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Bundesblatt

Bern, den 31. März 1966

118. Jahrgang

Band I

Nr. 13 Erscheint wöchentlich. Preis Fr. 36.- im Jahr, Fr. 20.- im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postzustellungsgebühr

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Genehmigung von sechs Übereinkommen des Europarates

(Vom I.März 1966) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren !

Wir beehren uns, Ihnen hiermit eine Botschaft über die Genehmigung von sechs Übereinkommen des Europarates zu unterbreiten : A. Allgemeines 1. Mit Botschaft vom 1. März 1965 hat der Bundesrat die Gründe dargelegt, welche die Schweiz veranlassen, den Beitritt zu den bisher vom Europarat ausgearbeiteten europäischen Übereinkommen zu prüfen und - soweit dem nichts entgegensteht - vorzunehmen.

Es wurde damals in Aussicht genommen, folgenden fünf weiteren Übereinkommen durch Unterzeichnung und Ratifizierung beizutreten : - dem Europäischen Auslieferungs-übereinkommen vom 13.Dezember 1957; - dem Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959; - dem Europäischen Übereinkommen über die Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates vom 13.Dezember 1957; - dem Europäischen Übereinkommen über die Abschaffung des Visumszwanges für Flüchtlinge vom 20. April 1959 ; - dem Europäischen Übereinkommen über den Reiseverkehr von Jugendlichen mit Kollektivpass zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates vom 16. Dezember 1961.

Die Schweiz hat diese fünf Übereinkommen am 29. November 1965 unterzeichnet.

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In der Zwischenzeit sind aber auch die Vorarbeiten für den Beitritt zum Europäischen Übereinkommen über die Internationale Klassifikation der Erfindungspatente vom 19. Dezember 1954 soweit gediehen, dass er vorgenommen werden kann. Es wurde von der Schweiz am 22. Oktober 1965 unterzeichnet.

2. Zu den Vertragsinstrumenten, an denen die Schweiz in besonderem Masse interessiert ist, gehören u. a. das Europäische Auslieferungs-Übereinkommen vom 13. Dezember 1957 und das Europäische Übereinkommen vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen.

Der Beitritt der Schweiz zu diesen Übereinkommen bringt, abgesehen von der wesentlichen Vereinfachung, die die Handhabung eines einzigen Vertragsinstrumentes für jede Materie im Verkehr mit allen Vertragsparteien bedeutet, den beachtlichen Vorteil, dass sowohl auf dem Gebiete der Auslieferung wie auch auf dem der Rechtshilfe eine Reihe von Fragen geregelt werden, die bisher weder gesetzlich noch staatsvertraglich geordnet sind. Zudem tritt die Schweiz damit gleichzeitig auch in ein Vertragsverhältnis zu den skandinavischen Staaten, mit denen bisher über keine dieser Materien Vereinbarungen bestanden haben.

Der Beitritt zu diesen beiden Übereinkommen erscheint daher als in hohem Masse wünschbar. Er kann indessen nicht ohne gewisse Vorbehalte erfolgen.

Beide Übereinkommen lassen ausdrücklich Vorbehalte zu allen ihren Bestimmungen zu. Die entsprechenden Erklärungen sind an den Generalsekretär des Europarates zu richten und können entweder bei der Unterzeichnung des Übereinkommens oder bei der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde abgegeben werden. Das Auslieferungs-übereinkommen ist am 18.April 1960 in Kraft getreten und bisher von Dänemark, Griechenland, Italien, Norwegen, Schweden und der Türkei ratifiziert worden. Das Rechtshilfe-Übereinkommen trat am 12. Juni 1962 in Kraft und wurde von den vier erstgenannten Staaten ebenfalls ratifiziert. Der Beitritt weiterer Staaten steht in naher Aussicht, so vor allem der Bundesrepublik Deutschland und der Niederlande. Die beiden Übereinkommen sehen vor, dass unter den Vertragsparteien bilaterale Abkommen über den gleichen Gegenstand aufgehoben sind. Solche bestehen im Verhältnis der Schweiz zu Italien, Griechenland und der Türkei, wobei der gleiche Vertrag jeweilen sowohl die Auslieferung wie auch die Rechtshilfe
in Strafsachen regelt. Die beiden Übereinkommen treten somit an Stelle der Auslieferungsverträge mit allen drei Staaten hinsichtlich der Auslieferung, während die Rechtshilfe-Bestimmungen des Auslieferungsvertrages mit der Türkei vorerst weiterhin in Geltung bleiben. Die Vertragsparteien können ferner zusätzliche Vereinbarungen über beide Materien nur noch abschliessen zur Ergänzung der Übereinkommen oder zur Erleichterung ihrer Anwendung. Der Beitritt von Nicht-Mitgliedstaaten des Europarates ist nur mit einstimmiger Billigung der Mitgliedstaaten, die sie bereits ratifiziert haben, möglich.

Der Regelung der Rechtshilfe kommt eine gewisse präjudizielle Bedeutung zu im Hinblick auf die dringliche Ausarbeitung eines Bundesgesetzes über diese Materie. Es erschien deshalb als richtig, die einzelnen Vorbehalte erst anlässlich der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde dem Europarat bekanntzugeben.

Deren grosse sachliche Bedeutung verlangt ihre eingehende Erläuterung in Ver-

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bindung mit den jeweiligen Bestimmungen des Übereinkommens. Ihre Formulierung ergibt sich aus dem Zusammenhang mit diesen Bestimmungen und bedarf keiner weiteren Begründung.

Nach den massgeblichen Bestimmungen der beiden Übereinkommen (Auslieferungs-Ubereinkommen Art. 26, Ziff. 2 ; Rechtshilfe-Übereinkommen Art. 23, Ziff. 2) sollen Vorbehalte zurückgezogen werden, sobald auf sie verzichtet werden kann oder wenn sie gegenstandslos geworden sind. Wir sehen deshalb vor, zu gegebener Zeit unter Berücksichtigung der neuen gesetzlichen Regelung ,der beiden Materien Ihnen zu beantragen, der Bundesrat sei zu ermächtigen, die Vorbehalte und Erklärungen zu den beiden Übereinkommen ganz oder teilweise zurückzuziehen.

3. Die Genehmigung der drei Europäischen Übereinkommen betreffend den Personenverkehr rechtfertigt sich im Hinblick auf unsere nationalen Interessen, eine echte und wirksame europäische Zusammenarbeit und aus Solidarität den ändern Mitgliedstaaten gegenüber. Im Interesse unseres Fremdenverkehrs haben wir denn auch von jeher auf dem Gebiete des Personenverkehrs eine liberale Praxis befolgt. Mit sämtlichen Mitgliedstaaten des Europarates sind bilaterale Visavereinbarungen abgeschlossen worden. Ebenso haben wir mit mehreren Mitgliedstaaten Abkommen über die Aufhebung der Visumspflicht für Flüchtlinge getroffen. Schliesslich wurde auf Grund von zwischenstaatlichen Vereinbarungen oder einseitig die Visumspflicht für Angehörige europäischer Staaten aufgehoben, die in Gruppen reisen und lediglich einen Kollektivpass besitzen. Die in den vorliegenden Europäischen Übereinkommen enthaltenen Grundsätze sind somit auf bilateraler Ebene schon bisher in weitgehendem Masse angewendet worden. Unser Beitritt zu diesen Übereinkommen wird indessen in einigen Fällen eine Erweiterung der bereits eingeräumten Erleichterungen zur Folge haben. Dem steht auch nichts entgegen, denn die Einführung weiterer Reiseerleichterungen entspricht unserer allgemeinen Haltung, die dahin geht, unseren Fremdenverkehrsinteressen nach Möglichkeit Rechnung zu tragen. Unser Beitritt zu diesen Übereinkommen wird jedoch die Kontrollmassnahmen nicht beeinträchtigen, welche auf Grund des Bundesratsbeschlusses vom 19. Januar 1965 über die Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung zum Stellenantritt für die zu diesem Zwecke einreisenden ausländischen
Arbeitskräfte eingeführt wurden.

Die in diesen Übereinkommen gewährten Erleichterungen finden nämlich keine Anwendung auf Personen, deren Aufenthalt drei Monate übersteigt oder die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit einreisen wollen.

4. Die Klassierung der Erfindungspatente nach Sachgebieten ist notwendig, wenn man auf einem bestimmten Gebiet den Stand der Technik feststellen und die Neuheit späterer Erfindungen im Verhältnis zu den in den verschiedenen Staaten bereits patentierten Erfindungen überprüfen will. Eine solche Überprüfung wird wesentlich erleichtert, wenn die Staaten die von ihren Behörden erteilten Patente nach einem einheitlichen System klassieren. Aus diesem Grunde hat der Europarat ein europäisches Abkommen über die internationale Klassifikation der Erfindungspatente ausgearbeitet. Das Abkommen, das am I.August 1955 in Kraft getreten ist, wurde bisher von elf Staaten ratifiziert. Überdies wird

460 die neugeschaffene Klassifikation schon heute von weiteren zehn Staaten teilweise angewendet und es darf als wahrscheinlich vorausgesagt werden, dass dieses System mit der Zeit in den meisten Staaten der Welt eingeführt werden wird.

Das internationale Klassifikationssystem bedeutet eine wesentliche Vereinfachung auf dem Gebiet der Erfindungspatente. Es ist deshalb angezeigt, dass auch die Schweiz dem Abkommen, das dieses System eingeführt hat, beitritt.

Diese Massnahme wird es unserem Land ermöglichen, an einem Werk von allgemeinem Interesse mitzuarbeiten und einen Beitrag zur europäischen Integration in einem Bereich zu leisten, in dem hierfür ein besonderes Bedürfnis besteht.

Im übrigen ist der Schweiz durch das Europäische Abkommen über die internationale Klassifikation der Patente eine Spezialaufgabe anvertraut worden: Durch Notifikation an den Schweizerischen Bundesrat können Staaten, die nicht Mitglied des Europarates sind, diesem Abkommen beitreten oder das Abkommen kündigen.

B. Auslieferung und Rechtshilfe in Strafsachen I. Europäisches Auslieferungs-Übereinkommen vom 13.Dezember 1957 l. Das Übereinkommen hält sich im grossen und ganzen an die herkömmlichen Grundsätze des Auslieferungsrechts und stimmt insoweit auch grundsätzlich mit der im Bundesgesetz betreffend die Auslieferung gegenüber dem Auslande vom 22. Januar 1892 (Auslieferungsgesetz) getroffenen Regelung überein. Dies gilt insbesondere hinsichtlich folgender Grundsätze : Erfordernis der beidseitigen Strafbarkeit der verfolgten Tat (Art. 2, Ziff. l des Übereinkommens) ; Ausschluss der Auslieferung wegen politischer, militärischer oder fiskalischer Straftaten (Art. 3 bis 5); Nicht-Auslieferung eigener Staatsangehöriger (Art. 6, Ziff. 1) ; Ausschluss der Auslieferung im Falle der Verjährung der verfolgten Tat (Art. 10); Spezialität der Auslieferung (Art. 14 und 15). Einen wesentlichen Unterschied weist lediglich die Regelung der Auslieferungsverpflichtung hinsichtlich der zur Auslieferung Anlass gebenden strafbaren Handlungen auf: Das Übereinkommen enthält eine Generalklausel, wonach die Auslieferungsfähigkeit der Straftaten - abgesehen vom Ausschluss bestimmter Kategorien (Art. 3 bis 5) - gegeben ist, wenn sie nach dem Strafrecht sowohl des ersuchenden wie des ersuchten Staats mit Freiheitsentziehung im Höchstmass von
mindestens einem Jahr bedroht sind (Art. 2, Ziff. 1). Demgegenüber enthält das Auslieferungsgesetz eine abschliessende Aufzählung der strafbaren Handlungen, für die die Auslieferung zulässig ist (Art. 3 leg. cit.). Diese Aufzählung wird lediglich noch durch Artikel 154 des Bundesgesetzes über die Seeschiffahrt unter der Schweizerflagge vom 23.September 1953 ergänzt, wonach alle strafbaren Handlungen, die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes mit Gefängnis von einem Jahr oder einer höheren Strafe bedroht werden, Auslieferungsdelikte sind.

Das Übereinkommen sieht gewisse Beschränkungen nicht vor, die - im Sinne der Vorschriften über die Spezialität der Auslieferung - sicherstellen sollen, dass der Verfolgte nach seiner allfälligen Auslieferung weder einem Verfahren noch dem Vollzug einer Strafe unterworfen wird, die mit den allgemeinen schweizeri-

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sehen Rechtsauffassungen nicht im Einklang stehen. Soweit diese Beschränkungen nicht unmittelbar mit einer ändern Bestimmung des Übereinkommens in Beziehung stehen, sind die entsprechenden Vorbehalte zu Artikel l vorzusehen.

a. In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Artikel 65 der Bundesverfassung die Anwendung körperlicher Strafen untersagt. In Fällen, in denen eine solche Strafe im ersuchenden Staat verhangt oder vollstreckt werden könnte, wäre es daher mit der schweizerischen öffentlichen Ordnung nicht vereinbar, die staatliche Zwangsgewalt einzusetzen, um einem ändern Staate die Anwendung von Strafen oder Massnahmen zu ermöglichen, die von der Bundesverfassung verpönt sind. Die Bewilligung der Auslieferung kommt in solchen Fällen nur unter der Bedingung des Verzichts auf die Anwendung dieser Strafen oder Massnahmen in Frage.

Diese Vorschrift stellt ihrem Wesen nach eine Beschränkung der Strafgewalt des ersuchenden Staats dar, die ihn als Folge der Auslieferung an der Anwendung einer bestimmten Strafart hindert. Im Ergebnis Entsprechendes sieht das Übereinkommen hinsichtlich der Todesstrafe vor (vgl. Art. 11). Die Analogie der beiden Fälle gestattet ohne weiteres die Anwendung der vom Übereinkommen für die Todesstrafe vorgesehenen Lösung auch hinsichtlich der Körperstrafe. Die Frage ist deshalb im Zusammenhang mit Artikel 11 des Übereinkommens zu behandeln.

b. Ferner ist hier auch die aus Artikel 58, Absatz l der Bundesverfassung sich ergebende Beschränkung der Rechte des ersuchenden Staats zu erörtern.

Nach dieser Bestimmung dürfen keine Ausnahmegerichte eingeführt werden.

Die Auslieferung kann daher stets nur unter der im Übereinkommen ebenfalls nicht erwähnten Bedingung erfolgen, dass der Verfolgte nicht vor ein Ausnahmegericht gestellt werden darf. Einen entsprechenden Vorbehalt haben auch Schweden und Dänemark gemacht. Sie haben sich dabei die Ablehnung der Auslieferung auch zum Vollzug einer von einem Ausnahmegericht verhängten Strafe vorbehalten. Diese Ausdehnung erscheint als logische Folgerung aus dem verfassungsmässigen Verbot der Ausnahmegerichte. Es ist deshalb vorgesehen, in gleicher Weise vorzugehen.

c. An dieser Stelle ist endlich auch eine weitere Frage zu besprechen, die bisher weder im Auslieferungsgesetz noch in den von der Schweiz abgeschlossenen
Auslieferungsverträgen ausdrücklich geregelt ist : Die in Artikel l des Übereinkommens vorgesehene Verpflichtung zur Auslieferung zum Zwecke der Vollstreckung einer sichernden Massnahme. Diese Vorschrift klärt in eindeutiger Weise die Zweifel, die seit der Einführung der sichernden Massnahmen an der Zulässigkeit der Auslieferung zum Zwecke ihrer Vollstreckung bestanden. Das Übereinkommen unterscheidet hinsichtlich der Verpflichtung zur Auslieferung zu diesem Zwecke nicht zwischen sichernden Massnahmen, die neben und solchen die an Stelle einer wegen eines Auslieferungsdelikts verhängten Strafe zu vollstrecken sind (vgl. Art. 25). In der Literatur wurde schon die Auffassung vertreten, bei sichernden Massnahmen, die - nach rein dualistischem System stets neben die Strafe treten und diese nicht ersetzen können, habe sich - im Gegensatz zu den nach dem monistischen oder dem vikariierenden System ausge-

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stalteten Massnahmen - die nur vorbeugende Wirkung so stark erhalten, dass eine Auslieferung zur Vollstreckung solcher Massnahmen nicht zulässig sei (so z.B. Schultz, Auslieferungsrecht, S. 351).

