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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Bewilligung eines einmaligen Bundesbeitrages von Fr. 500,000 an die Zuckerfabrik Aarberg.

(Vom 17. Dezember 1908.)

Tit.

Am 9. Oktober 1906, anlässlich der Unterhandlungen über die Erneuerung unseres Handelsvertrages mit Frankreich, richtete der Verwaltungsrat der Zuckerfabrik Aarberg eine Eingabe an das Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartement zu Händen des Bundesrates, welche auf die Beibehaltung der damaligen Zuckerzölle hinzielte.

Die Gesuchstellerin wollte in Erfahrung gebracht haben, dass eine Bewegung zum Zwecke der Ermässigung dieser Zölle zu gunsten Frankreichs und der schweizerischen Schokoladefabriken und Milchsiedereien im Gange sei. Ihres Erachtens konnte diese Ermässigung aber für Frankreich, das hinsichtlich des Zuckerimportes erst an dritter Stelle stände, nur von geringem interesse sein, da dieselbe infolge der Meistbegünstigungsklausel doch in der Hauptsache seinen Konkurrenten auf dem Zuckermarkt, insbesondere Deutschland und Österreich, zu gute gekommen wäre, und bedurften die in voller Blüte stehenden schweizerischen Schokoladefabriken und Milchsiedereien der von ihnen angestrebten Vergünstigung nicht. In einer ganz

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anderen Lage befände sich aber die Zuckerfabrik Aarberg, für welche die Ermässigung der Zuckerzölle ein schwerer Schlag sein würde. Eine derartige Massregel würde für sie den Ruin und in absehbarer Zeit die Konkurserklärung zur Folge haben, und dies gerade dann, nachdem sie nach jahrelangen unausgesetzten Kämpfen al.le die mit der Einführung einer neuen Industrie verbundenen Schwierigkeiten überwunden hatte und der Hoffnung Raum geben durfte, dass ihr volkswirtschaftlich sehr wichtiges Unternehmen besseren Tagen entgegengehe und der Erfolg nicht ausbleiben werde.

Die Gesuchstellerin stellte zum Schlüsse das dringende Gesuch, die eidgenössischen Behörden möchten auch Frankreich gegenüber an den für die Positionen 68--70 des Gebrauchstarifes vorgesehenen Zöllen festhalten.

Eventuell und für den Fall, dass diesem Begehren nicht entsprochen werden könnte, sprach sie die Hoffnung aus, dass ihr wenigstens, als billiger Ersatz des aus der Ermässigung der Zölle für sie sich ergebenden Ausfalles, die Einfuhr eines entsprechenden Quantums Rohzucker zum Ansatz für Melasse und Sirup (Fr. 2, Position Nr. 67) gestattet werde. Der Gewinn, den sie durch Umarbeitung des zum reduzierten Ansatz eingeführten Rohzuckers erzielen könnte, würde den Ausfall einigermassen decken und ihr die Fortsetzung des Unternehmens ermöglichen.

Einige Wochen später, am 1. November 1906, übermittelte die Zuckerfabrik Aarberg dem eidgenössischen Handels-, Industrieund Landwirtschaftsdepiirtement eine neue Eingabe, worin sie ihr Eventualbegehren erneuerte und nicht nur die Anwendung eines ermässigten Zolles für die Einfuhr von Rohzucker, sondern die zollfreie Einfuhr überhaupt nachsuchte. Dieses Gesuch stützte sich auf folgende. Angaben: Seit ihrer ersten Eingabe hatte die Fabrik in Erfahrung gebracht, dass im Verlaufe der Handelsvertragsunterhandlungen mit Frankreich auf folgenden Artikeln Zollermässigungen zugestanden worden waren : Position 68:. Pilé, von Fr. 7. 50 auf Fr. 5.

,, 69 : Brode und Déchets, von Fr. 9 auf Fr. 7. 50.

,, 70: Würfelzucker, von Fr. 10. 50 auf Fr. 9.

Der Verwaltungsrat erklärte, dass diese ZolJermässigungen für die Fabrik eine Verminderung der Einnahmen zur Folge haben würden, der sie nicht standhalten könnte.

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Die Fabrik ist, so führte er aus, für eine Jahresproduktion von ungefähr 40,000 Zentner Zucker eingerichtet. In der Campagne 1905/1906 wurde ein Quantum von 32,000 Zentner erreicht; für das laufende Jahr dürfte das gleiche Ergebnis erwartet werden; vom Jahre 1907 ab wird sie hingegen, mit Hülfe des Eigenbaues, über dasjenige Rübenquantum verfügen, dessen sie zur vollen Ausnutzung der Fabrikanlagen bedarf.

Die maschinellen Einrichtungen gestatten der Fabrik, die Hälfte des Zuckers in Déchets, "Würfel und Mehl zu verarbeiten,, während der Rest als Pilé und Kristall verkauft werden muss.

Da die Einfuhrzölle auf diesen Artikeln um Fr. 1. 50 und Fr. 2. 50, also im Durchschnitt um Fr. 2, herabgesetzt worden sind,, so ergibt sich für die Fabrik eine Einbusse per Jahr von Fr. 70,000 bei einer Jahresproduktion von 35,000 Zentner und von ,, 80,000 ,, ,, ,, ,, 40,000 ,, Ihren Angaben über den Einfluss, den diese Mindereinnahme auf ihre Betriebsergebnisse ausüben würde, legte die Gesuchstellerin folgende Zahlen zu Grunde: 1. einen Zuckergehalt der Rüben von 13,6 °/o (Durchschnitt der sieben Betriebsjahre) und eine Ausbeute an Zucker von 10,5

°/0.

2. einen Preis von Fr. 38 per Zentner Pilé. Diese Preis.basis soll der ausländischen Zuckerindustrie nach massigen Abschreibungen einen bescheidenen Nutzen lassen und für den Export nach der Schweiz kaum höher angesetzt werden dürfen, da unser Markt vor allem aus zur Aufnahme der Überproduktion, des Auslandes benutzt werde.

Unter diesen Voraussetzungen wären folgende Betriebsergebnisse zu erwarten bei einem Jahresprodukt von 35,000 Zentner Gebrauchszucker . . . . F r . 140,000 40,000 ,, ,, . . . . ,, 160,000 wovon die Amortisationen in Abzug gebracht werden müssten.

