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Bericht der Kommission für den Ausbau der schweizerischen Elektrizitätsversorgung # S T #

I. Vorwort Im April 1964 hat Herr Bundesrat Spühler, Vorsteher des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartementes, eine Kommission gebildet und ihr den Auftrag erteilt, die Situation unseres Landes im Hinblick auf seine Versorgung mit elektrischer Energie in den nächsten Jahren zu prüfen und dabei besonders die bevorstehende Vollendung des Ausbaues der wirtschaftlich nutzbaren Wasserkräfte und die Einführung der Kernenergie zu berücksichtigen.

Die Kommission setzt sich aus folgenden Herren zusammen : E. Choisy, Dr. h. c., Dipl. Ing., Ständerat, Präsident F. Aemmer, Dipi Ing., Direktor der Nordostschweizerischen Kraftwerke AG H.Frymann, Dipl.-Ing., a. Direktor des Elektrizitätswerkes der Stadt Zürich W.Jahn, a. Direktionspräsident der Bernischen Kraftwerke AG H. Leuthold, Professor an der Eidgenössischen Technischen Hochschule, Vorsteher des Institutes für elektrische Anlagen und Energiewirtschaft - A.Nydegger, Dr. oec., Professor an der Hochschule St. Gallen für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften - E.Zihlmann, Dr. rer. pol., Direktionspräsident der Zentralschweizerischen Kraftwerke AG.

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Nach Prüfung der Fragen, über die der Vorsteher des Departementes unterrichtet zu werden wünschte, hielt es die Kommission für die beste Lösung, die Elektrizitätsunternehmungen, die im Jahre 1963 eine Untersuchung über die Eingliederung der ersten Atomkraftwerke in die schweizerische Energiewirtschaft veröffentlicht hatten, einzuladen, ihre Untersuchungen zu überprüfen und ein Programm für den zukünftigen Ausbau der Elektrizitätsversorgung unseres Landes aufzustellen.

Herr Bundesrat Spühler hat sich dieser Auffassung angeschlossen und erhielt an einer Konferenz, die am 4. Juni 1964 in Bern unter seinem Vorsitz abgehalten wurde, von den Elektrizitätswerken die Zusage, dass sie gemeinsam eine entsprechende Studie ausarbeiten werden.

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Unter dem Titel: «Ausbau der schweizerischen Elektrizitätsversorgung» wurde im April 1965 die gewünschte Studie veröffentlicht, in der der künftige Ausbau der Elektrizitätsversorgung des ganzen Landes bis zum Jahre 1975/76 behandelt wird1).

Die Aufgabe der Kommission bestand nun darin, zu der Studie der auf Seite l derselben angeführten zehn Werke - im folgenden als Studie der «Zehn» bezeichnet - Stellung zu nehmen, sie gegebenenfalls zu ergänzen und einige zusätzliche Fragen abzuklären, die vom Departement gestellt worden sind.

Vor der Behandlung der einzelnen Fragen möchten wir daran erinnern, dass der gesamte Energieverbrauch in der Schweiz - wie im Ausland - ständig wächst; insbesondere wies der Elektrizitätsbedarf seit vielen Jahren eine progressive Zunahme auf, die im Durchschnitt etwa alle 12 Jahre zu einer Verdoppelung des Verbrauches führte. So stieg zum Beispiel der Inlandkonsum (ohne Elektrokessel und Speicherpumpen) vom Jahre 1939/40 von 5,5 Milliarden kWh2) bis zum Jahre 1951/52 auf 10,4 Milliarden kWh und von da an bis zum Jahre 1963/64 auf 21,2 Milliarden kWh.

Wenn der Verbrauch im gleichen Rhythmus ansteigt, werden im Laufe der nächsten 12 Jahre Werke errichtet werden müssen, die in der Lage sind, gleich viel Energie zu erzeugen wie sämtliche Elektrizitätswerke, die sich gegenwartig in unserem Land in Betrieb befinden.

Die Probleme, die sich mit der Verdoppelung des Elektrizitàtsverbrauches in der relativ kurzen Zeit von 12 Jahren für den Bau von Kraftwerken und Übertragungsleitungen stellen, werdenzunehmend schwierigerundkönnennur mit dem Verständnis und der Aufgeschlossenheit aller Bevölkerungskreise gelost werden.

II. Ausbau der Produktionsmöglichkeiten Die Studie der «Zehn», die auf einer gründlichen Untersuchung des Problèmes beruht, erstreckt sich ausgehend vom hydrographischen Jahre 1963/64 (l. Oktober 1963 bis 30. September 1964) über die zwölf Jahre 1964/65 bis 1975/76.

Dieser Zeitraum wird in die zwei sechsjährigen Perioden 1964/65 bis 1969/70 und 1970/71 bis 1975/76 unterteilt.

Zur Deckung des zukünftigen Elektrizitätsbedarfes werden der Ausbau der noch verbleibenden und zu einigermassen wirtschaftlichen Bedingungen nutzbaren einheimischen Wasserkräfte, die Erstellung einiger konventioneller thermischer Kraftwerke bis zu einer Totalleistung von etwa 900 MW3) und
die Eingliederung von Atomkraftwerken vorgesehen. Nach einem Zeitraum von einigen Jahren, in denen Kraftwerke dieser drei Typen erstellt werden, wird die Kernenergie voraussichtlich den grò ssten Teil des wachsenden Bedarfes an elektrischer Energie decken.

l ~) Abgedruckt im Bulletin des Schweizerischen Elektrotechnischen Vereins 1965, S. 397 ") l kWh = l Kilowattstunde l GWh = l Gigawattstunde = l Million kWh l TWh = l Terawattstunde = 1000 GWh = l Milliarde kWh 3 ) l MW = l Megawatt = 1000 Kilowatt

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Wir werden auf die Schlussfolgerungen der Studie der «Zehn» im Laufe dieses Berichtes zurückkommen, zunächst aber möchten wir hervorheben, dass jede Untersuchung über die Entwicklung des Bedarfes und über die Möglichkeiten zu seiner Deckung aus verschiedenen Gründen auf Schätzungen und Annahmen beruht, die unter den Fluktuationen der Wirtschaft dauernd überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden müssen : 1. Die Schätzungen des zukünftigen Elektrizitätsbedarfes basieren auf der Extrapolation des effektiven Konsumes der vergangenen Jahre.

