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Bericht des

Schweiz. Konsuls in Riga (Hrn. Rudolf Caviezel von Chur) über das Jahr 1873.

(Vom 11. April 1874.)

An den hohen Schweiz. Bundesrath.

Die vielfachen Befürchtungen, welche der ungünstige Abschluß des Jahres 1872 in Riga hervorrief, hat das Jahr 1873 nicht gerechtfertigt ; vielmehr hat der Export und Import Rigas wieder eine Höhe erreicht, welche unserer in den letzten Jahren mächtig aufsteigenden Handelsbewegung entsprechend ist; dafür bürgen die folgenden Zahlen. Es betrug nämlich der Import zur See.

Export zur See.

1866.

Rubel 7,464,333 Rubel 34,422,007 1867.

,, 14,670,234 ,, 27,346,934 1868.

,, 10,301,974 ,, 28,751,329 1869.

,, 16,584,965 ,, 27,471,987 1870.

,, 23,075,023 ,, 37,128,388 1871.

,, 18,234,392 ,, 43,075,053 1872.

,, 20,153,453 ,, 26,999,173 1873.

,, 26,730,671 ,, 41,468,508 Aber die Klage ist nun einmal so alt wie die Welt, und da darf man sich nicht wundern, daß auch das günstige Handelsresultat des Jahres 1873, trotz der Sorgen des Vorjahrs, nicht mit

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unbefangener Freude begrüßt wird. Constatiren wir, daß im Laufe der Jahre der Geschäftsgewinn im einzelnen Falle allerdings geringengeworden ist. Es ist indessen eine in der ganzen Welt im Handel, hervortretende Erscheinung der Neuzeit, daß der Gewinn (.'.er einzelnen Geschäfte sich vermindert, dagegen aber dieser Ausfall durch die gesteigerte Zahl derselben nicht nur aufgewogen, sondern überreichlich gedeckt wird. Daß auch der auf Riga heute, aus einem Handelsumsatz von circa 60--70 Millionen entfallende. Geschäft sgewinn nicht gerade geringer sein dürfte, als der in den 1840/50er Jahren aus einem Umsatz von nur circa 20 Millionen hervorgegangene, kann wohl kaum bezweifelt werden.

Zu den einzelnen Artikeln übergehend, welche i in Jahre 1873 unsern Hauptexport bildeten, ist es natürlich zunächst F l a c h H , welcher unsere Aufmerksamkeit beansprucht. Der Export davon betrug : 1866.

2,399,866 Pud.

18(57.

1,846,439 ,, 18(58.

2,674,024 18(59.

2,101,006 ., 1870.

3,262,696 1871.

3,044,489 .', 1872.

1,650,585 n 1873.

2,438,619 ., Es zeigt diese vergleichende Zusammenstellung des Resultats unseres Flachsexports in den letzten 8 Jahren eine steigende Tendenz, desselben, und es ist zu constatieren, dass das Jahr 1873 um dem derzeitigen Umfange dieses Geschäfts entsprechendes Durch schnittsresultat ergeben hat und in keiner Weise Befürchtungen betreffs der fernem Entwickulung dieser Branche be: uns rechtfertigt Der Hanf-Export betrug : 1866 1,441.221 Pud.

1867.

1,141,488 ., 1868 924443 1869.

1.130,090 1870.

1399922 \

187 i.

,

(872.

i,224JJ(50 'T 1873.