Dieselben wären im Minimum mit 3 °/o auf Liegenschaften und 6 °/o auf den Maschinen etc. zu berechnen und mit rund Fr. 100,000 in Rechnung zu stellen. Es bliebe der Gesellschaft unter diesen Umständen für ihr Aktienkapital von Fr. 800,000 ein Ertrag von Fr. 140,000--100,000=Fr. 40,000 bei 35,000 Zentner Zuckerund

,, 160,000 -- 100,000= ,, 60,000 ,, 40,000

,,

,,

Durch das Inkrafttreten der neuen Zölle würde dieses Resultat um Fr. 70,000, beziehungsweise Fr. 80,000 geschmälert

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und sich ein Betriebsdefizit von Fr. 30,000, beziehungsweise im besten Falle von Fr. 20,000 ergeben.

Angesichts dieser Sachlage bliebe der Gesuchstellerin kaum etwas anderes übrig, als die Liquidation ins Auge zu fassen, deren Ende der Konkurs mit einem Verlust von wenigstens l'/a bis 2 Millionen sein müsste.

Die Eile, mit der die Gesuchstellerin ihre erste Eingabe vom 9. Oktober 1906 hatte ausarbeiten müssen, hatte ihr nicht erlaubt, genaue Berechnungen aufzustellen. Sie war damals der Meinung, dass sich mit der Umarbeitung eines gewissen, zum reduzierten Zolle von Fr. 2 eingeführten Quantums Rohzucker der aus der allgemeinen Ermässigung der Zuckerzölle sich ergebende Ausfall wieder einbringen Hesse. Diese Voraussetzung war aber eine irrige : Um dem Ruin zu entgehen, sollte sie ein Quantum von mindestens 50,000 Zentner Rohzucker zollfrei einführen und in Raffinade umarbeiten können.

Zu jener Zeit betrug der Preisunterschied zwischen Rohzucker und Raffinade in Deutschland 8 Mark (Fr. 10) und in Österreich 7 Kronen (Fr. 7. 35).

Bei einem von der Zuckerfabrik Aarberg vorgenommenen Versuch mit Umarbeitung von 3042 Zentner Rohzucker auf Würfel betrugen die Kosten Fr. 7 und zwar für Löhne und Gehälter Fr. i. 67 Kohlen ,, 1. 39 Elektrische Kraft ,, 0. 25 Materialien ,, 0. 49 Reparaturen und Verpackung . . . . . . ,, 1. 50 Zinse ,, 1. 20 Amortisationen ,, 0. 50 Total Fr. 7. -- Unter Berücksichtigung der neuen Zölle bliebe somit der Fabrik ein Nutzen von Fr. 2, der sich für Déchet auf Fr. l reduzieren würde.

Bei Umarbeitung eines zollfrei eingeführten Quantums von 50,000 Zentner würde somit die durch die Zollermässigung verursachte Einbusse knapp gedeckt, und es müsste die Zuckerfabrik das neue Risiko der Preisschwankungen des Rohzuckers ungedeckt in den Kauf nehmen. Die Preise für Rohzucker und Raffinade varieren nicht immer im gleichen Masse; je nach der Lage des Zuckermarktes gehen sie mehr oder weniger ausein-

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ander. So wäre z. B. Pilé, aus am 18. Oktober 1906 in Hamburg zum Tagespreise gekauftem Rohzucker mit einem Rendement von 88 °/o hergestellt, franko Aarberg auf Fr. 38. 70 per Zentner zu stehen gekommen, während zu jener Zeit Pilé um volle Fr. 2 billiger zu kaufen war.

Die Zuckerfabrik Aarberg gab sich, als sie die zollfreie Einfuhr von 50,000 Zentner Rohzucker nachsuchte, volle Rechenschaft darüber, welch grosses Opfer sie damit vom Bunde verlangte, es erschien ihr dasselbe aber aus mannigfachen Gründen als gerechtfertigt.

Die Fabrik ist von gemeinnützigen Männern gegründet worden, denen es weniger um den Gewinn, als um die Entwicklung des allgemeinen Wohlstandes und die Förderung der Landwirtschaft im Kanton Bern und der Schweiz zu tun war.

Sie hatte acht Jahre lang mit der Gleichgültigkeit der Bauernsame zu kämpfen gehabt, die sie zuerst für das neue Betriebselement, den Rübenbau, erziehen musste. Die Fabrikleitung hat selbst, um die Beschaffung des Rohmaterials zu ermöglichen und der landwirtschaftlichen Bevölkerung mit dem guten Beispiele voranzugehen, zirka 1500 Jucharten (540 Hektaren) brachliegenden und unproduktiven Landes in Pacht genommen und angebaut. Sie hat allerdings in den ersten Jahren zur Vervollständigung ihres Bedarfes Zuckerrüben aus dem Auslande bezogen, aber diese Bezüge werden aufhören, sobald die einheimische Produktion genügend erstarkt und in der Lage sein wird, den ganzen Bedarf zu decken, was in zwei oder drei Jahren der Fall sein dürfte.

36 Gemeinden der Kantone Bern, Waadt und Freiburg sind in namhafter Weise am Aktienkapital beteiligt. Aus über 150 Gemeinden liefern mehr als 3000 Landwirte Rüben in die Fabrik, die während der Campagne 300 Arbeiter beschäftigt, abgesehen von den vielen Gewerbetreibenden, denen sie auch Arbeit gibt.

Auf Grund aller dieser Ausführungen stellte die Fabrik das Gesuch, es möchte ihr die zollfreie Einfuhr von 50,000 Zentner Rohzucker per Jahr zum Zwecke der Umarbeitung in Raffinade gestattet, und ihr auf diese Weise ermöglicht werden, die Einbusse, welche die Anwendung der neuen Zölle für sie bedingt, wieder einzubringen.

Zur Unterstützung der soeben besprochenen zwei Gesuche richteten 55 Gemeinden und 22 landwirtschaftliche Genossen-

381 Schäften der Kantone Bern, Freiburg und Waadt am 6. Juli 1907 eine weitere Eingabe an das Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartement, zu Händen des Bundesrates, worin sie darauf drangen, der Bundesrat möchte die Zuckerfabrik Aarberg für den ihr und der beteiligten Landwirtschaft durch die Reduktion der Zuckerzölle entstehenden Ausfall in geeignet scheinender Weise gebührend entschädigen.