Dieses Vorgehen ist berechtigt, da die progressive Zunahme des Konsumes seit den dreissiger Jahren bis jetzt sehr regelrnässig verlaufen ist : Die wachsende Einwohnerzahl, die fortschreitende Mechanisierung und Automatisierung in Industrie, Landwirtschaft, Gewerbe und Haushalt und die Erhöhung des Realeinkommens in breiten Schichten werden auch in Zukunft zur vermehrten Anwendung der Elektrizität führen; auf der anderen Seite können auch Sättigungserscheinungen bei einigen Anwendungsgebieten eine Verlangsamung des Zuwachses bewirken.

So behält die Zuwachsrate des Konsumes für einen nicht unerheblichen Teil einen hypothetischen Charakter.

Die Berechnungen für den voraussichtlichen Inlandkonsum, die unabhängig voneinander vom Eidgenössischen Amt für Energiewirtschaft und von den «Zehn» durchgeführt worden sind, zeigen bis zum Jahre 1969/70 praktisch keine Differenz und bis zum Jahre 1975/76 mit etwas höheren Annahmen des Amtes eine sehr kleine Differenz; diese ist geringer als die Unsicherheit, die im Hinblick auf verschiedene Einflussmöglichkeiten, insbesondere im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes bestehen bleibt.

2. Die Schätzungen über die Grosse der Wasserkräfte, die wirtschaftlich noch ausbauwürdig sind, haben - zum Teil auch unter Berücksichtigung des Landschaftsschutzes - im Laufe der letzten Jahre erhebliche Reduktionen erfahren und werden sich noch weiter ändern.

Noch mehr zwingen zurzeit die Verteuerung der Erstellungskosten und die Erhöhung des Kapitalzinses, die einen wesentlichen Einfluss auf die Gestehungskosten der hydroelektrischen Energie ausüben, auf gewisse Projekte zu verzichten, auf die man eventuell später wieder zurückkommen wird.

Projektierte Laufkraftwerke, die im Vergleich zu konventionellen thermischen Kraftwerken
oder Kernkraftwerken zu teuer sind, könnten zum Beispiel im Zusammenhang mit der Einführung der Binnenschiffahrt oder der Deckung des lokalen Energiebedarfes wieder Interesse finden.

Ferner ist es nicht ausgeschlossen, dass Speicherkraftwerke, die zurzeit allein in der Lage sind, auf wirtschaftliche Weise Belastungsschwankungen zu decken, in vermehrtem Masse benötigt werden, wenn zur Deckung der Spitzenbelastung viel höhere Leistungen als jetzt erforderlich sind.

3. Die Änderungen, die im Laufe der nächsten Jahre bei den Bau-, Maschinen- und Apparatekosten, bei den Preisen für die Brennstoffe und Spaltstoffe und beim Kapitalzins auftreten, und der technische Fortschritt, den man bei den

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verschiedenen Typen der thermischen Kraftwerke - das heisst bei den konventionellen und besonders bei den nuklearen Kraftwerken - erwarten darf, werden die Entscheidungen beeinflussen, die auf dem Gebiet der Produktion der Energie zu treffen sind, da ja das Ziel zu erreichen ist, elektrische Energie in genügender Menge und zu den bestmöglichen Bedingungen zu liefern.

Die angeführten Gründe zeigen, dass es ausgeschlossen ist, für einen Zeitraum, der sich bis zum Jahre 1975/76 erstreckt, ein starres Programm für den Ausbau von Kraftwerken und Übertragungsanlagen aufzustellen, die zur Dekkung des jeweiligen Elektnzitätsbedarfes benötigt werden.

In der Schlussbetrachtung zu ihrer Studie zeigen die «Zehn» zwar, dass im Jahre 1975/76 neben der Energie, die aus den bestehenden, den zurzeit im Bau befindlichen und in der Zwischenzeit erstellten Wasserkraftwerken anfällt, bei mittlerer Wasserführung zusatzlich im Winterhalbjahr etwa 7,1 Milliarden kWh, im Sommerhalbjahr etwa 4,0 Milliarden kWh, total also etwa 11,1 Milliarden kWh zur Verfügung stehen müssen, weisen aber auch zugleich mit allem Nachdruck auf den unsicheren Charakler der Prognosen für die Entwicklung des Bedarfes undfür die Möglichkeiten zu seiner Deckung hin.

Die Kommission teilt diese Auffassung; sie ist der Ansicht, es sei besonders notwendig, dass die Werke, die die Aufgabe haben, elektrische Energie zu liefern, fortfahren, sich regelmässig zu verstandigen, um ihre Ausbauprogramme aufeinander abzustimmen und sie der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes anzupassen, damit auch in Zukunft die Industrie, das Gewerbe, die Landwirtschaft und die Haushaltungen wie bisher ausreichend, möglichst sicher und möglichst preisgünstig mit elektrischer Energie beliefert werden können.

IH. Konventionelle thermische Kraftwerke oder Kernkraftwerke Es ist notwendig, den Ausbau der w irtschaftlich nutzungswürdigen Wasserkräfte schon aus Gründen der Unabhängigkeit unserer Elektrizitätsversorgung zu vollenden ; andererseits ist man darüber einig,dassinrelativ kurzer Frist die gesamte Zunahme des Bedarfes an elektrischer Energie durch Kernkraftwerke gedeckt werden wird. Es besteht jedoch eine Divergenz in bezug auf die Höhe der Totalleistung der auszubauenden konventionellen thermischen Kraftwerke.

Währen die Studie der «Zehn» die Ansicht vertritt, dass konventionelle thermische Kraftwerke bis zu einer Totalleistung von etwa 900 MW - zum Beispiel 3 Kraftwerke mit einer installierten Leistung von je 300 MW - erstellt werden sollten, würde das Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement gerne die Zahl dieser Werke auf ein oder im Maximum zwei reduziert sehen.

Im wesentlichen lassen sich die technischen Vor- und Nachteile der beiden Kraftwerktypen-konventionell-thermischer oder atomarer Bauart-in folgender Weise zusammenfassen :

954 a. Betriebssicherheit Es darf angenommen werden, dass die Betriebssicherheit bei beiden Kraftwerktypen gegenwärtig gleich gross ist.

b. Brennstoffbedarf, Transport und Lagerung der Brennstoffe In dieser Hinsicht sind die Kernkraftwerke deutlich im Vorteil. Eine konventionell-thermische Gruppe mit einer Leistung von 300 MW verbraucht täglich 2400 t Kohle oder 16001 Öl, während ein Reaktor für eine Gruppe gleicher Leistung nur etwa 0,041 leicht angereichertes Uran benötigt.

