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Bundesratsbeschluss über

den Rekurs der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen gegen den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 2. Februar 1905 betreffend Festsetzung der südlichen Baulinie der Zollstrasse in Zürich III.

(Vom 21. Februar 1908.)

Der schweizerische Bundesrat hat über den Rekurs der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen gegen den Entscheid des Regierungsrates des Eantons Zürich vom 2. Februar 1905 betreffend Baulinienfestsetzung an der Zollstrasse in Zürich, auf den Antrag seines Eisenbahndepartements, folgenden Beschluss gefasst: A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Mit Beschluss vom 6. Februar 1904 hat der Grosse Stadtrat Zürich die südliche Baulinie der Zollstrasse in Zürich III festgesetzt.

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Nachdem der Plan gemäss Art. 15 des zureherischen Baugesetzes vom 23. April 1893 am 15. April 1904 öffentlich aufgelegt worden war, rekurrierte die Kreisdirektion III gegen die Festsetzung der Baulinie an den Bezirksrat, weil diese Baulinie das Bahnhofareal anschneidet. Der Rekurs wurde durch diese Behörde mit Beschluss vom 2. Juni 1904 abgewiesen, worauf die Kreisdirektion III die Angelegenheit rechtzeitig vor den Regierungsrat des Kantons Zürich brachte.

Mit Beschluss vom 2. Februar 1905 hat der Regierungsrat den Rekurs der Kreisdirektion III ebenfalls abgewiesen, indem er von folgenden Erwägungen ausging : Das Land der Bundesbahnen sei keineswegs exterritorial, sondern es unterliege dem kantonalen Baugesetze in gleicher Weise, wie alle übrigen Liegenschaften in dessen Geltungsgebiet. Freilich könne der Bundesrat bei der Genehmigung von Bauprojekten der Bundesbahnen, gestützt auf Art. 14 des Eisenbahngesetzes und Art. 13, lit. B, Ziff. 4, des Rückkaufsgesetzes sich über die kantonalen baupolizeilichen Bestimmungen und Verfügungen hinwegsetzen, insofern sie den vom Bunde zu wahrenden Interessen widersprechen. Hierbei beruft sich der Regierungsrat auf das Gutachten des Stadtrates von Zürich über die Handhabung der Baupolizei gegenüber Eisenbahnbauten vom 22. Oktober 1898.

Es wäre fraglich, ob dem Bunde das Recht zustünde, gestützt auf Art. 26 der Bundesverfassung Vorschriften über die Bau-, Feuer- und Gesundheitspolizei für Eisenbahnbauten zu erlassen, die in ihren Konsequenzen auch für die Kantone bindend wären. Die kantonale Hoheit in bezug auf den Erlass und .die Anwendung von Polizeivorschriften sei durch Art. 3 der Bundesverfassung garantiert. Die Gesetzgebung im Gebiete des Verwaltungsrechtes stehe den Kantonen zu und im Zweifel sei hier nur die kantonale Hoheit als massgebend zu erachten.

Den kantonalen Baupolizeivorschriften sei um so mehr Rechtswirkung auch auf Bahngebiet beizumessen, als keine Bundesrechtsnorm existiere, welche materielle Vorschriften in dieser Richtung enthalte. Die Bahnen seien daher verpflichtet, Baulinien, welche auf ihrem Gebiet gezogen werden, zu berücksichtigen, sofern nicht die Interessen des Bahnbetriebes Ausnahmen erfordern. Eine Änderung des Bahnplanes bedeute die Baulinie deshalb nicht, weil sie gemäss Art. 14 des Eisenbahngesetzes nicht dazu führen werde, das eigentliche Bahngebiet seinem Zwecke zu entfremden. Dagegen solle aller-

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dings das Gebiet, das'nicht eigentlichen Bahnzwecken dieney durch die Baulinie belastet werden dürfen. Dass ein Konflikt mit der Eisenbahngesetzgebung hieraus nicht entstehen könne, ergebe sich aus Wortlaut und Sinn des Art. 14 leg. cit., da dieser sich nur auf Bauten für Bahnzwecke beziehe.

II.

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Gegen diesen Entscheid rekurrierte die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen unterm 7. März 1905 an das.

Eisenbahndepartemerit zu Händen des Bundesrates. Sie führte aus, die Argumentation des Regierungsrates widerspreche dem Art. 26 der Bundesverfassung, wonach die Gesetzgebung über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen Bundessache sei; sowie der konstanten Auslegung, welche diese Bestimmung erfahren habe. Es sei nicht richtig, zu behaupten, dass der Bund über die Baupolizei 'der Eisenbahnen keine Vorschriften erlassen habe. Im Eisenbahngesetz befinde sich nämlich die grundsätzliche Bestimmung, dass der Bundesrat die bezüglichen Bedingungen in jedem Falle aufstelle. Dabei berücksichtige er, soviel als zweckmässig, die kantonalen Vorschriften.

Aus den Erwägungen des Bundesratsbeschlusses vom 9. Juni 1904 betreffend Einrichtung eines Transitpostbureaus im ehemaligen Lagerhause des Bahnhofes Zürich gehe ohne weiteres hervor, dass das zürcherische kantonale Baugesetz auf die zu Bahnzwecken verwendeten oder reservierten Liegenschaften der Eisenbahnen nicht anwendbar sei. Wenn es dem so. sei, können auch die im Baugesetz vorgesehenen Baulinien nicht durch das Bahngebiet gezogen werden, und die Grundlage des Beschlusses des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 2. Februar 1905 verschwinde. Wenn es auch oft vorkomme, dass die Baugesetze der Kantone auf Eisenbahnen angewendet werden, und der Bundesrat selbst mehrmals erklärt habe, er werde diese Bestimmungen, wenn er es üür gut finde, berücksichtigen, so stehe doch so viel fest, dass die bezüglichen kantonalen Bestimmungen n i c h t d i r e k t durch die kantonalen Behörden gegenüber den Eisenbahnen angewendet werden können, sondern nur durch die Bundesbehörde, für welche sie nicht verL bindlich seien. Jeder d i r e k t e Eingriff der kantonalen Behörden gegen die Eisenbahnverwaltungen, kraft der kantonalen Baugesetze, widerspreche der staatsrechtlichen Ordnung.