Dies trifft z.B. zu für die sichernden Massnahmen des deutschen und des italienischen Strafrechts. Es stellt sich deshalb die Frage, ob in diesem Punkte allenfalls ein Vorbehalt angebracht werden soll. Dabei fällt indessen in vorderster Linie in Betracht, dass mit einem solchen Vorbehalt - infolge der Gegenseitigkeit der Rechte und Pflichten aus dem Übereinkommen (vgl. Art. 2, Ziff. 7) - alle jene Staaten der Schweiz die Auslieferung zum Vollzug sichernder Massnahmen verweigern würden, deren sichernde Massnahmen stets zur Strafe hinzutreten und sie nicht ersetzen können. Die Schweiz hat aber ein grosses Interesse daran, die Auslieferung zur Vollstreckung der sichernden Massnahmen des schweizerischen Rechts erwirken zu können. Sie würde sich dies somit im Hinblick auf den sehr hohen Anteil der Auslieferungen aus der Bundesrepublik Deutschland und Italien am gesamten schweizerischen Auslieferungsverkehr durch die Anbringung eines solchen Vorbehaltes selbst verunmöglichen und dadurch «unerträgliche, geradezu ungeheuerliche Folgen» heraufbeschwören (vgl. Schultz a.a.O. S. 355). Allein schon diese Überlegung spricht entscheidend gegen die Anbringung eines Vorbehalts. Es kommt dazu, dass Strafen und Massnahmen sich weder begrifflich noch in der Durchführung nach den positiven Vorschriften der meisten Strafgesetze eindeutig voneinander unterscheiden.

Dies gilt auch dann, wenn sie nur kumulativ angeordnet werden können. Vor allem aber sind auch in diesem Fall die sichernden Massnahmen Mittel des modernen Strafrechts zur Bekämpfung der Kriminalität. Eine Verweigerung der Auslieferung zum Zwecke ihrer Vollstreckung würde somit die mindestens teilweise Verhinderung einer als wichtig und notwendig erkannten Form der Verbrechensbekämpfung bedeuten, mithin gerade des Zwecks, dem in hervorragendem Masse auch die Auslieferung selbst dienen soll.

2. Die nach Artikel 2, Ziffer l des Übereinkommens bestehende umfassende Pflicht zur Auslieferung wegen aller Handlungen, die nach dem Recht sowohl des ersuchenden wie auch des ersuchten Staats mit einer Freiheitsstrafe oder die Freiheit beschränkenden sichernden Massnahme im
Höchstmass von mindestens einem Jahr bedroht sind, ist mit Artikel 3 des Auslieferungsgesetzes nicht vereinbar. Die Entwicklung des Auslieferungsrechts geht zwar in den meisten europäischen Staaten seit längerer Zeit in der Richtung einer starken Erleichterung der Auslieferung und Vereinfachung des Verfahrens, mit anderen Worten eines Abbaus der Schranken der Auslieferung, insbesondere auch durch Verminderung der Zahl der strafbaren Handlungen, für die sie grundsätzlich nicht bewilligt werden kann. Eine Revision des Auslieferungsgesetzes in diesem Sinne ist auch seit längerer Zeit in Vorbereitung. Doch ist gerade die Frage des für die Umschreibung der Auslieferungsdelikte zu wählenden Systems noch nicht genügend abgeklärt. Die vorbehaltlose Annahme von Artikel 2, Ziffer l würde deshalb diese Revision in einem Punkte präjudizieren, der für die Gesamtregelung des Auslieferungswesens von ausschlaggebender Bedeutung ist. Dagegen erheben sich aber Bedenken verschiedenster, nicht zuletzt auch auslieferungsrechtlicher Art.

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So gehören z.B. zu den nach schweizerischem Recht unter Artikel 2, Ziffer l fallenden strafbaren Handlungen auch alle Tatbestände der Nebenstrafgesetzgebung des Bundes, bei denen eine Freiheitsstrafe von l Jahr Gefängnis oder eine höhere Strafe angedroht ist oder in Zukunft vorgesehen wird. Darunter befinden sich aber eine Reihe von Gesetzen über Sozialleistungen (AHV, IV, Erwerbsersatzordnung usw.) oder andere Gegenstände, für deren Durchsetzung die Auslieferung nicht mehr als adäquates Mittel der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit betrachtet werden kann. Vor allem jedoch wäre damit der Kreis der Auslicferungsdelikte nicht mehr eindeutig und fest umschrieben. Abgesehen davon, dass unter Umständen ein wegen derselben Handlung Verfolgter ausgeliefert werden müsste, wenn er bereits zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt worden ist, wahrend dies mangels genügender Strafdrohung nicht zulässig wäre, wenn das Verfahren erst im Stadium der Voruntersuchung steht, kann auch die Zahl der zur Auslieferung Anlass gebenden Handlungen sich jederzeit vermehren, wenn neue, mit entsprechender Strafdrohung versehene Tatbestände geschaffen werden.

Unter Berücksichtigung aller Umstände erscheint es als zweckmässig, gemàss Artikel 2, Ziffer 3 die Anwendung des Übereinkommens auf die unter das Auslieferungsgesetz fallenden strafbaren Handlungen zu beschränken und den in Artikel 3 des erwähnten Gesetzes aufgestellten, durch Artikel 154 des Seeschiffahrtgesetzes ergänzten Katalog der Auslieferungsdelikte als Liste der strafbaren Handlungen, für welche das schweizerische Recht die Auslieferung zulässt, nach Artikel 2, Ziffer 4 des Übereinkommens dem Generalsekretariat des Europarates zu notifizieren.

3. a. Eine dem bisherigen Recht unbekannte, wesentliche Neuerung hinsichtlich der sachlichen Zulässigkeit der Auslieferung enthält Artikel 2, Ziffer 2 des Übereinkommens. Danach ist der ersuchte Staat berechtigt, die Auslieferung für eine Mehrzahl strafbarer Handlungen ohne Rücksicht auf ihre Zulässigkeit für jede einzelne Tat gesamthaft zu bewilligen, d.h. auch dann, wenn die in Ziffer l hinsichtlich der Höhe der Strafdrohung oder des Masses der verhängten Strafe aufgestellte Bedingung nicht bei allen Handlungen erfüllt ist.

Der Sinn dieser Bestimmung ist es, das Institut der Auslieferung der modernen Entwicklung
des Strafrechts anzupassen und die aus der bisherigen starren Regelung sich ergebenden, aus kriminalpolitischen und prozessökonomischen Gründen unerwünschten Auswirkungen zu beseitigen. In den hier in Betracht kommenden Fällen führt die nach den meisten bisherigen Auslieferungs vertragen und dem Auslieferungsgesetz geltende Regelung dazu, dass der Ausgelieferte dann wegen dieser Handlungen nach dem Grundsatz der Spezialität der Auslieferung in der Regel erst nach Ablauf einer sogenannten Schonfrist von l bis 3 Monaten verfolgt und beurteilt bzw. bestraft werden kann. Der ersuchende Staat wird somit im Fall der Auslieferung zur Strafverfolgung gezwungen, wegen dieser Handlungen ein gesondertes Strafverfahren durchzuführen, wenn er nicht darauf verzichten will und kann; bei der Auslieferung zur Vollstreckung eines Urteils kann eine ausgefällte Gesamtstrafe vorerst nur teilweise vollzogen werden. Beides hat auch für den Verfolgten selbst sehr nachteilige Auswirkungen,

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denen er sich sogar gegen seinen Willen unterziehen muss. Es bedarf keiner besonderen Begründung, dass dies im Hinblick auf die Resozialisierung der Rechtsbrecher in hohem Masse unerwünscht ist. Das Auslieferungsgesetz kennt keine der Ziffer 2 des Artikels 2 des Übereinkommens entsprechende Bestimmung. Sie liegt indessen durchaus in der Linie der im Gesetz verwirklichten Gedanken.

Zudem würde sich die Schweiz im Falle der Anbringung eines Vorbehaltes dazu von einer Neuerung distanzieren, die nicht nur besonders zweckmässig ist und sich als logische Folgerung aus den gerade im schweizerischen Strafgesetzbuch in hervorragendem Masse verwirklichten Grundsätzen der modernen Strafrechtspflege darstellt, sondern auch zweifellos nach Sinn und Zweck der Vorschriften des Auslieferungsgesetzes nicht ausgeschlossen sein soll. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die neue Vorschrift wesentlich im wohlverstandenen Interesse des Verfolgten liegt, das vom Auslieferungsgesetz z. B. in Artikel 7 bei der Regelung der Spezialität der Auslieferung soweit berücksichtigt worden ist, wie dies nach der damals herrschenden Auffassung überhaupt noch als angängig erschien. Sodann handelt es sich nicht um die Preisgabe eines für das Auslieferungsrecht wesentlichen Grundsatzes. Mindestens hinsichtlich eines der dem Verfolgten zur Last liegenden Tatbestände müssen nach wie vor sämtliche vom Gesetz aufgestellten Voraussetzungen der Auslieferung erfüllt sein. Nur wenn dies der Fall ist und somit der Verfolgte den Behörden des ersuchenden Staates ohnehin übergeben werden muss, soll der ersuchte Staat berechtigt sein, bei der Bewilligung der Auslieferung über das hinauszugehen, wozu er nach den Bestimmungen des Übereinkommens verpflichtet ist. Diese Möglichkeit besteht somit nur als accessorium zu einer sonst in allen Teilen gesetzmässigen Auslieferung, nicht für sich allein. Es lässt sich durchaus der Standpunkt vertreten, bei der Entwicklung des Auslieferungsrechts habe die Auffassung bestanden, die Überantwortung des Rechtsbrechers (als tatsächlicher Vorgang) solle den ersuchenden Staat in die Lage versetzen, das Strafverfahren wegen einer Mehrheit vom gleichen Verfolgten begangener strafbarer Handlungen, die nach strafprozessualen Grundsätzen gemeinsam beurteilt werden sollen, auch dann für alle diese Handlungen zusammen
einheitlich durchzuführen, wenn die rechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Auslieferung nur für eine oder einzelne von ihnen vorliegen. Anders wäre es nämlich kaum zu erklären, dass Artikel 7 des Auslieferungsgesetzes, der die Wirkungen (des zwischenstaatlichen Instituts) der Auslieferung regelt, vorsieht, dass der Ausgelieferte auch für die mit der zur Bewilligung der Auslieferung Anlass gebenden Tat zusammenhängenden (konnexen) Handlungen verfolgt und bestraft werden kann. Wenn die Einführung des Begriffs der Konnexität bei der Regelung der Spezialität der zu weit reichenden Folgen wegen zu Recht kritisiert wird und zu seiner Umdeutung führen muss, so erheben sich doch keinesfalls Bedenken gegen seine Berücksichtigung durch den ersuchten Staat bei der Bewilligung der Auslieferung, solange er dabei die Grenzen achtet, die das Gesetz hinsichtlich des grundsätzlichen Ausschlusses der Auslieferung wegen der Eigenart der verfolgten Tat aufgestellt hat (Verbot der Auslieferung wegen politischer, militärischer, fiskalischer Straftaten usw.).

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b. Auf Grund dieser Überlegungen halten wir einen Vorbehalt zu Artikel 2, Ziffer 2 des Übereinkommens nicht für erforderlich. Indessen ist auch zu prüfen, welche Bedeutung der Unterlassung eines Vorbehaltes für die schweizerische Auslieferungspraxis zukäme. Nach dem vom Übereinkommen gewählten System der Umschreibung der auslieferungsfähigen Straftaten führt die Bestimmung nur dazu, dass die Auslieferung auch für verhältnismässig geringfügige Rechtsverletzungen bewilligt werden kann, die für sich allein dazu nicht Anlass geben könnten. Denn alle einigermassen erheblichen Straftaten sind in der Regel mit einer Strafe bedroht, die im Höchstmass mindestens l Jahr Gefängnis oder mehr beträgt. Diese Handlungen sind somit nach dem Übereinkommen ohnehin samt und sonders Auslieferungsdelikte. Gerade diese Feststellung zeigt aber, dass es dem Übereinkommen nicht grundsätzlich darum geht, die akzessorische Auslieferung nur wegen geringfügiger Rechtsverletzungen zuzulassen, wie dies aus dem Wortlaut geschlossen werden könnte. Der Sinn und Zweck der Vorschrift muss vielmehr im Hinblick auf das dem ganzen Übereinkommen zugrundeliegende System der Umschreibung der auslieferungsfähigen Handlungen beurteilt werden. Dieses läuft aber darauf hinaus, die Auslieferung möglichst lückenlos wegen aller Handlungen zuzulassen, für die sie nicht nach den Artikeln 3 bis 5 ausgeschlossen ist. So betrachtet unterliegt es keinem Zweifel, dass allgemein gesprochen die Vorschrift von Artikel 2, Ziffer 2 den Sinn hat, die Auslieferung solle - wenn immer ihre Voraussetzungen wenigstens hinsichtlich einer der dem Verfolgten zur Last gelegten Handlungen erfüllt sind - auf alle nicht unter Artikel 3 bis 5 des Übereinkommens fallenden Handlungen ausgedehnt werden können, die Gegenstand der Strafverfolgung sind, auch wenn sie für sich allein nicht zur Auslieferung Anlass geben könnten.

Der Verzicht auf einen Vorbehalt scheint daher nur dann sinnvoll, wenn damit die Anerkennung des Grundsatzes zum Ausdruck gebracht sein soll, wonach im Zusammenhang mit einer Auslieferung in Anwendung von Artikel 2, Ziffer l des Übereinkommens die Bewilligung der Auslieferung sich auch auf alle nicht unter Artikel 10 oder 11 des Auslieferungsgesetzes fallenden strafbaren Handlungen des schweizerischen Rechts erstrecken kann, die dem Verfolgten zur
Last liegen.

c. Das Übereinkommen sieht die akzessorische Auslieferung nur vor wegen Handlungen, die mit Freiheitsstrafe bedroht sind, wo aber deren Höchstmass nach dem Recht der ersuchten Vertragspartei das erforderliche Minimum von einem Jahr Gefängnis nicht erreicht. Die Auslieferung kann somit akzessorisch zwar auch wegen Übertretungen bewilligt werden, aber nur soweit mindestens eine Haftstrafe angedroht oder verhängt worden ist. Die zu Artikel 2, Ziffer 2 vorgeschlagene Erklärung beschränkt indessen die Möglichkeit der akzessorischen Auslieferung für die Schweiz nicht auf Handlungen, die mit Freiheitsstrafe bedroht sind. Sie würde sie also auch ermöglichen für solche, die ausschliesslich mit Geldstrafe geahndet werden können. Das rechtfertigt sich vor allem im Hinblick auf die im Strassenverkehr begangenen strafbaren Handlungen, die namentlich nach den Vorschriften anderer Staaten in weitem Umfang nur mit Geldstrafen bedroht sind.

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In der Meinung, die Anerkennung dieses Grundsatzes sei nichts als die logische Folgerung aus der fortschrittlichen Entwicklung des Strafrechts, haben wir vorgesehen, diese Auffassung dem Generalsekretariat des Europarates durch eine Erklärung zu Artikel 2, Ziffer 2 zur Kenntnis zu bringen.

4. Nach Artikel 3, Ziffer 3 des Übereinkommens wird der Angriff auf das Leben eines Staatsoberhauptes oder eines Mitgliedes seiner Familie nicht als politisches Delikt angesehen. Diese Bestimmung ist mit der in Artikel 10, Absatz 2 des Auslieferungsgesetzes niedergelegten schweizerischen Rechtsanschauung nicht vereinbar, wonach es darauf ankommt, ob die Handlung, derentwegen die Auslieferung verlangt wird, vorwiegend den Charakter eines gemeinen Verbrechens oder Vergehens hat oder nicht, und das Bundesgericht im einzelnen Fall nach freiem Ermessen über die Natur der strafbaren Handlung auf Grund des Sachverhalts entscheidet. Bei der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde ist deshalb der Vorbehalt zu machen, dass die Schweiz auch hinsichtlich einer unter Artikel 3, Ziffer 3 fallenden Handlung den in Artikel 3, Ziffer l festgelegten Grundsatz anwenden wird, der mit Artikel 10, Absatz 2 des Auslieferungsgesetzes im Ergebnis übereinstimmt.

