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Bundesblatt

Bern, den 10. März 1966

118. Jahrgang

Band I

Nr. 10 Erscheint wöchentlich. Preis Fr. 36.- im Jahr, Fr. 20.- im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postzustellungsgebuhr

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die 49.Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz und Botschaft betreffend die Genehmigung des internationalen Übereinkommens über das Mindestalter für die Zulassung zu Untertagearbeiten in Bergwerken

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(Vom 25. Februar 1966) Herr Präsident !

Hochgeehrte Herren !

Gemäss den Bestimmungen der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) beehren wir uns, Ihnen unseren Bericht über die 49. Session der Internationalen Arbeitskonferenz zu unterbreiten, welchem ein Entwurf zu einem Bundesbeschluss betreffend die Ratifikation des internationalen Übereinkommens über das Mindestalter für die Zulassung zu Untertagearbeiten in Bergwerken beigefügt ist.

I. Tagesordnung, Verhandlungen und Beschlüsse der Konferenz 1. Die Internationale Arbeitskonferenz hielt ihre 49. Session vom 2. bis 23. Juni 1965 im Palais des Nations in Genf ab. Die Tagesordnung umfasste folgende Gegenstände: 1. Bericht des Generaldirektors ; 2. Finanz-und Budgetfragen; 3. Informationen und Berichte über die Durchführung von Übereinkommen und Empfehlungen; 4. Die Beschäftigung Jugendlicher bei Untertagearbeiten in Bergwerken jeder Art (2.Beratung); 5. Die Beschäftigung von Frauen mit Familienpflichten (2. Beratung) ; 6. Die Agrarreform unter besonderer Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf Beschäftigungs- und Sozialfragen (allgemeine Diskussion) ; Bundesblatt. 118.Jahrg.BcU.

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7. Die Rolle der Genossenschaften in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Entwicklungsländer (I.Beratung).

2. Wir haben, wie gewöhnlich, eine dreigliedrige Delegation als Vertretung unseres Landes bezeichnet : Diese setzte sich zusammen aus den Herren Dr. Max Holzer, Direktor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit, und Dr. Arnold Saxer, Beauftragter für Sozialversicherungsabkommen, als Regierungsdelegierte, Dr.Bernardo Zanetti, Vizedirektor des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit, als stellvertretender Regierungsdelegierter; Charles Kuntschen vom Zentralverband Schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen als Arbeitgeberdelegierter; Jean Mori vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund als Arbeitnehmerdelegierter. Diese Delegierten wurden von technischen Beratern begleitet.

Herr Dr. Zanetti erhielt zum zweiten Mal von der Konferenz den ehrenvollen Auftrag, die Kommission, welche die Vollmachten der Delegierten und ihrer technischen Berater prüft, zu präsidieren.

3. Vier neue Staaten, die alle Mitglieder der Vereinigten Nationen sind, haben sich der IAO angeschlossen, nämlich: Malawi, Malta, Yemen und Zambia, so dass sich die Mitgliederzahl auf 114 erhöht hat. Es waren jedoch nur 104 Staaten an der 49. Session der Internationalen Arbeitskonferenz vertreten.

Anlässlich der Eröffnung der Konferenz sah sich die Versammlung zweier Kandidaturen für das Präsidium der Konferenz gegenüber, nämlich der Kandidatur des Regierungsdelegierten Pakistans und derjenigen des Regierungsdelegierten der Philippinen. Aus der geheim Wahl ging mit einer starken Mehrheit Herr Hashin Raza, Sekretär des Pakistanischen Gesundheits-, Arbeits- und Wohlfahrtsministeriums als Präsident hervor.

4. Wir geben Ihnen zuerst einen kurzen Überblick über die drei ersten Punkte der Tagesordnung, die jedes Jahr von der Konferenz behandelt werden.

Letztes Jahr wurde der Bericht des Generaldirektors (Punkt 1) im Hinblick auf eine bessere Anpassung der Programme und der Struktur der IAO an die sozialen Anforderungen unserer Zeit eingehend erörtert. Es ist jetzt Sache der zuständigen Organe (Verwaltungsrat und Internationales Arbeitsamt), die Schlussfolgerungen aus den zahlreichen Anträgen und Anregungen zu ziehen und sie im Rahmen der finanziellen Mittel zu verwirklichen.