Aus diesen Zahlenangaben geht deutlich hervor, dass für den Transport und die Lagerung nuklearer Energie im Vergleich zu Kohle oder Öl nur verschwindend kleine Gewichte und Volumina erforderlich sind - ein Vorteil, der in wachsendem Masse geschätzt werden wird, je mehr in zukünftigen Jahren der Anteil der in thermischen Kraftwerken produzierten Energie zur Deckung des steigenden Inlandbedarfes zunehmen muss; im besonderen Masse wirken sich die Lagerung und der Transport nuklearer Energie für die Sicherung der Landesversorgung günstig aus, wenn in krisenhaften oder kriegerischen Zeiten die Zufuhr von Kohle oder Öl reduziert oder unterbunden wird.

c. Auswirkungen des Betriebes auf die Umwelt Bei den Verbrennungsprozessen in den Kesselanlagen konventioneller thermischer Kraftwerke lässt sich trotz bester technischer Ausführung und Wartung der Feuerungsanlagen der Ausstoss von Schwefeldioxydgasen bei der Verbrennung von Öl bzw. von Ascheteilen bei der Verbrennung von Kohle aus den Rauchkaminen nicht gänzlich vermeiden; die Befürchtungen, die in der Öffentlichkeit bei der Publikation von Projekten für den Bau solcher Werke auftauchen, sind jedoch oft übertrieben, da die Behörden, die für die Bau- und Betriebsbewilligung zuständig sind, zusammen mit der Eidgenössischen Kommission für Lufthygiene rechtsverbindliche Vorschriften zur Reinhaltung der Luft aufstellen und die maximalen Eingrenzungswerte festlegen, mit denen in der näheren und weiteren Umgebung des Kraftwerkes jegliche Gefährdung von Mensch, Tier, Land- und Fortswirtschaft vermieden wird.

Das «Bundesgesetz über die friedliche Verwendung der Atomenergie und den Strahlenschutz» sowie die «Verordnung über den Strahlenschutz» setzen für die Bewilligung, die Errichtung und den Betrieb von Atomkraftwerken sowie für die Lagerung und den Transport von SpaltstofFen und
Spaltstoffrückständen Regeln fest, welche den Schutz des Betriebspersonals und der Bevölkerung vor den Wirkungen der radioaktiven Strahlung sicherstellen.

Die Radioaktivität der Luft, der Niederschläge, der Gewässer und des Bodens werden durch die Eidgenössische Kommission zur Überwachung der Radioaktivität dauernd überprüft; Bewilligung, Errichtung und Betrieb von Atomanlagen werden durch die Eidgenössische Kommission für die Sicherheit von Atomanlagen sowie durch die kantonalen Baudirektionen überwacht. Da es technisch möglich ist, jegliche Gefährdung von Menschen und Gütern durch

955 radioaktive Strahlung zu vermeiden, und da die notwendigen Aufsichtsbehörden vorhanden sind, kann der Bau von Atomkraftwerken unbedenklich an die Hand genommen werden.

d. Herkunft der Maschinen, Installationen und der Brennstoffe Während für konventionelle thermische Kraftwerke alle Anlageteile von inländischen Firmen hergestellt und geliefert werden können, müssen für Kernkraftwerke zurzeit wesentliche Tei le der Reaktoren und die Brennstoffelemente aus dem Ausland bezogen werden; dabei entfallen zum Beispiel in einem Kraftwerk mit einem Leichtwasserreaktor für eine Leistung von 300 MW auf die ausländischen Lieferungen für den Reaktor und die erstmalige Ausrüstung mit Spaltstoffelementen etwa 30 Prozent der Gesamtkosten des Werkes, so dass für Aufträge an inländische Industrie- und Bauunternehmen etwa 70 Prozent verbleiben.

Die Brenn- bzw. Spaltstoffe für den Betrieb der thermischen Kraftwerke müssen aus dem Ausland bezogen werden; dabei soll darauf hingewiesen werden, dass Kohle und Öl von zahlreichen Herkunftsländern geliefert werden können, während das angereicherte Uran für die Leichtwasserreaktoren, die zurzeit in unserem Land im Vordergrund des Interesses stehen, vorläufig vorwiegend von der staatlichen Atomenergiekommission der USA (USAEC) bezogen werden kann. Die dadurch entstehende einseitige Abhängigkeit in der Belieferung mit Spaltstoffen wird gemildert durch ein bilaterales Abkommen, mit dem die USA die Versorgung der bis heute dem Bundesrat angemeldeten schweizerischen Reaktorbauvorhabenfür die nächsten 30 Jahre sicherstellen und die Möglichkeit bieten, anderwärts erworbenes Natururan in den Anlagen der USAEC anreichern zu lassen.

Durch den Import der Rohenergie für die thermischen Kraftwerke wird die Handelsbilanz natürlich belastet, und zwar - unter der Annahme der gleichen Produktion an elektrischer Energie - bei der Einfuhr von Kohle und Öl in ungefähr doppeltem Masse als bei der Einfuhr von Spaltstoffen; wie geringfügig indessen die Belastung der Handelsbilanz durch den zusatzlichen Rohenergieimport für die Elektrizitätsversorgung ist, kann daraus abgelesen werden, dass im Jahre 1964 der Wert unserer gesamten Einfuhren nur um etwa 0,3 bis 0,45 Prozent erhöht worden wäre, wenn bereits drei konventionelle thermische Kraftwerke mit einer Totalleistung von 900 MW und einer
Benutzungsdauer von 4000 bis 6000 hfürölfeuerung in Betrieb gewesen wären.

e. Gestehungskosten der Energie Der Vergleich der Gestehungskosten der elektrischen Energie bei den verschiedenen Kraftwerktypen ist oft schwierig und problematisch : Zunächst ist aus den publizierten Angaben für die Anlagekosten häufig nicht klar erkennbar, ob und in welcher Höhe zum Beispiel der Landerwerb, die Erschliessung des Geländes, die Baugrundsondierungen, die Kühlwasseranlagen, die Schaltanlagen für den Abtransport der Energie, die Lagereinrichtungen für die Brennstoffreserve, die Dienstwohnhäuser, die Kosten für die Projektierung, Bauleitung und In-

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betriebsetzung, die Aufwendungen für die Kapitalbeschaffung sowie die Bauzinsen und die Verteuerung während der Bauzeit in ihnen enthalten sind; ferner werden die Produktionskosten in hohem Masse durch die Annahmen beeinflusst, die für den Kapitalzins, die Amortisationsdauer, die Personal- und Verwaltungskosten und die Reparatur- und Unterhaltskosten sowie für die Kosten des Brennstoff- bzw. Spaltstoffeinsatzes getroifen werden.

Nach eingehender Diskussion über die in der Studie der «Zehn» veröffentlichten Angaben und über die Ergebnisse von Untersuchungen, die von einigen Mitgliedern durchgeführt worden sind, stellt die Kommission allgemein fest, dass die Gestehungskosten der in Kernkraftwerken produzierten elektrischen Energie in den letzten Jahren erheblich reduziert worden sind und dass mit fortschreitender Entwicklung weitere Reduktionen zu erwarten sind.