Die in den Erwägungen des Beschlusses des Regierungsrates vom 2. Februar enthaltenen Zugeständnisse seien nicht

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genügend. In erster Linie sei von denselben im Dispositiv selbst keine Erwähnung getan, so dass nach dem letzteren die gezogene Baulinie einfach aufrecht erhalten sei, mit allen bezüglichen Konsequenzen. Sodann beziehen sich die Vorbehalte des Regierungsrates nur auf den Art. 14 des Eisenbahngesetzes.

Es sei somit gesagt, dass der Bundesrat bei der Genehmigung von Bauplänen immer frei wäre, die Baulinie zu berücksichtigen oder nicht. Die Baulinie habe aber nicht nur für die Erstellung von Bauten eine Bedeutung. Sie habe auch zur Folge, dass durch deren Genehmigung die Gemeinde ohne weiteres das Recht zur Expropriation erhalte. (Art. 17 des Baugesetzes des Kantons Zürich). Die Expropriation sei aber unabhängig von der Anwendung des Art. 14 des Eisenbahngesetzes. Gestützt hierauf stellte die Generaldirektion das Gesuch, der Bundesrat wolle den Beschluss des Regierungsrates vom 2. Februar 1905 aufheben, eventuell wolle er erkennen, dass diese Baulinie der Bahnverwaltung gegenüber nicht geltend gemacht werden könne, so lange das von derselben betroffene Areal zu Bahnzwecken verwendet werde.

III.

In seiner Rekursbeantwortung vom 29. Juni 1905 beantragte der Regierungsrat, indem er sich auf Art. 189 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893 stützte, den Rekurs angebrachtermassen abzuweisen, weil derselbe nicht dem Bundesrat, sondern dem Eisenbahndepartement eingereicht worden sei.

In materieller Hinsicht führte der Regierungsrat aus, die Bundesbehörden, sowie die Eisenbahngesellschaften leiten aus dem im Art. 14 des Eisenbahngesetzes enthaltenen Genehmi-1 gungsrecht des Bundesrates die Folgerung ab, dass der Bundesrat allein auch über die bau-, feuer- und gesundheitspolizeilichen 'Verhältnisse beim Bahnbau und Betrieb zu befinden habe. Diese Folgerung entspreche weder der Entstehungsgeschichte des Eisenbahngesetzes noch dem Wortlaut der geltenden Vorschriften. Hierbei 'verweist der Regierungsrat auf das Gutachten des Stadtrates von Zürich vom 22. Oktober 1898^ welches er als integrierenden Bestandteil seiner Rekursbeantwortung erklärt. Er bemerkt dann weiter, der Bundesrat interpretiere den Art. 26 der Bundesverfassung nicht richtig. Der Regierungsrat habe diese Auslegung nie anerkannt. Speziell der Begründung · des Bundesratsbeschlusses vom 5. Juni 1904

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jn Sachen Transitpostbufeau Zürich könne er nicht zustimmen.

Dort wurde die Ausserkraftsetzung des kantonalen Baupolizeirechtes mit der Bemerkung abgetan, dass Art. 26 der Bundesverfassung die Gesetzgebung über Bau und Betrieb der Eisenbahnen als Bundessache erklärt habe. Diese Begründung sei ungenügend. Wenn auch gemäss Art. 26 der Bundesverfassung nur der Bund befugt sei, Gesetze über den Bau und Betrieb von Bahnen zu erlassen, so stehe anderseits dem Bunde die Kompetenz nicht zu, Materien des Polizeirechtes zu regeln, da nach Art. 3 der Bundesverfassung das Polizeirecht der kantonalen Hoheit unterstehe. Allerdings sei nicht zu übersehen, dass der Bund in seinen Gesetzeserlassen bei der Regelung von bestimmten Rechtsgebieten mit einzelnen positiven Bestimmungen in die Sphäre der kantonalen Gesetzgebungshoheit übergreifen könne, soweit der Zusammenhang der Rechtsgebiete dies erheische. Allein es könne sich dabei nur um einzelne Fälle handeln. Der Bund könne ohne bestimmte Grundlage in der Verfassung durch Bundesgesetze keine kantonalen Erlasse polizeilicher Natur ausser Kraft setzen.

Ferner komme in Betracht, dass das Eisenbahngesetz keine einzige Bestimmung enthalte, welche Auskunft gäbe über die Anlage der Bahnhoohbauten in konstruktiver Hinsicht. Es fehle gänzlich an bau-, gesundheits- und feuerpolizeilichen Bestimmungen materieller Natur. Der Regierungsrat könne sich nicht damit begnügen, dass der Bundesrat nach seinem Ermessen in jedem einzelnen Falle festzusetzen habe, welche Grundsätze baupolizeilicher Natur bei den Eisenbahnbaüten zu beobachten seien. Es möchte dies unter Umständen angehen für Gebiete, welche kein eigenes Baurecht besitzen, nicht aber für Kantone, wie Zürich, welcher ein ausgebildetes Bau-, Feuer- und Gesundheitspolizeirecht geschaffen habe.

Es sei also die Frage zu prüfen, ob durch den Art. 26 der Bundesverfassung dem Bunde die Kompetenz verliehen worden sei, auch die kantonalen Baupolizeigesetze ausser Kraft zu setzen.

