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XXVI. Jahrgang. II.

Nr. 44.

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10. Oktober 1874.

Bericht der

ständeräthlichen Kommission, betreffend Haftbarkeit von Transportanstalten wegen Tödtungen etc.

(Vom 18. September 1874.)

Tit.!

Die Commission zur Berathung des Bundesgesetzes über die Verbindlichkeit der Eisenbahnen und andern vom Bunde konzedirten Transportanstalten für die beim Baue und Betriebe herbeigeführten Tödtungen und Verletzungen hat am 17. und 18. September Sitzung gehalten und beehrt sich, in Folgendem das Resultat ihrer Verhandlung, das Ihnen vorgelegt wird, näher zu begründen.

In Beziehung auf dieses Gesetz muß die Frage unerörtert bleiben, inwiefern es zweckmäßig .sei, die Posten, Eisenbahnen und Dampfschiffe ausnahmsweisen Rechtsgrundsätzen zu unterstellen, und warum das gemeine Recht, während es auf andern verwandten Gebieten seine Geltung behält, hier, wie die Eingabe der Eisenbahnverwaltungen besagt, des Vollständigsten über Bord geworfen wird.

Ueber die vom Bunde selbst betriebenen oder von ihm konzedirten Transportanstalten hat derselbe unbestritten das Gesetzgebungsrecht, und es ist ein diese Materie regelndes Bundesgesetz in Art. 38, Ziffer 2 des Bundesgesetzes über den Bau und Betrieb von Eisenbahnen, ausdrücklich vorgesehen, während iu Bezug auf die sogenannten verwandten Gebiete dem Bunde laut Art. 34 der Bundesblatt. Jahrg. XXVI. Bd. II.

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936 Bundesverfassung von 1874 nur das Recht zusteht, zum S c h ü t z e der A r b e i t e r gegen einen, die Gesundheit und Sicherh e i t g e f ä h r d e n d e n G e s c h ä f t s b e t r i e b im Allgemeinen Vorschriften aufzustellen.

Weitergehende Bestimmungen sind hier der kantonalen Gesetzgebung überlassen, und wenn dieß auch von einem gewissen Standpunkte aus, dessen Richtigkeit wir nicht bestreiten wollen, bedauert werden mag, so kann es doch kein Beweggrund sein, um von der dem Bunde zustehenden Kompetenz überhaupt keinen Gebrauch zu machen.

Zudem mag auch mit Recht hier wiederum darauf aufmerksam gemacht werden, daß es sich bezüglich des Personentransportes,, wie beim Frachtverkehr, um ein rechtliches beziehungsweise faktisches Monopol handelt, welches dem reisenden Publikum den freien Willen nicht läßt und dasselbe zwingt, sich der von diesem Gesetze betroffenen Anstalten zu bedienen, und daß der Betrieb dieser Anstalten wirklich ausnahmsweise Gefahren mit sich führt, welche sich auf anderen Gebieten nicht finden.

Wir können des Fernern dahingestellt lassen, inwiefern die Assekuranzidee, welche Prof. Munzinger seelig zuerst angeregt hat, und die vom Herrn Redaktor in seinen Motiven wieder aufgenommen worden ist, stichhaltig sei, und es füglich den Transportanstalten überlassen, ob und in wie weit sie derselben Folge geben wollen und können; dem Gesetzgeber muß es genügen,. Bestimmungen aufzustellen, welche den Verhältnissen entsprechen und den allgemeinen Grundsätzen des Rechtes und der Billigkeit angepaßt sind.

Daß dieß bei dem vorliegenden Gesetze der Fall sei, werden wir bei der Besprechung der einzelnen Artikel zu belegen haben.

Die Commission ist sich auch d a r ü b e r klar geworden, daß auf diesem Gebiete eine einheitliche internationale Regelung, wenn auch wünschbar, doch nicht im gleichen Grade geboten sei, wie beim Frachtverkehr, und daß es deßhalb leichter möglich, und wenn gewichtige Gründe dafür, sprechen, auch angezeigt sei, von den Gesetzgebungen anstoßender Länder abzuweichen.