Nachdem die Kommission die publizierten Angaben diskutiert und die Ergebnisse einiger Studien, die von mehreren Mitgliedern durchgeführt wurden, berücksichtigt hat, kam sie zum Schluss, dass die Gestehungskosten der Energie für beide Kraftwerke bei einer installierten Leistung von 300 MW und bei einer Ausnutzungsdauer, die im Laufe der letzten Jahre ständig abgenommen und gegenwärtig 5000-6000 h erreicht hat, ungefähr gleich hoch sind. Für die Grundlasterzeugung - dafür sprechen Argumente technischer Art, die nun überwiegen müssen - rechtfertigt sich die systematische Einführung der Kernspaltung als Quelle für die zukünftige Deckung des Energiebedarfes der Schweiz.

In der angegebenen Grössenordnung von 5000-6000 Betriebsstunden pro Jahr entfallen bei den ölgefeuerten Kraftwerken etwa 60 Prozent der Produktionskosten auf die Brennstoffkosten, und etwa 40 Prozent auf die fixen Kosten des Werkes, bei den Kernkraftwerken gerade umgekehrt etwa 30 Prozent auf die Spaltstoffkosten und etwa 70 Prozent auf die fixen Kosten ; daraus geht eindeutig hervor, dass zurzeit unterhalb des Bereiches von 5000-6000 Stunden die konventionellen thermischen Kraftwerke, oberhalb die Kernkraftwerke wirtschaftlich vorteilhafter sind.

Für die Deckung der Grundlast des zunehmenden Elektrizitätsbedarfes werden so Kernkraftwerke erstellt werden müssen, daneben aber könnten auch konventionelle thermische Kraftwerke aus folgenden Gründen zweckmässig sein: Nach dem
glacialen Charakter in den Abflussverhältnissen unserer Flussläufe zeichneten sich bisher die Sommerhalbjahre durch Produktionsüberschüsse der Wasserkraftwerke aus ; trotz weiterem Ausbau der nutzungswürdigen Wasserkräfte werden diese durch den zunehmenden Inlandkonsum sukzessive reduziert werden. Bis zum Jahre 1975/76 wird, wie bereits unter II angegeben worden ist, sogar ein Manko gegenüber der durchschnittlichen Erzeugungsmöglichkeit in den hydraulischen Kraftwerken von etwa 4 Millionen kWh erwartet.

In der gleichen Zeit wird das schon jetzt bestehende Manko in den Winterhalbjahren gegenüber der durchschnittlichen Produktionsmöglichkeit der Wasserkraftwerke auf etwa 7, l Milliarden kWh ansteigen.

Schon im Jahre 1969/70 ist nach den Schätzungen und Annahmen der «Zehn» das Manko im Winterhalbjahr um etwa 1,6 Milliarden kWh grösser als

957 das Manko im Sommerhalbjahr und erhöht sich nach den oben angegebenen Zahlen auf etwa 3,1 Milliarden kWh im Jahre 1975/76.

Da nicht zu erwarten ist, da&s sich die zunehmenden Fehlbetrage in den Winterhalbjahren allein durch Energieimporte decken lassen, kann die Erstellung einiger konventioneller thermischer Kraftwerke ins Auge gefasst werden, da sie für diese Aufgabe, die mit niedriger Benutzungsdauer zu erfüllen ist, die wirtschaftlich besten Voraussetzungen bieten.

Zugleich würden die konventionellen thermischen Kraftwerke eine günstige Reserve für den Ausgleich der hydraulischen Energieproduktion zwischen nassen und trockenen Perioden darstellen.

/. Ausbauleistung der kon ventionellen thermischen Kraftwerke Nachdem die Kommission sich eingehend mit den Gründen beschäftigt hat, die für die mögliche Errichtung von konventionellen thermischen Kraftwerken sprechen, ist sie zum Schluss gekommen, dass es im gegenwärtigen Moment nicht zweckmässig ist, sich für einen Zeitraum von 12 Jahren auf eine bestimmte Totalleistung festzulegen.

Je nachdem wie die Erstellungskosten für konventionelle thermische Kraftwerke und für Kernkraftwerke und die Preise für die Brenn- und Spaltstoffe sich ändern, können sich Verschiebungen nach der einen oder der anderen Richtung als vorteilhaft erweisen.

So empfiehlt die Kommission, das zu lösende Problem sorgfältig zu verfolgen und sich darauf zu beschränken, nur jene konventionellen thermischen Kraftwerke zu erstellen, die in wirtschaftlicher Hinsicht gerechtfertigt sind.

IV. Optimale Leistung der Kernkraftwerke Die Gestehungskosten der in Kernkraftwerken produzierten Energie vermindern sich mit wachsender Grosse der installierten Leistung, zunächst sehr stark, dann aber reduziert sich die prozentuale Abnahme, je höher die betreffende Kraftwerkleistung wird.

Wenn ausgehend von einem bestimmten Typ eines Kernkraftwerkes die Energiegestehungskosten aus einem Werk mit 300 MW installierter Leistung gleich 100 Prozent gesetzt werden, so verhalten sich die Gestehungskosten der elektrischen Energie zur Grosse der in einem Kernkraftwerk installierten Leistung angenähert wie folgt : Kraftwerkleistung in einem Block von.

50 MW 150 MW 300 MW 450 MW 600 MW

Gestehungskosten der elektrischen Energie

200% 130% 100% 85% 80%

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Die Gestehungskosten der produzierten Energie sind nicht das einzige Kriterium, das bei der Auswahl der im Kraftwerk zu installierenden Leistung zu beachten ist; es müssen auch die Kosten für die Energieübertragung und für die Ersatzenergie, die für den Fall einer Störung benötigt wird, berücksichtigt werden.

Die grossen Länder, die an uns grenzen, verfügen in dieser Hinsicht über eine bessere Aktionsfreiheit und können die Leistung ihrer Werke - der konventionellen oder der nuklearen Werke - vergrössern, ohne das Risiko einer schweren Störung bei Ausfall eines Kraftwerkes einzugehen.

Gemessen am schweizerischen Leistungsbedarf wäre es zurzeit nicht sinnvoll, in einem Kraftwerk einen Block mit einer Leistung von 600 MW, die etwa 15 Prozent der gegenwärtigen maximalen Belastungsspitze für die Inlandversorgung entspricht, aufzustellen, da ein unvorhergesehener Ausfall dieser Leistung die Elektrizitätsversorgung des Landes desorganisieren könnte.