4 so dass in dem lezten Jahre 1385 Pud weniger varschifft wurden ulK im Jahre 1872. Trotz dieser geringen Differenz muß aber das Resultat von 1873 sein- beklagt werden weil dasselbe im Verfleich

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mit früheren Jahren auf eine fallende Tendenz des Riga'schen Hanfgeschäfts hinweist, da im jährlichen Durchschnitt von 1860--1865 1.263,204 Pud 1866--1870 nur 1,207,453 ,, zur Verschiffung gelangten und seit 1870 ein weiteres Sinken in der Ausfuhr dieses Artikels beklagt werden muß. Die starke Concurrenz von Königsberg hat einen wesentlichen Antheil hieran, und mit Eröffnung der bis in die Hauptdistrikte der russischen Hanfproduktion reichenden Konotop-Eisenbahn wird der Königsberger Hanfhandel aller Wahrscheinlichkeit, nach noch bei Weitem größere Dimensionen annehmen, und zwar leider auch auf Kosten des Riga'schen, wenn nicht letzterem durch Frachtarif-Ermäßigungen in Riga aufgeholfen werden kann.

Was Säleinsaat anbelangt, so wurden verschifft:

1866.

1867.

1868.

1869.

1870.

1871.

1872.

1873.

295,342 Tonnen.

164,574 ',1 228,216 v 261,879 ·i 167,197 n 185,193 11 185,429 ·n 149,981 v>

Mithin ist auch in diesem Artikel ein Rückgang im Jahr 1873 -am 35,448 Tonnen zu constatiren, welchem aber in Berücksichtigung der constanten Steigerung in dieser Branche bis 1870 keine derartige Bedeutung beigelegt,, zu.werden braucht wie der entsprechenden Erscheinung des letzten Jahres für Hanf, zumal auch die schlechten Ernten der letzten Jahre eine genügende Erklärung für die zeitweilige Verminderung seines Exports bieten.

Schlagleinsaat wurde verschifft : 1866. 110,270 Tschetwert.

1867.

1868.

1869.

1870.

1871.

1872.

130,900 132,516 195,546 195,832 136,095 182,375

1873.

255,267

., ' ,, 'i

Hiemach hat unser Schlagleinsaat-Geschäft im Jahre 1873 einen Umfang angenommen, der nicht nur die letzten 8 Jahre weit hin-

735 ter sich läßt, sondern für Riga überhaupt bisher noch nicht erreicht worden ist, eine um so freudiger zu begrüßende Thatsache, als dieselbe völlig in den Rahmen der überhaupt steigenden Tendenz dieses Artikels paßt.

Roggen wu.-de verschifft :

1866.

1867.

1868.

1869.

1870.

1871.

1872.

1873.

28,454 Tschetwert.

59,062 ,, ~~~

2,549 55,793 227,141 104,445 555,993

f)

,, ,, _ _ ,,

Das Jahr 1873 zeigt uns in diesem Artikel einen Aufschwung, welcher in Verbindung mit der bereits 1871 eingetretenen ersten Steigerung zu sehr freudigen Hoffnungen für die Zukunft desselben berechtigt.

Ebenso günstig als für Roggen hat sich der Export von Gerste im verflossenen Jahre für Riga gestaltet.

Derselbe betrug : 185,552 Tschetwert gegen 43,706 ,, im Jahre 1872.

Hafer wurde exportirt : 1873.

928,407 Tschetwert gegen 249,577 ,, im Jahre 1872.

Buchwaizengrütze : 1873.

81,580 Tschetwert gegen 1872.

5,784 ,, Hanfsaat : 1873.

1872.

28,980 Tschetwert gegen 48,998 ,,

Holz : 1873. 28,300,000 Kubikfuß 1872. 19,850,000 ,, 7.n keinem Jahre hat der Holzhandel Rigas solche Dimensionen angekommen, als in dem verflossenen, da die Nachfrage aus dem Auslande eine ungemein starke war. Zur Ausholzung der Wälder

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im Innern des Reiches werden ungeheure Capitalien verwendet.

Wie lauge aber bei dem Mangel einer rationellen Forstwirtschaft die Wälder vorhalten können, ist eine Frage, welche die Gemüther lebhaft bewegt. Noch vor wenigen Jahren zählte Riga und die Umgegend nur 3 Sägemühlen, gegenwärtig aber 10, darunter einige sehr bedeutende.