In einem Hauptpunkte dagegen, der allgemeiner Natur ist, geht die Commission mit dem Bundesrathe nicht einig. Sowohl Art. 38, Ziffer 2 des bereits erwähnten Bundesgesetzes, als der ursprüngliche Entwurf des vorliegenden Gesetzes unterstellen dem letztern auch die vom Bunde betriebenen Transportanstalten. In der den Räthen gemachten Vorlage ist die Post davon abgetrennt ·worden und zwar hauptsächlich aus fiskalischen Rücksichten. Der

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in anderer Richtung gehende Haupteinwand des Postgeheimnisses kann beim Personentransport nicht wohl geltend gemacht werden und fallt hier außer Frage.

Es erscheinen uns aber diese fiskalischen Rücksichten nicht als stichhaltig. Wenn die ausnahmsweise Regelung der Haftpflicht der übrigen Transportanstalten Dritten gegenüber in erster Linie ihre Berechtigung in dem faktischen Monopole, das zudem nicht unbestritten ist, findet, so muß die gleich scharfe Haftpflicht um so viel eher eintreten dem Regale, dem rechtlichen Monopolo, gegenüber, und das Recht des verletzten Passagiers, das hier constituirt werden soll, kann deßwegen nicht schwächer werden, weil er sich dem Fiskus und nicht der Eisenbahn gegenübergestellt sieht.

Umgekehrt können Rechtsgründe kaum gefunden werden, warum z. B. ein vom Bunde konzedirter Omnibus oder Tramwaydienst nach andern schärfern Grundsätzen behandelt werden sollte, als die mächtige, eidgenössische Postanstalt.

Wir schlagen deßhalb vor, die ursprüngliche Fassung wieder aufzunehmen und die Postanstalt nach Art. 38, Ziffer 2 des Gesetzes über den Eisenbahnbetrieb in die durch die Vorlage berührten Transportanstalten einzubegreifen. Es wird das unter anderm auch das wohlthätige Ergebniß zur Folge haben, daß das ganze Gesetz unter einem allgemeinem Gesichtspunkt zu Stande; kommt, daß man nicht nur einige reiche Erwerbsgesellschaften, sondern auch arme Bahnen, Staatsbahnen, von Gemeinden gebaute Bahnen, sowie Dampf boote dabei im Auge behält. Wenn mau überhaupt auf internationale Gesetze in dieser Materie ausgeht, so wird man alle die genannten Kategorien von Bahnen, auch die Staatsbahnen, welche den gleichen Anspruch auf Schonung haben, wie die Postanstalt, in Betracht zu ziehen haben.

Ad Art. 1. In Art. 1, sowie im Titel, wird in erster Linie den soeben entwickelten Anschauungen Folge, gegeben und die, Redaktion entsprechend ergänzt.

Die Commission beantragt in Art. l eine weitere wesentliche Aenderung. Die Anschauung, welche dem Bundesrathe bei Ausmessung der Haftpflicht zu Grunde gelegen hat, und wonach beim Personenverkehr die gleichen Grundsätze maßgebend sein sollen, wie nach Art. 39 beim Frachtverkehr, kann von uns nicht als eine richtige, noch weniger als eine billige anerkannt werden. Dieser Art. 39 lautet in Ziffer" 2 : ,,Als höhere Gewalt können nicht geltend gemacht werden ,,Unfälle, welche herbeigeführt worden sind :

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, ,,durch Versehen oder Vergehen der in die Transporträume, ,,beziehungsweise Transportmittel aufgenommenen Passagiere wah,,rend des Transportes."

