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Beilage.

# S T #

Bundesratsbeschluss über

die Beschwerde des Johann Heiliger, in Gibelflüh, Gemeinde Ballwil, betreffend Verweigerung eines Wirtschaftspatentes.

(Vom 22. November 1907.)

Der schweizerische Bundesrat hat über die Beschwerde des J o h a n n M o l l i g e r , in Gibelflüh, Gemeinde Ballwil, betreffend Verweigerung eines Wirtschaftspatentes, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements,

folgenden Beschluss gefasst:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

1.

Am 10. August 1907 hat der Regierungsrat des Kantons Luzern das Gesuch des Johann Meiliger um Erteilung der Bewilligung zum Betriebe einer Wirtschaft in seinem Hause in Gibelflüh, Gemeinde Ballwil, abgewiesen, weil die für den Wirtschaftsbetrieb

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in Aussicht genommenen Räume den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen, und weil ein Bedürfnis für die Errichtung einer weitern Wirtschaft in Ballwil nicht bestehe. Der Beschluss des Regierungsrates ist dem Gesuchsteller am 14. August 1907 zugestellt worden.

Mit Eingabe vom 10. Oktober 1907 beschwert sich Johann Meiliger beim Bundesrat über diesen Beschluss des Regierungsrates des Kantons Luzern und stellt das Begehren, es sei der Beschluss des Regierungsrates aufzuheben und dem Rekurrenten die verlangte Bewilligung zu erteilen.

Er führt zur Begründung aus, § 19 des luzernischen Wirtschaftsgesetzes stelle keine bestimmten Anforderungen an die Wirtschaftsräume. Den dort für die Lage und den Zugang der Wirtschaft aufgestellten Erfordernissen entspreche sein Haus.

Übrigens seien die in Aussicht genommenen Räume von den Behörden nie besichtigt worden. Es gebe im Kanton Luzern viele Wirtschaften mit ungeeigneten Räumlichkeiten.

Das Bedürfnis für die projektierte Wirtschaft müsse bei unbefangener Beurteilung bejaht werden. Das werde durch die Bescheinigung vieler Bürger von Ballwil bestätigt. Hier kommen die Strassen von Eschenbach, Ballwil und Inwil zusammen, und von hier führe die Strasse ins Freiamt. Infolgedessen finde hier in der Nähe der Grenze zwischen Luzern und Aargau ein bedeutender Fuhrwerkverkehr statt. Die nächste Wirtschaft sei eine halbe Stunde entfernt. Ebenso weit müssen die Einwohner von Gribelflüh und Umgebung gehen, wenn sie einen Schoppen trinken wollen. Unter diesen Umständen sei die Eröffnung einer Wirtschaft in Gibelflüh geradezu geboten.

II.

In seiner Vernehmlassung vom 9. November 1907 beantragt der Regierungsrat des Kantons Luzern Abweisung der Beschwerde.

Der Gemeinderat von Ballwil habe in seinem Gutachten ausdrücklich erklärt, die für den Wirtschaftsbetrieb in Aussicht genommenen Räume entsprächen den gesetzlichen Anforderungen nicht, und das Statthalteramt Hochdorf habe festgestellt, dass das geplante Wirtschaftslokal bloss 2,is m. hoch sei, was offenbar nicht genüge. Ausserdem wäre die polizeiliche Beaufsichtigung der abgelegenen Wirtschaft schwierig. Auch die Bedürfnisfrage müsse verneint werden. Die Häusergruppe Gibelflüh zähle bloss

284 51 Einwohner, die, wie die Bewohner der umliegenden einzelnen Gehöfte, Landwirtschaft betreiben. Die Gern einde Ballwil mit 805 Einwohnern habe schon zwei Wirtschaften, die dem Bedürfnis vollkommen genügen. In seinen Gutachten stelle das Statthalteramt überdies fest, dass in Gibelflüh von einem Verkehr, der die Errichtung einer Wirtschaft rechtfertigen würde, keine Rede sei.

Es handle sich um einen durchaus auf die nächste Nachbarschaft beschränkten Verkehr von Gehöft zu Gehöft, von Weiler zu Weiler. Das von Heiliger geplante Wirtshaus würde daher in Gibelflüh stets eine Winkelwirtschaft sein, und einzig zur unnötigen Vermehrung des Alkoholgenusses beitragen. Gegenüber den entschieden ablehnend lautenden Gutachten der zuständigen Gemeindebehörde und des Kegierungsstatthalteramtes könne auf die Bescheinigung der Einwohner von Gibelflüh nicht abgestellt werden.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: Nach feststehender Praxis weicht der Bundesrat von dem Entscheid der kantonalen Behörden über die Bedürfnisfrage ohne zwingenden Grund nicht ab. Im vorliegenden Fall haben sämtliche zuständigen Behörden des Kantons, Gemeinderat, Amtsstatthalter und Regierungsrat übereinstimmend erklärt, dass ein Bedürfnis nach einer Wirtschaft in Gibelflüh nicht bestehe. Demgegenüber verweist der Rekurrent auf die übrigens dem Rekurs nicht beigelegten Bescheinigungen von Bürgern der Gemeinde Ballwil, auf den Verkehr in Gibelflüh und darauf, dass diese Häusergruppe und die umliegenden Gehöfte eine halbe Stunde weit von der nächsten Wirtschaft entfernt seien. Nun kann aber die geringe Einwohnerzahl von Gibelflüh die Eröffnung einer Wirtschaft nimmermehr rechtfertigen, und abgesehen von den Feststellungen des Statthalteramtes, zeigt schon ein Blick auf die Karte, dass Gibelflüh kein wichtiger Verkehrsknotenpunkt ist. Den Bescheinigungen von Privaten kann angesichts der amtlichen Feststellungen kein Gewicht beigelegt werden. Es liegen also keinerlei zwingende Gründe zu einer Abweichung vom Entscheid der kantonalen Behörden über die Bedürfnisfrage vor; vielmehr ergibt sich aus den Umständen, dass die Eröffnung einer Wirtschaft in der abgelegenen Häusergruppe Gibelflüh in der Tat dem öffentlichen Wohle zuwiderlaufen würde.

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MUSS so das Bedürfnis nach einer Wirtschaft in Gibelflüh verneint werden, so braucht nicht mehr untersucht zu werden, ob die für den Wirtschaftsbetrieb in Aussicht genommenen Räumlichkeiten den gesetzlichen Anforderungen entsprechen oder nicht.

D e m n a c h wird erkannt: Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 22. November 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Bundesratsbeschluss über die Beschwerde des Johann Heiliger, in Gibelflüh, Gemeinde Ballwil, betreffend Verweigerung eines Wirtschaftspatentes. (Vom 22. November 1907.)

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