An grössere Blockleistungen als zurzeit könnte man denken, je mehr der Konsum elektrischer Energie in der Schweiz ansteigt.

Ferner stellt sich die Frage, ob es zweckmässig ist, Kernkraftwerke in der Nähe des Schwerpunktes des Konsums einer einzelnen Region oder im Gegenteil Kraftwerke mit grösserer Leistung für mehrere Regionen zu erstellen. Die Kommission hat diese Frage an einigen praktischen Beispielen studiert und dabei besonders beachtet : 1. die Reduktion der Gestehungskosten mit zunehmender Kraftwerkleistung; 2. die Kosten der Leistungsreserve, die - sei es durch bauliche oder vertragliche Vorkehrungen - für den Fall einer Störung bereitgestellt sein muss ; 3. die Kosten des Energietransports von den Kraftwerken zu den Konsumzentren.

Die Kommission ist zum Schluss gekommen, dass die Wahl einer Leistung von etwa 300 MW bis 350 MW bei den Kraftwerken, die gegenwärtig im Projektstadium oder vor der Ausführung stehen und in der Nähe von Konsumschwerpunkten erstellt werden sollten, wirtschaftlich und vernünftig ist; zugleich wird damit die Zahl der zusätzlichen Übertragungsleitungen hoher Spannungen auf ein Minimum beschränkt.

Solange sich unsere Elektrizitätswerke aus den dargelegten Gründen mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der Landesversorgung in der Wahl der Blockleistung beschränken müssen, könnte der Vorteil niedriger Gestehungskosten, die mit
grösseren Blockleistungen erzielt werden, durch die gemeinsame Errichtung grosser Kernkraftwerke in der Form von Partnergesellschaften unter Mitwirkung ausländischer Elektrizitätsversorgungsunternehmen gewonnen werden; ob nun ein solches Partnerwerk auf inländischem oder ausländischem Boden errichtet wird, so treten dabei vielfältige Fragen technischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Art auf, die in allgemeiner Form nicht beantwortet werden können, sondern in jedem Einzelfall anhand des konkreten Projektes und des konkreten Vertragsentwurfes geprüft werden müssen.

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V. Einfluss eines internationalen Konfliktes auf den schweizerischen Energiekonsum Wenn man auf die Energieversorgung unseres Landes in den Jahren 1938 und 1945 - das heisst im Jahre vor Beginn und im Jahre der Beendigung des 2. Weltkrieges -zurückblickt, so stellt man fest, dass der Verbrauch an Brenn- und Treibstoffen durch einschneidende Rationierungsmassnahmen im Laufe der Kriegszeit bis 1945 auf ca. 60 Prozent des Verbrauches des letzten Friedensjahres 1938 gesenkt werden musste, da die Importe an festen Rohenergieträgern (Kohleund Kokssorten) und an flüssiger Rohenergie (Benzin, Heiz- und Dieselöle) von Jahr zu Jahr erheblich zurückgingen und die Inlandproduktion an Brennholz, Kohlen und Torf trotz Ausschöpfung aller vorhandenen Möglichkeiten den Importausfall nur zum geringen Teil ersetzen konnte.

In dieser Situation stieg mit zunehmender Mangellage auf dem Sektor der Brennstoffversorgung die Nachfrage nach elektrischer Energie und konnte auch weitgehend erfüllt werden, da die Produktionskapazität der einheimischen Wasserkraftwerke in den Krisenjahren vor dem II. Weltkrieg nicht voll ausgenutzt worden w ar, die Ausfuhr elektrischer Energie in den Kriegsjahren fortlaufend reduziert werden konnte und einige bei Kriegsbeginn im Bau befindliche Werke fertiggestellt wurden.

So konnte der Konsum elektrischer Energie, der nur wegen ungünstiger Wasserdarbietung in den Wintern 1941/42, 1942/43 und 1943/44 in relativ geringem Umfange und w ährend relativ kurzer Zeit eingeschränkt werden musste1), von 1939 bis 1945 von etwa 4,9 TWh auf 7,6 TWh, das heisst um etwa 56 Prozent zunehmen ; zugleich bewirkte die vermehrte Anwendung der Elektrizität, deren Umwandlung in die Verbrauchsform mit höheren Wirkungsgraden als bei den festen und flüssigen Brennstoffen erfolgt, dass der gesamte Nutzenergieverbrauch des Landes bis zum Kriegsende nur auf etwa 75 Prozent des Vorkriegsverbrauches gesenkt werden musste.

So einschneidend und lähmend auch die Reduktion im Nutzenergieverbrauch um etwa 25 Prozent im Laufe des Krieges auf allen Gebieten des privaten und wirtschaftlichen Lebens wirkte, so muss doch darauf hingewiesen werden, dass wir im Falle des Ausbruches eines neuen Weltkrieges allein auf dem Sektor der Energieversorgung vor einer wesentlich schwierigeren Situation stehen, da in der Zwischenzeit die
Rohenergieimporte mit Ausnahme von wenigen Jahren, in denen sich ein leichter Rückgang abzeichnete, fortlaufend erheblich angestiegen sind und im Jahre 1965 eine Energiemenge von etwa 91000 Tcal2), das heisst mehr als das dreifache der Energieimporte des Jahres 1938 erreichten. Weitere Zunahmen der Rohenergieimporte, die in der Regel auch dem jährlichen Rohenergieverbrauch entsprechen, werden für die Zukunft erwartet.

*) Die grossten Einschränkungen während der Periode der Kriegswirtschaft waren im Winter 1946/47 zu verzeichnen. Im Februar 1947 kam wegen der auferlegten Einschränkungen nicht nur die normale Verbrauchszunahme zum Stillstand, sondern der Stromkonsum ging im Vergleich zum Verbrauch im Februar 1946 um 13% zurück.

2 ) l Tcal = l Terakalorie = l Milliarde Kilokalorien

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Diese starke Auslandabhängigkeit unserer gesamten Energieversorgung wird in den kommenden Jahren noch verschärft werden, da auf dem Sektor der Versorgung mit elektrischer Energie zur Ergänzung der Produktion unserer einheimischenWasserkräfte mehr und mehr Brenn- oder Spaltstoffe zur Elektrizitätserzeugung in thermischen Kraftwerken eingeführt werden müssen.