5. Nach Artikel 6, Ziffer l des Übereinkommens ist jeder Vertragsstaat berechtigt, die Auslieferung seiner Staatsangehörigen abzulehnen. Für die Beurteilung dieser Eigenschaft ist nach Buchstabe c dieser Bestimmung der Zeitpunkt der Entscheidung über das Ersuchen massgebend. Das Übereinkommen lässt immerhin die Berufung auf die Regel auch dann zu, wenn die Eigenschaft als Staatsangehöriger erst nach der Entscheidung, aber vor der Übergabe «festgestellt» wird. Es stimmt somit im Ergebnis mit der schweizerischen Regelung überein.

Dagegen ist es zweckmâssig, die Erklärung abzugeben, dass das schweizerische Recht die Auslieferung eigener Staatsangehöriger nicht zulässt, jedoch die von ihnen ausserhalb der Schweiz begangenen strafbaren Handlungen vor allem im Rahmen der Artikel 5 und 6 des Strafgesetzbuches der schweizerischen Gerichtsbarkeit unterwirft.

6. Die Ablehnung der Auslieferung auf Grund einer ausserhalb des ersuchenden Staats bereits durchgeführten Verfolgung und Ahndung der dem Ersuchen zugrundeliegenden Tat umfasst die Regeln, die bei eigener Gerichtsbarkeit des ersuchten
Staats oder in den Fällen gelten, in denen die Tat bereits Gegenstand eines rechtskräftigen Urteils eines Gerichts bildet, das nicht dem ersuchenden Staat angehört. Das Übereinkommen behandelt diese Fälle in den Artikeln 7 bis 9, während das Auslieferungsgesetz sie in einer einzigen Bestimmung zusammengefasst hat (Art. 12). Um einen vollständigen Überblick über die zwischen beiden Regelungen bestehenden Unterschiede zu gewinnen, ist es deshalb notwendig, die Artikel 7 bis 9 des Übereinkommens im einzelnen mit Artikel 12 des Auslieferungsgesetzes zu vergleichen.

a. Nach Artikel 7 des Übereinkommens kann der ersuchte Staat die Auslieferung ablehnen, wenn sie wegen einer strafbaren Handlung verlangt wird, die nach seinen Rechtsvorschriften ganz oder zum Teil auf seinem Hoheitsgebiet (oder an einem diesem gleichgestellten Ort) begangen worden ist. In der Tat kann

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die Auslieferung beispielsweise dann angezeigt sein, wenn dem Verfolgten sowohl Handlungen im ersuchten Staat wie auch solche zur Last liegen, die allein der Gerichtsbarkeit des ersuchenden Staats unterworfen sind und deren gemeinsame Aburteilung aus Gründen der Prozessökonomie, vor allem aber im Interesse der Resozialisierung des Täters wünschenswert erscheint.

Deshalb sollte von der durch Artikel 7 gebotenen Möglichkeit, eine Auslieferung wegen einer in der Schweiz begangenen Handlung zu bewilligen, wenigstens im Sinne einer akzessorischen Auslieferung Gebrauch gemacht werden können. Dafür bedarf es einer Rechtsgrundlage, die darüber Klarheit schafft, dass schweizerischerseits der Wille besteht, die Auslieferung wegen einer auf ihrem Hoheitsgebiet oder an einem diesem gleichgestellten Ort begangenen Handlung in gewissen Fällen zu bewilligen. Diese Rechtsgrundlage kann durch eine dem Generalsekretariat des Europarates abzugebende Erklärung geschaffen werden, die umschreibt, in welchen Fällen die Auslieferung wegen solcher Handlungen bewilligt werden kann. Da diese Möglichkeit auch für Fälle bestehen soll, in denen die Strafuntersuchung in der Schweiz bereits eingeleitet worden ist, hat sich die Erklärung auf Artikel 7 und 8 des Übereinkommens zu beziehen.

b. Nach Artikel 8 des Übereinkommens kann die Auslieferung abgelehnt werden, wenn der ersuchte Staat wegen der Handlungen, derentwegen um Auslieferung ersucht wird, selbst eine Strafverfolgung durchführt. Diese Bestimmung hat im Gegensatz zu Artikel 7 grundsätzlich Handlungen zum Gegenstand, die zwar ausserhalb des ersuchten Staats begangen sind, aber dennoch seiner Gerichtsbarkeit unterliegen. Sachlich spielt dieser Unterschied jedoch keine Rolle. In dieser Hinsicht gelten somit die bereits zu Artikel 7 des Übereinkommens gemachten Bemerkungen über die Zulässigkeit der Auslieferung.

c. Nach Artikel 9 des Übereinkommens wird die Auslieferung nicht bewilligt, wenn der Verfolgte wegen der Handlungen, derentwegen um Auslieferung ersucht wird, von den zuständigen Behörden des ersuchten Staats rechtskräftig abgeurteilt worden ist; sie kann abgelehnt werden, wenn diese Behörden entschieden haben, kein Strafverfahren einzuleiten oder ein bereits eingeleitetes Verfahren einzustellen.

An dieser Regelung vermag nicht ganz zu befriedigen, dass sie
ausschliesslich die im ersuchten Staat durchgeführte Verfolgung und Beurteilung der dem Ersuchen zugrundeliegenden Straftaten berücksichtigt. Es kommt nämlich gelegentlich vor, dass der Heimatstaat des Verfolgten dessen Auslieferung verlangt, obwohl der (vom ersuchten Staat verschiedene) Tatortstaat bereits eine Entscheidung gefällt hat, die im Sinne dieser Bestimmung ebensosehr Berücksichtigung verdient. Es versteht sich von selbst, dass in diesem Fall die Auslieferung ebensowenig gerechtfertigt ist, wie wenn die Entscheidung im ersuchten Staat selbst ergangen ist. Diesem muss daher auch das Recht zur Ablehnung der Auslieferung im gleichen Umfange zustehen. Andererseits geht das Übereinkommen - wie übrigens auch das Auslieferungsgesetz - insofern zu weit, als schon die blosse Tatsache der Beurteilung in jedem Falle zur Ablehnung der Auslieferung zwingt. Richtig ist diese Regelung nur insoweit, als das Urteil zu einem materiellen Freispruch geführt hat (und keine Revisionsgründe vorliegen)

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oder im Falle der Verurteilung die verhängte Sanktion vollstreckt, erlassen oder verjährt ist. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, könnte sich eine Auslieferung unter gewissen Umständen durchaus rechtfertigen, so insbesondere aus den oben erörterten Gründen. Deshalb wurde vorgesehen, die Grundlage für eine sachlich richtige Entscheidung zu schaffen, wobei allerdings auch hier nur eine akzessorische Auslieferung im Sinne der Ausführungen zu Artikel 2 oben in Frage kommen kann.

d. Die Vorschrift im 2. Satz von Artikel 9 des Übereinkommens hat ihren guten Sinn, weil die in ihr erwähnten Entscheidungen auf rein formellen Gründen beruhen können und gegebenenfalls die Ablehnung der Auslieferung nicht zu rechtfertigen vermögen. Hingegen gelten auch hier die oben hinsichtlich der Berücksichtigung entsprechender Entscheidungen des Tatortstaats gemachten Bemerkungen.

e. Die Inanspruchnahme des Rechts zur Ablehnung der Auslieferung auf Grund einer Entscheidung im Sinne von Artikel 9, die von den Behörden des (mit dem ersuchten Staat nicht identischen) Tatortstaats getroffen wurde, stellt eine im Übereinkommen nicht vorgesehene Einschränkung der aus ihm sich ergebenden Verpflichtungen dar. Ein Vorbehalt ist deshalb notwendig, sofern von diesem Recht Gebrauch gemacht werden soll. Die - darüber hinausgehende Ablehnung der Auslieferung auf Grund einer rechtskräftigen Verurteilung in einem beliebigen dritten Staat ist bereits in den Auslieferungsverträgen der Schweiz mit der Türkei und Israel vorgesehen. Ihre Zulässigkeit erscheint auch im Rahmen des Auslieferungsverkehrs nach dem Übereinkommen als zweckmässig. Die Formel kann sich darauf beschränken, das Recht zur Anwendung der Grundsätze des Artikels 9 für die Schweiz auch für Fälle vorzubehalten, in denen eine entsprechende Entscheidung eines ändern Staats vorliegt, in dem die Tat begangen worden ist.

/ Aber auch die Zulässigkeit der Auslieferung regelt Artikel 9 zu starr. Der Verfolgte selbst könnte sich angesichts der imperativen Form der Bestimmung darauf berufen, seine Auslieferung entgegen Artikel 9 sei nicht zulässig. Ein ausdrücklicher Vorbehalt ist daher unumgänglich, soll die Ausübung des Rechts, eine Auslieferung entgegen Artikel 9, Satz l des Übereinkommens zu bewilligen, nicht Schwierigkeiten begegnen.

Festzuhalten ist, dass die Bewilligung
der Auslieferung in solchen besonders gelagerten Fällen trotz bereits erfolgter Beurteilung durch ein zuständiges Gericht dem Grundsatz ne bis in idem dann nicht widerspricht, wenn im Fall eines Freispruchs neue, eine Revision begründende Tatsachen vorliegen oder im Falle der Verurteilung die ausgesprochene Sanktion noch nicht vollstreckt worden ist.

Im Hinblick darauf, dass das strikte Verbot der Auslieferung gegebenenfalls die Anwendung wesentlicher Grundsätze der modernen Strafrechtspflege vereitelt, wurde ein beschränkter Vorbehalt im Sinne der Erwägungen vorgesehen.

7. a. Nach Artikel 11 des Übereinkommens kann die Auslieferung abgelehnt werden, wenn das Recht des ersuchenden Staats die dem Ersuchen zugrundliegende Handlung mit der Todesstrafe bedroht und dieser Staat nicht eine

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als ausreichend erachtete Zusicherung gibt, dass die Todesstrafe nicht vollstreckt wird. Diese Lösung erscheint ohne weiteres als mit dem Auslieferungsgesetz vereinbar.

Im Zusammenhang mit einzelnen Auslieferungsfällen der letzten Jahre wurden in der Presse gesetzgeberische Massnahmen verlangt, um zu verhindern, dass die Schweiz einen Verfolgten ausliefern muss, den die Todesstrafe erwartet.

Artikel 11 gestattet die Ablehnung der Auslieferung in jedem Falle, in dem der ersuchte Staat die Vollstreckung dieser Strafe als nicht mit genügender Sicherheit ausgeschlossen erachtet. Diese Lösung des Problems trägt somit auch den in der Presse geäusserten Bedenken gegen die Auslieferung in Fällen, in denen ein Todesurteil möglich erscheint, in genügendem Masse Rechnung.

b. An dieser Stelle ist nun auch auf die bereits eingangs erwähnte Frage zurückzukommen, welche Folgen sich aus Artikel 65 der Bundesverfassung für den Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen ergeben. Es ist zunächst zu prüfen, welche Tragweite heute nach der im Übereinkommen nicht vorgesehenen, aber in Artikel 5 des Auslieferungsgesetzes enthaltenen Beschränkung der Strafgewalt des ersuchenden Staats zukommt, wenn dessen Recht für die Handlung, derentwegen die Auslieferung verlangt wird, eine körperliche Strafe androht.

Eine Beschränkung der Auslieferung, die einem für die Schweiz durch die Bundesverfassung aufgestellten Verbot im Rahmen des Auslieferungsrechts Nachachtung verschaffen will, muss grundsätzlich bei jedem Abschluss eines neuen Auslieferungsvertrages berücksichtigt werden.

Körperliche Strafen im Sinne des Auslieferungsgesetzes sind alle Strafen sowie die ihnen auslieferungsrechtlich gleichgestellten Massnahmen, die die körperliche Integrität des Verurteilten unmittelbar beeinträchtigen. Zu ihnen gehören also nicht nur beispielsweise die Prügelstrafen, das Brandmarken, die Verstümmelung (Abhacken von Händen, Füssen usw., Abschneiden von Zunge, Nase und Ohren oder Blendung der Augen), sondern auch andere Eingriffe in die körperliche Integrität, wie z.B. die Kastration. Während Körperstrafen der ersten Art heute in keinem zivilisierten Staate mehr vorgesehen sind, bestehen in verschiedenen Staaten des Europarates Gesetze aus neuerer Zeit, welche die Sterilisation oder die Kastration mindestens zum Teil auch als Strafe oder
als Massnahme des Strafrechts vorsehen. Ein entsprechender Vorbehalt der Schweiz ist deshalb unerlässlich.

Immerhin ist zu prüfen, in welchem Umfang sich die Notwendigkeit des Ausschlusses der Auslieferung in solchen Fällen ergibt. Das Gesetz schliesst die Auslieferung nicht schlechtweg aus, wenn das Recht des ersuchenden Staats eine körperliche Strafe androht. Der Verfolgte soll lediglich «vor der Anwendung einer durch die Bundesverfassung verpönten Strafart geschützt werden» (vgl.

Botschaft zum Auslieferungsgesetz, Abs. 2 der Bemerkungen zu Art. 5). Es genügt somit, dass die Massnahme nicht gegen seinen Willen angewendet werden darf, damit der vom Gesetz beabsichtigte Schutz des Verfolgten verwirklicht ist. Das lässt sich ohne weiteres damit erreichen, dass sich die Schweiz das Recht vorbehält, Artikel 11 sinngemäss auch anzuwenden in Fällen, in denen das Recht der ersuchenden Vertragspartei vorsieht, dass der Verfolgte wegen der zur Ausliefe-

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rung Anlass gebenden Handlung einer Strafe unterworfen werden kann, die seine körperliche Integrität beeinträchtigt, oder dass gegen seinen Willen eine Massnahme dieser Art angewendet wird.

8. Nach Artikel 14 des Übereinkommens, der die als Folge der Auslieferung vom ersuchenden Staat zu beachtenden Beschränkungen in der Ausübung seiner Befugnisse gegenüber dem Ausgelieferten regelt, ist vorgesehen, dass dieser wegen einer ändern, vor der Übergabe begangenen Handlung als derjenigen, die der Auslieferung zugrunde liegt, nur verfolgt, abgeurteilt oder zur Vollstreckung einer Strafe oder sichernden Massnahme in Haft gehalten oder einer sonstigen Beschränkung seiner persönlichen Freiheit unterworfen werden darf, wenn entweder der Staat, der ihn ausgeliefert hat, auf Ersuchen hin zustimmt, oder wenn die dem Ausgelieferten eingeräumte Schutzfrist unbenutzt abgelaufen ist.

Diese Regelung stimmt insoweit mit Artikel 7 des Auslieferungsgesetzes überein, abgesehen von der gegenüber dem schweizerischen Recht verlängerten Dauer der Schutzfrist (45 statt 30 Tage).

a. Der Begriff der endgültigen Freilassung im Sinne der Ziffer l, Buchstabe b dieses Artikels ist insbesondere im Hinblick auf gewisse Institute des modernen Strafprozesses, wie den bedingten Strafvollzug, die bedingte Entlassung usw. nicht klar. Da das Übereinkommen ihn nicht definiert, erscheint es im Interesse der Klarstellung angezeigt, die schweizerische Auffassung darüber durch eine Erklärung bekanntzugeben, wonach als endgültig jede Freilassung angesehen wird, die es dem Ausgelieferten erlaubt, sich frei zu bewegen, ohne dadurch die von der zuständigen Stelle getroffenen Anordnungen zu verletzen.

b. Entsprechendes gilt für den Ausdruck «die Möglichkeit haben, das Hoheitsgebiet des Staats . . . zu verlassen». Nach der schweizerischen Praxis besteht diese Möglichkeit immer dann, wenn weder Krankheit noch sonstige Beschränkung seiner Bewegungsfreiheit den Ausgelieferten daran tatsächlich hindern.

c. Die Bestimmungen dieses Artikels sind nicht ohne weiteres anwendbar, wenn die Auslieferung zum Zwecke der Vollstreckung einer sichernden Massnahme erfolgt, zu der der Täter verurteilt wurde, nachdem er mehrere, nicht ausschliesslich auslieferungsfähige strafbare Handlungen begangen hat. Eine sichernde Massnahme ist nicht teilbar. Es darf aber
erwartet werden, dass in solchen Fällen die Auslieferung auf Grund von Artikel 2, Ziffer 2 stets wegen aller dem Urteil zugrundeliegenden Straftaten erwirkt werden kann.