Der Voranschlag für die Ausgaben der
IAO für das Jahr 1966 (Punkt 2) beziffert sich auf 20337871 Dollar (18684347 DoUar für 1965). Die Konferenz stimmte diesem Vorschlag ohne Opposition zu, wahrend sich die Delegierten der Oststaaten der Stimme enthielten, mit der Begründung, dass sie im Schosse der Konferenz diskriminiert würden, da namentlich ihre Arbeitgeber von der Arbeitgebergruppe als solche nicht anerkannt werden. Die Schweiz wird 1,24 Prozent der Ausgaben übernehmen (gleicher Prozentsatz wie für 1965), was einer Beitragsleistung von 252190 Dollar entspricht, während für das Jahr 1965 der Beitrag 231686 Dollar betrug. Verschiedene Delegierte sprachen denWunsch aus, der Verteilungsschlüssel der IAO möchte stufenweise demjenigen der

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Vereinten Nationen angeglichen werden. Eine Angleichung der beiden Verteilungsschlüssel steht jedoch zur Zeit nocht nicht in Aussicht.

Die Zahl der ratifizierten Übereinkommen (Punkt 3) nimmt mit jedem Jahr zu. Dies bringt eine entsprechende Zunahme der Kontrollarbeiten mit sich, die von der Konferenz nicht mehr bewältigt werden kann. Schon im Jahre 1960 wurde deshalb eine Lösung getroffen, wonach jährlich nur für eine bestimmte Gruppe von Übereinkommen detaillierte Berichte über deren Anwendung vorzulegen sind.

5. In zweiter Lesung wurden von der Konferenz fünf neue Vertragsinstrumente verabschiedet (Punkt 4 und 5 der Tagesordnung). Es sind dies: - ein Übereinkommen und eine Empfehlung über das Mindestalter für die Zulassung zu Untertagearbeiten in Bergwerken, - ein Übereinkommen über die ärztliche Untersuchung Jugendlicher im Hinblick auf ihre Eignung zur Beschäftigung bei Untertagearbeiten in Bergwerken, - eine Empfehlung betreffend die Beschäftigungsbedingungen Jugendlicher bei Untertagearbeiten in Bergwerken, - eine Empfehlung betreffend die Beschäftigung von Frauen mit Familienpflichten.

Den Text dieser neuen Urkunden finden Sie im Anhang. Wir werden in den Kapiteln II, III, IV und V noch darauf zurückkommen.

6. Was die Agrarreform (Punkt 6 der Tagesordnung) betrifft, so hat die Konferenz eine Entschliessung angenommen, über die wir in Kapitel VI berichten.

7. Nach einer ersten Diskussion über die Rolle der Genossenschaften bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Entwicklungsländer (Punkt 7 der Tagesordnung) beschloss die Konferenz, diese Frage auf die Tagesordnung der nächsten Session (1966) zu setzen, in der Absicht, eine Empfehlung aufzustellen. Wir werden in unserem Bericht über die nächste Session der Internationalen Arbeitskonferenz darauf zurückkommen.

8. Die Konferenz hat im weitern sechs Entschliessungen1 über Fragen angenommen, 'welche nicht auf der Tagesordnung standen und den bezahlten Ausbildungsurlaub, die Arbeitsbedingungen der Hausangestellten, die berufliche Wiedereingliederung von Behinderten, die Tätigkeiten der IAO für die einzelnen Wirtschaftszweige, Untersuchungen der IAO über die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Abrüstung und die Verurteilung der portugiesischen Regierung wegen ihrer Politik der Zwangsarbeit in den von ihr verwalteten Gebieten betreffen. Diese letzte Entschliessung wurde mit 214 gegen 11 Stimmen und bei 79 Enthaltungen - worunter die Schweiz - angenommen.