So zeigen die in der Studie der «Zehn» publizierten Energiebudgets, dass neben der Energie, die aus den bestehenden, den zurzeit im Bau befindlichen und in der Zwischenzeit gebauten Wasserkraftwerken anfällt, im Stichjahr 1969/70 im Winterhalbjahr 1700 GWh und im Sommerhalbjahr 100 GWh und im Stichjahr 1975/76 7100 GWh bzw. 4000 GWh zusätzlich zur Verfügung stehen müssen, wenn der Konsum elektrischer Energie in ungefähr gleichem Masse wie bisher ansteigt. Diese Zahlen gelten für mittlere Abflussverhältnisse, können aber nach oben oder unten Abweichungen in der Grössenordnung von 2500 GWh im Winter bzw. 3000 GWh im Sommer erfahren, da die in den hydraulischen Kraftwerken erzeugbaren Energiemengen in Perioden ungünstiger Wasserführung bis zu 20 Prozent reduziert und bei günstiger Wasserführung bis zu ca. 15 Prozent erhöht werden können.

Wie sich im Falle eines internationalen Konfliktes, von dem unser Land betroffen wäre, der Bedarf an elektrischer Energie entwickelt, kann nicht mit genügender Sicherheit vorausgesagt werden, da ihn zu viele Faktoren beeinflussen, je nachdem ob und wie weit noch ein Handelsaustausch mit dem Ausland möglich ist, wie weit die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte durch Rückwanderung und die Zahl der inländischen Arbeitskräfte durch Militärdienst zurückgeht, wie einschneidend die Abschnürung von den Rohstoff- und Energiemärkten wirkt und bis zu welchem Grade die industrielle Produktion aufrechterhalten werden kann.

Wenn man unter extremen Verhältnissen annimmt, dass auf der einen Seite jegliche Zufuhr an Rohenergie unterbunden ist und auf der anderen Seite der Elektrizitätsbedarf im bisherigen Masse steigt, bieten die Kernkraftwerke mit den Energiemengen, die sich noch in den Spaltstoffelementen der in Betrieb stehenden Reaktoren und in den auf Lager gehaltenen Elementen befinden, eine grössere Sicherheit für die Versorgung des Landes über längere Zeit als die konventionellen thermischen Kraftwerke, bei denen in
der Regel ein Brennstofflager für einen Halbjahresbedarf vorgesehen wird; denn mit Kernkraftwerken, die mit Leichtwasserreaktoren ausgeführt sind, würde eine komplette Spaltstoffladung einschliesslich Reserveteilladung einen Betrieb während etwa 3 Jahren erlauben.

In diesem Zusammenhang soll auch darauf hingewiesen werden, dass es nicht mehr wie während des II. Weltkrieges sinnvoll wäre, zur Deckung desjenigen Wärmebedarfes, für den in normalen Zeiten importierte Brennstoffe verwendet werden, elektrische Energie heranzuziehen, sofern sie nicht aus Überschüssen der hydraulischen Kraftwerke stammt, sondern in konventionellen thermischen oder in nuklearen Kraftwerken erzeugt werden muss ; denn die Vorräte, die im Inland bei Ausbruch eines internationalen Konfliktes an Brenn- und

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Spaltstoffen für die Elektrizitätserzeugung vorhanden sind, müssen je nach der gegebenen Situation auf längere Zeit erstreckt und in erster Linie zur Deckung des lebensnotwendigen Bedarfes verwendet werden, bei dem die Elektrizität nicht durch andere Energieträger ersetzbar ist.

Allgemein macht die Kommission nachdrücklich darauf aufmerksam, dass die Sicherung der Energieversorgung des Landes in krisenhaften oder kriegerischen Zeiten nicht den Elektrizitätswerken allein aufgebürdet werden kann, sondern dass sich alle Energieträger an der Vorsorge für solche Zeiten beteiligen müssen.

VI. Pumpwerke Pumpeinrichtungen in Verbindung mit Speicherkraftwerken dienen zur Verbesserung der Energiequalität, wobei Werke für saisonale Speicherung, das heisst für Pumpbetrieb im Sommer und Turbinenbetrieb im Winter, und Werke für kurzzeitige Umwälzung, das heisst für Pumpbetrieb in Schwachlastzeiten (Nacht- und Wochenendstunden) und Turbinenbetrieb in Spitzenlastzeiten zu unterscheiden sind.

In beiden Fällen wird nur «überschüssige» Energie zum Pumpen verwendet, das heisst nur solche Energie, die auf dem Markt keinen Absatz zu angemessenem Preis findet, aber mit der unter Einrechnung der anteiligen Kosten der Pumpanlage und des Wirkungsgrades des Pumpen-Turbinenbetriebes wertvolle Winterspeicherenergie bei der saisonalen Speicherung bzw. wertvolle Tagesspitzenenergie beim Umwälzbetrieb zu preisgünstigen Bedingungen produziert werden kann.

Pumpanlagen für saisonale Speicherung, die mit «überschüssiger» Laufenergie unserer Wasserkräfte betrieben werden, sind in zahlreichen Speicherkraftwerken installiert; dagegen wurden - abgesehen von Einzelfällen - Pumpanlagen für Umwälzbetrieb bisher nicht benötigt, da unsere Speicherkraftwerke mit relativ grossen Leistungen ausgebaut sind und u. a. einen recht hohen Anteil an Sommerenergieproduktion aufweisen, so dass sie während des ganzen Jahres sowohl die täglichen Höchstbelastungen als auch die tägliche Spitzenenergie decken können ; für beide Zwecke sind für die nächsten Jahre reichliche Reserven in den bestehenden und im Bau befindlichen Speicherkraftwerken vorhanden.

Der Pumpbetrieb könnte im Zusammenhang mit der Erstellung von Kernkraftwerken grösseres Interesse finden, sofern die von ihnen erzeugte Bandenergie nicht zu allen Jahres- und Tageszeiten abgesetzt werden
kann; jedoch zeigen die voraussichtlichen Belastungsdiagramme, die in der Studie der «Zehn» für je einen mittleren Winter- und Sommertag der Stichjahre 1969/70 und 1975/76 aufgestellt sind, dass sich dieses Problem bis zu den betrachteten Jahren in gesamtschweizerischer Sicht kaum stellen wird.

Wenn auch der systematische Ausbau von Pumpwerken vorerst nicht in Erwägung gezogen werden muss, so kann doch ein wirtschaftliches Interesse an der Erstellung solcher Anlagen vorhanden sein, um hochwertige Energie für

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den Inlandbedarf oder für den Export erzeugen zu können. Die Kommission empfiehlt, die Möglichkeiten, die sich für den Bau von Pumpwerken bieten, zu studieren.