Der Regierungsrat beruft sich hierbei auf das Gutachten des Zürcher Stadtrates vom 22. Oktober 1898, das zu folgenden Schlüssen gelangt : Ï. Die kantonalen Vorschriften über Baupolizei, mit Inbegriff der Gesundheitspflege und der Feuerpolizei, finden auf alle Hochbauten von Eisenbahnen Anwendung.

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2. Die Pläne zu solchen Bauten bedürfen nach Massgabe der kantonalen Gesetze der Genehmigung durch die kantonale Baupolizeibehörde.

3. Vorbehalten ist das Recht der Bundesbehörde, bei der1 ihr nach Art. 14 des Eisenbahngesetzes zustehenden Plangenehmigung mit Rücksicht auf die Eigenart der Eisenbahnen, die Beschlüsse der kantonalen Behörden abzuändern.

Der Regierungsrat sucht sodann nachzuweisen, dass der: Bundesrat bei der Schaffung des Eisenbahngesetzes den Standpunkt eingenommen habe, dass Polizeivorschriften nicht in dasEisenbahngesetz gehören, indem er sich auf die Botschaft zum Eisenbahngesetz vom 16. Juni 1871 (Bundesbl. 1871, II, 672) beruft. Allerdings habe dann der Bundesrat im Jahre 1874 alle von kantonalen Behörden erlassenen Verbote von Eisenbahnbauten als nichtig aufgehoben. Dies schliesse aber nicht aus, dass die frühere Auslegung die richtige gewesen sei.

Gestützt auf diese Ausführungen stellt der Regierungsrat das Verlangen, dass ihm Bauprojekte der Eisenbahnen zur Genehmigung vorgelegt werden, wenn Vorschriften des Bau-, Feuer- oder Gesundheitspolizeirechtes in Frage kommen. Die einzige Folge dieser Praxis für die Eisenbahnunternehmungen werde sein, dass die Bahnpläne bezüglich der Ausführung von Hochbauten doppelt genehmigt werden, und zwar zunächst von den Lokalbehörden und in zweiter Linie vom Bundesrat. Über Anstände zwischen den Lokalbehörden und den Bahnverwaltungen werde nach wie vor der Bundesrat zu entscheiden haben,, sofern die projektierten Bauten Bahnzwecken dienen.

Wenn das kantonale Baupolizeirecht auf das Eisenbahngebiet Anwendung zu finden habe, so müsse sich die Bahn auch die Ziehung von Baulinien auf Bahngebiet gefallen lassen. Den Baulinien kommen zwei Funktionen zu : Sie zeigen an, wo da& Strassengebiet unter allen Umständen seine Grenze finde. Bauten dürfen nicht über die Baulinie hinaus gesetzt werden, weil die Strasse sonst in ihrer Ausdehnung gehemmt würde. Sodann zeige der Abstand der Baulinien an, wie hoch an der Strasse1 gebaut werden dürfe. Beide Funktionen könne die Baulinie gemäss Art. 14 des Eisenbahngesetzes auf Bahngebiet nur äussern, soweit dieses nicht eigentlichen Bahnzwecken diene.

Dieses Zugeständnis folge aus der richtigen Auslegung des Art. 14 des Eisenbahngesetzes. Der Regierungsrat habe daher nicht notwendig im Dispositiv seines Beschlusses vom 2. Februar 1905 speziell darauf Bezug nehmen müssen. Der Bun-

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desrat habe es nicht immer in der Hand, die Baulinie zu berücksichtigen oder nicht ; vielmehr sei ausschlaggebend der Umstand, ob die von der Eisenbahnverwaltung projektierten Bauten eigentlichen Bahnzwecken dienen oder nicht und ob das öffentliche Interesse des Bahnbetriebes die Abweichung von den kantonalen Gesetzesvorschriften erheische. Wenn die Bahnen auf ihrem Gebiete Bauten erstellen wollen, die nicht Bahnzwecken dienen, so haben sie die Baulinien zu berücksichtigen.

Die südliche Baulinie der Zollstrasse müsse daher in Kraft bleiben, weil sie keinerlei Rechte der Bahn verletze. Sie äussere ihre Wirkung nur, soweit die Interessen des Bahnbetriebes ihr nicht entgegenstehen. Der Regierungsrat halte aber allerdings dafür, dass sie auch von der Bahnverwaltung zu respektieren sei, wenn nicht der Bundesrat der Bahnverwaltung eine Ausnahme gestatte. Jedenfalls sei sie zu berücksichtigen, wenn Bauten erstellt werden, die nicht ausschliesslich Bahnzwecken dienen. Die Baulinie sei notwendig, weil nur mit ihrer Hülfe an der nördlichen Strassenseite dem Baugesetz entsprechend gebaut werden könne. Eine ideelle Baulinie auf Bahngebiet konnten die städtischen Behörden nicht ziehen, weil die Voraussetzungen des Art. 10 des zürcherischen Baugesetzes nicht zutreffen. Es könne weder gesagt werden, dass das Bahngebiet eine öffentliche Anlage sei, noch dass auf diesem Gebiet nicht gebaut werden könne.

