b umschreibt in Uebereinstimmuug^ mit dem bisherigen § 91 deren Funktionen.

Aus diesen Andeutungen über den materiellen Inhalt der fraglichen Revision geht unzweideutig hervor, daß dieselbe nichts enthält, was im Widerspruche wäre, sei es mit der alten, oder sei es mit der neuen Bundesverfassung, und da auch die formellen Voraussezungen des Art. 6 der Bundesverfassung erfüllt sind, so stellen wir den Antrag, es möchte der erwähnten Abänderung der Verfassung des Kantons Glarus die Gewährleistung des Bundes crtheilt werden.

Zu diesem Ende empfehlen wir Ihnen die Genehmigung des folgenden Beschlussesentwurfes und benuzen den Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 22. Mai 1874.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

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(Entwurf)

Bumlesfoeschluss betreffend

Gewährleistung der abgeänderten Verfassung des Kantons Glarus.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht eines Berichtes und,Antrages des Bundesrathes vom 22. Mai 1874 über die von der Landsgemeinde des Kantons Glarus unterm 11. Mai 1873 und 3. Mai 1874 abgeänderten §§ 30, 31, 46, 47, 68, 70, 88, 89, 90, 91 und 95 der Verfassung dieses Kantons vom Jahr 1851 ; in Betracht : daß diese abgeänderten Bestimmungen der Verfassung des Kantons Glarus mit der Bundesverfassung in keiner Weise im Widerspruche stehen ; daß dieselben, nach der Erklärung der Regierung von Glarus, von der Mehrheit des Volkes dieses Kantons unterm 11. Mai 1873 und 3. Mai 1874 angenommen wurden, beschließt: 1. Den erwähnten revidirten Bestimmungen der Verfassung des Kantons Glarus wird die bundesgemäße Garantie ertheilt.

2. Der Bundesrath wird mit der Vollziehung dieses Beschlusse9 beauftragt.

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(Beilage.)

Abänderung, beziehungsweise Streichung der

§§ 30, 31, 46, 47, 68, 70, 88, 89, 90, 91 und 95 der Verfassung des Kantons Glarus.

(Beschlossen von der ordentlichen Landsgemeinde den 11. Mai 1873.)

Die §§ 30, 31 und 95 sind außer Kraft gezezt und ganz zu streichen.

§ 46. Der dreifache Landrath wird gebildet: a. aus dem Landammann, Landesstatthalter und den übrigen Mitgliedern der Standeskommission ; b. aus den von den Tagwen nach § 51 gewählten Mitgliedern des Rathes; c. aus den von den Tagwen, im Verhältniß von je zwei auf ein Rathsglied gewählten Landräthen.

Sämmtliche Mitglieder des Landrathes stehen in gleichen Rechten und Pflichten und haben als solche das Interesse des gesammten Landes und nicht einzelner Theile desselben nach ihrem besten Wissen und Gewissen zu vertreten.

§ 47 bleibt bis und mit lit. h unverändert ; i) Die Wahl der Präsidenten der obrigkeitlichen Kommissionen und des Landsekelmeisters ans der Mitte des dreifachen Landrathes ; ferner des Verhörrichters ; der Verwalter von Landeskapitalien; des Kanzleipersonals; des Straßen-, des Polizei-, des Salz-, des Zeughausdirektors, des Kantons-Kriegskommissärs, des Milizinspektors und der Stabsoffiziere.

Bundesblatt. Jahrg. XXVI. Bd. 1.

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984 §§ 68 lind 70. Das lezte Alinsa, lautend: ,,In Ehestreitigkeiten zwischen evangelischen Glaubensgenossen wird das katholische Mitglied durch ein evangelisches ersezt" v ist außer Kraft o ges?zt und zu streichen.

§ 88. Die Kirchgemeinde besteht aus sämmtlichen, innerhalb der Gemeinde wohnenden Kirchgenossen. einschließlich derjenigen Kimtons- und Schweizerbürger der betreffenden Konfession, welche seit wenigstens einem Jahre in einer der zur Kirchgemeinde gehörigen Ortschaften niedergelassen sind.

Sie beschließt, innerhalb der gesezlichcn Schranken, über die kirchlichen Angelegenheiten der Gemeinde, hat die Aufsicht über die Verwaltung des Kivchenvermögens und wählt nebst den Geistlichen die Kirchenvorsteher und Kirchenbediensteten.