Die petitionierenden Gemeinden und Genossenschaften wiesen in erster Linie darauf hin, dass die Zuckerfabrik heute unter so ungünstigen Bedingungen arbeite, dass eine Betriebseinstellung unvermeidlich erscheine. Die Liquidation dieser Unternehmung hätte aber für die ganze Gegend sehr schwerwiegende Folgen und würde der Landwirtschaft im allgemeinen einen unersetzlichen Schaden zufügen. Diese Behauptungen stützen sich auf folgende Ausführungen : a. Wenn die Zuckerfabrik Aarberg verschwinden sollte, so müsste das in den Kantonen Bern, Freiburg und Waadt bisher für den Rübenbau benützte Areal (zirka 700 Hektaren) der Kultur anderer Produkte, speziell der Kartoffelkultur, dienstbar gemacht werden. Durch die in diesem Falle zu gewärtigende Mehr- oder Überproduktion müsste der Absatz der Kartoffeln erschwert und die Preise naturgemäss bedeutend gedrückt werden. Als Beweis hierfür wird darauf hingewiesen, dass vor der Gründung der Zuckerfabrik Aarberg der Preis für Kartoffeln in der Gegend auf Fr. 2. 50 bis Fr. 3 per Zentner stand, während er seither auf Fr. 4--5 gestiegen ist.

b. Die Rübenkultur bietet aber noch andere Vorteile, die mit ihrem Verschwinden in Wegfall kämen, nämlich sicheren Absatz zu festen Preisen, sofortige Bezahlung und unentgeltliche Abgabe der Schnitzel an die Lieferanten. Der Wert der Abfälle der Zuckerfabrikation als Futtermittel wird von Jahr zu Jahr mehr anerkannt, was aus der Tatsache hervorgeht, dass die Riibenlieferanten nicht nur das ihnen vertraglich zugesicherte Quantum Abfälle, sondern darüber hinaus noch Nassschnitzel zum Preise von 50 Cts. per Zentner beziehen. Es ist der Fabrik nicht möglich, allen diesbezüglichen Begehren zu entsprechen.

Mit der seit einigen Jahren bestehenden Schnitzeltrocknungsanlage ist auch die Möglichkeit gegeben, die Schnitzel aufzubewahren und jederzeit in den Verkehr zu bringen.

c. Durch die Juragewässerkorrektion sind mit gewaltigen, vom Bunde, den beteiligten Kantonen und Privaten gebrachten

382 Opfern mehr als 4500 Hektaren bis dahin sozusagen wertlosen Landes der Kultur zugänglich gemacht worden. Bis jetzt war es aber nicht möglich gewesen, diese Gebiete in grösserem Massstabe anzubauen. Der Zuckerfabrik war es vorbehalten, hier bahnbrechend vorzugehen und den bescheidenen Anfängen der Landwirte eine grössere Ausdehnung zu geben. Durch die Zuckerrübenanpflanzungen sind jetzt schon beträchtliche Teile des ,,Grossen Mooses11 und der ehemaligen Überschwemmungsgebiete der Aare und der Broye in Kulturzustand gebracht worden. Im Jahre 1907 waren mit Zuckerrüben angepflanzt 693 Hektaren, die sich verteilen wie folgt: Im Grossen Moose : im Kanton Bern 322 Hektaren im Kanton Freiburg 25 ,, Im früheren Überschwemmungsgebiet der Aare : in Pieterlen und Lengnau 36 ,, im Kanton Solothurn 118 ,, Im Broyetal: in Corcelles, Payerne, Avenches, Dompierre etc 108 ,, in Cudrefin 84 n Total zirka 693 Hektaren Die Petitionäre führten zum Schlüsse, als letztes Argument zu gunsten der Bewilligung eines Bundesbeitrages an die Zuckerfabrik Aarberg, noch aus, dass eine derartige Subvention auf Grund der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 22. Dezember 1893, betreffend die Förderung der Landwirtschaft durch den Bund, gewährt werden könnte. Wenn auch die Vorschriften des Art. 9 des angeführten Bundesgesetzes in formeller Hinsicht nicht erfüllt seien, weil es unter den obwaltenden Umständen nicht wohl möglich war, so befinde man sich doch in Gegenwart eines Unternehmens, welches die Verbesserung des Bodens und die Erleichterung seiner Benutzung zum Zwecke habe.

Bevor wir zur Besprechung dieser Eingabe übergehen, halten wir es für angezeigt, noch zweier weiterer Schreiben der Zuckerfabrik . Aarberg Erwähnung zu tun.

Im ersten derselben, vom 18. Juli 1907, bestätigte die Gesuchstellerin, unter Bezugnahme auf die Eingaben vom 9. Oktober

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und 1. November 1906 und gestützt auf die Ergebnisse der Campagne 1906/1907, ihre Angaben über die Einbusse, die sie als notwendige Folge der Ermässigung der Zuckerzölle vorausgesehen hatte.

In dieser Campagne, führte sie aus, ist infolge der Anwendung der neuen Zölle der von der Fabrik auf einer Produktion von 39,115 Zentner Zucker erzielte Eohgewinn auf Fr. 82,000 gesunken.

Ohne die Zollreduktion würde der Rohgewinn Fr. 150,000 bis 160,000 betragen haben, was der Fabrik ermöglicht hätte, ·die ordentlichen Abschreibungen von je Fr. 100,000 und ausserordentliche im Betrage von Fr. 50--60,000 vorzunehmen.

Die durch den neuen Zolltarif geschaffene Lage zwinge die Unternehmung, ihre bisherige Fabrikationsmethode aufzugeben und sich ausschliesslich auf die Produktion von Würfelzucker und Déchets zu verlegen. Es bedinge dies eine Erweiterung der Würfelstation und ,eine einmalige Ausgabe von Fr. 30,000, die auch amortisiert werden müsse.

Wenn man der Gesuchstellerin einen Ersatz für den aus der Herabsetzung der Zölle jährlich sich ergebenden Ausfall gewähren würde, so wäre ihre Existenz gesichert. Die grössten Schwierigkeiten in bezug auf die Rübenbeschaffung seien überwunden und das nötige Rohprodukt zur vollen Ausnützung der Fabrikanlagen vorhanden. Der landwirtschaftliche Betrieb der Fabrik habe im Jahre 1907 ein Areal von 1321 Jucharten umfasst, wovon mit Rüben bepflanzt waren (mit Inbegriff der Kulturen von zwei Genossenschaften) 710 Jucharten von Anstalten seien angebaut 362 ,, von Privaten im In- und Auslande . . . . 1700 ,, Total 2772 Jucharten oder zirka 1000 Hektaren, welche bei einem Durchschnittsertrag von 320--350 Zentner per Hektar eine Rübenernte von 320,000 bis 350,000 Zentner Rüben erwarten lassen. Dieses Quantum reiche für die volle Ausnützung der Fabrik aus.