9. Artikel 16 enthält die Vorschriften über die vorläufige oder provisorische Verhaftung zum Zwecke der Auslieferung in der auch sonst üblichen Formulierung. So wird u.a. verlangt, dass im Ersuchen «die strafbare Handlung» anzugeben sei, derentwegen um Auslieferung ersucht werden wird. Die Schweiz hat - wie auch verschiedene andere Staaten - in ständiger Praxis eine kurze Beschreibung des dem Verfolgten zur Last liegenden Sachverhalts verlangt, die die für die auslieferungsrechtliche Beurteilung der Tat wesentlichen Angaben enthalten muss. Die Praxis hat nämlich gezeigt, dass die blosse «Bezeichnung» der strafbaren Handlung, d.h. die Angabe der strafrechtlichen Benennung des Tat-

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bestands (Betrug, Diebstahl usw.), dafür nicht genügt und in zahlreichen Fällen zu Verhaftungen führt, die nicht aufrecht erhalten werden können, mit anderen Worten, die auslieferungsrechtlich nicht gerechtfertigt sind. Es ist deshalb zu verlangen, dass an die Schweiz gerichtete Ersuchen die erforderlichen zusätzlichen Angaben enthalten müssen.

10. a. Artikel 20 des Übereinkommens regelt die Sachauslieferung, die als solche ähnlich geordnet ist wie in Artikel 27 des Auslieferungsgesetzes. Nach Ziffer l sind auf Ersuchen herauszugeben : Gegenstände, die als Beweisstücke dienen können, sowie jene, die aus der strafbaren Handlung herrühren. Nach Artikel 27, Absatz l dieses Gesetzes unterliegen der Herausgabe Papiere, Wertsachen und andere Gegenstände, die sich auf das Vergehen beziehen. Nach der Praxis waren von dieser Umschreibung die gleichen Gegenstände erfasst, wie durch die Aufzählung des Übereinkommens. Die in Ziffer 2 vorgesehene Unabhängigkeit der Sachauslieferung von der wirklichen Durchführung der Auslieferung entspricht ebenfalls der in Artikel 27, Absatz 2 des Auslieferungsgesetzes getroffenen Regelung.

b. Ziffer 3 enthält die im Auslieferungsgesetz nicht ausdrücklich erwähnte Regel, wonach der ersuchte Staat Gegenstände, die nach seinem Recht der Einziehung oder der Beschlagnahme unterliegen, zuhanden eines Strafverfahrens vorübergehend zurückbehalten oder unter Vorbehalt der Rückgabe herausgeben kann. Diese Regel hat vor allem hinsichtlich derjenigen Gegenstände eine gewisse Bedeutung, die unter Umgehung der Zollzahlungspflicht in den ersuchten Staat eingeführt oder dort veräussert wurden und somit als Zollpfand haften.

Artikel 20, Ziffer 3 gestattet also die Geltendmachung des Zollpfandrechts auch gegenüber dem Dritten, dem die Gegenstände durch eine strafbare Handlung oder sonst wider seinen Willen abhanden gekommen sind. Diese Regelung kann zwar nicht ganz befriedigen. Ihre Nachteile lassen sich aber nicht im Rahmen des vorliegenden Übereinkommens durch einen Vorbehalt oder eine Erklärung beseitigen.

c. Nach Ziffer 4 sind nicht nur die Rechte Dritter, sondern auch jene des ersuchten Staats an den herauszugebenden Gegenständen vorbehalten. Im Hinblick auf Ziffer 3 fallen unter den Vorbehalt der Ziffer 4 insoweit nur Rechte des ersuchten 'Staats, die nach dessen Recht nicht unmittelbar
Grundlage einer Beschlagnahmung oder der Einziehung sein können. Dazu zählen z.B. die Ansprüche auf Bezahlung der Kosten der Auslieferung und der Sachauslieferung, die der ersuchte Staat im zwischenstaatlichen Verhältnis zu übernehmen hat, so dass er sich dafür nicht vorweg aus den der Sachauslieferung unterliegenden Gegenständen bezahlt machen kann (vgl. Schultz, S. 520). Dagegen steht selbstverständlich seinem Zugriff aus diesem Titel auf diese Gegenstände nichts entgegen, sobald sie für das Strafverfahren im ersuchenden Staat nicht mehr benötigt werden und freigegeben sind. Es bestehen deshalb keine Bedenken gegen diese Regelung.

11. a. Hinsichtlich der Durchlieferung sieht Artikel 21 des Übereinkommens vor, dass sie zu bewilligen sei, sofern die strafbare Handlung von dem um Durchlieferung ersuchten Staat nicht als politische oder rein militärische strafbare

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Handlung im Sinne der Artikel 3 und 4 des Übereinkommens angesehen wird.

-Namentlich im Hinblick auf die vorgeschlagene Anerkennung der Zulässigkeit der akzessorischen Auslieferung sowie auf die Tatsache, dass eine Verweigerung der Durchlieferung die beabsichtigte Auslieferung ohnehin nicht zu verhindern vermag, erscheint es zwar als wenig sinnvoll, einen Vorbehalt im Sinne von Artikel 21, Ziffer 5 des Übereinkommens vorzusehen. Andererseits wäre eine Durchlieferung wegen Fiskal-, Devisen- und anderer Wirtschaftsdelikte mit der schweizerischen öffentlichen Ordnung nicht vereinbar. Ein auf diese Gruppen strafbarer Handlungen beschränkter Vorbehalt ist deshalb erforderlich.

b. In Ziffer 4 dieses Artikels ist auch die bisher im Vertragsrecht noch kaum geordnete Frage des Lufttransits geregelt. Nach Buchstabe a bedarf es in diesem Falle für die blosse Überfliegung des Hoheitsgebiets einer Vertragspartei keiner Durchlieferungsbewilligung. Doch muss ihr unter Hinweis auf das Bestehen eines Haftbefehls gegen die durchbeförderte Person von der Durchlieferung Kenntnis gegeben werden. Diese Mitteilung hat im Falle einer unvorhergesehenen Landung die Wirkung eines Ersuchens um vorläufige Verhaftung und setzt gegebenenfalls automatisch das sonst übliche Durchlieferungsverfahren in Gang.

12. a. Die übrigen Vorschriften des Übereinkommens regeln zur Hauptsache das zwischenstaatliche Verfahren in Auslieferungssachen. Artikel 12 und 13 enthalten die Vorschriften über den Geschäftsweg und die dem Auslieferungsersuchen beizufügenden Unterlagen. Im Interesse einer Beschleunigung des Verfahrens ist der unmittelbare Verkehr zwischen den Justizministerien der beteiligten Staaten vorgesehen. Artikel 16 bis 19 regeln die provisorische Verhaftung, die Rangfolge mehrerer gleichzeitig vorliegender Auslieferungsersuchen und den Vollzug der Auslieferung. Artikel 22 erklärt ausdrücklich das Recht des ersuchten Staats als anwendbar hinsichtlich des Auslieferungsverfahrens sowie der provisorischen Verhaftung. Nach Artikel 23 können Auslieferungsersuchen in der Sprache der ersuchenden oder der ersuchten Vertragspartei gestellt werden.

Zudem kann eine Übersetzung in eine der offiziellen Sprachen des Europarates verlangt werden. Es erscheint als zweckmässig, eine Erklärung abzugeben, wonach Ersuchen, die nicht in einer der
schweizerischen Amtssprachen abgefasst sind, mit einer Übersetzung in eine dieser Sprachen versehen sein müssen. Die in Artikel 24 vorgesehene Regelung der Kosten der Aus- oder Durchlieferung hält sich an die bisher üblichen Grundsätze. Artikel 25 enthält eine Definition der «sichernden Massnahmen», zu deren Vollstreckung das Übereinkommen nach Artikel l die Vertragsparteien nunmehr ausdrücklich verpflichtet, die Auslieferung zu bewilligen.

b. In Übereinstimmung mit dem Gesetz sieht sodann das Übereinkommen u. a. vor, dass ein Vertragsstaat, der eigene Staatsangehörige nicht ausliefert, verpflichtet ist, ihre Strafverfolgung auf Ersuchen eines ändern Vertragsstaates zu veranlassen, sofern dies nach seiner Gesetzgebung zulässig ist und dazu Anlass besteht (Art. 6, Ziff. 2).

c. Die Artikel 27 ff. enthalten die Schlussbestimmungen. Sie regeln den räumlichen Geltungsbereich des Übereinkommens (Art. 27), den Vorrang des Übereinkommens vor bilateralen Auslieferungsverträgen zwischen den Ver-

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tragsparteien (Art. 28), Unterzeichnung, Ratifikation, Inkrafttreten, Beitritt und Kündigung (Art. 29 bis 31) sowie Notiflkationspflichten des Generalsekretariates des Europarates (Art. 32).

Alle diese Bestimmungen enthalten nichts, was dem Auslieferungsgesetz zuwiderläuft, und geben zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass.

13. Auf Grund der vorstehenden Ausführungen ist vorzusehen, dass dem Generalsekretariat des Europarates bei der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde die oben erörterten und im Entwurf zu einem Bundesbeschluss wiedergegebenen Vorbehalte und Erklärungen zu diesem Übereinkommen bekanntzugeben seien.

II. Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959

l. Die Rechtshilfe in Strafsachen ist bisher nicht Gegenstand bundesgesetzlicher Regelung. Doch hat die Eidgenossenschaft in den mit ändern Staaten abgeschlossen Auslieferungsverträgen - ausgenommen diejenigen mit Grossbritannien, Israel und USA - Vereinbarungen über diese Materie getroffen.

Diese beschränken sich aber in der Regel auf die Festlegung der Verpflichtung zur Durchführung von Zeugeneinvernahmen und ändern Untersuchungshandlungen in nicht-politischen Strafsachen, zur Aufforderung von Zeugen zum persönlichen Erscheinen vor den Gerichten des ändern Staats, zur Zuführung von Häftlingen zum Zwecke der Konfrontation mit ändern Beschuldigten, zur Herausgabe von Beweisstücken und Akten, zur Mitteilung der gegen die Angehörigen des ändern Staats ergangenen Strafentscheidungen sowie teilweise auch zur Zustellung von Aktenstücken. Dabei wurde stets auch der für die zwischenstaatliche Übermittlung von Rechtshilfeersuchen einzuschlagende Geschäftsweg vereinbart. Auf Grund dieser Abmachungen hat sich ein reger Rechtshilfeverkehr entwickelt, bei dessen Abwicklung in der Praxis eine Reihe von Grundsätzen festgelegt worden sind, die - wenn auch mit gewissen Abweichungen - von allen europäischen Staaten gehandhabt werden. Das vorliegende Übereinkommen stellt praktisch eine Kodifikation der Regeln dar, die sich auf Grund internationaler Übung im Laufe der Zeit herausgebildet haben. Es bringt im Gegensatz zu den eher rudimentären Bestimmungen der Auslieferungsverträge eine eingehende, wenn auch nicht erschöpfende Regelung der Materie, die hinsichtlich der anwendbaren Grundsätze zur Hauptsache mit derjenigen übereinstimmt, die sich in der schweizerischen Praxis durchgesetzt hat.

Lediglich in einem, dafür allerdings um so wesentlicheren Punkt, sieht das Übereinkommen eine Regelung vor, die dem Grundsatze nach mit der schweizerischen Praxis nicht übereinstimmt : Die Pflicht zur Leistung von Rechtshilfe ist an keinerlei besondere materielle Voraussetzungen geknüpft, soweit ein Ersuchen eine Angelegenheit betrifft, die in seinem sachlichen Anwendungsbereich liegt, während nach' schweizerischer Praxis die beidseitige Strafbarkeit der dem Ersuchen zugrunde liegenden strafbaren Handlung gegeben sein muss.

Auf diese Frage ist weiter unten noch näher einzutreten.

Bundesblatt. 118.Jahrg. Bd.I.

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2. Gegenstand des Übereinkommens ist die Rechtshilfe in Strafsachen, soweit die Verfahren bei Justizbehörden anhängig sind. In Verwaltungsstrafverfahren besteht somit keine Rechtshilfepflicht, solange der Betroffene nicht den Richter angerufen hat. Das Übereinkommen ist nicht anwendbar auf Ersuchen um Vollstreckung von Haftbefehlen oder strafrechtlichen Entscheidungen, sowie auf Ersuchen, denen eine rein militärische Straftat zugrunde liegt. (Art. l, Ziff. 2) Andere zwingende Ablehnungsgründe sieht das Übereinkommen nicht vor. Hinsichtlich der einzelnen Rechtshilfemassnahmen regelt das Übereinkommen die Zustellung von Schriftstücken (Art. 7), die Ladung zu persönlichem Erscheinen vor dem ersuchenden Gericht (Art. 10), die Überstellung von Häftlingen zur Konfrontation oder zur Einvernahme als Zeugen (Art. 11), die Vornahme von Beweiserhebungen in Form der Einvernahme von Zeugen oder Beschuldigten, der Übermittlung von Beweisstücken oder Akten, der Einholung von Gutachten, der Anordnung von Durchsuchungen, Beschlagnahmen oder Augenscheinen (Art. 3), sowie die Erteilung von Auskünften aus dem Strafregister (Art. 13). Es handelt sich durchwegs um Massnahmen, die auch nach der schweizerischen Praxis stets im Wege der Rechtshilfe vermittelt wurden. Die Bestimmungen über das zwischenstaatliche Verfahren bringen eine begrüssenswerte Vereinfachung des Geschäftsweges, da an Stelle des diplomatischen Weges der Verkehr zwischen den Justizministerien der Mitgliedstaaten tritt. Das Übereinkommen regelt auch den Geschàftsweg für Ersuchen um Übernahme der Strafverfolgung sowie den Austausch von Strafnachrichten.

3. Die einzelnen Bestimmungen des Übereinkommens geben zu folgenden Bemerkungen Anlass : Kapitel I enthält die allgemeinen Bestimmungen über Bestand und Ausschluss der Rechtshilfepflicht.

Artikel l regelt den sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens.

Die Pflicht zur Leistung von Rechtshilfe besteht in allen Fällen, in denen das Ersuchen im Zusammenhang steht mit einem Verfahren wegen strafbarer Handlungen, für deren Verfolgung im Zeitpunkt der Stellung des Ersuchens eine Justizbehörde zuständig ist. Nach einhelliger Auffassung der im «Comité européen pour les problèmes criminels» vertretenen Staaten ist dies in weitestem Sinne auszulegen. Demzufolge gehören dazu auch Übertretungen und
Ordnungswidrigkeiten, soweit der Beschuldigte im Einzelfall von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, den Richter anzurufen. Da diese Vorschrift auch für den die Zustellung von Aktenstücken regelnden Teil des Übereinkommens gilt (Kapitel III, Art. 7 bis 12), besteht streng genommen keine Pflicht zur Zustellung u.a. von Strafbefehlen oder Verfügungen einer Verwaltungsbehörde, es sei denn, sie gehören zu den Justizbehörden im Sinne des Übereinkommens.

Das sind ausser den Strafgerichten auch alle nach der allgemeinen Gerichtsorganisation oder der Prozessordnung mit der Durchführung der Strafverfolgung betrauten Behörden, wie Staatsanwaltschaften, Bezirks-, Statthalter-, Verhör-, Untersuchungsrichterämter usw., sofern sie bei der Unterzeichnung des Übereinkommens oder bei der Hinterlegung der Ratifikations- oder Bei-

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trittsurkunde dem Generalsekretariat des Europarates als solche bezeichnet werden (vgl. Art. 24 des Übereinkommens). Im Hinblick auf die Unmöglichkeit einer adäquaten Übersetzung verschiedener dieser Bezeichnungen in die offiziellen Sprachen des Europarates ist vorgesehen worden, eine Erklärung abzugeben, die die grossen Verschiedenheiten der kantonalen Zuständigkeitsordnung für die Entscheidung gewisser, in ändern Staaten ausschliesslich dem Richter überwiesener Fragen sowie der für die Strafverfolgungsbehörden gewählten Bezeichnungen hervorhebt und die Zusicherung enthält, dass im Einzelfall die erforderliche Bestätigung über die Zugehörigkeit der ersuchenden Amtsstelle zu den schweizerischen Justizbehörden im Sinne des Übereinkommens in das Übermittlungsschreiben aufgenommen wird. Als Verfahren in Strafsachen im Sinne des Übereinkommens gelten auch diejenigen, in denen über die Revision einer Strafentscheidung, über die Begnadigung des Verurteilten, über die Entschädigung für unschuldig erlittene Haft, die Rehabilitation usw. entschieden wird, soweit damit eine Justizbehörde im Sinne des Übereinkommens befasst ist (vgl. Dokument CM (58) 54, S.20).

