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Botschaft des

Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreuend den Antritt der Funktionen des Bundesgerichtes.

(Vom 9. Oktober 1874.)

Tit. !

Das Bundesgesez über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 27. Juni 1874, und der Bundesbeschluß betreffend den Siz des Bundesgerichtes vom 26. gl. Mts., sind in Folge des Ablaufes der 90tägigen Frist, wie sie in dem Bundesgeseze vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgeseze und Bundesbeschlüsse, vorgeschrieben ist, mit dem 7. Oktober 1874 in Rechtskraft getreten.

Nun ist im Artikel 3 der Uebergangsbestimmungenzuu der Bundesverfassung; vorgeschrieben, daß d i e n e u e n B ess t i mm u n g e u b e t r ef f e n d die Or g a n i s a t i o n u H d d ie B e f u g n i s s e , d e s B n n d e s g e r i c h t e s n a c h K r l assU d e r b e z ü g l i c h e n B u n d e s g e s e / e in K r a f t t r e t e n. Ferner soll gemäß Art. (5 des Bundesgesezes über die Organisation der Bundesrechtspflege die erste Wahl der Mitglieder des neuen Bundesgerichtes u n m i t t e l b a r n a c h d e m .1 n k r a f 11 r e t e n d i e s e s B u n d e s g e s e z e s u n d d e s B u n eo. s b e s c h l u H s e s ü b e r d e n S i z d e s B u n d e s g e r i c h t e s s t a 11 f i n d e, n.

Hält man diese, beiden Bestimmungen zusammen, und faßt man sie nach ihrem Wortlaute auf, so ergibt sich, daß das Bundes-

52 gericht ohne jedweden Verzug gewählt werden muß, und daß dasselbe sofort nach seiner Bestellung die Ausübung der neuen Befugnisse, die ihm seit dem. 7. Oktober abhin zustehen, an die Hand nehmen soll.

Der s o f o r t i g e n W a h l des G e r i c h t e s stehen keine Schwierigkeiten im Wege. Der Bundesrath hat daher die Ehre, Ihnen den Antrag zu stellen, Sie möchten möglichst bald, jedenfalls noch während des gegenwärtigen Monats Oktober, zu diesem Geschäfte schreiten. Wenn auch das Gesez die sofortige Bestellung des Gerichtes nicht ausdrüklich vorschreiben würde, so wäre dies immerhin eine Sache der Nothwendigkeit, damit die Richter, welche Sie ernennen werden, noch hinlänglich Zeit haben, um auf diejenigen Maßregeln, welche für ihre eigene Einrichtung und für die Einrichtung und Organisation des Gerichtes selbst unumgänglich nöthig sind, noch vor dem Zeitpunkte Bedacht nehmen zu können, an welchem das neue Gericht in Wirksamkeit treten soll.

Anders verhält es sich mit dem s o f o r t i g e n A n t r i t t e s e i n e r F u n k t i o n e n . Derselbe ist aus Gründen verschiedener Art thatsächlich unmöglich. Es ist wohl unnüthig, hier des Weitern auf diese Gründe einzutreten. Auf der einen Seite bedarf das Gericht einer gewissen Zeit, um sich zu konstituiren, zu der wichtigen Wahl seiner beiden Gerichtsschreiber zu schreiten, und. um das übrige ihm nöthige Personal zu bestellen. Andererseits haben die Richter ihre Wohnung am Size des Gerichtes zu nehmen; es muß ihnen daher die nöthige Zeit eingeräumt werden, um nach Lausanne überzusiedeln und sich dort mit ihren Familien häuslich einzurichten. Vorausgesezt, daß die Bundesversammlung die Wahl der 9 Mitglieder des Gerichtes und der 9 Ersazmänner um die Mitte des Monates Oktober vornimmt, so bedarf das neue Gericht wohl der lezten 2l/2 Monate bis zum Schlüsse des Jahres, um vollständig eingerichtet und zur Aufnahme seiner Funktionen bereit zu sein.

Der Bundesrath glaubt deßhalb, es entspreche allen Verhältnissen , wenn der Zeitpunkt, an welchem das Bundesgericht seine Funktionen anzutreten hat, auf den 1. Januar 1875 festgesezt wird.

Er fügt noch bei, daß alle nöthigen Schritte getroffen sind, damit die provisorischeu Lokalitäten, welche die Stadt Lausanne dem Bundesgerichte zur Verfügung zu stellen hat, mit dem 15. Dezember nächsthin zu dessen
Aufnahme bereit seien. Das Gericht wird also hinlänglich Zeit haben, um sich in diesen Räumlichkeiten einzurichten.

Mit dieser Frage des Antrittes der Funktionen des Bundesgerichtes steht sodann diejenige betreffend die t r a n s i t o r i s c h e n

V e r f ü g u n g e n , welche mit Rüksieht auf den Uebergang der Kompetenzen zu treffen sind, in unmittelbarer Beziehung.