284 H. Übereinkommen (Nr. 123) und Empfehlung über das Mindestalter für die Zulassung zu Untertagearbeiten in Bergwerken 1. Zweck und Inhalt der Beschlüsse

a. Übereinkommen Nr. 123 Dieses Übereinkommen, welches mit 384 Stimmen ohne Gegenstimme und bei 20 Enthaltungen angenommen wurde, umschreibt in seinem ersten Artikel den Begriff «Bergwerk». Als solches gilt jeder öffentliche oder private Betrieb, der die Gewinnung von Bodenschätzen bezweckt und dabei Personen unter Tage beschäftigt. Die Steinbrüche sind hinsichtlich der Personen, die unter Tage beschäftigt werden, den Bergwerken gleichgestellt.

Artikel 2 legt fest, dass das Mindestalter nicht weniger als 16 Jahre betragen darf.

Gemäss Artikel 3 kann jeder Staat in einem späteren Zeitpunkt dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes mitteilen, dass er ein höheres Mindestalter festgesetzt hat als dasjenige, das er bei der Ratifikation angegeben hat.

Artikel 4 enthält Bestimmungen über die Durchführung des Übereinkommens sowie über die Aufzeichnungen, welche die Arbeitgeber über die unter Tage beschäftigten Personen führen müssen.

Artikel 5 sieht vor, dass das Mindestalter nach Anhörung der beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen festzusetzen ist.

Artikel 6 bis 13 enthalten die üblichen Formalbestimmungen.

b. Empfehlung Nr. 124 Diese Empfehlung wurde mit 321 Stimmen ohne Gegenstimme und bei 9 Enthaltungen angenommen. Sie ergänzt das Übereinkommen Nr. 123 und verlangt insbesondere, dass dort, wo ein Mindestalter von weniger als 16 Jahren festgesetzt wurde, dieses so rasch als möglich auf 16 Jahre erhöht wird (§ 2).

Dieses Alter sollte schrittweise auf 18 Jahre erhöht werden (§ 3). Personen zwischen 16 und 18 Jahren sollten unter Tage nur zu Ausbildungszwecken beschäftigt werden dürfen und nur unter den von der zuständigen Behörde festgelegten Bedingungen betreffend die zugelassenen Arbeitsplätze und die Überwachung der Gesundheit und der Sicherheit (§ 4). Gesundheitsschädliche oder gefährliche Untertagearbeiten sollten besonderen Bestimmungen hinsichtlich des Mindestalters unterliegen (§ 5). Die Empfehlung regt schliesslich an, dass Massnahmen zugunsten jener Personen getroffen werden, die zu jung sind, um unter Tage zu arbeiten. Diese Personen könnten beispielsweise zu Ausbüdungszwecken über Tag beschäftigt werden (§ 6).

285 2. Stellungnahme zum Übereinkommen Nr. 123 und zur Empfehlung Nr. 124

Die Hauptbestimmung des Übereinkommens sieht vor, dass jedes Mitglied, welches dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet ist, in einer der Ratifikationsurkunde beigefügten Erklärung das Mindestalter anzugeben. Dieses darf in keinem Fall unter 16 Jahren liegen.

Artikel 54, Buchstabe e der Verordnung I zum Bundesgesetz über die Arbeit vom 13. März 1964 bietet die erforderliche Garantie für die Durchführung des Übereinkommens, da er in Verbindung mit Artikel 29, Absatz 3 des Gesetzes die Beschäftigung im Bergbau von Jugendlichen unter 19 Jahren und von Lehrlingen bis zum vollendeten 20. Altersjahr verbietet.

Die neuen Vorschriften erlauben es ebenfalls, den Bestimmungen von Artikel 4, Absatz l des Übereinkommens Folge zu geben, wonach die zuständigen Behörden geeignete Zwangsmassnahmen zur Gewährleistung der wirksamen Durchführung des Übereinkommens zu treffen haben. Gemäss Artikel 59 des Arbeitsgesetzes «ist der Arbeitgeber strafbar, wenn er Vorschriften des Gesetzes oder einer Verordnung insbesondere über den Sonderschutz der jugendlichen Arbeitnehmer vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt».