Unter Berücksichtigung dessen, was bereits oben über die negative Abgrenzung des sachlichen Anwendungsbereichs gesagt wurde, kann festgestellt werden, dass sich aus der Übereinkunft keine Rechtshilfepflichten ergeben in Angelegenheiten, für die die Leistung von Rechtshilfe nach der schweizerischen Praxis ausgeschlossen wäre.

Artikel 2 legt fest, aus welchen Gründen allgemeiner Art die Rechtshilfe abgelehnt werden kann.

a. Nach Artikel 2, Buchstabe a steht es dem ersuchten Staat frei, die Rechtshilfe in politischen oder fiskalischen Strafsachen abzulehnen. Diese Regelung trägt der auch in der schweizerischen Praxis gehandhabten Auffassung Rechnung, dass in besonderen Fallen auch in Verfahren wegen Strafsachen dieser Art Rechtshilfe geleistet werden kann, sofern sie der Entlastung des Beschuldigten dient. Der internationalen und schweizerischen Übung entsprechend, ist es allein Sache des ersuchten Staats, darüber zu entscheiden, ob einer Gegenstand des zum Ersuchen Anlass gebenden Verfahrens bildenden Straftat politischer Charakter zukommt oder ob sie mit einer solchen Straftat im Zusammenhang steht.

b. Nach Buchstabe b dieses Artikels ist der ersuchte
Staat zur Leistung der Rechtshilfe nicht verpflichtet, wenn er sie für geeignet hält, seine Souveränität, die Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder andere wesentliche Interessen zu beeinträchtigen. Unter den «ändern wesentlichen Interessen» des ersuchten Staats im Sinne von Buchstabe b sind nach einhelliger Auffassung des Expertenausschusses des «Comité européen pour les problèmes criminels» auch wirtschaftliche Interessen des Staats zu verstehen.

Abgesehen von den fiskalischen, militärischen und politischen Strafsachen wurde die Rechtshilfe nach der bisherigen Praxis stets auch für gewisse andere Kategorien strafbarer Handlungen verweigert. Dazu gehören die bereits in den

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Auslieferungsverträgen mit Polen (1937) und mit der Türkei (1933) ausdrücklich ausgenommenen Presseangelegenheiten (durch das Mittel der Druckerpresse begangene strafbare Handlungen), ferner aber auch Devisenstrafsachen sowie Widerhandlungen gegen Beschränkungen der Ein-, Aus- und Durchfuhr von oder des Handels mit Waren.

c. Für einzelne dieser Kategorien von Strafsachen erfolgte zwar die Verweigerung der Rechtshilfe jeweilen unter Berufung auf die mangelnde Strafbarkeit der Handlung nach schweizerischem Recht, für andere jedoch nicht. Ob und allenfalls in welchem Umfang die Rechtshilfe für diese Kategorien von Strafsachen ausgeschlossen bleiben soll, muss daher ausschliesslich als eine Frage des sachlichen Geltungsbereichs des Übereinkommens behandelt werden.

aa. Hinsichtlich der durch das Mittel der Druckerpresse begangenen Straftaten ist zu sagen, dass ein durchschlagender Grund für einen generellen Ausschluss der Rechtshilfe nicht ersichtlich ist. Sachlich berechtigt ist die Ablehnung offensichtlich nur da, wo die mit diesem Mittel begangene strafbare Handlung politischen Charakter hat. Um diese Fälle auszuschliessen, genügt aber die in Artikel 2, Buchstabe a des Übereinkommens vorgesehene Möglichkeit der Ablehnung. Es kommt dazu, dass der generelle Ausschluss dieser Strafsachen zu einer widerspruchsvollen Rechtslage führt : Die Schweiz ist Mitglied der internationalen Konventionen zur Bekämpfung der Verbreitung und des Vertriebs unzüchtiger Veröffentlichungen vom 4. Mai 1910 und 12. September 1923, die jedem Vertragsstaat weitgehende Rechtshilfepflichten auferlegen. Gerade die unter diese Konventionen fallenden strafbaren Handlungen werden aber durch das Mittel der Druckerpresse begangen. Überdies gibt es weitere Fälle, in denen sich die Rechtshilfe geradezu aufdrängt, wie etwa dann, wenn durch die Presse zur Begehung von Mord, Plünderung oder anderen Gewalttaten aufgefordert wird oder etwa Betäubungsmittel angeboten werden usw. Soweit sich die in der Praxis denkbaren Fälle überblicken lassen, dürften die in Artikel 2, Buchstabe b des Übereinkommens vorgesehenen Ablehnungsgründe genügen.

· bb.' Die Kategorien der Devisenstrafsachen und der Verletzung von Beschränkungen der Ein-, Aus- und Durchfuhr von Waren bilden einen Teil des weiteren Kreises der Wirtschaftsstrafsachen, die jedoch auch
andere Gruppen strafbarer Handlungen umfassen, wie etwa solche wegen Verletzung von Vorschriften über gewerbepolizeiliche Beschränkungen, über Massnahmen zur Förderung einzelner Wirtschaftszweige, über die Landesversorgung und über die Regelung der Preis- und Marktverhältnisse usw. Devisenrechtliche Beschränkungen wurden vom Bundesgericht verschiedentlich als gegen den schweizerischen ordre public verstossend bezeichnet, dem nach einem Entscheid des Bundesgerichtes (64II98) auch die «aus der Not der Zeit herausgeborene Funktion eines wirtschaftlichen Selbstschutzes» des Landes gegen Massnahmen des Auslandes zukommen kann. Die Rechtshilfe in Devisenstrafsachen kann somit ohne weiteres unter Berufung auf die Unvereinbarkeit mit dem schweizerischen ordre public nach Artikel 2, Buchstabe b des Übereinkommens abgelehnt werden.

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ce. Die Verletzung von Beschränkungen der Ein-, Aus- und Durchfuhr von Waren ist in der Schweiz zur Hauptsache nach Artikel 76 des Zollgesetzes als Bannbruch strafbar, soweit nicht in Spezialgesetzen besondere Strafbestimmungen aufgestellt sind. Sie ist zwar an sich kein Fiskaldelikt, weil geschütztes Rechtsgut nicht öffentliche Abgaben sind, sondern meistens besondere wirtschaftliche Interessen. In der Praxis wurde bisher die Rechtshilfe in Straffallen wegen Bannbruches entsprechend den im Kreisschreiben des Justiz- und Polizeidepartementes vom 20.Dezember 1914 enthaltenen Weisungen abgelehnt, weil es in der Regel an der beidseitigen Strafbarkeit der Handlung mangelte. Wie unten näher dargelegt wird, ist die Strafbarkeit der dem Ersuchen zugrundeliegenden Handlung nach dem Recht des ersuchten Staats im Übereinkommen nicht als Voraussetzung der Rechtshilfepflicht erwähnt. Zudem sprechen überwiegende Gründe für die Aufgabe dieses Grundsatzes, wie an gleicher Stelle dargetan ist. Die Ablehnung der Rechtshüfe in solchen Angelegenheiten unter Berufung darauf, die Handlung sei nach schweizerischem Recht nicht strafbar, ist deshalb in den vom europäischen Übereinkommen beherrschten Fällen nicht möglich. Andererseits gebieten nicht nur das Ineinandergreifen von Bannbruchund Fiskaltatbeständen, sondern vor allem auch die wirtschaftlichen Landesinteressen, dass inBannbruchsachen keine Rechtshilfe geleistet wird. Gegenstand wirtschaftlicher Ausfuhrverbote und -beschränkungen sind in der Regel Waren, an denen erfahrungsgemass jeweils international gesehen ein Mangel herrscht.

Einfuhrverbote oder -beschränkungen werden aus protektionistischen Gründen oder als handelspolitisches Druckmittel angeordnet. In jedem Falle sind diese Beschränkungen für andere Staaten störend und wirtschaftlich gesehen abträglich.

Dabei ist besonders zu beachten, dass auf Grund vereinzelter anderer Staatsverträge wie z.B. des internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Verbreitung und des Vertriebs unzüchtiger Veröffentlichungen vom 12. September 1923 (BS 12, 9 ff.) oder des internationalen Abkommens zur Unterdrückung des unerlaubten Verkehrs mit Betäubungsmitteln vom 26. Januar 1936 (AS 1953, 187 ff.) gerade auch in Strafsachen wegen Ein-, Aus- oder Durchfuhr bestimmter Erzeugnisse Rechtshilfepflichten bestehen. In diesen,
wie auch in ändern FäEen, wo unter Umstanden die Leistung der Rechtshilfe sonstwie im Interesse der Schweiz liegen würde, dürften sich somit aus der vorzusehenden Regelung keine Schwierigkeiten ergeben. Artikel 2, Buchstabe b des Übereinkommens erklärt nun gerade die vom ersuchten Staat hinsichtlich der Beeinträchtigung seiner (wirtschaftlichen) Staatsinteressen vertretene Auffassung als massgebend. Der ersuchte Staat braucht auch nicht näher zu begründen, aus welchen Umständen sich die für ihn entscheidende Beeinträchtigung seiner wesentlichen Interessen ergibt. Diese Best mmung bietet daher die Grundlage für die Fortführung der bewährten bisherigen Praxis. Es bedarf somit keines besonderen Vorbehalts für Bannbruchsachen. In diesem Zusammenhang sei auch hervorgehoben, dass der Vorbehalt des Artikels 2, Buchstabe b die Aufrechterhaltung der Praxis auch hinsichtlich anderer wirtschaftlicher Tatbestände

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gestattet, z. B. in Fällen der Verletzung von Bestimmungen der Antitrustgesetzgebung.

dd. Eine summarische Prüfung sämtlicher Nebenstrafgesetze des Bundes hat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass erhebliche Bedenken hinsichtlich irgendeiner weiteren Gruppe strafbarer Handlungen bestehen könnten, für die die Pflicht zur Leistung von Rechtshilfe nach dem Übereinkommen in Frage kommen könnte.

d. Eine vom Gesichtspunkt der schweizerischen Praxis heikle Frage stellt sich dadurch, dass das Übereinkommen darauf verzichtet hat, die beidseitige Strafbarkeit der dem zum Ersuchen Anlass gebenden Verfahren zugrundeliegenden Handlung als Voraussetzung der Pflicht zur Leistung von Rechtshilfe zu erklären. Nach der bisherigen Praxis besteht - im Gegensatz z.B. zur französischen - eine Verpflichtung zur Leistung von Rechtshilfe nur im Interesse eines Verfahrens, dessen Gegenstand eine auch nach schweizerischem Recht auf Grund der Bestimmungen des sogenannten gemeinen Strafrechts als strafbar zu qualifizierende Handlung ist. Wie bereits angedeutet, wird allerdings der Grundsatz nicht strikt durchgeführt. So werden einmal Zustellungen in Strafsachen ohne Rücksicht auf diese Bedingung vorgenommen; zum ändern wird diese Strafbarkeit bei Ersuchen um Vornahme anderer Rechtshilfehandlungen in der Regel nur in abstracto geprüft, d.h. die Rechtshilfe wird nur dann verweigert, wenn das schweizerische Recht den gesetzlichen Tatbestand, unter den die verfolgte Handlung nach dem Recht des ersuchenden Staats fällt, überhaupt nicht kennt und kein anderer gesetzlicher Tatbestand des Bundesrechts tatsächliche Handlungen der gleichen Art umfasst. Immerhin gilt dies nur, solange der Vollzug des Ersuchens nicht die Anwendung besonderer strafprozessualer Zwangsmassnahmen erfordert, wie Durchsetzung der Zeugnispflicht, Beschlagnahme, Einziehung oder Herausgabe von Gegenständen u. a. Die Ratifikation des Übereinkommens ohne Vorbehalt in dieser Hinsicht würde deshalb die Aufgabe eines in jahrzehntelanger Praxis gehandhabten Grundsatzes bedeuten, dessen Geltung für die schweizerische Praxis noch vor wenigen Jahren durch den Bundesrat bestätigt worden ist. Es bedarf somit einer eingehenden Abwägung der Gründe, die für die eine oder für die andere Lösung sprechen.

aa. Zunächst sei daraufhingewiesen, dass der Grundsatz für die
interkantonale Rechtshilfe in Strafsachen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes nicht gilt. Der Entscheid aus dem Jahre 1886 wurde damit begründet, Ausnahmen von der Rechtshilfepflicht beruhten auf dem Misstrauen in die Gerechtigkeit der Rechtspflege des ersuchenden Staats, wofür aber auf dem Gebiete eines Bundesstaats kein Raum sei. Indessen lässt sich die Auffassung nicht ohne weiteres von der Hand weisen, es widerspreche dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit, im Rahmen der Leistung von Rechtshilfe Prozesshandlungen vorzunehmen, die einer in einem ändern Staate durchgeführten Strafuntersuchung dienen, wenn deren Gegenstand Handlungen bilden, die nach dem Recht des ersuchten Staats nicht strafbar sind; mit anderen Worten, wenn diese Strafuntersuchung sich gegen eine Person richtet, die vor dem Gesetz des ersuchten Staats

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offensichtlich nicht schuldig sein kann. Es erscheint tatsächlich auf den ersten Blick als mit der öffentlichen Ordnung schwerlich vereinbar, dass ein Staat in solchen Fällen im Interesse eines Verfahrens vor Behörden des Auslandes Prozesshandlungen soll vornehmen können, die ihm in gleicher Sache im Interesse seiner eigenen Strafrechtspflege versagt sind, weil mangels Strafbarkeit der Handlung ein Strafverfahren überhaupt nicht durchgeführt werden kann, während alle sonstigen Voraussetzungen für die Ausübung seiner Gerichtsbarkeit an sich gegeben wären. Ist gar der Beschuldigte Angehöriger des ersuchten Staats und wohnt dort, so erscheint es verständlich, wenn sich das Rechtsgefühl gegen die Zulässigkeit der Rechtshilfe sträubt.

bb. Die Voraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit der Handlung wird als Ausfluss des Grundsatzes der Gegenseitigkeit dargestellt. (Entscheid des Bundesgerichtes vom I.Juni 1934 i/S Sperber, Erwägung 4.) In der Tat schliesst das Fehlen der Strafbarkeit der Handlung nach dem Recht des ersuchten Staats es ohne weiteres aus, dass dieser rechtlich je in die Lage kommen könnte, in einer Strafsache gleicher Art die Rechtshilfe nicht nur des ersuchenden, sondern irgend eines ändern Staats in Anspruch zu nehmen. Die Aufgabe dieses Grundsatzes bedeutet somit ohne Zweifel in gewissem Masse auch die Aufgabe des Grundsatzes der strengen Gleichheit der Rechte und Pflichten der an dem Übereinkommen beteiligten Staaten.

