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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Ausbau der schweizerischen Elektrizitätsversorgung (Vom 23. Dezember 1966) Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren !

/

Wir beehren uns, Ihnen über den Ausbau der schweizerischen Elektrizitätsversorgung nachstehenden Bericht zu unterbreiten : 1. Einleitende Bemerkungen

Die technische und wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre verursacht tiefgreifende Umstellungen in der Energiewirtschaft, die insbesondere auch die Elektrizitätserzeugung stark beeinflussen. Die Probleme, die auf diesem Gebiete auftreten, sind für das allgemeine Wohl von solcher Bedeutung, dass sich die Öffentlichkeit in zunehmendem Masse mit ihnen beschäftigt. Dies hat seinen Niederschlag in parlamentarischen Vorstössen gefunden. Insbesondere hat der Nationalrat am 2. Oktober 1963 ein von Herrn Nationalrat Bächtold am 14. Dezember 1962 eingereichtes Postulat betreffend die Einführung der Atomenergie in die schweizerische Elektrizitätsversorgung erheblich erklärt, das im Rahmen dieses Berichtes beantwortet werden soll.

Zu den Fragen, die in diesem Zusammenhang im Schweizervolk vor allem diskutiert werden, gehört die zukünftige Deckung des beständig wachsenden Strombedarfes. Nachdem aus wirtschaftlichen und ändern Gründen die Erschliessung der Wasserkräfte für diesen Zweck dem Ende zugeht, interessieren sich viele Kreise für die Pläne zum Einsatz anderer Energiequellen für die Elektrizitätsproduktion. Die Elektrizitätsgesellschaften gaben zunächst einzeln eine Reihe von Projekten für den Bau von ölgefeuerten Kraftwerken bekannt. Die Vielzahl der Vorschläge für derartige Anlagen und die Zweifel, die angesichts der raschen Fortschritte der Kernreaktortechnik in bezug auf die Notwendigkeit solcher Werke bestanden, bewogen das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement, mit den verantwortlichen Persönlichkeiten der schweizerischen Elektrizitätswirtschaft ihre Absichten für den Ausbau der Stromversorgung zu besprechen und eine verstärkte Koordination anzuregen. Im Hinblick auf die Anstrengungen der eigenen Industrie, mit Unterstützung des Bundes Zugang zur Technik der Kernkraftwerke zu gewinnen, ergab sich zudem das Bedürfnis, Zusicherungen dafür zu erhalten, dass mindestens ein Kernreaktor

933 eigener Konstruktion, sobald die eigene Entwicklung genügend weit gediehen wäre, von der Elektrizitätswirtschaft bestellt würde. Als Antwort auf diesen Appell veröffentlichten die zehn grössten Stromproduzenten 1963 einen Bericht über die zukünftige schweizerische Elektrizitätsversorgung, in dem sie zum Schluss kamen, dass nach 1971 Platz für ehi schweizerisches Prototyp-Kernkraftwerk geschaffen werden könne. Das erwähnte Dokument gab aber auf verschiedene Fragen keine befriedigende Auskunft, so dass sich der damalige Vorsteher des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartements entschloss, eine Fachkommission unter dem Vorsitz von Herrn Ständerat Dr.E.Choisy einzusetzen (im folgenden als Fachkommission bezeichnet). Diese erhielt zur Aufgabe, Stellung zur zukünftigen schweizerischen Elektrizitätsversorgung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Belange, der Anforderungen der Versorgungssicherheit sowie des Natur- und Heimatschutzes zu beziehen. Auf Wunsch der Kommission wurden die erwähnten zehn Elektrizitätsgesellschaften eingeladen, ihren Bericht zu überarbeiten und den neuen Verhältnissen hinsichtlich der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit der Atomenergie anzupassen.

Die Fachkommission hat das als Antwort auf dieses Begehren entstandene Dokument *) ihrer Stellungnahme zugrunde gelegt und im w esentlichen die darin enthaltenen Auffassungen zu ihren eigenen gemacht. Was die Mitwirkung der für Energiefragen zuständigen Bundesstellen (Amt für Energiewirtschaft, Amt für Wasserwirtschaft, Delegierter für Fragen der Atomenergie) im genannten Gremium anbetrifft, so haben deren Leiter oder Stellvertreter jeweils an den Kommissionssitzungen teilgenommen. Sie haben sodann bei der Beschaffung der technischen Unterlagen mitgeholfen. Die Bundesvertreter übten nur eine beratende Funktion aus, so dass die Stellungnahme der Fachkommission die mehrheitliche Auffassung ihrer Mitglieder, jedoch nicht notwendig die Meinung der erwähnten Ämter wiedergibt.

Die gründliche Diskussion des Berichtes der zehn Werke und die zusätzlichen Untersuchungen, die zur Beantwortung der Fragen des Departementes2) !) «Ausbau der schweizerischen Elektrizitätsversorgung», April 1965, abgedruckt im Bulletin des Schweizerischen Elektrotechnischen Vereins 1965, S. 397.

2 ) Die Kommission hatte Stellung zu nehmen
zum Bericht der zehn Werke unter Berücksichtigung der folgenden Gesichtspunkte: 1. Deckung des zu erwartenden Elektrizitätsbedarfes durch optimales Zusammenspiel in der Benutzung der Wasserkräfte, der fossilen Brennstoffe und der Atomenergie, der Ein- und Ausfuhr von Strom, der Möglichkeiten der Pumpspeicherung und allenfalls der Städtefernheizung.

2. Der auslandabhängige Anteil unserer Stromversorgung (Einfuhr und Erzeugung in mit fossilen Brennstoffen betriebenen Wärmekraftwerken) darf den noch zu ermittelnden Prozentsatz nicht überschreiten, dessen Ausfall ohne wesentliche Einschränkung der industriellen Produktion und des übrigen Stromverbrauchs tragbar ist.

3. Rücksichtnahme auf die Erfordernisse des Natur- und Heimatschutzes sowie der Luft- und Oewässerhygiene.

4. Forderung der Entwicklung einer schweizerischen Reaktorindustrie.

5. Beachtung konjunkturpolitischer Überlegungen beim Bau von Kraftwerken.

6. Rücksichtnahme auf andere, ausserhalb der Energieerzeugung liegende Interessen der verleihenden Gemeinwesen am Ausbau der Wasserkräfte.

Bundesblatt. 118. Jahrgang. Bd. II.

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durchgeführt werden mussten, erforderten einige Zeit. Die ausserordentlich rasche Entwicklung auf dem Gebiete der kommerziellen Kernkraftwerke bewirkte, dass sich innert relativ kurzer Frist die Gegebenheiten in der Elektrizitätswirtschaft teilweise nicht unwesentlich geändert haben. Da die zehn Werke und die Fachkommission die Zukunft der Atomenergie recht vorsichtig beurteilten, müssen heute schon einzelne Feststellungen als überholt bezeichnet werden.

Aus dieser Entwicklung kann gefolgert werden, dass die verantwortlichen Kreise der schweizerischen Elektrizitätswirtschaft in regelmässigen Abständen gemeinsam die Lage beim Ausbau der Stromproduktion überprüfen sollten, so dass der Bericht der zehn Werke vom April 1965 den neuen Verhältnissen rechtzeitig angepasst werden kann. Auf Grund dieser Arbeit wäre auch eine periodische Orientierung der Öffentlichkeit möglich. Diese würde wahrscheinlich viel dazu beitragen, die immer wieder auftauchenden Befürchtungen wegen eines unzweckmässigen Einzelgängertums beim Bau von Kraftwerken zu zerstreuen.

