508

# S T #

Aus den Verhandlungen des Schweiz. Bundesrathes.

(Vom 3. Juli 1874.)

Der Bundesrath hat den Erlaß von 4 Kreisschreiben an sämmtliche eidgenössische Stände beschlossen, nemlich : a. über den Auslieferungsvertrag mit Belgien.

,,Getreue, liebe Eidgenossen!

,,Wir haben die Ehre, Ihnen die Mittheilung zu machen, daß der am 16. Juni d. J. ratifizirte Auslieferungsvertrag mit dem Königreich Belgien von den beiderseitig Bevollmächtigten am 1. laufenden Monats dahier ausgewechselt worden ist, und daß der Vertrag nach seinem Artikel 16 am 20. des gegenwärtigen Monats Juli in Kraft treten wird. Eine größere Anzahl von Exemplaren wird demnächst Ihnen zur Verfügung gestellt werden.

,,Indem wir Sie einladen, hievon zur Ausführung Kenntuiß zu nehmen , benuzen wir diesen Anlaß, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, nebst uns in den Schuz des Allmächtigen zu empfehlen."

b. über Rükhaltung von Ausweisschriften wegen Forderungen.

,,Getreue, liebe Eidgenossen!

,,Die Bundesversammlung hat uns bei Anlaß der Prüfung des Geschäftsberichtes pro 1873 mit Beschluß vom 27. Juni a. c. den Auftrag ertheilt, die Frage zu untersuchen und darüber Bericht zu erstatten, inwieweit die Rükhaltung von Ausweisschriften wegen Forderungen mit den Artikeln 45 und 59 der Bundesverfassung vereinbar sei.

,,Diese Frage hat die kantonalen und eidgenössischen Behörden schon so vielfach beschäftigt, daß es in der That nur erwünscht sein kann, wenn endlich eine allgemein verbindliche Lösung derselben erzielt wird.

,,Damit dieses aber in erschöpfender Weise geschehen kann, scheint uns eine genauere Kenntniß aller Fälle, in denen eine Rükhaltung der Ausweisschriften in den einzelnen Kantonen vorkommen kann und des dabei zu beobachtenden Verfahrens nothwendig zu sein.

509 ,,Wir lichten daher an sämmtliche Kantonsregierungen das Gesuch, uns hierüber Auskunft geben und die allfällig bestehenden gesezlichen oder reglementarischen Vorschriften beifügen zu wollen.

Wir werden auch gerne Ihre Bemerkungen entgegennehmen, welche Sie etwa über die wünschbare Lösung der erwähnten Frage zu machen sich veranlaßt sehen."

c. über Maßnahmen zur Sicherung des Geheimnisses bei eidg.

Abstimmungen.

,,Getreue, liebe Eidgenossen!

,,Bei Anlaß der Berathung des Bundesgesezes betreffend die Volksabstimmungen über Bundesgeseze und Bundesbeschlüsse hat der Bundesrath die Frage untersucht, ob spezielle Maßnahmen zu treffen seien behufs Sicherung des Geheimnisses der Stimmabgabe bei eidg. Abstimmungen und behufs Verhütung des Mißbrauches eidgenössischer Stimmzedel.

,,Damit wir diese Frage richtig prüfen können, müssen wir vor Allem das in den Kantonen bestehende Verfahren kennen.

,,Wir ersuchen Sie daher, uns mit thunlichster Beförderung über das Detail des bei Ihnen bestehenden Verfahrens Bericht zu erstatten und insbesondere darzustellen, inwiefern dabei das Geheimniß der Stimmgebung gesichert sei und der Mißbrauch eidgenössischer Stimmzedel verhütet werde.

,,Zugleich ersuchen wir Sie, Ihrem Berichte die bei Ihnen bestehenden gesezlichen oder reglementarischen Vorschriften beizufügen. " d. Abschluß und Wirkungen der Ehe.

,,Getreue, liebe Eidgenossen!

,,Die neue Bundesverfassung enthält über den A b s c h l u ß und die W i r k u n g e n der Ehe im Artikel 54 folgende Bestimmungen: ,,,,Das Recht zur Ehe steht unter dem Schuze des Bundes.

,,,,Dieses Recht darf weder aus kirchlichen oder ökonomischen Rük,,,,sichten, noch wegen bisherigen Verhaltens oder aus andern poli,,,,zeilichen Gründen beschränkt werden.

,,,,Die in einem Kantone oder im Auslande nach der dort gel,,,,tenden Gesezgebung abgeschlossene Ehe soll im Gebiete der Eid,,,,genossenschaft als Ehe anerkannt werden.

