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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer elektrischen Drahtseilbahn von der Via Nassa nach der Via Clemente Maraini in Lugano.

(Vom 26. Juni 1908.)

Tit.

Mittelst Eingabe vom 28. Juli 1907 unterbreitete Herr Mario Maffei, Ingenieur, in Lugano, das Gesuch um Erteilung der Konzession für den Bau und Betrieb einer elektrischen Drahtseilbahn von der Via Nassa nach der Via Clemente Maraini (vorher Gerretta) in Lugano.

Das Konzessionsgesuch geht davon aus, dass in Lugano zwischen Via Nassa und Via Clemente Maraini eine Verbindungsstufenreihe (-treppe) bestehe.

Die Stufenreihe bilde infolge des grossen Niveauunterschieds und der nicht unbeträchtlichen Länge keine wirkliche Bequemlichkeit, sondern mehr ein zu übersteigendes Hindernis, wenn man sich von der Via Nassa nach der Via Clemente Maraini begeben wolle.

Um diese Unzukömmlichkeit zu vermeiden, sei eine Seilbahn projektiert, die zum Zwecke habe, die Via Nassa mit der Via Clemente Maraini, welche zwei Hauptzentren der Stadt bilden, zu verbinden.

291 Aus dieser neuen Verbindung werden nicht nur die Bewohner des oberen Stadtteils an der Via Clemente Marami und della Stazione, sondern besonders auch die zahlreichen daselbst gelegenen Gasthöfe einen nicht unerheblichen Gewinn ziehen.

Falls dann einmal die Ringstrassenbahnlinie (la linea tramviaria di circonvallazione), die durch die Via Clemente Maraini ziehen werde, in Betrieb zu stehen komme, werde die projektierte Seilbahn eine notwendige Verbindungsstrecke zum grossen Nutzen der Strassenbahnen und zur Bequemlichkeit des Publikums bilden.

Dem neuen abgeänderten technischen Berichte entnehmen wir folgende Angaben: Die Linie sei auf der Nordseite der Stufenreihe zu erstellen.

Länge der Bahn: 143 m. (horizontal), Betriebslänge zirka 150 Meter.

Spurweite: l Meter.

Maximalsteigung : 50 %· Höhencoten: Untere Station zirka 276 Meter; Obere Station zirka 330 Meter ü. M.

Zwischenstatiouen : Es sind keine vorgesehen.

Betriebssystem: Eingeleisige Anlage ohne Ausweiche. Nur ein Wagen mit Gegengewicht und Ausgleichkabel, ohne Zahnstange. Fester elektrischer Motor in der obern Station. .

Der neue Kostenvoranschlag, vom 28. April 1908, sieht für den Bau der Seilbahn, für die elektrischen und mechanischen Einrichtungen, Rollmaterial, Drahtseil, Motorstation etc. eine Summe von Fr. 125,000 vor.

Der Staatsrat des Kantons Tessin erklärte unterm 1. Oktober 1907, dass er gegen die Konzessionserteilung keine Einwendungen au erheben habe. Zugleich bemerkte er, dass die Gemeinde Lugano, welche von dem Staatsrat zur Vernehmlassung eingeladen worden war, gegen die Ausführung desselben Einsprache erhebe.

Aus einem unterm 22. Mai 1908 von dem Gemeinderat Lugano an den Konzessionsbewerber gerichteten Schreiben ergibt sich nun, dass inzwischen Verhandlungen über die Ausführung der projektierten Seilbahn stattgefunden, die zu einem endgültigen Resultat geführt haben.

In dem genannten Schreiben erklärt sich der Gemeinderat von Lugano mit dem Projekte unter einigen Bedingungen einverstanden, welche von dem Konzessionsbewerber mit Schreiben

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vom 25. Mai 1908 an das Eisenbahndepartement angenommen wurden.

Bei den konferenziellen Verhandlungen, welche am 18. Juni in Bern stattfanden, wurde der vom Eisenbahndepartement ausgearbeitete Beschlussentwurf mit einigen Änderungen angenommen.

Da dieser Entwurf, der hiernach folgt, uns zu keinen besonderen Bemerkungen Anlass gibt, ersuchen wir Sie, denselben zu genehmigen und benützen auch diesen Anlass, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

Bern, den 26. Juni 1908.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft Ringier.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

Konzession einer elektrischen Drahtseilbahn von der Via Nassa nach der Via Clemente Maraini in Lugano.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. dreier Eingaben eines Initiativkomitees, vertreten durch Herrn Maffei, Ingenieur in Lugano, vom 28. Juli 1907, 26. Januar und 28. April 1908 ; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 26. Juni 1908, beschliesst: Einem Initiativkomitee, vertreten durch Herrn Maffei, Ingenieur, in Lugano, wird zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und den Betrieb einer elektrischen Drahtseilbahn von der Via N a s s a nach der Via C l e m e n t e M a r a i n i in Lugano unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt: Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Die Bahn wird als Nebenbahn im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 erklärt.