Der Bund seinerseits muss sich selbstverständlich vorbehalten, in Abhängigkeit von der Entwicklung neuerdings ein Gremium von Fachexperten mit der Untersuchung der Lage der schweizerischen Elektrizitätswirtschaft zu beauftragen.

Die Elektrizitätswirtschaft stellt nur einen, wenn auch wichtigen Teil der Energiewirtschaft dar, der ebenfalls im Gesamtzusammenhang betrachtet werden muss. Wir hegen die Absicht, nächstes Jahr eine umfassende Studie über die schweizerische Energiewirtschaft aus der Sicht des Bundes ausarbeiten zu lassen und dem Parlament vorzulegen. Dieses Dokument soll als Basis für die eingehende Debatte der Möglichkeiten und Grenzen einer nationalen Energiepolitik dienen, die gegenwärtig von verschiedenen Seiten gefordert wird.

Der Bundesrat hofft, dass die interessierten Kreise der Energiewirtschaft zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit bei der Abklärung der Fragen auf diesem Gebiete, die von nationaler Bedeutung sind, bereit sind. Wir möchten bei dieser Gelegenheit das Verständnis und die Unterstützung, welche die Elektrizitätsgesellschaften den Aufgaben und Anstrengungen der Fachkommission entgegengebracht haben, dankbar anerkennen. Besonderer Dank gebührt sodann den Mitgliedern und speziell dem Präsidenten der Fachkommission, die sich
mit grossem Einsatz um eine eingehende Beantwortung der ihnen gestellten Fragen bemüht haben. Ihr Bericht vom März 1966 ist im Anschluss an den vorliegenden Bericht abgedruckt.

2. Die Elektrizität in der nationalen Energiewirtschaft

Im Jahre 1965 deckte die Schweiz ihren gesamten Energiebedarf zu 67 Prozent mit Erdölprodukten, zu 18 Prozent mit Elektrizität, zu 11 Prozent mit Kohle und zu 4 Prozent mit Brennholz. Der Anteil der Erdölprodukte ist seit dem Kriege in raschem Zunehmen begriffen, was auf Kosten der ändern Energieträger, namentlich der Kohle und des Brennholze geht, aber auch der Anteil der Elektrizität ist seit einigen Jahren leicht rückläufig. Die einheimischen Energieträger Elektrizität und Brennholz partizipieren also nur mit etwas mehr als einem Fünftel an der Deckung des schweizerischen Energiebedarfs. Gegenüber der Vorkriegszeit hat sich allerdings die Auslandabhängigkeit unserer Energie-

935 Versorgung nicht grundlegend verändert. Das wesentliche Merkmal der seitherigen Entwicklung ist die Verschiebung von der europaischen Kohle, die vor dem Kriege noch drei Fünftel unseres Energiebedarfs deckte, zu den grösstenteils aus aussereuropäischen Quellen stammenden Erdölprodukten.

Die Elektrizität ist die edelste Energieform, weil sie sich unmittelbar, mit hohem Wirkungsgrad und ohne schädliche Nebenprodukte zu erzeugen, in jede gewünschte Nutzenergie wie Licht, Kraft und Wärme umwandeln lasst. Ihre Bedeutung für die schweizerische Wirtschaft kommt deshalb in der vorstehenden Aufteilung, die allein -v om physikalischen Energieinhalt der verschiedenen Energieträger ausgeht, nicht genügend zur Geltung. Diese Aufteilung dient denn auch in erster Linie dazu, die Entwicklungstendenzen zu erkennen.

Seit drei Jahrzehnten verdoppelt sich der Elektrizitätsverbrauch in unserem Lande alle 12 bis 13 Jahre, wobei sich konjunkturbedingte Abschwächungen des Wachstumsrhythmus bisher jeweils innert weniger Jahre wieder ausgeglichen haben. Eine solche Abschwächung ist auch in den letzten drei Jahren zu verzeichnen.

Die Entwicklung des Elektrizitätsverbrauchs in der Schweiz geht aus nachstehender Tabelle hervor : Elektrizitätsverbrauch ohne Elektrokessel und Speicherpumpen Hydrographisches Jahr1)

Jahresverbrauch Millionen kWh =)

1930/31 1935/36 1940/41 1945/46 1950/51 1955/56 1960/61

Mittlere jahrliche Zunahme in den vorangangeneu 5 Jahren Millionen. kWh

3856

_

4063 5910 8014 10429 13720 18141

4l 369 421 483 658 884

Prozent _ 1,1

7,8 6,3 5,4 5,6 5,7

Zunahme im Vergleich zum Vorjahr

1961/62 1962/633) 1963/64 1964/65 1965/66

19 107 20301 21 150 22157 22691

966 1194

849 1007

534

5,3 6,2 4,2 4,8 2,4

Die Verbrauchsentwicklung geht in der Schweiz etwas langsamer vor sich als in den meisten ändern Industriestaaten. Dort gilt als Faustregel, dass der Stromkonsum im Durchschnitt jedes Jahr um 7 Prozent des jeweiligen Vorjahresverx ) 2

l. Oktober bis 30. September.

) kWh = Kilowattstunden.

) Ausnehmend kalter Winter, deshalb überdurchschnittliche Verbrauchszunahme.

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brauchs zunimmt, was zu einer Verdoppelung des Stromkonsums innerhalb von 10 Jahren führt.

Aus Erhebungen der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinigten Nationen in Genf ergibt sich, dass unser Land im Zeitraum 1956-1965 mit einer mittleren jährlichen Zunahme des Stromverbrauchs pro Kopf der Bevölkerung von 3,2 Prozent eine verhältnismässig sehr bescheidene Zuwachsrate aufwies, was zum Teil wohl auf die starke Bevölkerungsvermehrung durch den Zuzug ausländischer Arbeitskräfte zurückzuführen ist. Vergleichsweise betrug die durchschnittliche europäische Zunahme des Pro-Kopf-Verbrauchs im gleichen Zeitraum einschliesslich Sowjetunion 7,8 Prozent (ohne Sowjetunion 6,7 Prozent), diejenige der Vereinigten Staaten von Amerika 4,0 Prozent.

Aus der erwähnten Quelle geht hervor, dass die Schweiz unter den Ländern Europas im Jahre 1965 mit einem Stromverbrauch von 3837 kWh pro Einwohner hinter Norwegen (mit 12542 kWh), Schweden (6244) und Luxemburg (5731) an vierter Stelle stand. Unser Verbrauch pro Kopf ist zwar beträchtlich höher als derjenige unserer Nachbarländer Bundesrepublik Deutschland (2791), Österreich (2533), Frankreich (2094) und Italien (1543) und als der gesamteuropäische Durchschnitt (2079). Er liegt aber erheblich unter dem Pro-Kopf-Verbrauch der Vereinigten Staaten von Amerika (5796 kWh).

Nicht zuletzt mit Rücksicht auf den erheblich höheren Stromverbrauch pro Kopf der Bevölkerung in den am stärksten elektrifizierten Ländern und die dortige ungebrochene weitere Steigerung des Verbrauchs halten wir dafür, dass die gegenwärtige Abflachung der Konsumzunahme in der Schweiz nur vorübergehender Natur ist. Unsere Fachdienste teilen grössenordnungsmässig die Überlegungen, die im Bericht der zehn Werke im Abschnitt «Schätzung des künftigen Elektrizitätsbedarfs» angestellt worden sind. Danach wäre im Winterhalbjahr 1975/76 mit einem Bedarf von rund 21 Milliarden kWh und im Sommerhalbjahr 1976 mit einem solchen von rund 18 Milliarden kWh zu rechnen, was einem Mehrbedarf gegenüber 1965/66 von 9,5 bzw. 7,0 Milliarden kWh entspricht.