In einem späteren Schreiben, vom 4. Mai 1908, belegte die Gesuchstellerin in erster Linie mit einer ausführlichen Rechnung ein Argument, dass der Präsident des Verwaltungsrates im Verlaufe einer Konferenz vorgebracht hatte, die er am 21. April mit dem Vorsteher des Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartementes und demjenigen des Finanz- und Zolldepartementes,

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im Beisein eines Delegierten der bernischen Regierung und des Präsidenten der Kantonalbank von Bern gehabt hatte.

Es wurde, dort gesagt, die Zuckerfabrik Aarberg bilde für die Bundesbahnen eine Quelle grosser Einnahmen. Aus den von der Gesuchstellerin vorgelegten Rechnungen ergibt sich nun in der Tat, dass dieselbe in den drei Jahren 1905/06, 1906/1907 und 1907/08 den Bundesbahnen durchschnittlich Fr. 162,715 für den Transport von Brennmaterial, Rüben, Rohzucker, trockenen und nassen Schnitzeln und verschiedenen anderen Produkten, sowie von Düngmitteln und Vieh für den landwirtschaftlichen Betrieb bezahlt hat.

II.

Die verschiedenen Eingaben zielen, wie wir gesehen haben, alle dahin, den Bund zu veranlassen, der Zuckerfabrik Aarberg als Ersatz für die finanzielle Einbusse, die sie infolge der Herabsetzung der Zuckerzölle erlitten hat, entweder die zollfreie Einfuhr von 50,000 Zentner Rohzucker zum Zwecke der Umarbeitung in Raffinade zu gestatten, oder eine angemessene Entschädigung in irgend einer anderen Form zu bewilligen.

Wird die G-esuchstellerin durch den neuen Zolltarif wirklich in dem von ihr geschilderten Masse geschädigt?

Wenn ja, ist der Bund verpflichtet, den erlittenen Schaden zu ersetzen?

Dies sind die Fragen, welche wir zu prüfen hatten. Wir haben uns dabei vor allem aus von dem Gerechtigkeitssinn leiten lassen, der von jeher für die eidgenössischen Behörden massgebend gewesen ist, wenn es sich darum handelte, die vitalen Interessen unseres Handels und unserer Landwirtschaft zu wahren und zu schützen.

Die Zuckerfabrik Aarberg wurde im Jahre 1897 als Aktiengesellschaft gegründet. Von dem in den Statuten vorgesehenen Aktienkapital von einer Million Franken wurden bis jetzt 3200 Aktien von je Fr. 250, also Fr. 800,000 ausgegeben ; die Gesellschaft hat aber in der Folgezeit für Fr. 500,000 Obligationen emittiert, womit das zurzeit in der Unternehmung investierte Kapital auf Fr. 1,300,000 steigt. Den gesetzlichen Vorschriften gemäss, hat die Gesellschaft regelmässig ihren Jahresbericht und die Bilanz veröffentlicht, die jeweilen von der Aktionärversammlung genehmigt wurden. Aus diesen Schriftstücken erhellt, dass

385 es der Gesellschaft, nachdem sie in den fünf ersten Jahren ihres Bestehens Defizite zu verzeichnen gehabt hatte, die sich am Schlüsse des fünften Betriebsjahres, 1903/04, auf insgesamt zirka Fr. 114,000 beliefen, in den zwei darauf folgenden Jahren gelungen war, einen Teil dieses Defizites zu amortisieren und dessen Betrag auf Fr. 72,000 zu reduzieren. Sie hatte hierzu zwei Jahresüberschüsse verwendet, wovon der zweite schon Fr. 11,000 mehr betrug als der erste. Die Zeit der Fehlbeträge schien damit abgeschlossen und man war berechtigt, anzunehmen, dass das Unternehmen sich nun in normaler Weise entwickeln werde, als der Abschlus« eines Handelsvertrages mit Frankreich wieder eine andere Lage schuf. Wir haben uns auf Grund der uns vorgelegten Dokumente überzeugen können, dass die Gesuchstellerin ihre Lage nicht zu schwarz gemalt hat und dass der neue Zolltarif für sie eine solche Schädigung bedeutet, dass sie in absehbarer Zeit gezwungen sein wird, den Betrieb einzustellen, wenn sie nicht Mittel und Wege findet, ihre Einnahmen zu erhöhen.

Wenn aber diese Tatsache feststeht, ist dann der Bund gehalten, der Gesuchstellerin den erlittenen Schaden zu ersetzen?

Wir glauben, diese Frage verneinen zu sollen, einerseits aus Bedenken grundsätzlicher Natur und dann mit Rücksicht auf die finanziellen Folgen eines derartigen Beschlusses sowohl als auf die Bestimmungen der internationalen Zuckerkonvention, der die Schweiz am 1. September 1906 beigetreten ist.

a. Beim Abschluss eines Handelsvertrages mit einem fremden Staat, der berufen ist, einen bedeutenden Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes auszuüben, befindet man sich jeweilen in Gegenwart einer solchen Menge verschiedenartiger, teilweise sogar entgegengesetzter Interessen, dass man vor allem aus feststellen muss, welches von den zahlreichen Gebieten der nationalen Tätigkeit den Vorzug verdient und in erster Linie geschützt werden muss, entweder durch Erhöhung oder Ermässigung der Eingangszölle oder durch die Erleichterung der Ausfuhr seiner Produkte ins Ausland. Wenn einmal festgestellt ist, welche Forderungen und Wünsche im allgemeinen Interesse liegen, gilt es, sie bei den Unterhandlungen durchzusetzen, es muss mit der Gegenpartei darüber unterhandelt werden und man würde zu keinem Resultate gelangen, wenn nicht auf beiden Seiten
Zugeständnisse gemacht und auf gewisse Forderungen verzichtet würde. Welches aber auch diese Konzessionen sein mögen, so ist ausgeschlossen, dass durch dieselben nicht die In-

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teressen eines Teiles der Bevölkerung, der Produzenten oder der Konsumenten, einigermassen in Mitleidenschaft gezogen werden.