Nach Inhalt des oben zitirten Art. 3 der Uebergangsbestimmungen zu der Bundesverfassung stehen die neuen Befugnisse des Bundesgerichtes diesem seit dem 7. Oktober 1874 zu. Der Bun desrath denkt nicht daran, dieser Vorschrift entgegenzuhandeln.

Er ist daher der Ansicht, daß die Rekurse, welche unter der Herrschaft der alten Verfassung von 1848 in seine Kompetenz fielen und bis und mit dem 7. Oktober 1874 ihm eingereicht wurden, von ihm, resp. von der Bundesversammlung definitiv zu erledigen seien, daß dagegen alle diejenigen Rekurse, welche seit dem genannten Tage ihm eingehen, dem Bundesgerichte überwiesen werden müssen, soweit es sich hiebei nicht um solche Streitigkeiten handelt, die im Art. 59 des Bundesgesezes vom 27. Juni abbin ausdrüklich den politischen Behörden vorbehalten sind. Andererseits glaubt er, daß auch das alte Bundesgericht vom 7. Oktober 1874 an neue Prozesse weder annehmen noch instruirai dürfe, sondern daß dasselbe die bei ihm anhängigen Streitsachen bis zürn 31. Dezember nächsthin soweit möglich in Erledigung zu bringen und die nicht erledigten mit diesem Tage an das neue Gericht zu überweisen habe.

Sodann scheint es dem Bundesrathe angemessen, daß das zukünftige Bundesgericht, das einen festen Siz haben und die nöthigen Räumlichkeiten zu seiner Verfügung erhalten wird, mit dem Zeitpunkte des Antrittes seiner Funktionen auch in den Besiz des Archives des alten Gerichtshofes gesezt werde. Bis dahin war dieses Archiv gemäß den Vorschriften des frühem Gesezes über die Organisation der Bundesrechtspflege und des Gesezes über das Verfahren bei dem Bundesgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten in dem Bundesarchiv untergebracht.

Durch die Maßnahmen, welche oben angedeutet wurden» werden die Befugnisse und Kompetenzen des neuen Bundesgelichtes, wie sie in der Verfassung und den gegenwärtigen Gesezen ihm übertragen sind, vollständig geschüzt. Es scheint jedoch andererseits auch die Verfügung unumgänglich nöthig zu sein, daß diejenigen v o r l ä u f i g e n M a ß n a h m e n , welche zur Einleitung der Prozesse und zur Vorbereitung der Rekurse erforderlich sind, von jezt an bis zum 1. Januar 1875 von derjenigen Behörde, immerhin nach Maßgabe der Verhältnisse,
angeordnet werden können, in deren Kompetenz nach der alten Gesezgebung die Behandlung der betreffenden Geschäfte fiel. So steht nichts entgegen, daß der Bundesrath mit Rüksieht auf die Rekurse, welche in nicht administrativen Angelegenheiten ihm bis zu Ende des

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Jahres eingehen, beauftragt bleibe, die bezüglichen Eingaben an die Gegenpartei zu vermitteln, und nöthigenfalls eine Verfügung zur Beibehaltung des status quo zu treffen. Gleicherweise steht auch mit Rüksicht auf das alte Bundesgericht einer ähnlichen Bestimmung nichts im Wege; vielmehr wird eine solche geeignet sein, eine unnöthige Verlängerung der Prozesse zu verhüten.

Was endlich die A u s l i e f e r u n g e n betrifft, so könnten in dieser Beziehung allerdings ernste Inkonvenienzen zu Tage treten, wenn in den Fällen, in denen nach Art. 58 des Bundesgesezes über die Organisation der Bundesrechtspflege das Bundesgericht zum Entscheide berufen ist, der Verfolgte im Verhafte behalten werden sollte,, bis das O genannte Gericht seine Funktionen angetreten haben O wird. Der Bundesrath stellt Ihnen deßhalb den Antrag, Sie möchten beschließen , es bleibe für die Zwischenzeit bis zum 1. Januar 1875 und für dringliche Fälle der Bundesrath allein beauftragt zur Auslegung der Auslieferungsverträge und zum Entscheide über die ihm eingehenden Begehren.

Gestüzt auf die obigen Auseinandersezungen hat der Bundesrath die Ehre, Ihnen, Tit., folgenden Antrag vorzulegen: 1. Es sei unverzüglich, jedenfalls noch während des gegenwärtigen Monats Oktober, zur Wahl des neuen Bundesgerichtes zu schreiten.

2. Sei ein Bundesbeschluß nach beiliegendem Entwürfe zu erlassen.

Genehmigen Sie, Tit., den Ausdruk unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 9. Oktober 1874.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schiess.