Die Gründe, die das mit der Ausarbeitung des Textes des Übereinkommens betraute «Comité européen pour les problèmes criminels» des Europarates veranlasst haben, auf die beidseitige Strafbarkeit der verfolgten Handlung als Voraussetzung der Rechtshilfepflicht zu verzichten, scheinen nach den Materialien zum Übereinkommen vor allem darin zu liegen, dass in der Praxis der Staaten des Europarates diese Voraussetzung schon bisher oft ohnehin nicht oder nur summarisch geprüft wurde. Es dürfte auch in gewissem Sinne als Widerspruch empfunden worden sein, dass es wohl auf die Strafbarkeit, nicht aber auch auf die Verfolgbarkeit der Handlung nach dem Recht des ersuchten Staats ankommen soll, obwohl die strenge Gegenseitigkeit der Rechte und Pflichten der beteiligten Staaten grundsätzlich ebenso durchbrochen ist, wenn der ersuchte Staat die in Frage stehende Handlung aus
prozessualen Gründen nicht verfolgen könnte, wie wenn er dies aus strafrechtlichen Gründen nicht tun kann. Man kann dem beifügen, dass die in der schweizerischen Praxis eingebürgerte Übung, die Prüfung der Strafbarkeit darauf zu beschränken, ob ein entsprechender Tatbestand dem schweizerischen Strafrecht überhaupt bekannt sei (Prüfung der Strafbarkeit in abstracto), als fragwürdig erscheinen mag, weil dabei durchaus die Möglichkeit besteht, dass es gerade im gegebenen Einzelfall doch an der Strafbarkeit der Handlung nach schweizerischem Recht fehlt, weil das eine oder andere Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt ist. Es lässt sich auch nicht bestreiten, dass die Handhabung dieses Grundsatzes in einem gewissen Grade die zwischenstaatliche Rechtshilfe' in Strafsachen einschränkt, was mit der Solidarität der Staaten gleicher Rechtskultur in der Bekämpfung der Kriminalität nicht im Einklang steht.

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ce. Nicht zu übersehen ist aber, dass alle diese Gründe rein praktischer Natur sind und dem rechtlichen Erfordernis der Gegenseitigkeit gegenüber nicht als durchschlagend angesehen werden können. Für das schweizerische Recht kann nun aber nicht gesagt werden, dass die strenge Gegenseitigkeit unabdingbare Voraussetzung der akzessorischen Rechtshilfe in Strafsachen sei. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sie in keiner der zahlreichen auf diesem Gebiete mit ändern Staaten abgeschlossenen bilateralen Vereinbarungen ausdrücklich als Voraussetzung der Rechtshilfepflicht erwähnt ist. Die Frage kann deshalb mit Recht aufgeworfen werden, ob die Anwendung dieses einschränkenden Grundsatzes in Fällen, die nach diesen Vereinbarungen zu erledigen sind, mit deren Text vereinbar ist.

Zudem ist festzustellen, dass die strenge Gegenseitigkeit nach schweizerischem Recht nicht einmal für die Auslieferung unabdingbare Voraussetzung ist: Nach Artikel l des Auslieferungsgesetzes kann eine Auslieferung im Rahmen des Gesetzes mit oder (ausnahmsweise) ohne Vorbehalt des Gegenrechts erfolgen.

Für die übrige Rechtshilfe in Strafsachen kann aber die Gegenseitigkeit selbstverständlich nicht in höherem Masse Voraussetzung sein als für die Auslieferung.

In einem weiteren Sinne ist zudem die Gegenseitigkeit auch bei einem Verzicht auf die beidseitige Strafbarkeit gewährleistet, indem eben jede Vertragspartei - sofern sie keinen besonderen Vorbehalt gemacht hat - Rechtshilfe leisten muss, auch wenn die dem Verfahren im ersuchenden Staat zugrunde liegende Handlung nach ihrem Recht nicht strafbar ist, und anderseits im Verkehr mit einer Vertragspartei, die sich die Anwendung des Grundsatzes der beidseitigen Strafbarkeit allgemein vorbehalten hat, jede andere Vertragspartei ihn ebenfalls anwenden kann (vgl. Art. 23, Ziff. 3 des Übereinkommens).

Wenn nun das Auslieferungsgesetz trotz seinem grundsätzlichen Verzicht auf die strenge Gegenseitigkeit die beidseitige Strafbarkeit der verfolgten Handlung zur Voraussetzung der Auslieferung macht - abgesehen von einer in Artikel 4 vorgesehenen Ausnahme - so scheint damit erwiesen zu sein, dass der Grund dieser Voraussetzung nicht im Erfordernis der Gegenseitigkeit liegen kann. Er ist vielmehr vor allem darin zu erblicken, dass es stossend wäre, wenn gegen eine Person, die von einem
ändern Staate wegen einer dort begangenen und mit Strafe bedrohten Handlung verfolgt wird, der Staat unter Einsatz der schärfsten Zwangsmittel die einschneidendsten Eingriffe in ihre Freiheitsrechte vornehmen dürfte, während er dies nicht tun könnte, wenn die gleiche, nach seinem eigenen Recht aber nicht mit Strafe bedrohte Handlung auf seinem eigenen Hoheitsgebiete begangen worden wäre (vgl.Schultz, Schweizerisches Auslieferungsrecht S.313). Darin würde zweifellos ein für das allgemeine Rechtsgefühl schwer verständlicher Widerspruch zur eigenen öffentlichen Ordnung dieses Staats liegen.

dd. Auf die Rechtshilfe übertragen bedeutet dies, dass zwingende Gründe für die Beibehaltung des Grundsatzes der beidseitigen Strafbarkeit nur gegeben sind, soweit die Leistung von Rechtshilfe die Anwendung von Zwangsmassnahmen erfordert, die Eingriffe in Freiheitsrechte darstellen. Solange dies nicht der Fall ist, kann anderseits wohl kaum gesagt werden, die Leistung der Rechts-

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hilfe stelle eine durch das öffentliche Recht verpönte Rechtspflegehandlung dar.

Mit anderen Worten, es erscheint als zweckmässig, für die Vornahme von Rechtshilfehandlungen ohne Anwendung von Zwang, die keinen Eingriff in Freiheitsrechte darstellen, auf die Voraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit zu verzichten.

ee. Immerhin kann die Frage aufgeworfen werden, ob die beidseitige Strafbarkeit der verfolgten Handlung nicht wenigstens in den Fällen Voraussetzung der Leistung von Rechtshilfe sein sollte, in denen der Beschuldigte Schweizerbürger ist und sich in der Schweiz aufhält. Es mag in gewissem Sinne als stossend angesehen werden, dass schweizerische Behörden zur Förderung eines im Ausland gegen einen Schweizerbürger geführten Strafverfahrens eine Amtshandlung vornehmen, die nicht in Frage kommen könnte, wenn die Handlung, die Gegenstand dieses Verfahrens ist, in der Schweiz begangen worden wäre. Allein, es ist nicht einzusehen, warum hier die Staatsangehörigkeit des Beschuldigten eine wesentliche Rolle spielen sollte. In dieser Hinsicht befindet sich der in der Schweiz geborene und dauernd sich hier aufhaltende Ausländer in der genau gleichen Lage. Der Verzicht auf die beidseitige Strafbarkeit ist ihm gegenüber nicht weniger stossend. Der Grundsatz der Rechtsgleichheit würde es deshalb kaum gestatten, einen nur für Schweizerbürger geltenden Vorbehalt zu machen.

Ausser Frage steht jedenfalls, dass mit dem Verzicht auf die beidseitige Strafbarkeit die Erledigung der meisten Rechtshilfeersuchen erheblich vereinfacht wird, was bei der seit dem Kriege ständig zunehmenden Zahl der Geschäfte nicht ohne Gewicht ist.

ff. Von den Staaten, die bisher das Übereinkommen ratifiziert haben, hat keiner einen Vorbehalt hinsichtlich der beidseitigen Strafbarkeit gemacht.

Immerhin sei vermerkt, dass Österreich dies bei der Unterzeichnung des Übereinkommens getan hat, das es aber bis heute noch nicht ratifizierte. Auch Schweden hat seinerzeit im Expertenausschuss erklärt, es werde den gleichen Vorbehalt machen. Das kann aber für die Haltung der Schweiz zu dieser Frage nicht entscheidend sein, da nach den vorstehenden Ausführungen überwiegende Gründe für die Aufgabe des Grundsatzes sprechen, soweit der Vollzug des Rechtshilfeersuchens nicht die Anwendung von Zwangsmassnahmen erfordert.

Dazu wird auf die
Ausführungen zu Artikel 5 des Übereinkommens verwiesen.

e. In diesem Zusammenhang ist weiter hervorzuheben, dass das Übereinkommen keine Bestimmung enthält, die es ermöglichen würde, die Rechtshilfe abzulehnen, wenn die zum Ersuchen Anlass gebende Straftat im ersuchten Staat bereits Gegenstand eines Strafverfahrens oder eines Urteils gegen den gleichen Täter ist. Es ist schwer verständlich, dass das Übereinkommen diese Umstände nicht als Grund der Ablehnung der Rechtshilfe vorgesehen hat. In der Tat lässt sich die Rechtshilfe in diesen Fällen nur unter gewissen Voraussetzungen mit den Grundsätzen des Ausschlusses der doppelten Verfolgung bzw. Bestrafung des Täters vereinbaren. Dazu kann auf das zu den Artikeln 7 bis 9 des Auslieferungsübereinkommens Gesagte verwiesen werden. Unter den gegebenen Umständen erweist es sich daher am Platze, einen Vorbehalt in dem Sinne zu machen,

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dass sich die Schweiz das Recht vorbehält, die Rechtshilfe auch dann abzulehnen, wenn wegen der gleichen Handlung gegen denselben Beschuldigten in der Schweiz a) ein Strafverfahren durchgeführt wird, oder b) eine strafrechtliche Entscheidung ergangen ist, mit der diese Tat und seine Schuld materiell beurteilt wurden. Ahnliche Vorbehalte haben auch Dänemark und Norwegen angebracht.

f. Das Übereinkommen enthält ferner auch keine Bestimmung über den Umfang der Rechtshilfepflichten in Fällen, in denen das Verfahren im ersuchenden Staat nicht nur wegen gemeinrechtlich strafbarer Handlungen geführt wird, sondern dem Beschuldigten gleichzeitig auch die Verletzung von Vorschriften zur Last legt, zu deren Abklärung der ersuchte Staat ihrer Natur wegen keine Rechtshilfe leistet. Der Bundesrat hat in einem Beschluss vom 23. September 1957 festgestellt, dass der Grundsatz der Spezialität auch für die internationale Rechtshilfe in Strafsachen nach schweizerischer Auffassung ganz allgemein gilt.

M.a. W. die für die Abklärung einer gemeinrechtlichen Straftat gewährte Rechtshilfe berechtigt den ersuchenden Staat nicht, die Ergebnisse der Erhebungen im ersuchten Staat für die Verfolgung und Bestrafung von Delikten auszuwerten und zu verwenden, für die sie nicht geleistet wurde ( Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden 1957 Nr. 3, Erwägung 6 d). Im Hinblick auf die erhebliche Bedeutung, die dieser Regel für die Wahrung des schweizerischen Bankgeheimnisses zukommt, kann darauf im Verkehr mit den Vertragsparteien des Übereinkommens umsoweniger verzichtet werden, als mit dem Beitritt zum Übereinkommen auch der Grundsatz der beidseitigen Strafbarkeit der dem Ersuchen zugrundeliegenden Handlung aufgegeben wird. Es erscheint daher als unerlässlich, dem Generalsekretariat des Europarates gegenüber diese Auffassung in einer zu Artikel 2 abzugebenden besonderen Erklärung zum Ausdruck zu bringen.

Die Bestimmungen der Kapitel II bis IV und VII des Übereinkommens regehi die einzelnen Rechtshilfemassnahmen näher. Das Kapitel II behandelt die sogenannten Rogatorien oder Requisitoriale (Art. 3 bis 6). Unter den Begriff der «commissions rogatoires» im Sinne des Übereinkommens fallen in Anlehnung an das französische Recht nur Ersuchen einer Justizbehörde an eine solche eines ändern Staats um stellvertretende Vornahme einer
Untersuchungshandlung, oder um Übermittlung von Beweisstücken, Dokumenten oder Akten.

Andere Rechtshilfeersuchen fallen nicht unter die Bestimmungen dieses Kapitels. Ersuchen um Vornahme der Zustellung von Schriftstücken sowie um Veranlassung des persönlichen Erscheinens von Zeugen, Sachverständigen oder Beschuldigten vor den Behörden des ersuchenden Staats sind nach den Vorschriften des Kapitels III (Art. 7 bis 12), solche um Übermittlung von Auszügen aus dem Strafregister nach denjenigen des Kapitels IV (Art. 13) zu behandeln, der Austausch von Strafnachrichten ist im Kapitel VII (Art. 22) geregelt. Wie bereits alle bisherigen bilateralen Vereinbarungen sieht auch das Übereinkommen vor, dass Rechtshilfe in der in den Rechtsvorschriften des ersuchten Staats vorgesehenen Form zu leisten sei. (Axt. 3 des Übereinkommens.) Dieser Bestimmung kommt für die Schweiz besondere Bedeutung zu, weil sie die analoge Anwendung der Vorschriften der Strafprozessordnungen des ersuchten Staats im Rechts-

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hilfeverfahren anordnet. Sie bildet somit die mangels einer entsprechenden Vorschrift des Bundesrechts unerlässliche Grundlage für die Erledigung von Rechtshilfeersuchen nach strafprozessualen Grundsätzen. Die gleiche Regelung gilt nach Artikel 7 nötigenfalls auch für die Vornahme von Zustellungen. Für die übrige Rechtshilfe bedarf es keiner solchen Vorschrift.

Nach Artikel 4 können die am Verfahren im ersuchenden Staat beteiligten Behörden und Personen auf dessen Verlangen bei der Erledigung des Rechtshilfeersuchens anwesend sein. Dagegen werden gelegentlich Bedenken erhoben mit dem Hinweis darauf, dass Strafuntersuchungen nach den Vorschriften gewisser Prozessordnungen geheim zu führen sind. Es besteht jedoch kein Anlass, hinsichtlich dieser Regelung einen Vorbehalt anzubringen. Denn für den ersuchten Staat handelt es sich bei der Vornahme der Rechtshilfemassnahmen nicht um die Durchführung einer eigenen Strafuntersuchung, bei der seine Vorschriften über deren Geheimhaltung notwendigerweise Anwendung finden müssten.

Er führt vielmehr ein gewöhnliches Verwaltungsverfahren durch, bei dessen Erledigung der Anwesenheit der erwähnten Behörden und Personen keine Bedenken entgegenstehen, sofern der ersuchende Staat ihr zugestimmt oder darum nachgesucht hat, was ja nach dem Übereinkommen ohnehin Voraussetzung dafür ist.

Artikel 5 des Übereinkommens sieht ausdrücklich vor, dass die Erledigung von Ersuchen um Durchsuchung von Personen oder Räumen oder um Beschlagnahme von Gegenständen an die Voraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit der dazu Anlass gebenden Straftat, ihrer Auslieferungsfähigkeit oder der Vereinbarkeit der Massnahme mit dem Recht des ersuchten Staats geknüpft werden kann. Aus den bereits oben erwähnten Gründen muss von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden. Der Vorbehalt muss sich überdies aus zwingenden Gründen auf alle in Frage kommenden Zwangsmassnahmen erstrecken, also z.B. auch auf die Vorführung widerspenstiger Zeugen, die Erzwingung der Zeugenaussage, die Preisgabe gesetzlich geschützter Geheimnisse u.a. Die Anordnung von Zwangsmassnahmen jeder Art im Rechtshilfeverfahren setzt voraus, dass die verfolgte Handlung in concreto alle objektiven Merkmale eines nach schweizerischem Recht strafbaren Tatbestandes erkennen lässt. Der vorgesehene Vorbehalt genügt in Verbindung mit
der in Artikel 2 des Übereinkommens getroffenen Regelung auch für die Fälle, in denen nach der schweizerischen Praxis die strengsten Voraussetzungen für die Leistung von Rechtshilfe erfüllt sein müssen, insbesondere solche, die Erhebungen bei schweizerischen Banken erfordern. Es erscheint demnach nicht als notwendig, die nur in bestimmten Fällen als Voraussetzung der Anwendung von Zwangsmassnahmen erforderliche Auslieferungsfähigkeit der dem Ersuchen zugrundeliegenden Handlung zusätzlich zur Bedingung der Erledigung der Ersuchen nach Artikel 5 des Übereinkommens zu erheben. Es1 kann somit sein Bewenden dabei haben, dass dem Generalsekretariat des Europarates die Erklärung abgegeben wird, die Anwendung jeglicher Zwangsmassnahmen, einschliesslich der Erzwingung des Zeugnisses, sei in der Schweiz an die Voraussetzung der Strafbarkeit der verfolgten Handlung nach schweizerischem Recht geknüpft.