Die Gefahren nun, welche dem Waarentransport von dieser Seite erwachsen können, sind ziemlich minim ; es muß schon einem Passagiere gelingen, den Betrieb der Bahn zu stören, beziehungsweise das Transportmaterial und damit die Waare zu schadigen, damit der in Ziffer 2 geregelte Fall praktisch werde. Das wird nur äußerst selten der Fall sein. Deßwegen dürfen die im Bericht über den Frachtverkehr für diese Bestimmung geltend gemachten Grunde als genügend angenommen werden. Ein anderes ist es, wenn diese Bestimmung auf Verletzungen und Tödtungen von Personen angewandt werden will. Wahrend die Transportanstalt bei der Beförderung von Waaren es mit todten Sachen oder unverständigen Thieren zu thun hat, dieselben nach Belieben je nach ihrem Werthe und Risiko taxiren, sortiren, zusammenpacken und transportiren kann, deßwegen nicht nur für zeitige Ankunft, sondern auch fût Ankunft in unversehrtem Zustande garantiren muß, so ist dieß alles beim Personentransporte nicht der Fall. Der Risiko, welcher der Person innewohnt, bleibt der Bahnverwaltung unbekannt. Ob einer ein Lastträger oder ein Kunstler, ein Junggeselle oder ein Vater von, 10 Kindern, ein Lauf böte oder ein Ballettänzer ist , das geht die TranSportanstalt nichts an, es kann ein jeder fahren wie und wo er will; die Transportanstalt hat deßhalb keine Mittel, den größeren Personalrisiko herauszufinden, von demselben eine höhere Versicherungsprämie zu fordern und denselben mit großem Vorsichtsmaßregeln zu umgeben. Es waren somit schon von diesem Standpunkt aus Einwendungen gegen, gleiche Behandlung v,on Waaren- und Personenrisiko, gerechtfertigt. Es ist indeß noch Weiteres zu berücksichtigen» Zu dem Risiko, welchen der Betrieb der Bahn und die mit demselben verbundene spezielle Gefahr mit sieh fuhrt, kommt überdieß noch der andere Risiko, welcher aus der Berührung der Passagiere unter einander selbst hervorgeht. Bis sind diese letzton im Gegensätze zu den transportirten Waaren lehrende Wesen mit eigenem Willen, mit eigenen guten und schlimmenAbsichten und Leidenschaften, welche letztere sieh im Eisenbahn- und Postwagen, wie im Wirthshause Und auf der Landstraße geltend machen. Für Alles das haftet die
Transportanstalt nicht; diese Gefahr muß der Passagierauf sich selbst nehmen, und nur wenn die Anstalt erweisbare Schuldtragt, beziehungsweise das aus einem Zusammenstoß von Passagieren hervorgegangene Unglück hätte, -verhindern können, kann davon die Rede sein, sie auch dafür haftbar zu erklaren. Die Transport-

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anstalt haftet dem Passagiere nur für richtige Ankunft und für Entschädigung bei Verletzung aus ihrer eigenen Schuld. Dos liegt in der Natur der Sache und alle uns bekannten Gesetzgebungen haben diesen Grundsatz stillschweigend oder ausdrücklich recipirt.

Auch das englische Gesetz macht zwischen Waaren und Personen diesen Unterschied, und wenn in den Motiven des Herrn Redaktors als Grund, hievon abzuweichen, der Umstand angeführt wird, daß in England die Jury über solche Unfälle urtheile, daß diese in Ausmessung der Entschädigungssumme bekanntlich ohnehin so weit als moglieh gehen und das Criterium der hohem Gewalt, nach Belieben ausdehnen könne, daß deßwegen weitergehende Bestimmungen dort nicht als nöthig erscheinen, während bei unsero Einrichtungen dieß der Fall sei, so müssen wir diese Argumentation des Bestimmtesten bestreiten. Die Willkür dei? englischen Jury, die dem Beschädigten zuweilen zu Gute kommt, ist kein so beneidenswerthes Gut, daß wir deßhalb von Grundsätzen abgehen sollen, die wir als richtig erkennen und die Ueberschreitung îles Rechtes und der Billigkeit gesetzlich sanktioniren sollen, wie en der Fall wäre, wenn die Transportanstalten für Verletzungen und Tödtungen durch Versehen und Vergehen von Passagieren oder von dritten nicht angestellten Personen ohne eigene Mitschuld haftbar erklärt würden. · · · ,.

, Wir haben hier absichtlich den Ausdruckohne eigenes M i t v e r s e h u l d e n " aufgenommen und ' sind von der Fassung des österreichischen Gesetzes ,,oder durch eine unabwendb ave Handlung einer dritten Person" abgewichen, in der Meinung, fluß ein Verschulden eines Beamten oder Angestellten: der Bahn, «ine, Fahrläßigkeit oder eine Versäum niß dei- Dienstpflicht ab Seifen eines oder mehrerer derselben ' vorliegen müssen, um eine solche Mitschuld der Anstalt zu begründen," was aus dem Wort n u n a b wendbar" nicht so klar hervorgeht. · · · ' : '·· '· '' Ad Art. 2. Die Streichung des Passus z. B, durch Einschleichen in die Transporträume, um die- Transportanstalt um .das Fahrgeld zu betrügen" bedarf wohl keiner .nähern Rechtfertigung.