Der Kegierungsrat ersucht, seinen Beschluss vom 2. Februar 1905 zu bestätigen, und die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen anzuweisen, in Zukunft auch den Lokalbehörden die Pläne für Eisenbahnhochbauten gemäss den Vorschriften des Baugesetzes zur Genehmigung vorzulegen. Er legt eine Kopie eines Schreibens des Stadtrates Winterthur an die Direktion der öffentlichen Bauten des Kantons Zürich vom 25. Mai 1905 vor, worin der Standpunkt vertreten wird, dass hinsichtlich der baupolizeilichen Erledigung Hochbauvorlagen der schweizerischen Bundesbahnen nicht anders behandelt werden können, als Vorlagen von Privaten und von andern Behörden, auch solche der Stadigemeinde selbst. Er müsse daher grundsätzlich darauf bestehen, dass ihm von Hochbauvorlagen der schweizerischen Bundesbahnen der Situationsplan und komplete Baupläne in doppelter Ausfertigung geliefert werden. Nach Eingang dieser Requisite werde er unter Rücksendung je eines Exemplars die baupolizeiliche Genehmigung aussprechen.

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IV.

Mittelst Replik vom 7. Dezember 1906 beantragt die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen neuerdings, ihren Rekurs vom 7. März 1905 gutzuheissen.

In formeller Beziehung weist die Generaldirektion darauf hin, dass sie im Anfang des Rekurses zu H ä n d e n des B u n d e s r a t e s das Gesuch gestellt habe, er wolle den Beschluss des Regierungsrates aufheben. Ebenso sei in den Schlussanträgen der Rekursschrift auch wiederum der Bundesrat erwähnt. Dass in der Adresse der Rekursschrift das Post- und Eisenbahndepartement und nicht der Bundesrat genannt worden sei, sei nicht von Belang. Sie habe die Vermittlung des Post- und Eisenbahndepartements nachgesucht, was sowohl dem normalen Geschäftsgang, wie den Vorschriften von der Bundesverfassung (Art. 103) und dem Bundesgesetz betreffend die Organisation der Eisenbahnabteilung des Post- und Eisenbahndepartements vom 27. März 1897 und dem auf Grund desselben ergangenen Bundesratsbeschlusse vom 13. Juli 1897 entspreche.

In materieller Beziehung bestätigt die Generaldirektion ihre Rekursschrift vom 7. März 1905, worin sie sich in der Hauptsache auf die Erwägungen des vom Bundesrat am 9. Juni 1904 in Sachen des Transitpostbureaus gefassten Beschlusses stützte. Es sei der Regierung des Kantons Zürich nicht gelungen, in ihrer Vernehmlassung die Auslegung als unrichtig zu erweisen, welche der Bundesrat dem Art. 26 der Bundesverfassung in diesem Entscheid gegeben habe. Folgendes vom Regierungsrat neu vorgebrachte Argument bedürfe jedoch noch einer besondern Widerlegung. Der Regierungsrat nehme an, die Anwendbarkeit der Vorschriften, welche die Kantone über Bau-, Gesundheits- und Feuerpolizei aufgestellt haben, auch auf die Eisenbahnen, ergebe sich aus dem Art. 14 des Eisenbahngesetzes selbst, wo ausdrücklich gesagt sei, dass die Plangenehmigung durch den Bundesrat nur ,,für grössere Bauobjekte, einschliesslich der wichtigeren Hochbauten", nötig sei. Diese Formulierung zeige, dass kleinere Bauten, wie z. B. Wärterhäuschen mit Wohnung, nicht vom Bundesrat genehmigt werden müssen. Somit würden entweder solche kleinere Bauten in bezug auf Bau-, Gesundheits- und Feuerpolizei von aller Kontrolle entbunden sein oder aber der Machtbereich müsse in dem Sinne als geteilt gedacht werden, dass die Wahrung der bau-, gesundheits- und feuerpolizeilichen Interessen bei den im Art. 14 des

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Eisenbahngesetzes vorgesehenen Bauten dem Bundesrat obliegen würde, bei allen andern Bauten dagegen den kantonalen Behörden, wobei diese letztern die einschlägigen kantonalen Vorschriften zur Anwendung zu bringen hätten. Beide dieser Möglichkeiten hätten aber ihre grossen Inkonvenienzen und könnten vom Gesetzgeber nicht gewollt sein. Die Unterlassung jeder Kontrolle involviere eine Gefahr. Eine Teilung der Machtbefugnisse zwischen Bund und Kantonen stosse bei der praktischen Durchführung auf die grössten Schwierigkeiten. Sei aber die Teilung nicht gewollt, dann, so folge der Regierungsrat weiter, könne auch in den Fällen nicht von einer selbständigen Wahrnehmung bau-, gesundheits- und feuerpolizeilicher, Interessen durch den Bundesrat und der Nichtanwendbarkeit der einschlägigen kantonalen Gesetzgebung die Rede sein, wo der Bundesrat gemäss Art. 14 des Eisenbahngesetzes zur Plangenehmigung befugt sei. Auch in diesen Fällen sei die Kompetenz der Kantone und ihrer Behörden als eine, auch die Eisenbahnen mitumfassende, ausschliessliche gegeben.

Die Generaldirektion führt aus, sie sei, gleich der Regierung des Kantons Zürich, der Ansicht, dass der Gesetzgeber im Gebiet der Bau-, Gesundheits- und Feuerpolizei, soweit die Eisenbahnen in Frage kommen, nur eine einzige Kompetenz gewollt habe. Diese ausschliessliche Kompetenz sei aber in die Hand des Bundesrates, und nicht in diejenige der Kantone gelegt. Der Absatz l des Art. 14 des Eisenbahngesetzes werde vom Regierungsrat falsch ausgelegt. Nach Art. 14, lit. c, bestehe die Pflicht zur Vorlage von Bauplänen an den Bundesrat bezw. an das Bisenbahndepartement überall, wo es sich um die ,,Gesamtheit" des Planes handle. Ferner bestehe diese Pflicht bei sämtlichen Detailplänen, welche ,,grössere Bauobjekte, einschliesslich der wichtigern Hochbauten", betreffen. Dagegen bestehe sie nicht ohne weiteres bei denjenigen Hochbauten und andern Bauobjekten, welche, hingesehen auf ihren Umfang und ihre Bedeutung, nicht zu den grössern, bezw. wichtigeren gehören. Das Recht des Bundesrates, die Vorlage auch solcher Detailpläne zu verlangen, werde aber durch den Art. 14 in keiner Weise verkümmert. Tatsächlich werden auch von den.