Als Aufsichtsinstanz für die Überwachung der Durchführung des Übereinkommens im Sinne von Artikel 4, Absatz 2 werden die eidgenössischen Arbeitsinspektorate amten. Was die vom Arbeitgeber gemäss Artikel 4, Absatz 4 zu führenden Aufzeichnungen betrifft, so ist dieser gemäss Artikel 85 und 86 der Verordnung I verpflichtet, den Vollzugsbehörden Verzeichnisse und Unterlagen, aus denen das Alter der von ihm beschäftigten Personen ersichtlich ist, sowie für jeden Jugendlichen einen Altersausweis zur Verfügung zu halten.

Es steht somit einer Ratifikation des Übereinkommens über das Mindestalter für die Zulassung zu Untertagearbeiten in Bergwerken nichts entgegen. Wir empfehlen Ihnen deshalb, dem beigelegten Beschlussesentwurf zuzustimmen.

Die gleich betitelte Empfehlung bedarf keines besonderen Kommentars.

Sie erstrebt die Festsetzung des Mindestalters auf 18 Jahre, was die Verordnung I bereits vorsieht.

III. Übereinkommen (Nr. 124) über die ärztliche Untersuchung Jugendlicher im Hinblick auf ihre Eignung zur Beschäftigung bei Untertagearbeiten in Bergwerken 1. Zweck und Inhalt des Übereinkommens Nr. 124

Dieses Übereinkommen, welches mit 331 Stimmen ohne Gegenstimme und bei 13 Enthaltungen angenommen wurde, übernimmt in seinem ersten Artikel die Definition des Begriffes «Bergwerk», die bereits im Übereinkommen (Nr. 123) über das zulässige Mindestalter enthalten ist.

Artikel 2 bestimmt, dass für Personen unter 21 Jahre, die in Bergwerken unter Tage beschäftigt werden sollen, eine ärztliche Untersuchung im Hinblick

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auf ihre Eignung zur Beschäftigung und deren regelmässige Wiederholung in Zeitabständen von nicht mehr als zwölf Monaten zu fordern ist.

Artikel 3 sieht vor, dass die ärztlichen Untersuchungen unter der Verantwortung und Aufsicht eines berufenen, von der zuständigen Behörde anerkannten Arztes durchzuführen sind, und dass sie keine Kosten verursachen dürfen.

Artikel 4 zählt die Massnahmen auf, welche die zuständige Behörde zur Gewährleistung der Durchführung des Übereinkommens zu treffen hat.

Gemäss Artikel 5 hat die zuständige Behörde die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände anzuhören, bevor sie die erforderlichen Massnahmen in bezug auf die Durchführung des Übereinkommens festlegt.

2. Stellungnahme zum Übereinkommen Nr. 124

Nach Artikel 29 des Arbeitsgesetzes kann die Beibringung eines ärztlichen Zeugnisses für Jugendliche auf dem Verordnungsweg vorgeschrieben werden.

Artikel 58 der Verordnung I zum Arbeitsgesetz ermächtigt das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement, nach Anhörung der Eidgenössischen Arbeitskommission, die Beschäftigungen zu bezeichnen, zu denen Jugendliche nur nach Vorlage eines ärztlichen Eignungszeugnisses zugelassen werden dürfen.

Festzuhalten ist hier, dass das grösste Bergwerkunternehmen der Schweiz, nämlich das Eisenbergwerk Gonzen AG, Sargans, welches Eisenerz fördert, alle 12 oder 18 Monate ärztliche Untersuchungen durchführt, welchen sich alle Arbeitnehmer des Unternehmens zu unterziehen haben. Aber auch dieses Unternehmen beschäftigt wie alle ändern, keine Jugendlichen unter Tage, so dass das Übereinkommen für unser Land, vorläufig wenigstens, gegenstandslos wäre.

Wir können das Übereinkommen auf Grand der geltenden gesetzlichen Bestimmungen überhaupt nicht ratifizieren. Gemäss Artikel 29 des Arbeitsgesetzes gelten als Jugendliche Arbeitnehmer bis zum vollendeten 19. Altersjahr und Lehrlinge bis zum vollendeten 20. Altersjahr. Artikel 2 des Übereinkommens Nr. 124 hingegen fordert eine ärztliche Untersuchung für alle Personen unter 21 Jahren. Diese Lücke könnte durch eine Verordnung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes nicht ausgefüllt werden.