VII. Verschiedene Fragen In diesem Kapitel werden die übrigen Fragen, die vom Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement gestellt worden sind, behandelt : 1. Naturschutz und Kraftwerkbau

Wie jedes Bauwerk, vor allem jedes industrielle Bauwerk, verändert auch ein Kraftwerkbau das Landschaftsbild, aber da die Elektrizität als Dienerin im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben für das allgemeine Wohl unentbehrlich geworden und so die Erstellung von Kraftwerken zu ihrer Erzeugung unerlässlich ist, muss man sich darauf beschränken, die entstehenden Inkonvenienzen auf ein Minimum zu reduzieren ; dazu gehört zunächst eine so sorgfältige Gestaltung der baulichen Anlagen der Werke, dass sie sich möglichst unauffällig in das Landschaftsbild einfügen und dort nicht als Fremdkörper erscheinen.

Bezüglich der Beeinflussung von Wasser und Luft wollen wir folgendes bemerken: Bei der Erstellung hydraulischer Kraftwerke muss vor allem eine allfällige Auswirkung auf das Gundwasser geprüft werden; ferner ist zu untersuchen, in welchem Ausmass die häuslichen, gewerblichen und industriellen Abwässer, die in den auszunutzenden Flusslauf eingeleitet werden, das Gewässer verschmutzen und zweckmässig in Kläranlagen gereinigt werden sollten. Im Falle der Ableitung oder Speicherung ist es Sache der Konzessionsbehörde, die minimale Wassermenge, die im Flussbett gelassen werden muss, festzusetzen.

Die thermischen Kraftwerke konventioneller oder nuklearer Bauart benötigen für ihren Betrieb bedeutende Kühlwassermengen. Wenn das Kühlwasser Flussläufen entnommen und in diese wieder zurückgeleitet wird, sind die Massnahmen aufmerksam zu prüfen, die allenfalls zu ergreifen sind, um unzulässige Aus Wirkungen für die Flussläufe zu vermeiden.

Das Risiko der Wasserverschmutzung durch die Lagerung von Heizöl für ölgefeuerte thermische Kraftwerke ist gleich gross wie bei allen Tankanlagen für flüssige Brennstoffe; bei Einhaltung aller Vorschriften, die für den Bau und Betrieb grosser Tankanlagen aufgestellt sind, ist das Risiko ausserordentlich klein.

Die Auswirkungen beim Betrieb konventioneller thermischer Kraftwerke mit Kohle- oder Ölfeuerung auf die Umgebungsluft und die rechtsverbindlichen Vorschriften, in denen die maximalen Eingrenzungswerte enthalten sind, haben wir bereits unter III c erwähnt ; wir wollen hier nur hinzufügen, dass im Ausland unzählige konventionelle thermische Kraftwerke erstellt worden sind, deren Betrieb zu keinen Beanstandungen Anlass gibt, und dass industrielle Betriebe, deren Fabrikationsprozesse mit unangenehm riechender Gasentwicklung oder starkem

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Rauchausstoss verbunden sind, die Motorfahrzeuge und Raumheizungsanlagen wesentlich mehr zur Luftverunreinigung beitragen als die konventionellen thermischen Kraftwerke, deren Feuerungsanlagen nach dem neuesten Stand der Technik erstellt und mit modernsten Überwachungseinrichtungen ausgerüstet sind und dauernd von fachkundigem und geschultem Personal bedient werden.

2. Konjunkturpolitik

Die folgende Tabelle vermittelt eine Bewertung der drei Kraftwerktypen nach verschiedenen konjunkturpohtisch relevanten Kriterien. Dabei soll mit der Ziffer l die geringste und mit der Ziffer 3 die stärkste Beanspruchung des Kapitalund Arbeitsmarktes gekennzeichnet werden :

Kapitalbedarf

Hydraulische Kraftwerke

Konventionellthermische Kraftwerke

Nukleare Kraftwerke

3

l

2

Aufträge an : - Maschinen u n d Elektroindustrie 1 - Baugewerbe 3 Personalbedarf für : - Erstellung der Anlagen 3 - Betrieb der Anlagen l Bauzeit von Auftragsvergebung bis Inbetriebnahme 3

2

3

l

2

l 3

2 3

l

2

Die Bewertung mit den Ziffern l, 2 und 3, die sich auf Kraftwerke gleicher Leistung mittlerer Grosse bezieht, gibt natürlich nur einen approximativen Anhaltspunkt. Immerhin zeigt sie, dass vom Bau der Kraftwerke je nach Kraftwerkstyp unterschiedliche konjunkturelle Impulse bezüglich der Beanspruchung des Kapital- und Arbeitsmarktes ausgehen können.

In der Regel muss jedoch bei den Investitionen in der Elektrizitätswirtschaft den wachstumspolitischen Überlegungen der Vorrang vor den konjunkturpolitischen gegeben werden. Was das gesamte Bauvolumen der Werke anbelangt, muss sich das Energieangebot jederzeit nach der Entwicklung des Bedarfs richten, welcher vom allgemeinen Wirtschaftsverlauf und den Wettbewerbsverhaltnissen zwischen den Energieträgern bestimmt wird. Solange elektrische Energie in steigendem Masse nachgefragt wird, können die Produzenten im Kraftwerkbau keine Zurückhaltung üben, ja die Investitionen müssen sogar unter Einkalkulierung der notwendigen Bauzeiten der voraussichtlichen Bedarfszunahme vorauseilen. Aber auch hinsichtlich der Wahl zwischen den drei verschiedenen Kraftwerkstypen haben die konjunkturpolitischen Überlegungen hinter dem langfristig wichtigeren Gesichtspunkt der möglichst niedrigen Energiegestehungskosten zurückzutreten.

964 3. Verbundbetrieb mit dem Ausland

Der Verbundbetrieb mit dem Ausland erlaubt zunächst die bessere Ausnützung der technisch möglichen Produktion unserer Wasserkräfte, indem Exporte bei reichlicher Inlandproduktion in den Sommermonaten gegen Importe zu ihrer Ergänzung in den Wintermonaten ausgetauscht werden. Zugleich wird dadurch eine niedrigere Reservehaltung an Leistung und Arbeit zulässig, da die zahlreichen Verbundleitungen mit allen Nachbarländern eine gegenseitige Aushilfe im Falle von Betriebsstörungen in einem Kraftwerk gestatten. Da ferner der Energiebedarf sozusagen stetig zunimmt, die Produktionskapazität eines Kraftwerkes bei seiner Inbetriebnahme aber sprunghaft auf den Markt tritt, erfüllt der Verbundbetrieb eine ausgleichende Funktion, indem er die Überschüsse aufnimmt, wenn der Kraftwerkbau dem Inlandbedarf vorauseilt, bzw. die Fehlbeträge deckt, wenn der Kraftwerkbau dem Inlandbedarf nacheilt.