Nehmen wir z. B. an, wir seien, um die "Wirkung eines Prohibitivzolles, von dem einer unserer hauptsächlichsten Ausfuhrartikel bedroht ist, abzuschwächen, gezwungen, die Zölle auf gewissen, aus dem Auslande eingeführten Artikeln zu erhöhen und so den Preis dieser Artikel künstlich in die Höhe zu treiben.

Wäre in diesem Falle der Konsument berechtigt, vom Bunde die Rückerstattung der Differenz zwischen seinen gegenwärtigen und den künftigen Ausgaben zu verlangen?

Oder nehmen wir an, wir sehen uns in die Notwendigkeit, versetzt, um wichtige Vorteile für unsere Ausfuhr zu erlangen, einer fremden Macht die Herabsetzung gewisser Einfuhrzölle anzubieten, die für einige unserer Industrien mehr oder weniger einen Schutzzoll bilden. Soll in diesem Falle der Bund, der durch diese Massregel selbst geschädigt wird, noch alle in Mitleidenschaft gezogenen Produzenten entschädigen?

Diese Fragen stellen, heisst sie auch beantworten, und wir schliessen daraus, dass grundsätzlich jedes derartige Entschädigungsgesuch unstatthaft ist und abgewiesen werden muss.

6. Im vorliegenden Falle, um auf unseren Gegenstand zurückzukommen, bildete die Ermässigung der Zuckerzölle einen Teil der Konzessionen, welche wir Frankreich machen mussten, um von ihm mindestens gleichwertige Vorteile zu gunsten unserer hauptsächlichsten Exportindustrien zu erlangen. Diese Konzession war übrigens eine derjenigen, zu denen wir uns am leichtesten verstehen konnten, denn, wenn sie auch im Interesse der ausländischen Zuckerfabriken lag, so begünstigte sie doch gleichzeitig in hohem Masse eine Anzahl bedeutender Exportartikel, wie kondensierte Milch, Schokolade, Kindermehl und Zuckerwerk.

Die Ermässigung der Zuckerzölle war aber nicht nur von den Vertretern dieser Industriezweige verlangt worden ; sie bildete schon seit langer Zeit ein Postulat unserer Landwirtschaft, insbesondere des schweizerischen Bauernbundes, und entsprach im übrigen auch der allgemeinen Anschauung, wonach der Zucker nicht mehr als ein Luxusartikel, sondern als ein unentbehrliches Nahrungsmittel zu betrachten und zu behandeln ist.

Wir haben in unserer Botschaft vom 5. November 1906 betreffend die Ratifikation des mit Frankreich abgeschlossenen Handelsvertrages, anlässlich der Besprechung der Ermässigung der Zuckerzölle, die aus diesem Vertrag für die Zuckerfabrik resul-

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tierende Schädigung ausdrücklich anerkannt; wir haben aber nichts davon gesagt, und es konnte uns auch nicht einfallen, es ÄU tun, dass die Fabrik daraus ein Recht auf Entschädigung ableiten könne.

Welches wäre aber die finanzielle Tragweite einer solchen Massregel, wenn wir es als recht und billig erachten sollten, der Fabrik die von ihr in erster Linie nachgesuchte Vergünstigung, d. h. die zollfreie Einfuhr von jährlich 50,000 Zentner Rohzucker zu bewilligen?

Laut Nr. 68 des Vertragstarifes mit Frankreich, die auf Grund der Meistbegünstigungsklausel auch bei der Einfuhr aus Deutschland und Österreich, unseren hauptsächlichsten Zuckerlieferanten, zur Anwendung gelangt, beträgt der Zoll auf Rohzucker Fr. 5 per Zentner. Die zollfreie Einfuhr von 50,000 Zentner würde also für den Bund ein Opfer von Fr. 5 X 50,000 gleich Fr. 250,000 bedeuten.

. Da aber dieser Zucker, einmal raffiniert, in der Form von Stockzucker, Plattenzucker, Würfeln oder Déchets in der Schweiz konsumiert würde, und der Zoll auf diesen Artikeln Fr. 7. 50 (Position Nr. 69) beträgt, so würde der für den Fiskus sich ergebende Verlust den oben angegebenen Betrag um ein Bedeutendes übersteigen. Wenn wir von der Voraussetzung ausgehen, dass 110 kg Rohzucker 100 kg Zuckerraffinade ergeben, so würden sich mit 50,000 Zentner Rohzucker 45,500 Zentner Zuckerraffinade herstellen lassen. Der Staat würde somit jährlich eine Einbusse von Fr. 7. 50 X 45,500 = Fr. 341,250 zu verzeichnen haben. Mit anderen Worten, der Bund würde der Gesuchstellerin eine Subvention von ungefähr Fr. 340,000 per Jahr bewilligen.

Diese finanzielle Leistung würde aber noch viel grössere im Gefolge haben, deren Tragweite nicht abzusehen ist. Zweifellos würden die Zuckerraffinerien von Hildesheim und Frankenthal, in der Nähe von Basel, und andere derartige Etablissemente, die grosse Mengen Zucker nach der Schweiz ausführen, sich beeilen, in der Schweiz Fabriken zu errichten, denen die gleiche Behandlung wie der Zuckerfabrik Aarberg gewährt werden müsste. Die Tatsache, dass einige Hundert einheimische und fremde Arbeiter daselbst Arbeit und Verdienst finden würden, dürfte den vom Fiskus erlittenen Schaden kaum aufwiegen. Unsere von dem Zuckerimport erhobenen Zolleinnahmen würden dadurch ernstlich gefährdet und der von der Zuckerfabrik verfolgte Zweck würde doch nicht erreicht werden.

Bundesblatt. 60. Jahrg. Bd. VI.

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388 Wenn man auch annehmen wollte, dass die von der Gesuchstellerin nachgesuchte Vergünstigung grundsätzlich gerechtfertigt wäre, so könnte ihr dieselbe aus den soeben angeführten Gründen und mit Rücksicht auf ihre finanziellen Folgen doch nicht gewährt werden.

Zur Orientierung fügen wir noch bei, dass im Jahre 1905 die Einfuhrzölle auf Zucker Fr. 7,346,000 abgeworfen haben.

Nachdem der neue Tarif am 23. November 1906 in Kraft getreten war, wiesen die Einnahmen am 31. Dezember, d. h.

einen Monat später, schon einen Rückgang von Fr. 301,200 auf.

Tm Jahre 1907 betrug dieser Rückgang Fr. 1,072,100.