Unter den verschiedenen Verbraucherkategorien weist die Gruppe Haushalt, Gewerbe und Landwirtschaft die grösste Wachstumsrate auf, so dass ihr Anteil am gesamten Stromverbrauch des Landes in ständigem Steigen begriffen ist, wie die nachstehende Tabelle zeigt.

Anteil am Elektrizitätsverbrauch in Prozenten Hydrographisches Jahr

Haushalt, Gewerbe, Landwirtschaft

Industrie ohne Elektrokessel

Bahnen

1930/31

34 32

48 51

18 17

42 48 50

46 43 42

12 9 8

1940/41 1950/51 1960/61 1965/66

937 Die Stromproduktion erfolgte bisher in unserem Lande zu 98 bis 99 Prozent in Wasserkraftwerken, wie es im folgenden Kapitel näher ausgeführt wird. Die beträchtlichen Produktionsschwankungen zwischen wasserreichen und trockenen Jahren werden durch Stromaus- und -einfuhr ausgeglichen. So ergab sich im sehr nassen Winter 1960/61 ein Ausfuhrüberschuss von 9 Prozent und im extrem trockenen Winter 1962/63 ein Einfuhrüberschuss von 18 Prozent des Landesverbrauchs. Im Sommerhalbjahr war die Stromerzeugung aus natürlich zufliessendem Wasser bisher immer so reichlich, dass stets ein Ausfuhrüberschuss möglich war. Die nachstehende Tabelle zeigt die Bilanz des Energieverkehrs mit dem Ausland in den letzten 6 Jahren : Aus- und Einfuhrüberschüsse elektrischer Energie in den Jahren 1960/61 bis 1965/66 1 Hydrographisches Jahr

| 1

Winterhalbjahr Ausfuhruberschuss

Einfuhrüberschuss

Millionen kWh

1960/61 1961/62 1962/63 1963/64 1964/65 1965/66

864 238

1905

35 947 399

Sommerhalbjahr

Jahr

uberschuss

Ausfuhrüberschuss

Millionen kWh

Millionen kWh

2614 1887 2929 1129 2597 4038

3478

' 1649 1024 1164 1650 4437

Die internationalen Stromübertragungsleitungen sind seit dem Kriege derart ausgebaut worden, dass heute sämtliche nationalen Netze des westeuropäischen Kontinents von Dänemark bis Sizilien parallelgeschaltet sind, und eine gegenseitige Aushilfe mit sehr bedeutenden Leistungen jederzeit möglich ist. Selbst mit Skandinavien und Grossbritannien bestehen Austauschmöglichkeiten über submaritime Gleichstromkabel. Dieses Verbundsystem, in dem die Schweiz eine Schlüsselstellung einnimmt, erlaubt eine für alle Länder sehr vorteilhafte Zusammenarbeit zwischen den Wasserkraftwerken der Alpenregion und den Dampfkraftwerken der Flachlandgebiete.

Das sich abzeichnende Ende des Ausbaues der schweizerischen Wasserkräfte (siehe das folgende Kapitel) führte, wie in der Einleitung erwähnt, zur Aufstellung zahlreicher Projekte für den Bau von Dampfkraftwerken mit Ölfeuerung. Bei verschiedenen Gelegenheiten haben der Bundesrat und der Vorsteher des Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartements die verantwortlichen Elektrizitätsunternehmungen auf die grosse Auslandabhängigkeit der Brennstoffversorgung der thermischen Kraftwerke hingewiesen und sie zum unmittelbaren Übergang von der hydraulischen zur nuklearen Stromproduktion, unter Überspringung der Phase der konventionellen thermischen Kraftwerke, aufgefordert. Der Widerstand der Bevölkerung gegen den Bau von mit Öl be-

938 feuerten Dampfkraftwerken wegen der Befürchtung einer schädlichen Luftverunreinigung durch deren Abgase und die in den letzten Jahren eingetretene rasche Verbilligung der Stromproduktion in Atomkraftwerken haben dazu geführt, dass in unserem Land bisher nur ein einziges grösseres Ölkraftwerk, dasjenige von Vouvry im Kanton Wallis, erstellt worden ist. Es hat eine installierte Leistung von 300000 Kilowatt und vermag pro Winterhalbjahr bei einem Ölverbrauch von rund 300000 Tonnen rund 1,2 Milliarden Kilowattstunden zu erzeugen, was ungefähr 10 Prozent des gegenwärtigen Landesbedarfs an elektrischer Energie im Winterhalbjahr entspricht. Der inzwischen erfolgte Durchbruch der Atomenergie (siehe dazu die Ausführungen im Kapitel 4) lässt mit grosser Wahrscheinlichkeit die Voraussage zu, dass in der Schweiz keine weitern konventionellen thermischen Kraftwerke dieser Grössenordnung mehr gebaut werden dürften.

3. Die Nutzbarmachung unserer Wasserkräfte

Die Nutzung unserer Wasserkräfte hat bis heute in der schweizerischen Elektrizitätswirtschaft eine überragende Rolle gespielt. Sie wird auch weiterhin, zusammen mit der Produktion aus Atomkraftwerken, die Elektrizitätsversorgung unseres Landes sicherstellen. Es schien uns daher angezeigt, einige ihrer Aspekte hervorzuheben, insbesondere die Vorteile, welche diese Nutzung sowohl unserer öffentlichen als auch der privaten Wirtschaft gebracht hat und noch lange bringen wird.

a. Gegenwärtiger Stand des Ausbaues Dank ihrem stark ausgeprägten Relief und den meist hohen Niederschlagsmengen ist die Schweiz im Verhältnis zu ihrer Fläche eines der an Wasserkräften reichsten Länder Europas. Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Nutzung dieser Kräfte für die Energieerzeugung in unserem Lande schon recht früh einsetzte.

Während des hydrographischen Jahres vom I.Oktober 1965 bis 30.September 1966, mit einer vor allem im Winter eher überdurchschnittlichen Wasserführung, erreichte die Produktion unserer 380 hydroelektrischen Zentralen rund 27,5 Milliarden kWh, während an thermischer Energie nur 520 Millionen kWh erzeugt wurden, d. h. weniger als 2 Prozent der gesamten Produktion.

Das Regime der für die Wasserkraftnutzung wichtigsten Wasserläufe der Schweiz wird gekennzeichnet durch grosse, infolge Schnee- und Gletscherschmelze sowie Regen zustande gekommene Sommerabflussmengen, denen kleine Winterabflussmengen gegenüberstehen, besonders auch weil in den höheren Lagen im Winter die ohnehin geringeren Niederschläge grösstenteils in fester Form fallen. Im Gegensatz dazu ist der Landesverbrauch an elektrischer Energie im Winter etwas höher als im Sommer, und dieses Überwiegen des Winterbedarfes scheint eher noch ausgeprägter zu werden. Um dieser Unstimmigkeit zu begegnen und soweit als möglich den Gang der Erzeugung demjenigen des Verbrauches anzupassen, musste man zahlreiche Speicherbecken erstellen, um auf diese Weise einen guten Teil des überschüssigen Sommerwassers im Winter ausnützen zu können. Am 1. Oktober 1966 entsprach das Speichervermögen der

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in Betrieb stehenden Anlagen einer potentiellen Energie von rund 6,7 Milliarden kWh.

