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Schweizerisches Bundesblatt.

60. Jahrgang. L

Nr. 1.

2. Januar 1908.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Gewährleistung der revidierten Art. 34, 48 bis 50, sowie der Übergangsbestimmung der Verfassung des Kantons Graubünden- vom 2. Oktober 1892.

(Vom 24. Dezember 1907.)

Tit.

Mit Schreiben vom 29. November und 13. Dezember 1907 hat uns der Kleine Rat des Kantons Graubünden mitgeteilt, dass in der Volksabstimmung vom 3. November 1907 die vom Grossen Rate beschlossene Revision der Art. 34, 48, 49 und 50 der Kantonsverfassung vom 2. Oktober 1872 sowie eine Übergangsbestimmung mit 8740 gegen 5756 Stimmen angenommen worden ist. Die Verfassungsrevision soll am 1. Januar 1908 in Kraft treten. Sie ist in der Hauptsache notwendig geworden infolge des neuen Gesetzes über das Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen, welches gleichzeitig mit der Verfassungsrevision der Volksabstimmung unterbreitet worden ist. Der Kleine Rat des Kantons Graubünden stellt das Gesuch, der Bundesrat wolle Ihnen, Tit., beantragen, den revidierten Verfassungsbestimmungen die eidgenössische Gewährleistung zu erteilen.

Die revidierten Artikel der Verfassung des Kantons Graubünden weichen im wesentlichen in folgenden Punkten von den bisherigen Bestimmungen ab : Art. 34 der Verfassung lautete bisher: ,,Der Kleine Rat überwacht alle Zweige der Rechtspflege und sorgt dafür, dass niemand rechtlos bleibe ; er entscheidet auf BeBundesblatt. 60. Jahrg. Bd. I.

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scbwerden über Verzögerung, Missbrauch und Verweigerung der Justiz und ordnet auf Klagen über Nichtvollzug von Zivil- und Kriminalurteileu deren Vollziehung auf Kosten der saumseligen Behörde oder ßeamtung an.

Der Gesetzgebung bleibt es vorbehalten, einzelne Rekursmaterien dem Ausschusse des Kantonsgerichts zu überweisen."

In der neuen Fassung ist das zweite Alinea weggefallen und im ersten Alinea nach dem Wort ,,Justiz" folgendes Satzglied eingefügt worden: ,,soweit gemäss Spezialgesetzgebung nicht andere Behörden zuständig sind." Der Artikel lautet also nunmehr: ,,Art. 34. Der Kleine Rat überwacht alle Zweige der Rechtspflege und sorgt dafür, däss niemand rechtlos bleibe; er entscheidet auf Beschwerden über Verzögerung, Missbrauch and Verweigerung der Justiz, soweit gemäss Spezialgesetzgebung nicht andere Behörden zuständig sind, und ordnet auf Klagen über Nichtvollzug von Zivil- und Kriminalurteilen deren Vollziehung auf Kosten der saumseligen Behörde'oder Beamfeung an."

Die Spezialgesetzgebung kann somit in Zukunft die Kompetenz zur Entscheidung über Beschwerden wegen Verzögerung, Missbrauch und Verweigerung der Justiz nicht mehr bloss dem Kleinen Rate und dem Ausschusse des Kantonsgerichts, sondern auch andern Behörden zuweisen.

Durch die neue Fassung des Art. 48 wird die Zahl der Beisitzer und Stellvertreter der Kreisgerichte von sechs auf vier, durch .die neue Fassung des Art. 49 die Zahl der Beisitzer und ordentlichen Stellvertreter der Bezirksgerichte von sechs auf vier herabgesetzt.

Art. 50 lautete bisher: Das.'Kantonsgericht besteht aus einem Präsidenten und acht Beisitzern und hat acht ordentliche Stellvertreter. Die Mitglieder und Stellvertreter bleiben drei Jahre im Amt und sind immer wieder wählbar.