,,,,Durch den Abschluß der Ehe erwirbt die Frau das Heimat,,,,recht des Mannes.

SIO ,,,,Durch die nachfolgende Ehe der Eltern werden vorehelich ,,,,geborne Kinder derselben legitimirt.

,,,,Jede Erhebung von Brauteinzugsgebühren oder andern ähn,,,,lichen Abgaben ist unzuläßig.tut ,,Die Wichtigkeit, welche dieser Artikel nicht nur für eine große Anßahl außer ihrer Heimat lebender Schweizer, sondern auch für die Kantons- und Gemeindebehörden hat, veranlaßt uns, die ·Kantonsregierungen, sowie sämmtliche schweizerische Gesandtschaften und Konsulate im Auslande auf diesen Artikel besonders aufmerksam zu machen und zugleich einige Bemerkungen beizufügen, welche für die praktische Anwendung dieser neuen Vorschriften nüzlich sein werden. Wir sind um so mehr hiezu gcnöthigt, als schon verschiedene bezügliche Eintragen und Beschwerden an uns gekommen sind, die uns belehrt haben, daß zur Erzielung einer.

gleichmäßigen Praxis und ohne daß den Fragen vorgegriffen wird, welche die Bundesversammlung bei der Ausarbeitung des Gesezes über den Civilstand (Art. 53 der Bundesverfassung) zu lösen in den Fall kommen mag, der Erlaß eines Kreisschreibens unerläßlich ist.

,,Wir müssen zunächst darauf aufmerksam machen, daß der Art. 54 sogleich mit dem 29. Mai 1874'in Kraft getreten ist. Die einzelnen Säze desselben sind daher mit diesem Tage einziges und einheitliches Gesez im Innern der Schweiz und für die Schweizer im Auslande geworden, und die damit im Widerspruch stehenden Vorschriften kantonaler Verfassungen und Geseze sind nach Art. 2 der Uebergangsbestimmungen zu der neuen Bundesverfassung mit dem gleichen 29. Mai außer Kraft getreten. In Folge dessen ist jede Ehe eines Schweizers, die nach dem 29. Mai im In- oder Auslande eingegangen wurde, gültig und muß von den Behörden des Heimatkantons des Mannes als solche anerkannt werden, sobald sie nach der am Orte der Eingehung geltenden Gesezgebung abgeschlossen worden ist. Hieraus folgt auf der einen Seite, daß die Behörden .dieses Ortes verpflichtet sind, die Angehörigen anderer Kantone in Allem, was zu der gültigen Eingehung einer Ehe erforderlich ist, auf dem gleichen Fuße zu behandeln, wie ihre eigenen Bürger, und andererseits, daß die Behörden des Heimatkantous des Bräutigams oder der Braut nicht mehr die Beobachtung anderer Formen verlangen können als jener, die am Orte des Eheabschlusses gesezlich vorgeschrieben sind.

,,Es sind daher auch
jene kantonalen Vorschriften aufgehoben, wonach eine auswärts geschlossene Ehe erst dann in die Civilstandsregister der Heimat eingetragen und anerkannt werden durfte, nach-

511

dem sie in Folge einer gerichtlichen oder administrativen Prüfung als gültig erklärt worden war.

,,Im Weitern enthält der erwähnte Art. 54 in Lemma 2 einige Bestimmungen, welche für die Eingehung der Ehe bestimmte Direktionen geben und daher ebenfalls die kantonalen Geseze modiflziren.

,,In erster Linie darf dem Abschlüsse einer Ehe aus k i r c h lichen G r ü n d e n kein Hindevniß mehr bereitet werden. Es versteht sich daher von selbst, daß auch aus solchen Gründen die Anerkennung einer auswärts geschlossenen Ehe nicht mehr verweigert werden darf. Die gemischten Ehen und die Civilehen müssen am Heimatsorte des Mannes anerkannt und ohne Weiteres eingeschrieben werden. Die Forderung von Confirmationsscheinen und anderen ähnlichen kirchlichen Akten ist künftig unstatthaft.

,,Ebenso darf das Recht zur Ehe aus ö k o n o m i s c h e n R ü k s i c h t e n nicht beschränkt werden, und es ist ausdrüklich jede Erhebung von Brauteinzugsgeldern oder anderen ähnlichen Abgaben als unzuläßig erklärt. Alle Fragen dieser Art müssen im weitesten Sinne dieser Art gelöst werden. Wir gehen insbesondere von der Ansicht aus, daß auch die Einheirathsgebühren von Ausländerinnen wegfallen und die früher geleisteten Kautionen zurükgegeben werden müssen. Wenn seit dem 29. Mai Jemand materielle Leistungen irgend welcher Art behufs Eingehung der Ehe gemacht hätte, so könnte er sie ohne Zweifel wieder zurükfordern. Dabei versteht es sich übrigens von selbst, daß für die wirklich nöthigen Papiere eine geringe Taxe für Expedition und Stempel gefordert werden mag.