Die zahlreichen Speicherkraftwerke, deren Staubecken ein wesentliches Element darstellt, ermöglichen es, die Produktion und den Bedarf im Verlauf des Jahres besser aufeinander abzustimmen. Ausserdem sind sie in der Lage, ihre Erzeugung jederzeit den Änderungen der Nachfrage anzupassen, und dank ihrer meist starken Ausbauleistung liefern sie hochwertige Energie für die Deckung aller Verbrauchsspitzen. Gegenwärtig ist die Erzeugung unserer Speicherkraftwerke so bedeutend, dass sie nicht nur diese Spitzen deckt, sondern darüber hinaus noch einen beträchtlichen Anteil an der Grundlast im täglichen Belastungsdiagramm übernimmt.

Die Nutzbarmachung unserer Wasserkräfte in grossem Ausmass brachte und bringt unserem Lande weiterhin zahlreiche und verschiedenartige Vorteile.

Sie sicherte eine ausreichende Versorgung mit Elektrizität zu günstigen Bedingungen, was für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung eines Landes einen lebenswichtigen Faktor darstellt. Mit der Nutzung eines einheimischen Rohstoffes garantierte sie bisher und gewährleistet sie auch heute noch die Unabhängigkeit und die Sicherheit unserer Elektrizitätsversorgung in Krisen- oder Kriegszeiten. Lediglich die für die Ausrüstung der Werke erforderlichen Rohstoffe stammen aus dem Ausland; unsere Aussenhandelsbilanz wird daher nur in bescheidenem Masse belastet, da die Investitionen fast gänzlich in unserem Lande verbleiben und die Entwicklung zahlreicher Industrien begünstigen.

Gegenüber den Nachteilen, welche die intensive Ausnützung unserer Wasserkräfte verschiedenenorts hinsichtlich des Gewässerschutzes bzw. des Naturund Heimatschutzes zur Folge hatte, ist auf die bedeutendenVorteile hinzuweisen, die sich für unser Land, im Vergleich zu seinen Nachbarn - und zwar gerade unter diesen Gesichtspunkten - durch den hohen Grad der Elektrifizierung ergeben. Betrachtet man die Städte und Industriegebiete der an Hydroelektrizität armen Länder, so lässt sich tatsächlich feststellen, dass dort die Verschmutzung durch Staub und Rauch weit schwerer ist als bei uns, sei es, dass diese von den thermischen Kraftwerken selbst herrührt oder aber darauf zurückgeführt werden kann, dass anstelle elektrischer Energie feste oder flüssige Brennmaterialien und Treibstoffe
verwendet werden. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Speicherung von Wasser in Staubecken während der Periode starker Abflussmengen eine fühlbare, oft sogar beträchtliche Erhöhung der minimalen Abflüsse talabwärts in Zeiten geringer Abflussmengen zur Folge hat, was gewisse Vorteile mit sich bringt, so z. B. für den Gewässerschutz.

Ferner hat die Nutzbarmachung der Wasserkräfte den Gebieten, in denen sich die Werke befinden, d. h. in erster Linie den Gebirgsgegenden, grosse Vorteile gebracht und bringt sie weiterhin. Nicht nur haben der ansässige Handel und das ansässige Gewerbe einen direkten Nutzen von den umfangreichen Bauarbeiten und anschliessend vom Betrieb und Unterhalt der Kraftwerke, sondern auch die beteiligten Gemeinden und Kantone verzeichnen manchmal beträchtliche Zunahmen ihrer Steuererträge. Konzessionsgebühren und Wasserzinsen

940 fliessen ebenfalls in die Kassen der öffentlichen Hand dieser Gegenden. Auch die Lieferung von Gratisenergie und solcher zu reduziertem Preis an die Konzessionsgemeinden kommt häufig vor; oft bedingen sich die verleihenden Gemeinwesen auch das Recht auf Heimfall aus. Schliesslich hat der Bau neuer Verkehrswege die Erschliessung und die Entwicklung ganzer Talschaften gefördert.

b. Anlagen im Bau und Projekte Am 1. Januar 1966 befanden sich 23 neue Anlagen im Bau. Wenn einmal alle ihren Betrieb aufgenommen haben, d. h. etwa im Jahre 1970, wird die mögliche Energieerzeugung der schweizerischen Wasserkraftwerke im Mitterjahr rund 30,4 Milliarden kWh - davon 17 Milliarden im Sommer und 13,4 Milliarden im Winter - erreichen. 58 Prozent dieser Energie werden aus den Kantonen Wallis, Graubünden und Tessin stammen. Die installierte Leistung wird 9,6 Millionen kW betragen; das Speichervermögen wird auf 3,1 Milliarden m 3 ansteigen, was einer potentiellen Energie von 7,7 Milliarden kWh oder etwas mehr als der Hälfte der möglichen Winterproduktion entspricht.

In ihrem Bericht vom April 1965 haben die zehn Werke den Landesbedarf im Jahre 1969/1970 auf rund 29,2 Milliarden kWh geschätzt, davon 15,4 im Winter und 13,8 im Sommer, womit sie praktisch die Prognosen unseres Amtes für Energiewirtschaft bestätigen. So wird gegen Ende dieses Jahrzehnts die hydroelektrische Produktion bei mittlerer Wasserführung für den Sommerbedarf noch reichlich genügen, während im Winter ein bedeutender Fehlbetrag durch die Erzeugung aus thermischen Werken im Inland oder durch Einfuhren zu decken wäre.

In der Folge wird sich die Situation aber rasch ändern, denn die Übergangsperiode von der Epoche der Wasserkräfte zu derjenigen der thermischen, hauptsächlich nuklearen, Energie wird weniger lange dauern, als man noch vor kurzem annahm. Unsere günstigsten Wasserkräfte sind schon ausgebaut oder bereits im Ausbau begriffen. Ausserdem sind die Baukosten und die Zinsen für Anleihen, beides Faktoren, die bei Wasserkraftanlagen mit ihrem grossen Kapitalaufwand sehr ins Gewicht fallen, in den letzten Jahren stark gestiegen. Anderseits sind die Preise für klassische wie auch für nukleare Brennstoffe sowie die Anlagekosten pro Leistungseinheit in thermischen, insbesondere nuklearen, Werken merklich niedriger geworden. So hat unser Amt
für Wasserwirtschaft, welches noch im Jahre 1964 die technisch und wirtschaftlich nutzbaren Wasserkräfte auf 3 8-40 Milliarden kWh im Mitteljahr geschätzt hatte, seinePrognosen revidiert.

Eine Umfrage, die das Amt unlängst bei den Kantonen und den interessierten Elektrizitätsunternehmungen durchführte,ergab,dassdieProduktionderprojektierten Kraftwerke, deren Verwirklichung heute noch zu erwarten ist, nur 1-2 Milliarden kWh betragen wird; dadurch würde die gesamte Erzeugungsmöglichkeit nach dem Vollausbau auf 31-32 Milliarden kWh ansteigen. Hievon wären 3,9 Milliarden kWh der schweizerische Anteil an der Produktion der Kraftwerke an den Grenzflüssen. Ein weiterer Zuwachs wird sich jedenfalls durch Umbau und Modernisierung älterer Werke ergeben. Schliesslich ist es nicht ausgeschlossen,

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dass Projekte, deren Verwirklichung heute unsicher erscheint, später doch noch zur Ausführung gelangen, wodurch das oben genannte Total um 1-2 Milliarden kWh grösser werden könnte.

Wie die zehn Werke und die Fachkommission sind wir der Meinung, dass der Ausbau unserer Wasserkräfte, soweit er sich zu relativ wirtschaftlichen Bedingungen realisieren lasst, fortgeführt und beendet werden soll, unter Wahrung der anderen bestehenden Interessen, besonders jener des Naturschutzes und des Gewässerschutzes. Dafür sprechen die Sicherung unserer Energieversorgung und weitere Erwägungen.

