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Bundesratsbeschluss über

den Rekurs des Joseph Hardegger-Scherrer in Garns, betreffend die Vornamen seines am 5. September 1907 geborenen Kindes.

(Vom 24. Dezember 1907.)

Der schweizerische Bundesrat hat über den Rekurs des Joseph H a r d e g g e r - S c h e r r e r in Garns, betreffend die Vornamen seines am 5. September 1907 geborenen Kindes, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, f o l g e n d e n Beschluss gefasst:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

1. Durch Urteil vom 29. Juni 1907 sprach das Bezirksgericht Werdenberg (St. Gallen) die Trennung der am 9. November 1905 zwischen Joseph Hardegger von Garns und der Agathe Scherrer abgeschlossenen Ehe für die Dauer eines Jahres aus. Im Dispositiv des Urteils war weiter bestimmt, dass das aus der Ehe entsprossene Töchterchen Joséphine, sowie das von der Ehefrau zu erwartende Kind der Mutter zugeschieden seien.

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2. Am 5. September 1907 gebar die temporär getrennte Ehefrau ein Kind, das in der Eintragung in das Zivilstandsregister von Garns die Vornamen Laurenz Reinhard erhielt. Die Geburtsanzeige war im Auftrage der Mutter von der mit ihr zusammenwohnenden Schwester gemacht worden.

II.

1. Der seit der Trennung von der Mutter getrennt lebende Ehemann Hardegger beanstandete nun die dem Kinde im Geburtseintrage gegebenen Vornamen und richtete an das Departement des Innern des Kantons St. Gallen, als Aufsichtsbehörde- über die Zivilstandsämter des Kantons, eine Eingabe, die dahin schloss: Es sei die beanstandete Geburtsanzeige seines Kindes als ungesetzlich zu kassieren, und ihm als Vater des Kindes Gelegenheit zu geben, die Anzeige zu erstatten.

Zur Begründung dieses Begehrens führte er an, das Bundesgesetz über Zivilstand und Ehe enthalte die Bestimmung, dass in erster Linie der eheliche Vater zur Geburtsanzeige verpflichtet sei, sofern er vorhanden und an der Anzeige nicht verhindert sei.

Er wohne nun in der Gemeinde Garns und es hätte, was ihn anbelange, kein Hindernis zur Anzeige bestanden. Hätte man ihn von der Geburt verständigt, so würde er die Geburtsanzeige auch ohne Verzug besorgt haben.

An ihm sei es gewesen, dem Kinde die Vornamen zu erteilen und die Anzeige zu unterzeichnen. Niemals hätte er für sein Kind die Namen Laurenz Reinhard gewählt. Er glaube denn doch, dass der eheliehe Vater, welcher dem Kinde seinen Familiennamen gebe und verpflichtet sei, es zu unterhalten und zu erziehen, trotz temporärer Scheidung des Rechtes nicht beraubt sei, auch bei der Erteilung der Personennamen das entscheidende Wort zu sprechen.

Er wisse zwar wohl, dass nach st. gallischem Vormundschaftsgesetz auch bei zeitlicher Ehetrennung die Vormundschaft über minderjährige Kinder auf den Ehegatten übergehe, welchem die Kinder zugesprochen sind. Dies könne indes der vorerwähnten Gesetzesvorschrift (des Zivilstandsgesetzes) keinen Eintrag tun, weil die Namenserteilung im Zivilstandsgesetz und, nicht im, (kantonalen) Vormundschaftsgesetz geregelt sei und Bundesi'echt dem kantonalen Gesetz vorgehe.

2. Das Departement des Innern des Kantons 8t Gallen trat durch ßesehluss vorn 11. Oktober 1907 auf das Begehren des

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m.

1. Gegen diesen Entscheid des Departements des-Innern des Kantons St. Gallen hat Joseph Hardegger unterm 31. gleichen Monats an den schweizerischen Bundesrat rekurriert, mit demselben Rechtshegehren und der nämlichen Begründung wie in seiner Eingabe an das st. gallische Departement des Innern.

2. Dieses Departement, dem die Rekursschrift zur Vernehmlassung zugestellt worden ist, beantragt Abweisung des Rekurses .und macht dazu noch folgende Bemerkungen : Nach der Erklärung des Vaters -- das Urteil liege dem Departement nicht vor -- sei das ungeborene Kind, gleich wie das geborene, der Mutter zugesprochen worden, d. h. die elterliche Gewalt sei dem Vater entzogen und für die Dauer der Temporärscheidung der Mutter zuerkannt worden. Die Namengebung komme dem Inhaber der elterlichen Gewalt zu, wie dies übrigens auch die ,,Nachträge" zum zivilstandsamtlichen Handbuche Seite 51 ,,zu Nr. 60" feststellen. Im vorliegenden Fall sei die Mutter Inhaberin der elterlichen Gewalt und nicht der eheliche Vater.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: .J. Das Rechtsbegehren des Rekurrenten geht seinem Wortlaute nach dahin, es sei die durch die Schwester der Mutter erfolgte Geburtsanzeige als ungültig zu erklären und ihm, Rekurrenten, als Erstberechtigtem Gelegenheit zu geben, die Anzeige zu erstatten. Er erstrebt damit offenbar nicht nur die Ungültigerklärung der Anzeige, sondern diejenige des Geburtseintrages selbst. Dieses Begehren ist jedoch unbegründet, da eine den Tatsachen entsprechende Geburtsanzeige deswegen nicht ungültig

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ist, weil eine andere als die in erster Linie dazu verpflichtete Person sie erstattet hat. Die Richtigkeit der dem Zivilstandsbeamten- von Garns gemachten Anzeige über die Geburt des Kindes des Rekurrenten wird aber von keiner Seite bestritten.

Es geht übrigens aus den Mitteilungen des Rekurrenten selber hervor, dass er nicht der Brstberechtigte zur Anzeige war, da er von der Geburt seines Kindes in den Tagen, in welchen die Geburtsanzeige nach Gesetz erfolgen musste, keine Kenntnis hatte.

2. Der Rekurrent verlangt im Grunde die Aufhebung der Geburtsanzeige nicht, weil er ihre Richtigkeit überhaupt anficht, sondern nur, weil er seiner Ehefrau das Recht bestreitet, dem Kinde die Personennamen zu geben, wie sie es getan hat.

Das Zivilstandsgesetz von 1874 regelt nun in Art. 15 wohl die Anzeigepflicht, nicht aber das Recht, den Personennamen des Kindes zu bestimmen. Für letzteres ist ausschliesslich das kantonale Recht massgebend.

Der Bundesrat ist daher nicht kompetent, zu prüfen, ob die Direktion des Innern des Kantons St. Gallen in ihrem Entscheide vom 11. Oktober d. J. die Beschwerde des Rekurrenten richtig entschieden habe.

Demnach wird

beschlossen:

Der Rekurs des Joseph Hardegger wird, soweit er sich auf die Anzeigepflicht erstreckt, abgewiesen ; im übrigen aber wird wegen Inkompetenz darauf nicht eingetreten.

B e r n , den 24. Dezember 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bundesratsbeschluss über den Rekurs des Joseph Hardegger-Scherrer in Gams, betreffend die Vornamen seines am 5. September 1907 geborenen Kindes. (Vom 24. Dezember 1907.)

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