,,Endlich sind überhaupt alle Beschränkungen weggefallen, die früher aus dem Verhalten der Brautleute oder ans polizeilichen Gründen abgeleitet worden sind. Mit der Kontrolle über das moralische Verhalten des Bürgers ist auch die Forderung weggefallen, daß er zuerst die Bewilligung seiner heimatlichen Regierung beibringen müsse, bevor er sich verehelichen dürfe. Der Wegfall dieser Bewilligung folgt nothwendig auch aus dem Umstände, daß nach Art. 54 nicht mehr das Gesez der Heimat, sondern dasjenige des Wohnortes, beziehungsweise des Ortes der Eingehung der Ehe, maßgebend ist. Ebenso sind die Bürgerrechtszusicherungeu und Entlassungsurkunden für schweizerische Bräute weggefallen. Die Strafen sind aufgehoben, welche gegen solche Bürger angedroht waren, die sich auswärts
verehelichten, ohne die Geseze des Heimatkantons zu beobachten.

,,Zum Schlüsse glauben wir noch die Bemerkung beifügen zu sollen, daß wir uns überzeugt haben, daß sowohl die Grundsäze

512 der neuen Bundesverfassung, welche sich direkt auf die Ehe beziehen , als auch andere, welche indirekt mit ihr in Verbindung stehen, z. B. die Beurkundung des Civilstandes (Art. 53), nur an der Hand eines besondern Gesezes übereinstimmend durchgeführt werden können. Wir werden daher nicht säumen, eine bezüglicho Vorlage an die Bundesversammlung zu bringen.

,,Inzwischen würden die vorstehenden Bemerkungen den Uebergang zu einheitlich geordneten Zuständen vermitteln und Anständen vorbeugen, welche während der Uebergangszeit bis zum Inkrafttreten des diese Verhältnisse abschließlich regelnden Gesezes entstehen möchten.cc

(Vom 8. Juli 1874.)

Herr Emile de la C h a u m e , welcher unterm 17. Juni abhin von der französischen Gesandtschaft bei der Schweiz. Eidgenossenschaft zum Agent Vice-Consul Frankreichs in Zürich ernannt wurde, hat in dieser Eigenschaft das Exepuatur vom Bundesrathe erhalten.

In Ausführung der Artikel 47 und 66 der revidirten Bundesverfassung beschloß der Bundesrath, an sämmtliche Kantonsregierungen folgendes Kreisschreiben zu erlassen: ,,Getreue, liebe Eidgenossen!

,,Die neue Bundesverfassung enthält zwei Bestimmungen, welche die Erlassung von Bundesvorschriften über die Stimmberechtigung der Schweizerbürger nothwendig machen; einerseits Art. 47, soweit er von- den politischen Rechten der Aufenthalter handelt, und andererseits Art. 66 betreffend Verlust der politischen Rechte.

,,Wir wünschen nun vor Allem zu erfahren, was in dieser Materie gegenwärtig bei den Kantonen Rechtens ist, und ersuchen Sie deßhalb, uns nach beiden Richtungen hin nähere Auskunft ertheilen und derselben etwaige, gesezlich bestehende Vorschriften textuell beifügen zu wollen.a

513 Der Bundesrath hat gewählt: als ,, ,, ,, ,,

(am 8. Juli 1874) Posthalter in Feucrthalen: Hrn. Emanuel Christian Am m a n n , von Schaffhausen , Kaufmann in Feuerthalen (Zürich); Postkommis in Luzern: ,, Hermann Am r h ei n, von Münster, bisher provisorischer Postkommis in Luzern; ,, ,, Chur: ,, Albert Naef, Postaspirant, von Mels (St. Gallen), in Basel; ,, ,, Genf: ., Siegfried B ü ß l i n g e r, Postaspirant, von Dättwyl (Aargau), in Genf; ,, ,, ,, Achille Pipy, von und in Genf, fl provisorischer Postkommis daselbst.

(am 10. Juli 1874) als Postkommis in Schaffhausen : Hrn. Albert Vetterli, Postaspirant, von Dießenhofen (Thurgau), in Schaffhausen.

Bundesblatt. Jahrg. XXVI. Bd. U.

37

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Aus den Verhandlungen des schweiz. Bundesrathes.

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1874

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

31

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

11.07.1874

Date Data Seite

508-513

Page Pagina Ref. No

10 008 251

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.