L 294 Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren r vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet,, erteilt.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Lugano.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Binnen einer Frist von 24 Monaten, vom Inkrafttreten des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, sind dem Bundesrat die vorschriftsmässigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach der Plangenehmigung ist mit den Erdarbeiter! für die Erstellung der Bahn zu beginnen.

Art. 6. Binnen 2 Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zum Betrieb der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausfiihrungsplänen, welche vorher dem Buudesrat vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind. Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird als Drahtseilbahn mit Spurweite von l Meter und eingeleisig, ohne Ausweiche, erstellt und mittelst Elektrizität betrieben.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigentum des Kantons.

Tessin und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den eidgenössischen Beamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

295 Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, dass Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlass geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Ebenso hat er das Recht, zu verlangen, dass Mitglieder der Verwaltung, welchen vorübergehend oder dauernd Funktionen eines Beamten oder Angestellten übertragen sind und die in der Ausübung derselben Anlass zu begründeten Klagen geben, dieser Funktionen enthoben werden.

Art. 12. Die Gesellschaft übernimmt den Transport von Personen und Gepäck. Zum Transport von Gütern und lebenden Tieren ist die Gesellschaft nicht verpflichtet.

Art. 13. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können solche erst eingeführt werden, nachdem sie vom Bundesrat genehmigt worden sind.

Art. 14. Der Gesellschaft ist im allgemeinen anheimgestellt, die Zahl der täglichen Züge und der Kurszeiten festzustellen.

Immerhin sind alle daherigen Projekte, welche sich auf fahrplanmässige Züge beziehen, dem Eisenbahndepartement vorzulegen und dürfen vor ihrer Genehmigung nicht vollzogen werden.

Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrat festgesetzt.

Art. 15. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen mit nur einer Klasse aufstellen, deren Typus durch den Bundesrat genehmigt werden muss.

Im Falle des Bedürfnisses kann der Bundesrat die Einführung einer zweiten Wagenklasse gestatten. In diesem Falle setzt der Bundesrat die Taxen fest.

Art. 16. Für die Beförderung von Personen können Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze bezogen werden : Bergfahrt 30 Rappen Talfahrt 15 Kappen.

Für Hin- und Rückfahrten sind die Personentaxen mindestens 20 °/o niedriger anzusetzen als für doppelte einmalige Fahrten.

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Kinder unter vier Jahren sind gratis zu befördern, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird.

Für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre ist die Hälfte der Taxe zu zahlen. Der Bundesrat ist berechtigt, diese Altersgrenze von zehn Jahren zu erweitern.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonnementsbillette zu reduzierter Taxe auszugeben.

Art. 17. Jeder Reisende ist berechtigt, 10 Kilogramm Reisegepäck taxfrei zu befördern, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für anderes Reisegepäck kann eine Taxe von höchstens 30 Rappen per 50 Kilogramm bezogen werden.

Mit Zustimmung des Bundesrates kann für das Reisendengepäck ein Abfertigungsverfahren mit einer einheitlichen Taxe eingeführt werden. In diesem Falle setzt der Bundesrat die Taxe fest.

Art. 18. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 19. Sämtliche Réglemente und Tarife sind mindestens zwei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrat zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 20. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxen verhältnismässig herabzusetzen. Kanu hierüber eine Verständigung zwischen dem Bundesrat und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschliesslich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art.

nügender Personal dasselbe

21. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äufnung geErneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten oder bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzu-

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stellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Ferner sind die Reisenden und das Personal bei einer Anstalt bezüglich derjenigen Verpflichtungen zu versichern, welche aus dem Haftpflichtgesetz vom 28. März 1905 mit bezug auf Unfälle beim Bau, beim Betrieb und bei HUlfsgeschäften sich ergeben.

Art. 22. Für die Ausübung des Ruckkaüfsrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons Tessin oder der Stadt Lugano, gelten folgende Bestimmungen: a. Der Rückkauf kann frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen. Vom Entschluss des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören. Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge getan werden und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhaltoismassiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Januar 1945 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem .Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen ; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1945 und 1. Januar 1960 erfolgt, den 221/afachen Wert; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1960 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages ; -- unter Abzug der Erneuerungsund Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzessionierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluss aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch Bundesblatt. 60. Jahrg. Bd. IV.

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letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Ruckkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Ruckkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 23. Hat der Kanton Tessin oder die Stadt Lugano den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein Rückkaufsrecht, wie es im Art. 22 definiert worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton oder die Stadt Lugano hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 24. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieses Beschlusses, welcher am in Kraft tritt, beauftragt.

-~SQ-

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer elektrischen Drahtseilbahn von der Via Nassa nach der Via Clemente Maraini in Lugano.

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