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Nach Artikel 6 des Übereinkommens kann die Herausgabe von Beweisstükken, Akten usw. aufgeschoben werden, solange sie der ersuchte Staat für ein eigenes Verfahren benötigt. Die Rückgabe herausgegebener Gegenstände hat sobald wie möglich zu erfolgen, sofern der ersuchte Staat darauf nicht verzichtet.

Diese Regeln entsprechen der bisherigen schweizerischen Praxis.

Artikel 7 regelt die Zustellung von Schriftstücken in Strafsachen in Anlehnung an die von der internationalen Haager Übereinkunft betreffend Zivilprozessrecht vorgesehene Ordnung. Auch hier kann sich der ersuchte Staat auf die einfache Übergabe des Schriftstückes an den Empfänger beschränken, sofern nicht im Ersuchen ausdrücklich die Zustellung in den Formen des Rechts des ersuchten Staats verlangt wird. Die Gültigkeit der Zustellung wird vom Übereinkommen nicht berührt. Weder verpflichtet es die Vertragsparteien, Zustellungen nur mittels der vorgesehenen Ersuchen an die Behörden des Wohnsitzstaats des Empfängers zu veranlassen, noch spricht es sich über die Zulässigkeit einer Ablehnung der Entgegennahme des Schriftstückes durch den Empfänger aus.

Hinsichtlich der Wirkungen der Zustellung stellt das Übereinkommen lediglich fest, dass Zeugen oder Sachverständige, die einer ihnen nach den Vorschriften des Übereinkommens zugestellten Vorladung keine Folge leisten, keiner Sanktion oder Massnahme unterworfen werden können, selbst wenn solche in der Vorladung angedroht waren (Art. 8). Es ergibt sich daraus, dass eine im Wege der Rechtshilfe zugestellte Vorladung stets nur den Charakter einer formlosen Einladung hat, vor den ersuchenden Justizbehörden zu erscheinen.

In Artikel 7, Ziffer 3 ist die Möglichkeit vorgesehen, durch eine besondere Erklärung an das Generalsekretariat des Europarates zu verlangen, dass Ersuchen um Zustellung einer Vorladung an Beschuldigte den Behörden des ersuchten Staats spätestens vor Beginn einer bestimmten Frist vor dem Verhandlungstermin zu übermitteln sind. Gegenüber Staaten, die eine solche Erklärung abgegeben haben, sind die ändern Vertragsparteien verpflichtet, die festgesetzte Frist zu beachten. Wird sie nicht eingehalten, so kann die Zustellung abgelehnt werden. Die Nichtbeachtung der Frist hindert aber den ersuchenden Staat nicht an der Durchführung des Verfahrens. Unter diesem Aspekt hätte es daher wenig
Sinn, eine solche Frist vorzusehen. Soweit sie aber beachtet wird, dient sie jedenfalls der Wahrung der berechtigten Interessen des Beschuldigten, der dadurch in die Lage versetzt wird, die für seine Verteidigung erforderlichen Dispositionen rechtzeitig und in Ruhe zu treffen. Es empfiehlt sich deshalb, auch schweizerischerseits eine solche Frist vorzusehen, die zweckmässigerweise, wie dies auch von ändern Staaten getan wurde, auf 30 Tage anzusetzen ist.

Die Artikel 9 bis 11 regeln Fragen des persönlichen Erscheinens von Zeugen und Sachverständigen vor den Justizbehörden des ersuchenden Staats, so die Berechnung der Reise- und Aufenthaltsentschädigungen (Art. 9), sowie die Voraussetzungen und das Verfahren für die Veranlassung des persönlichen Erscheinens (Art. 10). Auch diese Bestimmungen entsprechen der bisherigen schweizerischen Praxis. Neu ist jedoch die einlässliche Regelung der Zuführung von Häftlingen, die als Zeugen benötigt werden oder mit Mitschuldigen kon-

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frontiert werden sollen (Art. 11). Grundsätzlich besteht die Verpflichtung, solchen Ersuchen stattzugeben. Sie können jedoch abgelehnt werden, wenn der Häftling seiner Zuführung in den ersuchenden Staat nicht zustimmt oder im ersuchten Staat für ein dort hangiges Strafverfahren benötigt wird, ferner wenn sich daraus eine Verlängerung seiner Haft ergäbe oder andere gebieterische Erwägungen der Durchführung der Massnahme entgegenstehen. Im Gegensatz zur Auslieferung besteht hier kein Anlass, die Zuführung eigener Staatsangehöriger des ersuchten Staats auszuschliessen, weil der ersuchende Staat hier seine Strafgewalt gegenüber dem ihm zugeführten Häftling nicht ausüben kann. Bewilligt ein dritter Staat eine solche Zuführung, so sind die Vertragsparteien auch zur Durchbeförderung des Häftlings verpflichtet (Art. 11, Ziff. 2), wobei sie jedoch die Durchbeförderung eigener Staatsangehöriger im Einzelfall ausschliessen können. Auch hier wäre ein solcher Ausschluss aus den bereits genannten Gründen nicht gerechtfertigt, obschon bei der Durchbeförderung auf dem Rückwege der Häftling wieder den Behörden des Staats übergeben werden muss, der ein Strafverfahren gegen ihn durchführt. In verschiedenen Auslieferungsverträgen hat die Schweiz Vereinbarungen über die sogenannte vorläufige oder Zwischenauslieferung getroffen. Dabei wurde die Pflicht zur Rücklieferung vorläufig ausgelieferter Personen an den Staat, von dem die Auslieferung bewilligt wird, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit übernommen, also auch für Schweizerbürger. Diese Rücklieferung wird auch von der Doktrin als mit dem in Artikel 2 des Auslieferungsgesetzes enthaltenen Verbot der Auslieferung von Schweizerbürgern vereinbar angesehen (vgl. Schultz, Schweizerisches Auslieferungsrecht, S. 507). Es besteht deshalb kein Grund, von der in Artikel 11, Ziffer 2 des Übereinkommens eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Durchbeförderung von Häftlingen abzulehnen, wenn es sich um Schweizerbürger handelt.

Von besonderer Bedeutung ist Ziffer 3 dieses Artikels. Der um Zuführung ersuchende, wie auch der um Durchbeförderung ersuchte Staat führt gegen den Häftling in der Regel keine Strafuntersuchung und hat daher aus eigenem Recht keine Befugnis, diesen während seines Aufenthalts auf seinem Hoheitsgebiet in Haft zu behalten. Um die Voraussetzung
für diese selbstverständliche Bedingung der Zuführung eines Häftlings zu schaffen, schreibt Ziffer 5 vor, dass der ersuchende und gegebenenfalls der um Durchbeförderung ersuchte Staat die zugeführte Person auf ihrem Hoheitsgebiete in Haft zu halten haben. Diese Bestimmung hat konstitutive Wirkung. Sie bildet die Rechtsgrundlage für den Erlass eines Haftbefehls durch die zuständige Behörde dieser beiden Staaten. Aus Gründen der Zweckmässigkeit ist wie im Auslieferungsverfahren auch hier die für Rechtshilfe in Strafsachen zuständige Polizeiabteilung für die Anordnung der Haft als zuständig zu erklären.

Artikel 12 enthält die Bestimmungen über das freie Geleit der Personen, die nach Artikel 10 oder 11 als Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte vor den Justizbehörden der ersuchenden Vertragspartei erscheinen. Dieser Schutz besteht nach dem Übereinkommen ungeachtet des Weges, auf welchem die Vorladung übermittelt worden ist, und dauert längstens 15 Tage nach Abschluss der

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Vernehmungen (Art. 12,Ziff.3). An die Voraussetzung für die Beendigung des Schutzes, die dem Wortlaut nach gleich formuliert ist wie in Artikel 14 des Europäischen Auslieferungs-übereinkommens, sind hier etwas strengere Anforderungen zu stellen als dort : Sinn und Zweck des freien Geleits verlangen, dass die freie Ausreise der freiwillig vor den Behörden des ersuchenden Staats erscheinenden Person von diesen Behörden in keiner Weise behindert worden sein darf, z.B.

auch nicht durch Zurückhaltung der Ausweispapiere. Diese Auffassung ist zur Klarstellung der hier von Artikel 14 des Europäischen Auslieferungs-Übereinkommens abweichenden Bedeutung des Ausdrucks «die Möglichkeit haben, das Hoheitsgebiet des ersuchenden Staats zu verlassen», in einer entsprechenden Erklärung festzuhalten. Unberührt von Artikel 12 bleiben natürlich Fälle, in denen die Vorladung im Hoheitsgebiet des Prozess-Staats zugestellt worden ist.

Artikel 13 verpflichtet die Vertragsparteien zur Erteilung von Auskünften aus ihrem Strafregister. In Strafsachen ist im gleichen Umfang Auskunft zu geben wie den entsprechenden eigenen Behörden (Ziff. 1), in ändern Angelegenheiten insoweit die gesetzlichen oder ändern Vorschriften des ersuchten Staats dies vorsehen. Nach Artikel 16, Absatz 4 der Verordnung über das Strafregister vom 14. November 1941 werden Registerauszüge den Behörden des Auslands verabfolgt, wenn ein Staatsvertrag dies vorsieht oder der ersuchende Staat Gegenrecht hält. Da Absatz l dieses Artikels die Abgabe von Strafregisterauszügen allgemein zulässt an «gerichtliche und andere Behörden des Bundes, der Kantone und der Gemeinden», sie also nicht auf Strafsachen beschränkt, können die Vertragsparteien auch in nichtstrafrechtlichen Angelegenheiten nach Artikel 13, Ziffer 2 des Übereinkommens grundsätzlich Anspruch auf Übermittlung eines Auszuges erheben, sofern dazu kein Vorbehalt gemacht wird. Die Fälle, in denen stichhaltige Gründe bestehen, auch für nichtstrafrechtliche Zwecke die Abgabe der Auszüge auf amtliches Ersuchen hin vorzusehen, also auch gegen den Willen des Betroffenen, sind äusserst selten. Zudem wird heute sehr zu recht danach getrachtet, die amtliche Einholung der Auszüge nach Möglichkeit einzuschränken. Man kann dies umsomehr tun, als jedermann nach Artikel 17, Absatz 2 der Verordnung das Recht hat,
seinen persönlichen Strafregisterauszug zu verlangen und somit angehalten werden kann, diesen beizubringen. Die Inanspruchnahme der Rechtshilf e führt unter diesen Umständen zu einem administrativen Leerlauf, der vermieden werden sollte. Es erscheint daher am Platze, für nichtstrafrechtliche Zwecke die Behörden des Auslandes in der Regel auf die nach Artikel 17 der Verordnung bestehende Möglichkeit zu verweisen und die Abgabe des Auszuges auf amtliches Ersuchen in Form eines Vorbehaltes auf Fälle zu beschranken, in denen besondere Gründe dafür vorliegen.

Artikel 22 auferlegt schliesslich jeder Vertragspartei die verschiedenen schweizerischen Auslieferungsverträgen ebenfalls bekannte Pflicht, alle ändern Vertragsparteien über die gegen ihre Staatsangehörigen ergangenen strafrechtlichen Entscheidungen zu benachrichtigen. Die Bestimmung regelt indessen nur die Übermittlung der üblichen Urteilsauszüge, sowie die Bekanntgabe nachfolgender Eintragungen in das Register. Die Abgabe vollständiger Urteile fällt nicht unter dieses Übereinkommen.

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Die Bestimmungen des Kapitels V (Art. 14 bis 20) regeln das zwischenstaatliche Verfahren und den Geschäftsweg für alle unter das Übereinkommen fallenpen Angelegenheiten. Sie sehen nichts grundsätzlich von der schweizerischen Praxis Abweichendes vor und geben nur zu wenigen Bemerkungen Anlass. Unter Vorbehalt bilateraler Vereinbarungen über den unmittelbaren Geschäftsverkehr der örtlich zuständigen Justizbehörden sind die wichtigsten Rechtshilfeersuchen durch das Justizministerium des ersuchenden Staats unmittelbar an dasjenige des ersuchten Staats zu übermitteln (Art. 15, Ziff. 1), soweit nicht der ersuchte Staat in einer an das Generalsekretariat des Europarates gerichteten Erklärung einen ändern Weg bezeichnet hat. Für die Schweiz ist der Kompetenzregelung entsprechend die Erklärung abzugeben, dass die Polizeiabteilung des Justiz- und Polizeidepartementes zur Erledigung von Rechtshilfeersuchen zuständig ist und diese unmittelbar dieser Amtstelle, beziehungsweise von ihr übermittelt werden können.

Jede Vertragspartei kann in einer an den Generalsekretär des Europarates gerichteten Erklärung verlangen, dass Übersetzungen in, ihre oder in eine der offiziellen Sprachen des Europarates (französisch oder englisch) beizufügen seien.

Es erscheint als zweckmässig, eine solche Erklärung abzugeben in dem Sinne, dass Ersuchen, die nicht in deutscher, französischer oder italienischer Sprache abgefasst sind, mit einer Übersetzung in eine dieser Sprachen versehen werden müssen. Bestehende bilaterale Vereinbarungen über die Verkehrssprache werden durch das Übereinkommen im übrigen nicht berührt.

Kapitel VI (Art. 21) regelt den Geschäftsweg für Ersuchen um Übernahme der Strafverfolgung, für die ebenfalls der justizministerielle Weg vorgesehen ist, Kapitel VII (Art. 22) den Austausch von Strafnachrichten.

Die Artikel 23 bis 30 bilden das Kapitel VIII und enthalten die Schlussbestimmungen über folgende Gegenstände: Die Zulässigkeit von Vorbehalten (Art. 23) ; die Bezeichnung der als Justizbehörden im Sinne des Übereinkommens anzusehenden Amtsstellen (Art. 24); die räumliche Geltung des Übereinkommens (Art. 25); das Verhältnis des Übereinkommens zu ändern zwischenstaatlichen Vereinbarungen über die Rechtshilfe in Strafsachen (Art. 26) ; Unterzeichnung, Ratifikation, Inkrafttreten, Beitritt und Kündigung (Art. 27
bis 29) sowie Notifikationspflichten des Generalsekretariats des Europarates (Art. 30).

4. Auf Grund dieser Ausführungen ist vorzusehen, dass dem Generalsekretariat des Europarates bei der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde die oben erörterten und im Entwurf zu einem Bundesbeschluss wiedergegebenen Vorbehalte und Erklärungen zu diesem Übereinkommen bekanntzugeben seien.

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C. Reiseverkehr III. Europäisches Übereinkommen über die Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates vom 13. Dezember 1957

Durch dieses Übereinkommen soll der Reiseverkehr für die Angehörigen der Mitgliedstaaten erleichtert werden. Die Vertragsstaaten können die Reisedokumente bezeichnen, mit welchen ihre Angehörigen ausreisen und sich in das Gebiet der ändern Vertragsstaaten begeben dürfen. Die auf diese Weise eingeräumten Erleichterungen gelten nur für Aufenthalte von längstens 3 Monaten.

Für jeden länger dauernden Aufenthalt sowie für die Einreise zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit können ein gültiger Pass und ein Visum verlangt werden.

Dieses Übereinkommen, welches am I.Januar 1958 in Kraft getreten ist, wurde bisher durch die folgenden Staaten ratifiziert : Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich und Türkei.

Auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen haben wir für die Angehörigen sämtlicher Mitgliedstaaten des Europarates die Visumspflicht mit Ausnahme der Einreise zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit bereits aufgehoben.

Die Aufhebung des Passzwanges ist ebenfalls mit der Mehrzahl dieser Staaten vereinbart worden. Für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit wird dagegen weiterhin ein gültiger Pass verlangt ; zudem sind ausländische Arbeitskräfte, die zum Stellenantritt einreisen, verpflichtet, sich vor der Einreise eine Zusicherung der Aufenthaltsbewilligung zu beschaffen.