Die Ermässigung der Zuckerzölle hat also einen Rückgang in den Zolleinnahmen von mehr als einer Million Franken 'zur Folge gehabt, obschon bedeutend mehr Zucker eingeführt wurde, als in den früheren Jahren.

c. Am 5. März 1902 schlössen Deutschland, ÖsterreichUngarn, Belgien, Spanien, Frankreich, Italien, die Niederlande und Schweden in Brüssel eine Konvention über die Behandlung des Zuckers ab. Darin verpflichteten sich die Vertragsstaaten.

u. a., die für die Erzeugung oder die Ausfuhr von Zucker, zuckerhaltigen Erzeugnissen, wie eingemachte Früchte, Schokolade, Biskuits, kondensierte Milch und allen anderen ähnlichen Erzeugnissen, welche in erheblichem Verhältnisse künstlich zugesetzten Zucker enthalten, gewährten direkten und indirekten Prämien aufzuheben.

Damals bestand für die Schweiz keine Veranlassung, der Union beizutreten, da sie keinen Zucker ausführt, eine einzige Fabrikt besitzt, die im Verhältnis zur Produktion der Vertragsstaaten nur eine unbedeutende Menge Zucker herstellt, und im übrigen mehr als 99 °/o des eingeführten Zuckers aus Staaten stammen, die der Brüsseler Konvention angehören. Anlässlich der Erneuerung unseres Handelsvertrages mit Deutschland willigte letzteres in eine Herabsetzung des Einfuhrzolles auf Schokolade und anderen zuckerhaltigen Erzeugnissen von 70 auf 40 Mark ein, unter der Bedingung, dass die Schweiz der Konvention über die Behandlung des Zuckers beitrete. Unter diesen Umständen haben wir es für' angezeigt erachtet, unseren Beitritt zur Union zu erklären, und es ist derselbe am 1. September 1906 perfekt geworden. Von diesem Tage ab hat der Kanton Bern die Auszahlung der der Zuckerfabrik gewährten Prämie von 10 Cts. für jeden aus dem Kanton Bern stammenden und in der Fabrik

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verarbeiteten Zentner Rüben einstellen müssen. Der der Fabrik in dieser Form ausbezahlte jährliche Beitrag schwankte zwischen Fr. 11,000 und 16,000.

Aus obigem erhellt, dass es ohne Verletzung der Brüsseler Konvention, die in der Hauptsache die Aufhebung jeder der Zuckererzeugung gewährten Prämie bezweckt, nicht möglich wäre, der Zuckerfabrik weder die eine noch die andere der von ihr nachgesuchten Vergünstigungen zu gewähren.

Wir könnten allerdings ganz allgemein die zollfreie Einfuhr des Rohzuckers beschliessen, da es sich in diesem Falle nicht mehr um eine einer Unternehmung gewährte ausserordentliche Unterstützung, sondern um eine allen zu gute kommende Zollerleichterung handeln würde. Leider würde dies für den Bund grosse Opfer im Gefolge haben, ohne dass die Zuckerfabrik irgend welchen Nutzen davon hätte, da sich sofort andere Raffinerien in der Schweiz niederlassen würden, um aus der zollfreien Einfuhr des Rohzuckers Gewinn zu schlagen.

Auf Grund der obigen Ausführungen sehen wir uns zum Schlüsse veranlasst, Ihnen zu empfehlen, auf die beiden Begehren der Zuckerfabrik nicht einzutreten.

III.

Der Antrag auf Ablehnung, den wir soeben gestellt haben, könnte glauben lassen, die Frage sei damit erledigt und der Bund müsse die Gesuchstellerin ihrem Schicksal überlassen. Dies ist aber keineswegs unsere Meinung, denn es bleibt uns noch eine Seite der Frage zu erörtern, und zu zeigen, wie ihr eine bessere Lösung gegeben werden könnte. Zu diesem Zwecke müssen wir auf die Petition zurückkommen, die 55 Gemeinden und 22 landwirtschaftliche Genossenschaften der Kantone Bern, Waadt und Freiburg unterm 6. Juli 1907 an den Bundesrat gerichtet haben.

Wie schon oben auseinandergesetzt wurde, stellten sich diese Gemeinden und Genossenschaften ausschliesslich auf den Boden der landwirtschaftlichen Interessen, indem sie die Meinung vertraten, dass der Zuckerfabrik Aarberg ein Anspruch zustehe auf einen angemessenen Beitrag an die Opfer, die sie für die Urbarmachung der entsumpften Ländereien des Seelandes, des früheren Überschwemmungsgebietes der Aare und des Broyetales schon gebracht habe und immer noch bringe. Sie wiesen in dieser

390 Hinsicht darauf hin, dass mit déni Rübenbau in erster Linie die Verbesserung des Bodens und die Erleichterung seiner Benutzung angestrebt werde, und schlössen daraus, dass die Anwendung der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 22. Dezember 1893 im vorliegenden Falle angebracht wäre.

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass man mit der Gründung der Zuckerfabrik Aarberg die Einführung einer neuen Industrie angestrebt hat, die einerseits durch das Mittel einer neuen Kultur unsere Landwirtschaft fördern und anderseits den Zuckerbedarf unseres Landes ganz oder zum Teil decken sollte.

Die Gründer der Zuckerfabrik Aarberg sagten sich, dass, wenn einige Jahre vorher die Zuckerfabrik ,,Helvetia11 in Monthey nur unbefriedigende Resultate erzielt habe, der Grund dafür hauptsächlich in dem Umstände gesucht werden müsse, dass dieses Etablissement sich von Anfang an in einer ungünstigen Lage befunden habe und sich nicht habe entwickeln können, während die Zuckerfabrik in das Zentrum einer ausgedehnten landwirtschaftlichen Region zu stehen kommen und über ausgedehnte, zum Rübenbau geeignete Flächen Landes verfügen werde. We nn unter diesen Umständen das neue Unternehmen nach einer gewissen Anzahl Jahren sich nicht rentiere, so müsste das Experiment als misslungen angesehen und der Gedanke einer Einführung dieser Industrie in der Schweiz endgültig aufgegeben werden.

Wenn es aber gegenteils gelingen sollte, dem Rübenbau in der Schweiz eine grosse Ausdehnung zu geben und die Lebensfähigkeit der Zuckerindustrie in unserem Lande darzutun, so könnte die Unternehmung sich rühmen, der schweizerischen Landwirtschaft einen unschätzbaren Dienst geleistet zu haben. Die Gründer der Aarberger Fabrik hätten damit den doppelten Zweck erreicht: im Lande eine neue, lohnende Industrie einzubürgern und sozusagen unproduktive Ländereien urbar zu machen und zu verbessern, deren Instandstellung grosse Opfer fordert.

