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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Entschädigungsbegehren von Schilt, Albert, gewesenen Wachtmeisters des Füsilierbataillons 13, Angestellten der Mairie von Plainpalais, in Genf.

(Vom 29. Juli 1908.)

Tit.

Wachtmeister Schilt, Albert, geb. 1884, rückte am 26. August 1907 zum Wiederholungskurse des Füsilierbataillons 13 in Genf ein. Während der ersten Tage seines Dienstes scheint er sich wohl gefühlt zu haben, im Laufe des 5. September aber, d. h. am 10. Diensttage, sah er sich gezwungen, während eines Marsches aus den Reihen zu treten und am Abend beim Bataillonsarzt sich krank zu melden. Letzterer fand, dass Schilt fieberte und an einer Bronchitis litt; er verfügte am nächsten Tage die Evakuation des Patienten in das Krankendepot zu Romont. Dort verschlimmerte sich der Zustand des Schilt und am 8. September 1907 erfolgte seine Überführung in das Spital in Billens. Es hatte sich unterdessen bei dem Kranken aus dem einfachen Lungenkatarrh eine Lungenentzündung (Bronchopneumonie) entwickelt und diese nahm einen ziemlich schweren Verlauf. Dr.

Crausaz in Romont, der den Schilt behandelte, konstatierte während der Dauer der Krankheit, dass auf der rechten Lungenspitze des Patienten eine Infiltration sich befand, die den Verdacht in

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ihm wach rief, es möchte um eine tuberkulöse Affektion sich handeln. Als daher gegen Ende September alle von der Lungenentzündung herrührenden Anschoppungen auf den Lungen des Schilt sich gelöst hatten, die Auskultation keine kranke Stelle mehr erkennen liess und die Kräfte des Kranken wieder zurückgekehrt waren, so dass er am 11. Oktober als ,,geheilt'1 aus dem Spital entlassen werden konnte, brachte Dr. Crausaz auf dem Krankenpasse desselben eine diesen Verdacht betreffende Notiz an und auf letztere gestützt wurde Schilt vor die Untersuchungskommission geladen. Er erschien vor dieser Kommission am 28. Oktober 1907 und wurde von ihr wegen Lungentuberkulose ausgemustert.

Es sei hier noch speziell darauf hingewiesen, dass die in Frage kommende Infiltration auf der rechten Lungenspitze des Petenten sich bei dessen Austritt aus dem Spital nicht mehr konstatieren liess und dass die Ausmusterung des Schilt auf Grund der von Dr. Crausaz gemachten Beobachtung und wegen der Gefahr einer neuen Entwicklung des oßenbar bei Schilt vorhandenen tuberkulösen Herdes erfolgte. Letzterer konnte nicht die Folge des von Schilt geleisteten Militärdienstes sein, da Schilt jedenfalls nicht in den 10 von ihm absolvierten Diensttagen tuberkulös geworden war, und aus dem Entscheid der Untersuchungskommission lässt sich in dieser Beziehung auch nicht der mindeste für die Ansprüche des Rekurrenten sprechende Schluss ziehen. Dass die Gefahr einer nochmaligen Ausdehnung des bei Schilt bestehenden tuberkulösen Prozesses auch wirklich bestand, zeigte sich einige Zeit nachher. Wie gut der Zustand Schilts bei seiner Entlassung aus dem Spital in Billens übrigens war, geht deutlich aus seinen eigenen Angaben in dem von ihm an das eidgenössische Militärdepartement gerichteten Rekurse hervor, worin gesagt wird: ,,Au moment de son départ de l'hôpital ou peu de jours avant, le docteur Crausaz demanda à Schilt s'il ne voulait pas HO faire exempter. Schilt qui aime le service militaire et espérait passer sergent-major Tannée suivante fut très étonné de cette demande/' (!)

Anfangs November 1907 verkehrte der Reklamant mit der Militärversicherung wegen seiner ungerechtfertigten Ansprüche auf Krankengeld, ohne dass er über neue krankhafte Erscheinungen von Seiten seiner Lungen klagte, dagegen scheint er einen Monat später sich bei einem Arzte gemeldet und an die Kommission des Lungensanatoriums in Clairmont sur Bierre ein Aufnahms-

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gesuch gerichtet zu haben, denn von dieser Kommission wurde die Militärversicherung angefragt, ob sie Schilt auf Kosten des Bundes dort verpflegen lassen wolle. Die Antwort der Militärversicherung ging dahin, dass das Leiden Schilts, das dessen Überführung in ein Sanatorium notwendig mache, nicht als eine Folge der von ihm geleisteten 10 Diensttage betrachtet werden könne und dass somit auch die Militärversicherung die Übernahme der Kosten seiner Höhenkur ablehnen müsse. Hierauf wiederholte Schilt sein Begehren, indem er sich direkt an den Oberfeldarzt wandte; seinem Schreiben legte er ein Zeugnis des Dr. Mégevand in Genf bei, das aussagte, er leide an den Residuen einer tuberkulösen Pneumonie, die von ihm im Militärdienst erworben worden sei. Der Beweis dafür, dass Schilt den Spital ungeheilt verlassen habe, liege in seiner kurz nachher erfolgten Ausmusterung.

Da, wie wir schon oben erwähnt haben, dieser letztere Schluss vollständig unrichtig war, wurde auch dieses Gesuch des Rekurrenten abgelehnt und dasselbe Schicksal erfuhren seine am 19. Dezember 1907 und am 11. Januar 1908 durch den Advokaten L. Goudet in Genf dem schweizerischen Militärdepartement und dem Bundesrat eingereichten Rekurse.