Den Präsidenten und Vizepräsidenten bezeichnet der Grosse Bat für die gleiche Amtsdauer frei aus den Mitgliedern des Kantonsgerichts.a In der neuen Fassung lautet er: ,,Das Kantonsgericht besteht aus einem Präsidenten und vier Beisitzern und hat vier ordentliche Stellvertreter. Den Präsidenten und Vizepräsidenten des Kantonsgerichts bezeichnet der Grosse Rat frei aus den Mitgliedern des Kantonsgerichts. Der Präsident des Kantonsgerichts ist von Amts -wegen auch Präsident des Kautonsgeriehtsausschusses. Die übrigen zwei Mitglieder des

Kantonsgerichtsausschusses bezeichnet der Grosse Rat. In Verhinderungsfällen haben die folgenden Richter und Stellvertreter als Ersatzmänner zu funktionieren. Die Obliegenheiten des Kantonsgerichtsausschusses bestimmt das Gesetz.

Dem Kantonsgericht ist eine Anklagekammer beigegeben.

Dieselbe besteht aus dem Präsidenten des Kantonsgerichtes und zwei Beisitzern und hat zwei ordentliche Stellvertreter. Die Beisitzer und Stellvertreter werden vom Grossen Rat gewählt. Die Beisitzer und. Stellvertreter der Anklagekammer dürfen weder Beisitzer noch Stellvertreter des Kantonsgerichts sein.

Die Mitglieder und Stellvertreter des Kantonsgerichts, des Kantonsgerichtsausschusses und der Anklagekammer bleiben drei Jahre im Amt und sind immer wieder wählbar. a Nach dieser neuen Fassung wird somit das Kantonsgericht nicht mehr acht, sondern nur mehr vier Beisitzer und ordentliche Stellvertreter haben. Der neue Art. 50 führt ausserdem eine Anklagekammer ein und setzt die Amtsdauer der Mitglieder und Stellvertreter des Kantonsgerichtsausschusses und der Anklagekammer auf drei Jahre fest.

Hierzu kommt noch eine Übergangsbestimmung mit folgendem Wortlaut : ,,Diese Verfassungsrevision tritt in Kraft am 1. Januar 1908.

Die nach der bisherigen Verfassung gewählten Richter bleiben bis zum Ablauf ihrer Amtsdauer im Amt."

Die abgeänderten Verfassungsbestimmungen bewirken in der Hauptsache eine teilweise Neuregelung der Gerichtsorganisation ; sie, sowohl als die Übergangsbestimmung enthalten nichts Bundesverfassungswidriges. Wir stellen Ihnen, Tit., daher den Antrag, den revidierten Bestimmungen der Verfassung des Kantons Graubünden sowie der Übergangsbestimmung durch Annahme des hier beigegebenen Bundesbeschlussentwurfs die eidgenössische Gewährleistung zu erteilen.

O

B e r n , den 24. Dezember 1907.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Müller.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

4

(Entwurf.)

Bundesbeschluss betreffend

die Gewährleistung der revidierten Art. 34, 48 bis 50, sowie der neuen Übergangsbestimmung der Verfassung des Kantons GraubUnden vom 2. Oktober 1892.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der Botschaft und des Antrags des Bundesrates vom 24. Dezember 1907, betreffend die revidierten Art. 34, 48 bis 50 und die Übergangsbestimmung der Verfassung des Kantons Graubünden vom 2. Oktober 1892; in Erwägung: dass diese Verfassungsbestimmungen nichts enthalten, was den Vorschriften der Bundesverfassung widerspricht; in Anwendung von Art. 6 der Bundesverfassung, beschliesst: 1. Den revidierten Art. 34, 48 bis 50 der Verfassung des Kantons Graubünden vom 2. Oktober 1892, sowie der Übergangsbestimmung dazu wird die eidgenössische Gewährleistung erteilt.

2. Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Gewährleistung der revidierten Art. 34, 48 bis 50, sowie der Übergangsbestimmung der Verfassung des Kantons Graubünden vom 2. Oktober 1892. (Vom 24. Dezember 1907.)

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02.01.1908

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