Die durch die Juragewässerkorrektion entsumpften Gebiete, deren Trockenlegung den Bund, die Kantone, die Gemeinden und Private grosse Summen gekostet hat, umfassen eine Fläche von ungefähr 4500 Hektaren oder 45 Quadratkilometer, d. h. ungefähr den fünften Teil des Kantons Zug und den sechsten des Kantons Genf.

Um die Landwirte zur Urbarmachung dieser Gebiete zu ermutigen und sie zu veranlassen, dabei der Rübenkultur den Vorzug zu geben, welche in hohem Masse geeignet ist, den Boden für den spätem Futter- oder Getreidebau vorzubereiten,

391 musste ihnen vor allem aus die Möglichkeit geboten werden, ihre Produkte zu einem Preise abzusetzen, der wenigstens einen Teil der Kosten deckt. Dies war und ist heute noch eines der Hauptziele der Gründer der Aarberger Fabrik. Dieser Meinung waren auch die bernischen, freiburgischen und waadtländischen Gemeinden der beteiligten Gegend, die nicht gezögert haben, einen grossen Teil des Aktienkapitals zu übernehmen.

Wenn der Staat oder die Gemeinden Aktien, z. B. einer Bisenbahn übernehmen, deren Rentabilität oft höchst problematisch ist, so tun sie es gewöhnlich nicht, um eine gute Kapitalanlage zu machen und schöne Dividenden einzustreichen, sondern eher in der Hoffnung, dass das neue Verkehrsmittel zur Vermehrung des öffentlichen Wohlstandes beitragen werde. So verhielt es sich auch mit der Zuckerfabrik Aarberg. Man sprach von ihr nicht als von einer industriellen Anlage, von der glänzende Resultate zu erwarten wären, sondern als von einem l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n g e m e i n n ü t z i g e n Unternehmen, das am ehesten und auf dem sichersten Wege zu dem angestrebten wichtigen Ziele führen würde: die N u t z b a r m a c h u n g g r o s s e r unproduktiver Flächen Landes, die später einträgl i c h e r e n K u l t u r e n als d e r j e n i g e n d e r Z u c k e r r ü b e n d i e n s t b a r g e m a c h t w e r d e n k ö n n t e n . Bei den jetzigen Verhältnissen unserer Landwirtschaft besteht kein Zweifel darüber, dass die Viehzucht, der Futterbau und die Milchindustrie in der Schweiz grössere Vorteile bieten, als die Zuckerrübenkultur. Unseres Brachtens wird diese Kultur in unserem Lande deshalb immer nur als eine accessorische betrachtet werden, die jedoch nicht zu verachten ist und möglicherweise eine gewisse Ausdehnung nehmen dürfte.

Wie dem auch sei und welches Schicksal auch der Zuckerindustrie in unserem Lande beschieden sein möge, so müssen wir doch, nach einer einlässlichen Prüfung der Frage, zugeben, dass die Zuckerfabrik Aarberg unserer Landwirtschaft grosse Dienste geleistet hat und noch leisten kann. Die Aufgabe, die sie auf diesem Gebiete erfüllt, ist von höchster Bedeutung, und man darf füglich, ohne sich der Übertreibung schuldig zu machen, behaupten, dass die landwirtschaftliche Entwicklung des Seelandes und der angrenzenden Regionen zum grossen Teil vom Bestehen
der Fabrik abhängt. Die Liquidation dieses Unternehmens in absehbarer Zeit, d. h. zu einer Zeit, wo der von ihr seit zehn Jahren mit einer löblichen Ausdauer und grossen Opfern verfolgte Zweck noch lange nicht erreicht ist, würde für die ganze Gegend schwerwiegende Folgen haben.

392 Soll das unter so günstigen Auspizien mit der unentbehrlichen Mitwirkung der Zuckerfabrik Aarberg angefangene Werk jetzt plötzlich unterbrochen werden, zu einer Zeit, wo noch Tausende von Hektaren der Erschliessung und Nutzbarmachung harren ? Darf sich der Bund angesichts so grosser Anstrengungen, welche gemacht worden sind, um die landwirtschaftliche Lage einer von der Natur wenig begünstigten und seit Jahrhunderten darniederliegenden Gegend zu fördern, passiv und gleichgültig verhalten? Wir glauben es nicht. Wir sind im Gegenteil der Ansicht, dass für den Bund die Zeit gekommen ist. wo er eingreifen und die Zuckerfabrik in Stand setzen muss, die ihr von ihren Gründern vorgezeichnete Hauptaufgabe fort und zu Ende zu führen.

Wenn uns die Brüsseler Konvention nicht gestattet, der Zuckerfabrik Aarberg als solcher einen Bundesbeitrag zuzuwenden, so kann man uns doch nicht verwehren, ihr im Hinblick auf die dank ihrer Initiative und ihren Anstrengungen bei der Urbarmachung und dem Anbau der Ländereien des Seelandes erzielten Fortschritte einen einmaligen, ziemlich bedeutenden Beitrag zu gewähren, der ihr gestatten würde, ihr Werk fortzusetzen.

Diese Beitragsleistung darf auch dann erfolgen, wenn zugegeben werden muss, dass es sich hier nicht um eine Bodenverbesserung im engern Sinne handelt, auf die unser Landwirtschaftsgesetz ohne weiteres angewendet werden könnte.

Es ist ja richtig, dass die Fabrik nur indirekt eine Verbesserung des Bodens und die Erleichterung seiner Benützung bewirkt. Ihre Einwirkung auf die Landwirtschaft ist aber eine so bedeutende und es sind zugleich am Fortbestande des Unternehmens so viele landwirtschaftliche Gemeinden und Genossenschaften interessiert, dass wir einen Bundesbeitrag gleichwohl für angezeigt erachten.