Wir haben die wesentliche Rolle der Speicherwerke, die darin besteht, dass ihre Produktion jederzeit den sich stets ändernden Bedürfnissen des Verbrauchs angepasst werden kann, schon im vorangehenden Abschnitt a erwähnt. Es ist möglich, dass diese Werke in Zukunft, wenn die Belastungsspitzen weiter ansteigen werden, noch an Bedeutung gewinnen, denn die Kernkraftwerke dürften aus technischen und wirtschaftlichen Gründen in erster Linie für die Deckung der gleichmässigen Grundlast im täglichen Belastungsdiagramm eingesetzt werden.

In verschiedenen Landern mit \orwiegend thermischer Energieerzeugung bestehen bedeutende Pumpanlagen für täglichen oder wöchentlichen Umwälzbetrieb, um damit Spitzenenergie durch Veredlung überschüssiger Energie zu erzeugen. Diese niedrig bewertete Überschussenergie wird dazu verwendet, Wasser aus einem unteren Speicherbecken in ein höhergelegenes zu pumpen; dasselbe Wasser gelangt dann wieder in das untere Becken, wobei es während der Stunden starker Belastung des Netzes hochwertige Energie produziert. In der Schweiz weisen verschiedene im Bau befindliche Speicherkraftwerke auch die für eine solche Betriebsart notwendigen Einrichtungen auf. Es ist wahrscheinlich, dass mit der Entwicklung der thermischen Produktion in unserem Lande die Anlagen dieser Art - in Verbindung mit bestehenden oder geplanten Speicherwerken oder auch als reine Pumpspeicherwerke - noch zunehmen werden, um so mehr als die Schweiz mit ihrem Relief sowie den zahlreichen natürlichen oder künstlichen Seen, welche als unteres oder oberes Becken dienen können, günstige Bedingungen dafür bietet. Zunächst hat das Amt für Wasserwirtschaft, wie es auch die Fachkommission empfiehlt, eine systematische Studie über die für diesen Zweck
geeigneten Örtlichkeiten unseres Landes in Angriff genommen, ähnlich wie es seinerzeit hinsichtlich der Speichermöglichkeiten für die Erzeugung von Winterenergie vorgegangen war.

Was ferner die sich im Bau befindlichen oder projektierten Laufwerke betrifft, ist zu bemerken, dass es sich meistens um Anlagen handelt, die von den interessierten Kantonen gewünscht w urden. Einige dieser Werke bilden wesentliche Bestandteile von Gesamtausbauplänen und bieten auch in anderen Belangen Vorteile, so für den Schutz vor Überschwemmungen, für die Sanierung von Uferzonen und unter Umständen für den Naturschutz. Öfters sind sie zur Deckung des lokalen Energiebedarfs bestimmt; die Erstellung solcher Werke im Verbrauchsgebiet selbst oder in dessen Nachbarschaft verringert dann weitgehend die Kosten für Transformierung und Übertragung der Energie. Manch-

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mal handelt es sich auch um Erneuerung oder Ergänzung bestehender Anlagen.

Auf alle Fälle wird die Erzeugung dieser zukünftigen Werke nur einen kleinen Prozentsatz der gesamten hydroelektrischen Produktion betragen.

Es befinden sich zurzeit Wasserkraftwerke im Bau, die gesamthaft rund 3 Milliarden kWh erzeugen werden. Dieser Produktionszuwachs wird zur Sicherstellung der Elektrizitätsversorgung des Landes während der nächsten Jahre, bis Energie aus anderen Quellen für den zukünftigen Bedarf bereitstehen wird, unentbehrlich sein. Die Fertigstellung dieser Werke ist daher für unsere Wirtschaft von wesentlicher Bedeutung und muss folglich soweit möglich erleichtert werden.

Bis zu einem gewissen Grade ähnlich ist die Lage bei denjenigen Projekten, für welche noch kein Baubeschluss vorliegt, deren Verwirklichung sich aber, bei Berücksichtigung aller in Betracht fallenden Gesichtspunkte, als interessant erweisen wird. Und selbst wenn der neue Bedarf an Elektrizität hauptsächlich durch Kernenergie zu decken sein wird, werden unsere Wasserkraftwerke ihre Bedeutung behalten und weiterhin, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, die Versorgung unseres Landes in einfacher und sicherer Weise gewährleisteu und der Produktion im Ganzen die nötige Elastizität geben.

4. Die Eingliederung der Kernkraftwerke in die Elektrizitätsproduktion

Wie schon im ersten Kapitel festgestellt wurde, hat die Verwendung der Atomenergie für die Elektrizitätsproduktion wesentlich raschere Fortschritte gemacht, als dies selbst von den Fachleuten erwartet wurde. Allein in den Vereinigten Staaten, einem Lande mit billigen Preisen für die fossilen Brennstoffe Öl und Kohle, sind 1965/66 Kernkraftwerke mit einer totalen elektrischen Leistung von etwa 14000 MW1), d. h. fast dem Doppelten der heutigen Gesamtleistung der schweizerischen Elektrizitätswerke, in Auftrag gegeben worden. In den letzten Monaten sind dort mehr mit Atomenergie betriebene Grosskraftwerke bestellt worden als konventionelle Anlagen dieser Art. Die Ursache für diese Entwicklung ist nicht in erster Linie einem überraschenden Durchbruch in der Reaktortechnik, die in den letzten Jahren wohl rasche, aber nicht sprunghafte Fortschritte gemacht hat, zuzuschreiben. Vielmehr stehen dahinter eine risikofreudige Kommerzialisierung der guten Erfahrungen mit einigen Prototypanlagen und die entschlossene Ausnutzung der für Kernkraftwerke besonders ausgeprägten Kostenvorteile von Grossanlagen. Für sehr hohe Leistungen (etwa 1000 MW) ist heute der Investitionsaufwand für Kernkraftwerke schon nicht mehr grösser als für kohlegefeuerte Kraftwerke, wie dies durch einen kürzlich vergebenen Auftrag eindeutig belegt wird. Dazu kommen die schon seit Jahren wesentlich billigeren Brennstoffpreise pro erzeugte Kilowattstunde im Falle der Atomenergie und die etwa vergleichbaren übrigen Betriebsaufwendungen bei den thermischen Kraftwerken, seien sie nun nuklearer oder konventioneller Art.

Der heutige Erfolg der Kernkraftwerke muss allein der wirtschaftlichen Kon*) l MW = l Megawatt = 1000 Kilowatt.

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kurrenzfähigkeit dieser Anlagen zugeschrieben werden, da allen ändern Überlegungen (Versorgungssicherheit, Verschmutzung der Luft) meistens noch keine ausschlaggebende Rolle eingeräumt wird.