IV. Empfehlung (Nr. 125) betreffend die Beschäftigungsbedingungen Jugendlicher bei Untertagearbeiten in Bergwerken 1. Zweck und Inhalt der Empfehlung

Diese Empfehlung, welche mit 298 Stimmen ohne Gegenstimme und bei 51 Enthaltungen angenommen wurde, stellt ein Programm der zu ergreifenden Massnahmen in bezug auf den Gesundheitsschutz, die Arbeitssicherheit, die

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Wohlfahrt, die wöchentliche Ruhezeit und die bezahlten jährlichen Ferien sowie der beruflichen Ausbildung der unter Tage beschäftigten Jugendlichen auf.

Die Empfehlung sieht insbesondere folgendes vor : - Der Arbeitgeber sollte den Jugendlichen über die Unfallgefahren und die Gefahren für die Gesundheit aufklären, die die Untertagearbeiten mit sich bringen. Er sollte ihn ferner über die Schutzmassnahmen, die Schutzausrüstungen, die Sicherheitsvorschriften und die erste Hilfe unterrichten. Durch einen geeigneten Überwachungs- und Aufsichtsdienst sollte die Sicherheit und Gesundheit der Jugendlichen, die unter Tage arbeiten, kontrolliert werden.

- Die Freizeitbeschäftigung, Inbegriffen die sportliche Betätigung, sollten gefördert werden. Es ist auch dafürzu sorgen, dass die Jugendlichen eine ihrem Entwicklungsstadium entsprechende Ernährung erhalten.

- Jugendliche unter 18 Jahren sollten Anspruch auf eine ununterbrochene wöchentliche Ruhezeit von mindestens 36 Stunden haben, die schrittweise auf 48 Stunden verlängert werden sollte. Der bezahlte jährliche Urlaub sollte für Personen unter 18 Jahren für je zwölf Monate Dienstleistungen wenigstens 24 Werktage (4 Arbeitswochen) betragen.

- Die zuständige Behörde sollte die erforderlichen Massnahmen treffen, damit Jugendliche, die unter Tage beschäftigt werden, eine systematische berufliche Ausbildung erhalten.

- Die zuständige Behörde sollte die beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände anhören, bevor sie Massnahmen in bezug auf die Durchführung der Empfehlung festlegt.

2. Stellungnahme zur Empfehlung Nr. 125

Da unsere Gesetzgebung die Beschäftigung Jugendlicher unter 19 Jahren und von Lehrlingen unter 20 Jahren unter Tage in Bergwerken untersagt, können wir darauf verzichten, zur Empfehlung Nr. 125, die nur auf Personen unter 18 Jahren anwendbar ist, Stellung zu nehmen. Die wenigen Bergwerke, in denen Eisenerz, Kalk, Asphalt und Salz gefördert werden, beschäftigen keine Jugendlichen unter 18 Jahren. Der Beruf des Bergmannes, wie er in den grossen Bergwerkzentren des Auslandes ausgeübt wird, hat nicht seinesgleichen in der Schweiz.

V. Empfehlung (Nr. 123) betreffend die Beschäftigung von Frauen mit Familienpflichten 1. Zweck und Inhalt der Empfehlung Nr. 123

Die Empfehlung wurde imit 346 Stimmen ohne Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen. Sie geht davon aus, dass in vielen Ländern Frauen in zunehmenden Masse eine Berufstätigkeit ausser Haus ausüben und einen

288 wichtigen Bestandteil der erwerbstätigen Bevölkerung bilden. Viele dieser Frauen sehen sich einer doppelten Verantwortung in Familie und Beruf gegenübergestellt. Daraus ergeben sich besondere Probleme, die nicht nur diese erwerbstätigen Frauen, sondern auch die Familie und die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit betreffen. Die Empfehlung verfolgt den Zweck, den Frauen mit Familienpflichten, die eine Berufstätigkeit ausser Haus ausüben, die harmonische Verbindung ihrer Aufgaben zu erleichtern.