Es liegt also materiell diese Angelegenheit folgendermassen: Schilt hat Ende August 190 7 10 Tage Militärdienst getan und in dieser Zeit entwickelte sich bei ihm auf Grund eines vordienstlich bei ihm vorhandenen tuberkulösen Herdes eine Pleuropneumonie. Trotzdem der Erkrankte nach Art. 8 des Militärversicherungsgesetzes keinen Anspruch auf irgendwelche Leistungen der Militärversicherung gehabt hätte, wurde er auf ihre Kosten bis am 11. Oktober 1907 verpflegt und von der d i e n s t l i c h e n V e r s c h l i m m e r u n g seines v o r d i e n s t l i c h schon vorh a n d e n e n L e i d e n s g e h e i l t nach Hause entlassen. Um zu vermeiden, dass der Militärdienst nochmals eine Verschlimmerung der bei Schilt existierenden tuberkulösen Lungenerkrankung herbeiführe, erklärte ihn die Untersuchungskommission am 29. Oktober 1907 als dienstuntauglich.

Nun bildete sich aber bei dem Rekurrenten, der weder im Laufe des Monats Oktober noch im November 1907 neue Reklamationen wegen seiner Krankheit erhoben hatte, der ursprüngliche Kern seiner Tuberkulose weiter aus und hierauf gelangte er an die Militärbehörden, um seine Verpflegung auf Bundeskosten zu verlangen. Dieses Begehren wurde auf Grund des Militär-

583 Versicherungsgesetzes abgewiesen, da Schilt nicht in den 10 von ihm geleisteten Diensttagen tuberkulös geworden sein kann, weil er von der dienstlichen Verschlimmerung seines Leidens nach den genauen Angaben des Herrn Dr. Crausaz in Bulle vollständig geheilt wurde und die einige Zeit nachher bei ihm konstatierten langsamen Fortschritte seiner tuberkulösen Lungenaflektion nicht mehr dem Militärdienst zur Last gelegt werden konnten.

Irgend eine begründete Angabe, die gegen diese DarlegungSprechen würde, ist in dem vorliegenden Rekurse nicht enthalten und es ist derselbe somit m a t e r i e l l v o l l s t ä n d i g u n b e gründet.

Ebenso schlimm steht es um« die f o r m e l l e S e i t e des Rekurses. Da ist in erster Linie zu bemerken, dass Schilt nicht mehr, wie in seinem ersten Begehren und seinen frühern Rekursen, Spitalverpflegung auf Bundeskosten, sondern eine Aversalentschädigung von Fr. 2000 verlangt. Da die Ausrichtung einer derartigen Entschädigung in einem Falle wie der vorliegende vom Militärversicherungsgesetz nirgends vorgesehen ist, so fällt schon allein aus diesem Grunde der ganze Rekurs in sich zusammen.

Doch dies ist nicht der alleinige Grund, der den Rekurs hinfällig macht.

Es handelt sich hier um einen Fall, in dem Anspruch erhoben wurde auf Leistungen der Militärversicherung für vorübergehenden Nachteil. Diese Leistungen sollten bestehen in der kostenfreien Verpflegung Schilts im Sanatorium in Clairmont sur Sierre (Art. 19, Alinea l, des Militärversicherungsgesetzes); auf die Ausrichtung des Krankengeldes wurde von Schilt von vorneherein verzichtet, da er seine Besoldung auch während seines Kuraufenthaltes in Clairmont weiterbezieht (Art. 19, Alinea 6, des Militärversicherungsgesetzes). Somit war hier nach Art. 22 des Militär Versicherungsgesetzes vor allem aus. der Oberfeldarzt zum Entscheid über das ihm von Schilt vorgelegte Begehren berechtigt, denn da keine Pension in Frage und auch Art. 25, Alinea 2, des Militärversicherungsgesetzes nicht in Betracht kommt, hatte die eidgenössische Pensionskommission mit dieser Angelegenheit sich nicht zu befassen. Nach dem ablehnenden Entscheid des Oberfeldarztes war nach dem schon zitierten Art. 22 des Militärversicherungsgesetzes der Rekurs zulässig an das eidgenössische Militärdepartement und ist auch innerhalb der gesetzlichen Frist von 10 Tagen eingereicht worden ; ebenso rekurrierte Schilt auf die abweisende Antwort des Militärdepartements hin innert

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10 Tagen an die von Art. 22 gegebene oberste Instanz, deu Bundesrat. Nachdem sein Begehren auch hier abgelehnt worden, war die Sache laut Gesetzesvorschrift erledigt, denn nach Art. 22 des Militärversicherungsgesetzes entscheidet der Bundesrat endgültig.

Diese Bestimmung ist seinerzeit von Ihnen in das Militürversicherungsgesetz aufgenommen worden, um zu verhindern, dass die eidgenössischen Eäte fortwährend mit Rekursen gegen bundesrätliche Entscheide in Sachen der Militärversicherung behelligt werden, und Sie haben auch bisher alle Rekurse, die trotz dieser gesetzlichen Bestimmung Ihnen eingereicht wurden, mit dem Hinweis auf Ihre Inkompetenz abgewiesen.

Wir empfehlen Ihnen daher, auch auf den Rekurs des Albert Schilt in Genf, der materiell jeder Begründung entbehrt und zudem eine nach den Bestimmungen des Militärversicherungsgesetzes unstatthafte Forderung stellt, gestützt auf den Art. 22 des Militärversicherungsgesetzes nicht einzutreten, und benützen den Anlass, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 29. Juli 1908.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Brenner.

Der I. Vizekanzler: Schatzmann.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Entschädigungsbegehren von Schilt, Albert, gewesenen Wachtmeisters des Füsilierbataillons 13, Angestellten der Mairie von Plainpalais, in Genf. (Vom 29. Juli 1908.)

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