Die ausländischen Offerten für Kernkraftwerke haben auch schweizerische Elektrizitätswerke überzeugt, dass solche Anlagen in unserem Lande zu vorteilhaften Bedingungen betrieben werden können. So entschieden sich die Nordostschweizerischen Kraftwerke Ende 1964, die Bernischen Kraftwerke im Sommer 1966, je ein Kernkraftwerk mittlerer Grosse (350 MW bzw. 306 MW elektrische Leistung) zu bestellen. Eine Reihe anderer Projekte in der deutschen und der französischen Schweiz, darunter insbesondere zwei Vorhaben zum Bau von grösseren Kernkraftwerken (600 MW elektrische Leistung) gemeinsam mit Partnern aus Nachbarländern, werden zurzeit bearbeitet, so dass weitere derartige Baubeschlüsse in den nächsten Jahren erwartet werden können. Gegenwärtig besteht deshalb kein Anlass, eine «Energieklemme» zu befürchten, wie dies Herr Nationalrat Bächtold im Zeitpunkt der Einreichung seines Postulates erwartet hat. Zur Deckung des Strombedarfs der nächsten zehn Jahre werden im Gegenteil nicht alle geplanten Kernkraftwerke benötigt. Um so schwerer fällt es, die wirtschaftliche Notwendigkeit konventionell thermischer Kraftwerke für die Schweiz noch nachzuweisen. Die etwas anderen Schlussfolgerungen der Fachkommission sind darauf zurückzuführen, dass die von ihr benutzten Unterlagen nicht mehr dem neuesten Stand entsprechen. Die in letzter Zeit vergebenen Aufträge für Kernkraftwerke zeigen, dass diese Anlagen bei den im Kommissionsbericht erwähnten Leistungen auch unterhalb 5000 jährlichen Betriebsstunden mit ölgefeuerten Werken konkurrenzfähig sind.

Im Bericht der zehn Werke wird die Ansicht vertreten, dass die Offerten für konventionelle Anlagen zuverlässiger sein dürften als diejenigenfür nukleare Kraftwerke, die kostenmässig wegen des grösseren Investitionsaufwandes mit zusätzlichen Unsicherheitsfaktoren behaftet seien. Die neuerlichen Bestellungen für Kernkraftwerke beweisen, dass diese Behauptung nicht mehr zutrifft. Die Reaktorlieferanten offerieren Festpreise und gehen in ihren Garantien bezüglich termingerechter Ablieferung, Erfüllung der Spezifikationen und Verfügbarkeit der Anlage manchmal weiter als die Hersteller
konventionell thermischer Werke.

Berücksichtigt man noch, dass langfristige Verträge für die Lieferung der Brennstoffelemente zu genau definierten Ansätzen abgeschlossen werden können, so versteht man, warum die Elektrizitätswerke heute schon mit beträchtlicher Zuverlässigkeit die Preise der Kilowattstunden angeben können, die ihre Kernkraftwerke im nächsten Jahrzehnt erzeugen werden.

Bei der Beurteilung der Zukunft der Atomenergie in der schweizerischen Elektrizitätsversorgung muss auch in Rechnung gestellt werden, dass die Technik der Kernkraftwerke relativ jung ist und noch sehr grosse Entwicklungsmöglichkeiten bestehen. Gegenwärtig wird in verschiedenen Industriestaaten mit grossem Aufwand nicht nur an der Verbesserung der erprobten Reaktoren, sondern auch an neuen Reaktortypen gearbeitet, die eine bessere Brennstoffausnutzung und damit noch niedrigere Strompreise versprechen. Mit zunehmender Erfahrung werden Vereinfachungen in der Konstruktion und eine Rationalisierung

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der Fabrikation eine weitere Senkung des Investitionsaufwandes gestatten.

Ebenso wird die Herstellung der Brennstoffelemente mit ziemlicher Gewissheit noch beträchtlich verbilligt werden können, wie dies eine kürzlich eingegangene langfristige Lieferverpflichtung für derartige Elemente eindrücklich belegt. Von den Fortschritten auf diesem Gebiet können auch die schon bestehenden Kernkraftwerke ohne kostspielige Umbauten vollen Nutzen ziehen. Selbst eine Erhöhung des Uranpreises angesichts der rasch steigenden Nachfrage könnte die erwarteten Kostenvorteile wahrscheinlich kaum aufheben. (Bei diesen Überlegungen haben wir vom Einfluss einer allfälligen Teuerung abgesehen, da diese sich auch auf die Kosten der konventionell thermischen Kraftwerke auswirken würde.) Es besteht deshalb aller Grund zur Annahme, dass in den künftigen Jahren die Atomenergie einen rasch steigenden Beitrag zur Deckung des schweizerischen Stromkonsumes liefern wird. In den meisten ändern Industriestaaten ist mit einer ähnlichen Entwicklung zu rechnen.

Parallel zum Übergang zu Kernkraftwerken kann selbst bei den konventionellen Anlagen eine ausgeprägte Tendenz zum Bau immer grösserer Produktionseinheiten festgestellt werden, die hauptsächlich den preislichen Vorteilen derartiger Werke gegenüber Kleinkraftwerken zugeschrieben werden muss. In der schweizerischen Elektrizitätswirtschaft mit einer Vielzahl meist kleinerer Unternehmungen bedingt dies eine verstärkte Zusammenarbeit der Stromproduzenten bei der Planung ihrer neuen Anlagen. In gewissen Fällen wird sogar eine Koordination der Bedürfnisse über die Landesgrenze hinweg empfehlenswert erscheinen, um sehr grosse Einheiten verwenden zu können, ohne dass die Beschaffung von Ersatz bei Stromausfall infolge beabsichtigter oder unvorhergesehener Betriebsunterbrüche wesentliche Schwierigkeiten verursacht.

Eine Reihe weiterer Probleme, die beim Bau und Betrieb von Kernkraftwerken auftauchen, können am rationellsten und vorteilhaftesten auf gemeinsamer Basis gelöst werden. Als Beispiele seien angeführt : - Die günstigsten Standorte für Kernkraftwerke sind die Ufer wasserreicher Flüsse, da mit grossen Wassermengen die Abwärme am einfachsten und billigsten weggeführt werden kann. In unserem Lande gibt es eine beschränkte Zahl von geeigneten derartigen Standorten, die möglichst
rationell ausgenützt werden sollten.

- Bei der Brennstoffversorgung für die Kernkraftwerke sind die Elektrizitätsgesellschaften, mindestens solange keine grösseren abbauwürdigen Uranvorkommen in der Schweiz gefunden werden, auf ausländische Lieferungen angewiesen. Bereits heute stellt man fest, dass verschiedene Staaten mit den Besitzern preiswerter Uranlagerstätten Vereinbarungen abschliessen, die ihnen eine langfristige Versorgung zu günstigen Bedingungen gewährleisten. Für diejenigen, die keine solche Vorsorge betreiben, besteht die Gefahr, dass sie später zu höheren Ansätzen die Produktion aus den weniger wirtschaftlich arbeitenden Minen übernehmen müssen. Im allgemeinen wird die Verhandlungsposition der interessierten Elektrizitätsgesellschaften durch das Zusammenlegen ihrer Brennstoffbedürfnisse gestärkt werden. Der Bund seinerseits

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hat am 30. Dezember 1965 mit den Vereinigten Staaten von Amerika ein Abkommen (AS 1966, 1265) unterzeichnet, das die Belieferung der Kernkraftwerke, die in der Schweiz in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich gebaut werden, während ihrer geschätzten Lebensdauer von 30 Jahren mit angereichertem Uran sicherstellt. Dabei werden aber die offiziellen Preise zur Anwendung gelangen, die im Zeitpunkt der Lieferung in den USA gültig sein werden, so dass dieses Abkommen keine Garantie hinsichtlich der zukünftigen Uranpreise einschliesst.

Die von den Elektrizitätswerken bestellten Leichtwasserreaktoren müssen ungefähr alle Jahre einmal für den Brennstoffwechsel stillgelegt werden.