Gemäss Abschnitt I der Empfehlung sollen die zuständigen Behörden in Zusammenarbeit mit den beteiligten öffentlichen und privaten Organisationen, besonders den Verbänden der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, und im Einklang mit den gesamtstaatlichen und örtlichen Möglichkeiten und Bedürfnissen zweckdienliche Vorkehren treffen. Grundsätzlich handelt es sich um die Festlegung einer Politik, die es den Frauen mit Familienpflichten ermöglicht, ihr Recht auf Berufstätigkeit auszuüben, ohne irgendeiner Diskriminierung ausgesetzt zu sein. Ferner sollten Dienste gefördert oder geschaffen werden, die diesen Frauen die Erfüllung ihrer verschiedenen Pflichteii ermöglichen.

Im einzelnen werden in Abschnitt II eine vermehrte Beachtung der Probleme dieser Arbeitnehmerinnen, eine sachliche Abklärung des ganzen Fragenkomplexes und die Herbeiführung eines grösseren Verständnisses der Öffentlichkeit für diese Frauen empfohlen. Abschnitt III befasst sich mit der Förderung von Diensten und Einrichtungen zur Betreuung der Kinder. Grosses Gewicht wird in Abschnitt IV auf die Berufsberatung und Berufsbildung der weiblichen Jugend gelegt sowie auf die Erleichterung der Aufnahme und Wiederaufnahme einer Beschäftigung durch Frauen, die infolge ihrer Familienpflichten dem Arbeitsmarkte ferngeblieben waren. Erwähnt wird in diesem Zusammenhang auch die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses und aller damit verbundener Rechte bei verhältnismässig kurzer Arbeitsaussetzung über die Dauer des gesetzlichen Mutterschafturlaubes hinaus. In Abschnitt V werden verschiedene weitere Massnahmen angeführt (z. B. Angleichung der Arbeitszeiten und der Schulstunden und Öffnungszeiten der Einrichtungen für die Betreuung der Kinder, Förderung von Haushilfediensten).

Nachdem die Empfehlung schon im Zusammenhang mit der ersten Beratung durch vier Entschliessungen
ergänzt worden war (vgl. unsern Bericht über die 48. Tagung, BB11965,1, 678), hiess die Konferenz anlässlich ihrer 49. Tagung eine weitere Entschliessüng gut, wonach die Mitgliedstaaten - erstmals spätestens im Jahre 1975 - über die Auswirkung der Empfehlung zu berichten haben und allfällige weitere Vorkehren betreffend die Lage der Frauen in der Arbeitswelt zu ergreifen sind.

2. Stellungnahme zur Empfehlung Nr. 123 Die Probleme der ausserhäuslichen Berufstätigkeit von Frauen mit Familienpflichten stehen in vielen Landern zur Diskussion. Es ist deshalb zu begrüssen, dass die Internationale Arbeitskonferenz diese Frage geprüft und durch die Annahme einer Empfehlung gewisse Richtlinien für die nähere Zukunft auf-

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gestellt hat. Die grundsätzliche Anerkennung des Rechtes der Frau, auch der Frau mit Familienpflichten auf die Ausübung einer Berufstätigkeit und die Bereitschaft, der Frau die Ausübung dieses Rechtes zu erleichtern, zeigte sich in der einstimmigen Annahme der Empfehlung, der auch die schweizerischen Regierungsdelegierten zugestimmt haben.