Das Beispiel ist sä hypersubtil gewählt, daß es wirklich einer blühenden.Imagination-.bedarf, um dasselbe auszudenken. Daß man.

bei einer Verletzung oder Tödtung nach dem Fahrbillete frage, und wenn dasselbe nicht vorhanden, noch untersuche,
ob dasselbe in natürlichen- Weise verloren gegangen oder nicht geloht worden sei, das würde schwerlich jemand anders eingefallen sein.

Von einer Mehrheit der Commission ist sodann das Wort ,,wissentlich" in ,,muthwillig" umgewandelt worden, während eine Minderheit jenen Ausdruck beibehalten will.

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Die Mehrheit geht dabei von der Erwägung aus, daß der Ausdruck ,,wissentlich" schwierig zu interpretiren sei, daß Jemand wohl im Allgemeinen mit den bezüglichen Vorschriften bekannt sein, aber in einem speziellen Falle dieselben vergessen haben könne, daß es alsdann billig sei, wenn die Transportanstalt dennoch hafte, während dieß nicht der Fall sei, wenn die Uebertretung absichtlich, also muthwillig geschehe.

Die Minderheit dagegen nimmt an, daß die polizeilichen Vorschriften, von welchen hier die Rede ist, insofern solche nach Gesetz und Ordnung bekannt gemacht und angeschlagen sind, einem jeden bekannt sein sollen, daß die Präsumption des Wissens angenommen werden und deswegen auch ein jeder es an sich selbst haben müsse, wenn er durcli Uebertretung dieser Vorschriften zu Schaden kommt.

Bezüglich der Fassung des Absatzes 2 ist die Commission einig,, daß die mit dem Unfall in keinem Zusammenhange stehenden Uebertretungen gestrichen werden. Es ist dieß selbstverständlich und die Aufnahme einer solchen Bestimmung eine unnötliige Complication. Es wird jeweilen Sache des Richters sein müssen, zu entscheiden, in wie weit eine Uebertretung einen Angestellten selbst haftbar macht.

Dagegen glaubt eine Minderheit entgegen der Ansicht der Mehrheit, daß der Rest des Absatzes 2 ebenfalls zu streichen sei.

Die Minderheit geht in dieser Beziehung mit der von den Eisenbahnverwaltungen in ihrer Eingabe vom 19. August 1874 entwickelten Anschauung einig, wonach diese Abweichung von den allgemeinen Rechtsgrundsätzen sich durch die ausnahmsweise Gefährlichkeit der Eisenbahnen, beziehungsweise Transportanstalten nichl rechtfertigt. ' Es wird dort mit Recht angeführt, daß der Führer einer Locomotive und der einem Zuge zugetheilte Conducteur der Gefahr, während der Fahrt vom Blitze erschlagen oder von einem, ausgetretenen Flusse weggerissen zu werden, nicht in höherm Grade ausgesetzt seien, als der Fuhrmann auf der Landstraße, und daß man ea als monstruos ansehen würde, wenn der Grundsatz verallgemeinert werden wollte.

Die Mehrheit stimmt in dieser Beziehung den Motiven des Herrn Redactors pag. 99 bei, und glaubt, daß diese Bestimmung einfach den Ersatz bilde für die Verpflichtung, die jedem Konzessionsbewerber auferlegt werden könnte, durch Gründung eines Invalidenfonds für Unterstützung von Arbeitern, welche durch nicht selbstverschuldete Unglücksfälle bei dem Bau und Betrieb der Eisenbahn unterstützungsbedürftig werden oder von Hinterlassenen

941 derselben, zu sorgen. Es dürfte sich nun freilich die Frage aufwerfen lassen, wie weit bei einzelnen Transportanstalten die Bildung eines solchen liivalidenfonds überhaupt möglich wäre?

Ad Art. 3. Das deutsche Reichsgesetz lautet : .,W a r d er Getödtete zur Zeit seines Todes g e s e t z l i c h verpflichtet 1 1 , während die bundesräthliche Fassung des Absatzes 2 das Wort ,, g e s e t z l i c h " fallen gelassen hat. Es ist durch letzteres dem Richter der Spielraum gelassen, auch dann eine Verpflichtung anzunehmen, wenn die gesetzliche Geltung derselben erst später eintreten würde oder die Verpflichtung selbst nicht aus gesetzlichen, sondern nur aus moralischen Gründen sich herleiten ließe.