Eisenbahnen Pläne für unbedeutende Bauten vorgelegt. Diese müssen nämlich nicht nur für alle Wärterhäuser die bundesrätliche, bezw. départementale Genehmigung einholen, sondern auch für die allerunwichtigsten Bauten und baulichen Veränderungen, sofern sie solche auf Baukonto tragen wollen. Es sei

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das eine Konsequenz der Vorschriften des Rechnungsgesetzes vom 27. März 1896. Art. 14 des Eisenbahngesetzes von 1872 sei durch diese spätem Erlasse überholt. Ähnlich verhalte es sich bei den vom Regierungsrat namhaft gemachten Zubehörden. Die Zuständigkeit des Bundesrates sei auch hier eine ausschliessliche und auch da gegebene, wo die in Frage stehenden Bauten, wie z. B. die die Bureaux der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen enthaltenden Gebäude an der Hochschul- und der Brückfeldstrasse in Bern von der Bahn örtlich getrennt seien. Die Zuständigkeit der kantonalen Behörden und die direkte Anwendung kantonaler bau-, gesundheitsund feuerpolizeilicher Vorschriften sei auch in diesen Fällen ausgeschlossen. Der Bundesrat sei bei der ihm allein zustehenden Plangenehmigung aus Art. 14 des Eisenbahngesetzes befugt, über die diesbezüglichen kantonalen Vorschriften eventuell hinwegzuschreiten, wenn die Eigenart der Eisenbahn im einzelnen Falle es erfordere ; jedenfalls stehe ihm der Entscheid zu, ob die kantonalen Vorschriften im Spezialfalle anzuwenden seien oder nicht.

.

V.

Mit Eingabe vom 7. Januar 1907 stellte nun Rechtsanwalt Dr. J. Maag in Zürich namens J. J. Landolt das Gesuch an den Regierungsrat, er möchte die südliche Baulinie an der Zollstrasse ohne Rücksicht auf den Rekurs der Bundesbahnen genehmigen, da der Bahnbetrieb durch dieselbe nicht beeinflusst werde. Wolle die Bahn entgegen dem in den Baulinien liegenden Bauverbot über diese hinausbauen, wodurch der vis-à-vis gelegene Nachbar zurückgedrängt würde, so solle die Bahn dieses Recht expropriieren und den privaten Nachbar entschädigen. Eventuell ersuchte Dr. Maag, der Regierungsrat möchte die Baulinie wenigstens als ,,ideelle" genehmigen und damit einen Rechtszustand schaffen, welcher den Interessen der privaten Anstösser an der Zollstrasse gerecht werde.

Mit Beschluss vom 14. März 1907 genehmigte der Regierungsrat die südliche Baulinie an der Zollstrasse in Zürich III ohne vorher die Duplik einzusenden und ohne Rücksicht auf den von der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen erhobenen Rekurs vom 7. März 1905/7. Dezember 1906.

Er stützte sich dabei auf die Ausführungen in den oben erwähnten Beschlüssen des Regierungsrates, Nr. 178, vom 2. Februar 1905, und Nr. 1007, vom 29. Juni 1905.

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VI.

Die Generaldirektion ersuchte hierauf unterm 5. April 1907 um Aufhebung des erwähnten Beschlusses des Regierungsrates vom 14. März 1907, indem sie in formeller Hinsicht geltend machte, dass dieser auf Verkürzung des Rekursrechtes der schweizerischen Bundesbahnen abzielende Beschluss verfrüht sei. Dass der Regierungsrat die südliche Baulinie an der Zollstrasse ohne Rücksichtnahme auf den beim Bundesrat anhängigen Rekurs genehmigt habe, bedeute eine Verkennung der dermaligen Rechtslage und eine Ignorierung der bundesrätlichen Kompetenzen. Erst wenn der Bundesrat beschlossen haben würde, dass die Festsetzung der Baulinie der Zollstrasse durch den Grossen Stadtrat zu Recht bestehe, würde der Regierungsrat diese Festsetzung genehmigen können.

In materieller Beziehung beruft sich die Generaldirektion auf ihre Rekursbegründung vom 7. März 1905 und auf ihre Replik vom 7. Dezember 1906, indem sie darauf hinweist, dass diese Eingaben ihren materiellen Wert auch gegenüber dem Regierungsratsbeschluss vom 14. März 1907 behalten ; es sei nur die Konsequenz des von der Generaldirektion dort Ausgeführten, wenn sie die Annullierung dieses neuesten Beschlusses des züreherischen Regierungsrates nachsuche, welcher die materielle Überprüfung der Berechtigung der vom Grossen Stadtrat festgesetzten südlichen Baulinie an der Zollstrasse durch den Bundesrat zu verunmöglichen bestimmt sei.

VII.