Um keinen Zweifel über den Unterschied aufkommen zu lassen, der zwischen den durch die Brüsseler Konvention verpönten Prämien und der von uns befürworteten Subvention besteht, sollte deren Auszahlung unseres Erachtens an folgende Bedingungen geknüpft werden : 1. Die Fabrik wäre gehalten, mit dem Betrage des Bundesbeitrages einen Reservefonds zu bilden, dessen Kapital und Zinsen nur zur Amortisation des aus den früheren Betriebsjahren vorhandenen Defizites und zur Deckung allfälliger weiterer Fehlbeträge der künftigen Betriebsjahre verwendet werden dürften. Es wäre

393 somit der Fabrik untersagt, diesen Reservefonds zur Ergänzung oder zur Auszahlung von Dividenden an die Aktionäre, zur Aufbesserung der Gehälter und Löhne der Angestellten und Arbeiter oder zur Prämierung der Zuckerrübenkultur zu verwenden. Sie jnüsste, mit anderen Worten, den Betrieb in der bisherigen Weise fortführen, solange der mit dem Bundesbeitrag gebildete Reservefonds nicht erschöpft ist und das Kapital und die Zinsen dieses Fonds dürften von ihr nur dann angegriffen werden, wenn die ordentlichen Betriebsausgaben, mit Einschluss der regelmässigen Abschreibungen auf den Liegenschaften und den Maschinendie ordentlichen Betriebseinnahmen übersteigen. Sollte das Unter, nehmen liquidiert werden, bevor der Reservefonds vollständig aufgebraucht ist, so fällt das Saldo desselben an die Staatskasse zurück. Endlich würden sich die eidgenössischen Behörden das Recht vorbehalten, jederzeit die richtige Verwendung des Bundesbeitrages zu kontrollieren.

2. Da die landwirtschaftlichen Interessen der Kantone, Gemeinden oder Genossenschaften mindestens ebensohoch sind wie diejenigen des Bundes, so würde die vorgeschlagene Subvention der Zuckerfabrik Aarberg nur dann ausgerichtet, wenn ihr einer oder mehrere der interessierten Kantone einen mindestens ebensohohen Beitrag bewilligten, dessen Verwendung den gleichen Bedingungen unterworfen wäre wie die unter Ziffer l festgesetzten.

Dabei wäre zu wünschen, dass die beteiligten Gemeinden und Genossenschaften sich zur Deckung des Rübenbedarfs der Fabrik verpflichten würden, statt dass ihre Lieferungen, wie es zurzeit der Fall ist, nur mehr 3/* des früheren Quantums betragen und die Fabrik Rüben aus dem Auslande einzuführen genötigt ist.

Was die Höhe des Bundesbeitrages betrifft, so glaubten wir, ihn auf Fr. 500,000 festsetzen zu sollen, um so der Aarberger Fabrik die Möglichkeit zu verschaffen, ihren Betrieb fortzusetzen, bis sie ihren wirklichen Zweck erreicht haben wird. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Aktionäre bisanhin mehr für das allgemeine Interesse, als für ihr eigenes gearbeitet haben, und dass sie entschlossen sind, ihr Werk mit der gleichen Uneigennützigkeit fortzuführen. Wir befinden uns also in Gegenwart eines g e m e i n n ü t z i g e n U n t e r n e h m e n s , das unserer vollen Unterstützung würdig ist, handelt es sich doch hauptsächlich darum, ein bedeutendes Areal unseres Landes der Kultur d i e n s t b a r zu m a c h e n , und damit einer landwirtschaftlichen

394

Bevölkerung ihr Auskommen zu erleichtern, die es in hohem Masse verdient, in ihrem Streben unterstützt zu werden.

Gestützt auf die obigen Ausführungen beehren wir uns, Ihnen den nachstehenden Beschlussesentwurf zu unterbreiten und Ihnen zu empfehlen, demselben Ihre Genehmigung zu erteilen.

B e r n , den 17. Dezember 1908.

Tm Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Brenner.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

395 (Entwurf.")

Bundesbeschluss betreffend

Bewilligung eines einmaligen Bundesbeitrages an die Zuckerfabrik Aarberg.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht der von der Zuckerfabrik Aarberg am 9. Oktober und 1. November 1906, sowie von 55 Gemeinden und 22 landwirtschaftlichen Genossenschaften der Kantone Bern, Freiburg und Waadt am 6. Juli 1907 an den Bundesrat gerichteten Eingaben; . einer Botschaft des Bundesrates vom 17. Dezember 1908, beschliesst: Art. 1. Der Zuckerfabrik Aarberg wird eine einmalige Subvention von Fr. 500,000 bewilligt, zum Zwecke der Fortsetzung der von ihr bis jetzt auf landwirtschaftlichem Gebiete, speziell mit Bezug auf die Urbarmachung und Benutzung des Bodens in den Überschwemmungsgebieten des Seelandes, der Aare und des Broyetales durchgeführten Verbesserungsarbeiten.

Art. 2. Die Zuckerfabrik Aarberg wird diesen Beitrag zur Gründung eines Reservefonds verwenden. Kapital und

396 Zinsen dieses Ponds dürfen nur für die Amortisation des aus den frühern Betriebsjahren herrührenden Defizites und zur Deckung allfälliger Fehlbeträge der künftigen Betriebsjahre in Anspruch genommen werden.

Dieser Reservefonds darf also nicht zur Ergänzungöder zur Auszahlung von Dividenden an die Aktionäre, noch zur Prämierung der einheimischen Zuckerrübenkultur, oder zur Aufbesserung der Gehälter der Angestellten und Arbeiter verwendet werden.

Art. 3. Die eidgenössischen Behörden behalten sich das Recht vor, sich jederzeit über die richtige Verwendung des Bundesbeitrages zu vergewissern.

Art. 4. Im Falle der Liquidation der Zuckerfabrik Aarberg vor der vollständigen Verwendung des Reservefonds, fällt der Saldo dieses Fonds an die eidgenössische Staatskasse zurück.

Art. 5. Der in diesem Beschlüsse vorgesehene Bundesbeitrag wird der Zuckerfabrik Aarberg nur dann ausgerichtet, wenn einer oder mehrere der interessierten Kantone ihr einen mindestens gleich hohen Beitrag gewähren, dessen Verwendung den gleichen Bedingungen wie die in Art. 2 festgesetzten unterliegt.

Art. 6. Der Bundesrat wird mit der Ausführung dieses Beschlusses beauftragt. Es wird ihm zu diesem Zwecke der nötige Kredit eröffnet.

Art. 7. Dieser Beschluss tritt, als nicht allgemein verbindlicher Natur, sofort in Kraft.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Bewilligung eines einmaligen Bundesbeitrages von Fr. 500,000 an die Zuckerfabrik Aarberg. (Vom 17.

Dezember 1908.)

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Bundesblatt

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1908

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6

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52

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23.12.1908

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376-396

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