Ad Art. 4. Die bundesräthliche Fassung des Art. 4 ist dem deutschen Reichsgesetze entnommen, allein die Kommission konnte sich mit derselben nicht befreunden. Die Bestimmung, daß die fällige Versicherungssumme in die von der Transportanstalt zu bezahlende Entschädigung einzurechnen sei, sobald die Anstalt wenigstens 1/3 an die jährliche Prämie beigetragen hatte, beruht auf einer allzuwillkürlichen und nicht zweckentsprechenden Basis. Es begründet zwar diese Bestimmung eine Besserung der Lage des verletzten Angestellten gegenüber dem gemeinen Rechte, nach welchem unter allen Umständen die Versicherungssumme, die durch den Unfall liquid wird, auch wenn dieselbe ausschließlich aus Beiträgen, also den Ersparnissen des Beschädigten herrührte, in die Eutsehädigungsumme eingerechnet werden düi'fte, allein wenn doch einmal von diesem allgemeinen Rechte abgewichen werden soll, so muß es auf rationellere Weise geschehen. Warum soll die Transportanstalt veranlaßt werden, nicht höher mit ihren Beiträgen zu gehen, als bis zu V/s der Prämie oder des Jahresbeitrages? Warum soll ein Conflikt hervorgerufen werden zwischen dem Interesse des Angestellten und demjenigen der Anstalt, indem das erstere dahin gerichtet wird, daß der Beitrag der Anstalt unter 1J3 bleibe, und das letztere, gerade bis zu diesem Bruchtheile aber nicht weiter zu gehen?

Diesen Uebelständen wird abgeholfen und die Frage nach Billigkeit geordnet, wenn die von uns vorgeschlagene Fassung angenommen wird, wonach jeder Partei das Ergebniß ihrer Einlage zu Gute kommen soll.

Ueber die Frage, ob überhaupt vom gemeinen Rechte abgewichen werden solle, herrscht
ein Meinungsunterschied nicht.

Ad Art. 5. Nach Absatz 2 und 3 dieses Artikels, welche gestrichen würden, schlägt Ihnen die Commission ein neues Alinea vor, in welchem eiuestheils die in der bundesräthlichen Fassung besprochenen Fälle etwas anders geordnet, die Entscheidung ver-

942 einfacht. .und zugleich noch der Fall in Betracht gezogen wird, wo aus einer ursprünglichen bloßen Verletzung, für "welche eine -· entsprechende Entschädigung · festgestellt « orden war-, nachträglich dennoch der Tod erfolgt.

Die Kommission ist. ferner der Ansicht, daß die Abmachung, welche in Absatz l dieses Artikels besprochen wird, in. der Regel eine feste sein sollte, daß namentlich, was ein Zurückkommen auf die Abmachung Seitens der Transportanstalten anbetrifft, ein Bedürfniß nicht, vorliege, daß deßhalb Absatz 2 einfach zu .streichen, sei. Das Bedürfniß liegt .nicht vor, weil in der Regel gütlich abgemacht" und beidseitig dabei verstanden wird, es sei diese Abmachung eine endgültige. In den wenigen Fällen, wo der Richter sprechen muß. hat; er bei der Entscheidung- über das Maß der Entschädigung jeweilen in Beträcht zu ziehen, ob und in wie weit Hoffnung auf baldige Besserung und Genesung vorhanden sei oder nicht.

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· · Es .läßt sich nun zwar nicht verkennen, daß die VermögensVerhältnisse bei der Ausmessung der Entschädigung auch eine "gewisse Rolle spielen und eine nachträgliche Veränderung derselben die Sachlage gänzlich ändern kann; allein es wäre aus verschiedenen.

Gründen. nicht wohlgethan, sich auf eine Rectification der Entschädigung aus diesem Grande einzulassen, denn dieArt und Weise, wie der Vermögensstand der Einzelnen sieh verändert, ist.so mannigfaltig und verschieden und ein Zurückkommen auf die Abmachung ist in so .vielen Fällen nicht .gerechtfertigt, daß ohne Casnistik zu treiben die gesetzgeberische.Regelung dieser Frage nicht möglich ist.