In der Studie der «Zehn» auf Seite 4, Punkt 4.7, werden diese Vorteile des Verbundbetriebes mit dem Ausland ausführlich dargelegt, zugleich aber auch darauf hingewiesen, dass die Elektrizitätsunternehmungen wohl diesen Energieaustausch b> j zu einem Mass, das mit Rücksicht auf die Unabhängigkeit der Versorgung nicht überschritten werden soll, weiterhin pflegen werden, in der Hauptsache aber darauf bedacht sind, den Landesbedarf aus eigenen Anlagen im Inland zu decken.

Diese Auffassung wird von der Kommission begrüsst und unterstützt.

4. Städtefernheizung

Für Städtefernheizungen dienen Heizkraftwerke, in denen Elektrizitätsund Wärmeerzeugung gekuppelt sind, oder spezielle Heizwerke; neben Dampfkesseln mit Brennstoffeuerung können als Wärmeerzeuger auch Reaktoren in Frage kommen, in denen ja die Kernenergie in Form von Wärme auftritt.

In nördlichen Ländern hat die Städtefernheizung breite Anwendung gefunden, da dort die tieferen Durchschnittstemperaturen der Aussenluft die Errichtung solcher Anlagen begünstigen und mit der Wärme-Kraft-Kupplung ein wesentlich höherer Wirkungsgrad bei der Umwandlung der BrennstofTenergie in Wärme und elektrische Energie als bei ihrer Umwandlung in elektrische Energie allein in Kondensationskraftwerken zu erzielen ist.

Da in unseren Verhältnissen die Erzeugung elektrischer Energie in thermischen Kraftwerken bisher praktisch uninteressant war, sind imVergleich mit Fernheizungen des Auslandes bei uns nur bescheidene Ansätze für Anlagen dieser Art zu finden ; einige Bedeutung haben nur die Fernheizkraftwerke der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich und der Städte Basel, Bern und Lausanne, für deren Ausbau im Falle der ETH die Verbindung mit Lehre und Forschung und im Falle der Städtewerke die Verbindung mit der Kehrichtbeseitigung massgebend war.

Wenn in Zukunft zur Deckung des Bedarfes an elektrischer Energie thermische (konventionelle oder nukleare) Kraftwerke erstellt werden müssen, wird die Städtefernheizung vermehrtes Interesse finden, jedoch in erster Linie in Köm-

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bination mit Kraftwerken kleiner und mittlerer Leistung, die in den Schwerpunkten des Wärmebedarfes errichtet werden und dabei zugleich Spitzenenergie für die Elektrizitätsversorgung der näheren Umgebung erzeugen können.

Obschon solche Fernheizungen, die mit relativ hohen Anlagekostenfür das Heizkraftwerk und das Wärmeübertragungsnetz erstellt werden müssen, nicht in jedem Falle zu besonders günstigen Wärme- und Elektrizitätspreisen führen, lohnt es sich doch, das Problem gründlich zu studieren, allein schon im Hinblick auf die Forderungen der Lufthygiene in Wohngebieten, die von einem Kraftwerk wesentlich besser erfüllt werden können als von zahlreichen Liegenschaftsheizungen mit unkontrollierter und häufig ausgesprochen schlechter Brennstoffverbrennung.

5. Entwicklung einer schweizerischen Reaktorindustrie

Die Industrie muss selbst entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen sie Reaktoren bauen will, was wahrend der Entwicklungszeit nach den Erfahrungen im Ausland wahrscheinlich nur mit Hilfe des Bundes möglich wäre. Die Kommission hat sich zu dieser Frage, die eine neue Etappe in dem permanenten Problem der Beziehungen zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor darstellt, nicht zu äussern.

In ihrer Studie haben die Elektrizitätsunternehmungen ihre Stellungnahme zum Kauf eines Reaktors schweizerischer Provenienz dargelegt (Studie der «Zehn», Seite 6, Punkt 5.6).

Die Kommission weist in diesem Zusammenhang auf die gegenseitige Abhängigkeit der verschiedenen Zweige der schweizerischen Wirtschaft und auf die Bedeutung hin, die ihnen für die Erhaltung der Prosperität des Landes zukommt, und würde es begrüssen, wenn die inländische Industrie in wenigen Jahren ihre Rea ktorentwicklung so weit fördert, dass sie annehmbare Offerten für den Bau von Atomkraftwerken abgeben kann, für deren Eingliederung in die schweizerische Elektrizitätsversorgung auch in Zukunft reichlich Platz vorhanden sein wird.

6. Kosten für den Ausbau der schweizerischen Elektrizitätsversorgung

Eine Berechnung der Kosten für den Ausbau der schweizerischen Elektrizitätsversorgung in den nächsten 10 Jahren könnte nur auf Grund konkreter Projekte durchgeführt werden; es ist jedoch nicht ohne Nutzen, in dem Zeitpunkt, in dem man sich Gedanken über die Höhe der in den verschiedenen schweizerischen Wirtschaftszweigen zu investierenden Kapitalien macht, wenigstens eine Grössenordnung anzugeben.

Auf Grund der voraussichtlichen Konsumzunahme und angemessener Annahmen für die Kosten der verschiedenen Kraftwerktypen kann man die totalen Investitionen für die Produktionsanlagen, die zwischen 1965 und 1975 zu erstellensind, auf ungefähr 5 Milliarden Franken schätzen (Preisbasis 1965).

Bundesblatt. 118. Jahrgang. Bd. II.

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Bis jetzt haben die Investitionen für die Übertragungs- und Verteilanlagen etwa einen Drittel der Kraftwerkkosten erreicht. Wenn man berücksichtigt, dass mit wachsendem Leistungsbedarf bei den Konsumenten die Hoch- und Niederspannungsnetze ausgebaut sowie viele ältere Anlagen zu teurerem Baupreis und in neu erschlossenen Wohngebieten mehr und mehr Freileitungen durch teurere Kabelleitungen ersetzt werden müssen, scheint die Annahme gerechtfertigt, dass die Investitionskosten für die Übertragungs- und Verteilanlagen in den nächsten 10 Jahren etwa 2,5 Milliarden Franken erreichen werden.

Für den Ausbau der schweizerischen Elektrizitätsversorgung werden also zwischen 1965 und 1975 etwa 7,5 Milliarden Franken beansprucht werden, von denen nur ein relativ bescheidener Teil durch Selbstfinanzierung gedeckt werden kann.

Bern, im März 1966.

Namens der Kommission für den Ausbau der schweizerischen Elektrizitätsversorgung, Der Präsident : Dr. b.c. E.Choisy

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Kommission für den Ausbau der schweizerischen Elektrizitätsversorgung

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1966

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

52

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

30.12.1966

Date Data Seite

950-966

Page Pagina Ref. No

10 043 500

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