Die Empfehlung lässt den Mitgliedstaaten weiten Spielraum in dem Sinn, dass die gesamtstaatlichen und örtlichen Möglichkeiten und Bedürfnisse bestimmend und die privaten Organisationen stark beteiligt sein sollen. In unserem Lande haben schon bisher die Ortsbehörden und zahlreiche private Organisationen sowie nicht zuletzt die Arbeitgeber Massnahmen getroffen, um der berufstätigen Frau mit Familienpflichten eine möglichst befriedigende Erfüllung ihrer doppelten Aufgabe zu erleichtern. Im Arbeitsgesetz wird die Arbeitnehmerin, die einen Haushalt mit Familienangehörigen zu besorgen hat, besonders berücksichtigt. Artikel 36 diese Gesetzes sieht u.a. vor, dass bei der Festsetzung der Arbeits- und Ruhezeit auf weibliche Arbeitnehmerinnen, die einen Haushalt mit Familienangehörigen besorgen, Rücksicht zu nehmen ist. Die erforderlichen Möglichkeiten für eine gute allgemeine undberufliche Ausbildung der weiblichen Jugend sind vielerorts geboten, andernorts allerdings noch ausbaufähig, desgleichen Beratungs- und Arbeitsvermittlungsdienste. Der Ausbau der bestehenden Einrichtungen und vor allem die Aufmunterung zu deren Benützung liegen nicht nur in der Hand des Staates, sondern in starkem Masse im Einflussbereich weiterer Kreise.

VI. Entschliessung über die Agrarreform mit besonderer Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und Sozialfragen Die Internationale Arbeitsorganisation hat sich bereits früher mit der Frage der Agrarreform und der damit zusammenhängenden Problemen beschäftigt.

Es ist aber zweifellos das erste Mal, dass diese Frage in so umfassender Weise der Internationalen Arbeitskonferenz unterbreitet wurde. Es stellte sich zunächst die Aufgabe, den Problemkreis « Agrarreform » näher zu definieren und abzustecken.

Bereits hier gingen die Ansichten fühlbar auseinander. Während die Vertreter der Arbeitnehmer vor allem von Südamerika, unterstützt von Regierungsvertretern, sämtliche Aspekte der Agrarreform behandelt wissen wollten, argumentierten
andere für eine Einschränkung auf bestimmte Fragen, die ihrer Natur nach mit den Aufgaben und Zielen der Internationalen Arbeitsorganisation in engerem Zusammenhang stehen, wie z. B. die sozialen und menschlichen Aspekte der Agrarreform. Diese zweite Auffassung überwog, mit dem Hinweis, dass andere Organisationen der Vereinigten Nationen, insbesondere die FAO, sich mit den mehr technischen und organisatorischen Bereichen der Agrarreform seit längerer Zeit befassen.

In der von der Konferenz angenommenen Entschliessung wird die Agrarreform als ein Programm koordinierter Massnahmen zur Beseitigung der strukturell bedingten Hindernisse bezeichnet, die der wirtschaftlichen und

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sozialen Entwicklung im Wege stehen. Im besondern kann die Agrarreform als ein positives Mittel betrachtet werden, um ein menschenwürdiges Dasein, Sicherheit der Beschäftigung, Steigerung der Produktivität und des Einkommens, Senkung der Produktionskosten und Hebung des Lebensstandards auf dem Lande zu gewährleisten.

Ausserdem hat die Konferenz dem Verwaltungsrat empfohlen, die Agrarreform auf die Tagesordnung der Konferenz des Jahres 1967 zu setzen, damit entsprechende Urkunden zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Pächter, Halbpächter und ähnlicher Gruppen von Landarbeitern vorbereitet werden.

Die Agrarreform ist, insbesondere für weite Regionen Asiens und Südamerikas, ein wirtschaftliches und soziales Problem ersten Ranges. Die Internationale Arbeitsorganisation wird zwar diese Probleme nicht selbst lösen können, sie wird aber die Regierungen der in Frage kommenden Länder bei der Durchführung dieser Reform aktiv unterstützen.

Wir empfehlen Ihnen, dem vorstehenden Bericht zuzustimmen und uns gemäss dem beigefügten Beschlussesentwurf zu ermächtigen, das Übereinkommen (Nr. 123) über das Mindestalterfür die Zulassung zu Untertagearbeiten in Bergwerken, das an der 49. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommen wurde, zu ratifizieren.

Die Verfassungsmässige Zuständigkeit der Bundesversammlung ergibt sich aus Artikel 8 der Bundesverfassung.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

Bern, den 25. Februar 1966.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident : Schaffner Der Bundeskanzler : Ch.Oser

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1966

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9411

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10.03.1966

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281-290

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