In allen den Fällen z. B:, wo ein Verletzter durch eigene Bemühung .und. Arbeit seine Vermögens Verhältnisse verbessert hat, oder wo durch Dritte, durch Schenkung. Mitarbeit oder sonstige Unterstützung das gleiche bewirkt wird u. s. w., kann von-einem Zurückkommen auf die Abmachung wohl .keine Rede sein, es blieben somit eigentlich bloß noch die Erbsehaftsfalle, welche einen. Grund zu einer solchen Rektifikation bilden könnten, aber auch in dieser Beziehung giebt es unzählige Varianten und nur in wenigen Fällen wird à priori angenommen werden können, daß die seiner Zeit gewahrte Entschädigung zu verändern sei. Es dürfte deshalb angezeigt sein, diese schwierigen Controversen dadurch zu vermeiden,, daß man die Abmachung, soweit die
Veränderung der VermögensVerhältnisse in Betracht kommen, als eine feste gelten läßt und zwar nicht nur . in der Richtung der Berechtigung, der Transportanstalt, sondern .auch in derjenigen, des Beschädigten; denn wenn die Mannigfaltigkeit der Ursachen, .welche eine Vermögensverbesserungbewirken können, verhindert, in dieser Richtung festen Boden.zu

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finden, so ist das Gleiche bei einer Vermögensverschlimmerung noch mehr der Fall.

Ein anderes ist es dagegen mit einer Verschlimmerung des G e s u n d h e i t s z u s t a n d e s , welche erwiesenermaßen eine Folge der bei dem Unfälle erlittenen Verletzung ist und bei der Ausmessung der Entschädigung nicht vorausgesehen war, z, B, bei nachträglichem Verlust des Sehvermögens, während bei der Abmachung die Rettung desselben anzunehmen war.

Desgleichen muß .der Fall in Betracht gezogen werden, wo bei der Ausmessung der Entschädigung Heilung oder Genesung vorausgesetzt wird, und nachträglich der Tod eintritt, der durch die Obduction als unmittel.ba.re Folge der Verletzung- erkannt wird.

In diesen beiden Fällen, die mit dem Unfälle beziehungsweise der Verletzung in unmittelbarem Zusammenhange stehen, fordert die Gerechtigkeit, daß eine Rektifikation stattfinde. Die von uns vorgeschlagene Redaktion gibt ausreichend das Mittel dazu.

Ad Art. 6. Die Verweisung auf Art. 38- des Gesetzes betreffend den Frachtverkehr ist von uns in Art 6, 7 und 9 als überflüssig und störend gestrichen worden.

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Die Commission ist hier auf das Begehren der Eisenbahnverwaltungen, .von dieser Bestimmung als zu weit gehend und zu willkürlich ganz abzusehen, nicht eingetreten und glaubt, daß es der .Billigkeit entspreche, dieselbe aufrecht zu halten. Es soll, wie das Zürchergesetz in Art. '184.4 und 1845 bestimmt, bei Tödtung aus dolus oder culpa lata .die Entschädigung an die Familie, abgesehen von der Große - der Verlassenschaft, bestimmt und im. Falle der Körperverletzung ein den Umständen angemessenes S oh me r z enge l d entrichtet werden können. Die Frage der Entschädigung bei Verstümmelung oder Entstellung ist in unserer Mitte ebenfalls zur .Besprechung gelangt, aber in anderer Weise gelöst worden, alsim Zurchergesetz, wo in Art. 1845 eine solche -Entschädigung aufgenommen - ist". Die römische Ansicht, daß es sich hier wie beim Leben um ein Gut handle, welches nicht in Geld geschätzt und deshalb ein Ersatz dafür nicht zugelassen werden könne, trug in der Commission den Sieg davon.

Die Mehrheit, der Commission beantragt dagegen, in einem andern Punkte noch weiter zu gehen, als der bundesräthliche Vor.schlag und das Zürchergesetz und statt ,, g r o b e r " Fahrläßigkeit einfach zu sagen ,,Fahrläßigkeit", von der
hauptsächlichen Erwägung ausgehend, daß zwischen beiden eine Grenzlinie kaum zu .ziehen- sei. · Die Minderheit dagegen glaubt, es solle bei der bundesräthlichen Fassung -sein Bewenden haben. Das-Zusprechen einer.