§ 89. Ebenso besteht die Schulgemeinde aus sämmtlichen, innerhalb der Gemeinde wohnenden Schulgenossen, einschließlich derjenigen dem betreffenden Schulkreise zugeschiedenen Kantonsund Schweizerbürger, welche seit wenigstens einem Jahre in einer Ortschaft desselben niedergelassen sind.

o Ihr steht das Recht zu, innerhalb der durch das Gescz festgesezten Schranken, die nöthigen Verordnungen über ihre Schulen zu treffen und die Verwaltung des Schulvcrmögens zu besorgen.

Sie hat die Schulpflege, sowie den Schulvogt und die Schullehrer zu wählen.

§ 90. Wo es, auf Grundlage der in §§ 88 und 89 enthaltenen Bestimmungen, als zweifelhaft erscheint, in welcher Kirchen- oder Schulgemeinde ein Niedergelassener sein Stimmrecht auszuüben und die entsprechenden Verpflichtungen zu erfüllen hat, entscheidet, .nach Anhörung aller Betheiligten, Laiidammann und Rath.

§ 91. Den Kirch- und Schulgemeinden steht, innerhalb der Schranken des Gesezes, das Recht zu, für ihre Bedürfnisse Vermögens- und Kopfsteuern zu erheben. Die Niedergelassenen sind dabei den Bürgern vollständig gleich zu halten und dürfen mit keinerlei besondern Auflagen belastet werden.

Mit Bezug auf Vermögenssteuern für Schulzweke fallen für industrielle Etablissements diejenigen ihrer Inhaber, die nicht ohnehin, in der Gemeinde persönlich steuerpflichtig sind, mit demjenigen Theile ihres steuerbaren Vermögens, welchen das betreffende Geschäft oder ihr Antheil an demselben repräsentirt, in das Steuerregister derjenigen Gemeinde, wo dasselbe liegt.

Das Nähere bestimmt das Gesez.

§ 91a. Jede Kirchgemeinde hat einen eigenen Stillstand, bestehend aus dem Ortspfarrer als Präsidenten, den Mitgliedern des Rathes aus der betreffenden Gemeinde (sofern sie nach § 88 zur Kirchgenossenschaft gehören) und einer beliebigen Anzahl von der Kirchgemeinde zu wählender Beisizer.

§ 91 b. Er bildet die vorberathende und vollziehende Behörde n den K i r c h e n s a c h e n der Gemeinde, er handhabt die S i t t e n polizei, besorgt -- in seiner Gesammtheit oder durch einen von hm bestellten Ausschuß -- das Armenwesen, und ist die einleitende Behörde in M a t r i m o n i a l - und P a t e r n i t ä t s f ä l l e n . Ueber leine Verhandlungen wird ein regelmäßiges Protokoll geführt.

In Fragen, welche das Armenwesen beschlagen, haben dieenigen Mitglieder (den Ortsgeistlichen ausgenommen), welche nicht Gemeindebürger sind, den Austritt zu nehmen.

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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung über die Revision des Pensionsgesezes vom 7. August 1852.

(Vom 27. Mai 1874.)

Tit. !

Sie haben uns mit Postulat vom 28. Juli 1873 *) eingeladen, Ihnen die nöthigen Vorlagen über die Revision des Pensionsgesezes vom 7. August 1852 in dem Sinne zu machen, daß die Maximalansäze erhöht werden können.

Dieser Einladung nachkommend, beehren wir uns Ihnen mitzutheilen, daß die Notwendigkeit, das bisherige Gesez einer Umarbeitung zu unterziehen, sich schon seit Jahren fühlbar gemacht hatte, und zwar zuerst bei Anlaß eines Spezialfalles, der Jedermann überzeugen mußte, daß das gesezliche Maß für Pensionen in gewissen Fällen ganz unzureichend war.

Einem Wehrmanne, Sigrist von Niederwyl, der in einem Artillerie-Wiederholungskurs zu Frauenfeld im Jahr 1864 beide Hände und ein Äug verlor, durfte nach dem strikten Wortlaut der einschlägigen Gesezesbestimmungen eine Pension von höchstens Fr. 300 bewilligt werden, und wenn dem Verunglükten dennoch eine solche von Fr. 700 zuerkannt wurde, so geschah dies mit Rüksicht auf dessen gänzliche Hülfslosigkeit.

*) Gesezsammlung Bd. XI, S. 269, Ziff. 1.

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend Gewährleistung verschiedener Verfassungsabänderungen des Kantons Glarus. (Vom 22. Mai 1874.)

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06.06.1874

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