Mit Duplik vom 26. September 1907 hält der Regierungsrat in formeller und materieller Beziehung an den Ausführungen seiner Rekursbeantwortung vom 29. Juni 1905 fest. Die Rekurrentin gehe nunmehr soweit, alle Bauten, die aus irgendwelchem Grunde den Zwecken der Bahnverwaltung dienen, von der kantonalen Polizeihoheit 'auszunehmen. Unzutreffend sei die Heranziehung des Eisenbahnrechnungsgesetzes vom 27. März 1896. Dasselbe könne keinerlei Wirkung auf die polizeiliche Behandlung der mit dem Bahnbetrieb in Zusammenhang stehenden Gebäude haben. Die Prüfung der Anlagewerte und der Betriebskonti der Bahnunternehmungen und die damit zusammenhängende Genehmigung der Bauvorlagen seien Geschäfte rein finanzieller Natur. Sie haben ihren Grund nur darin, dass die Aufsichtsbehörden sich jederzeit wollen Rechenschaft geben

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können über den wirklichen Stand der gemäss dem Rechnungsgesetze zu berücksichtigenden Konti. Demnach habe die Genehmigung der Vorlagen, die in Art. 14 des Eisenbahngesetzes nicht ausdrücklich vorgesehen seien, keinerlei materielle Bedeutung für die Fragen der Bau-, Feuer- und Gesundheitspolizei.

Das kantonale Recht komme jedenfalls dann zur Anwendung, wenn die Gebäude der Bahnverwaltung nicht auf Bahngebiet stehen. Es mache auch nichts aus, ob die Gebäude für die Bahnverwaltungszwecke expropriiert worden seien ; denn es sei in allen Fällen abzustellen auf die unmittelbare Verbindung mit dem Bahngebiet, mit der Gesamtanlage, die wegen ihrer Zweckbestimmung ein untrennbares Ganzes bilde, untrennbar deshalb, weil vorerst der Betrieb unmöglich würde.

Der Regierungsrat würde es als einen schweren Einbruch in das kantonale Rechtsgebiet empfinden, wenn sich der Bundesrat auch über diese Schranke hinwegsetzen wollte, und er würde kein Mittel unversucht lassen, bis das Recht, wenigstensbei diesen Bauten die kantonalen Polizeivorschriften anzuwenden, wieder anerkannt wäre.

Was die Genehmig-ung der südlichen Baulinie der Zollstrasse anbetreffe, so habe sich der Regierungsrat veranlasst, gesehen, für die Bebauung des nördlich an die Strasse stossenden Gebietes eine genügende Grundlage zu schaffen.

Im übrigen resümiert der Regierungsrat seine Stellungnahme wie folgt : 1. Weder Art. 26 der Bundesverfassung noch Art. 14 des Eisenbahngesetzes ermächtigen den Bund, die kantonale Polizeihoheit mit bezug auf Eisenbahnbauten allgemein ausser Kraft zu setzen.

2. Der Bund ist nur befugt, in einzelnen Fällen, das heisst wo die Zwecke des Bahnbetriebes es erfordern, die Bahnverwaltung von der Anwendung der kantonalen Polizeivorschriften soweit zu befreien, als die Zwecke des Bahnbetriebes reichen.

· 3. Für den Fall, dass diese Sätze nicht anerkannt würden, wäre festzulegen, dass das kantonale Recht überall da zu berücksichtigen sei, wo seine Anwendung dem Bahnbetrieb nicht:, direkt hinderlich ist.

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B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht:

I.

Über die Frage, ob den kantonalen und lokalen Behörden das Recht zustehe, über Bahngebiet Baulinien zu ziehen, und ob, wenn dies zulässig erscheint, die Baulinie auch für die Bahn verbindlich sei, hat sich der Bundesrat in seinem Beschlüsse vom 9. Juni 1904 betreffend die Einsprachen der Zürcher Behörden gegen das Projekt der Einrichtung eines Transitpostbureaus im ehemaligen Lagerhause des Bahnhofes Zürich, in Erwägung IV ausgesprochen. Es wurde dort bemerkt : ,,Man kann sich fragen, ob die Bundesbehörden nicht das Recht haben, Gemeindebeschlüsse, durch welche Baulinien über Bahngebiet gezogen werden, von Amtes wegen aufzuheben, weil sie einen Einbruch in die laut Verfassung) dem Bunde ausschliesslich zustehende Eisenbahngesetzgebung bedeuten. Indessen ist zu erwägen, dass eine über Bahnareal gehende Baulinie notwendig sein kann, um gewisse Verhältnisse des angrenzenden privaten Gebietes, z. B. die zulässige Höhe von Bauten zu normieren. Sobald jedoch eine Gemeindebehörde aus der durch das Bahngebiet gezogenen Baulinie die Konsequenz ziehen will, dass nun auch die Bahn sich nach derselben zii richten und die kantonalgesetzlichen Vorschriften betreffend die Baulinien zu respektieren habe, so kommt sie in Konflikt mit den aus der Eisenbahngesetzgebung hergeleiteten Rechten der Bahn und der Bundesbehörden."

Der Bundesrat hat also den Standpunkt vertreten, dass Baulinien über Bahngebiet gezogen werden dürfen, dass aber aus denselben der Bahn gegenüber keine rechtlichen Wirkungen abgeleitet werden dürfen, so lange das betreffende Areal zu Bahnzwecken verwendet wird. An diesem Standpunkte muss heute noch festgehalten werden.

II.

Der Regierungsrat des Kantons Zürich bemerkt jedoch, dass er der Begründung des Bundesratsbeschlusses vom 9. Juni 1904 in Sachen des Transitpostbureaus Zürich nicht zustimmen könne. Dort werde in Erwägung II die Ausserkraftsetzung des kantonalen Baupolizeirechtes mit der Bemerkung abgetan, dass

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Art. 26 der Bundesverfassung die Gesetzgebung über Bau und Betrieb der Eisenbahnen als Bundessache erklärt habe. Diese Begründung sei ungenügend. Gestützt auf Art. 3 der Bundesverfassung, wonach das Polizeirecht der kantonalen Hoheit unterstehe, verlangt der Regierungsrat, dass ihm Bauprojekte der Eisenbahnen zur Genehmigung vorgelegt werden, wenn Vorschriften des kantonalen Bau-, Feuer-, oder Gesundheitspolizeirechtes in Frage kommen. Aus der von ihm angenommenen Anwendbarkeit des Baupolizeirechtes auf das Eisenbahngebiet zieht er dann die Folgerung, dass sich die Bahn auch die Ziehung von Baulinien auf Bahngebiet gefallen lassen müsse.