Was nun Rigas Import seewärts anbelangt, so hat derselbe im Allgemeinen in den letzten Jahren bedeutend an Umfang gewonnen, und es liegt der Schwerpunkt nicht mehr wie früher ausschließlich in der Einfuhr von Salz Häringen, Steinkohlen etc., sondern es hat sich der Kreis der Import-Artikel bedeutend erweitert.

Salz wurde importirt : 1873.

2,503,883 Pud gegen 1872.

2,495,591 ,, " Häringe : 1873.

1872.

65,890 Tonneu gegen 144,165 ,,

Steinkohlen : ' 1873.

1872.

4,260,424 Pud gegen 5.862,509 B

Petroleum : 1873.

1872.

385,459 Pud gegen 124,344 ,,

Eibenbahnzubehör : 1873.

2,262,183 Pud gegen 1872.

2,458,190 ,, Soda :

1873.

1872.

127,616 Pud gegen 101,385 ,,

Was die Einfuhr aus und die Ausfuhr nach der Schweiz betrifft, so ist heirüber nichts Genaues anzugeben, da die einkommenden Waaren kein Ursprungszeugniß beibringen. Die Einfuhr dürfte sieh auf Uhren Bauwollgespinnste (St. Galler- und Appenzeller-Waare), Emmenthaler-Käse und etwas Liqueur beschränken.

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In keinem Jahre noch ist die Zahl der Schiffe, sowohl einkommend als ausgehend, eine so große gewesen, als im verflossenen, und es mag wohl der Umstand dazu beigetragen haben, daß die beiden Vorhäfen Rigas, Mühlgraben am rechten, Boleraa am linken Dünaufer, seit kurzer Zeit durch Eisenbahnen mit der Stadt verbunden sind, somit ein vollständiger Schifffahrtsschluß nur bei einem sehr strengen Winter zu erwarten ist, der uns in diesem Jahre gänzlich fehlte.

Es kamen an : 1873.

3,181 Schiffe mit 434,102 Lasten, 1872.

2,248 ,, ,, 270,027 ,, und gingen aus : 1873.

3,187 Schiffe mit 435,064 Lasten, der Flagge nach vorwiegend deutsche Schiffe, ihnen zunächst großbrittanische, dann russische und scandinavische, schließlich holländische, französische etc.

Rigas Rhederei betrug 1873 : (53 Segelschiffe mit 7,982 Zoll-Lasten « Dampfschiffe ,, 1,269 ,, ,, und 1048 Pferdekraft, 25 Bugsir- und Flußdampfer mit 465 Lasten und 983 Pferdekraft.

Hinsichtlich von Veränderungen in den Ansätzen der Ein- und Ausfuhr-Zolltarife ist nicht unerwähnt zu lassen, daß die Handelsabgaben für Hanf und Flachs für das verflossene Jahr um 1/3 ermässigt wurden, und daß für 1874 Lein- und Hanföl, Schlagleinsaat, Feiern, Haare, Schmalz, Speck, Lichter, Seife, sowie femer auch einige Import-Artikel, wie Petroleum, Baumwolle, Maschinen, bedeutend, zum Theil auf die Hälfte, herabgesetzt sind. Die für 1873 reduzierten Sätze für Hanf und Flachs sind auch für 1874 beibe halten worden. Noch ist zu erwähnen die Aufhebung des Wrackezwanges, oder die Umwandlung der obligatorischen Wracke von Hanf und Flachs in eine facultative, und schliesslich die Aufhebung des Stadtwaage-Zwanges, soweit derselbe noch betstanden.

Wena leider auch in Betroff der soit Jahren projektierten Eisenbahnverbindungen Riga-Dorpat und Riga-Pleskau für das verflossene Jahr kein Fortschritt zu registrimi ist. so ist doch wenigstens durch die eröffnete Bahnstrecke Mitnau-Mocheiki eia gutes Stück der wünschenswerthen Schienenverbindung Rigas mit, Tilsit vorgearbeitet worden. Für die Linie Riga-Windau ist wenigstens bis Tuckum die allerhöchste Genehmigung ausgewirkt.