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{Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

den Beginn der Amtstätigkeit des Bundesgerichtes.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht von Art. 3 der Uebergangsbestimmungen der Bundesverfassung und von Art. 6 des Bundesgesezes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 27. Juni 1874; in Betracht, daß dieses Gesez mit dem 7. Oktober abhin in Kraft getreten ist, beschließt: Art. 1. Das neue Bundesgericht beginnt seine Amtstätigkeit mit dem 1. Januar 1875.

Während der Zwischenzeit von der Ernennung an bis zum 1. Januar 1875 wird es seine Installation an dem mit Bundesbeschluß vom 26. Juni 1874 bezeichneten Amtssize vollziehen und die Ernennung der Beamten und Angestellten vornehmen, zu deren Wahl es nach Art. 8 und 9 des Bundesgesezes über die Organisation der Bundesrechtspflege kompetent ist.

Art. 2. Der Bundesrath und nöthigenfalls die Bundesversammlung entscheiden noch definitiv diejenigen Rekurse, welche bis und mit dem 7. Oktober 1874 bei dem Bundesrathe eingegangen sind.

Art. 3. Der Bundesrath übergibt dagegen diejenigen Rekurse, welche nach dem 7. Oktober 1874 bei ihm eingehen, und deren Entscheid weder durch die Bundesverfassung, noch durch «las (Jesez über die Bundesrechtspflege ihm zugewiesen ist, dem neuen B undesgerichte.

Immerhin wird bis zum 1. Januar 1875 der Bundesrath noch diejenigen einleitenden Verfügungen treffen, welche geeignet sind, die Instruktion über die erwähnten Rekurse zu befördern und die.

gegenseitigen Rechte der Parteien zu schüfen.

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Art. 4. Das alte Bundesgericht wird bis zum 31. Dezember 1874 so viel wie möglich aile diejenigen Geschäfte erledigen, welche bis und mit dem 7. Oktober gleichen Jahres bei ihm anhängig gemacht worden sind. Auf den 1. Januar 1875 hat es die dannzumal noch bei ihm pendenten Geschäfte dem neuen Bundesgerichte zu übergeben.

Art. 5. Ebenso wird das alte Bundesgericht alle diejenigen Geschäfte, welche nach dem 7. Oktober 1874 bei ihm eingehen, auf den 1. Januar 1875 dem neuen Bundesgericht zustellen, ohne über dieselben zu urtheilen.

Immerhin stehen ihm bis zum 1. Januar 1875 diejenigen einleitenden Verfügungen zu, ' welche geeignet sind, die Instruktion dieser Geschäfte zu befördern und die gegenseitigen Rechte der Parteien zu schüzen.

Art. 6. Für dringende Fälle und in Abweichung vom Art. 58 des Gesezes über die Organisation der Bundesrechtspflege ist der Bundesrath ermächtigt, über Anstände zu entscheiden, welche vor dem 1. Januar 1875 durch Auslieferungsbegehren entstehen könnten» Art. 7. Das Archiv des alten Bundesgerichtes muß an den Amtssiz des neuen Gerichtshofes abgeliefert werden.

Art. 8. Der Bundesrath und das Bundesgericht sind, soweit es jeden Theil betrifft, mit der Vollziehung dieses Beschlusses, welcher sofort in Rechtskraft tritt, beauftragt.

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Bericht der

Mehrheit der ständeräthlichen Kommission über den Gesetzentwurf betreffend die Rechtsverhältnisse des Frachtverkehrs auf Eisenbahnen.

(Vom 18. September 1874.)

Tit.!

Die von Ihnen aufgestellte Commission hat sich in ihren Sitzungen vom 17. bis 22. August und vom 16. September unter Mitwirkung des Redaktors, Hrn. Prof. Fick, in einläßlicher Weise mit dem vorliegenden, ihrer Berathung unterstellten Gesetzesentwurfe betreffend die Rechtsverhältnisse des Frachtverkehrs auf Bisenbahnen u. s. w., beschäftigt und beehrt sich hiemit, Ihnen das Ergebniß ihrer Untersuchung vorzulegen.

Die Commission fand bei ihrem Zusammentritt zwei weitere Eingaben vor. Die eine, mittelst Schreibens vom 29. Juni von der association commercielle et industrielle genevoise gemachte, geht auf Modifikation der Art. 3, 6 und 7 aus und stellt einige Anträge, welche dahin zielen, nach französischer Anschauung die Rechte des Adressaten oder Empfängers auszudehnen und seine Fähigkeit, über die Waare früher als nach Ankunft derselben zu disponircn, sicher zu stellen. Diese Anträge sind von dem Vertreter der romanischen Schweiz in der Commission aufgenommen und im Wesentlichen von ihm seinem Minderheitsberichte einverleibt worden.

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Botschaft des Bundesrathes an die hohe Bundesversammlung, betreffend den Antritt der Funktionen des Bundesgerichtes. (Vom 9. Oktober 1874.)

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1874

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17.10.1874

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