944 Geldsumme über die Vermögensnachtheile hinaus ist eine ausnahmsweise Maßregel, welche nur unter ausnahmsweisen Umständen, bei ausnahmsweise grober Verschuldung gerechtfertigt ist. Die Thatsache, daß der Betrieb der Eisenbahnen mit größern Gefahren verbunden ist, welche bei der größten Sorgfalt nicht immer umgangen und vermieden werden können, kann unmöglich zu dem Schlüsse führen, daß die Folgen der durch solche Gefahr entstandenen Unfälle viel härter an ihnen gebüßt werden sollen, als dieß im gemeinen Rechte auf verwandten Gebieten geschieht und daß eine einfache leichte Fahrläßigkeit ohne gröberes Verschulden von einer soweit gehenden Entschädigungspflicht begleitet sein müsse.

Es könnte im Gegentheil mit vielmehr Logik der andere Schluß gezogen werden, daß bei so bewandten Umständen der Begriff der ^groben Fahrläßigkeit11 sehr strikte zu interpretiren sei. Die Minderheit will jedoch dem Richter zutrauensvoll überlassen, wie bisher ·die Fälle von grober Fahrläßigkeit herauszufinden und sich über die Grenzlinie, um welche die Mehrheit besorgt ist, selbst klar zu -werden; sie beharrt dabei, daß keine genügende Ursache vorliegt, um auch hier wieder über allgemein anerkannte Grundsätze hinauszugehen.

Ad Art. 7. Bei der Berathung dieses Artikels, welcher in der ursprünglichen Fassung im zweiten Alinea soweit ging, daß die Transportanstalten sogar für Taschendiebstahl haftbar gewesen wären, ist die Controverse entstanden, ob bei einem Unfälle zwischen der Beschädigung des Gepäckes eines Getödteten oder Verletzten und eines Unverletzten ein Unterschied gemacht werden könne oder nicht. Die Commission entschied sich für das ergere, von der Erwägung ausgehend, daß bei einem Verletzten oder Getödteten angenommen werden müsse, er sei in Folge des Unfalles der Macht beraubt worden, selbst sein Gepäck zu bewachen und zu dirigiren, während dieß bei einem Unverletzten nicht zu präsumiren sei und ihm gegenüber die Verwahrung der Transportanstalten, womit sie sich jeder Haftpflicht für Handgepäck entschlagen, aufrecht erhalten bleiben müsse. Dieser letztere Umstand hat die Commission auch bewogen, in Art. 8 den Ausdruck ,,grobe Fahrläßigkeit" stehen zu lassen.

Ad Art. 8. Es wird hier von einer Minderheit der Antrag gestellt, statt des Absatzes 2 dieses Artikels, in welchem auf Art. 35 des Frachtgesetzes
hingewiesen wird, den Wortlaut dieses Art. 35, Absatz 2, selbst in Art. 9 aufzunehmen, so daß Absatz 2 lauten würde: ,,Diese Verjährung wird nicht allein durch Anstellung der Klage, ,,sondern auch durch die schriftliche Anbringung der Réclamation

945 ,,bei der Direction der betreffenden Anstalt unterbrochen, in der ,,Meinung, daß solange die Réclamation unerledigt bleibt, überhaupt ,,kein Ablauf der Verjährung stattfinden könne."1 Es würde dieß den Vortheil haben, daß die mißliche Verweisung auf ein anderes Gesetz wegfiele.

Ad Art. 12. Absatz l entspricht dem abgeänderten Absatz l des Art. 41 des Frachtgesetzes. Absatz 2 wurde gestrichen, weil das darin Gesagte einestheils selbstverständlich ist und andererseits zu dem irrigen Glauben verleiten könnte, daß es sich hier um eine bloße Cassation handle. Absatz 3 ist ebenfalls conform mit Art. 41 des Frachtgesetzes.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 18. September 1874.

Namens der Kommission, Der R e f e r e n t : Köchliu.

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Bericht der ständeräthlichen Kommission, betreffend Haftbarkeit von Transportanstalten wegen Tödtungen etc. (Vom 18. September 1874.)

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10.10.1874

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