Unser Beitritt zum Europäischen Übereinkommen über die Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates wird zur Folge haben, dass die Aufhebung des Passzwanges auf die Angehörigen sämtlicher beteiligter Staaten ausgedehnt wird. Gegenüber der Mehrzahl der Staaten, welche das Übereinkommen ratifiziert haben, werden unsere, bereits auf Grund von bilateralen Vereinbarungen bestehenden Verpflichtungen bestätigt. Sie erfahren dagegen eine Erweiterung in bezug auf Griechenland und der Türkei, mit welchen beiden Staaten wir die Aufhebung der Visumspflicht, nicht aber die Beseitigung des Passzwanges vereinbart haben. Gegen eine solche Ausdehnung der Reiseerleichterungen bestehen keine Bedenken, stellt sie doch lediglich eine Fortsetzung unserer Politik dar, die dem Abschluss aller Vereinbarungen über die Regelung des Personenverkehrs, welche wir mit den meisten westeuropäischen Staaten abgeschlossen haben, zugrunde lag. Ebensowenig haben wir Bedenken, die
gleichen Reiseerleichterungen gegenüber den Angehörigen jener Staaten ins Auge zu fassen, die das Übereinkommen noch nicht ratifiziert haben, diesem jedoch in einem späteren Zeitpunkt beitreten werden.

Die dem Übereinkommen beigetretenen Mitgliedstaaten sind gemäss Artikel l, Absatz l verpflichtet, die Reisedokumente zu bezeichnen, womit die Angehörigen der Vertragsstaaten, ohne Rücksicht auf ihren Wohnsitz, über alle Grenzübergangsstellen der ändern Vertragsstaaten ein- und ausreisen können.

Diese Angaben sind im Anhang zum Übereinkommen, welcher integrierender

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Bestandteil desselben bildet, aufzuführen. Für die Schweiz hat die Erklärung folgenden Wortlaut : «gültiger oder seit weniger als 5 Jahren abgelaufener Schweizerpass; gültige schweizerische Identitätskarte, ausgestellt durch eine Kantons- oder Gemeindebehörde ; für Kinder unter 15 Jahren, die weder Pass noch Identitätskarte besitzen: Kinderausweis, ausgestellt durch eine Kantonsbehorde».

IV. Europäisches Übereinkommen über die Abschaffung des Visumszwanges für Flüchtlinge vom lO.April 1959

Dieses Übereinkommen ist am 3. September 1960 in Kraft getreten und bezweckt, Reisen von Flüchtlingen, die im Gebiete eines Mitgliedstaates des Europarates ihren Wohnsitz haben, zu erleichtern. Auf Grund dieses Übereinkommens sind Flüchtlinge für die Einreise zu einem 3 Monate nicht übersteigenden Aufenthalt von der Visumspflicht befreit, sofern sie einen gültigen Reiseausweis gemäss Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 oder gemäss Abkommen betreffend die Ausstellung eines Reiseausweises an Flüchtlinge vom 15.Oktober 1946 besitzen und dieser von den Behörden des Wohnsitzstaates ausgestellt wurde. Für jeden länger dauernden Aufenthalt sowie für die Einreise zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit kann weiterhin ein Visum verlangt werden. Flüchtlinge, welche sich auf Grund der Bestimmungen dieses Übereinkommens in das Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates begeben haben, werden von dem Staate, der den Reiseausweis ausgestellt hat, jederzeit auf einfaches Verlangen des ändern Staates wieder aufgenommen, es sei denn, der andere Staat habe dem Flüchtling die Bewilligung zum dauernden Aufenthalt auf seinem Gebiet erteilt.

Dieses Übereinkommen wurde durch die folgenden Staaten ratifiziert: Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Dänemark, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen und Schweden.

Wir haben mit Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland und den Benelux-Staaten bilaterale Vereinbarungen abgeschlossen, für welche die Bestimmungen des europäischen Übereinkommens wegleitend waren.

Unser Beitritt zum europäischen Übereinkommen hat zur Folge, dass die von uns in diesem Zusammenhang bereits eingegangenen internationalen Verpflichtungen auf Dänemark, Italien, Norwegen und Schweden ausgedehnt werden. Entsprechend unserer bisher gegenüber Flüchtlingen befolgten Praxis haben wir weder gegen diese Ausdehnung noch gegen die durch den allfälligen Beitritt weiterer Mitgliedstaaten des Europarates bedingte Erweiterung der den Flüchtlingen durch das Übereinkommen eingeräumten Vorzugsrechte Bedenken.

Die Anwendung dieses Übereinkommens steht in engem Zusammenhang mit dem Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und dem Londoner Abkommen betreffend die Ausstellung eines Reiseausweises an Flüchtlinge einerseits und den nationalen Gesetzgebungen über Ausländer anderseits.

Anlässlich der Unterzeichnung des Abkommens durch die Schweiz wird es notBundesblatt. llS.Jatag. Bd.I.

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wendig sein, zum Artikel 5 des Übereinkommens eine Erklärung abzugeben.

Artikel 5 des Übereinkommens verpflichtet den Staat, in welchem ein Flüchtling zuerst Aufnahme gefunden hat, zur jederzeitigen Rücknahme, es sei denn, diesem sei durch einen ändern Vertragsstaat die Bewilligung zum dauernden Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet erteilt worden. Die gleiche Bestimmung ist auch in den von uns abgeschlossenen zwischenstaatlichen Übereinkommen enthalten. Es hat sich damals schon als notwendig erwiesen, diese Bestimmung durch eine gemeinsame Interpretation näher zu präzisieren. Um Missverständnisse zu vermeiden, muss unsere Interpretation von Artikel 5 des Übereinkommens in der an den Generalsekretär des Europarates gerichteten Erklärung bekanntgegeben werden.

Diese Erklärung, für welche die im Anhang zum schweizerisch-französischen Abkommen enthaltene Formulierung wegleitend ist, lautet wie folgt : «Dauernder Aufenthalt im Sinne von Artikel 5 des Europäischen Übereinkommens über die Abschaffung des Visumszwanges für Flüchtlinge ist dort anzunehmen, wo der Mittelpunkt der persönlichen Interessen des Flüchtlings liegt. So gilt die Anwesenheit auf dem Gebiete eines ändern Vertragsstaates zum Besuche von Lehranstalten, zum Aufenthalt in Heilstätten, Erholungsheimen oder in ändern ähnlichen Anstalten, nicht als dauernder Aufenthalt im Sinne von Artikel 5.» V. Europäisches Übereinkommen über den Reiseverkehr von Jugendlichen mit Kollektivpass zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates vom 16. Dezember 1961

Durch dieses Übereinkommen, welches am 16. Januar 1962 in Kraft getreten ist, soll der Reiseverkehr von Jugendlichen erleichtert werden, indem ihnen unter bestimmten Bedingungen gestattet wird, sich auf Grund eines Kollektivpasses zu einem 3 Monate nicht übersteigenden Aufenthalt in das Gebiet eines Vertragsstaates zu begeben. In den Genuss dieser Reiseerleichterungen gelangen Jugendliche von Mitgliedstaaten unter 21 Jahren. Die Vertragsparteien haben die Möglichkeit, die Anwendung des Übereinkommens auf jugendliche Flüchtlinge und Staatenlose auszudehnen, die in einem ändern Vertragsstaat ihren ordentlichen Wohnsitz haben und deren Rückkehr dorthin gesichert ist.

Die Bedingungen für die Benützung des Kollektivpasses sind die gleichen, wie sie üblicherweise in den nationalen Gesetzgebungen und bilateralen Abkommen festgesetzt werden. Da die Mitglieder der mit einem Kollektivpass reisenden Gruppe davon befreit sind, eine heimatliche Identitätskarte vorzuweisen, steht es den Vertragsparteien frei, zu bestimmen, auf welche Weise die Reiseteilnehmer ihre Identität nachzuweisen haben.

Das Übereinkommen ist durch die folgenden Staaten ratifiziert worden: Belgien, Frankreich, Griechenland, Grossbritannien, Irland, Italien, Niederlande und Türkei.

Wir haben keine Veranlassung, diesem Übereinkommen nicht beizutreten, nachdem die Visumspflicht für die Angehörigen sämtlicher Mitgliedstaaten als Einzelreisende aufgehoben worden ist. Zudem ist die visumsfreie Einreise mit Kollektivpässen bereits durch bilaterale Abkommen mit mehreren Mitgliedstaa-

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ten vereinbart oder einseitig verfügt worden. Eine Ausdehnung der durch das Übereinkommen vorgesehenen Reiseerleichterungen auf Angehörige anderer Staaten, welche diesem allenfalls später beitreten könnten, wirft keine besonderen Probleme auf.

Wie bereits erwähnt, können die dem Übereinkommen beitretenden Mitgliedstaaten anlässlich der Unterzeichnung oder der Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde durch eine an den Generalsekretär des Europarates gerichtete Erklärung gemäss Artikel 12 bestimmen, auf welche Weise die Mitglieder einer Reisegruppe ihre Identität nachweisen müssen.

Ebenso können sie gemäss Artikel 13 die Bestimmungen des Übereinkommens unter dem Vorbehalt des Gegenrechts auf jugendliche Flüchtlinge und Staatenlose ausdehnen, die in einem ändern Vertragsstaat ihren Wohnsitz haben und deren Rückkehr dorthin gesichert ist. Die Erklärung gemäss Artikel 13 kann jederzeit durch eine an den Generalsekretär des Europarates gerichtete Mitteilung widerrufen werden. Mit Rücksicht auf die durch das Übereinkommen gewährten Garantien hinsichtlich der Rückübernahme von Mitgliedern einer Reisegruppe durch den Staat, dessen Behörden den Reiseausweis ausgestellt haben, können wir darauf verzichten, jugendliche Flüchtlinge und Staatenlose von der Anwendung des Übereinkommens auszuschliessen. Demzufolge lauten die für die Schweiz gemäss Artikel 12 und 13 des Übereinkommens abzugebenden Erklärungen wie folgt : «a. In bezug auf Artikel 12: die Identität kann auf Grund aller durch Gesetz zur Verfügung stehenden Mittel nachgewiesen werden.

b. in bezug auf Artikel 13: die Bestimmungen des Übereinkommens werden auf jugendliche Flüchtlinge und Staatenlose gemäss den Bestimmungen dieses Artikels ausgedehnt.»

D. Patentklassifikation VI. Europäisches Übereinkommen über die internationale Klassifikation der Erfindungspatente vom 19. Dezember 1954

l, Artikel 60, Absatz l des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1954 betreffend die Erfindungspatente verpflichtet das Amt für geistiges Eigentum, ein Register zu führen, in dem die Patente mit den entsprechenden Erfindungsklassen eingetragen werden. Die Artikel 57 der VollziehungsVerordnung I vom 14. Dezember 1959 und 86 der Vollziehungsverordnung II vom S.September 1959 legen dazu fest, dass im Patentregister Angaben über Klasse, Unterklasse, Gruppe und Untergruppe der Erfindungen enthalten sein sollen. Die veröffentlichten Patentschriften führen diese Angaben ebenfalls auf (vgl. Art. 52, Buchstabe a der Vollziehungsverordnung II).

Der Bundesrat hat am 27. Dezember 1957 die Übernahme der deutschen Klassifikation mit Ausnahme der Klasse 83 (Uhren) beschlossen. Im damaligen Zeitpunkt war dieses System die modernste verfügbare Klassifikation. Diese wird

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heute mit den Änderungen, die die Behörden der Bundesrepublik Deutschland seither vorgenommen haben, auch in der Schweiz angewendet.

2. Seit mehreren Jahren ist man sich jedoch bewusst, dass ein internationales Klassifikationssystem eine vielversprechende Vereinfachung bringen würde.

Einerseits müsste nicht mehr jeder Staat ein eigenes System ausarbeiten und den Verhältnissen laufend anpassen. Zum ändern würden auch die Nachforschungen stark erleichtert, weil die Erfindungen, die derselben Gattung angehören, in den verschiedenen Staaten unter demselben Symbol klassiert würden.

Aus diesem Zweckgedanken hat der Europarat am 19. Dezember 1954 ein Übereinkommen über die internationale Klassifikation der Erfindungspatente angenommen. Elf Staaten, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland, haben bisher dieses Abkommen ratifiziert.

3. Das Europäische Übereinkommen vom 19.Dezember 1954 führt ein internationales Klassifikationssystem ein, das von den Vertragsstaaten als Hauptoder als Nebenklassifikation angewendet werden muss (Art. 1). Der Sachverständigenausschuss für Patentangelegenheiten des Europarates ist beauftragt, diese Klassifikation weiter auszuarbeiten und sie je nach den Bedürfnissen zu ändern oder zu erweitern (Art.2).

Das Übereinkommen enthält in der Anlage ein Verzeichnis der Sektionen, Untersektionen, Klassen und Unterklassen des Klassifikationssystems (diese zwei letzteren Teile der Anlage werden gegenwärtig geändert und ergänzt, so dass wir von einer Bekanntgabe absehen).

4. Der Sachverständigenausschuss für Patentangelegenheiten des Europarates führt demnächst die für die Feinunterteilung der Klassifikation notwendigen Arbeiten zu Ende. Das Ergebnis wird ein vollständiges und ausführliches System sein, bestehend aus nahezu 35000 Gruppen und Untergruppen. Der Sachverständigenausschuss wird dieses System in diesem Jahre einer Generalrevision unterziehen und ein Schlüsselwortverzeichnis in französischer, englischer und voraussichtlich in deutscher Sprache aufstellen. Sehr wahrscheinlich werden alle diese Vorarbeiten 1967 abgeschlossen werden können. Von diesem Zeitpunkt an wird es daher möglich sein, die nationalen Systeme durch die internationale Klassifikation zu ersetzen.

Eine Arbeitsgruppe wird die internationale Klassifikation der fortschreitenden Entwicklung der Technik
laufend anpassen.

5. Es ist erwünscht, dass auch unser Land an der internationalen Klassifikation noch im Ausarbeitungsstadium mitwirken kann und sie in der Folge annimmt. Abgesehen davon besteht die grosse Wahrscheinlichkeit, dass das internationale System ebenfalls von der Bundesrepublik Deutschland als Hauptklassifikation übernommen wird. Dieser Staat würde sich somit von seiner eigenen Klassifikation abwenden. Die deutsche Klassifikation könnte deshalb vom Amt für geistiges Eigentum nur noch unter der Voraussetzung beibehalten werden, dass das Amt selbst sie der inskünftigen technischen Entwicklung anpasst.

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Die Annahme der internationalen Klassifikation wird keine erheblichen Verwaltungsmassnahmen erfordern. Das Amt für geistiges Eigentum wendet sie schon heute für die Klassierung der Erfindungen aus dem Gebiet der Uhrenindustrie an, ebenso als Nebenklassifikation für die übrigen Sachgebiete, vorläufig beschränkt jedoch auf die Symbole der Unterklassen.

E. Schlussbemerkungen Auf Grund der vorstehenden Ausführungen beehren wir uns, Ihnen den angefügten Entwurf zu einem Bundesbeschluss über die Genehmigung der sechs in dieser Botschaft behandelten Übereinkommen zu unterbreiten.

Die verfassungsrechtliche Grundlage bildet Artikel 8 der Bundesverfassung, wonach der Bund zum Abschluss von Staatsverträgen mit fremden Staaten berechtigt ist. Die Zuständigkeit der Bundesversammlung ergibt sich aus Artikel 85, Ziffer 5 der Bundesverfassung.

Sämtliche Übereinkommen sind jederzeit kündbar. Die Kündigung wird nach Ablauf einer Frist wirksam, die für die Übereinkommen über den Personenverkehr und über die Aufhebung der Visa für Flüchtlinge drei Monate, für jene über die Auslieferung und über die Rechtshilfe in Strafsachen sowie über den Reiseverkehr Jugendlicher mit Kollektivpass sechs Monate und für jenes über die Klassifikation von Erfindungspatenten ein Jahr beträgt. Der Genehmigungsbeschluss unterliegt somit nicht dem Staatsvertragsreferendum nach Artikel 89, Absatz 4 der Bundesverfassung.

Wir beantragen Ihnen somit, durch Annahme des angefügten Entwurfes zu einem Bundesbeschluss diese sechs Übereinkommen des Europarates mit den darin vorgesehenen Vorbehalten und Erklärungen zu genehmigen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern, den I.März 1966.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident : Schaffner

Der Bundeskanzler : Ch.Oser

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Genehmigung von sechs Übereinkommen des Europarates (Vom 1.März 1966)

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31.03.1966

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