Während dieser Zeit müssen auch die Unterhaltsarbeiten, die im Betrieb z. B.

wegen der vorhandenen Strahlung nicht in Angriff genommen werden können, durchgeführt werden. Zur möglichst raschen Erledigung all dieser Aufgaben wird mehr Fachpersonal als im Normalbetrieb benötigt. Eine gemeinsame Equipe von Spezialisten für den Brennstoffwechsel könnte mehrere Anlagen in dieser Hinsicht betreuen und würde sicher zu einem rationelleren Einsatz des beschränkt vorhandenen Fachpersonals führen.

Die Kosten der Brennstoffelemente könnten gesenkt werden, wenn eine gewisse Koordination bei der Wahl der Reaktortypen eine gemeinsame Anschaffung solcher Elemente ermöglichen würde. Dieser Vorteil muss natürlich gegen die Möglichkeiten abgewogen werden, die sich aus einer freien Konkurrenz unter den Reaktorfabrikanten ergeben.

Die Lagerung der radioaktiven Abfälle kann am billigsten und zuverlässigsten in regionalen Stapelplätzen, die gleichzeitig mehreren Kernkraftwerken dienen, erfolgen. Es gilt auch, die Bevölkerung in der Nachbarschaft einer solchen Anlage davon zu überzeugen, dass diese keine Gefährdung darstellt und dass deren Verwirklichung im Interesse einer grösseren Gemeinschaft liegt.

Für den Bau und Betrieb von Kernkraftwerken braucht es nach dem Atomgesetz eine Bewilligung des Bundes. Bevor eine solche erteilt werden kann, muss die nukleare Sicherheit der Anlage von Experten begutachtet werden.

Dem Bunde steht dafür die Eidgenössische Kommission für die Sicherheit von Atomanlagen zur Verfügung, deren Mitglieder nebenamtlich diese Aufgabe erfüllen. In der Schweiz sind nur eine relativ geringe Zahl von Fachleuten der Kerntechnik
tätig, die für eine Mitarbeit in der Kommission in Frage kommen. Meistens wollen die Besten unter ihnen sich nicht ausschliesslich mit Sicherheitsfragen beschäftigen. Deshalb sollte vermieden werden, diese Kommission mit Gutachten für zum Teil noch recht Ungewisse Vorhaben zu überlasten. Da in der nächsten Zukunft wegen der Bedarfsentwicklung höchstens ein grösseres Kernkraftwerk alle ein bis zwei Jahre in Bau genommen werden kann, sollte diese Forderung bei einer gegenseitigen Abstimmung der Pläne erfüllt werden können. Natürlich kann der Bund zur Entlastung der Kommission seine für das Bewilligungsverfahren zuständigen Stellen verstärken, soweit das beim heutigen Personalmangel möglich ist. Eine Aufblähung des Beamtenapparates, nur damit Bewilligungen auf Vorrat beschafft werden können, wäre jedoch kaum zu vertreten.

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Diese keineswegs erschöpfende Aufzählung von Fragen und Aufgaben, bei deren Lösung eine enge Zusammenarbeit Ersparnisse oder andere wirtschaftliche Vorteile zeitigen kann, belegen zusätzlich die schon früher festgestellte Notwendigkeit des gemeinsamen, gut koordinierten Vorgehens beim Bau und Betrieb der Kernkraftwerke.

Der Übergang zur Atomenergie verlangt nicht nur von den Elektrizitätswerken eine gewisse Umstellung. Auch ein wichtiger Zweig der schweizerischen Industrie, der sich mit dem Kraftwerkgeschäft befasst, muss sich an neue Verhältnisse anpassen. Bis heute sind die Elektrizitäts-Produktionsanlagen in unserem Land zum weitaus überwiegenden Teil von der einheimischen Industrie geliefert worden. Diese hat auch immer wieder auf Grund eigener Entwicklungen derartige Einrichtungen oder Komponenten dazu exportiert. Für die nächsten Jahre muss nun damit gerechnet werden, dass die in der Schweiz gebauten Kernkraftwerke ausländischer Konzeption sein werden, und dass die nukleartechnisch anspruchsvollen Anlageteile von anderen industriell fortgeschrittenen Staaten gekauft werden müssen. In unserem Lande wurden seit einigen Jahren Anstrengungen zum Aufbau einer eigenen Reaktortechnik unternommen. Die entsprechenden Arbeiten sind jedoch noch nicht so weit gediehen, dass die beteiligten Unternehmen konkurrenzfähige Offerten für Kernkraftwerke anbieten könnten. Gegenwärtig besteht in der Industrie noch keine einhellige Auffassung darüber, in welcher Weise sie sich am besten in den Reaktorbau einschalten kann.

Es fehlt auch ein allgemein gutgeheissenes langfristiges Programm, das Aufschluss darüber geben würde, in welcher Weise ein marktreifes Kernkraftwerk entwickelt werden kann. Der Bundesrat wird auf die Probleme in diesem Zusammenhang bei der Beantwortung der Motion Wartmann eintreten. Es muss gehofft werden, dass die Elektrizitätswerke, die finanziell bei der Förderung der bisherigen schweizerischen Anstrengungen in der Reaktortechnik schon mitgeholfen haben, weiterhin mit wohlwollendem Verständnis die Bemühungen der einheimischen Industrie, im Reaktorbau FUSS zu fassen, nach Möglichkeit unterstützen.

5. Die Rolle des Bundes im Energiesektor

Die Kompetenzen, über welche der Bund auf dem Gebiete der Energiewirtschaft verfügt, sind bescheiden. Sie finden sich im wesentlichen in folgenden Bundesgesetzen : - Bundesgesetz vom 24. Juni 1902 über die elektrischen Schwach- und Starkstromanlagen (Elektrizitätsgesetz, BS 4,766), - Bundesgesetz vom 22. Dezember 1916 über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte (Wasserrechtsgesetz, BS 4, 729), - Bundesgesetz vom 23.Dezember 1959 über die friedliche Verwendung der Atomenergie und den Strahlenschutz (Atomenergiegesetz, AS 1960, 541), - Bundesgesetz vom 4. Oktober 1963 über Rohrleitungsanlagen zur Beförderung flüssiger oder gasförmiger Brenn- oder Treibstoffe (Rohrleitungsgesetz, AS 1964, 99).

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Das Elektrizitätsgesetz brachte eine Vereinheitlichung der Vorschriften über die Erstellung elektrischer Anlagen, führte ein eidgenössisches Polizeibewilligungsverfahren ein und suchte die Verbreitung der Elektrizität durch die Gewährung des eidgenössischen Enteignungsrechts für den Bau von Übertragungs- und Verteilleitungen zu erleichtern.

Das Wasserrechtsgesetz bezweckte die Förderung eines rationellen Ausbaus der schweizerischen Wasserkräfte, indem es im wesentlichen für die Handhabung der Konzessionshoheit, die mit Ausnahme internationaler und gewisser interkantonaler Fälle allerdings Sache der Kantone blieb, allgemeine Bestimmungen aufstellte, einen Maximal-Wasserzins festsetzte und ebenfalls die Gewährung des eidgenössischen Enteignungsrechts für den Bau von Wasserkraftwerken vorsah. Zur Gewährleistung einer zweckmässigen Nutzbarmachung der Wasserkräfte müssen die generellen Pläne der projektierten Kraftwerke dem Bundesrat zur Genehmigung eingereicht werden.