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Im Zusammenhang mit den obigen Maßnahmen (Aufhebung des Wraekezwanges etc.) steht die gleichfalls im verflossenen Jahre erfolgte Herabsetzung des Fracht-Tarifs auf der Riga-Dunaburger Eisenbahn und deren Verlängerungen. Im vorigen Jahre sind nämlich von den Directionen dieser Eisenbahnen, zur Hebung der Handelsbeziehungen zwischen Riga und dem Innern des Reichs, folgende Maßnahmen getroffen worden : a. Im Anfang des Jahres trat ein direkter überseeischer Güterverkehr zwischen sämmtlichen Häfen des europäischen Continents sammt Hüll einerseits, und Mosco, sowie Charkow, anderseits über Riga in's Leben. Da dieser Verkehr durch die bestehenden Routen St. Petersburg-Mosco und Reval-Mosco einer starken Concurrenz ausgesetzt war, so ermäßigten die Bahnen der Linie Riga-Mosco ihre Frachtsätze ganz bedeutend, namentlich die Riga-Dünaburger und die Dünaburg-Witebsker Bahn.

b. Da der Waarentransport von Riga nach Griäsi und den hinter Griäsi gelegenen Stationen noch zu keiner Entwickelung gelangt war in Folge der Concurrenz von Mosco und St. Petersburg, so wurde von den betheiligten Bahnen der seit August 1870 für den directen Verkehr bestehende Gütertarif mit einem Abschlag von 30°/o auf Sendungen von Griäsi nach Riga ausgedehnt.

c. Zur Begegnung der Concurrenz Königsbergs ermäßigte die Riga-Dünaburger Bahn den Frachtsatz für Flachs. Dieser Ermäßigung schloß sich die Dünaburg-Witebsker Bahn an.

Die Umsätze unserer Banken im verflossenen Jahre waren : Börsenbank Rubel 281,878,874 1. Bank ^Vorschuß-Cassa" circa ,, 300,000 2. Gesellschaft gegenseitigen Crédits .

.

,, 51.529,717 3. Gesellschaft gegenseitigen Crédits circa .

,, 20,000,000 Commerz Bank ,, 252,198,165 und es schwankte der Zinsfuß zwischen 8 bis 6 °/o für Waarendepots und 8--4 l/i °/o für Wechsel.

Die an hiesigem Platze vertretenen Versicherungs-Gesellschaften sind : 1. St. Petersburger Gesellschaft, gegründet 1827, Grund-Capital 4 Millionen Rubel Silber.

2. St. Petersburger Gesellschaft, Grund-Capital 2 Millionen Rubel Silber.

Salamander, Grund-Capital 2 Millionen Rubel Silber.

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Moscoer Feuer-Versicherungs-Gesellschaft, Grund-Capital 2 Millionen Rubel Silber.

Jakor, Versicherungs-Gesellschaft, Grund-Capital 2,500,000 Rubel Silber.

Russischer Lloyd für Land-, Fluß- und See-Versicherungen, Capital l Million Rubel Silber.

Ueber Einwanderung von Schweizern in die Ostsee-Provinzen ist nichts Bestimmtes zu sagen, da nur der kleinste Theil der resp.

Ankommenden beim Consulat sich melden. -- Krwähnenswerth ist, daß im vergangenen Jahre zwei Professuren am hiesigen Polytechnicum und eine Pfarre in dem benachbarten Mitau mit Schweizern besezt worden sind.

Die Gründung einer Schweizer-Gesellschaft ist hier mit vielen Schwierigkeiten verbunden. Es wird jedoch der sehnliche Wunsch der hier lebenden Schweizer nach einer solchen Gesellschaft hoffentlich in nächster Zeit in Erfüllung gehen.

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