III.

Die grundsätzliche Meinungsverschiedenheit zwischen der vom Bundesrat in seinem Beschlüsse vom 9. Juni vertretenen Ansicht und derjenigen des Regierungsrates des Kantons Zürich besteht darin, dass der Bundesrat aus Art. 26 der Bundesverfassung und Art. 14 des Eisenbahngesetzes vom 23. Dezember 1872 ein a u s s c h l i e s s l i c h e s Genehmigungsrecht für alle Eisenbahnbauten, .inklusive die Eisenbahn h o e h b a u t e n , ableitet, während der Regierungsrat des Kantons Zürich auf Grund von Art. 3 der Bundesverfassung die Ausübung des Baupolizeirechtes auch gegenüber Eisenbahnbauten in Anspruch nimmt.

Es ist zunächst zu prüfen, in welchem Verhältnis die Art. 26 und 3 der Bundesverfassimg zueinander stehen. Nach Art. 26 ist die Gesetzgebung über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen Bundessache, während Art. 3 bestimmt, dass die Kantone souverän sind, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist, und dass sie als solche alle Rechte ausüben, welche nicht der Bundesgewalt übertragen sind. Da die Polizeihoheit in der Bundesverfassung nirgends als Bundessache erklärt ist, so ist dieselbe gemäss dem zitierten Art. 3 den Kantonen verblieben, soweit sie wenigstens nicht durch spezielle Bundesgesetze auf gewissen Gebieten eingeschränkt worden ist. Insbesondere ist festzustellen, dass keine bundesrechtlichen Normen existieren über die Bau-, Feuer-, und Wirtschaftspolizei.

Auf diesen Gebieten sind daher die Kantone souverän. Diese Sachlage führt dazu, dass auf den genannten Gebieten die Eisenbahnhoheit des Bundes und die Polizeihoheit der Kantone miteinander in Kollision kommen können. Bei dieser Kollision gilt der Grundsatz, dass

441 das Bundesrecht dem kantonalen Rechte vorgeht. Die Eisenbahnhoheit des Bundes schliesst daher im Kollisionsfalle die kantonale Polizeihoheit aus. Diese Ansicht ist auch im Berichte des Bundesrates über den Rekurs der Regierung des Kantons Bern betreffend Schliessung der Bahnhofwirtschaft in Bern vom 2. November 1903 vertreten und von der Bundesversammlung gutgeheissen worden ; diese entschied im Sinne der vom Bundesrat gestellten Anträge.

Das Gleiche gilt analog für das Gebiet der Gesundheitspolizei, wo freilich eine Reihe bundesgesetzlicher Erlasse vorhanden ist, über deren Prävalenz in Kollisionslällen ein Zweifel nicht bestehen kann.

Aus diesen Ausführungen geht hervor, dass der Bundesrat infolge der dem Bunde zustehenden Eisenbahnhoheit in keiner Weise verpflichtet ist, bei der Genehmigung von Bahnhochbauten die kantonalen bau-, [euer- und gesundheitspolizeilichen Vorschriften zur Anwendung zu bringen. Da jedoch in vielen Fällen die Anwendung der bezüglichen kantonalen Vorschriften sich als rationell erwies, hat der Bundesrat durch Kreisschreiben vom 15. Juni 1901 über die zu beobachtenden kantonalen Vorschriften bei Vorlage und Genehmigung von Eisenbahnbauten folgende Verfügung erlassen : ,,Betreffend die auf kantonalem Recht beruhende Bau-, Feuer- und Gesundheitspolizei wird grundsätzlich entschieden, dass deren Vorschriften bei Genehmigung der Baupläne der Bahngesellschaften, welche laut'Art. 14 des Eisenbahngesetzes ausschliesslich dem Bundesrat zusteht, von diesem respektiert werden, sofern dieselben von den Kantonen in ihren gesetzlichen Vernehmlassungen über diese Pläne jeweilen i m e i n z e l n e n , bezw. in Form von konkreten Begehren geltend gemacht werden und im einzelnen Falle nicht mit den aus der Eisenbahngesetzgebung hergeleiteten Rechten kollidieren."

Damit wird eine Lösung erzielt, durch welche in weitgehendem Masse den Wünschen der kantonalen und lokalen Behörden Kechnung getragen wird.

IV.

Wenn der Regierungsrat sagt, dass der Bund die Entscheidungsbefugnis üher Bahnbauten nicht ganz in seine Hände nehmen wolle, ergebe sich aus Art. 14 des Eisenbahngesetzes selbst, nämlich daraus, dass bloss für das Bahntrace, die StaBundesblatt. 60. Jahrg. Bd. I.

'

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442 tionen samt deren Einrichtungen, sowie für sämtliche grössereBauobjekte, einschliesslich der wichtigeren Hochbauten, nicht aber auch der minder wichtigen Hochbauten die Plangenehmigung erforderlich sei, so ist demgegenüber zu entgegnen, dassdem Bundesrat ohne Zweifel auch das Recht zusteht, die Vorlage der Pläne für minder wichtige Bauten zu verlangen. Esdarf nicht übersehen werden, dass Art. 14, Abs. l, bestimmt, dass die Genehmigung des Bundesrates ^namentlich" erforderlich ist für die dort erwähnten baulichen Anlagen ; hieraus geht oline weiteres hervor, dass die nachfolgende Aufzählung nicht eine erschöpfende ist, und dass daher auch noch andere, dort nicht angeführte bauliche Anlagen der bundesrätlichen Genehmigung unterliegen können. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die Bahnen tatsächlich die Genehmigung des Bundesrates, bezw. des Eisenhahndepartements für ganz unwesentliche Anlagen einholen, weil sie sonst nach den Bestimmungen des Art. 8 des Eisenbahn-Rechnungsgesetzes vom 27. März 1896 die bezüglichen Kosten nicht auf Baukonto buchen dürfen.