Das Atomenergiegesetz machte den Bau von Atomanlagen von einer Bewilligung des Bundes abhängig, bei der es sich rechtlich um eine blosse Polizeierlaubnis handelt. Sie gestattet deshalb nicht, eine eigentliche Atomkraftwerkpolitik zu betreiben. Die Förderung der Entwicklung eines schweizerischen Kernreaktors beruht nicht auf dem Atomgesetz, sondern auf Subventionsbeschlüssen der Bundes Versammlung, die sich direkt auf Art. 24'luinciuies der Bundesverfassung stützen. Ihre Motivierung liegt denn auch mehr in der Bedeutung der Herstellung von Einrichtungen der Kerntechnik für unsere Exportindustrie als in energiewirtschaftlichen Überlegungen.

Elektrische Energie, die in Wasserkraftwerken oder in Atomkraftwerken erzeugt wird, darf nach den beiden einschlägigen Gesetzen nur mit Bewilligung des Bundesrates ins Ausland exportiert werden. Dies gilt jedoch nicht für Elektrizität aus konventionellen termischen Kraftwerken.

Das Rohrleitungsgesetz führte wohl eine eidgenössische Konzessionspflicht für den Bau und Betrieb grösserer Pipelines ein. Es umschreibt aber die Gründe, aus denen eine Konzession verweigert werden darf, in einem abschliessenden Katalog, so dass der Bundesrat nur einen geringen Spielraum besitzt, um auf die Ausgestaltung des Pipelinenetzes einen bestimmenden Einfluss ausüben zu können. Mehr Ermessensfreiheit besitzt er, wie
für die elektrischen Anlagen, beim Entscheid über die Erteilung des Enteignungsrechts. Dieses ist aber nicht unbedingt Voraussetzung, um eine elektrische oder eine Rohrleitung erstellen zu können.

Erdölraffinerien und thermische Kraftwerke sind industrielle Betriebe im Sinne des Bundesgesetzes vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, AS 1966, 57). Die Bewilligung wird nach Einholung eines Gutachtens des eidgenössischen Arbeitsinspektorates durch die zuständige Behörde des Kantons erteilt. Es handelt sich um eine reine Polizeierlaubnis, die weder dem Bund noch den Kantonen gestattet, bei der Bew ilhgungserteilung landes- oder regionalplanerische oder gar energiepolitische Gesichtspunkte walten zu lassen.

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Wer eine wirksamere bundesrätliche Energiewirtschaftspolitik fordert, sollte sich der mangelnden Rechtsbasis für eine solche bewusst sein. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen wären allerdings vorhanden, um dem Bundesrat namentlich auf den Gebieten der Atomkraftwerke und der Rohrleitungsanlagen vermehrte Kompetenzen einzuräumen (Art. 24 «uin(3uies und Art. 26Ms der Bundesverfassung). Durch eine einfache Änderung der betreffenden Gesetze könnte in beiden Fällen eine eigentliche Konzessionspflicht eingeführt werden, die dem Bundesrat erlauben würde, beim Entscheid alle vom Landesinteresse geforderten Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Da anlässlich der noch nicht weit zurückliegenden parlamentarischen Beratung sowohl des Atomenergiegesetzes als auch des Rohrleituiigsgesetzes die Frage einer derartigen Ausgestaltung dieser Erlasse diskutiert und negativ entschieden worden ist, verzichten wir heute darauf, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Ebenso bestände die erforderliche verfassungsmässige Basis, um ausser der technischen auch die wirtschaftliche Seite der Fortleitung und Abgabe elektrischer Energie, insbesondere den Energielieferungsvertrag zwischen den Elektrizitätsunternehmungen und ihren Stromabnehmern gesetzlich zu ordnen (Art. 24Ms, letzter Absatz der Bundesverfassung). Wir halten dieses Problem jedoch nicht für dringlich. Dagegen fehlt dem Bund die Kompetenz, um Erstellung und Betrieb von Pumpspeicherwerken, die in Zukunft vermehrte Bedeutung erlangen dürften (vgl. die Ausführungen unter Kapitel 3, Buchstabe b hievor) gesetzgeberisch regeln zu können. Auf Grund einer Motion von Herrn Ständerat Rohner vom 23. Juni 1965, die vom Ständerat am 6. Oktober und vom Nationalrat am 16. Dezember 1965 angenommen wurde, prüfen wir gegenwärtig die Frage einer Ergänzung des Artikels 24bis der Bundesverfassung im Sinne einer Ermächtigung des Bundes, die Wasserwirtschaft unter Einschluss der Probleme der Pumpspeicherung umfassend und einheitlich zu ordnen.

Die ungenügenden Rechtsgrundlagen hindern aber nicht, dass der Bundesrat sehr wohl eine energiepolitische Konzeption besitzt. Danach sind die dauerhaften Hauptziele der schweizerischen Eneigiewirtschaftspolitik die folgenden: 1. Möglichst billige Energieversorgung, 2. Möglichst ausreichende und sichere Energieversorgung, welche der Unabhängigkeit
des Landes dient, 3. Schutz der Gewässer und der Luft und möglichste Wahrung des Landschaftsbildes.

Abgesehen von der Anlegung umfassender Vorräte an Importenergien, die nach dem Bundesgesetz vom 30. September 1955 über die wirtschaftliche Kriegsvorsorge (AS 1956, 85) erzwungen werden kann, erblicken wir die beste Sicherung der Energieversorgung in einer möglichst grossen Vielgestaltigkeit der verwendeten Energieträger, ihrer Bezugsquellen und Zufuhrwege. Ausser dem Bundesbeschluss vom 28. September 1956 über wirtschaftliche Massnahmen gegenüber dem Ausland, verlängert durch Bundesbeschluss vom 28. September 1962 (AS 1956, 1553 bzw. 1963, 1), der es dem Bundesrat erlaubt, bestimmte Provenienzen für Importgüter vorzuschreiben, besteht aber nur eine sehr schmale

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rechtliche Grundlage zur Verwirklichung der angestrebten Vielgestaltigkeit weshalb hiefür in erster Linie an das Verständnis der Wirtschaftskreise appelliert werden muss.

Bei der grossen Abhängigkeit unserer Energieversorgung von den Erdölprodukten legen wir Wert darauf, dass nach dem Ausbau der wirtschaftlich nutzbaren Wasserkräfte unsere Elektrizitätsversorgung nicht ebenfalls in die Abhängigkeit dieser Produkte gerät, w äs der Fall wäre, wenn die zur Deckung des künftigen zusätzlichen Bedarfs erforderliche elektrische Energie in thermischen Kraftwerken mit Ölfeuerung erzeugt würde. Der von uns seit Jahren befürwortete direkte Übergang von der Hydroelektrizität zur Stromproduktion in Atomkraftwerken, auf deren grosse Versorgungssicherheit der Bericht der Fachkommission hinweist, hat sich nun durchgesetzt, so dass der Elektrizitätssektor im Falle einer Abschnürung der Schweiz von der Aussenwelt auch in Zukunft als der am besten gesicherte Sektor unserer Energiewirtschaft betrachtet werden kann. Das will natürlich nicht heissen, dass die Elektrizität in der Lage wäre, auch für fehlende andere Energieträger in die Lücke zu springen, aber den normalerweise durch Elektrizität gedeckten Energiebedarf vermöchte sie selbst bei einem Versagen der Zufuhren vom Ausland weitgehend zu decken.

Wir beantragen Ihnen, von den vorstehenden Ausführungen und dem Bericht der Fachkommission Kenntnis zu nehmen und das Postulat des Nationalrates vom 2. Oktober 1963 (Nr. 8643) abzuschreiben.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 23. Dezember 1966.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident : Schaffner

Der Bundeskanzler : Ch. Oser

Bundesblatt. 118. Jahrgang. Bd. II.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über den Ausbau der schweizerischen Elektrizitätsversorgung (Vom 23. Dezember 1966)

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1966

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30.12.1966

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