Wollte man daher, was zwar, wie oben ausgeführt wurde, nicht zutrifft, annehmen, dass im Art. 14 des Eisenbahngesetzes eine gewisse Lücke besteht, weil die bundesrätliche Genehmigung, minder wichtiger Hochhauten dort nicht expressis verbis vorgesehen ist, so müsste diese Lücke durch die Bestimmungen des Art. 8 des Rechnungsgesetzes als ausgefüllt betrachtet werden.

Auch bei den von der Bahn örtlich getrennten Bauten, wie z. B. bei den Verwaltungsgebäuden der schweizerischen Bundeshahnen in Bern und der Gotthardbahn in Luzern, steht dem Bundesrat aus Art. 26 der Bundesverfassung und Art. 14 des Eisenbahngesetzes ein ausschliesslicb.es Genehmigungsrecht zu.

Bei derartigen Gebäuden, die Verwaltungszwecken dienen, und nicht in direktem Zusammenhang mit dem eigentlichen Bahnbetrieb stehen, hat allerdings der Bundesrat Veranlassung, die kantonalen bau-, feuer- und gesundheitspolizeilichen Vorschriften in weitgehendem Masse, bezw. in vollem Umfange zur Anwendung zu bringen, sofern die Kantonsregierung bei Abgabe ihrer Vernehmlassung ein dahinzielendes konkretes Begehren stellt, weil es kaum vorkommen dürfte, dass in diesen Fällen die besondern Bedürfnisse der Bahn ein Abweichen von den kantonalen Vorschriften erforderlich machen. Aber auch hier steht grundsätzlich dem Bundesrat das Recht zu, darüber zu entscheiden, ob er die kantonalen Vorschriften anwenden oder ob er Abweichungen gestatten will.

443

V.

Der Forderung des Regierungsrates, dass ihm Bauprojekte der Eisenbahnen zur Genehmigung vorgelegt werden, wenn Vorschriften des kantonalen Bau-, Feuer- oder Gesundheitspolizeirechtes in Frage kommen, kann, abgesehen davon, dass hierfür, wie oben nachgewiesen wurde, eine rechtliche Grundlage fehlt, auch aus praktischen Gründen keine Folge gegeben werden. Die Folge der Berücksichtigung der Forderung des Regierungsrates wäre nämlich, dass die Pläne für Eisenbahnhochbauten doppelt genehmigt werden müssten, nämlich zunächst von den Lokalbehörden und in zweiter Linie vom Bundesrat.

Dabei stünde dem Bundesrat das Recht zu, sich über die Genehmigung der Lokalhehörden hinwegzusetzen und seinerseits an die Genehmigung die ihm gut scheinenden Bedingungen zu knüpfen. Dieses doppelte Genehmigungsverfahren .wäre jedoch umständlich und würde die Erledigung des Plangenehmigungsverfahrens erheblich verzögern. Ferner könnte die Unzukömmlichkeit eintreten, dass die Genehmigungsverfügung der ersten Instanz durch den Bundesrat unter Umständen modifiziert oder eventuell sogar aufgehoben werden müsste. Alle diese Inkonvenienzen werden dadurch vermieden, dass das im Kreisschreiben des Bundesrates vom 15. Juni 1901 vorgeschriebene Verfahren beobachtet wird.

VI.

Weil das kantonale Baupolizeirecht auf das Eisenbahngebiet keine Anwendung findet, so kann auch eine über das Bahngebiet gezogene Baulinie der Bahn gegenüber keine rechtlichen Wirkungen hervorbringen, so lange das betreffende Areal zu Bahnzwecken verwendet wird.

Nach den Erhebungen des Eisenbahndepartements dient gegenwärtig das Terrain, durch welches sich die südliche Baulinie der Zollstrasse in Zürich III zieht, e i g e n t l i c h e n Bahnzwecken. In Anbetracht der gewaltigen Zunahme des Bahnverkehrs im allgemeinen und im Bahnhof Zürich im besondern, kann das fragliche Gebiet in absehbarer Zeit für die zweckmässige Abwicklung des Bahnhofdienstes nicht entbehrt werden.

Demnach wird erkannt:

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I. Der Rekurs der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen vom 7. März 1905 betreffend die Festsetzung der südlichen Baulinie der Zollstrasse in Zürich III wird in dem Sinne gutgeheissen, dass aus der festgestellten Baulinie keine Konsequenzen gegen die Bahn gezogen werden können, so lange das betreffende Areal zu Bahnzwecken verwendet wird.

II. Die Beschlüsse des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 2. Februar 1905 und 14. März 1907 sind im Sinne von Dispositiv I abzuändern.

III. Das Gesuch des Regierungsrates, es möchten ihm Bauprojekte der Eisenbahnen zur Genehmigung vorgelegt werden, wenn Vorschriften des kantonalen Bau-, Feuer- oder Gesundheitspolizeirechtes in Frage kommen, wird als unbegründet abgewiesen und der Regierungsrat eingeladen, das im Kreisschreiben des Bundesrates vom 15. Juni 1901 vorgeschriebene Verfahren zu beobachten.

B e r n , den 21. Februar 1908.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Bundesratsbeschluss über den Rekurs der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen gegen den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 2.

Februar 1905 betreffend Festsetzung der südlichen Baulinie der Zollstrasse in Zürich III.

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